2052/AB-BR/2004
Eingelangt am 22.09.2004
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BM für
Finanzen
Anfragebeantwortung
GZ 04 0301/27-I/4/04
Frau
Präsidentin
Anna Elisabeth
Haselbach
Parlament
1017 Wien
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Auf die schriftliche parlamentarische
Anfrage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Kollegen,
Nr. 2234/J‑BR, vom 22. Juli 2004, betreffend Sonderabgabe auf
Alcopops, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Einleitend möchte ich darauf hinweisen,
dass auch vom Bundesministerium für Finanzen die Meinung vertreten wird, dass
Alcopops ein Problem darstellen, dass vor allem zum Schutz der Jugend unbedingt
gelöst werden muss. Mein Ressort hat sich daher, wie auch aus der folgenden
Anfragebeantwortung ersichtlich ist, eingehend mit dem Thema Alcopops
beschäftigt und ist dabei zu der Auffassung gelangt, dass eine Sonderabgabe auf
Alcopops nicht das geeignete Mittel darstellt, die durch den Verkauf dieser
Getränke entstandenen Probleme zu lösen. Die Gründe für diese Schlussfolgerung
sind in den folgenden Ausführungen dargelegt.
Zu 1.:
Nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen ist es primär
Aufgabe der Jugendschutzgesetzgebung, hinsichtlich des Konsums von Alcopops
durch Jugendliche lenkend einzugreifen. Erst sekundär sollte die Steuer als
Lenkungsinstrument herangezogen werden.
Wie das Beispiel Frankreich
(wo Alcopops seit 1997 besteuert werden) zeigt, sind bei einer Besteuerung
Ausweichversuche vorprogrammiert. Man bietet bereits jetzt am Markt Getränke in
"Verbundform" an, das heißt, der Alkohol wird in kleinen Fläschchen
als Kombination zu den süßen Fruchtkonzentratgetränken angeboten. Ein weiterer
Ausweichversuch besteht in Mixgetränken auf Wein- und Bierbasis. In einem
weiteren Schritt müssten dann diese Getränke zusätzlich in die
Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Wenn diese Form der Alcopops auch unter
die Steuer fällt, wird man vermutlich in weiterer Folge diese Getränke auf
herkömmlichem Weg unter die Abnehmer bringen (getrennt verkauft und im Lokal
gemixt).
Das Bundesministerium für Finanzen ist daher der Meinung, dass
eine Sonderabgabe auf Alcopops nicht das primäre Mittel zur Lösung dieses
Problems darstellt.
Zu 2.:
Die unter Punkt 1 dargelegte Meinung des Bundesministeriums für Finanzen
basiert auf einer eingehenden Studie meines Ressorts, der insbesondere die
steuerlichen Maßnahmen im Bereich Alcopops aller in der vorliegenden parlamentarischen Anfrage
angeführten Länder (Frankreich, Deutschland, Schweiz, Großbritannien, Irland,
Niederlande) zugrunde gelegt wurden. Zusätzlich wurden weitere Länder (Spanien,
Finnland, Belgien, Schweden) und Aussagen der Europäischen Kommission bzw.
ihrer Arbeitsgruppen untersucht.
In diesem Zusammenhang ist auf Folgendes hinzuweisen:
- In einem Protokoll der Arbeitsgruppe "WG
on Alcohol & Health" der Europäischen Kommission vom Juni 2004 in
Luxemburg wurde festgehalten, dass bezüglich einer Sondersteuer für Alcopops
wahrscheinlich keine Einigung erzielt werden kann.
Die Arbeitsgruppe hat jedoch zum Thema
"Gesundheit, soziale und ökonomische Auswirkungen des Alkohols" ein
umfangreiches Arbeitsprogramm, welches folgende Kernpunkte umfasst:
Schutzbestimmungen
insbesondere für Jugendliche, Kennzeichnungsvorschriften und
Werbebeschränkungen, Kontrolle der Einhaltung bestehender Vorschriften und ein
Verhaltenskodex für Vertrieb, Vermarktung und Werbung, Informations- und
Aufklärungskampagnen. Der Verhaltenskodex soll eine Art Rahmen vorgeben und ein
zentraler Stützpfeiler für nationale Regelungen sein.
Alle vom Bundesministerium für Finanzen
untersuchten Länder entwickeln in den von der Arbeitsgruppe behandelten
Themenbereichen massive Aktivitäten. Diese sind unter anderem:
Jugendverbote für
Alcopops, Verkäuferschulungen, Kennzeichnungen, Etikettierungen,
Werbebeschränkungen und –verbote,
Bewusstmachen durch Werbekampagnen, "Ausweis"pflichten für
Jugendliche beim Kauf, Automatenverbot für Alcopops.
- Die Untersuchung des Bundesministeriums für
Finanzen ergab weiters, dass eine Sonderabgabe auf Alcopops derzeit nur in
Frankreich (seit
1997; Ausdehnung ab 1. Jänner 2005 geplant),
der Schweiz (seit
1. Februar 2004; Änderung ab 2005) und
Deutschland (seit
1. Juli 2004; für Produktionen ab 2. August 2004; Ausweitung mit
Herbst 2004 geplant) besteht.
