1138/AB-BR BR

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1233/J-BR/1996, betreffend Versand von AIDS-
verseuchten Harn- und Blutproben, die die Bundesräte Dr. Tremmel und Kollegen am
23. Oktober 1996 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
1. Zu welchem Zweck werden AIDS-inflzierte Blut- und Harnproben aus den USA ins
AKH und wieder retour transportiert?
Antwort:
Es handelt sich bei der Behauptung, daß HIV-infizierte Blut- und Harnproben aus den USA ins
AKH transportiert wurden, um eine Falschmeldung der Medien. Zu keinem Zeitpunkt wurden
HIV-1 -Infizierte Blut- und Harnproben aus den USA an die Klinische Abteilung für Immun-
dermatologle und infektiöse Hautkrankheiten der Universitätsklinik für Dermatologie ins AKH
Wien gesandt.
2. Um welche konkreten Projekte der universitären Forschung, die anscheinend ohne
AIDS-Blutproben aus den USA nicht auskommen können, handelt es sich hier?

Antwort:
Die Klinische Abteilung für Immundermatologle und infektiöse Hautkrankheiten der Uni-
versitätsklinik für Dermatologie des AKH führt gemeinsam mit den National Institutes of
Health, National Cancer Institute (NIHINC), Bethesda, Maryland, USA und anderen interna-
tionalen Zentren eine epidemiologische Untersuchung über die Prognoseparameter der HIV-
Infektion durch. Dabei werden nicht Blutproben aus den USA nach Österreich, sondern Blut-
und Harnproben von österreichischen Patienten mit Hämophilie A sowie deren Angehö-
rigen in die USA gesandt. Die Untersuchungen so erhobener Befunde und deren Interpreta-
tion erfolgen durch das Department of Health and Human Services, National Cancer Institute,
National Institutes of Health, USA. Die Befunde werden der Klinischen Abteilung für Immun-
dermatologie und infektiöse Hautkrankheiten der Universitätsklinik für Dermatologie von
dieser zentralen Untersuchungsstelle übermittelt und geben der Klinik wichtige Informationen
über den Immunstatus der österreichischen Patienten. Sie stellen somit eine wichtige therapeu-
tische Entscheidungshilfe dar.
3. In welcher Art und welchem Umfang werden diese Forschungsprojekte im einzelnen
von Ihrem Ressort gefördert?
Antwort:
Dem Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst sind keine Förderungen dieses
Projektes bekannt.
4. Welche Umstände, Fehler, Verstöße oder Unterlassungen haben zu dem dramati-
schen Zwischenfall auf dem Flughafen Schwechat am 24.7.1996 geführt?
Antwort:
Zu dieser Frage ist grundsätzlich anzumerken, daß Geschäftsführungsangelegenheiten der
Flughafen Wien Betriebsgesellschaft nicht in meinen Kompetenzbereich fallen. Zuständig
dafür ist der Bundesminister für Finanzen.
Ich habe aber dennoch den Flughafen Wien um entsprechende Informationen ersucht. Dabei
wurde mir mitgeteilt daß die als "Dangerous Goods" deklarierte Ware bei der Anlieferung von
dem für den Transport vorgesehenen Luftverkehrsunternehmen auf der Grundlage der für
solche Güter international gültigen Vorschriften überprüft wurde. Im Rahmen dieser Über-
prüfung wurde ein Mangel der äußeren Verpackung erkannt. Dies führte dazu, daß die Sen-
dung vom Transport ausgeschlossen und an den Spediteur retourniert wurde. Aufgrund dieser
Vorgangsweise und der damit verbundenen Tatsache, daß hiedurch keine Einlagerung der
Ware in Einrichtungen des Flughafens Wien stattgefunden hat, ist festzustellen, daß weder
seitens des Luftverkehrsunternehmens noch seitens des "Handling Agent" Fehler, Verstöße
oder Unterlassungen erfolgten. Der Umstand, daß der Mitarbeiter des Speditionsunternehmens
in der Folge in den Räumen der Spedition am Inhalt der Ware manipuliert hat, liegt ausschließ-
lich im Verantwortungsbereich dieses Unternehmens.
5. Welche Rechtsvorschriften gelten für den Transport AIDS - verseuchter Blut - und
Harnproben in Österreich, im Binnenmarkt und international
a) nach Transportmittel (z.B. Auto, Bahn, Flugzeug usw.),
b) nach Transporteur (z.B. Privatperson, Post, Frächter usw.)?
Antwort.
