2164/AB-BR/2005

Eingelangt am 12.12.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für auswärtige Angelegenheiten

 

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Bundesrat Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner,
Kolleginnen und Kollegen haben am 13. Oktober 2005 unter der Nr. 2353/J-BR/2005 an mich eine
schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Schweizer Endlager für Atommüll" gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 bis 5:

Generell ist die Frage der Sicherheit abgebrannter Brennelemente eines der großen ungelösten
Probleme, weshalb sich Österreich in allen relevanten Gremien gegen die Nutzung der Kernenergie
ausspricht.

Auch in internationalen Organisationen wird in Fachgremien die Frage der Sicherheit von
abgebrannten Brennelementen und radioaktiven Abfällen diskutiert. Die Internationale
Atomenergiebehörde verabschiedete ein „IAEA-Übereinkommen über die Sicherheit abgebrannter
Brennelemente und der Sicherheit radioaktiver Abfälle". Dieses Übereinkommen, das bisher von 42
Staaten unterzeichnet und von 35 ratifiziert worden ist, schreibt den Vertragsstaaten vor, für die
sichere Behandlung und Beseitigung radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente zu
sorgen. Österreich hat dieses Übereinkommen ebenfalls ratifiziert und in nationales Recht
umgesetzt.

Das Übereinkommen schreibt jedoch nicht vor, wie die Entsorgung zu erfolgen hat. Es laufen
jedoch derzeit Bestrebungen in den Kernenergieländern, jeweils im eigenen Land ein Endlager für
radioaktiven Abfall zu errichten und für die sichere Lagerung zu sorgen. Die Schweiz hat diese


Verpflichtung im neuen Kernenergiegesetz, das mit 1. Feber 2005 in Kraft getreten ist, festgelegt
und sucht derzeit nach einem geeigneten Standort.

Österreich hat mit der Schweiz - wie mit allen Nachbarländern, die Kernenergie nutzen - ein
„Nuklearinformationsabkommen" abgeschlossen. Dieses „Abkommen zwischen der Regierung der
Republik Österreich und dem Schweizer Bundesrat über den frühzeitigen Austausch von
Informationen aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes samt Anhang
und Gemeinsamer Erklärung" (BGBl.
III Nr. 201/2000) bietet den Rechtsrahmen für eine
Einbeziehung Österreichs. Das Abkommen räumt potenziell betroffenen Bürgerinnen und Bürgern
sowie juristischen Personen der Schweiz und Österreichs im atomrechtlichen Verfahren
Beteiligungsmöglichkeiten ein und regelt Konsultationen auf Staatenebene.

Die Konsultationen erfolgen durch jährliche Nuklearexpertentreffen, die federführend vom
Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten und unter Beteiligung der Fachressorts sowie
der Länder wahrgenommen werden und dem Informationsaustausch dienen. Darüber hinaus erfolgt
aus aktuellen Anlässen eine Kontaktnahme, Berichterstattung und Information über die
Koordinatoren der Vertragspartner.

Anlässlich eines Nuklearexpertentreffens im Jahr 2001 berichtete der Schweizer Vertragspartner
über die Standortsuche für ein Lager für hochradioaktive Abfälle, im Jahr 2002 wurden ausführliche
Informationen des Schweizer Bundesamtes für Energie (BFE) dazu übermittelt.

Am 17. September 2005 lud die Schweiz zu einer Informationsveranstaltung betreffend das
geplante Endlager ein, an der das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten als Vertreter
des Bundes und das Land Vorarlberg teilnahmen. In dieser Informationsveranstaltung wurden die
Ergebnisse des ersten Schrittes der Standortsuche, nämlich das geologische Gutachten des
Opalinuston-Gesteins im Zürcher Weinland präsentiert, demzufolge grundsätzlich die geologischen
Voraussetzungen für ein Endlager gegeben sind.

Dazu wurde gegenüber dem Schweizer Vertragspartner die besondere Besorgnis Österreichs
betreffend der Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Umwelt im österreichischen Grenzgebiet
zum Ausdruck gebracht, und mit Hinweis auf das bilaterale „Nuklearinformationsabkommen" um
Einbindung in ein diesbezügliches Umweltverfahren ersucht. Dies wurde von der Schweiz - wie
bereits bei vorangegangen bilateralen Nuklearexpertentreffen - auch zugesagt.


Dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten wurde die Dokumentation am 28.
September 2005 übermittelt, welche an das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft sowie an das Land Vorarlberg weitergeleitet wurde.

Die Gesuchsunterlagen und alle relevanten Gutachten und Stellungnahmen sind in der Schweiz
zwischen 13. September und 12. Dezember 2005 öffentlich aufgelegt (im Internet unter
www.entsorgungsnachweis.ch abrufbar), wobei alle Interessierten Stellung nehmen können. Demnach
wird Österreich und damit auch dem Land Vorarlberg Parteistellung eingeräumt werden.

Anlässlich des am 2. Dezember 2005 in Wien stattgefundenen 5. bilateralen
Nuklearexpertentreffens wurde dem Schweizer Vertragspartner ein Fachgutachten des
Umweltbundesamtes, das vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserwirtschaft in Auftrag gegeben wurde, sowie die Entschließung des Nationalrates E 154-
NR/XXII. GP vom 16. November 2005 betreffend „die weitere Vorgangsweise Österreichs zum
Entsorgungsnachweis hinsichtlich der Endlagerung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver
Abfälle in der Schweiz" übergeben. Auf die besondere Besorgnis Österreichs und insbesondere
Vorarlbergs als unmittelbar angrenzendes Bundesland wurde in diesem Zusammenhang erneut
hingewiesen.

Darüber hinaus spreche ich im Rahmen bilateraler Besuche mit der Schweiz das Thema nukleare
Sicherheit allgemein und das geplante Endlager im besonderen regelmäßig an und unterstreiche das
große Interesse Österreichs und insbesondere Vorarlbergs an einem hohen Niveau an nuklearer
Sicherheit zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt.

Es wird darauf hingewiesen, dass vor einer Entscheidung neben den sicherheitstechnisch-
geologischen Kriterien auch Elemente der Raumplanung und sozial-ökonomische Aspekte zu
bewerten sind und erst danach der bevorzugte Standort dem Schweizer Bundesrat vorgeschlagen
werden kann. Der Bundesratsentscheid muss gemäß Schweizer Kernenergiegesetz vom Parlament
genehmigt werden und unterliegt zudem einem fakultativen Referendum. Eine endgültige
Entscheidung über den Standort für den Bau eines Lagers für abgebrannte Brennelemente,
hochradioaktive und langlebige mittelaktive Abfälle wird daher noch lange Zeit in Anspruch
nehmen.