1812/AB-BR BR

Eingelangt am: 09.09.2002

BM für Justiz

 

Die Bundesräte Engelbert Weilharter, Kolleginnen und Kolleginnen haben an mich
eine schriftliche Anfrage betreffend “Einstellung von polizeilichen Erhebungen gegen
den österreichischen Tierschutzverein (ÖTV) trotz schwerwiegender Verdachtsmo-
mente" gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:
Ja.

Zu 2:

Im Verlauf eines beim Landesgericht Salzburg geführten Strafverfahrens gegen

E. G. erstattete die Bundespolizeidirektion Salzburg - auch im Jahr 1998- mehre-
re Berichte. Offensichtlich bezieht sich die Anfrage auf den Bericht der Bundespoli-
zeidirektion Salzburg vom 27. Mai 1998, AZ II 155-4/98.

Dieser Bericht hält fest, dass es fraglich sei, ob der Österreichische Tierschutzverein
Generalversammlungen abgehalten hat und ob der Vorstand tatsächlich entlastet
wurde. Zudem wird ausgeführt, dass die Ehefrau des Herrn E. G. hinsichtlich der
Spendenkonten des Österreichischen Tierschutzvereines zeichnungsberechtigt sei,
obwohl sie anlässlich einer Generalversammlung am 15. April 1996 als Mitglied des
Vorstandes (Kassiererin) abgewählt worden war. Im Bericht wird weiters gemutmaßt,
dass der Österreichische Tierschutzverein angesichts der Erlangung von Spenden-
geldern in der Höhe mehrerer 10 Millionen S tatsächlich kein Verein sondern eine
"Firma" sei. Auf diese Annahme gründen sich auch die weiteren Berichtsausführun-


gen, wonach der Österreichische Tierschutzverein die den Einnahmen aus Spen-
dengeldern entsprechenden Abgaben hinterzogen habe.

Zu 3 bis 5:

Eine formelle Einstellung polizeilicher Erhebungen durch die Staatsanwaltschaft

sieht die geltende Strafprozessordnung nicht vor. Richtig ist aber, dass beim Lan-
desgericht Salzburg ein Strafverfahren gegen E. G. wegen des Verdachts betrü-
gerischer Vorgehensweise im Zusammenhang mit seiner Funktion als Obmann des
Österreichischen Tierschutzvereines anhängig war und dass dieses Strafverfahren
auf Grund einer entsprechenden Erklärung der Staatsanwaltschaft durch Einstellung
beendet wurde. Der strafrechtlich relevante Verdacht ging dahin, dass E. G.
durch unwahre Behauptungen in diversen Broschüren des Österreichischen Tier-
schutzvereines Spenden in Millionenhöhe lukriert und diese Gelder - zumindest teil-
weise - nicht für den Tierschutz sondern zweckwidrig auch für private Anschaffungen
verwendet habe. Eine Verfolgung der auch im vorgenannten Bericht der Bundespoli-
zeidirektion Salzburg geäußerten Verdachtsmomente in Richtung allfälliger Verstöße
gegen das Vereinsgesetz fiel nicht in die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft. We-
gen des Verdachts finanzstrafrechtlicher Vergehen wurde die Finanzstrafbehörde
entsprechend der Zuständigkeit nach § 53 FinStrG mit den gerichtlichen Ermitt-
lungsergebnissen befasst. Die Prüfung durch die Finanzstrafbehörde ist noch nicht
abgeschlossen.

Zur Aufklärung des strafrechtlich relevanten Verdachts wurde(n) über etwa 3 Jahre
zunächst umfangreiche gerichtliche Vorerhebungen, später eine gerichtliche Vorun-
tersuchung geführt. Die Ergebnisse des Verfahrens fanden in einem 14-bändigen
Gerichtsakt ihren Niederschlag. Unter anderem wurde zur Durchleuchtung der finan-
ziellen Gebarung des Vereines und der Verwendung der Spendengelder das Gut-
achten eines sachverständigen Wirtschaftsprüfers eingeholt. Laut Gutachten des
Sachverständigen langten in den Jahren 1994 bis 1999 Spenden in der Höhe von
insgesamt 55,091.191,60 S auf den Konten des Österreichischen Tierschutzvereines
ein. Ein Großteil dieses Betrages wurde für die Herstellung und Versendung der
Tierschutz-Zeitschrift "Tier und Natur" verwendet, die vom Verlag des Österreichi-
schen Tierschutzverein herausgegeben wurde. Für weitere Tierschutzmaßnahmen
(die offenbar in der Anfrage als “aktive Tierschutzmaßnahmen" bezeichnet werden),
wie die Errichtung von sogenannten "Gnadenhöfen" für Tiere, Unterstützung von
Tierheimen oder der Ankauf von Tierarzneimittel wurde laut der Zusammenstellung