Im Zusammenhang mit der Einführung der
Sonderabgabe in Deutschland ist bemerkenswert, dass im Wirtschaftsausschuss des
deutschen Bundesrates (Drucksache 387/1/04) empfohlen wurde, zu dem Gesetz
gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes einen Vermittlungsausschuss mit
dem Ziel einzuberufen, den Gesetzesbeschluss des deutschen Bundestages
aufzuheben.
Die Begründung lautete wie folgt:
a) Der Bundesrat
lehnt angesichts der hohen Abgabenbelastung in Deutschland jede Art von
Steuererhöhung ab.
b) Der Bundesrat
ist der Auffassung, dass die Sondersteuer auf alkoholische Mixgetränke
ausschließlich mit dem Ziel eingeführt werden soll, über eine Steuererhöhung
den Bundeshaushalt zu entlasten.
c) Nach Meinung
des Bundesrates würde eine Strafsteuer auf alkoholische Mixgetränke nur zu
einer Nachfrageverlagerung auf andere Alkoholika führen.
d) Eine solche
Steuer wäre gleichbedeutend mit der Kapitulation vor der Durchsetzung
bestehender Gesetze. Notwendig ist aber ein konsequenter Vollzug der
bestehenden Regelungen zum Jugendschutz. Ferner müssen die Hersteller, der
Handel und die Gastronomie ihrer Verantwortung gegenüber dem Jugendschutz
stärker gerecht werden. Darüber hinaus muss die generelle Prävention gegen
Alkoholika deutlich verstärkt werden.
Der Einspruch des deutschen Bundesrates
bzw. die Empfehlungen seiner Unterausschüsse wurden jedoch als unzulässig
zurückgewiesen, wodurch das Gesetz wie oben erwähnt in Kraft trat.
Aus österreichischer Sicht
ist festzuhalten, dass (unter Beachtung der französischen Erfahrungen) eine
EU-konforme Besteuerung technisch möglich scheint. Die Besteuerung ist aber nur
dann EU-rechtlich unbedenklich, wenn die Steuer aus gesundheitsrechtlichen
Gründen eingeführt wird und eine Widmung (wie in Frankreich) zugunsten der
Krankenversicherung erfolgt. Nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen
ist die Einführung einer derartigen Abgabe vor Abschluss der Gesundheitsreform
in Österreich aber schon aus realpolitischer Sicht nicht empfehlenswert.
Außerdem ist nach den in Frankreich gemachten Erfahrungen davon auszugehen,
dass bei der neuen Sondersteuer nur mit einem sehr bescheidenen Abgabenaufkommen
zu rechnen ist. Die Einführung einer Sonderabgabe auf Alcopops würde daher
bedeuten, eine neue Bagatellsteuer einzuführen. Dies widerspricht aber den
Intentionen der Bundesregierung, die Steuererhöhungen – und damit auch
die Einführung neuer Steuerarten – bereits mehrfach verneint hat.
Zusammenfassend ist daher Folgendes
festzuhalten:
- Die Einführung einer Sondersteuer widerspricht
dem Ziel der Bundesregierung, die Abgabenbelastung zu senken (keine
Steuererhöhungen).
- Die Sonderabgabe führt nur zu einer
Nachfrageverlagerung auf andere alkoholische Getränke und damit nicht zur
Erreichung der gesundheitspolitischen Ziele.
- Vor Abschluss der Gesundheitsreform wird die
Einführung der Sonderabgabe wegen des Widmungserfordernisses nicht als
sinnvoll angesehen.
- Eine Sonderabgabe bedeutet
im Endeffekt eine Kapitulation vor der Durchsetzung bestehender Gesetze.
Zu 3.:
Nach Meinung des Bundesministeriums für Finanzen ist ein
konsequenter Vollzug der bestehenden Regelungen zum Jugendschutz bzw. die
Anpassung der Jugendschutzgesetze
notwendig.
Die Schwerpunkte im Arbeitsprogramm
der Arbeitsgruppe "WG on Alcohol & Health" der Europäischen
Kommission (dargestellt unter Punkt 2) sollten auch in Österreich angedacht
werden. Außerdem ist nach einer dem Bundesministerium für Finanzen vorliegenden
Information vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen eine Kampagne
(Prävention zum Thema Jugend und Alkohol) geplant.
Aus
heutiger Sicht wird daher die Einführung einer Sonderabgabe auf Alcopops vom
Bundesministerium für Finanzen nicht befürwortet. Maßnahmen im Bereich der Jugendschutzgesetzgebung,
das Bewusstmachen des Prob-
lems von Alcopops durch Werbekampagnen sowie ähnliche den Konsum
stoppende Maßnahmen, wie unter Punkt 2 ausführlich dargelegt, werden jedoch
ausdrücklich begrüßt.
Mit freundlichen Grüßen