2136/AB-BR/2005
Eingelangt am 16.09.2005
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BM für
Verkehr, Innovation und Technologie
Anfragebeantwortung
GZ. BMVIT-12.000/0010-I/CS3/2005 DVR:0000175
Präsidenten des Bundesrates
Peter Mitterer
Parlament
1017 Wien
Sehr geehrter Herr Präsident!
Die schriftliche Anfrage Nr.
2332/J-BR/2005 betreffend Handymasten-Steuer, die die Bundesräte Schennach,
Freundinnen und Freunde am 21. Juli 2005 an mich gerichtet haben, beehre ich
mich wie folgt zu beantworten:
Frage 1:
Wann haben Sie vom niederösterreichischen
Sendeanlageabgabengesetz Kenntnis erlangt? Wann wurde der Gesetzesbeschluss dem
Bundeskanzleramt übermittelt und bis wann läuft die Einspruchsfrist der
Bundesregierung?
Antwort:
Vom niederösterreichischen Sendeanlagengesetz habe ich im Laufe des Monats Juni 2005 Kenntnis erlangt. Die Frage, wann der Gesetzesbeschluss dem Bundeskanzleramt übermittelt wurde und bis wann die Einspruchsfrist der Bundesregierung läuft, ist eine Frage, die zum Aufgabenbereich des Bundeskanzleramtes gehört.
Frage 2:
Werden Sie im Ministerrat einen
Antrag auf Einspruch der Bundesregierung gegen das niederösterreichische Gesetz
stellen? Wenn ja, in welcher Ministerratssitzung?
Antwort:
Für die Sitzung des Ministerrates am 9. August 2005 habe ich einen Ministerratsvortrag vorbereitet, mit dem ich einen Einspruch gegen dieses Gesetz erreichen wollte. Da für einen solchen Beschluss keine Einstimmigkeit vorlag, hat das Bundeskanzleramt diesen Punkt nicht auf die Tagesordnung genommen.
Fragen 3 und 4:
Ist Ihnen das Gutachten der RTR zur
niederösterreichischen Sendeanlagenabgabe bekannt?
Welche rechtlichen Bedenken bestehen
nach Ansicht Ihres Ressorts gegen das Gesetz, insbesondere auch nach dem TKG
und in europarechtlicher Hinsicht?
Antwort:
Das Gutachten der RTR zum niederösterreichischen Sendeanlagengesetz wurde von mir in Auftrag gegeben und ist mir bekannt.
Das Gesetz widerspricht insbesondere wesentlichen Zielbestimmungen des bundesgesetzlichen und europarechtlichen Regelungswerks und ignoriert technische Gegebenheiten. Die Bedenken umfassen unter anderem:
- Mehrkosten für die Betreiber
- Nachteile für Konsumenten
- Nachteile für Unternehmen
- Nachteile auf die Versorgung
- Nachteile für den Wettbewerb
- Verschlechterung der Standortattraktivität
- Missachtung bedeutender Interessen des Bundesgesetzgebers und von Bestimmungen der Bundesverfassung:
o Schaffung einer Abgabepflicht nur für Mobilfunkbetreiber und nicht für andere vergleichbare Sendeanlagen
o Abgabepflicht nur für Sendeanlagen auf privatem Grund, nicht für solche auf öffentlichem Grund
o Verletzung des in der Bundesverfassung innewohnende Bestimmtheitsgebot
o Verfehlung des vorgeblichen Lenkungsziels
- Widerspruch zum EU-Gemeinschaftsrecht durch die Diskriminierung von Mobilfunkanlagen
Zu den zahlreichen rechtlichen und technischen Bedenken gegen das Gesetz verweise ich auf die Stellungnahme der RTR-GmbH vom 30. Juni 2005 und auf die technisch-wirtschaftliche Studie der RTR-GmbH vom 22. Juli 2005 zum Sendeanlagenabgabegesetz, die beide auf der Homepage der RTR veröffentlicht sind und die in meinem Auftrag erstellt wurden. Ich teile die darin dargelegten Bedenken vollinhaltlich.
Frage 5:
Halten Sie die niederösterreichische
Regelung für ein taugliches und adäquates Mittel gegen den Wildwuchs von
Handymasten?
Antwort:
Ich halte die niederösterreichische Regelung weder für ein taugliches und adäquates Mittel gegen den Wildwuchs von Handymasten, noch teile ich die Auffassung des Landes Niederösterreich, es gäbe keine andere durch Landesgesetz vorzusehende landesrechtliche Handhabe insbesondere im Bereich des Baurechts oder der Raumordnung gegen Bauwerke, die für die Befestigung von Sendeanlagen geeignet sind.
Frage 6:
Ist Ihnen bekannt, ob andere
Bundesländer ähnliche Steuern auf Mobilfunkanlagen planen? Wenn ja, um welche
Länder handelt es sich? Liegen Ihnen dazu bereits nähere Angaben vor?
Antwort:
Pläne anderer Bundesländer für ähnliche Steuern kenne ich nur aus den Medien.
Frage 7:
Welche Auswirkungen wird die
niederösterreichische Steuer auf den Ausbau des Mobilfunknetzes haben? Droht
eine Verschlechterung der Versorgungslage, insbesondere im ländlichen Raum?
