Stenographisches Protokoll

611. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Dienstag, 26. März 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

611. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Dienstag, 26. März 1996

Dauer der Sitzung

Dienstag, 26. März 1996: 13.02 – 20.31 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Arbeitsmarktpolitikgesetz 1996)

2. Bundesgesetz über die Gründung einer Österreich Institut G.m.b.H. (Österreich Institut-Gesetz)

3. Bundesgesetz über die "Diplomatische Akademie Wien" (DAK-Gesetz 1996)

4. Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Estland andererseits samt Anhängen und Protokollen

5. Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Litauen andererseits samt Anhängen und Protokollen

6. Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Lettland andererseits samt Anhängen und Protokollen

7. Internationales Kakaoübereinkommen 1993 samt Anhängen

8. Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 13. Jänner 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (Chemiewaffenkonvention-Durchführungsgesetz – CWKG)

9. Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (Washingtoner Artenschutzübereinkommen-Durchführungsgesetz; WA-Durchführungsgesetz)

10. Bundesgesetz zur Durchführung eines Informationsverfahrens auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und Normen (Notifikationsgesetz – NotifG)

 


Bundesrat
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611. Sitzung / Seite 2

11. Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970 und das Patentverträge-Einführungsgesetz geändert werden

12. Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz 1992 geändert wird

13. Wahl der Vertreter Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Ersten Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat 7

Angelobung des Bundesrates Mag. Harald Repar 7

Unterbrechungen der Sitzung 10 und 41

Wortmeldungen zur Geschäftsordnung:

Gottfried Jaud 9

Albrecht Konečny 9 und 10

Dr. Paul Tremmel 9

Personalien

Krankmeldungen 7

Entschuldigungen 7

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 8

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 8

Wahlen in Institutionen

Wahl der Vertreter Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates 102

Ausschüsse

Zuweisungen 8

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, DDr. Franz Werner Königshofer, Mag. Dieter Langer, Dr. Peter Harring und Dr. Michael Rockenschaub an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Einführung der Pickerlmaut (1172/J-BR/96)

Begründung: Dr. Peter Kapral 43

Beantwortung: Bundesminister Dr. Johannes Ditz 46

 


Bundesrat
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611. Sitzung / Seite 3

Redner:

DDr. Franz Werner Königshofer 53

Ludwig Bieringer 57

Stefan Prähauser 60

Mag. Dieter Langer 63

Dr. Kurt Kaufmann 66

Johanna Schicker 69

Dr. Peter Harring 70

Bundesminister Dr. Johannes Ditz 73 und 83

Katharina Pfeffer 77

Dr. Reinhard Eugen Bösch 78

Mag. Harald Himmer 79

Josef Rauchenberger 81

Dr. Michael Rockenschaub 82

Engelbert Weilharter 84

Entschließungsantrag der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer, Dr. Peter Harring und Kollegen betreffend Verhinderung der Doppelmaut infolge der Einführung des "Mautpickerls" 57

Ablehnung 85

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung 86

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Michael Rockenschaub, Mag. Dieter Langer und Kollegen betreffend Verhinderung der Maut auf Stadtautobahnen 83

Ablehnung 87

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung 87

Verhandlungen

(1) Beschluß des Nationalrates vom 14. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Arbeitsmarktpolitikgesetz 1996) (124/A und 64/NR sowie 5144 und 5148/BR d. B.)

Berichterstatterin: Johanna Schicker 11

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ursula Haubner 11

Peter Rieser 12

Horst Freiberger 14

Engelbert Weilharter 17

Engelbert Schaufler 18

Bundesminister Franz Hums 22 und 28

Stefan Prähauser 24

Dr. Kurt Kaufmann 25

Dr. Paul Tremmel 27

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 28


Bundesrat
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611. Sitzung / Seite 4

Gemeinsame Beratung über

(2) Beschluß des Nationalrates vom 13. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Gründung einer Österreich Institut G.m.b.H. (Österreich Institut-Gesetz) (23 und 62/NR sowie 5156/BR d. B.)

(3) Beschluß des Nationalrates vom 13. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die "Diplomatische Akademie Wien" (DAK-Gesetz 1996) (24 und 63/NR sowie 5157/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Gerhard Tusek 29

[Antrag, zu (2) und (3) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Paul Tremmel 30

Anna Elisabeth Haselbach 32

Gottfried Jaud 33

Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof 35

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) und (3) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 38

Gemeinsame Beratung über

(4) Beschluß des Nationalrates vom 21. März 1996 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Estland andererseits samt Anhängen und Protokollen (78/NR sowie 5158/BR d. B.)

(5) Beschluß des Nationalrates vom 21. März 1996 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Litauen andererseits samt Anhängen und Protokollen (79/NR sowie 5159/BR d. B.)

(6) Beschluß des Nationalrates vom 21. März 1996 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Lettland andererseits samt Anhängen und Protokollen (80/NR sowie 5160/BR d. B.)

Berichterstatter: Gottfried Jaud 39

[Antrag, zu (4), (5) und (6) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Albrecht Konečny 40

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (4), (5) und (6) keinen Einspruch zu erheben 40

(7) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1996 betreffend ein Internationales Kakaoübereinkommen 1993 samt Anhängen (6 und 66/NR sowie 5145 und 5149/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 88

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 88


Bundesrat
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611. Sitzung / Seite 5

(8) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 13. Jänner 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (Chemiewaffenkonvention-Durchführungsgesetz – CWKG) (36 und 73/NR sowie 5146 und 5151/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 89

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Michaela Rösler 90

Mag. Gerhard Tusek 90

Dr. Reinhard Eugen Bösch 91

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 92

(9) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (Washingtoner Artenschutzübereinkommen-Durchführungsgesetz; WA-Durchführungsgesetz) (37 und 74/NR sowie 5147 und 5152/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 92

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Gertrude Perl 93

Gottfried Waldhäusl 95

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 96

(10) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz zur Durchführung eines Informationsverfahrens auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und Normen (Notifikationsgesetz – NotifG) (38 und 75/NR sowie 5153/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 96

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 97

(11) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970 und das Patentverträge-Einführungsgesetz geändert werden (43 und 76/NR sowie 5154/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 97

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Herbert Platzer 98

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 99


Bundesrat
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611. Sitzung / Seite 6

(12) Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz 1992 geändert wird (142/A und 84/NR sowie 5155/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Hager 99

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Kapral 99

Anton Hüttmayr 100

Ernst Winter 101

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 102

Eingebracht wurden

Berichte

3242-3745-EU über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG

Anfragen

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Mag. Dieter Langer und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Polizei und Sicherheit in Wien (1171/J-BR/96)

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, DDr. Franz Werner Königshofer, Mag. Dieter Langer, Dr. Peter Harring, Dr. Michael Rockenschaub an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Einführung der Pickerlmaut (1172/J-BR/96)

der Bundesräte Peter Rieser und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Bundesförderung über 120 Millionen Schilling für gewerbliche Projekte in der Obersteiermark (1173/J-BR/96)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und Genossen (1071/AB-BR/96 zu 1161/J-BR/96)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Dr. Paul Tremmel und Kollegen (1072/AB-BR/96 zu 1158/J-BR/96)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Kapral und Kollegen (1073/AB-BR/96 zu 1156/J-BR/96)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Kapral und Kollegen (1074/AB-BR/96 zu 1157/J-BR/96)

 

 

 


Bundesrat
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611. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 13.02 Uhr

Präsident Johann Payer: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 611. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 610. Sitzung des Bundesrates vom 19. März 1996 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Erlauben Sie mir am Beginn der heutigen Sitzung eine kurze Replik auf die am Dienstag, dem 19. März 1996, abgehaltene Sitzung des Bundesrates. Es hat in dieser Sitzung eine verbale Kontroverse zwischen Herrn Bundesrat Dr. Kapral und Herrn Bundesrat Konečny über das Stenographische Protokoll gegeben.

Von meiner Seite hat es während dieser Debatte zwei kurze Wortmeldungen gegeben. Zur endgültigen Klarstellung möchte ich aus der Geschäftsordnung des Bundesrates § 65 Abs. 2 und 3 zitieren:

"Absatz 2: Jeder Redner erhält vor der Drucklegung seiner Ausführungen für einen angemessenen Zeitraum, insbesondere nach Maßgabe der gegebenen Dringlichkeit, eine Niederschrift der stenographischen Aufzeichnungen zwecks Vornahme stilistischer Korrekturen. Werden keine Einwendungen erhoben oder erfolgt die Rückgabe nicht innerhalb der gesetzten Frist, wird die Niederschrift in Druck gelegt.

Absatz 3: Eine stilistische Korrektur darf den Sinn der Rede nicht ändern. Im Zweifelsfall entscheidet der Präsident über die Zulässigkeit einer Korrektur."

Dazu gebe ich folgende Erklärung ab, die bei der letzten Sitzung vielleicht im Wortgefecht hier untergegangen ist: Herr Bundesrat Dr. Kapral hat in meiner Amtszeit keine Korrektur verlangt, und daher gilt das Stenographische Protokoll in der von den Stenographen vorgeschlagenen Fassung. Gleichzeitig erlaube ich mir, dem Stenographischen Dienst für seine sehr korrekte Arbeit zu danken! (Allgemeiner Beifall.)

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrats Ing. Walter Grasberger, Ing. Georg Leberbauer, Grete Pirchegger, Johann Kraml und Hedda Kainz.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Karl Drochter, Dr. Milan Linzer, Hermann Pramendorfer, Jürgen Weiss, Dr. Susanne Riess-Passer, Irene Crepaz, Erich Farthofer und Ferdinand Gstöttner.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Johann Payer: Eingelangt ist ein Schreiben des Ersten Präsidenten des Kärntner Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat.

Ich ersuche die Frau Schriftführerin um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Helga Markowitsch: "Sehr geehrter Herr Präsident!

Das ordentliche Mitglied des Bundesrates Ing. Georg Kerschbaumer hat mit Schreiben vom 20. 3. 1996 mitgeteilt, daß er krankheitsbedingt mit Wirkung vom 24. 3. 1996 auf die Ausübung seines Mandates als Bundesrat verzichtet.

In der Anlage wird das diesbezügliche Schreiben übermittelt.

Mit vorzüglicher Hochachtung, Adam Unterrieder, Erster Präsident des Kärntner Landtages"

Präsident Johann Payer: Herr Bundesrat Mag. Harald Repar ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.


Bundesrat
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611. Sitzung / Seite 8

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Frau Schriftführerin wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche die Frau Schriftführerin um Verlesung der Gelöbnisformel.

Schriftführerin Helga Markowitsch: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ): Ich gelobe.

Präsident Johann Payer: Ich begrüße Herrn Bundesrat Mag. Harald Repar recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Johann Payer: Eingelangt sind vier Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt ist ein Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretung.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Helga Markowitsch: "Der Herr Bundespräsident hat am 15. März 1996, Zl. 800.420/28/96, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Inneres Dr. Caspar Einem am 19. März 1996 sowie am 25. und 26. März 1996 die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Präsident Johann Payer: Dieses Schreiben dient zur Kenntnis.

Eingelangt sind ferner Berichte (3241 bis 3745-EU) über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e Bundes-Verfassungsgesetz. Diese Berichte habe ich dem EU-Ausschuß zugewiesen.

In Anbetracht des Umfanges habe ich gemäß § 18 Abs. 2 Geschäftsordnung des Bundesrates nach Rücksprache mit den Vizepräsidenten angeordnet, daß eine Vervielfältigung und Verteilung zu unterbleiben hat, alle Vorlagen jedoch in der Parlamentsdirektion zur Einsichtnahme aufliegen.

Eingelangt sind jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen mit Ausnahme über die Änderung des Berggesetzes abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Johann Payer: Im Hinblick darauf sowie mit Rücksicht auf einen mir zugekommenen Vorschlag, von der 24stündigen Aufliegefrist Abstand zu nehmen, habe ich alle diese Vorlagen


Bundesrat
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611. Sitzung / Seite 9

sowie die Wahl der Vertreter Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit der Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschußberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – (Bundesrat Jaud: Herr Präsident! Zur Geschäftsbehandlung!)

Ich erteile Herrn Bundesrat Jaud zur Geschäftsordnung das Wort.

13.10

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol) (zur Geschäftsordnung): Herr Präsident! Ich habe für die heutige Sitzung noch keine Tagesordnung vorliegen, lediglich ein Aviso dieser heutigen Sitzung. Außerdem habe ich die Ausschußberichte auch noch nicht vorliegen.

Ich stelle deshalb den Antrag, dagegenzustimmen, daß von der 24stündigen Aufliegefrist Abstand genommen wird.

13.11

Präsident Johann Payer: In der Geschäftsordnung ist ein Antrag, wie Sie ihn, Herr Bundesrat Jaud, soeben gestellt haben, nicht vorgesehen. Denn das ist eine politische Aufforderung, die Sie hier in die Geschäftsordnung mit hineinbringen.

Weiters zur Geschäftsordnung hat sich Herr Bundesrat Konečny gemeldet.

13.11

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsordnung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie mitgeteilt wurde, hat der Ausschuß die Berggesetz-Novelle nicht behandelt. Sie steht daher nicht auf der Tagesordnung.

Ich möchte mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, daß es dazu gekommen ist, weil es bei dieser wichtigen und im Kern auch sehr einfachen Novelle letztlich darum gegangen wäre, den Gemeinden Parteienstellung bei der Einrichtung von Schotter- und Kiesgruben zu geben. Ich hielte diesen Beschluß für einen wichtigen Fortschritt im Sinne einer bevölkerungsnahen Umweltpolitik.

Ich verstehe den Beschluß des Ausschusses, die Beratungen abzusetzen, obwohl meine Fraktion dagegengestimmt hat, weil es keine Gespächspartner in Form von Vertretern des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten gegeben hat. Ich stelle mir die Frage, ob das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten tatsächlich nur darauf vergessen hat, diesen wichtigen Termin wahrzunehmen, oder ob hier lang andauernde Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der Wirtschaft, die diese Novelle wahrlich nicht wollten, und den Vertretern der Gemeinden auf einer besonderen Ebene ihre Fortsetzung gefunden haben.

13.12

Präsident Johann Payer: Zur Geschäftsordnung hat sich weiters Herr Bundesrat Dr. Tremmel zu Wort gemeldet.

13.12

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark) (zur Geschäftsordnung): Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Sehr geehrter Herr Präsident! Im Sinne der Effizienz der Sitzung des Bundesrates schließe ich mich den Ausführungen des Kollegen Jaud hier an. Es ist unmöglich, die Beratungen exakt und präzise zu führen, wenn die entsprechenden Berichte nicht vorliegen. Das ist eine Notwendigkeit. – Punkt


Bundesrat
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611. Sitzung / Seite 10

 1.

Punkt 2: Ebenso ist es eine Notwendigkeit, daß die entsprechende Aufliegefrist eingehalten wird, um ein entsprechendes Aktenstudium vornehmen zu können.

13.13

Präsident Johann Payer: Zur Geschäftsordnung erteile ich weiters Herrn Bundesrat Konečny das Wort.

 

13.13

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsordnung): Herr Präsident! Ich ersuche die Sitzung zur Ermöglichung von Fraktionsberatungen zu unterbrechen.

13.13

Präsident Johann Payer: Ich unterbreche die Sitzung bis 13.30 Uhr.

(Die Sitzung wird um 13.14 Uhr unterbrochen und um 13.32 Uhr wiederaufgenommen .)

Präsident Johann Payer: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf .

Abstimmung über die Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Johann Payer: Ich gehe jetzt in das Abstimmungsverfahren ein.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit der Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschußberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit . (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen .

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Johann Payer: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 2 und 3 sowie 4 bis 6 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Johann Payer: Es liegt mir weiters ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Kapral und Genossen an den Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz betreffend Einführung der Pickerlmaut vor.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 verlege ich die Behandlung an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Arbeitsmarktpolitikgesetz 1996) (124/A und 64/NR sowie 5144 und 5148/BR der Beilagen)

Präsident Johann Payer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (Arbeitsmarktpolitikgesetz 1996).


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611. Sitzung / Seite 11

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Johanna Schicker übernommen. Ich bitte um den Bericht, Frau Bundesrätin.

Berichterstatterin Johanna Schicker: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der gegenständliche Gesetzesbeschluß des Nationalrates, der als Initiativantrag von den Abgeordneten Reitsamer, Dr. Feurstein und Genossen am 29. Februar 1996 im Nationalrat eingebracht wurde, hat unter anderem Änderungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, des Sonderunterstützungsgesetzes, des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes zum Inhalt.

Mit dem Arbeitsmarktpolitikgesetz 1996 sollen zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes im Bereich der Arbeitsmarktpolitik Einsparungen sowie Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung Älterer getroffen werden.

Dazu sind im gegenständlichen Gesetzesbeschluß des Nationalrates folgende Maßnahmen vorgesehen:

Ersatz der bisherigen Form der allgemeinen Sonderunterstützung bei gleichzeitiger Existenzsicherung; Freigrenzenerhöhung für die Notstandshilfe im Dauerrecht, Beibehaltung der Möglichkeit des Übergangs in die vorzeitige Alterspension in den bisherigen Fällen.

Einschränkung der Bergbau-Sonderunterstützung.

Arbeitgeber, die ältere Arbeitnehmer einstellen, sollen in der Arbeitslosenversicherung beitragsrechtlich bessergestellt werden, hingegen sollen Arbeitgeber, die ältere Arbeitnehmer kündigen (mit Ausnahme der Fälle einer Betriebsschließung), einen Zusatzbeitrag in der Arbeitslosenversicherung entrichten; ein budgetentlastender Effekt ergibt sich entweder durch die Anhebung des Pensionsanfallsalters oder durch die Beitragsleistung.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Johann Payer: Ich danke der Frau Berichterstatterin für ihre Ausführungen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ursula Haubner. Ich erteile dieses.

13.38

Bundesrätin Ursula Haubner (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Herr Bundesminister! Mit den Änderungen, das Arbeitsmarktpolitikgesetz 1996 betreffend, kommt es neben der Aufhebung der allgemeinen Sonderunterstützung für Frauen ab dem 54. Lebensjahr und für Männer ab dem 59. Lebensjahr unter anderem auch zur Einführung eines Bonus-Malus-Systems für ältere Arbeitnehmer.

Ziel dieser Maßnahme soll es sein, die überproportionale Arbeitslosigkeit älterer Menschen zu verhindern. Arbeitgebern, die ältere Arbeitnehmer einstellen, wird der Dienstgeberanteil am Arbeitslosenversicherungsbeitrag von 3 Prozent auf 1,5 Prozent der Bemessungsgrundlage halbiert. Umgekehrt wird bei Kündigung eines älteren Arbeitnehmers ein Malus als Einmalzahlung fällig, und zwar ab dem 50. Lebensjahr 0,1 Prozent des Bruttolohnes bis maximal 3 Prozent. Das gilt sowohl für Frauen als auch für Männer.

Wir Freiheitliche lehnen dieses Modell aus mehreren Gründen ab. Erstens ist der Bonus unserer Meinung nach zu gering, um die Einstellung eines neuen Mitarbeiters in dieser Altersgruppe spürbar attraktiv zu machen. Wir glauben, daß der Malus ebenfalls zu gering ist, um eine Kündigung finanziell unattraktiv zu machen. Ein weiteres Risiko sehen wir darin, daß Arbeitnehmer zum Beispiel mit 49 Jahren gekündigt werden, und zwar ohne Malus, und nach dem 50. Lebensjahr mit einem wesentlich schlechteren Vertrag wieder angestellt werden können.

 


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611. Sitzung / Seite 12

Grundsätzlich befürworten wir auch nicht, daß Unternehmen, die wirtschaftlichen Überlegungen folgen müssen, durch Strafen zu einem bestimmten Verhalten gezwungen werden. Sie sollten eher wirtschaftliche Anreize bekommen, wie etwa den gänzlichen Entfall des Arbeitgeberbeitrages zur Arbeitslosenversicherung, und dadurch motiviert werden.

