1929/AB-BR/2003
Eingelangt am 23.09.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM FÜR FINANZEN
Anfragebeantwortung
Auf die schriftliche
parlamentarische Anfrage der Bundesräte Klaus
Gasteiger und
Kollegen, Nr. 2084/J-BR, vom 23. Juli 2003, betreffend Ver-
mögensauseinandersetzung zwischen Bund und Ländern, beehre ich mich
Folgendes mitzuteilen:
Zu 1.:
Der VfGH hat im Erkenntnis G 270-272/01 vom 29. Juni 2002
anlässlich
eines Antrags der Salzburger Landesregierung im Zusammenhang mit dem
Bundesforstegesetz 1996 entschieden, dass
eine endgültige Vermögensaus-
einandersetzung über das Vermögen der Monarchie zwischen Bund und Län-
dern noch aussteht. Die Rechtsgrundlage dieses Erkenntnisses ist das Über-
gangsgesetz (ÜG) 1920.
Die Länder kündigten mit Beschluss
der Landeshauptmänner-Konferenz vom
16. Oktober
2002 an, diesbezüglich an den Bund heranzutreten und ersuch-
ten gleichzeitig
Salzburg, in den eventuellen Verhandlungen die Federführung
und Koordination zu übernehmen.
Mit dem Schreiben von Landeshauptmann Dr. Schausberger an
Herrn Bun-
deskanzler Dr,
Schüssel vom 24.
April 2003 wurde erstmals ein Verlangen
nach Verhandlungen direkt an den Bund herangetragen. In seinem Antwort-
schreiben vom 26. August 2003 teilte der Herr Bundeskanzler Landeshaupt-
mann Dr. Schausberger mit, dass die
Verhandlungsführung für den Bund
meinem Ressort obliegt.
Zu 2.:
Das Schreiben des Landeshauptmanns von Salzburg an den Herrn Bundes-
kanzler vom 24. April 2003 enthält
eine Aufzählung von Vermögenswerten,
die nach Ansicht des Landes Salzburg
der Vermögensaufteilung unterliegen.
Derartig detaillierte Mitteilungen anderer Bundesländer sind bisher nicht
beim Bundesministerium für Finanzen
eingelangt.
Zu 3.:
Zunächst
ist festzustellen, dass der Vermögensbegriff in § 11 ÜG 1920 um-
fassend zu verstehen ist und alle von der
Monarchie auf Bund und Länder
übergegangenen Aktiva und Passiva beinhaltet. Der Verfassungsgerichtshof
erklärt in seinem Erkenntnis G 270-272/01, dass der
Bund bis zur Vermö-
gensauseinandersetzung "...im
Außenverhältnis die Befugnisse eines Eigen-
tümers ausüben kann..." und "...Maßnahmen einer ordentlichen Wirt-
schaftsführung setzen darf...".
Weiters führt der VfGH aus, dass bei der Ver
mögensauseinandersetzung die Länder
keinen "Anspruch auf Übertragung
des seinerzeit auf ihrem Landesterritorium befindlichen ehemals staatlichen
Liegenschaftsvermögens in vollem Umfang in natura..." haben. Eine Auftei-
lung des Vermögen« kann daher auch "...mit
Hilfe einer Ausgleichszahlung
oder durch andere Instrumente ..'' bewerkstelligt werden. Der Bund ist
also
lediglich dazu verpflichtet, "...die in Aussicht gestellte Vermögensauseinan-
dersetzung ...(nicht) zu
unterlaufen oder unmöglich zu machen", was nach
Ansicht des Bundesministeriums für
Finanzen nur dann der Fall wäre, wenn
der Bund entweder zahlungsunfähig wäre oder die in Frage stehenden Ver-
mögenswerte in großem Ausmaß untergegangen bzw. zerstört wären. Diese
Verpflichtung hat der Bund zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt oder ver-
letzt.
