2493/AB-BR/2009

Eingelangt am 26.08.2009
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Bundeskanzler

Anfragebeantwortung

An den

Präsidenten des Bundesrats

Erwin PREINER

Parlament

1017 Wien                                                          

GZ: BKA-353.410/0008-I/4/2009                                      Wien, am 24. August 2009

 

 

 

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

 

Die Bundesräte Kerschbaum, Freundinnen und Freunde haben am 2. Juli 2009 unter der Nr. 2699/J-BR an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend AKW-Projekte gerichtet.

 

Einleitend verweise ich darauf, dass die Bundesregierung auf Basis des Regierungs­programms 2008-2013 an ihrer Anti-Atom-Politik festhalten wird. Dieser Festlegung fühle ich mich voll und ganz verpflichtet. Kernenergie ist weder eine nachhaltige Form der Energieversorgung noch eine tragfähige Option zur Bekämpfung des Klimawan­dels. Die Bundesregierung wird auf allen Ebenen die Interessen der österreichischen Bevölkerung und der Umwelt weiterhin vertreten und die österreichische Anti-Atompo­litik gegenüber internationalen Institutionen, der EU und den Nachbarstaaten, die Kernkraftwerke betreiben oder planen, weiterhin mit Nachdruck vertreten. Vor diesem Hintergrund beantworte ich die einzelnen Fragen wie folgt:

 


Zu den Fragen 1, 4 und 6:

Ø       Mit welchen der angeführten Staaten finden derzeit Verhandlungen über den Ab­schluss eines Nuklearinformationsabkommen statt, wie ist der jeweilige Stand der Verhandlungen und wann ist mit einem Abschluss zu rechnen?

1.    Italien

2.    Frankreich

3.    Großbritannien

4.    Estland

5.    Kroatien

6.    Albanien

7.    Mazedonien

8.    Ukraine

9.    Rumänien

10.  Bulgarien

11.  Finnland

12.  Schweden

13.  Belgien

14.  Niederlande

15.  Russland

Ø         In der Anfragebeantwortung Nr. 2399/AB-BR/2008 führte die damalige Außen­ministerin Plassnik (zu Frage 5 und 8) an, dass das AtomHG 1999 in wesent­lichen Grundsätzen von den bestehenden Regimen des internationalen Atom­haftungsrechts, deren Vertragsparteien die Nachbarstaaten sind, abweicht. „Ex­pertengespräche haben ergeben, dass Verhandlungen mit Nachbarstaaten be­treffend die Anerkennung des AtomHG 1999 nicht erfolgversprechend sind, da das österreichische Atomhaftungsrecht aus Sicht des Geschädigten wesentlich günstiger ist.“ Es sei jedoch bereits auf Basis der geltenden Regelungen des österreichischen Atomhaftungsgesetzes möglich, im Falle von Schäden, die in Österreich eintreten, Haftungsansprüche vor einem österreichischen Gericht geltend zu machen.

1.  Wird eine Anerkennung des Österr. Atomhaftungsgesetzes durch andere Staaten, insbesondere solche, in denen AKWs betrieben werden, noch an­gestrebt?

2.  Werden diesbezüglich Verhandlungen geführt? Wenn ja, mit welchen Staa­ten?

3.  Unter welchen Umständen können die angeführten Haftungsansprüche vor einem österreichischen Gericht geltend gemacht werden?

Ø      Beabsichtigen Sie die Ausarbeitung von Abkommen mit kernenergiekritischen Staaten, wie Dänemark, Irland, Portugal, Luxemburg, Norwegen und Griechen­land, die den Informationstausch, die Entwicklung gemeinsamer Initiativen auf EU- bzw. multilateraler Ebene, den Austausch sicherheitsrelevanter Studien, Gesetze bzw. Initiativvorschläge im Bereich radioaktive Abfallstrategien, Strah­lenschutz, Notfallsvorsorge, Frühwarnsystem, Methoden zur Risikoabschätzung, haftungsrelevante Fragestellungen und Ähnliches zum Inhalt haben?
1. Wenn ja:

i.     was ist der Ausarbeitungsstand einschlägiger Abkommen

ii.    mit welchen Staaten wurden einschlägige Konsultationen bereits geführt

iii.   bis wann ist jeweils mit dem Abschluss eines entsprechenden Abkommens zu rechnen.