Ähnliche Erfahrung hat man ja schon vor Jahren mit dem Behinderteneinstellungsgesetz gemacht, bei dem man auch einen Malus vorgesehen hat. Das heißt, wenn man Behinderte nicht eingestellt hat, hatte man einen Malus, eine Strafe von 2 000 S zu bezahlen. Und das war, wie die Erfahrung gezeigt hat, eher kontraproduktiv. Man hat damit den Behinderten auf keinen Fall einen guten Dienst erwiesen.

Meine Damen und Herren! Dieses Bonus-Malus-System benachteiligt aber auch in erster Linie die Frauen, deren Rechte von der SPÖ vor den Wahlen nicht mißachtet werden wollten und die neben der Jugend zu den großen Verlierern dieser Belastungspolitik gehören, Frauen, die nach wie vor Benachteiligungen am Arbeitsplatz und am Arbeitsmarkt in Kauf nehmen müssen, sei es einerseits durch ungleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit – Frauen haben in vielen Berufssparten ein wesentlich geringeres Einkommen – oder sei es andererseits dadurch, daß die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wie sie ja mehrheitlich von den Frauen gewünscht wird, an familienfeindlichen Arbeitszeiten, fehlenden Betreuungseinrichtungen oder an Wiedereinstiegsschwierigkeiten scheitert.

Es zeigt sich auch, daß die Gefahr bei Frauen, arbeitslos zu werden, wesentlich früher beginnt als bei Männern. Man kann generell sagen, ab 40 Jahren. Daher wird in der Praxis die wesentlich billigere Kündigung einer Frau als eines gleichaltrigen Mannes zu Lasten der ohnehin auf dem Arbeitsmarkt befindlichen, mit zunehmendem Alter stark gefährdeten Frauen gehen.

Wie weit weg die rot-schwarzen Frauenvertreterinnen sind, zeigt sich darin, daß sich hier die Frauenministerin in keiner Weise geäußert und auf diese Probleme hingewiesen hat. Es zeigt sich aber auch, daß die ÖVP nichts von all dem hält, was sie den Frauen versprochen hat. Wenn man die Presseaussendung, die einen Teil der Budgetrede von der ÖVP-Frauenchefin Bauer wiedergibt, liest, im Rahmen derer sie appelliert, daß die Armutsgefährdung von den Frauen abzuwenden ist, dann, muß ich sagen, ist das mehr als unglaubwürdig, denn gerade diese Regierung macht die Familien und die Frauen mehr denn je zu Almosenempfänger und fördert geradezu die weibliche Armut.

Ich führe dazu nur ein paar Beispiele an: Jeder vierte Alleinerzieherhaushalt lebt heute bereits unter der Armutsgrenze, und Alleinerzieherinnen bekommen die Härte des verkürzten Karenzjahres voll zu spüren. Man streicht den Frauen die Geburtenbeihilfe, es gibt nach wie vor keine pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten, nur pensionserweiternde Erziehungszeiten. Es gibt nach wie vor keine pensionsrechtliche Absicherung für Familienarbeit. Ich frage mich auch, wo der groß angekündigte Versorgungsausgleich der Koalition ist, der im Koalitionsabkommen 1994 noch festgeschrieben wurde, bei dem es darum gegangen ist, Richtlinien zu erstellen, damit Frauen, die ausschließlich Familienarbeit leisteten, nach Trennung und Scheidung nicht zu Almosenempfängern werden.

Größere Berufschancen von Frauen sind nicht nur ein wirksamer Beitrag gegen Familienarmut, sondern sind auch die Voraussetzung für eine eigenständige und soziale Absicherung im Alter.

Wir Freiheitlichen werden daher diesem, wie der Minister schon gesagt hat, zweitbesten Modell, diesem Bonus-Malus-System, nicht unsere Zustimmung geben. Wir werden dieses Gesetz beeinspruchen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.44

Präsident Johann Payer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Rieser. Ich erteile dieses.

13.44

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Novellierung der in dieser Tagesordnung unter Punkt 1 angeführten Ge

 


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setze ist notwendig, um das Budget zu konsolidieren. In den siebziger und achtziger Jahren, in der Zeit der Hochkonjunktur, haben wir alle gemeinsam sehr gut gelebt. Vieles wurde gerade im sozialen Bereich neu erfunden. Heute bezahlen der Bund, die Länder und die Gemeinden dafür die Rechnung. Für keinen Politiker ist es angenehm, egal, von welcher Fraktion er kommt, den Menschen zu sagen, daß es so nicht weitergeht. Trotzdem gibt es immer wieder welche, die glauben, unbedingt die Menschen verunsichern zu müssen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen wo wir gegenwärtig eine Arbeitslosenrate von über 11 Prozent haben; aus einer Region, wo es die meisten Frühpensionisten gibt. Niemand fragt, ob diese Menschen glücklich sind. Viele dieser Menschen sind nicht freiwillig in die Frühpension gegangen, sondern man hat ihnen empfohlen, in die Frühpension zu gehen.

Unser Bundesland Steiermark hat eine Arbeitslosenrate von 11,7 Prozent. Vorreiter dieser Entwicklung ist natürlich das Desaster in der verstaatlichten Industrie. Eigentümer ist die Republik Österreich und niemand anderer. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Eigentümer hat auch die Verantwortung zu tragen. Gerade im Bereich der verstaatlichten Industrie sind Menschen im Rahmen der "Aktion 50" in die Langzeitarbeitslose und dann in die Frühpension geschickt worden. Das Bonus-Malus-System schafft nach meiner Ansicht nun für ältere Arbeitnehmer eine Chance, weiterhin im Betrieb beschäftigt zu werden. Das Auslaufen der Sonderunterstützung, die eigentlich die betroffenen Menschen nicht glücklich gemacht hat, ist einsichtig, genauso wie die Beschränkung der Sonderunterstützung auf "echte" – ich lege besonderen Wert auf die Betonung "echte" – Bergbetriebe. Unser Arbeitsleben wird anders werden. Ob es besser oder schlechter wird, liegt, meine sehr verehrten Damen und Herren, an uns im Hohen Haus.

In den sechziger Jahren hatten in Österreich 3 Prozent der Erwerbstätigen eine Teilzeitbeschäftigung. Heute sind es wesentlich mehr. Heute in der Früh haben wir im Radio gehört, 20 Prozent der Frauen und 3 Prozent der Männer sind teilzeitbeschäftigt. Und in Deutschland – das ist auch sehr interessant – sind es 30 Prozent, die teilzeitbeschäftigt sind.

Dieser Trend, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht neu. Allerdings hat der Gesetzgeber diese Entwicklung nicht rechtzeitig erkannt.

Die finanziellen Mittel sind erschöpft, mit denen man diese Entwicklungen sozialverträglich begleiten hätte können. Viele! Wir können es uns nicht leisten, auf Kosten unserer Kinder und Enkel über die Verhältnisse zu leben und nichts zu tun. Der Bürger muß aber dennoch eine gewisse Sicherheit in seiner Lebensplanung haben. Ständige Veränderungen unterlaufen das Vertrauen in öffentliche Einrichtungen. Das vorliegende Gesetz vermeidet es daher – das möchte ich schon erwähnen –, in bestehende Rechtsverhältnisse einzugreifen. Mit dieser Änderung sorgen wir aber auch dafür, daß das soziale System in Österreich langfristig finanzierbar bleibt. (Bundesrat Eisl: So schaut es aus!)

Ein menschenwürdiges Leben ist nach christlichen und sozialen Maßstäben in einer arbeitsteiligen, leistungsorientierten Industriegesellschaft ohne ein ausreichendes soziales Sicherheitssystem nicht denkbar. Soziale Sicherheit ist das Fundament für Menschlichkeit und ein hohes Maß an Freiheit und Stabilität in der Gesellschaft. Sozialpolitik muß den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel nach den Prinzipien der Gerechtigkeit und Humanität gestalten. Sehr geehrter Herr Bundesminister! Die sozialen Verhältnisse in einem Staat sind das Spiegelbild und der Gradmesser für die Menschlichkeit einer Gesellschaft.

Ich komme aus einer Region, Beschäftigte wären heute noch gerne bereit, Teilzeitbeschäftigungen anzunehmen, jedoch aufgrund der Einkommenssituation und des Lebensstandards ist dies nicht möglich. Die menschliche Phantasie hat Produkte hervorgebracht, die mehr leisten als viele Menschen. Da dieser Prozeß aber keine Grenzen findet, entgleitet den Menschen ein immer größerer Teil der Wertschöpfung. Sie werden nicht mehr gebraucht, auch wenn sie ihre Arbeitskraft zu geringerem Lohn zur Verfügung stellen. Die Rückkehrmöglichkeit von einer etwaigen Teilzeitbeschäftigung in den Vollerwerb muß jedoch gewährleistet sein.

Der öffentliche Dienst – und hier meine ich konkret den Bund, die Republik Österreich als Arbeitgeber – soll dem Beispiel der Länder folgen. In der Steiermark haben wir in der allgemeinen


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Verwaltung zusätzlich zu 8 530 Vollbeschäftigten 1 283 Teilzeitbeschäftigte. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr bemerkenswert ist, daß davon 71 Männer und 1 212 Frauen sind.

So wie vor einigen tausend Jahren selbst der tüchtigste und zugleich bescheidenste Jäger und Sammler nicht mit einem seßhaft gewordenen Ackerbauer und Viehzüchter erfolgreich konkurrieren konnte, so konkurriert heute menschliche Arbeitskraft vergeblich mit den Produkten menschlichen Wissens.

Neue Arbeitsplätze, meine sehr verehrten Damen und Herren, können nicht nur im Dienstleistungsbereich oder im Freizeit- und Tourismusbereich entstehen, sondern müssen auch im Produktionsbereich entstehen. Wenn wir zulassen, daß Österreich kein Industrieland mehr ist, weil die Kosten zu hoch sind, weil wir zu unflexibel sind, dann werden wir alle unser Ziel nicht erreichen.

Wie teuer der Faktor Arbeit derzeit ist, geht aus einer Berechnung eines deutschen Automobilkonzerns hervor. Sie kalkulierten bis zur Jahrtausendwende, also in nicht einmal fünf Jahren, mit einem Verlust von 100 000 Arbeitsplätzen. Sollten den Unternehmern keine Kostenentlastungen gelingen, um Industriearbeitsplätze erhalten beziehungsweise schaffen zu können, so müssen wir einige Voraussetzungen ändern: Wir brauchen mehr Flexibilität, was die Arbeitszeit und die damit verbundene Ausnützung der teuren Maschinen betrifft, mehr Flexibilität, was das Entscheidungsfenster betrifft, vor allem beim Arbeitnehmer, und mehr Flexibilität, was das Genehmigungsverfahren betrifft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein konkretes Beispiel: Neun Jahre lang hat ein Verfahren für ein geplantes Projekt in der Steiermark gedauert, welches dann in zwölf Monaten errichtet wurde. – Ein neun Jahre langes Verfahren und in einem Jahr konnte man dieses Projekt bauen. Natürlich brauchen wir auch Rechtssicherheit auf mehrere Jahre hin gesehen. Die besten Regionalmanager, die wir suchen und derzeit nicht finden, werden nichts bringen, wenn wir im Hohen Haus nicht bereit sind, Voraussetzungen für den Abbau der Bürokratie und den Abbau von finanziellen Belastungen zu schaffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kenne einen Betrieb, der gerade dabei ist, eine Art Jahresarbeitszeit – nach Betriebsvereinbarung – einzuführen, wonach die Beschäftigten in dieser Firma dann zu arbeiten haben, wenn es notwendig ist. Wir müssen daher lernen, Entgelt von Fall zu Fall auch in Form von mehr Freizeit zu akzeptieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mir auch bewußt, daß die gegenwärtige Entwicklung, daß so manche Denk- und Verhaltensanstöße unpopulär sind, jedoch werden manche erkennen, daß auch diese Veränderungen Chancen mit sich bringen. Die junge Generation beginnt, sich darauf einzustellen. Ihr Leben ist nicht mehr ausschließlich auf Erwerbsarbeit ausgerichtet, sondern sie suchen auch noch nach anderen Lebensqualitäten.

Laut Bericht der Arbeiterkammer vom Februar 1996 werden durch dieses Konsolidierungsprogramm 20,5 Milliarden Schilling umgeschichtet und über 31 000 Arbeitsplätze geschaffen. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Abschließend möchte ich erwähnen, daß wir als Mitglieder dieses Hohen Hauses verpflichtet sind, den Schwachen, den Behinderten, den Pflegebedürftigen, den Kranken, den sozial Benachteiligten sowie auch den Kriegsinvaliden und allen Kriegsopfern zu helfen. Das Leitbild unserer Sozialpolitik orientiert sich aber auch an der Selbstverantwortlichkeit der Bürger. Im Mittelpunkt steht der Mensch mit seinen Rechten und mit seinen Pflichten. Der Sozialstaat ist nicht als Vormund, sondern als Diener des Menschen anzusehen. Deshalb und in diesem Sinne werden wir diesem Gesetz zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.57

Präsident Johann Payer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Horst Freiberger. Ich erteile dieses.

13.57

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine

Damen und Herren! Das nun zur Debatte stehende Arbeitsmarktpolitikgesetz 1996 resultiert aus


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einem Initiativantrag vom 29. Februar im Nationalrat, der Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und Einsparungen für den Bundeshaushalt im Bereich der Arbeitsmarktpolitik zum Inhalt hat.

Die Maßnahmen, die dafür vorgesehen sind, umfassen im wesentlichen erstens das Auslaufen der allgemeinen Sonderunterstützung, zweitens die Freigrenzenerhöhung bei der Notstandshilfe, drittens die Einschränkung der Sonderunterstützung beim Bergbau und viertens ein Bonus-Malus-System bei Einstellung oder Kündigung von älteren Dienstnehmern.

Meine Damen und Herren! Im Kapitel "Soziale Sicherheit" des Koalitionsübereinkommens ist im vierten Absatz zu lesen: "Das Leistungsrecht in der Arbeitslosenversicherung soll mit den Zielen Leistungsgerechtigkeit, Stärkung des Versicherungsprinzips und Ersetzung mißbrauchsträchtiger Bestimmungen durch alternative Schutzmaßnahmen reformiert werden. Dabei ist der Integration Arbeitsloser in den Arbeitsmarkt Vorrang gegenüber passiver Versorgungsleistung zu geben."

Mit den vorliegenden Gesetzesänderungen wird dieser Intention aus dem Koalitionsübereinkommen entsprochen und ein Schritt in die richtige Richtung gesetzt. Angesichts der hohen Zahl von älteren Arbeitslosen sind diese Sofortmaßnahmen unbedingt erforderlich.

Meine Damen und Herren! Nun möchte ich die einzelnen Änderungen ansprechen. Zum ersten, zum Auslaufen der allgemeinen Sonderunterstützung, die es Unternehmen bisher erlaubte, Männer mit 59 und Frauen mit 54 Jahren relativ einfach und kostengünstig abzubauen. Der Wegfall dieses sogenannten Vorruhestandes wird durch Beschäftigungsschutzmaßnahmen für ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und durch das Bonus-Malus-System, auf das ich noch näher eingehen werde, ersetzt. Damit sollen die oft automatischen Kündigungsaktionen für 59jährige Männer und 54jährigen Frauen unterbunden werden.

Bei bereits erfolgten Kündigungen wird zur Vermeidung von Härten in den Übergangsbestimmungen geregelt, daß die bisherigen Bestimmungen weiter gelten. Personen, die im Arbeitslosengeldbezug oder im Notstandshilfebezug stehen und während eines Bezuges das 54. Lebensjahr bei Frauen beziehungsweise das 59. Lebensjahr bei Männern vollenden, müssen die Sonderunterstützung bis spätestens 31. Dezember 1998 in Anspruch nehmen.

Nicht erfreulich für die Betroffenen, aber in Zeiten des Sparens notwendig, ist die Tatsache, daß Sonderunterstützungen ab dem 1. April 1996 mit einem Pensionversicherungsbeitrag von 10,25 Prozent belastet werden.

Zum zweiten Punkt, zur Freigrenzenerhöhung für Ältere bei der Notstandshilfe, möchte ich sagen, daß dadurch eine Absicherung jener Älteren erreicht wird, die trotz des Bonus-Malus-Systems arbeitslos werden. Es wird die jetzt bis 31. Dezember 1997 befristete Regelung in ein Dauerrecht übergeführt, wonach sich der Freibetrag für die Anrechnung des Partnereinkommens auf die Notstandshilfe auf das Doppelte, nämlich 11 243 S, wenn Arbeitslose das 50. Lebensjahr erreicht haben, erhöht und auf das Dreifache, nämlich 16 864 S, ab dem 55. Lebensjahr.

Gleichzeitig werden für Frauen, die mit 54 Jahren einen Anspruch auf eine Sonderunterstützung gehabt hätten, die Freigrenzen bereits ab diesem Alter auf das Dreifache erhöht.

Der dritte Punkt betrifft die Änderung der Sonderunterstützung im Bergbau. Hier sei nur erwähnt, daß diese Form der Sonderunterstützung nunmehr wieder stärker auf ihren ursprünglichen Zweck zurückgeführt wird. Um dies zu erreichen, ist die Anspruchsberechtigung mit einer schweren Knappentätigkeit verknüpft.

Für die Bergmänner besteht also nach wie vor die Möglichkeit, mit dem 52. Lebensjahr bis zum Anfall einer Pension in die Sonderunterstützung zu gehen. Auch hier werden für bereits im Rahmen eines Sozialplans gekündigte Arbeitnehmer Übergangsbestimmungen Härten abfangen.

 


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Meine Damen und Herren, nun zum vierten Punkt, dem Bonus-Malus-System. – Ziel dieser Regelung ist es, bei der Einstellung älterer Dienstnehmer für die Betriebe eine Verbilligung durch Senkung der Lohnnebenkosten zu erreichen – und im Umkehrschluß eine Verteuerung für die Betriebe, wenn sie ältere Arbeitnehmer kündigen.

Der Bonus wird bei einer Einstellung von 50- bis 55jährigen Arbeitnehmern gewährt. Stellt ein Betrieb einen über 55jährigen ein, entfällt der Dienstgeberanteil zur Arbeitslosenversicherung zur Gänze.

Einen Malus erhalten jene Betriebe, die über 50jährige Mitarbeiter, die länger als zehn Jahre im Unternehmen beschäftigt waren, kündigen. Mit diesen Maßnahmen sollen die stark ansteigenden Arbeitslosenzahlen bei den älteren Arbeitnehmern eingedämmt werden. Wir glauben, daß hier geeignete Instrumentarien geschaffen werden, um Arbeitslosigkeit wirkungsvoll zu bekämpfen und nicht, wie es einige Österreicher gerne sehen würden, die Arbeitslosen.

Mir ist sehr wohl bewußt, daß durch den notwendigen Schutz einer Personengruppe auf dem Arbeitsmarkt das Arbeitsvolumen insgesamt nicht größer wird. Deshalb muß versucht werden, durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik und durch Beschäftigungsinitiativen mehr Arbeit zu schaffen.

Wir müssen Modelle entwickeln, um durch eine sogenannte nichtmarktfähige Arbeit, wie zum Beispiel im Bereich des Umweltschutzes, im Sozialbereich oder in der Kultur, und durch neue Organisationsformen, an denen sich beispielsweise auch die Gemeinden und Länder beteiligen sollen, zusätzlich Arbeitsplätze schaffen zu können. Wir werden uns jedoch darüber hinaus im internationalen Gleichklang bemühen müssen, die vorhandene Arbeit gerechter aufzuteilen, denn eine hohe Arbeitslosigkeit stellt für eine Volkswirtschaft die teuerste Form der Arbeitszeitverkürzung dar.