Zu 4.:
Mit Schreiben des Bundesministeriums für Land- und
Forstwirtschaft, Um-
welt und Wasserwirtschaft vom 17. Februar 2003 wurde dem Bundesministe-
rium für Finanzen ein Schreiben des Landeshauptmannes von Salzburg vom
7. Februar 2003 an die Österreichische Bundesforste AG (ÖBf-AG) vorgelegt,
in dem Landeshauptmann Dr. Schausberger ersuchte, bei künftigen Veräu-
ßerungen von Grundstücken "...die Position des Landes in dieser Vermö-
gensfrage zu berücksichtigen und daher keine größeren Veräußerungen aus
diesem (Anm.: aus dem Reichsfürstentum Salzburg herrührenden) Vermögen
vorzunehmen...".
In Anbetracht der bei Punkt 3 angeführten
Interpretation des VfGH wies die
ÖBf-AG in ihrem Antwortschreiben auf die Verfassungskonformität der akti-
ven Grundstückspolitik hin und bekannte sich ausdrücklich zu der im Ver-
fassungsrang stehenden Substanzerhaltungspflicht.
Zu
5.:
Wie schon unter Punkt 3 dargelegt, hat der
Bund im Außenverhältnis die
Befugnisse eines Eigentümers und darf Maßnahmen einer ordentlichen Wirt-
schaftsführung setzen, wobei unter diesen Maßnahmen sowohl Veräußerun-
gen als auch Anschaffungen fallen können Dadurch wird weder gegen
§11 ÜG 1920 verstoßen, noch die ausstehende Vermögensauseinanderset-
zung unterlaufen oder gar unmöglich gemacht, da der VfGH ausdrücklich
betont hat, dass die Länder keinen Anspruch auf Übertragung
einzelner Ver-
mögenswerte in natura haben und eine Vermögensauseinandersetzung auch
im Wege von Ausgleichszahlungen stattfinden
kann.
Detaillierte Angaben über die Vermögenswerte sind auf Grund
des aktuellen
(bereits dargelegten) Verwaltungsstandes zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch
nicht möglich, wofür ich um Verständnis ersuche.
Zu 6.:
Der Bund ist zur
konstruktiven Lösung der Frage "Vermögensauseinander-
setzung" bereit.
Auf Grund des
verfassungsrechtlich vorgegebenen Zusammenhangs
(§ 4
Finanz-Verfassungsgesetz) ist nach Ansicht des Bundesministeriums für
Finanzen eine Vermögensauseinandersetzung nur zusammen mit den Ver-
handlungen über den Finanzausgleich (das
derzeit geltende Finanzaus-
gleichsgesetz 2001 tritt mit 31. Dezember 2004 außer Kraft) sinnvoll.
Ein er-
folgreicher Abschluss der Verhandlungen setzt dabei voraus, dass im Rahmen
einer Gesamtschau die aktuellen Aufgaben, Finanzierungsmöglichkeiten und
Vermögensverhältnisse der
Gebietskörperschaften behandelt werden.
Zu 7.:
Da der Konvent zur Staatsreform die Aufgabe hat, Vorschläge für eine
grundlegende Staats- und Verwaltungsreform mit dem Ziel
auszuarbeiten,
einen neuen Verfassungstext zu schaffen, wird er sich nach Meinung des
Bundesministeriums für Finanzen mit elementaren Fragen des österreichi-
schen Verfassungsrechts befassen.
Die Vermögensauseinandersetzung zwischen Bund und
Ländern wird zwar
durch Bundesverfassungsgesetz geregelt werden müssen, berührt aber den-
noch
nicht die grundsätzlichen, verfassungsrechtlichen Kernfragen, die im
Konvent behandelt werden. Aus den unter Punkt 6 angeführten Gründen ist
daher aus der Sicht des Bundesministeriums für Finanzen eine Einbeziehung
des Themas
"Vermögensauseinandersetzung" in die Beratungen des Konvents
nicht zielführend.