1963/AB-BR/2004

Eingelangt am 22.03.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Wirtschaft und Arbeit

 

Anfragebeantwortung

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 2149/J betreffend
Verlagerung der Notstandshilfe, welche die Abgeordneten Weiss, Kolleginnen und
Kollegen am 10. Februar 2004 an mich richteten, stelle ich fest:

Die österreichische Bundesregierung hat im Regierungsprogramm für die XXII. Ge-
setzgebungsperiode unter der Überschrift "Überführung der Notstandshilfe in eine
"Sozialhilfe neu "" vereinbart, dass geprüft werden soll, "die Notstandshilfe von der
Zuständigkeit des AMS in die Sozialhilfe der Länder zu verlagern". Wesentliche
Voraussetzung dafür ist eine durch ein Sozialhilfegrundsatzgesetz oder eine Artikel
15-a-Vereinbarung harmonisierte Regelung der gesamten "Sozialhilfe neu".

Diese Prüfung soll mit der Zielrichtung erfolgen, Vollbeschäftigung unter
Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse nach Flexibilität und Wahrung des
Anspruchs auf Sicherheit und Solidarität im Zusammenhang mit einem gerechten
Zugang zum Arbeitsmarkt wiederzugewinnen.

Aus meiner Sicht zeichnen sich unter Berücksichtigung der Ergebnisse der auf
Wunsch der Länder unter dem Vorsitz des nunmehrigen Bundesministeriums für
soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und mit
wissenschaftlicher Begleitung durch Herrn Prof. Dr. Pfeil eingerichteten
Arbeitsgruppe zur umfassenden Analyse der Sozialhilfe folgende Eckpunkte einer
Reform ab.


   Erarbeitung   der   Reform   unter   Einbeziehung   aller   relevanten   Akteure,
     insbesondere der Länder, Sozialpartner und NGOs

        Sozial   ausgewogene   einheitliche   Existenzsicherung   zur   Abwehr   von
Armutsgefährdung

        Gleichbehandlung  gleich  gelagerter  Problemlagen   (bspw.  Arbeitslosigkeit
mit/ohne Leistungsanspruch nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz)

        Bereinigung  von   Schnittstellen  zwischen   Sicherungssystemen   und   ihren
Trägerorganisationen

        Verfahrenssicherheit, -rationalisierung und -beschleunigung

        One Desk Prinzip

Dabei ist zu berücksichtigen, dass

        erwerbsfähige, arbeitslose Sozialhilfeempfänger im Erwerbsalter durch das
AMS   beraten   und   vermittelt  werden,   wobei   die   Vormerkung   bei   den
Geschäftsstellen   des   AMS   eine   Voraussetzung   des   Sozialhilfebezuges
darstellt und entsprechend dem Arbeitsmarktservicegesetz und den dazu
ergangenen    Richtlinien    den    vorgemerkten    Sozialhilfeempfängern    das
gesamte Dienstleistungs- und Beihilfenangebot des AMS zur Integration in
den Arbeitsmarkt zur Verfügung steht

        Personen    mit    Erreichen    des    Regelpensionsalters    einheitlich    beim
Pensionsversicherungsträger    betreut    und    unter    Berücksichtigung    des
Ausgleichzulagensystems   materiell   abgesichert   werden;   die   budgetäre
Beteiligung der Länder erfolgt über Gegenverrechnung des tatsächlichen
Aufwandes

        erwerbsunfähige Personen im Erwerbsalter rasch und einfach lokalen Zugang
zur Sozialhilfe finden.

Dabei steht eine noch bessere Betreuung der arbeitsfähigen Erwerbsbevölkerung,
unabhängig davon, ob die einzelnen Personen nun eine Leistung aus der
Arbeitslosenversicherung oder der Sozialhilfe erhalten, im Vordergrund. Nahe
liegend bedeutet dies, dass nach dem auch in anderen Bereichen forcierten,
kundenorientierten        „One-Desk-Prinzip"        auch        die        existenzsichernden


Einkommensersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit von einer Stelle ausbezahlt
werden. Wer zur Leistung nicht oder nicht mehr fähig ist oder beispielsweise durch
eine familiäre Krise in finanzielle Notlage geraten ist, soll zunächst Anspruch auf
Hilfe und Existenzsicherung ohne Rücksicht auf die Ursache haben. Statt wie in der
BRD die Arbeitslosenhilfe auf das niedrigere Niveau der Sozialhilfe zu senken, wird
in Österreich eine „Sozialhilfe neu" angestrebt, die Synergien zwischen der vom AMS
gewährten Notstandshilfe und der vom Land und den Kommunen betreuten
Sozialhilfe bewirken soll.

Es ist nicht daran gedacht, das mit der Notstandshilfe verbundene Niveau und
Verfahren materieller Unterstützung aufzugeben. Immerhin beträgt der
Notstandshilfeaufwand bspw. im Bundesland Wien nahezu das Doppelte des
Sozialhilfeaufwandes (rd. 343 Mio. € zu 179 Mio. € im Jahr 2000); dies bedeutet eine
massive Entlastung der Länderbudgets zu Lasten der Beitragszahler zur
Arbeitslosenversicherung und dementsprechender Teillast bei den
Lohnnebenkosten. Allerdings sind erhebliche, auch budgetär wirksame
Einsparungseffekte in der Art und Weise der Leistungserbringung und der Synergien
in der Verfahrensabwicklung zu erwarten.

Jedenfalls soll die Sozialhilfe zu einem effizienten Mittel gegen Armut ohne
bürokratische „Hürdenläufe" werden.

Damit verbindet sich nicht nur die nachhaltige Sicherung im Rahmen der sozialen
Marktwirtschaft (wirtschaftlich verantwortungsvoller Umgang mit erforderlichen
Lebensressourcen), sondern insbesondere auch die Schaffung der Grundlagen zur
verlässlichen und berechenbaren finanziellen Sicherung des Solidarsystems. Dieser
Grundsatz bezieht sich insbesondere auch auf die Neugestaltung der Sozialhilfe als
wirkungsvolles Instrument zur Abwendung von Verarmungsgefährdung und
materieller Notlage.