Antwort:
Nach den Aussagen der Mobilfunkbetreiber aber auch nach den Einschätzungen der Regulierungsbehörde sind negative Auswirkungen auf die Versorgungslage nicht auszuschließen.
Frage 8:
Liegen Schätzungen vor, welche
finanziellen Auswirkungen die Handysteuer auf die KonsumentInnen haben wird?
Wäre eine Überwälzung der finanziellen Belastung auf die MobiltelefonkundInnen
zulässig und könnte eine Überwälzung allein auf KundInnen, mit Wohnsitz in
Niederösterreich erfolgen?
Antwort:
Solche Schätzungen wurden in den Medien mehrfach geäußert. Nach dem Gutachten der RTR fallen im Ergebnis auch bei einer – aus technischen Gründen realistisch nie erreichbaren – Sharing-Rate von nahezu 100% noch immer jährliche Mehrkosten über EUR 40 Mio. für Niederösterreich an. Eine Überwälzung auf die Kunden wurde von den Betreibern bereits angekündigt, wobei auch Überlegungen angestellt wurden, dies auf Ferngespräche in Niederösterreich zu beschränken. Ob und inwieweit dies rechtlich zulässig ist, kann erst in einem entsprechenden Verfahren vor der Regulierungsbehörde geklärt werden.
Frage 9:
Gibt es in Europa vergleichbare
Besteuerungsmodelle? Wenn ja, hat es Schritte der EU dagegen gegeben?
Antwort:
In Belgien existiert ebenfalls ein Modell der Abgabe auf Handymasten. Gegen dieses Besteuerungsmodell ist vor einem nationalen Gericht ein Verfahren anhängig. Im Rahmen dieses Verfahrens hat der Europäische Gerichtshof in einem vom nationalen Gericht angestrengten Vorabentscheidungsverfahren festgestellt, dass diese Steuer dann nicht gegen das Prinzip der Dienstleistungsfreiheit verstößt, wenn inländische und ausländische Betreiber gleichermaßen betroffen sind. Er hat die Frage, ob durch eine derartige Steuer der Wettbewerb verletzt sein kann, ausdrücklich offen gelassen, diese Frage muss vom belgischen Gericht im noch immer anhängigen weiteren Verfahren entschieden werden. Bezüglich der österreichischen Handymastenabgabe hat die Europäische Kommission Bedenken angemeldet, sodass ich nicht ausschließen kann, dass ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet wird.
Frage 10:
Welche konkreten Maßnahmen haben Sie
gesetzt, um den bekannten Forderungen des Obersten Sanitätsrates hinsichtlich
"Verortung" und "Strahlungsminimierung" nachzukommen?
Antwort:
Ich habe zu allen Fragen der Auswirkungen von nichtionisierenden Strahlen, die von Funkanlagen ausgehen den Wissenschaftlichen Beirat Funk (WBF) eingerichtet, dem auch ein Vertreter des obersten Sanitätsrates angehört. Dieser Beirat evaluiert alle vorhandenen wissenschaftlichen Studien. Damit ist sichergestellt, dass ich immer über die aktuelle Einschätzung der Wissenschaft zu den Fragen der elektromagnetischen Exposition informiert bin.
Fragen 11 und 12:
Werden Sie bundesgesetzliche
Initiativen auf Erlassung von Grenzwerten setzen, die dem Stand der Technik und
dem Minimierungsgebot entsprechen und zu einer geringst möglichen Exposition
der Bevölkerung durch hochfrequente Strahlung von Sende- und Empfangsgeräten
führen sollen?
Werden Sie sich für die Einführung
EU-weit geltender Grenzwerte einsetzen, welche dem Stand der Technik und dem
Minimierungsgebot entsprechen?
Antwort:
Diese Grenzwerte bestehen in der Empfehlung des Rates vom 12. Juli 1999 zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 Hz — 300 GHz). Diese ist von den Fernmeldebehörden als verbindlich anzuwenden. Diese Grenzwerte sind nach übereinstimmenden Aussagen aller seriösen Studien derzeit ausreichend. Neue Initiativen sind daher derzeit nicht erforderlich. Wenn sich der gesicherte wissenschaftliche Informationsstand ändert, werde ich selbstverständlich vehement auf eine Neueinschätzung der Grenzwerte auf nationaler als auch auf internationaler Ebene drängen.
Frage 13:
Werden Sie sich für eine
bestmögliche Aufklärung der Bevölkerung über die möglichen gesundheitlichen
Auswirkungen nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft sorgen und
gegebenenfalls über gesundheitliche Vorsorgemaßnahmen informieren?
Antwort:
Die Ergebnisse der Tätigkeit des Wissenschaftlichen Beirates Funk (siehe meine Beantwortung zu Fragepunkt 10) wurden und werden auch weiterhin der Öffentlichkeit präsentiert. Damit wird dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung in sachlicher und seriöser Weise entsprochen.