2. Wenn nein:

i.     welche Alternativstrategie haben Sie, um ein koordiniertes Vorgehen kern­energiekritischer Staaten auf EU- und multilateraler Ebene begründen zu können?

ii.    wie stellen Sie sicher, dass die Bundesregierung über den aktuellen Stand oben angeführter Aspekt laufend auf dem jeweils aktuellen Stand ist?

 

Ich verweise auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 2698/J-BR durch den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten.

 

Zu den Fragen 2, 9 bis 13:

Ø      Welchen aktuellen Informationsstand haben Sie zu den u.a. aktuellen AKW-Pro­jekten und welche Schritte werden Sie dazu unternehmen:

1.   Neuer Block am Standort Dukovany in Tschechien

2.   Block 3 & 4 des AKW Mochovce in der Slowakei

3.   Neuer Block am Standort Bohunice in der Slowakei

4.   Erweiterung des AKW Paks, Ungarn

5.   Neubauprojekt AKW Penly, Frankreich

6.   3 neue Reaktoren in der Schweiz

7.   Ein erstes AKW in Weißrussland

8.   AKW Kaliningrad

Ø      Die Europäische Nuklearsicherheitsrichtlinie wurde im EU-Umweltministerrat mit der Stimme Österreichs beschlossen. NGOs und Grüne sehen diese Richtlinie kritisch, weil sie lediglich den unbefriedigenden Status quo festschreibt. Worin se­hen Sie die Vorteile dieser Richtlinie?

Ø      Für welchen der derzeit gefährlichsten Reaktoren Europas würde durch die Si­cherheitsrichtlinie Handlungsbedarf für Betreiber oder (angeblich) unabhängige Aufsichtsbehörden entstehen, die zu einer Schließung der Anlagen führen könn­ten?

1.   Fessenheim (F)

2.   Biblis (D)

3.   Krümmel (D)

4.   Temelin (CZ)

5.   Dukovany (Sk)

6.   Mochovce (Sk)

7.   Krsko (Slo)

Ø      Die Richtlinie umfasst nicht den gesamten Brennstoffkreislauf – Uranabbau (Cz), Brennelementfertigung, Zwischen- und Endlager. Auch die Gefährdung von Nu­klearanlagen durch Flugzeugabstürze oder Terroranschläge wird nicht erwähnt und die Frage der Nuklearhaftung bleibt weiter ausgespart. Werden Sie diese Be­reiche noch in die Sicherheitsrichtlinie hineinreklamieren?

Ø      Sehen Sie in der 10jährigen Selbstkontrolle der nationalen Nuklearsicherheitsbehörden einen Fortschritt zum Status quo? Wenn ja, wel­chen?

Ø      Welche über den Stand der IAEA-Safety Guidelines (die jedoch lediglich empfoh­len werden) hinausgehenden Sicherheitsanforderungen sind im vorliegenden Richtlinienentwurf enthalten? Wo sehen Sie hier die Verbesserungen des Status quo durch die EU-Sicherheitsrichtlinie?

 

Ich verweise auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 2700/J-BR durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirt­schaft.

 

Zu Frage 3:

Ø      Wann wurden bzw. werden die Berichte lt. § 30 Atomhaftungsgesetz (2001, 2004, 2007) dem Nationalrat und dem Bundesrat zur Beratung vorgelegt?

 

Ich verweise auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 2598/J-BR/ 2008 durch den damaligen Bundeskanzler. Der Bericht zum Stand 31.12.2007 wurde dem Nationalrat am 12. Juni 2008 übermittelt.

 

Zu den Fragen 5 und 7:

Ø      Welche bilateralen Gespräche wurden seit Beginn dieser Regierungsperiode von Ihnen mit Vertretern der unter Punkt 1 und 2 angeführten Staaten offiziell geführt?

1.   Bei welchen dieser Gespräche haben Sie österreichische Bedenken gegen die AKW-Pläne dieser Länder thematisiert und mit welchem Ergebnis?

2.   Bei welchen dieser Gespräche haben Sie die Frage eines abzuschließenden Nuklearinformationsabkommens und/oder Fragen des Nuklearhaftungsrech­tes erörtert?

Ø      Wann haben Sie in der laufenden Legislaturperiode mit AmtskollegInnen aus eu­ropäischen kernenergiekritischen Konsultationen zu kernenergierelevanten The­men durchgeführt, Was waren deren Inhalt und Ergebnisse?

