1970/AB-BR/2004

Eingelangt am 07.04.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

 

Anfragebeantwortung

 

Die Abgeordneten zum Bundesrat Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und
Kollegen haben am 10. Februar 2004 unter der Nummer 2146/J-BR/2004 an mich eine schriftliche
parlamentarische Anfrage betreffend Vorantreiben des Atomausstiegs in Europa gerichtet, die
folgenden Wortlaut hat:

„In welcher Weise werden Sie die in der Entschließung des Vorarlberger Landtages ausgedrückten
Anliegen vertreten?"

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Ausgangspunkt für die österreichische Verhandlungsposition in der Regierungskonferenz bleibt
weiterhin die - am 23. September 2003 von der Bundesregierung beschlossene und am
30, September 2003 vom Hauptausschuss des Nationalrates begrüßte - österreichische
Grundsatzposition, in der festgehalten wird, dass die Behandlung des EURATOM-Vertrages im
Verfassungsentwurf des Konvents als nicht zufriedenstellend zu beurteilen ist.

Dass der EURATOM-Vertrag überhaupt Gegenstand der Debatten des Konvents war, ist nicht
zuletzt ein Verdienst der österreichischen Mitglieder. Diese haben mehrfach die Einbeziehung von
EURATOM in die Zukunftsdebatte gefordert und dazu auch eine Reihe schriftlicher Beiträge
eingebracht Wesentliche österreichische Anliegen des genannten Regierungsbeschlusses - wie die
Erhöhung der demokratischen Legitimation der europäischen Atompolitik durch Einbeziehung des
Europäischen Parlaments, die Schaffung ausdrücklicher Rechtsgrundlagen für europaweite
Sicherheitsstandards für zivile kerntechnische Anlagen auf hohem Schutzniveau und die
Einbeziehung der Kernenergie in einen fairen Wettbewerb mit anderen Energieträgern - blieben im
Konvententwurf letzten Endes jedoch unberücksichtigt.

 


Der Konvent legte ein äußerst rudimentäres EURATOM-Protokoll zum Verfassungsentwurf vor,
das an der Trennung der Rechtspersönlichkeiten von Europäischer Union und Europäischer
Atomgemeinschaft festhält und lediglich einige - mitunter nicht wirklich konsistente bzw.
unvollständige - Formalanpassungen in den institutionellen und allgemeinen Bestimmungen des
EURATOM-Vertrags vorsieht.

In der Regierungskonferenz wurde dieses EURATOM-Protokoll von der Rechtsexpertengruppe
ausschließlich im Hinblick auf seine formaljuristische Vollständigkeit und Kohärenz geprüft, wobei
das Mandat dieser Gruppe politische Fragen ausschließt. Dabei konnten einige wenige und aus
österreichischer Sicht keineswegs ausreichende, legistische Verbesserungen erzielt werden.

Sowohl Bundeskanzler Dr. Schüssel als auch ich haben deshalb bei allen Sitzungen und Gesprächen
im Rahmen der Regierungskonferenz mit besonderem Nachdruck gefordert, dass im
Verfassungsvertrag eine konkrete Perspektive zur Revision des EURATOM-Vertrages eröffnet
werden muss. Als aus österreichischer Sicht wesentliches Element eines Gesamtpakets hat
Österreich gemeinsam mit Deutschland vor dem Europäischen Rat in Brüssel am 12./13. Dezember
eine politische Absichtserklärung der Mitgliedstaaten zur möglichst raschen Einberufung einer
EURATOM-Revisionskonferenz vorgeschlagen, der sich auf Betreiben Österreichs auch einige
andere Mitgliedstaaten angeschlossen hätten. Da bei diesem Brüsseler Gipfel bekanntlich keine
Gesamteinigung gelang, unternimmt die irische Ratspräsidentschaft derzeit Konsultationen, um bis
zum Europäischen Rat im März d.J. Klarheit darüber zu gewinnen, ob bei den Mitgliedstaaten die
Bereitschaft besteht, die Regierungskonferenz bei einem neuerlichen Anlauf zu einem erfolgreichen
Abschluss zu bringen.

Österreich unterstützt diese Bemühungen unter anderem auch deshalb voll und ganz, weil eine
Gesamteinigung über einen europäischen Verfassungsvertrag auf absehbare Zeit die beste Chance
bietet, dass sich auch andere Mitgliedstaaten politisch verpflichten, für die Einberufung einer
EURATOM-Revisionskonferenz einzutreten. Die Unterbrechung der Regierungskonferenz bietet
uns Gelegenheit, unsere bisherige Überzeugungsarbeit fortzusetzen, um den Kreis unserer
Verbündeten noch zu erweitern. Dieses prioritäre, gemeinsame österreichische Anliegen wird bei
allen meinen Kontakten mit unseren europäischen Partnern mit Nachdruck verfolgt.


Hinsichtlich des EURATOM-Forschungsprogramms verweise ich auf die federführende
Zuständigkeit der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Eine grundsätzliche
Änderung der Zielsetzungen dieses Programms, insbesondere dessen Integration in ein einheitliches
EU Forschungs-Rahmenprogramm, würde jedenfalls die von der Bundesregierung angestrebte
Reform des EURATOM-Vertrags erfordern.

Was den Plan der Erhöhung des EURATOM-Kreditvolumens von vier auf sechs Milliarden Euro
betrifft, so würde Österreich einer Erhöhung nur dann zustimmen, wenn die Gelder für die
Erhöhung der Sicherheit in bereits bestehenden Kernkraftwerken oder für den Ausstieg aus der
Kernenergie verwendet würden.