Frage 14:
Werden Sie Initiativen zur
Erforschung hochfrequenter Strahlung mittels qualifizierter wissenschaftlicher
Studien vorantreiben, um auf mögliche gesundheitliche Auswirkungen reagieren zu
können und einen wissenschaftlichen Beirat hierzu einzurichten, welchen auch
mobilfunkkritische WissenschafterInnen angehören?
Antwort:
Wegen der hohen finanziellen Mittel, die für Forschungen erforderlich sind und auch wegen der notwendigen Breite von solchen Forschungen ist es wenig effektiv, wenn in Österreich alleine Untersuchungen angestellt werden. Diese sollen und werden auch bereichsübergreifend auf internationaler Ebene vorangetrieben, was die Seriosität und Aussagekraft dieser Studien wesentlich steigert. Ein wissenschaftlicher Beirat ist seit dem Jahr 2004 eingerichtet. Bei jener Konferenz, bei der die erste öffentliche Stellungnahme des Beirates erarbeitet wurde, waren auch Wissenschafter anwesend, die als kritisch gelten. Bedauerlicherweise haben nicht alle explizit zur Zusammenarbeit mit dem Beirat eingeladenen mobilfunkkritischen Ärzte diese Einladung zur Zusammenarbeit auch angenommen.
Frage 15:
Werden Sie in Abstimmung mit den
Ländern Initiativen zur Verbesserung der regionalen Mitbestimmungsmöglichkeiten
erarbeiten, damit AnrainerInnen, potenziell von den Anlagen Betroffenen sowie
den Standortgemeinden im Verfahren zur Errichtung von Mobilfunkanlagen
Parteistellung eingeräumt wird?
Antwort:
Zwischen den Betreibern und den Gemeinden wurde ein Informationsmodell entwickelt, das den Bürgermeistern und damit auch den Gemeindebürgern volle Information über zu errichtende Sendeanlagen gewährt.
Bei den Verfahren zur Errichtung von Handymasten muss zwischen der Sendeeinheit (meist an der Spitze des Mastes) und dem Mast selbst (also dem Bauwerk) unterschieden werden.
Die Bundeszuständigkeit betrifft nur die Sendeeinheit selbst (also nicht den Antennentragemast). Eine individuelle Bewilligung dafür ist deswegen nicht erforderlich, weil ohne Einhaltung aller technischen und gesundheitsrelevanten Auflagen (in der Betriebsbewilligung für das gesamte Netz) ein Sender weder in Betrieb gehen noch im Betrieb verbleiben darf. Bei Überschreitungen der Grenzwerte hat die Behörde sofort von Amts wegen einzuschreiten.
Die Errichtung eines Bauwerks, an dem eine Sendeeinheit befestigt werden kann, fällt hingegen in den Aufgabenbereich der Länder. Dort wäre - entsprechende landesgesetzliche Regelungen vorausgesetzt - viel Spielraum, um auch unter Einbeziehung der Anrainer die baurechtlichen, raumordnungspolitischen und ortsbildrelevanten Aspekte solcher Bauwerke zu behandeln und letztendlich die Errichtung dieses Bauwerks (und damit als faktische Folge eine Sendeanlage) durch Verweigerung der erforderlichen landesbehördlichen Bewilligung zu verhindern. Leider fehlen solche landesrechtliche Regelungen vielfach, es läge aber an den Ländern, diese zu schaffen. Ein steuerrechtlicher Ansatz, wie beim vorliegenden niederösterreichischen Sendeanlagenabgabegesetz, ermöglicht jedenfalls keine Mitwirkung Betroffener und verhindert nicht notwendigerweise Sendeanlagen.
Fragen 16 und 17:
Der Obmann des Fachverbandes der
Elektro- und Elektronikindustrie, Siemens Chef Albert Hochleitner, hat davor
gewarnt, dass - sollte eine derartige Steuer bundesweit Schule machen - den
Netzbetreibern Kosten von rund einer halben Milliarde Euro entstehen würden.
Dies entspräche dem jährlichen Investitionsvolumen der Netzbetreiber. Die
Folgen wären weniger Aufträge, weniger Jobs und höhere Tarife für die Kunden.
Teilen Sie diese Kritik und Befürchtungen?
Die Arbeiterkammer kritisiert die
geplante Handymastensteuer in Niederösterreich als "wirtschaftspolitisch
völlig verfehlt". Eine solche Steuer verzerre die Marktverhältnisse, führe
zu weniger Investitionen beim Infrastrukturausbau, gefährde Arbeitsplätze in
der Mobilfunkbranche und gehe zu Lasten einer schlechteren Versorgung im
ländlichen Raum. Die AK befürchtet, dass letztendlich die Handymastensteuer auf
die KonsumentInnen überwälzt wird. Sie sei wettbewerbverzerrend, weil neuere
und kleinere Anbieter mit weniger KundInnen in der Anfangsphase durch die
Steuer überproportional belastet werden würden. Wenn noch mehr Bundesländer dem
schlechten Beispiel Niederösterreichs folgen sollten, könne das die
KonsumentInnen mit bis zu 80 Euro pro Jahr belasten. Teilen sie diese Kritik?
Antwort:
Ich teile diese Kritik und diese Befürchtungen.
Mit freundlichen Grüßen
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