2532/AB-BR/2010

Eingelangt am 16.04.2010
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger diplô

Bundesminister

 

 

 

GZ: BMG-11001/0047-I/5/2010

Wien, am 16. April 2010

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 2739/J–BR/2010 der BR Maga. Bettina Rausch, MMaga. Barbara Eibinger, Mag. Michael Hammer, Kolleginnen und Kollegen nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Fragen 1 und 2:

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Ergebnisse der Stellungsuntersuchungen we­der im Detail veröffentlicht noch dem Bundesministerium für Gesundheit bekannt gegeben werden und daher meinem Ressort nur soweit bekannt sind, als einschlägige Daten in offiziellen Statistiken (etwa betreffend Körpergewicht) veröffentlicht sind.

 

Da jedoch aus verschiedenen Studien bekannt ist, dass die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten unserer Kinder und Jugendlichen vielfach nicht zufrieden­stellend sind, war und ist das Bundesministerium für Gesundheit ständig bestrebt, verschiedene Maßnahmen, die zu einer Verbesserung führen sollen, zu ergreifen.


So steht etwa mit dem Mutter-Kind-Pass-Untersuchungsprogramm schon von Beginn an ein wichtiges Instrumentarium zur Vorsorge und Krankheitsfrüherkennung zur Verfügung, das Anfang 2010 um drei Untersuchungen erweitert wurde.

 

Um die Gesundheitsförderung in der Schule nachhaltig zu etablieren, wurde gemein­sam mit dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur und dem Haupt­verband der österreichischen Sozialversicherungsträger im Jahr 2007 das

Projekt „Gesunde Schule“ ins Leben gerufen. Die Give-Servicestelle für

Gesundheitsbildung, eine Initiative des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, des Gesundheitsressorts und des ÖJRK unterstützt bereits seit mehr als zehn Jahren Lehrer/innen bei der Planung und Umsetzung von Gesundheitsförderungs­projekten in Schulen.

 

Die Sozialversicherung bietet zudem jedem berufstätigen Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren einmal pro Jahr die kostenlose sogenannte Jugendlichenuntersuchung  an. Diese Untersuchung hilft mögliche Krankheiten frühzeitig zu erkennen, Gesundheitsrisiken und berufliche Belastungen bewusst zu machen sowie bei verschiedenen Problemen wie etwa Familie, Arbeitsplatz, Alkohol/Drogen einen ersten Lösungsschritt zu setzen.

Die Untersuchung besteht aus einer Basisuntersuchung (körperliche Untersuchung, Harnuntersuchung und einer Gesundheitsberatung). In den folgenden Jahren werden die Ergebnisse der Basisuntersuchung kontrolliert beziehungsweise durch Schwerpunktuntersuchungen ergänzt.

 

Kinder und Jugendliche stellen auch eine wichtige Zielgruppe der GÖG/Geschäftsbereich Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) dar. Der FGÖ ist mit der Umsetzung des Gesundheitsförderungsgesetzes betraut. So unterstützt der FGÖ schon im Kindergarten Projekte und Programme zur Förderung der seelischen Ge­sundheit, von gesunder Ernährung und Bewegung.

 

Im Setting Schule unterstützt der FGÖ insbesondere den weiteren Ausbau von vor­handenen Kapazitäten. Besonderes Augenmerk soll darauf gelegt werden, eine bessere Verbindung zwischen Gesundheitsförderung und Schulentwicklung herzu­stellen und multifaktorielle Ansätze zu verwenden. Desgleichen werden vom Fonds Gesundes Österreich auch spezifische Projekte zur Förderung der seelischen Gesundheit, von gesunder Ernährung und Bewegung sowie zur Prävention von Gewalt und aggressivem Verhal­ten unterstützt.

 

Frage 3:

Für die gesunde körperliche, geistige und seelische Entwicklung eines Kindes sind ver­schiedene Faktoren ausschlaggebend. Neben allgemeinen gesundheitsförderlichen Verhältnissen und Verhaltensweisen spielen auch das soziale Umfeld sowie wirt­schaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle. Aussagen


zur Zunahme der Häufigkeit (Prävalenz) von psychischen Störungen und Erkrankun­gen im Kindes- und Jugendalter, wie sie in diversen Berichten und Erhebungen - ge­häuft in letzter Zeit - kolportiert wurden, bedürfen aber einer vertiefenden Analyse, um tatsächlich derartige Schlüsse zuzulassen.

