2241/AB-BR/2006

Eingelangt am 03.10.2006
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

GZ. BMF-310102/0010-I/4/2006

 

 

 

Herrn Präsidenten

des Bundesrates

Gottfried Kneifel

 

Parlament

1017 Wien

 

 

 

Erledigungstext:

»Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2436/J-BR vom 3. August 2006 der Bundesräte Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen, betreffend die Entscheidung der Bundesregierung zur Beschaffung der „Eurofighter“, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Einleitend halte ich zum in der gegenständlichen Anfrage erneut thematisierten Beschaffungsvorgang „Eurofighter“, der bereits Gegenstand zahlreicher parlamentarischer Anfragen an Regierungskollegen und mich war, erneut fest, dass die Typenentscheidung nicht, wie von der Sozial­demokratie fälschlicherweise erneut behauptet, freihändig von mir getroffen oder beeinflusst wurde, sondern von einer 33-köpfigen, unabhängigen ExpertInnenkommission des Bundesministeriums für Landesverteidigung. Wie auch die Beschuldigungen selbst ist es daher nicht neu, wenn ich klar­stelle, dass diese ExpertInnenkommission den Eurofighter im militärischen Bereich als Bestbieter ermittelt hat. Diese Typenentscheidung wurde auch dem Ministerratsbeschluss am 2. Juli 2002 zu Grunde gelegt.

 

Ich erinnere dabei auch daran, dass der Rechnungshof als unabhängiges Kontrollorgan in seinen Berichten die Entscheidung der Experten­kommission für den Eurofighter als Bestbieter bestätigt hat. Die Bundes­regierung hat sich daher für das militärisch-technisch und auch kommerziell beste Produkt entschieden.

 

Alle anderslautenden Behauptungen weise ich daher erneut auf das Schärfste zurück. Es handelt sich dabei offenbar um erneute billige Wahl­kampfpolemik mit Hilfe bewusster Falschmeldungen.

 

Hinsichtlich des Zeitpunktes der Beantwortung der gegenständlichen Anfrage weise ich auf § 59 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates hin. Anfragen sind demnach innerhalb von zwei Monaten, gerechnet vom Tag der Übergabe an den Präsidenten, mündlich oder schriftlich zu beantworten.

 

Nun zu den konkreten Fragen:

 

Zu 1. bis 4.:

Wie ich bereits mehrmals, so etwa anlässlich meiner Beantwortung der Dringlichen Anfrage Nr. 535/J vom 17. Juni 2003 zu den Fragen 1 bis 11, mitgeteilt habe, war auf Grund des vom Bundesministerium für Landes­verteidigung gewählten Vergabeverfahrens jedoch schon aus technischen Gründen eine Beeinflussung nicht möglich. Als Vergabeverfahren für die Beschaffung der „Abfangjäger“ wurde entsprechend dem nach herrschender Lehre und Judikatur für alle Vergabeverfahren des öffentlichen Auftrag­gebers bestehenden Gebotes der Beachtung der Grundsätze der Gleich­behandlung und der Transparenz ein zweistufiges Verfahren gewählt, welches sich in einen Wettbewerbs- und in einen Verhandlungsteil unter­teilt. Der Wettbewerbsteil enthielt im Wesentlichen alle Elemente einer beschränkten Ausschreibung. Aufgrund eines detaillierten Leistungs­verzeichnisses, in welchem Muss- und Sollkriterien definiert wurden, sowie auf der Basis eines Bewertungskataloges, welcher vor Angebotseröffnung fertig gestellt wurde, wurde die Ermittlung des Bestbieters durchgeführt.

 

Da die angebotenen Flugsysteme naturgemäß Unterscheidungen aufweisen – System Eurofighter ist nicht unmittelbar mit System Gripen vergleichbar – war es notwendig, ein Bewertungsmengengerüst zu erstellen, um tatsächlich objektive und transparente Gleichbehandlung der Bieter sicherzustellen. In diesem Bewertungsmengengerüst wurden daher nur alle vergleichbaren Leistungsmerkmale aufgenommen und bewertet. Die Reihung der Bieter erfolgte aufgrund der Ermittlung des Kostennutzwertquotienten. Das ist ein Verfahren, welches im österreichischen Bundesheer seit Jahren bei der Vergabe von Rüstungssystemen angewendet wird. Bei diesen Verfahren wird, vereinfacht ausgedrückt, das Preis-Leistungs-Verhältnis beurteilt und damit der Bestbieter ermittelt.

