2548/AB-BR/2010

Eingelangt am 05.07.2010
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BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

 

 

Herrn                                                             (5-fach)

Präsidenten des Bundesrates

Martin Preineder

Parlament

1010 Wien                                                                       

 

 

 

GZ: BMASK-10001/0204-I/A/4/2010

 

Wien, 02. Juli 2010

 

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2756/J‑BR der Bundesräte Martin Preineder, Kolleginnen und Kollegen
wie folgt:

Fragen 1 und 2:

Gegenstand der Anfrage sind zwei getrennt zu betrachtende Säulen des sozialen Netzes, die unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen. Sie bedürfen daher mitunter auch voneinander abweichender gesetzlicher Anordnungen, die in weiterer Folge einem völligen Gleichklang der Vollzugspraxis entgegenstehen.

Während es sich bei den Leistungen des Arbeitsmarktservice primär um Versicherungsleistungen des Bundes handelt, sind die Sozialhilfesysteme der Länder beitragsunabhängig finanziert und daher in der Hierarchie des österreichischen Sozialschutzsystems der Sozialversicherung nachrangig. Die mindestsichernden Leistungen der Länder stellen damit das unterste soziale Netz dar.

Des Weiteren sind aber auch die verfassungsrechtlich beschränkten Möglichkeiten zu berücksichtigen, eine Vereinheitlichung von Vollzugspraxen unterschiedlicher Gebietskörperschaften herzustellen, noch dazu in Bezug auf Gesetze mit - wie bereits erwähnt - heterogenen Zielsetzungen.


Die Arbeitslosenversicherung ist als typische Sozialversicherung mit kleinen fürsorgerechtlichen Komponenten, z.B. Pensionsvorschuss, ausgestaltet. Sie wird durch die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert; aus diesen Mitteln wird auch die Arbeitsmarktförderung bestritten. Wesentliche Zielsetzung ist ein (teilweiser) Einkommensersatz im Fall der ‑ möglichst kurzen ‑ Arbeitslosigkeit.

Demgegenüber hat die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) die Aufgabe, Menschen, die in eine Notlage geraten und mit ihren Mitteln den Lebensunterhalt für sich und ihre Angehörigen nicht bestreiten können, zu unterstützen. Sie dient der Vermeidung von Armut und sozialer Ausgrenzung, wobei die (Wieder-) Eingliederung von erwerbslosen, aber arbeitsfähigen BMS-EmpfängerInnen auch bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung eine wesentliche Rolle spielt.

Obwohl die beiden Leistungssysteme grundsätzlich unterschiedliche Zwecke haben, ergeben sich auch Gemeinsamkeiten:

Zumutbarkeitskriterien

Mit der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sollen die landesgesetzlichen Kriterien der Zumutbarkeit beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft grundsätzlich jenen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes entsprechen. Dies wurde in der geplanten Art. 15a B-VG Vereinbarung des Bundes und der Länder über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung (im Folgenden: Vereinbarung) festgelegt.

In der Vereinbarung werden jedoch vereinzelte Personengruppen vom Einsatz der Arbeitskraft befreit, die beispielsweise einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten (Kindererziehung, Angehörigenpflege etc.) oder wenn Ausnahmegründe aus sonstigen persönlichen oder familiären Umständen vorliegen. Für den überwiegenden Teil der BMS-EmpfängerInnen gelten jedoch in der Frage der Zumutbarkeit die Spielregeln des Arbeitslosenversicherungsgesetzes.

An diesem Beispiel wird deutlich, dass ein einheitlicher Vollzug aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Grundlagen nur bedingt möglich ist. Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann als letztes Netz insbesondere stärker auf das familiäre Umfeld der LeistungsempfängerInnen Bedacht nehmen als die Arbeitslosenversicherung, die die Interessen der Versichertengemeinschaft im Auge behalten muss.

In der Praxis werden erwerbslose LeistungsbezieherInnen, die noch keine KundInnen des Arbeitsmarktservice sind und auch keinen Ausnahmetatbestand wieoben beschrieben vorweisen können, von den Ländern zum Arbeitsmarktservice verwiesen, um sich dort als arbeitsuchend vormerken zu lassen. Die Prüfung der
Arbeitswilligkeit bei AMS-KundInnen, die gleichzeitig auch BMS-EmpfängerInnen sind, erfolgt vorrangig durch das
Arbeitsmarktservice.


Das Arbeitsmarktservice betreut arbeitsuchende BMS-BezieherInnen gleich wie andere Arbeitslose. Die Länder erhalten mit der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung einen Zugriff auf einen (eingeschränkten) Teil der entsprechenden Daten des Arbeitsmarktservice über den Betreuungsverlauf.

Sanktionen bei Arbeitsunwilligkeit

Beide Systeme kennen auch Sanktionsmöglichkeiten, wenn eine zumutbare Arbeit nicht angenommen wird.

In der Arbeitslosenversicherung ist dabei Folgendes maßgeblich:

Ø  Arbeitsunwilligkeit: Für die Dauer der Arbeitsunwilligkeit gebührt kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe (Verlust).

Ø  Bei Weigerung bzw. Vereitelung

• eine vom Arbeitsmarktservice zugewiesene, zumutbare Stelle anzunehmen oder

• einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder

• an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung teilzunehmen oder

• bei nicht ausreichenden Anstrengungen, eine Beschäftigung zu erlangen,

tritt der Verlust des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe für die Dauer von sechs Wochen - bei wiederholter Weigerung acht Wochen - ein.

Ø  Bei selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit: Sperre des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe für vier Wochen.

Ø  Bei Nichteinhaltung einer vorgeschriebenen Kontrollmeldung ohne triftigen Grund: Verlust des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe bis zur Wiedermeldung.

Aufgrund des Umstandes, dass es sich bei den mindestsichernden Leistungen um das letzte Netz der sozialen Sicherheit handelt, sind Unterschiede in den beiden Systemen sozialpolitisch indiziert. Alleine aus Gründen der Delogierungsprävention wäre es verfehlt, die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung im Gleichklang mit den Regelungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) bei Arbeitsverweigerung sofort zu entziehen, dies insbesondere dann, wenn dem Haushalt unterhaltsberechtigte Angehörige angehören. Im Rahmen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung können Leistungen daher stufenweise bis zur Hälfte gekürzt und nur in Ausnahmefällen zur Gänze gestrichen werden. Die Gründe, die zu einer Kürzung bzw. einem Entzug der Leistungen führen können, sind jedoch grundsätzlich dieselben wie im Arbeitslosenversicherungsgesetz.

Zusammenfassend zeigt sich daher, dass die Bedarfsorientierte Mindestsicherung vom Bemühen getragen ist, einheitliche Grundsätze zwischen Arbeitslosenversicherungsgesetz und Mindestsicherung herzustellen, wo dies möglich und sinnvoll ist. Gerade durch die erstmalig mit der Bedarfsorientierten


Mindestsicherung geplante datentechnische Vernetzung der Sozialämter mit dem Arbeitsmarktservice soll diesen Stellen eine rasche und effiziente Prüfung der Arbeitswilligkeit und damit das Vorliegen der Voraussetzungen für den Bezug der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ihrer KlientenInnen ermöglicht werden. An den Vorbereitungen dafür wird derzeit auf beiden Seiten intensiv gearbeitet, damit ein reibungsloser Start zum Zeitpunkt der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gewährleistet ist.

 

Mit freundlichen Grüßen