2536/AB-BR/2010

Eingelangt am 04.05.2010
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BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(5-fach)

 

 

 

RUDOLF HUNDSTORFER

Bundesminister

 

Stubenring 1, 1010 Wien

Tel: +43 1 711 00 - 0

Fax:   +43 1 711 00 - 2156

rudolf.hundstorfer@bmask.gv.at

www.bmask.gv.at

DVR: 001 7001

Herrn

Präsidenten des Bundesrates

Peter Mitterer

Parlament

1010 Wien

 

 

GZ: BMASK-10001/0070-I/A/4/2010

 

Wien,

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2746/J‑BR der Bundesräte Dr. Brunner, Mayer, Michalke, Kolleginnen und Kollegen wie folgt:

Frage 1:

Ich unterstütze die Zielsetzung der Bundesregierung, vorhandener Doppelgleisigkeiten bei Bundes- und Landesbehörden, wie z.B. im Bereich der Schulbehörden, zu beseitigen.

Was die Arbeitsinspektion betrifft, bestehen jedoch keine Parallelstrukturen, die abgeschafft werden könnten. Die Auflösung der Arbeitsinspektorate als Bundesbehörden könnte daher zu einer Verwaltungsreform absolut nichts beitragen, sondern würde zu einer erheblichen Erhöhung des Organisations- und Kostenaufwands für die Länder führen.

Die Arbeitsinspektorate haben Beratungs- und Kontrollaufgaben ‑ diese stellen einen in sich vollkommen abgeschlossenen Fachbereich dar, der dem Kompetenztatbestand „Arbeitsrecht“ zugeordnet ist und sich zur Eingliederung in die Landesverwaltung mangels Berührungspunkten mit deren Aufgaben fachlich nicht eignet.

Darüber hinaus besteht eine internationale Verpflichtung Österreichs nach Art. 9 und 10 des ILO-Übereinkommens (Nr. 81), die Arbeitsaufsicht der Aufsicht und Kontrolle durch eine Zentralbehörde zu unterstellen, soweit es mit den Verwaltungsgepflogenheiten vereinbar ist. Auch in den meisten anderen EU-Mitgliedstaaten sind die Arbeitsinspektionen schon im Interesse einer einheitlichen Vollzugspraxis der Arbeitsaufsicht zur Hintanhaltung von Wettbewerbsverzerrungen unmittelbar und direkt einer Zentralbehörde auf Bundesebene unterstellt.

Hinsichtlich des in der Anfrage ebenfalls angesprochenen Bundessozialamtes ist darauf hinzuweisen, dass ‑ als Ergebnis einer im selben Zusammenhang geführten Diskussion ‑ bereits mit 1. Jänner 2003 eine Reform zur Beseitigung von Doppelgleisigkeiten zwischen Bund und Ländern in Kraft gesetzt wurde. Mit dem Bundessozialämterreformgesetz, BGBl. I Nr. 150/2002, wurden die folgenden drei Ziele verfolgt:

1. Aufgabenentflechtung zwischen Bundessozialamt und Ländern,

2. Optimierung der Effizienz durch eine Neuorganisation sowie

3. Erhöhung des Bürgernutzens.

Die Aufgabentrennung erfolgte primär zwischen beruflicher Rehabilitation (Bundessozialamt) und sozialer Rehabilitation (Länder) von Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen der sozialen Rehabilitation wurden in das jeweils bestehende Landessystem nach den Intentionen der Länder eingebunden. Darüber hinaus hat der Bund und das Bundessozialamt die Verfahren zweiter Instanz im Bereich der Feststellungsverfahren und der Hereinbringung der Ausgleichstaxen nach dem Behinderteneinstellungsgesetz sowie die zweitinstanzlichen Verfahren im Bereich der Behindertenpässe nach dem Bundesbehindertengesetz von den Ländern übernommen.