Meine Damen und Herren! Nun möchte ich noch auf einen Punkt eingehen, der von der FPÖ bei der Debatte im Nationalrat angesprochen wurde. Es wurde von Mag. Haupt festgestellt, daß zwar die Grundintention dieses Sozialgesetzes richtig wäre, jedoch die Maßnahmen in der Praxis nicht funktionieren würden. Die Vertreter der FPÖ glauben immer, alles besser zu wissen, um sinnvolle notwendige Maßnahmen madig zu machen. (Bundesrat Eisl: Das beweist sich ja laufend! Die Beweise werden immer geliefert!) Ich erinnere an den 17. Dezember; es wird bei euch schon noch ein entsprechendes Bewußtsein eintreten. (Bundesrat Eisl: Dieser kleine Lapsus vom 17. Dezember sei Ihnen verziehen! – Bundesrat Dr. Tremmel: Was wollen Sie vom 17. Dezember sagen?) – Ich werde noch darauf zu sprechen kommen. (Bundesrat DDr. Königshofer: Vorher so geredet – nachher so beschlossen! – Bundesrat Dr. Tremmel: Vorher keine Steuererhöhung, nachher eine Steuererhöhung!) Solche Aufregung führt oft zu einer ärztlichen Behandlung, also ich würde ein bisserl vorsichtiger sein.

Höhepunkt dieser Geschichte war der "besonders kreative" Vorschlag der FPÖ, daß Betriebe, die ältere Arbeitnehmer einstellen, die betroffenen Mitarbeiter unter dem Kollektivvertrag entlohnen dürfen und daß die Differenz von der öffentlichen Hand ausgeglichen wird. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist Ihre Interpretation, das stimmt ja überhaupt nicht!) Das hat Abgeordneter Haupt in seiner Wortmeldung gesagt. Dieser Vorschlag ist aus der Sicht der Arbeitnehmer zu absurd, um überhaupt darüber zu diskutieren, denn dies würde zu einem Lohndumping führen, was von uns striktest abgelehnt wird.

Darüber hinaus scheint der FPÖ überhaupt entgangen zu sein, daß es schon jetzt von seiten des Arbeitsmarktservice eine betriebliche Eingliederungsbeihilfe gibt, wonach Betriebe bei Beschäftigung älterer arbeitsloser Personen unter gewissen Voraussetzungen einen Zuschuß von 30, 40 oder 50 Prozent der Lohn- und Lohnnebenkosten für ein Jahr hindurch erhalten. Das Arbeitsmarktservice fördert diese Betriebe aber nur dann, wenn sie gewisse arbeitsrechtliche Bestimmungen einhalten. Es gibt leider Gottes zu viele schwarze Schafe, was diesen Bereich betrifft. (Bundesrat Dr. Prasch: Wie hoch ist die Zahl der arbeitslosen älteren Arbeitnehmer? Das System ist doch ungeeignet!)

 


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Wir glauben daher, meine Damen und Herren, daß wir mit den heute zu beschließenden Maßnahmen einen positiven Beitrag für eine benachteiligte Gruppe am Arbeitsmarkt leisten. Damit jedoch kein Verdrängungswettbewerb Platz greifen kann, müssen noch weitere Maßnahmen, die im Koalitionsübereinkommen formuliert sind, umgesetzt werden, mit dem obersten Ziel, die Arbeitslosigkeit in unserem Lande zu senken und ausreichend für Beschäftigung zu sorgen.

Die SPÖ wird dieser Vorlage daher gerne ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.07

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile dieses.

14.07

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Rieser hat seine Rede damit eingeleitet, daß er gemeint hat – sinngemäß –, daß diese vorliegenden Novellen eine notwendige Maßnahme zur Konsolidierung des Budgets sind. Ich gebe ihm in einem Punkt recht: Die Konsolidierung des Budgets kann aufgrund dieser Novellen nur dadurch erfolgen, daß die angedrohten Strafsanktionen schärfstens und in vollem Umfang durch- und umgesetzt werden. Das, meine Damen und Herren, wird die einzige Mehreinnahme und der einzige Punkt der Konsolidierung für das Budget im Zusammenhang mit diesen Novellen sein.

Meine Damen und Herren! Meine Kollegin Haubner hat bereits darauf hingewiesen, daß es aufgrund dieser vorliegenden Novellen es wiederum zu einer Differenzierung und zu einer "Mehrklassengesellschaft" kommen wird. Sie hat treffend dokumentiert, daß aufgrund dieser Novellen in erster Linie wieder die Frauen benachteiligt sein werden.

Viel problematischer, meine Damen und Herren, ist es meiner Meinung nach, daß man mit diesen Novellen keine Probleme löst, sondern daß die Probleme nur überlagert beziehungsweise auf eine andere Altersgruppe umgeschichtet werden.

Das heißt also, wenn es das Bonus-Malus-System für 50- bis 55jährige gibt, dann wird sich die Wirtschaft bei ihrer Flexibilität natürlich Arbeitnehmer bis zum 49. Lebensjahr aussuchen, und die Gruppe der 50- bis 55jährigen ist wiederum eine zweite Kaste.

Damit, meine Damen und Herren, wird aber die Arbeitslosenzahl nicht reduziert. Es wird kein einziger Arbeitsplatz mehr geschaffen, sondern es werden lediglich jüngere Arbeitnehmer arbeitslos werden.

Herr Minister! Ich sehe in dieser Vorlage keine realisierbaren Lösungen, die dem Problem auf den Grund gehen. Es ist dies vielmehr ein unglücklicher Versuch der Koalitionsregierung, sich wiederum über ein Problem hinwegzuturnen. Durch diese Maßnahmen werden in der Bevölkerung, bei der betroffenen Schicht, nur falsche Hoffnungen geweckt. Falsche Hoffnungen deshalb, weil – wie ich schon gesagt habe – eben nicht die 50- bis 55jährigen davon betroffen sein werden, sondern es werden dann die Dienstverhältnisse jener Menschen mit 49 Jahren, mit 48 Jahren und mit Jüngeren vorzeitig gelöst werden.

Außerdem gehen die vorliegenden Novellen in keinem Punkt auf den Bereich des Karenzurlaubes ein.

Meine Damen und Herren! Ich hätte mir erwartet, daß man, wenn man das Problem Arbeitslosigkeit von der sozialen Komponente her angeht, vorweg einmal die Sozialversicherung generell reformiert, daß man nachdenkt, ob derart viele Sozialversicherungsanstalten noch gerechtfertigt sind.

Ich hätte mir erwartet, daß man, wenn man eine Offensive starten will, um ältere Mitbürger in den Arbeitsprozeß zu bringen, generell, statt Strafbeträge einzuführen, die Arbeitgeberbeiträge, zum Beispiel, ab 50 Jahren, zur Gänze entfallen läßt.


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Und ich hätte mir erwartet, daß man selbstverständlich mit mehr Ehrlichkeit und mehr Engagement an diese Probleme herangeht und nicht wiederum Novellen vorlegt, die letztlich nur dazu dienen, bei den Betroffenen gewisse Hoffnungen zu erwecken.

Wir werden aus dieser Sicht, nachdem die Frage des Karenzurlaubes nicht angeschnitten wird, nachdem es keine echten Problemlösungen für die Zukunft sind, weil wir zumindest keine erkennen können und weil damit kein Arbeitsplatz mehr geschaffen wird, sondern, ganz im Gegenteil, die Arbeitslosigkeit auf jüngere Generationen verlagert wird, unsere Zustimmung verweigern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.12

Präsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile dieses.

14.12

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Arbeit und Soziales! Verehrte Damen! Geschätzte Herren! Liebe Jugend! – Jugend haben wir ja selten da. Bevor ich auf einzelne Details der vorliegenden Gesetzesnovellen eingehe, möchte ich doch einige grundsätzliche Bemerkungen über Finanzierung und Finanzierungsentwicklung der Arbeitslosenversicherung machen.

Die Arbeitslosenversicherung wird finanziell zur Hälfte von Pflichtbeiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, nunmehr mit je 3 Prozent bis zur Höchstbeitragsgrundlage von derzeit 39 000 S, gespeist. Dadurch kommen pro Jahr rund 42 Milliarden Schilling, etwa 7 Milliarden Schilling pro Prozentpunkt herein. Der Staat selbst zahlt lediglich einen Fixbeitrag, 1995 einen solchen von rund 2,5 Milliarden Schilling, als Abgeltung für die Verwaltungskosten des Arbeitsmarktservice.

Im Bereich Arbeitslosenversicherung nehmen die bisherigen gravierenden Finanzprobleme aufgrund der inzwischen schlechteren Beschäftigungslage zu. Eine exakte Darstellung der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung im Bereich der Arbeitsmarktverwaltung ist allerdings schwierig, weil es zwischen Finanz- und Sozialministerium ständig zu internen Abgrenzungsproblemen bei der Zurechnung der Ausgaben kommt. Auf diese Weise werden die tatsächlichen Finanzprobleme der Arbeitsmarktverwaltung nicht gerade geoffenbart. 

Das Sozialministerium hat zum Beispiel in der Arbeitsmarktverwaltung für 1992 einen Überschuß in der Höhe von 142 Millionen ausgewiesen. Gleichzeitig hatte das Finanzministerium jedoch ein Defizit in der Höhe von 2,2 Milliarden festgestellt, das von der Arbeitsmarktverwaltung aber dem folgenden Jahr zugerechnet wurde.

Für das Jahr 1993 wies das Sozialministerium für die Arbeitsmarktverwaltung ein Horrordefizit von 10,8 Milliarden Schilling aus. Darunter fielen nicht nur die schon erwähnten 2,2 Milliarden Abgang, sondern auch 3 Milliarden Schilling Mehraufwand wegen höherer Arbeitslosigkeit, weitere 3 Milliarden Schilling zusätzlicher Ausgaben aufgrund der Neuregelung des Beitrages an die Pensionsversicherung für die Arbeitslosen sowie 1,5 Milliarden Schilling zusätzlicher Beiträge für das Karenzurlaubsgeld, die an den Familienlastenausgleichsfonds überwiesen wurden.

Im wirtschaftlich schwierigen Jahr 1993 war die Arbeitslosenrate auf den Rekordwert von 6,8 Prozent gestiegen – derzeit haben wir noch ein bißchen mehr. 1994 fiel sie wieder auf 6,5 Prozent zurück. Der Staat mußte in diesem Jahr einen neuerlichen Abgang bei der Arbeitsmarktverwaltung in der Höhe von rund 2,35 Milliarden abdecken, denn die Sonderunterstützung für arbeitslos gewordene ältere Arbeitskräfte schnellte markant in die Höhe.

Durch dieses Anschnellen ist der Bedarf von 1,8 Milliarden Schilling 1993 im Jahre 1994 auf 2,7 Milliarden gestiegen. Weitere Ausgabensteigerungen brachten die neuen, höheren Ansprüche der Familienpolitik an die öffentlichen Hände, wie das erhöhte Karenzurlaubsgeld und die Sondernotstandshilfe.

 

 

 


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Das war die Ausgangssituation, und angesichts dessen wird jedem Arbeitnehmer, jedem Österreicher klar, daß etwas geschehen muß. Und ich möchte auch der Jugend sagen, daß jeder Schilling, der jetzt nicht gespart wird, eine Belastung für die Zukunft darstellt.

Nun zu den einzelnen Gesetzen. Es handelt sich insgesamt um Dämpfungsmaßnahmen. So findet beispielsweise die Anhebung der Lohnklassen nicht mehr jährlich oder zweijährig statt, sondern nur mehr in einem dreijährigen Abstand. Das ist eigentlich schon die zweite Dämpfungsmaßnahme, die wir erleben, denn im Vorjahr wurde bei den höheren Lohnklassen der Prozentsatz des Arbeitslosengeldes etwas zurückgenommen.

Ein weiterer Ansatzpunkt, der breit in Diskussion an jedem Wirtschaftstisch ist, ist der Kampf dem Mißbrauch. – Eine unbestrittene Notwendigkeit, der aber mit dieser vorliegenden Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes Rechnung getragen wird, indem die Strafsätze angehoben werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich aber doch anführen, daß im Ausschußbericht vom Ministerium für Arbeit und Soziales einige Widersprüche enthalten waren. Es wird dort von 300 S bis 30 000 S Strafe gesprochen. Das entspricht nicht dem alten Gesetz, dem derzeit noch bestehenden Recht. Es sollte dort 3 000 S heißen.

Auch bezüglich Millionen und Milliarden hat es Widersprüche gegeben, auf die ich noch zurückkommen werde.

Um den Ausfall der Sonderunterstützung für Frauen etwas zu mildern, wird die Freigrenze für Notstandshilfeempfänger um 200 Prozent angehoben, wenn diese das 54. Lebensjahr erreicht haben und in den letzten 25 Jahren 180 Monate arbeitslosenversicherungspflichtig waren. Diese Maßnahme begrüße ich sehr, weil ich grundsätzlich der Auffassung bin, daß der gänzliche Ausfall der Sonderunterstützung für viele Arbeitnehmer, im besonderen aber für Frauen, eine harte Maßnahme wäre.

Ich darf mir aber doch die Frage erlauben: Warum kommt es zur gänzlichen Abschaffung der Sonderunterstützung? – Weil es Übergriffe gegeben hat, weil es Mißbrauch gegeben hat. Das sind die ursächlichen Auslöser. Ich muß bedauerlicherweise bereits in der Vergangenheitsform sprechen. Eine gute soziale Maßnahme wurde überbeansprucht, es wird sie daher nicht mehr geben. Sie wurde aber im wesentlichen durch Großfirmen, durch halbstaatliche und staatliche Unternehmen überbeansprucht, die den vorzeitigen Abgang älterer Dienstnehmer in geradezu inhumaner Weise gefördert haben. Sie waren es, die dieses wichtige Sozialgesetz zu Fall gebracht haben. Es waren Betriebe dabei – und ich könnte sie aufzählen –, die den Eintritt in die Sonderunterstützung beziehungsweise den zu frühen Abgang langjähriger Dienstnehmer geradezu vergoldet haben. Daher kam es, wie es kommen mußte: Eine Maßnahme, die wir für Klein- und Kleinstbetriebe als ein Hilfsmittel zur leichteren Anpassung der Dienstnehmerstrukturen gesehen haben, ist dadurch bedauerlicherweise gefallen.

Eingespart wird durch diese Maßnahme sehr wohl. Der Einsparungseffekt bei Wegfall der allgemeinen Sonderunterstützung – ich darf vorweg die Zahlen bringen, die diese Maßnahme im Jahre 1996 insgesamt bei Weiterbestehen gekostet hätte – sieht folgendermaßen aus:

Der Aufwand für die Sonderunterstützung hätte 1996 rund 1, 925 Milliarden Schilling betragen – und da war der Fehler –, im Jahr 1997 1,9 Milliarden Schilling. Dieser Aufwand sinkt natürlich durch das Auslaufen, er nimmt ständig ab, weil es Übergangsbestimmungen gibt. Insgesamt betragen mit Einrechnung der Übergangsbestimmungen die Einsparungen für 1996 219 Millionen Schilling und für 1997 623 Millionen Schilling. Im Jahr 2000 wird es für diesen Bereich keine Kosten mehr geben. – Das ist Faktum.

Ich möchte noch eine kleine Rückblende zum Arbeitslosenversicherungsgesetz vornehmen. Ich bin froh darüber, daß eine Reihe von in Diskussion befindlichen Maßnahmen nicht durchgeführt wurde, weil das doch – und diese Einsicht hat sich durchgesetzt – ein allzu großer Eingriff in gute Sozialmaßnahmen gewesen wäre, die notwendig sind. So hat sich zum Beispiel die Verlängerung des Bemessungszeitraumes von einem halben auf ein ganzes Jahr nicht durchge

 


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setzt oder die Ausdehnung der neuerlichen Anwartschaft, die lange in Diskussion war, von 26 auf 28 Wochen. Wir hatten in diesem Bereich erst ein Jahr vorher eine Anhebung hinnehmen müssen, nämlich von 20 auf 26 Wochen, und das reicht.

Gerade in der Forstwirtschaft ist die Situation für Frauen oft so, daß sie aufgrund der geographischen und der Witterungsverhältnisse gar nicht mehr Arbeitszeit als eben ein halbes Jahr zusammenbringen können, dennoch sollen auch sie sozial abgesichert sein – und das bleibt auch so.

Zur nächsten Änderung, die wir heute beschließen werden, der Einführung eines Bonus-Malus-Systems. Auch das kann ich grundsätzlich nur begrüßen. Endlich ist es damit gelungen, eine präventive Maßnahme gegen die Freisetzung älterer Dienstnehmer zu schaffen. Mit diesem Bonus-Malus-System können Dienstnehmer über dem 50. Lebensjahr vor übereilten Kündigungen geschützt werden. Der Einstellungsbonus wird meines Erachtens den Anstieg der Arbeitslosigkeit bei älteren Dienstnehmern – also der über 50jährigen – doch etwas bremsen. Arbeitgeber haben geringere Lohnkosten von 1,5 beziehungsweise 3 Prozent bei über 55jährigen. Es ist also sicher eine interessante Angelegenheit, die Erfahrungswerte einer Fachkraft zur Verfügung zu haben und dabei auch noch Kosten zu sparen. Nach Berechnungen wird dieses Bonus-System etwa 11 000 Arbeitnehmer in Beschäftigung bringen, und das ist doch eine bemerkenswerte Zahl.

Über das Malus-System herrscht bei mir auch Freude, denn ich habe sowohl in meiner beruflichen als auch in meiner Funktionärstätigkeit zu oft erleben müssen, wie verletzt, wie hoffnungslos Arbeitnehmer waren, nachdem sie nach mehrjähriger Tätigkeit und Betriebszugehörigkeit hören mußten: Wir können Sie nicht mehr brauchen, jüngere Arbeitnehmer sind flexibler, sind billiger; das Unternehmen muß umstrukturieren, muß rationalisieren. – Dieses System ist ein vernünftig angelegtes Gegenmittel.

Manche meinen – ich glaube, es heute auch aus der blauen Reihe gehört zu haben –, die Arbeitgeber würden dann eben die 47- oder 49jährigen kündigen. Die Geschichte, geschätzte Kolleginnen und Kollegen der blauen Reihe, beweist, daß dem nicht so ist, denn 1979 und in den folgenden Jahren gab es die gleichen Befürchtungen bei der etappenweisen Einführung des allgemeinen Arbeiter-Abfertigungsgesetzes. – Nichts dergleichen ist geschehen, mit einigen wenigen Ausnahmen. Die Mehrheit der Dienstgeber handelte mit Augenmaß und sozialem Verständnis. Das soll doch auch einmal erwähnt sein. (Bundesrat DDr. Königshofer: Wer hat denn dagegen gesprochen? Die ÖVP!) Das war nicht so, das können Sie in den Protokollen nachlesen. Das brauche ich Ihnen von diesem Rednerpult aus nicht zu beweisen. (Bundesrat Mag. Langer: Herr Dr. Kaufmann kann das besser erklären, wie die Wirtschaft damals reagiert hat!) Es hat auch andere Meinungen gegeben, das ist natürlich und soll auch so sein. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das war die mehrheitliche Meinung bei Ihnen!) Aber schlußendlich haben Unternehmer wie Arbeitnehmer in der ÖVP dieses Gesetz getragen.

Der Soziologe Professor Rosenmayr meint, das Schlagwort von der Arbeitsgesellschaft, der die durch Menschen verrichtete Arbeit ausgehen wird, sei sicher übergeneralisiert, weil in einer Reihe wichtiger Dienstleistungen, etwa im Tourismus oder in der Krankenpflege, der Bedarf an menschlicher Arbeit sogar markant anwachse. Woraus sich aber ebenfalls ein wachsendes Betätigungsfeld für ältere, erfahrene Arbeitskräfte ergibt – da bin ich völlig seiner Meinung –, ist der gravierende Mangel an gestandenen Handwerkern wie an Kunstspenglern, an Tischlern, die noch mit Einlegearbeiten umgehen können, an Fassadern, an Maurern, die ein Gewölbe zustande bringen. Und auch im gesamten Fachhandel gibt es drückende Not an waren- und anwendungskundigem Beratungs- und Bedienungspersonal.