 

Grundsätzlich nehme ich alle Gelegenheiten wahr, um auf bilateraler, europäischer und multilateraler Ebene das Thema Nuklearenergie im Sinne der österreichischen Interessen in allgemeiner und spezifischer Form anzusprechen. In diesem Zusam­menhang möchte ich insbesondere meine bisherigen Treffen mit den tschechischen, slowakischen und ungarischen Amtskollegen hervorheben.

 

Weiters möchte ich daran erinnern, dass Österreich seit Beginn seiner Mitgliedschaft bei der EU stets Reformbemühungen hinsichtlich des EURATOM-Vertrages unter­stützt und auch selbst Initiativen zur Reform dieses Vertrages initiiert hat. Zielrichtung dieser Initiativen waren die Eliminierung des Förderzweckes und der Ausbau des Schutzzweckes des EURATOM-Vertrages. Weiters richteten sich die österreichi­schen Bemühungen auf die Herstellung eines fairen Wettbewerbes zwischen der Atomenergie und den anderen Energiegewinnungsformen und auf eine verstärkte Einbindung des Europäischen Parlamentes in die Entscheidungsprozesse des EU­RATOM-Vertrages, um die Beschlussfassungsverfahren im Bereich der europäi­schen Atompolitik zu demokratisieren.

 

Auf Grund österreichischer Bemühungen im Rahmen der Regierungskonferenz 2004 haben immerhin fünf der damals 25 Mitgliedstaaten der EU (Österreich, Deutschland, Schweden, Ungarn und Irland) eine Erklärung zum Vertrag über eine Verfassung für Europa abgegeben, mit dem sie die ehest mögliche Einberufung einer Revisionskon­ferenz zum EURATOM-Vertrag forderten. Diese Erklärung wurde in den Vertrag von Lissabon übernommen. Auch wenn Österreich also mit seinem Anliegen, die europä­ische Atompolitik grundlegend neu auszurichten, nicht völlig alleine dasteht, ist doch deutlich erkennbar, dass die für die Einberufung einer Regierungskonferenz zur Än­derung des EURATOM-Vertrages erforderliche (einfache) Mehrheit der Mitgliedstaa­ten (derzeit 14) nicht gegeben ist. Weiters ist zu bedenken, dass auch eine erfolg­reiche Einberufung der Konferenz keinerlei Garantie dafür ist, dass die in der Folge zu führenden Verhandlungen auch tatsächlich in die aus österreichischer Sicht inhalt­lich gewünschte Richtung gehen. Zum erfolgreichen Abschluss der Regierungskonfe­renz ist bekanntlich Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten erforderlich.

 

Zu Frage 8:

Ø      Sie haben die „Durchsetzung“ der Leitung von Wien-Südost nach Györ als eine der „Leistungen“ bezeichnet, die die Bundesregierung beim EU-Rat durchgesetzt hat. In der sog. KEMA-Studie (Analysis of the network capacities and possible congestion of the electricity transmission networks within the accession countries) wird die Leitung Wien-Südost – Györ als Teil der Verbindung Österreich-Slowakei angeführt. Welchem Zweck soll diese Leitung nun definitiv dienen?

1.   Wie hoch beläuft sich der jährliche Stromhandel Österreichs mit

a. Ungarn?

b. mit welchen anderen Ländern über die Leitung Wien-Südost-Györ?

2.   Wurde die Leitung seit Beginn ihrer Inbetriebnahme für den Import von Elektri­zität nach Österreich bzw. für Transitgeschäfte genutzt? Eine über die Nut­zungsdauer ausgegliederte Darstellung zwischen Import/Export und Transit wird hierfür erwünscht.

3.   Welche potentiellen Strom-Exportkapazitäten Ungarns können mit dieser Lei­tung nach Österreich geführt werden?

4.   Welche potentiellen Strom-Exportkapazitäten ergeben sich für die Slowakei aus dem geplanten Ausbau des KKW Mochovce?

5.   Welchen Informationsstand besitzen Sie bzgl. vorgesehener Leitungsbaupro­jekte zwischen Ungarn und der Slowakei, die eine Verknüpfung mit der gegen­ständlichen Leitung Wien-Südost – Györ zum Inhalt haben?

6.   War die Leitung Wien-Ost – Györ auch Thema bei Ihrem Treffen mit Premier­minister Fico im Frühjahr 2009?

7.   Sind für die Errichtung dieser Leitung nationale Fördermittel vorgesehen? Wenn ja, welche?

 

Ich verweise auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Zl. 2697/J-BR/ 2009 durch den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend.

 

 

Mit freundlichen Grüßen