Bis zur Reform gab es sieben Bundessozialämter (Standorte: Wien, Graz, Klagenfurt, Salzburg, Linz, Innsbruck, Bregenz), wobei das Bundessozialamt in Wien auch für die Bundesländer Niederösterreich und Burgenland zuständig war. Zur Optimierung der Effizienz wurden die sieben Bundessozialämter in einer Organisationseinheit, also in einem Bundessozialamt, zusammengefasst, wobei für alle Länder eigenständige Landesstellen vorgesehen wurden. Im Zuge der Neuordnung wurden Geschäftsfelder, die bis dato alle Bundessozialämter wahrgenommen haben, die aber durch eine Organisationseinheit effizienter und kostengünstiger durchgeführt werden können, in einer oder mehreren Organisationseinheiten zusammengefasst (z.B. Entschädigung von Impfgeschädigten, Hereinbringung von Ausgleichstaxen). Bei den Landesstellen verblieben jedoch alle Agenden, die für eine optimale Betreuung der behinderten BürgerInnen erforderlich sind.

Mit der Aufgabenentflechtung zwischen dem Bundessozialamt und den Ländern wurden die Kompetenzen im Bereich der beruflichen Rehabilitation von behinderten Menschen klar zugeordnet. Im Sinne der Umsetzung des "One Stop Shop-Prinzips" entfällt für behinderte Menschen der Weg zu mehreren Anlaufstellen weitestgehend. Auch Unternehmen und Projektträger der Behindertenhilfe haben nunmehr an Stelle mehrerer in der Regel nur mehr einen Ansprechpartner.

Die Zusammenführung der Bundessozialämter in Verbindung mit der Konzentration bestimmter Agenden in einer Organisationseinheit hat zu einer Beschleunigung der Verfahren und zu einer höheren Qualität der Entscheidungen geführt. Durch die Errichtung von eigenen Landesstellen für die Bundesländer Niederösterreich und Burgenland wurde eine größere Bürgernähe erreicht; die Entlastung der Landesgeschäftsstellen von nicht serviceorientierten Leistungen hat die Betreuungsmöglichkeiten für behinderte Menschen wesentlich verbessert.

Fragen 2 und 3:

Hinsichtlich der Kosten der Arbeitsinspektorate und des Bundessozialamtes verweise ich auf die Bundesfinanzgesetze (Arbeitsinspektorate: Untergliederung 20, VA-Ansätze 1/20420, 1/20423, 1/20427 sowie 1/20428, Bundessozialamt: Untergliederung 21, VA-Ansätze 1/21700, 1/21703, 1/21707, 1/21708 und 1/21728).

Frage 4:

Die Einbeziehung der Arbeitsinspektorate in die mittelbare Bundesverwaltung und die Integration dieser Behörden in die Ämter der Landesregierungen wäre aus meiner Sicht keine zielführende Maßnahme.

Soweit einzelne Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes (wie insbesondere die Durchführung von Arbeitsstättenbewilligungsverfahren) im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung effizienter wahrgenommen werden können (Stichwort: Ver­fahrenskonzentration), sind diese Aufgaben ohnehin seit langem gemäß Art. 102 Abs. 3 B‑VG von der unmittelbaren in die mittelbare Bundesverwaltung übertragen worden.

Eine darüber hinausgehende Übertragung von Arbeitnehmerschutzangelegenheiten in die mittelbare Bundesverwaltung wäre hingegen für eine Verwaltungsreform kontra­produktiv: Den Bedürfnissen der Unternehmen nach hoher fachlicher Beratungskom­petenz bei bundesweit einheitlicher Vollzugspraxis im Sinne von Effektivität und Effi­zienz der Verwaltung kann nur durch die derzeitige Organisationsform der staatlichen Arbeitsaufsicht als bundesweit einheitliche Gesamtorganisation mit zentraler Leitung und Steuerung, die gleichzeitig dicht vernetzt und möglichst flexibel strukturiert ist, bestmöglich Rechnung getragen werden.