Auch in anderen Unternehmungen, beispielsweise in vielen entwicklungsorientierten Unternehmen, gibt es viel zu wenig Forschungspersonal. Auch fehlt es im Umweltschutz an sensiblen und trotzdem professionellen Aktivisten. In so gut wie allen Behindertenheimen fehlt es an einfühlsamen Pflegern.

 


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Was den Vertretern des perfekten Wohlfahrtsstaates bisher offenbar kaum aufzufallen schien, ist die Tatsache, daß zur Herstellung von hoher sozialer Sicherheit nicht nur viel Geld, sondern auch genügend fachlich qualifiziertes und motiviertes Personal vonnöten ist.

Nichtsdestoweniger sind Entwicklungsprognosen für die Arbeitswelt in der heraufziehenden Dienstleistungsgesellschaft durchaus glaubhaft. Es wurde heute schon gesagt: Der Anteil der Teilzeitbeschäftigung wird zunehmen und weiter steigen, der rasche Technologiewechsel erfordert ständiges Umlernen, und das bedeutet auch die Notwendigkeit, Chancen und Zeiten für dieses Umlernen einzubauen sowie entsprechende gesellschaftliche und psychologische Anreize zu schaffen.

Job- und Arbeitsplatzwechsel werden zu einem Haupttypus der Arbeitswelt. Wir gehen einem Ende der massenhaft standardisierten Lebensarbeitskarrieren entgegen. Die Zukunft, verehrte Damen, geschätzte Herren, wird uns also ein bewegliches Arbeitsleben mit vielen Wahlchancen bringen. Allerdings wird es diese Chance vorwiegend bei gewissen Qualifikationen geben. Die Bruchlinie verläuft dann nach den Grenzen von Bildung und Umstellungsfähigkeit und weniger nach sozialer Herkunft.

Daher meine ich, daß die vorliegenden Gesetze grundsätzlich notwendig sind und ein Beitrag zur Gesundung des österreichischen Staatshaushaltes sind. Und diese angestrebte Budgetkonsolidierung liegt nicht zuletzt auch deshalb im Interesse des Staates und damit in unser aller Interesse, weil sie nachhaltig den Wirtschaftsstandort Österreich, damit die hohe Beschäftigung, die Kreditwürdigkeit Österreichs auf den internationalen Kapitalmärkten, günstige Zinssätze für Investitionen des Staates, der Wirtschaft und Konsumenten und damit einen starken Schilling, weiters den Haushaltsspielraum für öffentliche Leistungen in künftigen Budgets, die Stetigkeit und Berechenbarkeit der Finanzpolitik, die Glaubwürdigkeit der Politik und als wichtigstes den sozialen Frieden und die Stabilität sichert.

Das Konsolidierungsprogramm wird zwar durch Ausgabenkürzungen, Steuererhöhungen und auch durch den Aufnahmestopp negative wirtschaftliche Effekte auslösen, diese werden aber durch offensive Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung bekämpft, da das zwischen den Koalitionsparteien vereinbarte Paket auch eine ganze Reihe von kurzfristig wirksamen Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung einschließt.

Es kann damit gerechnet werden, daß das verhandelte Paket insgesamt positive Beschäftigungsimpulse im Ausmaß von rund 31 000 gesicherten beziehungsweise geschaffenen Arbeitsplätzen pro Jahr enthält. Das entspricht, geschätzte Kollegen von den F, zirka einem Prozent der Anfang 1996 in Österreich unselbständig Beschäftigten.

Zusätzlich zu den angeführten Beschäftigungseffekten sieht das Programm die Senkung der Verwaltungskosten, Verfahrenskonzentrationen sowie die Erleichterung von Unternehmensgründungen, die natürlich notwendig sind, als Maßnahme zur Standortsicherung vor. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Verehrte Damen! Geschätzte Herren! Erlauben Sie mir, die Situation aus einem ganz anderen Blickwinkel zu beleuchten, nämlich aus der Sicht eines ebenso jungen EU-Mitgliedes und sozial hochentwickelten Landes wie Österreich. Ich zitiere die Aussagen des schwedischen Botschafters Björn Skala in Österreich. Dieser meint:

Schweden hat jetzt große Probleme mit dem Staatshaushalt. Wir waren in einer schlimmeren Lage, als Österreich jetzt ist, und mußten daher strenge Sparmaßnahmen ergreifen, die jetzt seit 1. Jänner in Kraft getreten sind. Das heißt, daß auch bei Krankenversicherung, Arbeitslosengeld, Kinderbeihilfen und so weiter gespart wird.

Die Arbeitslosenbezüge wurden von 90 auf 75 Prozent herabgesetzt. Darüber gibt es in Schweden eine sehr heftige Debatte. Der schwedische Staat ist ja als Wohlfahrtsstaat berühmt geworden, und er wird auch ein sozialer Wohlfahrtsstaat bleiben. Aber natürlich gibt es auch sehr große Gruppen, die meinen, daß man jetzt übertreibt, daß zuviel gespart wird und daß es

 


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für die Betroffenen sehr schwierig werden wird. Natürlich setzen sich große Gruppen gegen unpopuläre Sparpakete zur Wehr.

Der schwedische Botschafter meint weiter: Einfach war es nicht. Die Debatte bleibt sehr groß. Aber unsere Lage war durch unsere Verschuldung, durch unser großes Haushaltsdefizit wirklich kritisch und ist auch jetzt noch schwieriger als die Situation in Österreich. Daher sind diese Maßnahmen, wenn auch mit viel Kritik, dennoch angenommen worden.

Diese Kritik dauert natürlich noch an. Aber wenn diese Reformen jetzt weitergeführt werden, dann wird in den nächsten drei Jahren eine sehr deutliche Verbesserung zu sehen sein. Ich glaube, daß die Richtung, die wir eingeschlagen haben, die richtige ist. Es war einfach wichtig, Schritte zu setzen, um unsere internationale Glaubwürdigkeit zu stärken. – Ich meine, das kann man auf Österreich tatsächlich wortgetreu übertragen.

Und er meint weiter: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Sozialstaat in Schweden, Finnland, Dänemark, Norwegen und auch hier in Österreich sehr schnell aufgebaut. Langsam sieht man aber ein, daß der Staat nicht alles tun kann und auch nicht alles tun soll. Der Staat sollte eine Grundstabilität, einen Grundschutz gewährleisten, aber die Initiative sollte stärker von jedem einzelnen Bürger kommen. Man sieht, daß dies auch für die Politik wichtig ist, denn die jungen Leute verlieren das Interesse an Politik, wenn alles sozusagen schon da ist. Das dämpft Eigeninitiativen.

Ich meine – ich sage das noch einmal –, daß diese Aussagen auch auf österreichische Verhältnisse zutreffen. Und gerade die letzte Aussage hat auch für uns besondere Gültigkeit. Auch wir sollten uns künftig mehr an dem in Europa immer mehr an Boden gewinnenden Subsidiaritätsprinzip orientieren, denn dann werden wir unsere Zukunft und die Finanzprobleme durch Eigeninitiative durchaus leichter meistern können als bisher. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.34

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Franz Hums. Ich erteile es ihm.

14.34

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Behandlung dieser Gesetzesvorlage möchte ich schon daran erinnern, daß wir in Österreich nicht erst jetzt, sondern schon seit Jahrzehnten die Beschäftigungssicherung im Mittelpunkt haben und als Priorität der Politik sehen und daß diese Politik erfolgreich war und auch heute noch ist. Auch bei der Budgetkonsolidierung steht für uns wieder die Beschäftigungssicherung im Mittelpunkt, denn damit hängt ja die Einkommenssicherung für den einzelnen, aber auch die Absicherung des gesamten Sozialsystems zusammen.

Wir haben in Österreich erfreulicherweise die niedrigste Arbeitslosenrate in der gesamten Europäischen Union und – was ganz besonders hervorzuheben ist – die niedrigste Jugendarbeitslosenrate. Allerdings dürfen wir damit nicht zufrieden sein, denn die Entwicklung der internationalen Wirtschaft ist nicht so, wie wir es gerne hätten. Daher haben auch wir in den nächsten Monaten und vielleicht Jahren mit großen Herausforderungen im Bereich der Arbeitsplatzsicherung zu tun, mit neuen Herausforderungen, die neue Maßnahmen erfordern, weil wir eben ganz andere internationale Verhältnisse haben.

Aber wir müssen schon anerkennen, daß es gemeinsam mit den Sozialpartnern bisher gelungen ist, bessere Zahlen zu haben. Und ich glaube, daß wir hier nicht krankjammern und ununterbrochen feststellen sollten – was überhaupt nicht wahr ist! –, daß Österreich zuwenig flexibel ist und und und. Österreich ist international als Wirtschaftsstandort sehr geschätzt! Und dafür gibt es viele Gründe, die ich, glaube ich, in diesem Kreis nicht anführen muß. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Die hochwertige Ausbildung, die Weiterbildung, das Können, die soziale Sicherheit – all das sind Elemente, die dazu geführt haben, daß auch der soziale Friede gegeben ist, was einen wesentli

 


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chen Vorteil für einen Industriestandort darstellt. Und daher gibt es auch viele Unternehmungen, die in den letzten Jahren den Weg nach Österreich gefunden haben.

Wir haben auch die neuen Strukturänderungen, die Öffnung der Ostgrenzen, die neuen Verhältnisse auf dem Weltmarkt bisher sehr gut gemeistert. Die Herausforderung wird jedoch größer, und wir müssen neue Maßnahmen setzen, weil auch bei uns die Arbeitslosenzahlen steigend sind.

Ich sage nicht: Arbeitsmarktpolitik trotz Budgetkonsolidierung – beides gehört zusammen. Mit der Budgetkonsolidierung wollen wir für die Zukunft wieder mehr Beweglichkeit bekommen. Aber gleichzeitig wird auch in der Zeit des Sparens durch besondere Maßnahmen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik weiter in Richtung Beschäftigungssicherung gearbeitet. Ich möchte nur ein paar Beispiele dazu anführen.

Es war voriges Jahr bei der Budgeterstellung im September heftig umstritten, ob man die Mittel für die aktive Arbeitsmarktförderung kürzen soll. Wir haben das abgelehnt, und auch im neuen Budget werden die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik nicht gekürzt, sondern erhöht. Wir haben im Vorjahr rund 5 Milliarden Schilling für die aktive Arbeitsmarktpolitik ausgegeben. Es werden in den nächsten Jahren rund 1,5 Milliarden Schilling dazukommen, weil wir Rückflüsse aus Brüssel, aus dem Europäischen Sozialfonds, bekommen. Wir werden damit die besonderen Maßnahmen für die Jugend, für die Frauen, für Ältere, auch für Langzeitarbeitslose fortsetzen können, aber besonders wichtig wird es sein, daß wir die Ausbildung und Weiterbildung forcieren. Denn wir können und wollen im internationalen Wettbewerb nicht durch Lohn- und Sozialdumping bestehen, sondern dadurch, indem wir weiterhin besser in unseren Leistungen sind als andere.

Die Regierung forciert Maßnahmen, um auch den Klein- und Mittelunternehmungen das internationale Marketing mit besonderen Exportförderungen zu erschließen. Denn für die Beschäftigungssicherung ist es wichtig, daß wir das, was wir in immer kürzerer Zeit erzeugen können, auch verkaufen können. Und dazu gehört es, daß wir den Export in besonderer Weise fördern.

Dazu gehört aber auch, daß wir der Wirtschaft für die Zukunft gute Infrastrukturbedingungen schaffen. Und daher wird es besondere Investitionen in den Ausbau der Telekommunikation, des Schienenverkehrs und auch – wo es noch notwendig ist – des Straßenverkehrs geben. Dafür sind mehr als 90 Milliarden Schilling vorgesehen.

Wer glaubt, daß wir damit die zukünftige Generation über Gebühr belasten, der soll sich einmal anschauen, wie diese Investitionen geschehen und wie lange sie wirken. Man muß doch, wie jeder normale Unternehmer berücksichtigen, daß man Investitionen in derartig langlebige und wichtige Maßnahmen wie Infrastrukturausbauten nicht in dem Jahr, in dem die Investition getätigt wird, zur Gänze als Defizit hinstellen darf – kein Unternehmer würde so vorgehen! –, sondern im jeweiligen Jahr nur die Abnützung. So müssen wir auch denken, und daher werden mit diesen Maßnahmen längerfristig die Wirtschaftsstandortvorteile Österreichs gesichert und kurzfristig Arbeitsplätze im Bereich der Bauwirtschaft und in vielen anderen Branchen abgesichert.

Wir können mit Sicherheit keine Wunder wirken, das ist schon klar, aber wir liegen mit all den Maßnahmen – und das soll anerkannt werden – wesentlich besser als andere Staaten in Europa und sonst auf der Welt. Wir sollten nicht ununterbrochen nur Kritik üben, denn die Wirtschaft gesundbeten, ist nicht möglich, doch krankjammern kann man sie sehr rasch. Ich fordere Sie auf, objektiv zu sein.

Hauptziel dieser Maßnahmen ist es, in Zukunft Beschäftigung sowohl für junge als auch für ältere Menschen zu sichern. Wir haben die Debatte über diese Materie bewußt vorgezogen, und wir haben nun ausreichend Gelegenheit über die Frage, wie wir Beschäftigung auch für ältere Menschen sichern können, zu diskutieren.

Wir haben vor einigen Jahren mit der Regelung der Sonderunterstützung für Krisenzeiten beziehungsweise für Krisenregionen die Möglichkeit geschaffen, daß ältere Menschen in den Vor

 


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ruhestand gehen können. Diese Maßnahme war für Krisenzeiten und für Krisenregionen gedacht. Es hat sich allerdings herausgestellt, daß etliche Unternehmer – das Thema wurde hier schon angeschnitten – diese Möglichkeit auch genützt haben, um ältere Arbeitnehmer vorzeitig – mit gutem Gewissen, indem sie sich auf die Sonderunterstützung berufen haben – aus dem Betrieb zu drängen. Wir werden daher, indem wir jetzt anders strukturieren, zusätzliche Mittel aus der Arbeitsmarktförderung für ältere Arbeitnehmer zur Verfügung stellen. Wir wollen mit dem Bonus-Malus-System auch das Bewußtsein im Sozialpartnerbereich verändern; das ist auch wesentlich, nicht nur die Zahlen im Budget. Damit wollen wir die Gleichwertigkeit zwischen jüngeren und älteren Arbeitnehmern herbeiführen. Da soll es keine Konkurrenz mehr geben. Ältere Arbeitnehmer sollen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik als gleichwertig betrachtet werden. Dadurch soll vermieden werden, daß diese vorzeitig aus dem Arbeitsprozeß hinausgedrängt werden. Das ist der Sinn dieser Maßnahme.

Wir werden mit dieser Maßnahme sicher keine neuen Arbeitsplätze schaffen, aber in vielen Fällen wird sie doch dazu führen, daß Unternehmungen, denen es gut geht, ältere Menschen nicht vorzeitig entlassen und damit in die ungewollte Pension schicken werden. Das ist der Grundgedanke dieser Maßnahmen.

Es wurde hier mehrfach betont, daß Frauen schlechter geschützt seien, weil für sie ein geringerer Malus zu zahlen sei. Das stimmt mit Sicherheit nicht! Man muß ja abschätzen, wie lange von der Kündigung bis zur möglichen Pension zu rechnen ist, und weil Frauen – das ist ja keine Benachteiligung – bei langer Versicherungsdauer schon mit 55 Jahren in die Pension gehen können, wird die Zahl der Monate natürlich auch nur bis zum 55. Lebensjahr berechnet. Das ergibt sich automatisch aus dem Vorteil des Früher-in-Pension-gehen-Könnens, und das wird von den Unternehmen genauso berücksichtigt werden, weil ja die Zeit bis zur Pension, in der die Frau im Unternehmen sein könnte, kürzer ist als bei einem Mann. Es gibt also dadurch keinerlei Benachteiligung für Frauen. Im Gegenteil!

Wir haben bei den Freigrenzen, die für die Notstandshilfebezieher wichtig sind, also in der Frage, wie hoch das Einkommen des Partners sein darf – das ist vor allem für Frauen ganz besonders wichtig –, eine völlig neue Regelung getroffen, indem wir sie generell angehoben haben, und zwar für Frauen ab dem 54. Lebensjahr. Ich glaube, wir haben uns bei all diesen Maßnahmen wirklich bemüht, auch den Frauen, die es im Berufsleben leider nach wie vor schwerer haben als Männer, besonders zu helfen.

Wir haben mit diesem Gesetz einen Schritt gesetzt, der älteren Menschen in anderer Form als mit der Sonderunterstützung helfen soll. Dabei wurde gleichzeitig zur sozialen Absicherung eine gute Übergangsregelung getroffen. Die letzte zuerkannte Sonderunterstützung im allgemeinen Bereich wird erst 1999 auslaufen. Das ist also eine Maßnahme, sozial verträglich, verständlich und natürlich auch in vielen Bereich kostensparend ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.44

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile es ihm.

14.44

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Ältere Arbeitnehmer sind eine wesentliche Säule des österreichischen Arbeitsmarktes. Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung sind sie ein unschätzbares Kapital. Dieses Kapital wird jedoch mehr und mehr vernachlässigt und liegt immer öfter zu Lasten der Betroffenen und des Arbeitsmarktes brach.

Vor Jahren schon hat der damalige Sozialminister Hesoun verschiedene Maßnahmen ergriffen, wie zum Beispiel das Beschäftigungssicherungsgesetz oder die sogenannte Strukturmilliarde, um die Chancen älterer Arbeitnehmer für den Arbeitsmarkt zu erhalten und zu wahren. Diese Aktionen waren höchst notwendig, aber auch sehr erfolgreich.

 

 


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Wir stehen nun vor veränderten Rahmenbedingungen und haben nun schnell und effizient zu reagieren. Das heute hier von Sozialminister Franz Hums vorgelegte und zu beschließende Arbeitsmarktpolitikgesetz halte ich für eine geeignete Maßnahme.

Eines stimmt mich besonders nachdenklich: Salzburg hat bisher, was Arbeitsmarkt und Arbeitsplätze betrifft, eine Ausnahmestellung gehabt. Wir waren immer stolz darauf, daß Arbeitsplatzverluste überall nur nicht in Salzburg in einem besorgniserregenden Maße stattgefunden haben. Heute müssen wir feststellen, daß wir bei Arbeitsplatzverlusten Spitzenreiter sind, wenngleich wir aufgrund unserer besonderen Struktur nach wie vor bei den Beschäftigten sehr gut liegen, aber die Zuwächse sind österreichweit gesehen die höchsten. Das hat uns nachdenklich gemacht und macht uns auch wesentlich sensibler in dieser Frage.

Die Kollegen Freiberger und Schaufler und auch Minister Hums haben die Inhalte, die Schwerpunkte dieses Gesetzes sehr ausführlich dargelegt. Ich möchte mich noch einmal, um es zusammenzufassen, mit einzelnen Schwerpunkten befassen.

Die Schwerpunkte dieses Gesetzes sind: das Sonderprogramm für die Einstellung älterer Arbeitnehmer und die Hilfestellung zur Integration langzeitarbeitsloser Personen durch das Arbeitsmarktservice; das Bonus-Malus-System, das für die Unternehmen Kostenvorteile bei der Einstellung von über 50jährigen und Nachteile bei Kündigungen für solche bringt; Auslaufen der allgemeinen Alters- oder Sonderunterstützung, die es Unternehmen bisher erlaubte, Männer mit 59 Jahren und Frauen mit 54 Jahren relativ einfach und kostengünstig abzubauen; Anhebung der Freigrenzen auf das Dreifache für die Anrechnung von Partnereinkommen auf die Notstandshilfe auch für 54jährige Frauen als ausgleichender Schutz jener, die in diesem Alter in die Arbeitslosigkeit gedrängt wurden.

