2207/AB-BR/2006

Eingelangt am 12.07.2006
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0030-Pr 1/2006

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Bundesrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2414/J-BR/2006

 

Die Bundesräte Jürgen Weiss, Edgar Mayer, Ing. Reinhold Einwallner, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Anwendbarkeit des Bundesgesetzes über die Bekämpfung unzüchtiger Veröffentlichungen und den Schutz der Jugend gegen sittliche Gefährdung auf Anbieter von Mobiltelefoniediensten“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Darstellungen von Gewalt sind (außer in Verbindung mit sexuellen Handlungen) vom Regelungsinhalt des Pornographiegesetzes nicht erfasst. Nach der angesprochenen Bestimmung des § 2 Abs 1 lit. a) PornG ist (iVm Abs 2) ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer wissentlich eine Schrift, Abbildung oder sonstige Darstellung, die geeignet ist, die sittliche oder gesundheitliche Entwicklung jugendlicher Personen durch Reizung der Lüsternheit oder Irreleitung des Geschlechtstriebes zu gefährden, oder einen solchen Film oder Schallträger einer Person unter 16 Jahren gegen Entgelt anbietet oder überlässt.

Grundsätzlich spricht nichts dagegen, diese Bestimmung auch auf Anbieter von Mobiltelefondiensten anzuwenden. Strafrechtlich verfolgt werden können dabei die handelnden Personen innerhalb des Unternehmens, die wissentlich den genannten Straftatbestand erfüllt haben, als auch seit Einführung des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG) mit 1. 1. 2006 das Unternehmen selbst. Unabhängig davon sind die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit. a) PornG zu prüfen:

1.      Wissentlichkeit:

Sowohl für die Strafbarkeit einer natürlichen Person als auch eines Unternehmens gilt, dass der Täter (bzw. der Entscheidungsträger oder Mitarbeiter im Falle des VbVG) wissentlich gehandelt haben muss. Er muss es also nicht bloß für möglich, sondern für gewiss halten (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Personen, denen er die Darstellung gegen Entgelt anbietet oder überlässt, unter 16 Jahre sind und diese Darstellung geeignet ist, die sittliche oder gesundheitliche Entwicklung der Jugendlichen zu gefährden.

2.      „Schrift, Abbildung oder sonstige Darstellung“ oder “Film oder Schallträger“:

Grundsätzlich können diverse „Dienste“ wie Bilder, Videos, Audiofiles oder Spiele am Handy eine Darstellung bzw. ein Film oder Schallträger iSd § 2 PornG sein. Im Einzelfall wird es auf die Art der Darstellung und auch auf deren Größe ankommen. Infolge der Verkleinerung der ursprünglichen Abbildungen aufgrund des zumeist kleinen Displays eines Mobiltelefons kann es solchen Reproduktionen auch an der erforderlichen Eignung fehlen, die sittliche oder gesundheitliche Entwicklung normal veranlagter jugendlicher Personen durch Reizung der Lüsternheit oder Irreleitung des Geschlechtstriebes zu gefährden (vgl. OGH, 10 Os 132/72).

3.      Entwicklungsgefährdende Eignung „durch Reizung der Lüsternheit oder Irreleitung des Geschlechtstriebes“:

In der Rechtsprechung finden sich (so weit überschaubar) folgende Rechtsätze zum Begriff des „anstößigen Inhalts“ (§ 2 Abs 1 lit. b) PornG):

Richtschnur der Auslegung des § 2 PornG ist dessen rechtspolitischer Zweck, anstößige Darstellungen von Jugendlichen unter sechzehn Jahren fernzuhalten, die zum Großteil in ihren sittlichen Anschauungen noch nicht gefestigt sind (10 Os 124/73). Der Begriff "anstößig" im Sinne des § 2 Abs 1 PornG ist danach zu beurteilen, ob die betreffende Darstellung oder Darbietung nach den Auffassungen eines normalen Durchschnittsmenschen geeignet ist, die Gefährdung einer an sich normal entwickelten, noch nicht sechzehn Jahre alten Person durch Reizung der Lüsternheit oder Irreleitung des Geschlechtstriebes zu bewirken (10 Os 42/69). Durch die Darstellung eines nackten menschlichen Körpers allein wird das Grenzmaß des Anstößigen noch nicht überschritten (10 Os 124/73). Darstellungen des Geschlechtsverkehrs zwischen Männern und Frauen sind auf jeden Fall anstößig im Sinne des § 2 PornG (9 Os 86/80).

Zu beachten ist, dass es sich hierbei um relativ alte Entscheidungen des OGH handelt und dieser in jüngster Zeit zu diesem Thema offenbar nicht judiziert hat. Infolge der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu liberaleren Ansichten und der höheren Toleranz gegenüber sexuell gefärbten Darstellungen auch in Massenmedien wird das Maß für eine Entwicklungsgefährdung heute wohl höher angesetzt werden müssen als etwa vor 30 Jahren.

4.      „Anbieten“ oder „Überlassen“ gegen Entgelt:

Sobald es sich um kostenpflichtige Dienste der Mobilfunkanbieter handelt, ist diese Voraussetzung zweifelsfrei gegeben. Bereits das unverbindliche Anbieten (gegen Entgelt) kann zu einer Strafbarkeit führen.

Der Vollständigkeit halber sei auch auf lit. b) des § 2 Abs 1 hingewiesen, wonach auch jede sonstige Verbreitung einer Darstellung gem. lit. a) derart, dass dadurch der anstößige Inhalt auch einem größeren Kreis von Personen unter 16 Jahren zugänglich wird, strafbar ist. Mobiltelefondienste erreichen in der Regel immer einen größeren Kreis von Personen. Darüber hinaus verlangt § 2 Abs 1 lit b) PornG nur die konkrete Möglichkeit der Besichtigung anstößiger Darstellungen durch einen größeren Kreis von Personen unter sechzehn Jahren; dass solche Personen von den Darstellungen wirklich Kenntnis erlangt haben, ist nicht notwendig (10 Os 5/74). Bei diesem Tatbestand entfällt jedoch das Erfordernis der Entgeltlichkeit.

Abschließend bleibt somit festzuhalten, dass Mobilfunkanbieter grundsätzlich nicht von der Anwendbarkeit des Pornographiegesetzes ausgenommen sind, die Frage der Strafbarkeit des Anbietens von pornographischen Inhalten in Mobiltelefondiensten jedoch von den Umständen des Einzelfalls abhängt und letztlich von den unabhängigen Gerichten von Fall zu Fall zu entscheiden ist.

Zu 2:

Aus dem Vorgesagten ist kein legistischer Handlungsbedarf ableitbar.

11. Juli 2006

 

(Maga. Karin Gastinger)