Nur eine solche Organisationsstruktur ermöglicht die derzeitigen Standards in Bereichen wie

-     bundesweit einheitliche Aus- und Fortbildung aller MitarbeiterInnen,

-     bundesweit effektiver und effizienter Einsatz von ExpertInnenwissen,

-     gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen,

-     gezielte Organisationsentwicklung,

-     Festlegung und Entwicklung einer gemeinsamen Rahmenstrategie der Gesamt­organisation und von aufeinander abgestimmten Konzepten für die einzelnen Arbeitsinspektorate,

-     zentrale EDV: Sammlung, Vernetzung von und gleicher Zugang zu arbeitnehmerschutzrelevanten Informationen für alle MitarbeiterInnen bundesweit (Intranet); Berichtswesen, Tätigkeitsstatistiken etc,

-     analytische Auswertungen der Informationen und Daten, um Trends und Defizite zu erkennen, Schwerpunkte zu setzen und Veränderungen zu bewirken,

-     ständiger Informations- und Erfahrungsaustausch aller MitarbeiterInnen bundesweit.

Frage 5:

Die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten zwischen Bund und Ländern sowie die Übertragung von Aufgaben des Bundessozialamtes in den Aufgabenbereich der mittelbaren Bundesverwaltung wurden bereits umfassend geprüft und haben im erwähnten Bundessozialämterreformgesetz ihren Niederschlag gefunden. Mit der Neuorganisation in ein Bundessozialamt mit neun Landesstellen wurde ein großer Schritt in Richtung Nutzung von Synergieeffekten, mehr Effizienz, Sparsamkeit und Abbau von bürokratischen Hürden gesetzt. Im Sinne des „One Stop Shop-Prinzips“ wurden zentrale Anlaufstellen für Menschen mit Behinderungen – mit einer zeitgemäßen, effizienten Organisation – errichtet. Dabei wurden die Prinzipien der Regionalisierung und Zentralisierung sinnvoll miteinander verknüpft und konnte eine höhere Qualität bei geringeren Kosten erreicht werden.

Die vom Bundessozialamt umzusetzenden Maßnahmen der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderungen bilden einen Kernbereich der Zuständigkeit des Bundes in der Politik für Menschen mit Behinderungen. Eine Übertragung dieses Kernbereiches in die Zuständigkeit der Länder würde nicht nur ein falsches Signal an die behinderten Menschen in Österreich sein, sondern auch die zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Behindertenpolitik in Frage stellen. Durch die Übertragung von Agenden an die Länder kann eine bundesweite Einheitlichkeit und damit aber letztendlich auch die Qualität der Verfahren nicht mehr in der notwendigen Form sichergestellt werden. Die notwendige unerlässliche Homogenität und Qualität kann nachhaltig am besten bei Vollzug durch eine Behörde (in diesem Fall das Bundessozialamt) gewährleistet werden.

Ich gebe weiters zu bedenken, dass das Bundessozialamt eine Reihe von Gesetzen, insbesondere im Bereich der Sozialentschädigung, zu vollziehen hat, die ein hohes spezielles Fachwissen, das unter anderem auf einer langjährigen Erfahrung beruht, erfordern und die beim Bundessozialamt derzeit bestehenden fachlichen, personellen und organisatorischen Rahmenbedingungen gewahrt bleiben müssen.

Weiters möchte ich darauf hinweisen, dass die Übertragung von Agenden in den Zuständigkeitsbereich der Länder auch das Risiko einer Zersplitterung der Entscheidungsträger, eventuell auf die Bezirkshauptmannschaften, in sich bergen würde. Dies würde z.B. im Bereich des Vollzuges des Pflegegeldes den Ausführungen des Rechnungshofes in seinem jüngst veröffentlichten Bericht zur Anzahl der Entscheidungsträger in Pflegegeldverfahren massiv widersprechen.

Natürlich liegt es auch in meinem Interesse, für eine effiziente und bürgernahe Verwaltung zu sorgen, weshalb die Verfahrens- und Verwaltungsabläufe stetig überprüft werden, um die auch im Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode formulierte Zielsetzung „Fortführung und Ausbau des Bundessozialamtes als Kompetenzzentrum für Menschen mit Behinderungen in den Bereichen Arbeit, Gleichstellung und Informationsdrehscheibe im Pflegebereich“ sicherzustellen.