Ich darf festhalten: Die SPÖ hat sich nicht nur in den letzten Jahren immer für beschäftigungspolitische Maßnahmen eingesetzt, wenn sich der Arbeitsmarkt eben nicht selbst regulierte und es daher einiger Lenkungsmechanismen bedurfte.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Ich darf Ihnen sagen: Die Senkung von Kollektivlöhnen betrachten wir nicht als Lenkungsmöglichkeit, und daher werden wir gerade bei diesem Ihrem Ansinnen sehr wachsam sein und dieses nicht zum Durchbruch kommen lassen.

Die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich darauf verlassen, daß die Diskussion um zielführende Lenkungsmaßnahmen zumindest von unserer Seite sehr progressiv auch in dieser Gesetzgebungsperiode weitergeführt wird und unser Hauptaugenmerk auf das Gelingen – wovon ich überzeugt bin – dieser heute zu beschließenden Gesetzesinitiative gelegt wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.48

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile es ihm.

14.48

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Gestatten Sie mir ein paar Bemerkungen zu der Debatte am Beginn des heutigen Tages, zu den Anmerkungen des Kollegen Konečny zum Berggesetz. Dazu muß ich etwas sagen: Auch die ÖVP ist für eine Novellierung des Berggesetzes, nur glaube ich, daß es wichtig ist, das Spannungsfeld zwischen Bundes- und Landesgesetzgeber, zwischen Berggesetz und Naturschutzgesetz und auch die Stellung der Gemeinden dabei auszuleuchten. Daher halten wir es für notwendig, daß diese Gesetzesmaterie noch einmal im Ausschuß behandelt wird. Dazu kommt noch, daß mit dieser zeitlichen Verzögerung eigentlich nichts versäumt wird, da das Gesetz erst mit 1. Juli in Kraft treten soll. (Bundesrat Konečny: Leuchten Sie aus! Eine leuchtende Entscheidung war es trotzdem nicht! – Bundesrat Ing. Penz: Sie werden doch eine demokratische Entscheidung nicht in Frage stellen! – Bundesrat Konečny: Aber Bewertungen lasse ich mir von Ihnen nicht untersagen!)

 


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Herr Kollege! Solange Sie nicht im Ausschuß waren, waren Ihre Kollegen auch dafür, daß man es absetzen sollte. Sie haben es allerdings dann verhindert, daß es zu einem einstimmigen Beschluß gekommen ist. (Bundesrat
Konečny: Natürlich!)

Meine Damen und Herren! Ein paar Bemerkungen zum Arbeitsmarktpolitikgesetz aus der Sicht der Wirtschaft. Ich glaube, mit dieser Materie ist es der Volkspartei gelungen, ihre arbeitsmarktpolitische Linie, die vor vier Jahren eingeleitet wurde, nämlich weg von der Vorsorge, weg von der Verwaltung der Arbeitslosigkeit hin zu einer aktiven Arbeitsmarktpolitik zu gelangen, fortzusetzen. Ich möchte daran erinnern: Vor vier Jahren sind über Initiative der Volkspartei die Regelungen für Krisenregionen abgeschafft worden, die nur dazu geführt haben, daß es dort mehr Arbeitslose gegeben hat als in anderen Gebieten. Es ist uns gelungen, die Arbeitslosigkeit in diesem Bereich zu senken.

Über Initiative der Volkspartei wurde 1994 das Arbeitsmarktservice, die Arbeitsmarktverwaltung auf eine neue Basis gestellt, auf eine sozialpartnerschaftliche Basis, und wenn man mit den Leitern der Landesarbeitsämter spricht, so bestätigen sie, daß nunmehr auch betriebswirtschaftliche Grundsätze in den Bereich der Verwaltung eingeflossen sind und daß die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern sehr vorbildlich wirkt.

Das heute zu beschließende Arbeitsmarktpolitikgesetz soll dazu dienen, die Dauerarbeitslosigkeit von älteren Arbeitnehmern zu senken. Im Jahre 1995 waren bereits 20 Prozent der Arbeitslosen älter als 50 Jahre, und es war daher dringend notwendig, Maßnahmen zu setzen, um diese Menschen wieder in das Beschäftigungsleben zu integrieren.

Es sind, wie schon im Ausschuß besprochen, drei Maßnahmen zur Diskussion gestanden: ein massiver Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer, die Einführung von Beschäftigungsquoten für Betriebe ab 100 Beschäftigte analog dem Invalideneinstellungsgesetz, Maßnahmen, die von seiten der Wirtschaft abzulehnen waren, weil sie zu einer weiteren Erhöhung der Arbeitskosten geführt hätten, und der heutige Kompromiß – ein Kompromiß, der in zweierlei Hinsicht wichtig war: einerseits um die Standortattraktivität Österreichs, die schon der Bundesminister erwähnt hat, international zu erhalten und abzusichern, und andererseits um ältere Arbeitnehmer wieder in den Beschäftigungsprozeß einzuführen und einzugliedern und somit einem berechtigten Anliegen zum Durchbruch zu verhelfen.

Zunächst zur Standortattraktivität Österreichs: Dieser muß man viel mehr Augenmerk schenken als bisher. Es gibt in diesem Zusammenhang verschiedene Standpunkte hinsichtlich der lohnnebenkostenwirksamen Sozialabgaben. Ich möchte an dieser Stelle auf das Weißbuch der EU "Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung – Herausforderung der Gegenwart und Wege in das 21. Jahrhundert" verweisen, in welchem die Frage gestellt wird, ob in der Höhe der Sozialabgaben nicht eine der Ursachen für die Verlangsamung des Wachstums und vor allem für den Anstieg der Arbeitslosigkeit zu sehen ist.

Meine Damen und Herren! Der Europäische Rat von Essen 1994 hat fünf Schwerpunktbereiche formuliert, nach welchen die Mitgliedstaaten verstärkte Maßnahmen treffen sollten, um die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu ermöglichen. Er nennt erstens die Verbesserung der Beschäftigungschancen der Arbeitskräfte überhaupt, zweitens die Steigerung der Beschäftigungsintensität insbesondere durch eine flexiblere Organisation der Arbeit, einer Lohnpolitik die arbeitsplatzschaffende Investitionen begünstigt, die Förderung von Initiativen insbesondere auf lokaler und regionaler Ebene, durch die Arbeitsplätze geschaffen werden, drittens die Senkung der Lohnnebenkosten, viertens die Verstärkung der Wirksamkeit der Arbeitsmarktpolitik, fünftens verstärkte Maßnahmen zugunsten von Arbeitslosigkeit betroffener Personengruppen.

Ich glaube, gerade Punkt drei deckt sich mit der Ansicht der Wirtschaft, daß ein Belastungsstopp bei Beiträgen zur sozialen Sicherheit längst überfällig ist und durch eine Absenkung der Lohnnebenkosten Verbesserungen herbeigeführt werden sollten.

Meine Damen und Herren! Worum geht es bei diesem Arbeitsmarktpolitikgesetz? – Wir wollen die Chancen für ältere Arbeitnehmer verbessern. Es wird – das wurde heute schon mehrmals zitiert – ein Bonus-Malus-System eingeführt, gleichsam Zuckerbrot und Peitsche für Betriebe.


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Auf der einen Seite will man Betrieben helfen, wenn sie ältere Arbeitnehmer anstellen, indem die Lohnnebenkosten durch die Senkung des Dienstgeberbeitrages um 1,5 Prozent bis zum 55. Lebensjahr und um 3 Prozent vom 55. Lebensjahr an gesenkt werden – eine Maßnahme, die zu diskutieren ist, eine Maßnahme, die Anreiz bieten soll, ältere Menschen einzustellen, wobei keiner von uns weiß, ob das im gewünschten Umfang auch wirklich angenommen wird, weil es sich doch um eine neue Maßnahme handelt, die erst auf dem Arbeitsmarkt getestet werden muß.

Auf der anderen Seite sollen jene Betriebe bestraft werden, die Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr überschritten haben, kündigen. Auch da wurde ein System gefunden, das sich praktisch an der Arbeitslosenversicherung orientiert. Das heißt, zwischen dem 53. und dem 56. Lebensjahr sind die höchsten Beiträge zu zahlen, vorher und nachher gibt es eine Abflachung der Kurve.

Die große Diskussion bei diesem Bonus-Malus-System war, wie es bürokratisch zu verwalten ist, und ich hoffe, daß der Kompromiß, der im Gesetz steht, daß nämlich die Gebietskrankenkassen rasch Berechnungstabellen anbieten werden, auch Platz greift. Auch ist im § 5b genau abgegrenzt, wann die Beitragspflicht für Betriebe entfällt. Das ist dann der Fall, wenn der Dienstnehmer selbst kündigt, wenn der Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder wenn ihm das Verschulden bei einer Entlassung trifft, wenn der Dienstnehmer weniger als zehn Jahre im Unternehmen beschäftigt ist, bei Betriebsstillegungen oder Teilstillegungen. Auch sind Sonderregelungen vorgesehen bei Kündigung im Krankheitsfall und bei Saisonbetrieben.

Ich glaube, im großen und ganzen ist damit ein neuer Ansatz in der aktiven Arbeitsmarktpolitik gesetzt worden, ein Ansatz, der gemeinsam zwischen den Sozialpartnern – den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern – ausgearbeitet wurde und der sich, so hoffen wir alle, in der nächsten Zeit auch bewähren wird.

Der zweite Punkt in diesem Gesetz ist der Wegfall der Sonderunterstützung. Ich glaube, daß damit zwei Fliegen auf einen Schlag getroffen wurden: einerseits ein Hin zur aktiven Arbeitsmarktpolitik – weg von der reinen Verwaltung, ähnlich wie bei der Krisenverordnung, bei der es attraktiv war, ältere Arbeitnehmer vorzeitig in die Pension zu schicken –, andererseits ein Nettoeinsparungseffekt, der sehr unterschiedlich ist: zwischen 200 Millionen Schilling und mehr als 1 Milliarde Schilling; auch im Ausschuß konnte die genaue Höhe des Einsparungseffekts nicht beziffert werden.

Ich glaube, daß neben den Maßnahmen, die ich erwähnt habe, ein Punkt in den nächsten Monaten zur Lösung noch ansteht: Das ist die Frage der Flexibilisierung der Arbeitszeit insgesamt. Ich glaube, wenn wir die Wettbewerbsvorteile des Wirtschaftsstandortes Österreich erhalten wollen, dann wird es besonders wichtig sein, gemeinsam mit den Sozialpartnern in den nächsten Monaten entsprechende Modelle zu erarbeiten. Ich glaube, daß da eine Neuregelung in Form von Jahresdurchrechnungsmodellen und ausreichenden Bandbreiten längst überfällig ist.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird diesem Gesetzentwurf zustimmen, weil wir glauben, daß damit ein weiterer Schritt in Richtung einer aktiven Arbeitsmarktpolitik gesetzt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

15.00

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Tremmel.

15.00

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Arbeitslos – so lautet die Headline einer gestrigen Tageszeitung in der Steiermark. Immer mehr Arbeitslose – immer mehr Arbeitsplätze sind nicht in Sicht, lautet der Untertitel. Es werden dann die Arbeitslosenzahlen bis zu dem Rekord im Februar 1996 mit 294 260 Arbeitslosen angeführt.

 

 


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Meine Damen und Herren! Wir integrieren mit viel Mühe und Aufwand Menschen, die es nicht mehr schaffen, in den Arbeitsprozeß hineinzukommen. Ist der- oder diejenige dann soweit, verdrängt er einen anderen, noch Schwächeren. Es ist eine zunehmende Asymmetrie in der Arbeitsmarktpolitik – ob das bewußt ist, weiß ich nicht, ich glaube eher weniger, aber man läßt das einfach so dahinschlendern – erkennbar.

Ich glaube, daß in gewissen Bereichen der politische Wille dazu fehlt, das zu ändern. Ich darf das auch anhand eines ganz einfachen Beispiels begründen, meine Damen und Herren! Sie alle kennen die Einstellungsmodalitäten im Bereich des öffentlichen Dienstes, des Bundes, der Gebietskörperschaften, der Länder, aber auch der Gemeinden. Gerade vor einer Woche habe ich auf einer Parteiveranstaltung dies in einer Anfrage auch miteingebracht. Ich wollte an die Regierenden den Appell richten, doch die Altersgrenze bei der Einstellung älterer Menschen fallen zu lassen, die zwar nirgends festgeschrieben ist, aber überall gehandhabt wird: Es wird nämlich ein Mensch ab 40 Jahren nicht einmal mehr als Vertragsbediensteter in den öffentlichen Dienst aufgenommen. In diese Richtung, Herr Minister Hums, möchte ich den Appell richten, daß man auch diesbezüglich tätig wird, damit diese Asymmetrie ein wenig symmetrischer wird! Das wäre mein Ersuchen.

Eine Gesellschaft, die darauf verzichtet, die Leute in Arbeit zu halten, macht keine Sozialpolitik oder – noch schlechter, Herr Minister – eine ganz schlechte Sozialpolitik. Deshalb sollten wir die Arbeitsverteilung – damit bin ich bereits wieder am Ende meiner Wortmeldung – auch in unserem Bereich überdenken. Wir können nicht Normen schaffen, wir können nicht Gesetze schaffen, die es Menschen verbieten, in Arbeit genommen zu werden – und das trifft vor allem auf unsere älteren Mitbürger in diesem Bereich, den ich angeschnitten habe, zu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.0


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3

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Franz Hums. Ich erteile es ihm.

15.04

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Herr Bundesrat! So kurz wie Ihre Rede die Antwort: Es gibt im Bundesdienst ein Sonderprogramm für die Einstellung älterer Menschen und sogar einen Sonderstellenplan dafür. (Bundesrat Dr. Tremmel: Und wie viele Menschen sind dadurch eingestellt worden?) Es gibt eine ganze Reihe. Ich kann Ihnen die genauen Zahlen jetzt nicht auswendig sagen, aber es ist ein Programm, das seit einiger Zeit läuft.

15.04

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht gegeben.

Wir gelangen daher zur Abstimmung .

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 13. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Gründung einer Österreich Institut G.m.b.H. (Österreich Institut-Gesetz) (23 und 62/NR sowie 5156/BR der Beilagen)

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 13. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die "Diplomatische Akademie Wien" (DAK-Gesetz 1996) (24 und 63/NR sowie 5157/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird. Es sind dies ein Bundesgesetz über die Gründung einer Österreich Institut G.m.b.H. (Österreich Institut-Gesetz) und ein Bundesgesetz über die "Diplomatische Akademie Wien".

Die Berichterstattung über die Punkte 2 und 3 hat Herr Bundesrat Mag. Gerhard Tusek übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.

Berichterstatter Mag. Gerhard Tusek: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Zum Bericht über das Österreich Institut-Gesetz:

Aufgabe der Österreich Institut G.m.b.H. ist die Durchführung von Deutschkursen im Ausland. Im Auftrag der zuständigen Bundesorgane kann sie die Durchführung weiterer kultureller Aufgaben im Ausland, wie Entsendung von Lektoren, Lehrern, Betreuung von Österreich-Bibliotheken und so weiter, übernehmen.

Ziel der Ausgliederung ist die Sicherung eines professionellen Managements der Deutschkurse – qualifizierte Kursleiter, pädagogische Betreuung, Einsatz geeigneter Unterrichtsmaterialien, Lehrerfortbildung und so weiter –, die Ermöglichung weitgehender Eigenfinanzierung – Kurs- und Prüfungsgebühren und so weiter – und die Schaffung eines rechtskonformen Einsatzes österreichischer Lehrer.

Die Finanzierung der Österreich Institut G.m.b.H. erfolgt durch eigene Einnahmen und durch jährliche Zuschüsse aus dem Bundesbudget. Für die ersten sechs Jahre ist zusätzlich zum Stammkapital von 1 Million Schilling ein Zuschuß von 87,5 Millionen Schilling erforderlich. Vergleichsweise ergeben die auf sechs Jahre hochgerechneten Kosten der Deutschkurse im Jahr 1994 – Durchführung Sektion V des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten – 92,9 Millionen Schilling. Damit führt die Ausgliederung trotz der Kosten für die Einrichtung der Zentrale bereits in den ersten sechs Jahren zu Budgeteinsparungen von 4,4 Millionen Schilling.

Mit der Ausgliederung ist eine Einsparung von insgesamt zwölf Planstellen verbunden.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe auch den Bericht über die "Diplomatische Akademie Wien":

Aufgrund der seit ihrer Gründung im Jahr 1964 eingetretenen Globalisierung der internationalen Beziehungen und der zunehmenden Konkurrenz vergleichbarer Ausbildungsstätten im In- und Ausland stellt die Diplomatische Akademie als Organisationseinheit des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten nicht mehr die für eine betriebswirtschaftliche Durchführung markt- und wettbewerbsorientierter Lehrgänge und Veranstaltungen geeignete Konstruktion dar.

Mit dem gegenständlichen Gesetzesbeschluß des Nationalrates wird die Diplomatische Akademie in eine betriebswirtschaftlich geführte Anstalt öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgegliedert.

Das Ausbildungsangebot wird an die Bedürfnisse eines modernen Außendienstes sowie an die Bedürfnisse der in- und ausländischen Interessenten insbesondere aus Osteuropa und den Entwicklungsländern angepaßt.

Der bisherige zweijährige Lehrgang wird auf einen einjährigen reduziert.

 


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Es wird ein postgradualer Höherer Lehrgang für Internationale Studien in Kooperation mit einer österreichischen Universität eingerichtet.

Durch ein Angebot von Spezialkursen und Seminaren werden zusätzliche Einnahmen erschlossen und wird die Kostendeckungsquote verbessert.

Der Aufwand für die Diplomatische Akademie wird beim Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten veranschlagt. Die Ausgliederung bewirkt durch Erschließung und betriebswirtschaftliche Verwertung zusätzlicher Einnahmen eine mittel- und langfristige Entlastung des Stellenplanes des Bundes im Ausmaß von 24 Planstellen per 1. Jänner 1997.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm.

15.09

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Firmennamen Österreich Institut G.m.b.H., im folgenden als Gesellschaft bezeichnet, zu gründen. – So heißt es in der Einleitung dieser Vorlage.

Der Unternehmensgegenstand ist die Durchführung von Deutschkursen auf internationalem Niveau im Ausland, die Unterstützung der fachlichen Betreuung des Deutschunterrichtes, die Erstellung von privatrechtlichen Verträgen, die diese Aufgabe, wie ich sie vorher darlegte, zum Inhalt haben, und eine Zusammenarbeit mit interessierten in- und ausländischen Institutionen.

Eines ist mir dabei aufgefallen: Die Anteile der Gesellschaft sind zu 100 Prozent dem Bund vorbehalten. In der Überschrift für diese Vorlage wird gesagt: Die Ausgliederung dient dazu, um die Effizienz zu steigern. – Jetzt frage ich mich, warum bei diesem Gesellschaftsmodell einer Ausgliederung aus der Bundeshoheit in die Privatwirtschaftsverwaltung 100 Prozent doch wieder im Bereich des Bundes bleiben sollen.

Es gibt genug Bereiche und Institutionen – unter Punkt 5, ich habe es vorhin ausgeführt, sind diese auch genannt –, die durchaus bereit gewesen wären – wenn man sie nur eventuell gefragt hätte –, sich ebenfalls an dieser Gesellschaft zu beteiligen. Dadurch würde die Ausgliederung auch durchaus effizient werden. Ich nenne hier zum Beispiel einen Kursveranstalter aus Graz, die Institution "Deutsch in Graz", oder das Lenau-Institut, von Altösterreichern und deutschen Siedlern in Fünfkirchen gegründet, oder etwa der Alpenländische Kulturverband Südmark, der im Banat Altsteirer betreut. Das sind Bereiche, die möglicherweise genau den gleichen Unternehmenszweck haben und die man hiezu hätte einladen können, wenn man schon privatisiert und wenn man schon sagt, daß diese Privatisierung nicht aus Kostengründen allein erfolgt. Im Ausschuß wurde uns nämlich mitgeteilt, daß diese Angelegenheit kostenneutral ist. Aber dafür bildet man einen relativ großen Aufsichtsrat von acht Mitgliedern und gibt diesem Aufsichtsrat noch einen Fachbeirat bei. Warum einfach, wenn es auch umständlich geht? – Ich meine, man könnte das alles mit wesentlich weniger Kasuistik machen. Ich glaube, daß hier ein Zweck relativiert wird, der an und für sich ein sehr guter wäre.