 

Selbstverständlich ist es meine Aufgabe als Gesundheitsminister, auf mögliche Ver­besserungen der bereits angesprochenen Rahmenbedingungen einzuwirken bzw. diese mitzugestalten. So ist es in letzter Zeit gelungen, die ärztlichen Spezialistinnen und Spezialisten in einem eigenen Sonderfach, dem der Kinder- und Jugend­psychiatrie, auszubilden und so im Gesundheitssystem zu verankern. Um möglichst rasch zu einer entsprechend ausreichenden Zahl an Fachärztinnen und Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie zu kommen, wird auch von der jüngst geschaffenen gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, dieses Sonderfach für einen beschrie­benen Zeitraum zum sogenannten Mangelfach zu erklären.

 

Darüber hinaus habe ich mein Ressort beauftragt, einen Kindergesundheitsdialog auf Ex­pert/inn/enebene zu initiieren. Ein eigenes Modul wird sich speziell den Fragen der

psychischen Gesundheit in dieser Altersgruppe widmen. Auf den Ergeb­nissen dieses Dialogs, der auch alle relevanten Ministerien einbindet, wird die Entwick­lung eines nationalen Kindergesundheitsplanes basieren.

 

Frage 4:

Neben der bereits angeführten Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Un­terricht, Kunst und Kultur im Projekt „Gesunde Schule“ erfolgt auch eine Kooperation mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport bezüglich der Aktion „Fit für Österreich“ über die Beteiligung des Fonds Gesundes Österreich.

 

Frage 5:

Die Bundesheer-Stellung hat ihre Basis in der allgemeinen Wehrpflicht. Da dieser nur Männer unterliegen, ist für die Vornahme solcher Untersuchungen bei Frauen keine Rechtsgrundlage gegeben. Allerdings besteht unter anderem für junge Frauen die Möglichkeit die von der Sozialversicherung angebotene Jugendlichenuntersuchung (siehe Beantwortung Fragen 1 und 2) sowie ab dem 18. Lebensjahr die jährliche kostenlose Vorsorgeuntersuchung in Anspruch zu nehmen.

 

 

Fragen 6 und 7:

Seit 2002 wurden von den EU-Gesundheitsministern sieben Ratsschlussfolgerungen verabschiedet mit dem Inhalt, die Ernährung der Bevölkerung zu verbessern und dem steigenden Trend beim Übergewicht entgegenzutreten.[1] Im EU-Weißbuch


„Ernährung, Übergewicht, Adipositas, eine Strategie für Europa“ vom Mai 2007, werden Maßnahmen dargestellt, die dazu beitragen können, Erkrankungen aufgrund ungesunder Ernährung, Übergewicht und Adipositas zu verhindern. Diese EU-Dokumente enthalten politische Willensbekundungen und unterschiedlich detaillierte Handlungsoptionen für die Kommission und die Mitgliedsstaaten, die damit auch aufgefordert werden, nationale Ernährungsstrategien zu implementieren. Auch die WHO fordert in ihrer „Globalen Strategie über Ernährung, Bewegung und Gesundheit“ die Staaten auf, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. In Österreich fehlt bisher eine entsprechende nationale Ernährungsstrategie.

 

Ernährung ist eine Querschnittmaterie über mehrere (Fach)Politiken und ein Bestandteil von vielen unterschiedlichen Alltagssituationen. Fehlernährung und Überernährung haben multifaktorielle Genesen und bedürfen daher auch mehrerer Herangehensweisen und verschiedener Antworten. Einzelne Initiativen müssen vernetzt, koordiniert und evaluiert werden. Eine zentrale Planung und Steuerung wirkt vernetzend, arbeitsteilige und/oder gemeinsame Herangehensweisen bringen eher nachhaltige Erfolge als isolierte Einzelprojekte. Nur durch geplantes, koordiniertes, kongruentes und evidenzbasiertes Handeln sind dauerhafte Verbesserungen realistisch.

Der nationaler Aktionsplan Ernährung definiert Ziele und identifiziert Handlungsfelder. Darauf aufbauend sollen Projekte, Initiativen und AkteurInnen vernetzt werden, eine zentrale Datenerfassungs- und Sammelstelle ebenso wie eine zentrale Planung und Steuerung sollen vorgesehen werden. Eine nationale Ernährungsstrategie ist nicht „von oben“ verordenbar. Daher hat sich das BMG dazu entschieden, ein an wissenschaftlichen Kriterien orientiertes Konzept zu erstellen und dieses einem breiten Konsultationsverfahren zuzuführen. Die föderalen Österreichischen Strukturen im Gesundheits-, Bildungs- und Betreuungswesen und die durchaus unterschiedlichen Lebenswelten der verschiedenen Bevölkerungsgruppen machen den NAP.e in der Erarbeitung vielleicht schwieriger, in der Zielerreichung aber vermutlich einfacher.

