2034/AB-BR/2004

Eingelangt am 27.08.2004
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Bildung, Wissenschaft und Kultur

 

Anfragebeantwortung

GZ 10.001/13-III/4a/04

 

 

Frau

Präsidentin des Bundesrates

Anna Elisabeth Haselbach

Parlament

1017 Wien

Wien, 25. August 2004

 

 

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2208/J-BR/2004 betreffend Staatszielbestimmung, die die Bundesräte Ana Blatnik, Kolleginnen und Kollegen am 29. Juni 2004 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

 

Ad 1.:

Schon vor der Schaffung der Staatszielbestimmung des Art. 8 Abs. 2 B-VG mit BGBl. I Nr. 68/2000 hat  eine Fülle gesetzlicher Bestimmungen bestanden,  die die Erhaltung und Förderung der Volksgruppen und ihrer Kulturen bezwecken. So verweist z.B. die Regierungsvorlage zum späteren Art. 8 Abs. 2 ( StenProtNR 127 der Blg. XXI.GP) ausdrücklich auf den umfassend formulierten § 1 Abs. 1 des Volksgruppengesetzes, der - einfachgesetzlich - die Volksgruppen in Österreich und ihre Angehörigen unter den Schutz der Gesetze stellt, die Erhaltung der Volksgruppen und die Sicherung ihres Bestandes als gewährleistet erklärt und die Achtung ihrer Sprache und ihres Volkstums anordnet. Gerade bezüglich des Ressortbereichs Bildung, Wissenschaft und Kultur mit seinen insbesondere im Schulwesen seit vielen Jahrzehnten bestehenden zum Teil sehr dichten Regelungen hat daher die genannte Staatszielbestimmung keinen unmittelbaren und grundsätzlichen Handlungsbedarf erkennen lassen. Vielmehr ergab sich die Notwendigkeit zu entsprechendem, Volksgruppen förderndem Vorgehen schon aus dem bis dahin geltenden Recht.

 

Wohl aber ist auf die Erfordernisse der Volksgruppen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 B-VG laufend Bedacht zu nehmen - wofür ich in meinem Wirkungsbereich Sorge trage -, und zwar auch dann, wenn es  nicht um volksgruppenspezifische Themen im engeren Sinn, sondern um das Umfeld der Volksgruppen geht (z.B. das generelle Verhältnis Mehrheit-Minderheit, Toleranz, Demokratieverständnis usw.). Diese Themen werden vielfach und auf vielen Ebenen immer wieder angesprochen

 

(in den Lehrplänen, im Rahmen der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte, bei kulturellen Veranstaltungen usw.); zu den Lehrplänen verweise ich ergänzend auf die Beantwortung zu Frage 2.  

 

Ad 2.:

Themen wie Weltoffenheit und Toleranz besitzen in den österreichischen Schulen einen hohen Stellenwert; dementsprechend finden sie sich auch in den Lehrplänen wieder.  Was die Frage einer "multikulturellen und multiethnischen Komponente in den Lehrplänen" betrifft, so wird das seit etlichen Jahren bestehende Unterrichtsprinzip "Interkulturelles Lernen" (vgl. zuletzt den AHS-Lehrplan BGBl. II Nr. 277/2004, der insoweit bereits auf frühere AHS-Lehrpläne zurückgeht) ausdrücklich auf "die Auseinandersetzung mit dem Kulturgut der in Österreich lebenden Volksgruppen ...in allen Bundesländern" bezogen und als wichtig erklärt, "wobei sich jedoch bundesländerspezifische Schwerpunktsetzungen ergeben werden". Diese Formulierung deckt somit auch den in der Frage angesprochenen Bereich "außerhalb der autochthonen Siedlungsgebiete der Volksgruppen" ab und verweist auf die Schwerpunktsetzungen, die im Rahmen der Schulautonomie vorzunehmen sind.

 

Ad 3.: 

Es ist zu begrüßen, wenn die Erweiterung der EU das in den letzten Jahren bereits stark gestiegene Interesse an den betreffenden Nachbar- bzw. Volksgruppensprachen noch weiter erhöht und damit die zahlreichen staatlichen Initiativen für eine größere Sprachkompetenz unterstützt. Eine entscheidende Hilfestellung hierbei können die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten leisten, indem sie frühzeitig entweder selbst die betreffende Sprache vermitteln oder den Wert der Mehrsprachigkeit, sei es für persönliche oder für berufliche Kontakte, deutlich machen. Daraus ergibt sich aber, dass die Möglichkeiten einer "staatlichen Sprachenpolitik", wie dies die Frage formuliert, begrenzt sind und von vielen außerstaatlichen Faktoren bestimmt werden. Das nötige Interesse vorausgesetzt, sollten entsprechende sprachliche Schwerpunkte - vor allem auch außerhalb des Gebietes, in dem die betreffende Volksgruppensprache üblicherweise verwendet wird - im Wege der Schulautonomie eingerichtet werden können.

 

Als Beispiel für das Interesse an den betreffenden Sprachen möchte ich abschließend Niederösterreich nennen, wo z.B. das Pädagogische Institut eine Reihe von Aktivitäten  gesetzt hat (Herausgabe eines Slowakisch-Lehrbuches 2002, eines Tschechisch-Lehrbuches 2003) und wo offensichtlich auch die beruflichen Chancen der Kenntnis der Nachbarsprachen erkannt  werden: So besuchten - um nur einige Beispiele zu erwähnen - an den Bundeshandelsakademien/Bundeshandelsschulen in Laa/Thaya, Gmünd, Retz und Waidhofen/Thaya zuletzt mehr als 200 Schüler/innen als Freigegen-
stand oder dritte lebende Fremdsprache Tschechisch. Auch an der Höheren Bundeslehranstalt für Tourismus in Retz (Tschechisch), der Höheren Landwirtschaftlichen Bundeslehranstalt in Wieselburg (Slowakisch), der Fachschule für wirtschaftliche Berufe in Frohsdorf (Ungarisch) und der
Höheren Bundeslehranstalt für Tourismus Semmering (Ungarisch)  haben sich verhältnismäßig viele Schüler/innen für die genannten Sprachen entschieden.

 

 

Die Bundesministerin:

 

E. Gehrer eh.