Die personelle Ausstattung der Gesellschaft – um weitere Dinge zu nennen – besteht unter anderem aus zwei Geschäftsführern für die fachliche Führung – warum zwei? – und weiteren administrativen Mitarbeitern. Insgesamt besteht die Zentrale, die ihren Sitz in Wien hat, aus zwei

 


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leitenden und 15 weiteren Mitarbeitern. Es entsteht also ein großer Verwaltungswasserkopf im privatwirtschaftlichen Bereich.

Unserer Meinung nach hätte es gereicht, wenn die einzelnen Bereiche, die einzelnen Außenstellen – durchaus dezentral sich selbst verwaltend – einer zentralen Stelle, die heute im Bundesministerium angesiedelt ist, verantwortlich gewesen wären. Hinten herum kommt dann natürlich auch noch heraus, daß sich der Unternehmensgegenstand der Gesellschaft auf den Kompetenzbereich des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten beschränkt. Man hat also die Hoheitsverwaltung deswegen abgeschafft, um einen direkteren Weisungsweg zu finden. Ich halte das an und für sich nicht für besonders sinnvoll!

Das Ganze ist eine Angelegenheit, die im Ansatz durchaus berechtigt schien, nämlich die Privatisierung, die Möglichkeit, daß Private mittun. Die Zielvorgabe wurde leider Gottes in diesem Bereich nicht erreicht.

Nun zu dem weiteren Tagesordnungspunkt, der hier in der Debatte gemeinsam abgeführt wird: Im Jahr 1964 wurde aufgrund der Globalisierung der internationalen Beziehungen die Diplomatische Akademie gegründet. Die in- und ausländischen Interessenten haben sie laut Bericht stark frequentiert, und es hat diese Akademie an und für sich einen guten Namen.

Auch hier wurden wieder zwei Schwerpunkte für die Ausgliederung genannt: einerseits die Verselbständigung, die Privatisierung, andererseits als weiteren Schwerpunkt die Verkürzung des post-graduate Studiums von zwei Jahren auf ein Jahr.

Es heißt allerdings – das ist für mich ein kleiner Widerspruch –: Die Diplomatische Akademie genießt als postuniversitäre Ausbildungsstätte einen weltweit anerkannten, ausgezeichneten Ruf. Dieser wird durch die Zusammenarbeit mit den Diplomatenakademien befreundeter Staaten und anderer international renommierter Institute hinlänglich unter Beweis gestellt. Darüber hinaus besteht der Wunsch vieler mit der Diplomatischen Akademie vergleichbarer ausländischer Institutionen nach Zusammenarbeit.

All das ist verständlich, und all das ist klar. Die Tradition wird auch noch angeführt, und dann heißt es: Um die im staatspolitischen Interesse liegenden Tätigkeiten der Diplomatischen Akademie zu optimieren, hat das Arbeitsübereinkommen der beiden Regierungsparteien für die XVIII. Gesetzgebungsperiode bereits eine Reform der Diplomatischen Akademie vorgesehen. Aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen wurde eine Reform nur im Zusammenhang mit einer gleichzeitigen Ausgliederung für zweckmäßig gehalten. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde aufgrund des sich daraus ergebenden zusätzlichen Klärungsbedarfes nicht mehr zeitgerecht dem Parlament zugeleitet.

Meine Frage: Was hätte damals geklärt werden sollen, und was ist bis jetzt noch immer ungeklärt? – Grundsätzlich sei festgehalten: Wenn es hiebei Leerläufe gegeben hat, dann hätten wir das sehr einfach verkürzen können. Da hätten wir heute keine große Novellierung und keine teilweise Verselbständigung machen müssen. Ich weiß schon, daß diese Verselbständigung auch den finanziellen Background hat, daß man allfällige Einnahmen für sich selbst lukrieren kann, daß man Vortragende engagieren kann und so weiter. All das ist klar.

Aber ich habe das im Ausschuß hinterfragt und mir die Disposition angesehen, die notwendig ist: Es werden rund 30,3 Millionen Schilling nach wie vor als Zuschuß gegeben. Und es ist einfach unverständlich, wenn hier gesagt wird: Es werden 24 Planstellen eingespart. – Stimmt ja nicht! Sie werden nur verlagert, hinaus verlagert, und dort existieren sie an und für sich weiter. Dazu ist auch diese Subvention notwendig. Es gibt einfach gewisse Vorkehrungen, die den entsprechenden Einfluß des Außenministeriums sichern sollen.

Für mich beziehungsweise für unsere Fraktion ist der Grund für dieses Novellierungsbegehren in beiden Bereichen nicht erkennbar. Ich gestehe durchaus zu, daß entsprechende Ansätze zur Vereinfachung vorhanden waren, wie etwa die Verkürzung der Lehrzeit von zwei Jahren auf ein Jahr. Aber damit hat man auch hier Dinge gemacht, die durchaus in das Sparpaket, sprich Belastungspaket, hineinpassen. Man hat gesagt: Bei der Diplomatischen Akademie sparen wir


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24 Dienstposten und beim Österreich Institut 12 Dienstposten ein. – Faktum ist, daß diese Dienstposten zwar im Dienstpostenplan des Bundes nicht mehr aufscheinen, aber nur nach außen hin verlagert wurden.

Aus den angeführten Gründen sieht sich unsere Fraktion nicht in der Lage, dieser Vorlage die Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.17

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach. Ich erteile der Frau Vizepräsidentin das Wort.

15.18

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die beiden zur Debatte stehenden Gesetzesbeschlüsse des Nationalrats sollen vor allem zwei Ziele erreichen, nämlich a Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit und b Qualitätssteigerung.

Erreicht werden soll das einerseits durch ein Verändern der Rechtsgrundlage für die Sprachkurse, die derzeit im Rahmen der österreichischen Kulturinstitute angeboten werden, und andererseits durch die Reform der Diplomatischen Akademie. Beiden Materien gemeinsam ist das Vorhaben, die Außenwirkung und Attraktivität österreichischer Bildungseinrichtungen zu erhöhen und sie den Erfordernissen der Zeit anzupassen.

Nun zum Österreich Institut-Gesetz. Meine Damen und Herren! Ich will mich nicht mit dem oppositionellen, wie gewohnt kleinkarierten Bekritteln von vielleicht doch nicht zu erzielenden Spareffekten auseinandersetzen, sondern grundsätzlich festhalten, warum ich meine, daß das Anbieten von Sprachkursen so ungeheuer wichtig ist.

Es ist heute allgemeiner Bewußtseinsstand, daß berufliche Qualifikation und Mobilität wachsende Sprachkompetenz verlangen. Aber das allein ist es doch nicht, warum wir meinen, daß es eben nicht genügt, wenn die Goethe-Institute Deutschkurse im Ausland anbieten, sondern daß es österreichische Kurse sein sollen. Denn: Sich einer fremden Sprache zu widmen, zielt ja nicht nur auf die Sprache selbst ab, sondern ist auch ein Symbol der Zuwendung zu anderen Kulturen, zu anderen Menschen.

Bedenken wir immer: Mit den Mitteln der Sprache erschließt sich der Mensch die Welt. Fremdsprachen in ihrer Vielfalt tragen dazu bei, die Vielfalt dieser Welt zu erfahren. Vor allem helfen sie, die Gedankenwelt anderer Menschen zu verstehen.

Fremdsprachen sind wichtig, weil sie eben die Tür zu anderen Menschen aufstoßen, weil sie Barrieren und Grenzen überwinden lassen. Sie bieten somit die große Chance, mehr von den Lebensweisen und Anschauungen anderer, zunächst fremder Menschen zu erfahren. Schon Wilhelm von Humboldt meinte: Jede Sprache ist ein besonderer, nicht ersetzbarer Weltzugang!

Vor allem aus diesen Überlegungen meine ich, daß die Errichtung der Österreich Institute gut und vernünftig ist. Die Entkopplung von den Kulturinstituten gibt die Chance, sich ganz gezielt modernsten Methoden im Sprachunterricht zuzuwenden. Dadurch wird die Qualität des Angebotes steigen – das wird sich unter den Interessierten sicher sehr rasch herumsprechen und so die angestrebte weitgehende Eigenfinanzierung ermöglichen; abgesehen von der zu erwartenden Umwegrentabilität, weil eben für die Kursteilnehmer Österreich dann mehr ist als das Land der Lipizzaner, der Mozartkugeln und der Sängerknaben.

Sprachen lernen verträgt sich nicht mit Abschottung oder Engstirnigkeit. Es ist ein Bekenntnis zu Offenheit und Weite. Dieses Bekenntnis zu Offenheit und Weite ist eine unverkennbare Tendenz des Österreich Institut-Gesetzes. Nicht zuletzt deshalb wird meine Fraktion dem Antrag, keinen Einspruch zu erheben, zustimmen.

Auch der Reform der Diplomatischen Akademie werden wir unsere Zustimmung geben, ermöglicht diese Reform doch eine Anpassung des Bildungsangebots an die internationale Nachfrage.

 


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Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei diesem Gesetzesbeschluß des Nationalrates um die gelungene Verbindung von bewährtem Bildungsauftrag und Bildungsziel mit neuen Anforderungen. Schon bisher hat es sich bewährt, Österreicher für den eigenen diplomatischen Dienst beziehungsweise für Tätigkeiten in internationalen Organisationen auszubilden und daneben auch offen zu sein für Studierende aus dem Ausland, vornehmlich aus Entwicklungsländern und neuerdings auch aus den Staaten des früheren Ostblocks.

Es ist eigentlich gar nicht notwendig zu betonen, daß junge Menschen, die hier bei uns eine qualitativ erstklassige Ausbildung erhalten, bei ihrer Rückkehr in ihr Heimatland natürlich ein Österreichbild mitnehmen, das sich positiv auf die weitere Zusammenarbeit auswirkt. Ganz automatisch wird das dazu beitragen, bei den Studierenden Vorurteile über Kollegen aus anderen Ländern zu vermeiden, zukünftige Zusammenarbeit wird in hohem Maß gefördert, und – das halte ich für ganz besonders wichtig – die nichtösterreichischen Studierenden lernen hier das Funktionieren einer pluralistischen, demokratischen, die Menschenrechte und Menschenwürde achtenden Gesellschaft kennen, und sie lernen diese Werte auch als unverzichtbar schätzen. Das war während der bisherigen zweijährigen Ausbildung so, und das wird auch innerhalb der neuen Strukturen so sein.

Meine Damen und Herren! Unser auswärtiger Dienst ist geprägt von bestens ausgebildeten und gebildeten Generalisten. Das ist sicher ein österreichisches und auch europäisches Spezifikum, das anerkannt und durchaus auch bewundert wird. Ich glaube nur, die Anforderungen der Zeit verlangen darüber hinaus eine immer größere Spezialisierung.

Spezialwissen muß heute bereits mitgebracht werden, für ein Learning-by-doing fehlt die Zeit, da läuft einem die Konkurrenz uneinholbar davon. Und gerade dieser Erkenntnis trägt die Neuordnung der Studien an der Diplomatischen Akademie im Verbund mit der Universität Wien Rechnung. Die Möglichkeit, nach abgeschlossenem Studium durch einen post-graduate höheren Lehrgang ein international anerkanntes und weltweit auch verstandenes Masters degree zu erlangen, wird vielen Absolventen die Chance eröffnen, auch außerhalb Österreichs einer hochqualifizierten Beschäftigung nachgehen zu können.

Nur wenn mehr Österreicher als bisher in internationalen Konzernen und Organisationen in Führungspositionen sind, wird der Bestand unseres Landes auch als anerkannter Wirtschaftspartner und als ein Land, das vernünftige Problemlösungsmodelle anbieten kann, gesichert sein.

Über 30 Jahre hat die Diplomatische Akademie hervorragende Arbeit geleistet, jetzt werden Bedingungen geschaffen – das muß auch hervorgehoben werden – aus der Erfahrung der Akademie heraus, Bedingungen, die es ermöglichen, in der Ausbildung einer zunehmenden internationalen Konkurrenz standzuhalten, und die die notwendige Flexibilität garantieren.

Die Ausgliederung aus der Bundesverwaltung eröffnet die Möglichkeit der betriebswirtschaftlichen Führung des Instituts, das damit rascher auf neue Anforderungen reagieren kann, als das bisher der Fall war.

Meine Damen und Herren! Mit unserer Zustimmung zur Reform der Diplomatischen Akademie ermöglichen wir einen modernen, zukunftsweisenden Studienbetrieb, der letztlich auch dazu beitragen wird, Österreichs guten Ruf im Ausland zu mehren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.28

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile es ihm.

15.28

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Hoher Bundesrat! Die beiden vorliegenden Gesetze signalisieren für mich als Wirtschaftler erfreuliche Entwicklungen in unserer Bundesverwaltung. Ich bin davon überzeugt, daß die meisten Tätigkeiten mit wirtschaftlichem Hintergrund unter marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wesentlich besser und effizienter durchgeführt werden können. Es ist allerdings notwendig, den handelnden Personen den notwendigen Freiraum für ihre Tätigkeit und für die


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Eigengestaltung zu geben. Natürlich kann man wie die "F" in jeder Suppe ein Haar finden. (Bundesrat Dr. Tremmel: Nur eines? – Bundesrat Mag. Langer: Das war eine ganze Perücke! – Weiterer Ruf bei den Freiheitlichen: Vor lauter Haaren findet man die Suppe nicht!) Herr Kollege! Auch ich habe im Stellenplan zuerst genau nachgesehen, wie es ist, und dann nachgelesen und kann Ihnen sagen: Die Berichte sind eigentlich schon richtig, es wird ja nicht davon gesprochen, daß eine Stelle eingespart wird, sondern es wird nur von der Entlastung des Stellenplanes des Bundes gesprochen. Die betroffenen Bediensteten können natürlich dann woanders beschäftigt werden.

Beim Österreich Institut-Gesetz wird davon gesprochen, daß im Rahmen der Gegebenheiten der Bundesverwaltung eine dem heutigen internationalen professionellen und wirtschaftlichen Standard entsprechende Durchführung der Deutschkurse nicht mehr möglich ist.

Beim Akademiegesetz wird die Ausgliederung damit begründet, daß die Organisationseinheit des Bundesministeriums keine geeignete Konstruktion für eine betriebswirtschaftliche Durchführung markt- und wettbewerbsorientierter Lehrgänge und Veranstaltungen mehr darstellt.

Daraus ergeben sich natürlich auch schon die Ziele der beiden vorliegenden Bundesgesetze: Durch diese Ausgliederung sollen mehr Effizienz, Professionalität, Flexibilität und – was angesichts der Sparmaßnahmen von besonderer Bedeutung ist – auch mehr Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Natürlich sind bei beiden Gesetzen die notwendige Verantwortung und Kontrolle des Bundes gesichert, wie uns im Ausschuß eindrucksvoll bestätigt wurde.

Ich habe, wie bereits im Ausschuß erwähnt, den Eindruck, es weht in einem Ministerium ein Mailüfterl. Die Beamten des Außenministeriums gehen damit einen neuen und zukunftsweisenden Weg.

Wenn über solche Gesetze diskutiert wird, besteht immer die Gefahr, daß durch die Zielsetzung von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit die Beamten insgesamt in ein schlechtes Licht geraten. Aber der Grund für das Nichtfunktionieren dieser Strukturen in der Bundesverwaltung ist, daß wirtschaftliche Tätigkeit und öffentliche Verwaltung zwei völlig verschiedene Aufgabenstellungen bedeuten: Auf der einen Seite haben wir die öffentliche Verwaltung in Gemeinden, Ländern und Bund, die für diese Verwaltung zuständigen Bediensteten, auf der anderen Seite handelt es sich um wirtschaftliche oder wirtschaftsähnliche Tätigkeiten, die ganz andere Handlungsweisen bedingen, andere Rahmenbedingungen als Handlungsgrundlage haben und auch andere Anforderungen an die Mitarbeiter stellen.

In den vergangenen Jahrzehnten hat die öffentliche Hand immer mehr privatwirtschaftliche Aufgaben übernommen – sicher mit guter Absicht und im Glauben, diese Arbeiten besser erledigen zu können. Das mag zu Beginn auch zugetroffen haben, in der öffentlichen Verwaltung fehlt aber das normale wirtschaftliche Regulativ dafür, daß Arbeiten, wenn sie nicht mehr den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechen, nicht mehr durchgeführt werden können.

In der Wirtschaft besteht durch Angebot und Nachfrage sowie durch Ausgleich und Konkurs eine ständige Kontrolle des Preis-Leistungs-Verhältnisses. Diese Kontrolle gibt es in der öffentlichen Verwaltung nicht, deshalb werden wirtschaftliche Tätigkeiten, die durch die öffentliche Verwaltung durchgeführt werden, im Laufe der Zeit immer unwirtschaftlicher.

In diesem Bereich schlummern übrigens noch Tausende Möglichkeiten von Einsparungen bei der öffentlichen Verwaltung; angefangen von den Gemeinden über die Länder bis zum Bund, bei Veranstaltungszentren, Bauhöfen, Schwimmbädern, Sportstätten bis hin zu den Österreichischen Bundesbahnen und den Universitäten.

All diese Fehlentwicklungen, nämlich Übernahme von wirtschaftlichen Tätigkeiten durch die öffentliche Verwaltung, konnten nur deshalb zustande kommen, weil die öffentliche Hand zu viel Geld hat! Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß Gemeinden, Länder und Bund viel zuviel Steuergelder in Händen haben. (Ruf bei den Freiheitlichen: Bravo!) Nur deshalb konnte die öffentliche Verwaltung Leistungen anbieten, die nicht mehr zu ihren Pflichtaufgaben gehören. (Bundesrat Dr. Kapral: Da haben wir ja einen Mitstreiter beim Belastungspaket!) Eine arme kleine Ge


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meinde kann sich keinen Bauhof leisten, sie muß die notwendigen Arbeiten an die jeweiligen privaten Unternehmer vergeben.

Die österreichischen Verwaltungsbeamtinnen und Verwaltungsbeamten sind dazu da, fleißig und mit hoher Sachkenntnis die Verwaltung unseres Landes sicherzustellen. Es wäre nach meiner Auffassung ein Fehler, sie dem scharfen Wind der wirtschaftlichen Tätigkeit auszusetzen. Dazu sind eben andere Strukturen nötig.

Lassen Sie mich einen Vergleich bringen. Das wäre so ähnlich, als würde man dem ersten Geiger der Wiener Philharmoniker sagen, er solle auf der Originalgeige von Johann Strauß, die er übrigens zum Neujahrskonzert spielte, die Schafgeige zum Zillertaler Hochzeitsmarsch spielen. Das würde eben nicht passen.

Wir von der ÖVP geben diesem Gesetz, das mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit verspricht, gerne unsere Zustimmung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.35

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Dr. Manfred Mautner Markhof. Ich erteile es ihm.

15.35

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Hoher Bundesrat! Auch ich darf mich heute mit dem Bundesgesetz über die "Diplomatische Akademie Wien" und mit dem Bundesgesetz über die Gründung einer Österreich Institut G.m.b.H. – in der Kurzform: Österreich Institut-Gesetz – auseinandersetzen.

Inhalt des ersten Gesetzes sind die Ausgliederung der Diplomatischen Akademie in eine betriebswirtschaftlich geführte Anstalt öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, die Reduzierung des zweijährigen Lehrgangs auf ein Jahr und die Einrichtung eines postgradualen Höheren Lehrgangs für Internationale Studien in Kooperation mit einer österreichischen Universität – das halte ich für eine ganz ausgezeichnete Lösung, die uns, glaube ich, noch große Möglichkeiten eröffnen wird.