des Sachverständigen ein Betrag in der Höhe von 2,173.826,67 S aufgewendet. Mit
einem weiteren Betrag wurden Broschüren (die auch Spendenaufrufe enthielten)
und der Personal- und Verwaltungsaufwand des Vereines finanziert.

Über Auftrag des Rechtsanwaltes von E. G. prüfte auch eine Revisions-, Treu-
hand- und BeratungsgesellschaftmbH die finanzielle Gebarung des Vereins und den
Verbleib der Spenden. Diese Gesellschaft stellte in ihrer Stellungnahme zum Gut-
achten des Sachverständigen - bezogen auf die in den Broschüren zur Erlangung
von Spenden und in der Zeitschrift "Tier und Natur" bekannt gemachten Aufgaben
des Vereins - fest, dass der Österreichische Tierschutzverein keine zweckwidrigen
Ausgaben getätigt habe. Als Aufgaben des Vereins - die auch über die Publikatio-
nen des Vereins den Spendern bekannt gemacht wurden - waren etwa die kostenlo-
se Beratung in allen Belangen des Tierschutzes, das Unterstützen, Unterhalten und
Kontrollieren von Tierheimen in ganz Österreich, die Herausgabe der Zeitschrift "Tier
und Natur", die Vermittlung herrenloser Tiere und Unterbringung von Tieren auf ei-
nem "Gnadenhof" genannt. Zahlungen an E. G., seine Familie oder an Werbeun-
ternehmen ohne entsprechende Gegenleistungen konnten nicht eruiert werden.

Bei der strafrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts hatte die Staatsanwaltschaft
Salzburg primär die Frage zu klären, in wie weit die Aufwendungen für die Herstel-
lung und Versendung der Zeitschrift "Tier und Natur" sowie für die Spendenaufrufe
und der Verwaltungs- und Personalaufwand den Zwecken des Tierschutzes zuge-
ordnet werden können. Nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung liegt Spen-
denbetrug dann vor, wenn das einseitige Vermögensopfer des Spenders bei gebo-
tener wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine unvernünftige Ausgabe ist, weil das
Ziel, wirtschaftliche Werte zur Förderung des Spendenzwecks zu verschaffen, ver-
fehlt wird. Spenden werden nach dieser Judikatur auch dann für Vereinszwecke
verwendet, wenn damit Verwaltungs- und Werbekosten finanziert werden. Auch
kann die wirtschaftlich vertretbare Einschaltung einer kommerziellen Werbeagentur
ohne unverhältnismäßig höheren Kostenaufwand gerechtfertigt sein. Im bloßen Ver-
schweigen anfallender Werbungs- und Verwaltungskosten erblickt der Oberste Ge-
richtshof keine Täuschung der Spender durch Unterlassen (wie sie für betrügeri-
sches Vorgehen essenziell wäre), weil sich eine entsprechende Aufklärungspflicht
des Werbers aus dem Gesetz nicht ergibt. Aufgrund der Broschüren mit Spenden-
aufrufen und der Zeitschrift "Tier und Natur" aber auch aufgrund der Bekanntma-


chung der Aufgaben des Vereins waren die Spender über die Zweckwidmung und
die künftige Verwendung der Spendengelder informiert.

Die Ermittlungen ergaben keine Anhaltspunkte für eine persönliche Bereicherung
des E. G. durch seine Tätigkeit als Obmann des Österreichischen Tierschutzver-
eins. Nach dem im Lichte der Stellungnahme der genannten Revisions-, Treuhand-
und Beratungsgesellschaft ergänzten Sachverständigengutachten konnte nach Be-
urteilung der Anklagebehörde die Verwendung der Spendengelder nachvollzogen
werden.

Die Anklagebehörde kam daher zum Ergebnis, dass der Nachweis eines betrügeri-
schen Vorgehens nicht zu erbringen wäre.