2089/AB-BR/2005

Eingelangt am 24.01.2005
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BM für Wirtschaft und Arbeit

 

Anfragebeantwortung

 

 

Präsident des Bundesrates

Mag. Georg Pehm

 

Parlament

1017 Wien

 

 

 

                                Wien, am 20. Jänner 2005

 

                                Geschäftszahl:

                        BMWA-10.102/5020-IK/1a/2004

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 2277/J-BR betreffend des Kommissionsvorschlags für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt, welche die Abgeordneten Dr. Erich Gumplmaier, Kolleginnen und Kollegen am 25. November 2004 an mich richteten, stelle ich fest:

 

 

Antwort zu den Punkten 1 bis 3 der Anfrage:

 

Die Dienstleistungsrichtlinie erleichtert die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen und kodifiziert die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) durch die Übernahme des Herkunftslandprinzips, das kein neues Paradigma ist, sondern bereits in anderen Dokumenten (zB. Electronic Commerce-Richtlinie, Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“) angewendet wurde. Gleichzeitig bedingt das Herkunftslandprinzip die Entwicklung eines wechselseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, insbesondere durch grenzüberschreitende Behördenkooperationen.

 

Gemäß der Richtlinie und dem darin verankerten Herkunftslandprinzip ist das österreichische Recht auf österreichische Dienstleistungserbringer im In- und Ausland anwendbar und durchführbar. Ausübungsvorschriften für Dienstleistungserbringer, die den allgemeinen Rechtsrahmen bilden (zB. Umwelt-, Bau- oder Sozialrecht) dürfen durch das Herkunftslandprinzip nicht unterminiert werden.

 

Im Zusammenhang mit der Anwendung des Herkunftslandprinzips spricht sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ausdrücklich für die Sicherstellung effizienter Kontrollmöglichkeiten durch wirksame Behördenkooperation und die Gewährleistung einer lückenlosen Rechtsverfolgung aus (Durchführung von Verwaltungshandlungen und Vollstreckung von Verwaltungsstrafen).

 

Der Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt enthält auch Regeln für die Entsendung von drittstaatsangehörigen Arbeitskräften zur Erbringung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen. Grundsätzlich ist die Regelung der Zulassung von Ausländern aus Drittstaaten der Autonomie der einzelnen Mitgliedsstaaten vorbehalten. Allerdings hat sich der EuGH mit dieser Frage bereits eingehend im Urteil „van der Elst“ befasst und ausgesprochen, dass dies bei der grenzüberschreitenden Entsendung von drittstaatsangehörigen Arbeitskräften durch EU-Unternehmen zur Erbringung von Dienstleistungen nicht uneingeschränkt gilt, sondern dass der Aufnahmestaat keine weiteren Arbeitsbewilligungen verlangen darf, wenn diese Arbeitskräfte nach den Rechts-vorschriften des Herkunftslandes ordnungsgemäß und dauerhaft beschäftigt sind. Es kann daher im Grundsatz gegen das Herkunftslandprinzip im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Entsendung von drittstaatsangehörigen Arbeitskräften kein Einwand erhoben werden.

 

Allerdings ist von der grundsätzlichen Verpflichtung des Aufnahmestaates, entsandte Arbeitskräfte ohne weitere Arbeitsbewilligung zu akzeptieren, die Frage der Kontrolle und der Ahndung der illegalen Beschäftigung zu unterscheiden. Wenngleich der Kommissionsvorschlag nichts am Prinzip ändert, dass nur ordnungsgemäß und dauerhaft im Herkunftsland beschäftigte Arbeitskräfte ohne weitere Bewilligung zuzulassen sind, berührt dies nicht das Recht des Aufnahmestaates sicherzustellen und zu kontrollieren, ob dies auch tatsächlich der Fall ist und widrigenfalls rasch und effizient Sanktionen zu setzen. Die Tätigkeit von Arbeitskräften, die für EU-Unter-nehmen im Bundesgebiet arbeiten, den Sitzstaat des Entsendeunternehmens jedoch nie gesehen haben, geschweige denn über eine entsprechende Arbeitsbewilligung verfügen, muss von österreichischen Behörden als illegale Beschäftigung unmittelbar geahndet und sanktioniert werden können. Auch müssen entsprechende Strafbestimmungen gegen den österreichischen Auftraggeber weiterhin aufrecht bleiben können. Ich gehe davon aus, dass der endgültige Text eine klare Formulierung enthalten wird, die dies dem Aufnahmestaat ermöglicht, ohne das Herkunftslandprinzip in seiner Grundstruktur in Frage zu stellen.

 

 

Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:

 

Die Richtlinie sieht ein Grundmaß an Harmonisierung vor allem im Bereich des Konsumentenschutzes vor. Sie enthält ein eigenes Kapitel über die Rechte der Dienstleistungsempfänger (Informationspflichten) und Maßnahmen zur Qualitäts-sicherung. Für die Berufsqualifikationen konnten wichtige Kontrollmechanismen und Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip etabliert werden, damit die österreichischen Berufsstandards nicht erodieren: Anerkennungsverfahren (Gesundheit, Sicherheit), Meldepflichten für alle Berufe, zwei Jahre Berufspraxis bei Nicht-Reglementierung im Herkunftsland. Außerdem setzt die Richtlinie zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit und zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und Umwelt Abweichungen vom Herkunftslandprinzip fest. Deshalb ist kein Abwärtstrend in den genannten Materien, sondern ein verstärkter positiver Wettbewerb im Bereich der Dienstleistungen zu erwarten.

 

 

Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:

 

Die Sozialpartner und andere Berufs- und Standesvertretungen sind am inner-österreichischen Konsultations- und Meinungsbildungsprozess beteiligt, auf Grund dessen eine akkordierte österreichische Position in den europäischen Gremien vertreten wird.

Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:

 

Gegenstand der Richtlinie sind Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Aufgrund des noch unklaren Dienstleistungsbegriffes und fehlender Orientierungshilfen hat Österreich bislang Prüfvorbehalte für Gesundheits- und Sozialdienstleistungen hinsichtlich des Anwendungsbereiches angemeldet. Sollten derartige Dienstleistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst werden, sind weitere Ausnahmen vom Herkunftslandprinzip zu prüfen, damit es bei diesen sehr sensiblen Dienstleistungen zu keinen Leistungsstörungen und zu keiner Nivellierung nationaler Standards nach unten kommen kann. Im Bereich der Wasserversorgung wurde bereits im Vorfeld der Richtlinienerstellung auf die österreichischen Sensibilitäten Rücksicht genommen und eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip etabliert.

 

 

Antwort zu Punkt 7 der Anfrage:

 

Über umfassende volkswirtschaftliche Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie auf Österreich liegen zurzeit keine Untersuchungen oder Studien vor. Es ist allerdings zu erwarten, dass sich Produktivitätswachstum und das Niveau des Intra-EU-Handels mit Dienstleistungen signifikant erhöhen werden.