Gegenstand des zweiten Gesetzes ist die Ausgliederung der Deutschkurse in eine Österreich Institut G.m.b.H. im Eigentum des Bundes – vertreten durch das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten.

Meine Damen und Herren! Die 1964 gegründete Diplomatische Akademie in Wien, die an die Tradition der ehemaligen Konsularakademie anknüpft, genießt weltweit zweifellos einen ausgezeichneten Ruf. Aber angesichts der zunehmenden Globalisierung der internationalen Beziehungen und aufgrund der stärker werdenden Konkurrenz vergleichbarer Ausbildungsstätten im In- und Ausland halte ich die vorgesehene Reform der Diplomatischen Akademie und ihre Ausgliederung aus der Bundesverwaltung für ein absolutes Gebot der Stunde. Denn dies ist die Grundvoraussetzung für ein flexibleres Agieren der Diplomatischen Akademie sowohl im inhaltlichen als auch im wirtschaftlichen Sinne, wodurch die Akademie in noch stärkerem Ausmaß als bisher auf die zeitgemäßen Erfordernisse der postuniversitären Diplomatenausbildung eingehen kann.

Es ist auch sehr positiv, daß der Akademie mit diesem Gesetz Möglichkeiten zur Erschließung zusätzlicher Einnahmsquellen geboten werden, was nicht zuletzt zu einer Entlastung des Bundeshaushaltes führen wird.

Meine Damen und Herren! Abgesehen davon, daß mir die Diplomatische Akademie ganz besonders am Herzen liegt, hatte ich doch selbst vor einigen Jahren einen Lehrauftrag dort inne, bin ich der festen Überzeugung, daß die immense Bedeutung einer Institution wie der Diplomatischen Akademie nicht oft genug hervorgehoben werden kann.

Wenn der eine oder andere Mitbürger der Ansicht sein mag, im Zeitalter weltweit vernetzter Kommunikationsmedien verringere sich die Notwendigkeit diplomatischer Vertretungen und der Reisediplomatie, so kann ich darauf nur antworten: Noch nie waren diplomatische Vertretungen


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vor Ort und die Reisediplomatie von so großer Bedeutung wie heute, denn auch die heute gegebenen technischen Möglichkeiten können keinen Ersatz für die persönliche Begegnung, für das persönliche Gespräch sein. Hier erfüllen Diplomaten heutzutage mehr denn je eine äußerst wichtige Funktion.

In Zeiten einer immer stärker zunehmenden Globalisierung ist es einfach notwendig, daß man sich im jeweiligen Land an den Vertreter Österreichs wenden kann, der ein Briefing darüber geben kann, wer beziehungsweise wo die richtigen Ansprechpersonen für das entsprechende Anliegen sind.

Auch innerhalb der Europäischen Union ist dies von eminenter Bedeutung, denn für Verhandler jedweder Art ist eine gute Vorbereitung in Form des soeben genannten Briefings von seiten eines österreichischen Vertreters vor Ort eine wichtige Grundlage.

Was aber auch keineswegs unterschätzt werden darf, ist folgendes: Ein Diplomat kann durch sein persönliches Engagement sehr viel dazu beitragen, das Ansehen und die Bedeutung seines Landes im Ausland zu steigern. Ich meine, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß die Art und Weise, wie zum Beispiel ein Botschafter auftritt, unter anderem ein ganz wesentlicher Faktor für die Sympathiewerte, die seinem Land entgegengebracht werden, ist.

An dieser Stelle möchte ich betonen, daß ich die Symbiose von Österreichs diplomatischen Vertretungen auf der einen Seite und den Außenhandelsstellen auf der anderen Seite für besonders wichtig und gelungen halte. Denn sosehr auch ein Diplomat immer mehr mit wirtschaftlichen Belangen zu tun hat, so ist sein Wirkungsfeld doch in besonderem Maße auf die Politik konzentriert, wodurch er in so manchem Bereich nicht so agieren kann, wie dies einem Handelsdelegierten möglich ist und vice versa. Für Österreichs Wirtschaft bedeutet es jedenfalls doppelte Schlagkraft im Ausland.

Große Firmen zeigen seit langem ebenfalls ein großes Interesse an den Absolventen der Diplomatischen Akademie. Ein erfolgreicher Manager muß sehr oft auch ein guter Diplomat sein – im wahrsten Sinne des Wortes. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Daß die Diplomatische Akademie mit ihrer fundierten Ausbildung den Grundstein für ein wirkungsvolles Agieren der österreichischen Vertreter im Ausland legt, ist aber nur eine Seite der Medaille. Die andere ist die Ausbildung von Diplomaten anderer Staaten. Waren Ausbildungsplätze an der Akademie schon in der Vergangenheit international sehr gefragt, so ist die Nachfrage nach dem Fall des Eisernen Vorhangs besonders gestiegen.

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, daß an der Diplomatischen Akademie neben regulären Lehrgängen seit Oktober 1990 228 Angehörige von Außenministerien aus 26 Reformstaaten Zentral- und Osteuropas sowie der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten und der Mongolei in Sonderausbildungskursen eine Spezialausbildung erhalten haben.

Es ist unschwer zu erkennen, daß es sich bei der Diplomatischen Akademie um ein außenpolitisches Instrument von größter Bedeutung handelt. Etliche der ausländischen Absolventen nehmen mittlerweile Spitzenfunktionen in der Politik und in der Verwaltung ihrer Länder ein, und es liegt in der Natur der Sache, daß diese Politiker und Diplomaten zu Österreich, dem Land, in dem sie studiert haben, einen intensiveren Bezug haben als jemand, der unser Land nicht kennt.

Ein Land zu kennen, bedeutet aber vor allem, seine Kultur zu kennen. Deshalb möchte ich auch kurz auf die kulturelle Komponente eingehen, die ich für mindestens ebenso wichtig erachte wie die Bereiche Politik und Wirtschaft.

Meiner Ansicht nach darf es kein wie immer geartetes Konkurrenzverhältnis zwischen Politik, Wirtschaft und Kultur geben. Ganz im Gegenteil: Es sollte noch viel mehr die Einsicht wachsen, daß diese Bereiche eng miteinander verflochten sind und einander bedingen.

Die kulturelle Komponente ist in erster Linie jene, mit deren Hilfe jenes Ambiente aufbereitet wird, in dem Menschen gerne zusammentreffen und in der Kreativität blühen kann. Wirtschaft


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liche und politische Aktivitäten bauen in einem nicht zu unterschätzenden Maße auf die Grundlagen auf, die die Kultur geschaffen hat.

Als ein Beispiel von vielen möchte ich die Wiener Philharmoniker nennen. Meine Damen und Herren! Wenn dieses renommierte Orchester ein vielbeachtetes Gastspiel, zum Beispiel in Japan, absolviert, dann hat dies einen Werbeeffekt für Österreich, wie er in unzähligen Imagekampagnen nur schwer erzielt werden kann. Kulturelle Aktivitäten wie diese bereiten einen Boden auf, der auch für die Wirtschaft Chancen eröffnet, die meiner Meinung nach viel stärker genützt werden sollten. Einrichtungen, wie die österreichischen Kulturinstitute und eben das zukünftige Österreich Institut sind deshalb von unschätzbarem Wert.

Ich möchte auch betonen, daß ich die Ausgliederung der Deutschkurse aus den Kulturinstituten und die Gründung des Österreich Instituts insofern für sinnvoll erachte, als damit eine flexible privatwirtschaftliche Struktur geschaffen wird, die die Erschließung ebenfalls neuer Einnahmsquellen ermöglicht.

Beim Thema Sprachen kann ich nicht umhin, auch eine zusätzliche Anmerkung zu machen. Das Beherrschen von zwei Fremdsprachen kann heutzutage schon fast als eine Mindestvoraussetzung bezeichnet werden. Angehenden österreichischen Diplomaten, aber vor allem angehenden österreichischen Managern kann ich nur wärmstens empfehlen, zumindest auch eine osteuropäische Sprache zu lernen, denn es ist vor Ort nicht nur eine Frage des guten Eindrucks, wenn man die entsprechende Landessprache spricht, sondern es ist auch von einem unendlich großen Wert, wenn man in Verhandlungen nicht zur Gänze auf den Dolmetscher angewiesen ist.

Beim Stichwort Verhandlungen eine weitere Ergänzung: Ich halte es für außerordentlich wichtig, daß an der Diplomatischen Akademie auch die Vermittlung von wirtschaftlichen Zusammenhängen nicht zu kurz kommt, denn als Diplomat ist man zunehmend mit wirtschaftlichen Fragen befaßt, und ein sicheres Auftreten auch in diesem Bereich erweist sich immer mehr als notwendiges Rüstzeug.

Und da darf ich ein kleines Ceterum censeo meinerseits hinzufügen. Die Ausbildung in protokollarischen Fragen ist schließlich etwas, das auch für die angehenden Manager unter den Akademieabsolventen von größtem Nutzen ist. Protokollfragen sind nämlich beileibe kein alter Zopf, sondern die Abrundung eines guten Verhandlungsklimas, denn es sollte nicht passieren, daß eine gut geführte Verhandlung letztlich an einem protokollarischen Fauxpas scheitert. Die entsprechenden Fälle hat es leider schon gegeben.

Meine Damen und Herren! Ich möchte nun zum Abschluß meiner Ausführungen kommen. Die Diplomatische Akademie hat schon in der Vergangenheit Großartiges geleistet, und ich bin davon überzeugt, daß sie nach ihrer Reform noch mehr positive Akzente setzen kann.

Dies und auch die Schaffung des Österreich Instituts werden dazu beitragen, daß Österreichs Ansehen im Ausland immer weiter wächst. Daher haben meine Parteifreunde und ich keinen Einwand gegen die vorliegenden Bundesgesetze. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung das Wort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung , die über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt. (Bundesrat


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Dr. Tremmel: Ich bitte um Feststellung der Beschlußerfordernisse, ob die Voraussetzungen des § 58 der Geschäftsordnung noch gegeben sind! – Bundesrat Prähauser: Sie meinen die Beschlußfähigkeit! – Warum sind die Blauen nicht da? – Bundesrat Dr. Tremmel: O ja, die sind da! – Bundesrat Prähauser: Die prozentmäßige Feststellung wäre auch gut, SPÖ und ÖVP!)

Es sind 26 Bundesräte im Saal. Damit ist das entsprechende Quorum gegeben.

Nachdem festgestellt wurde, daß die erforderliche Anzahl von Bundesräten im Saal anwesend ist, kommen wir zur Abstimmung über die beiden Vorlagen.

Als erstes lasse ich abstimmen über den Beschluß des Nationalrates vom 13. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Gründung einer Österreich Institut G.m.b.H., kurz genannt Österreich Institut-Gesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 13. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die "Diplomatische Akademie Wien", das sogenannte Diplomatische Akademie-Gesetz 1996.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 21. März 1996 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Estland andererseits samt Anhängen und Protokollen (78/NR sowie 5158/BR der Beilagen)

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 21. März 1996 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Litauen andererseits samt Anhängen und Protokollen (79/NR sowie 5159/BR der Beilagen)

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 21. März 1996 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Lettland andererseits samt Anhängen und Protokollen (80/NR sowie 5160/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Estland andererseits samt Anhängen und Protokollen,


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ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Litauen andererseits samt Anhängen und Protokollen und

ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Lettland andererseits samt Anhängen und Protokollen.

Die Berichterstattung über die Punkte 4 bis 6 hat Herr Bundesrat Gottfried Jaud übernommen. Ich darf um die Berichterstattung bitten.

Berichterstatter Gottfried Jaud: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Ich bringe den Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 21. März 1996 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Estland andererseits samt Anhängen und Protokollen.

Mit dem Abschluß von Europa-Abkommen mit den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sollen diese voll in die für die bereits assoziierten sechs Länder Mittel- und Osteuropas von den Staats- und Regierungschefs in Essen – Dezember 1994 – beschlossene Vorbeitrittsstrategie einbezogen werden, die einen institutionalisierten politischen Dialog sowie konkrete Vorbereitungen im Hinblick auf einen späteren Beitritt zum Binnenmarkt umfaßt.

Zu diesem Zweck werden die Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EWG und den baltischen Staaten von 1992 und die Freihandelsabkommen zwischen der EWG, der EAG sowie der EGKS und den baltischen Staaten von 1994 durch Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten und den baltischen Staaten ersetzt. Die Unterzeichnung dieser Abkommen erfolgte anläßlich des Rates Allgemeine Angelegenheiten am 12. Juni 1995 in Brüssel.

Gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG ist das gegenständliche Europa-Abkommen in allen authentischen Sprachfassungen dadurch kundzumachen, daß dieses zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Zum 5. Tagesordnungspunkt bringe ich den Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 21. März 1996 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Litauen andererseits samt Anhängen und Protokollen.

Frau Vizepräsidentin! Wenn Sie erlauben, weise ich auf den Text meines eben verlesenen Berichtes hin und stelle für diesen Tagesordnungspunkt nur den Antrag.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

 


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Zum 6. Tagesordnungspunkt bringe ich den Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 21. März 1996 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Lettland andererseits samt Anhängen und Protokollen.

Frau Vizepräsidentin! Mit Ihrer Genehmigung verweise ich auch hier auf meinen anfangs verlesenen Bericht und stelle nur den Antrag.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke dem Herrn Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konečny.

15.53

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht zu diesen drei Abkommen in irgendeiner detaillierten Form Stellung nehmen. Der Satz, daß der Abschluß einer solchen Vereinbarung mit den baltischen Republiken im höchsten Maße zu begrüßen ist, genügt dafür völlig.

Ich möchte in diesem Zusammenhang lediglich auf etwas aufmerksam machen, was mich im zunehmenden Maße traurig stimmt. Die Europäische Union hat mit praktisch allen Staaten Mittel- und Osteuropas solche Assoziationsverträge abgeschlossen. Diese Verträge sind durchwegs ratifiziert oder im Ratifizierungsverfahren durch die Mitgliedstaaten.

Es ist gerade ein Staat, und zwar einer von denen, die in ihrer Entwicklung zur Marktwirtschaft und zur Demokratie am weitesten fortgeschritten sind, der bisher nicht durch einen solchen Assoziierungsvertrag an die Europäische Union gebunden wurde.

Ich nehme also die drei Vorlagen zum Anlaß, erneut darauf hinzuweisen, daß es nicht angeht, daß aus kleinlichen, um nicht zu sagen revanchistischen Interessen Italiens die slowenische Republik von einem solchen Assoziationsvertrag ferngehalten wird, der immer wieder im Europäischen Rat an der italienischen Haltung scheitert. Ich möchte ganz konkret darauf hinweisen, daß der Abschluß eines solchen Assoziationsvertrages im Rahmen einer Problemstellung, die wir das letztemal hier debattiert haben – also wir haben ja auch unsere bilateralen Fragen –, große Bedeutung hat.

Es ist mir bewußt, daß Österreich alles, was in seiner Macht steht, tut, um diese Blockade zu überwinden. Ich würde mich freuen, wenn das in naher Zukunft tatsächlich gelingen könnte. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung das Wort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 21. März 1996 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Estland andererseits samt Anhängen und Protokollen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
611. Sitzung / Seite 41

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 21. März 1996 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Litauen andererseits samt Anhängen und Protokollen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Hier ist ebenfalls Einstimmigkeit gegeben.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 21. März 1996 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Lettland andererseits samt Anhängen und Protokollen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung. Um 16 Uhr gelangen wir zur Verhandlung über die dringliche Anfrage Nr. 1172/J-BR/96 betreffend Einführung der Pickerlmaut.

Die Sitzung ist unterbrochen .

(Die Verhandlungen werden um 15.58 Uhr unterbrochen und um 16.03 Uhr wiederaufgenommen .)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, DDr. Franz Werner Königshofer, Mag. Dieter Langer, Dr. Peter Harring, Dr. Michael Rockenschaub an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Einführung der Pickerlmaut (1172/J-BR/96)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zur Verhandlung der dringlichen Anfrage. Sie ist allen Bundesräten schriftlich zugegangen. Eine Verlesung erübrigt sich daher.

Die dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Im Zuge der Durchführung des Belastungspaketes der Bundesregierung ist auch die Einführung einer "Mautvignette" geplant. Im Gegensatz zu früheren Plänen ist diese Pickerlmaut jährlich mit 550 S wesentlich – nämlich um über 50 Prozent – teurer, als dies vor der Wahl angekündigt worden war. Vor allem aber wurde keine befriedigende Lösung für die zentralen Probleme einer solchen Generalmaut gefunden: Die Stadtautobahnen sind nicht ausgenommen, die Doppelbemautung – verfassungsrechtlich bedenklich – besteht, und Verdrängungseffekte sind gerade in den sensibelsten Bereichen, etwa an der A4/B10, zu erwarten.

 


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
611. Sitzung / Seite 42

Wie sehr dieser letzte Punkt der Verdrängungseffekte ernstzunehmen ist, zeigen Umfragen, denenzufolge 20 Prozent der – vergleichsweise finanzkräftigen – Österreicher im Fall der Generalmaut ausweichen wollen – gerade bei Besuchern aus dem Osten ist, in Anbetracht der Erfahrungen mit der ungarischen Privatautobahn, wo eine Fahrt nur 65 S kostet, mit einem ungleich höheren Verdrängungseffekt zurück auf die Bundesstraße zu rechnen. Sogar das Kuratorium für Verkehrssicherheit hat hier schwere Bedenken geäußert.

Besondere Probleme verursacht auch die Tatsache, daß im Gegensatz zu praktisch allen anderen Ländern, die Autobahnmauten einheben, auch Stadtautobahnen einbezogen werden sollen. Natürlich ist es nicht einsichtig, daß man, um bloß von einem Bezirk in den anderen zu gelangen, Maut zahlen soll. Dies umso mehr, als gerade diese Stadtautobahnen sich ohnedies durch besondere Stauhäufigkeit und damit geringe Verkehrsqualität auszeichnen.

Auch die Frage der Doppelbemautung mancher Strecken, auf denen bereits jetzt und auch in Hinkunft Streckenmauten kassiert werden, stellt nach Meinung zahlreicher Experten eine überaus problematische Konstruktion dar – schließlich ist kaum einsichtig, warum man für dieselbe Leistung mehrfach bezahlen soll. Im Extremfall könnte es – angesichts der ohnedies massiven Widerstände im Ausland – zu Problemen mit der aus Gründen der Transiteindämmung unverzichtbaren Brennermaut kommen.

Jedenfalls ist aber ein Imageschaden für Österreichs Fremdenverkehr unvermeidbar, denn eine solche "Eintrittsgebühr" in ein Urlaubsland, die noch dazu die Streckenmauten nicht ersetzt und daher nicht zur generellen Benützung der Autobahnen berechtigt, ruft jedenfalls Unmut hervor, auch wenn es für die Touristen einen Rabatt gibt.

Zu allem Überdruß findet sich – im Gegensatz zu den diesbezüglichen Versprechungen in der Regierungsvorlage keinerlei Hinweis auf eine Zweckbindung für den Straßenbau, sodaß durchaus vorstellbar ist, daß die Maut zwar kassiert wird, die Gelder aber anderweitig für das Stopfen von Budgetlöchern verwendet werden und daher erst recht kein Geld für die notwendigen Bau- und Erhaltungsmaßnahmen vorhanden ist – ganz so, wie dies im Bereich der Mineralölsteuer, wo ebenfalls ein Vielfaches der Ausgaben für den Straßenbau kassiert wird, bereits seit Jahren geschieht.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten nachstehende

dringliche Anfrage:

1. Warum wurde die Höhe der "Pickerlmaut" entgegen den Diskussionen vor der Wahl mit 550 S um 50 Prozent höher als angekündigt festgelegt?