Für die Beförderung von AIDS - Erregern enthaltenden Blut- oder Harnproben gelten in Oster-
reich die Rechtsvorschriften für die Beförderung gefährlicher Güter und zwar handelt es sich
um gefährliche Güter der Gefahrgütklasse 6.2 "Infektiöse Stoffe".
Als materielle Grundlage für die vom Transportmittel unabhängigen Regelungen wie Ein-
teilung der gefährlichen Güter in die Gefahrgütklassen und innerhalb dieser Klassen, sowie für
Verpackung und Kennzeichnung dienen die vom UNIECOSOC-Expertenkomitee für die
Beförderung gefährlicher Güter erarbeiteten "Empfehlungen der Vereinten Nationen für die
Beförderung gefährlicher Güter (Orange Book, RTDG), Dok. ST/SG/AC.10/1 dzt. Rev. 9",
deren Abschnitt 6.12 ff die besonderen Regelungen hinsichtlich der Gefahrgütklasse 6.2 ent-
hält.
a) Die genannten Empfehlungen werden nahezu unverändert in internationale Vorschriften für
d je verschiedenen Verkehrsträger übernommen:
ADR: Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefähr-
licher Güter auf der Straße i.d.F. 1.1.1995: Klasse 6.2, Rn. 2552ff
RID: Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung Gefährlicher Güter
i.d.F, 1.1.1995: Klasse 6.2, Rn. 552 ff
ICAO-TI: Technical Instruetions for the Safe Transport of Dangerous Goods by Air,
General ICAO Annex 18, Doc 9284-AN/905, Ausgabe 1995/1996: Verpak-
kungsmethode 602 in Kapitel 3, 8.1
IATA-DGR: Gefahrgutvorschriften der International Air Transport Association, Ausgabe
1995: Verpackungsmethode 602 in Abschnitt 5
IMDG-Code: Internationaler Code über die Seebeförderung gefährlicher Güter (IMDG-
Code) der Internationalen Seeschiffahrtsorganisation (IMO) i.d.F. Amend-
ment 26: in der deutschsprachigen Ausgabe Seite 6304 ff.
Im übrigen werden diese internationalen Vorschriften in Österreich durch Rezeption auch
für den nationalen Verkehr angewandt.
b) Da dies der globalen Sicherheitsphilosophie grundsätzlich fremd ist, trifft der Anwendungs-
bereich der genannten Regelungen nur in wenigen, im vorliegenden Fall nicht relevanten
Ausnahmefällen Unterscheidungen hinsichtlich der Beförderer.
Hinsichtlich der Versendung infektiöser Stoffe per Luftpost sind allfällige postrechtliche
Bestimmungen zusätzlich zu den Gefahrgut-Beförderungsvorschriften zu beachten.
6. Haben Sie geprüft, gegen welche diesbezüglichen Rechtsvorschriften die Betreiber des
Forschungsprojektes bzw. mit dem Transport beauftragte Firmen oder Personen
verstoßen haben?
Antwort:
Es wurde von ho. Seite eine Begutachtung der im Anlaßfall der Anfrage verwendeten Verpak-
kung auf Vorschriftenkonformität vorgenommen, die zum Schluß kam, daß die genannte Ver-
packung den einschlägigen Gefahrgut-Beförderungsvorschriften nicht entsprach.
7. War diese Explosion am Flughafen Schwechat die erste Panne beim Versand von
AIDS-verseuchtem Material oder gab es schon diesbezügliche Zwischenfälle und Pan-
nen)
Wenn ja: welche?
Antwort:
Es ist kein ähnlicher Fall bekannt.
8. Welche Konsequenzen haben Sie als für Wissenschaft und Verkehr zuständiges Regie-
rungsmitglied aus diesem Vorfall gezogen, um die Sicherheit von Arbeitnehmern und
Bevölkerung gegenüber AIDS-verseuchtem Probematerial zu gewährleisten?
Antwort:
Die Bestimmungen für die Gefahrgütklasse 6.2 wurden per 1. Januar 1995 weltweit neu konzi-
piert. Seitens des ho. Ressorts wurden und werden in Zusammenarbeit mit dem Bundesministe-
rium für Gesundheit und Konsumentenschutz sowie dem Bundesministerium für Umwelt,
Jugend und Familie erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Kenntnis hinsichtlich
dieser neugefaßten Vorschriften unter den Betroffenen möglichst breit und intensiv zu gestal-
ten. Eine weitere Verbesserung in dieser Hinsicht kann von der in Österreich in Umsetzung
einer Richtlinie der EU erfolgenden Einführung des sogenannten "Gefahrgutbeauftragten"
erwartet werden.