 

Auch der Rechnungshof stellte dazu in seinem Wahrnehmungsbericht Reihe Bund 2004/1 zum Thema Luftraumüberwachungsflugzeuge auf Seite 16 ausdrücklich fest, dass „das vom Bundesministerium für Landesverteidigung verwendete mathematische Modell der Kosten-Nutzwertanalyse für die Ermittlung des Bestbieters bei der Beschaffung von Abfangjägern geeignet“ und „das Ergebnis der Kosten-Nutzwertanalyse durch das Bundesministerium für Landesverteidigung nachvollziehbar und mathematisch abgesichert“ war. Er kam daher in den Schlussbemerkungen des zitierten Berichtes zum Ergebnis, dass der Eurofighter unter Zugrunde­legung der vom Bundesministerium für Landesverteidigung festgelegten Kosten-Nutzwertanalyse zutreffend als Bestbieter ermittelt wurde.

 

In diesem Bericht nahm der Rechnungshof im Übrigen auch Bezug auf den in der gegenständlichen Anfrage angesprochenen „Einsichtsvermerk“ des damaligen Leiters der Gruppe Feld- und Luftzeugwesen, in welchem wegen „festgestellter annähernder Gleichwertigkeit“ empfohlen wurde, dem Gripen den Vorzug zu geben. Der Rechnungshof hält dazu auf Seite 18 des Berichtes ausdrücklich fest, dass die Vergabeempfehlung des nicht stimm­berechtigten Leiters der Bewertungskommission und die daraufhin erfolgte Änderung der ursprünglichen Stimmenthaltung eines Mitgliedes der Bewertungskommission zu Gunsten des Gripen in sich nicht schlüssig sind, da „aufgrund der Kosten-Nutzwertanalyse nämlich eine annähernde Gleich­wertigkeit der Angebote nicht vorlag“. Auch mit diesen Ausführungen unter­streicht der Rechnungshof die Bestbieter-Eigenschaft des Eurofighters. Die Vergabeentscheidung war somit korrekt, was vom Rechnungshof in seinem Wahrnehmungsbericht Reihe Bund 2005/3 zum Thema Luftraumüber­wachungsflugzeuge auch hinsichtlich der Finanzierung bestätigt wird: so betont er in diesem Bericht auf Seite 16 nochmals, dass der Eurofighter selbst bei einer anderen Zahlungsvariante Bestbieter gewesen wäre.

 

Damit ist unschwer zu erkennen, dass in diesem zweistufigen Verfahren, wie es im Bundesministerium für Landesverteidigung Anwendung gefunden hat und auch vom Rechnungshof geprüft wurde, eine Beeinflussung der Kommissionsentscheidung schon rein technisch unmöglich ist und auch praktisch nicht erfolgen konnte. Vielmehr war es eine 33-köpfige Bewertungskommission, die sich mit der Situation im Detail beschäftigt hat. Es wurden die drei Angebote, F-16, SAAB-Gripen und Eurofighter, im Detail genauestens beurteilt und es hat eine klare Empfehlung der Bewertungs­kommission an die österreichische Bundesregierung gegeben, nämlich dem Eurofighter als Bestbieter den Zuschlag zu geben.

 

Der damalige Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner hat in weiterer Folge einen Ministerratsvortrag eingebracht, der dem Vorschlag der Bewertungskommission entsprochen hat. Dieser Vorschlag hat auf „Eurofighter Typhoon“ gelautet und wurde der Bundesregierung an keinem anderen Tag, sondern am 2. Juli 2002, entscheidungsreif vorgelegt und von dieser auf Vorschlag des Bundesministers für Landesverteidigung einstimmig zur Kenntnis genommen. Auch ich habe dabei auf Grund der Empfehlung der Bewertungskommission und ihrer ausschließlichen Kompetenz, was die Typenentscheidung betrifft, und des Vorschlags des Bundesministers Scheibner im Ministerrat den Ankauf des Eurofighters der Firma EADS als Bestbieter mitgetragen. Im Übrigen hat auch die Mehrheit der Abgeordneten im Nationalrat im Rahmen der Beratungen zum Budget­begleitgesetz 2003 diesem Vorschlag zugestimmt und ihn beschlossen.