Ein breiter Ansatz zur Veränderung der Ernährung hin zu einem ausgewogenen Ernährungsstil ist notwendig. Es muss dazu nicht nur das Lebensmittel- und Speisenangebot systematisch verbessert werden, es muss auch breit und auf mehreren Ebenen Ernährungsbildung erfolgen, am besten spielerisch und partizipativ, damit nachhaltig Ernährungskompetenz vermittelt wird. Es bedarf da und dort sicherlich auch neuer gesetzlicher Regelungen – hier wurde z.B. mit der TransfettVO schon ein Baustein gelegt. Aber vieles ist nicht durch Gesetze veränderbar, sondern nur durch gemeinsame Anstrengungen und verbindliche Vereinbarungen. Es braucht z.B. Vereinbarungen, Leitlinien und Hilfe für Küchen und Buffets in Kindergärten und Schulen. Auch Betriebskantinen und Gasthäuser sind hier starke Partner, die wir im Boot brauchen.

Es ist daher wichtig, für das Vorhaben der Verbesserung der Ernährung der Österreicherinnen und Österreicher einen breiten Konsens zwischen allen beteiligten Interessensgruppen in allen betroffenen Politikfeldern zu finden. Es bedarf


Maßnahmen sowohl auf der Verhaltens- als auch die Verhältnisebene. Mittelfristig muss die gesündere Wahl für alle die leichtere werden.

Der Entwurf des Nap.e zeigt Aktionsfelder auf und fasst aufgrund internationaler Erfahrungen evidenzbasierte bzw. erfolgsversprechende Handlungsmöglichkeiten im Themenfeld Ernährung zusammen. Darüber hinaus sind auch andere mögliche Maßnahmen der Verbesserung der Ernährung der ÖsterreicherInnen beispielhaft aufzählt. Ziel des Nap.e ist es, bis 2020 die Prävalenz von ernährungsassoziierten Erkrankungen zu verringern und den Trend beim Anstieg des Übergewichts umzukehren bzw. zumindest zu stoppen. Mit dem nationalen Aktionsplan Ernährung bekommt auch Österreich erstmals eine Ernährungsstrategie. Eine zentrale Stelle zur Planung, Koordinierung und Steuerung ist speziell in Zeiten der begrenzten finanziellen Ressourcen im öffentlichen Bereich ein Gebot der Stunde.

Ende Jänner 2010 hat BM Stöger den Entwurf für einen nationalen Aktionsplan Ernährung vorgestellt. Dieser ist seither und noch bis Ende April einem breiten Konsultationsverfahren offen. Die eingehenden Stellungnahmen werden bewertet und die sich daraus abzeichnenden Schwerpunkte für Handlungen in der nächsten Zukunft sollen in Workshops behandelt werden. Ende des Jahres soll der „finale“ nationale Aktionsplan Ernährung veröffentlicht werden. Er ist als dynamisches Konzept zu verstehen, das ständig weiterentwickelt, evaluiert und angepasst wird. Eine nationale Ernährungskommission wird eingerichtet, die jährlich prioritäre Aktionsfelder identifiziert, an welchen die Arbeiten im Rahmen des Nap.e ausgerichtet werden sollen. Projekte, Initiativen und Aktivitäten im Rahmen des Nap.e werden durch das Logo das Nap.e (eine grüne Pyramide) erkenntlich sein.