Frage 6:

Die Aufgaben der Arbeitsinspektion könnten von den Bezirkshauptmannschaften oder Ämtern der Landesregierungen nicht in einer ähnlichen Qualität erledigt werden. Die bundesweiten Erfahrungen der Arbeitsinspektion zeigen ein hohes Bedürfnis der Wirtschaft nach einer homogenen Vollzugspraxis, d.h. nach einer

-     bundesweit einheitlichen Auslegung der rechtlichen und technischen Vorschriften,

-     bundesweit einheitlichen Beratungspraxis und

-     bundesweit einheitlichen Kontrollpraxis

durch die Arbeitsaufsichtsbehörde.

Jede regionale Differenzierung in der Arbeitsaufsicht wird von den Unternehmen als unsachlich, diskriminierend und wettbewerbsverzerrend abgelehnt. Daher ist im Sinne homogener wirtschaftlicher Rahmenbedingungen eine transparente, berechenbare und bundesweit einheitliche Vollzugspraxis der staatlichen Arbeitsaufsichtsbehörde geboten. Diese Anforderungen an die Arbeitsinspektion könnten von den Bezirkshauptmannschaften oder Ämtern der Landesregierungen nicht in einer ähnlichen Qualität erfüllt werden.

Hinsichtlich des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ist auf das hohe spezielle Fachwissen, das bei dieser Behörde besteht, sowie auf das bei einer Übertragung auf die Länder gegebene Risiko einer Zersplitterung der Entscheidungsträger zu verweisen.

Frage 7:

Mit einer Übertragung der Aufgaben der Arbeitsinspektion in die Landesvollziehung wären absolut keine Synergien verbunden. Im Gegenteil: Der Zerschlagung einer gewachsenen und gut funktionierenden Organisationsstruktur, die im Bereich der öffentlichen Verwaltung eine Vorreiterrolle als innovative und moderne Behörde einnimmt, auf der einen Seite stünden auf der anderen Seite lediglich ein hoher Organisations- und Kostenaufwand gegenüber, der erforderlich wäre, um inhaltlich und organisatorisch fremdartige Strukturen zusammenzuführen.

Mit der umgesetzten Neuorganisation in ein Bundessozialamt mit neun Landesstellen wurde die Grundlage für die Nutzung der möglichen Synergieeffekte geschaffen.

Frage 8:

Die hohe Effizienz der Arbeitsinspektion ist nur aufgrund ihrer bundeseinheitlichen Gesamtorganisation möglich. Eine Übernahme durch die Bundesländer würde zu einem erheblichen Mehraufwand für die Länder führen.

Es besteht eine internationale Verpflichtung nach Art. 9 und 10 des ILO-Überein-kommens (Nr. 81) über die Arbeitsaufsicht, die zwingend vorgibt, dass die Arbeitsaufsichtsbehörden multidisziplinär und in Relation zur Zahl der ihnen unterstellten Betriebe mit einer ausreichenden Zahl von FachexpertInnen medizinischer und verschiedener technischer Fachrichtungen auszustatten sind. Diesen Vorgaben kann nur durch eine Optimierung des Ressourceneinsatzes und durch die Möglichkeit des flexiblen Einsatzes von ExpertInnen im ganzen Bundesgebiet entsprochen werden, was nur in einer einheitlichen Gesamtorganisation mit zentraler Steuerung möglich ist. In den Ländern könnte dies nur mit entscheidenden Personalaufstockungen realisiert werden. Auch müssten in den Ämtern der Landesregierungen neun Parallelstrukturen für die besondere Ausbildung der Arbeitsschutz-ExpertInnen, EDV-Strukturen und die aufgrund Art. 20 des ILO-Übereinkommens verpflichtende jährliche Berichterstattung eingerichtet werden.

Hinsichtlich des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ist zu dieser Frage auf die bereits erfolgte Reform des Bundessozialamtes zu verweisen.

Frage 9:

Eine Zusammenlegung von Verkehrs-Arbeitsinspektorat und Arbeitsinspektion ist derzeit nicht angedacht.

Mit freundlichen Grüßen