 

Eine Mitbefassung meines Ressorts im Vorfeld dieses der klaren Empfehlung der 33-köpfigen Bewertungskommission folgenden Ministerratsbeschlusses erfolgte ausschließlich in Entsprechung des § 43 Abs. 1 des Bundeshaus­haltsgesetzes. Demnach ist bei Beschaffungsvorhaben von außerordentlicher finanzieller Bedeutung bereits während der Planung das Einvernehmen herzustellen. Gemäß § 43 Abs. 2 hat der Bundesminister für Finanzen Richtlinien zur Durchführung aufzustellen. Da für das Beschaffungs­vorhaben „Luftraumüberwachungsflugzeug“ § 43 anzuwenden war, ist mein Ressort selbstverständlich völlig gesetzeskonform bei der Erteilung von Richtlinien für das gegenständliche Vorhaben vorgegangen. Unter Beachtung der Zuständigkeit des Bundesministers für Landesverteidigung, was die Typenentscheidung aus militärischer Sicht betrifft, wurde bei den vorge­gebenen Richtlinien in keiner Weise irgendein Produkt bevorzugt.

 

Ich halte daher nochmals ausdrücklich fest, dass die in dieser Anfrage implizierte Unterstellung, dass ich für den Eurofighter interveniert hätte, nicht zutreffend ist.

 

Zu 5. und 6.:

Es ist zutreffend, dass ich mich ursprünglich gegen eine Beschaffung von Abfangjägern ausgesprochen habe. In der Folge habe ich mich sehr massiv für die kostengünstige Variante, nämlich für die Beschaffung von F-16 Mid-Life Update eingesetzt. Dieser Standpunkt folgte dem Selbstverständnis, welches ein Finanzminister mitbringen muss, indem er bei allen Anschaffungen auf Kosten der SteuerzahlerInnen zuallererst budget­politische Erwägungen in den Mittelpunkt seiner persönlichen Betrachtung stellt.

 

Ich bin aber der Überzeugung, dass es absolut legitim ist, dass man nach Diskussion und nach Abwägung budgetärer und sicherheitspolitischer Argumente gemeinsam eine Entscheidung für die Beschaffung trifft, dass man gemeinsam als österreichische Bundesregierung sagt: Priorität haben die Sicherheit und der Schutz Österreichs, Priorität hat die Souveränität Österreichs und Priorität hat eine umfassende Landesverteidigung. Ein sicheres Österreich braucht eine umfassende Landesverteidigung und braucht auch eine aktive Luftraumüberwachung.

 

Es ist ein historisches Faktum, dass es eine Zeit gegeben hat, in der die Sozialdemokratie in diesem Land die Federführung hatte und sich in dieser Zeit noch zu staatspolitischer Verantwortung bekannt hat. 1984 hat der ehemalige Bundeskanzler Sinowatz auf die Frage nach der Notwendigkeit eines Abfangjägerkaufes klar „ja“ gesagt, „weil wir nach innerstaatlichem Recht und nach dem Völkerrecht dazu verpflichtet sind“. Auch der ehemalige sozialdemokratische Bundeskanzler Vranitzky bekannte sich 1987 zum Milizsystem und zum Konzept der defensiven Raumverteidigung zu Land und in der Luft.

 

Das heißt, es hat eine Zeit gegeben, in der man sich auch auf Seiten der Sozialdemokratie offensichtlich der staatspolitischen Verantwortung bewusst war. Heute ist das nicht mehr der Fall, heute wechselt man staatspolitische Verantwortung gegen parteipolitisches Hickhack. Ich kann nur festhalten: Diese Bundesregierung ist bereit, auch wenn es um unangenehme Entscheidungen geht, die Verantwortung zu tragen, und deswegen tun wir es auch in dieser Frage, was diesen Beschaffungsvorgang betrifft. Dies und nichts anderes ist auch der Grund, weshalb ich schlussendlich auf Grund der Empfehlung der 33-köpfigen Bewertungskommission und ihrer ausschließlichen Kompetenz, was die Typenentscheidung betrifft, und des Vorschlags des Bundesministers Scheibner im Ministerrat am 2. Juli 2002 den Ankauf des Eurofighters der Firma EADS als Bestbieter mitgetragen habe. Dass es dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, wie auch der Herr Bundeskanzler etwa in Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 879/J vom 9. Oktober 2003 bereits ausgeführt hat, gelungen ist, Gegen­geschäftsverpflichtungen in einem Ausmaß von mehr als 200 Prozent des Nettoanschaffungspreises zu vereinbaren, ist jedoch ein weiterer Grund für mich, auf das Verhandlungsergebnis dieser Bundesregierung stolz zu sein. Denn damit bietet uns der Ankauf der Eurofighter neben dem eigentlichen Zweck der Luftraumsicherung auch ein riesiges Potential für die heimische Wertschöpfung, für unsere Beschäftigten, für unsere Klein- und Mittel­betriebe.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Karl-Heinz Grasser eh.