Die Verbesserung der Ernährung junger Menschen spielt im Rahmen des Nap.e in allen vier identifizierten Aktionsfeldern eine Rolle und spiegelt sich auch in etlichen der aufgezählten Maßnahmen wieder. Die vier Aktionsfelder sind:

1)     Stärkung des Bereichs Ernährung im Gesundheitswesen und im öffentlichen Bereich

2)     Integrierte Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention von ernährungsabhängigen Erkrankungen

3)     Ausbau der Datenbasis zur evidenzbasierten Vorgangsweise und Qualitätskontrolle

4)     Förderung von Netzwerken auf lokaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene

Maßnahmen, die die Gesundheit junger Menschen betreffen und im Nap.e derzeit aufgezählt sind, wären z.B. Integration der Ernährungsanamnese in die Gesundenuntersuchung; Ernährungsberatung im Rahmen von Lehrlingsuntersuchungen und Mutter-Kind-Beratungen; Stillförderung und einheitliche Beikostleitlinien für Österreich; Verbesserung des Speisenangebots in Schulküchen und Kindergärten; Optimierung des Nahrungsmittelangebots in Horten, Kiosken, Verkaufsautomaten und der Gastronomie; Erhöhung der Verfügbarkeit und Leistbarkeit von Lebensmitteln, die häufiger konsumiert werden sollten insbesondere von Obst, Gemüse und Vollkornprodukten; Ernährungsbildungsinitiative für


LehrerInnen und KindergartenpädagogInnen; Weiterentwicklung Konzepts der gesundheitsfördernden Schulen, Media-Literacy-Aktivitäten; Aktivitäten zur Verbesserung der Kompetenz im Umgang mit Lebensmitteln bzw. der Kochkompetenz von Jugendlichen; spezielle niederschwellige Beratungs- und Hilfsangebote für Frauen/Eltern aus sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten; neues Ernährungs-Gütezeichen für Speisen-Angebote und Lebensmittel, damit gesündere Alternativen leicht und schnell erkannt werden können; Erarbeitung und Bereitstellung von einheitlichen Empfehlungen und akkordierter Richtlinien für spezifische Zielgruppen, darunter auch Kinder und Jugendliche etc.

Welche Maßnahmen letztlich umgesetzt werden, wird von den Rückmeldungen der Konsultation abhängen bzw. in weiterer Folge von KooperationspartnerInnen (andere Ministerien, Länder, Sozialversicherungen, Interessensverbände etc) und DurchführerInnen in Vereinen, Gemeinden, Städten, Ländern, Schulen etc. Es können sich aus der Konsultation auch noch weitere, derzeit nicht angeführte Maßnahmen ergeben, die dann im finalen Aktionsplan aufscheinen.

 

Bereits umgesetzt bzw. in Umsetzung sind folgende Aktivitäten des BMG:

1)     Transfettsäuren-Verordnung (Gültig seit 1.9.2009)

2)     Präsentation Ernährungsbericht und Beauftragung EB 2012 (Focus Status)

3)     Ernährungs-Info-Kampagne Print (September 2009)

4)     Projekt „Richtig essen von Anfang an“ – Abschluss Internationaler Vergleich und Handlungskatalog (download http://www.hauptverband.at/mediaDB/Projektbericht_Richtig%20Essen%20von%20Anfang%20an.pdf )

5)     Projekt „Richtig essen von Anfang an“ – Initialmaßnahmen (weitere Info: http://www.ages.at/ages/ernaehrungssicherheit/thema-ernaehrung/richtig-essen-von-anfang-an/)

6)     Änderung der Österreichischen Position zur EU-Informationsverordnung (Verpflichtende Nährwertkennzeichnung)

7)     Start Gastro-Info-Initiative

8)     Start Salzreduktions-Initiative (Kooperation mit Ernährungswirtschaft)

9)     Vorarbeit „Medienkompetenz Kinder“ – Umgang mit Werbung (Pilot-Projekt)

10) Start der Konsultationsphase zum NAP.e (Ende Konsultationsfrist 30.4.2010)

11) Vorstellung der Österreichische Ernährungspyramide am 5.3.2010 (http://www.bmg.gv.at/cms/site/thema.html?channel=CH0773 )

 

Der NAP.e ist als dynamischer Prozess zu verstehen, ein Plan mit Zielen, der durch Aktivitäten verbessert wird und wo möglichst viele, die mitmachen, profitieren – auf jeden Fall aber die Volksgesundheit!

 



[1] Schlussfolgerungen des Rates vom Dezember 2002 zur Fettleibigkeit, vom Dezember 2003 zur Gesunden Lebensführung, vom Juni 2004 zur Förderung der Herzgesundheit, vom Juni 2005 zu Übergewicht, Ernährung und körperliche Bewegung und vom Juni 2006 zur Förderung einer gesunden Lebensweise und Vorbeugung gegen TypII-Diabetes, vom Dezember 2007 zur Umsetzung der EU-Strategie für mit Ernährung, Übergewicht und Adipositas zusammenhängenden Gesundheitsfragen