2. Welche zusätzlichen Einnahmen erwarten Sie, und für welche konkreten Maßnahmen sollen diese verwendet werden?

3. Wie hoch werden die Kosten für die Verwaltung und Überwachung der "Pickerlmaut" sein, und wie soll dies im Detail funktionieren?

4. Warum findet sich – im Gegensatz zu den Absichtserklärungen – in der Regierungsvorlage keine Zweckbindung für Straßenbau und -erhaltung?

5. Ist Ihnen bekannt, daß rund ein Fünftel der Österreicher beabsichtigt, kein Mautpickerl zu erwerben, und daher auf Bundesstraßen abwandern wird?

6. Ist Ihnen bewußt, daß eine Pickerlpflicht etwa auf der A4, die errichtet wurde, um die Ortschaften entlang der B10 vom Transitverkehr zu entlasten, durch eine Verdrängung der wenig finanzkräftigen Ost-Lenker – Beispiel ungarische Mautautobahn nach Raab – diesen teuer erkauften Vorteil mit einem Schlag wieder zunichte machen würde?


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611. Sitzung / Seite 43

7. Wie hoch schätzen Sie den Verdrängungseffekt bei den Österreichern wie bei den Ausländern ein?

8. Wie hoch schätzen Sie die zusätzlichen Belastungen infolge des Verdrängungseffektes entlang der Transitrouten, also insbesondere in Tirol und Vorarlberg, ein?

9. Warum sind Sie nicht bereit, zumindest Stadtautobahnen – es gibt bereits massive Proteste von Kommunalpolitikern und Interessenvertretungen aller Couleurs – von der generellen Mautpflicht auszunehmen – so, wie dies in den meisten anderen Ländern gehandhabt wird?

10. Ist es richtig, daß Bürgermeister Häupl die Übernahme der Kosten durch Wien vorgeschlagen hat; wenn ja, in welcher Höhe, und warum haben Sie diesem Vorschlag nicht zugestimmt?

11. Welche konkreten Vorstöße hat der Wiener Bürgermeister bislang bei Ihnen gemacht, um – so wie angekündigt – die Wiener Autobahnen in nicht mautpflichtige Bundesstraßen umzuwandeln?

12. Wie stehen Sie zu diesem möglichen Ausweg aus dem Stadtautobahnenproblem?

13. Wie beabsichtigen Sie, das Problem der Doppelbemautung bestehender Mautstrecken zu lösen?

14. Ist Ihnen bekannt, daß nahezu alle Interessenvertretungen eine Doppelbemautung für unvertretbar beziehungsweise sogar verfassungsrechtlich bedenklich halten?

15. Mit welchen Argumenten wollen Sie Ihre Mautpläne international rechtfertigen, zumal Deutschland bereits vor Jahren mit ähnlichen Plänen vor dem EuGH scheiterte?

16. Wie beabsichtigen Sie, auf den "blauen Brief" aus Brüssel hinsichtlich der Brennermaut zu reagieren, um die aus ökologischen und verkehrspolitischen Erwägungen notwendige höhere Maut aufrechterhalten zu können?

17. Warum haben Sie nicht längst veranlaßt, daß die – gemäß Wegekostenrichtlinie – zu hohen Mauteinnahmen in ökologische Schutzmaßnahmen, die aber zu keiner Kapazitätserhöhung führen – beispielsweise Tunnels, Grünbrücken anstelle der Schallschutzwände –, an der Mautstrecke reinvestiert werden?

18. Wie wollen Sie den bereits eingetretenen Imageschädigungen im Tourismus gegensteuern und Beeinträchtigungen in dieser ohnedies krisengeschüttelten Branche verhindern?

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne der Bestimmungen des § 61 der Geschäftsordnung des Bundesrates dringlich zu behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.

*****

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich erteile Herrn Bundesrat Dr. Kapral als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort.

16.03

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Einführung der sogenannten Pickerlmaut hat in den letzten Tagen und Wochen die Wogen der Emotion in diesem Land hochgehen lassen. Bedauerlicherweise ist dieser Umstand nicht nur auf Österreich beschränkt geblieben, sondern hat auch im benachbarten Ausland, vor allem in unserem westlichen Nachbarland Bayern, einige Aufregung verursacht.

Die Notwendigkeit einer Sanierung des Bundeshaushalts hat dazu geführt, daß der Autofahrer nicht nur durch die Neuberechnung der sogenannten NOVA, also der Normverbrauchsabgabe,


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611. Sitzung / Seite 44

belastet werden soll, sondern in einem noch wesentlich höheren Ausmaß durch die Einführung der Mautvignette. Hier wird den Bürgern und Bürgerinnen dieses Landes in einer für jedermann sofort erkennbaren Form vor Augen geführt, welche Konsequenzen die – man ist fast versucht, zu sagen – sorglose Ausgabenpolitik dieser alten Koalition in den letzten Jahren, aber insbesondere Anfang der neunziger Jahre, für jeden einzelnen Staatsbürger hat.

Ich darf hier etwas sagen, was gestern anläßlich des Budgethearings im Budgetausschuß des Nationalrates von einem Experten, der von der Sozialdemokratischen Partei nominiert wurde, nämlich von Herrn Dr. Walterskirchen vom Institut für Wirtschaftsforschung, gesagt wurde. Er hat auf einen Zwischenruf hinsichtlich der Notwendigkeit, daß Österreich durch den Beitritt zur Europäischen Union doch erhebliche Zahlungen leisten wird, gemeint, daß man sich im Bewußtsein dieser Tatsache – das stand ja schon seit einiger Zeit vorher fest – nicht auch noch hätte entschließen dürfen, zum Beispiel das Pflegegeld einzuführen, das ja auch zu erheblichen Belastungen auf der Ausgabenseite führt. – Ein immerhin sehr offenes Wort eines von der sozialdemokratischen Mehrheit nominierten Experten!

Was die übrigen Maßnahmen des Belastungspakets anlangt, so wird das böse Erwachen noch kommen. Man soll sich seitens der Altkoalitionäre nicht irgendwelchen Hoffnungen hingeben, daß in der breiten Bevölkerung Verständnis für dieses Belastungspaket vorhanden ist. Die Meinungsforscher sind der Ansicht, daß sich die Bevölkerung sehr wohl abwenden wird, wenn sie einmal das Ausmaß der Belastungen, die auf sie zukommen, erkannt hat.

Sicherlich ist jedermann für Sparen, aber für Einsparungen überflüssiger Ausgaben. Tatsache ist aber, daß die Koalition einen tiefen Griff in die Taschen aller Österreicher und Österreicherinnen macht und daneben alle Argumente strapaziert, um mit Schönfärberei die Bevölkerung über diese Tatsache hinwegzutäuschen.

Bei der Mautvignette zieht das nicht, weil jeder einzelne ermessen kann, daß sie ihn wiederum mit 550 S belasten wird – immerhin ein Betrag, der um 50 Prozent höher liegt, als das anscheinend als Vorbild dienende System in unserem Nachbarland Schweiz verlangt.

Diese Mautvignette ist im Entwurf des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes enthalten und soll nach den Vorbemerkungen der Sicherstellung der Finanzierung des hochrangigen Straßennetzes in Form einer Selbstfinanzierung dienen.

Wenn man diese Feststellung trifft, dann ist es notwendig, Kenntnis darüber zu haben, wie hoch der längerfristig zu deckende Finanzierungsbedarf tatsächlich ist. Diese Antwort wird und wurde bisher nicht gegeben. Eine solche Schätzung fehlt auch in den Erläuterungen des erwähnten Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes. Mit der Nichtbeantwortung der Frage, wie hoch der Finanzbedarf ist, hängt aber letztlich auch die Kalkulation dieser Vignette in der Luft. Es läßt sich nicht nachvollziehen, wie man nach einem Preis, der ursprünglich um 350, 400 S lag, jetzt endgültig zum Vorschlag von 550 S kommt.

Lassen Sie mich auch noch ein Wort zum sogenannten Road-pricing sagen: Diese andere Form der Einhebung einer Straßenbenützungsabgabe wird sicherlich im Gesamtausmaß jeden einzelnen Autofahrer wesentlich stärker belasten, als das jetzt diese Vignette tut. Es ist auch nicht zu sehen, wie weit das Road-pricing, wie dies hier in der letzten Sitzung seitens des Herrn Bundeskanzlers gesagt wurde, etwas mit der gerechten Verteilung der Wegekosten zwischen Personen- und Güterverkehr zu tun hat, weil das letztendlich nur eine Frage ist, in welchem Ausmaß belaste ich den Güterverkehr, in welchem Ausmaß belaste ich den Personenverkehr, nicht aber eine Frage des Systems der Einhebung ist.

Jeder Vergleich – so er in der Vergangenheit strapaziert wurde – mit dem Mautsystem in Frankreich oder in unserem Nachbarland Italien hinkt, weil es dort ein völlig anderes System der Finanzierung des Straßenausbaus und der Straßenerhaltung gibt und dort keineswegs jene Gesamtsteuerbelastung des Straßenverkehrs gegeben ist, wie wir das in Österreich mit einer Vielzahl von verschiedenen Abgaben – wobei die Mineralölsteuer wohl die am stärksten ins Gewicht fallende ist – haben.


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Ich darf beispielsweise die NOVA erwähnen, die Kraftfahrzeugbesteuerung in zwei unterschiedlichen Formen und andere auch noch.

Ich kann mir, was das Road-pricing anlangt, nicht ersparen, einen Hinweis auf das sogenannte Europa-Abkommen zu machen, das zwischen den beiden jetzt wieder altkoalitionären Parteien im April 1994 abgeschlossen wurde, und in dem es heißt, daß bis spätestens 1. Jänner 1997 alle für den internationalen LKW-Verkehr relevanten Straßen mit elektronischen Abbuchungseinrichtungen ausgestattet sein müssen.

In der Zwischenzeit hat es Aussagen gegeben, die erkennen lassen, daß dieser Termin nicht eingehalten wird. Die Frage, die sich hier aufdrängt, ist, ob es überhaupt in diesem Lande, aber auch in Abstimmung mit der Verkehrspolitik der Europäischen Union, deren Mitgliedsland wir ja seit 1. Jänner 1995 sind, so etwas wie eine Verkehrspolitik gibt; eine Politik, die darauf abzielt, einen geordneten Ablauf des kleinräumigen, des mittelräumigen, aber auch vor allem des großräumigen Transports auf den verschiedenen Verkehrsträgern herbeizuführen – mit marktkonformen Mitteln herbeizuführen und nicht in Form von reglementären Maßnahmen.

Weitere Schwachpunkte dieser Mautvignette sind darin zu sehen, daß die organisatorischen Voraussetzungen nicht hinlänglich geklärt sind, um eine Beschlußfassung über das zitierte Straßenausbau- und -finanzierungsgesetz herbeizuführen. Aber das wird zweifelsohne auch noch in der Diskussion über diesen Gesetzesbeschluß kommen. Die Kalkulation ist dubios und wird auch in den Stellungnahmen, die in der Zwischenzeit zum Ministerialentwurf bekannt geworden sind, angezogen, nämlich daß vor allem ein beträchtlicher Teil – nämlich 20 Prozent – für den Verwaltungsaufwand aufgeht.

Völlig ungeklärt und unbeachtet bleibt die Frage des sogenannten Verdrängungseffekts, insbesondere was den Verkehr, der vom Osten in unser Land einströmt, anlangt, aber natürlich auch den Verdrängungseffekt, den eine solche Vignette auf den sogenannten Stadtautobahnen nach sich ziehen wird, da der Verkehr wieder in die Wohngebiete abgedrängt werden wird. Die Einbeziehung der Stadtautobahnen ist unserer Meinung nach demnach überhaupt nicht durchdacht und stößt selbst in den Reihen der Koalition auf Kritik, wenn ich auf die vehementen Einwände, die seitens des Landeshauptmanns und Bürgermeisters von Wien zu diesen Mautplänen geäußert wurden, verweisen darf.

Nicht sichergestellt ist weiters, daß die Einnahmen aus dieser Mautvignette für den Straßenbau Verwendung finden. Ich darf daran erinnern, daß auch die Mineralölsteuer, deren Einnahmen ja ursprünglich für den Straßenbau zweckgebunden waren, seit etlichen Jahren frei ins Budget einfließt und zur allgemeinen Budgetbedeckung Verwendung findet, während auf der anderen Seite der Straßenbau in größten finanziellen Nöten ist.

Offen bleibt auch die Haltung der Europäischen Union. Hier gibt es unterschiedliche Aussagen. Die Konformität einer Autobahnvignette, wie sie im Augenblick diskutiert wird und uns vorliegt, ist zumindest zweifelhaft. Retorsionsmaßnahmen sind nicht auszuschließen. Die Verärgerung bei den Nachbarländern ist, wie gesagt, schon da. Ich glaube, wir sollten uns doch bewußt sein und im Auge behalten, daß österreichische Frächter eine wesentlich größere Wegstrecke im Ausland zurücklegen, wenn sie im Dienste der Wirtschaft unterwegs sind, als dies bei ausländischen Frächtern im Inland der Fall ist, auch wenn die Konzentration des Frachtverkehrs auf einige wenige Stecken zu den bekannten Problemen des Transits geführt hat.

Meine Damen und Herren! Alles in allem: Es handelt sich hier um eine undurchdachte Regelung, die außer acht läßt, daß bereits die bestehenden Belastungen des Autofahrers außerordentlich hoch sind. Sie und die Diskussion darüber zeigen ein mangelndes Fingerspitzengefühl. Ich denke nur daran, daß die Ankündigung der Einführung einer solchen Maut ausgerechnet mit dem Zeitpunkt der Eröffnung der großen Touristikmesse in Berlin zusammengefallen ist und die Auswirkungen auf den Fremdenverkehr nicht abschätzbar sind, auf den Fremdenverkehr, der sich in der schwersten Krise der Nachkriegszeit befindet. Dies wurde von einem Minister getätigt, der gleichzeitig auch die Zuständigkeit für diesen wichtigen Bereich der österreichischen Wirtschaft hat.


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Ich darf mit einer Empfehlung schließen, die mir ein sehr guter Freund Österreichs, der aus unserem Nachbarland kommt, gegeben hat: Man solle sich bei der ganzen Angelegenheit der Rechtsanwaltskanzlei des ehemaligen deutschen Ministers für Verkehr, Zimmermann, bedienen, der in der Zwischenzeit in München ein solches Büro betreibt und hinsichtlich der Einführung beziehungsweise des Versuchs einer Einführung einer solchen Maut schon über Erfahrungen verfügt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, Dr. Ditz, zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

16.19

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Erlauben Sie mir, daß ich, bevor ich die dringliche Anfrage beantworte, mich im Namen meines Hauses entschuldige, daß keiner meiner Beamten anläßlich der Verhandlung des Berggesetzes anwesend war. Es war ein Übermittlungsfehler! Es ist eine Seite hängen geblieben. Sie waren dann im Plenum da, aber nicht im Ausschuß. Es war kein böser Wille, Herr Bundesrat Konečny! Es war auch nicht gewollt, daß wir dieses wichtige Anliegen der Gemeinden hier nicht wahrnehmen. Im Gegenteil! Ich habe schon im Nationalrat angekündigt, daß ich das als einen ersten Schritt in Richtung einer stärkeren Parteienstellung der Gemeinden sehe. Wir werden im Rahmen einer umfassenden Novelle genau prüfen, ob man diesen Schritt noch verbessern kann.

Nun zur Beantwortung der dringlichen Anfrage. Erlauben Sie mir festzuhalten, daß ich generell über diese Anfrage sehr froh bin, weil es mir die Gelegenheit bietet, eine zukunftsweisende Reformkonzeption für die Straßenfinanzierung, aber auch für die verursachergerechte Finanzierung in diesem Bereich darzustellen. Ich möchte auch den einleitenden Worten des Herrn Bundesrates Kapral vehement widersprechen, der von einem "Teil eines Belastungspakets" sprach. Wir sprechen von keinem "Belastungspaket", sondern von einem sinnvollen Reform- und Konsolidierungspaket, wobei jetzt nicht das dicke Ende nachkommt, sondern es einfach notwendig war, jetzt zu agieren, um sicherzugehen, daß die Stabilität in Österreich auch in den kommenden Jahren gewährleistet ist, um sicherzugehen, daß wir auch in den nächsten Jahren den notwendigen Handlungsspielraum haben, und um Impulse zu setzen. Ich kann Ihnen aufgrund meiner internationalen Erfahrungen der letzten Wochen sagen, daß genau dieser Weg Österreichs international anerkannt wird. (Beifall bei der ÖVP und Beifall der Bundesräte Schicker und Konečny .)

Es wäre daher nach meiner Auffassung das dicke Ende für Österreich nur dann gekommen, wenn wir uns diesem Problem verweigert hätten, wenn wir nicht den Mut und die Kraft gehabt hätten, hier die notwendigen Schritte zu setzen. Daß der internationale Währungsfonds diese Entscheidung mittlerweile als vorbildlich einstuft und daß uns das ohne – ich sage: ohne! – größere Konflikte, wenn ich jetzt von den Studentenproblemen absehe, gelungen ist, zeigt, daß sich Österreichs Konsenskultur wieder einmal bewährt hat.

Zur Frage der Maut ist generell zu sagen, daß wir hier eine neue Konzeption gewählt haben, um sehr rasch auch für die Bauwirtschaft Impulse zu setzen, daß wir eine Vorgangsweise gewählt haben, die sehr moderat ist. Das heißt, die 550 S sind, so glaube ich, kein Betrag, der wirklich einen Österreicher davon abhält, Autobahnen zu benutzen. Ich glaube auch, daß die internationale Akzeptanz mittlerweile wesentlich gestiegen ist. Wir haben diesbezüglich auch eine Informationskampagne gestartet, sodaß ich überzeugt bin, daß nach Beschlußfassung diese Konzeption insgesamt sehr viele positive Effekte haben wird, aber die negativen Effekte, die hier von meinem Vorredner behauptet wurden, nicht eintreffen werden.

Ich darf nun zur Beantwortung der einzelnen Fragen kommen.

Zur Frage 1:

Warum sind nun 550 S vorgesehen, also um 50 Prozent mehr? – Wir haben eine Studie über die Akzeptanz durchgeführt, und als optimaler Wert haben sich rund 500 S ergeben. Es ist


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richtig, daß ich im Herbst vergangenen Jahres eigentlich einen Preis von 390 S vorgesehen hatte, allerdings eine Saisonvignette mit einem wesentlich höheren Preis von rund 250 S. Um die richtige Verhältnismäßigkeit sicherzustellen, haben wir das System geändert; es war auch notwendig, um die EU-Konformität in diesem Bereich zu gewährleisten, weil die Jahresmaut mit der Zweimonatsmaut in einem gewissen Zusammenhang stehen muß.

Außerdem war es für mich sehr wesentlich, gewisse Ausnahmen für Pendler sicherzustellen. Wir haben daher beschlossen, daß Jahreskarten nicht zusätzlich bezahlt werden müssen, sondern daß die Vignette auf die Jahreskarte in allen Gebieten Österreichs angerechnet werden. Wir haben sichergestellt, daß die Pendler künftig keine Mautgebühren auf den bemauteten Straßen bezahlen müssen. Diese sinnvollen Ausnahmen plus gewisse Begünstigungen im Bereich Tourismus und die Kombipack-Vignette haben dazu geführt, daß wir mit dem Generalpreis etwas höher gehen mußten. Insgesamt glaube ich aber, daß jetzt diese Konzeption ausgewogen ist und sicherstellt, daß die erwarteten Erträge von rund 1,5 Milliarden Schilling auch tatsächlich erreicht werden. Ich möchte bereits eingangs erwähnen und betonen, daß es unverzichtbar ist, diese Finanzierungsmittel zu lukrieren, um wichtige Straßenbauvorhaben in Österreich auch tatsächlich umsetzen zu können.

Zur Frage 2:

Der Nettoertrag durch die Vignette beträgt rund 1,5 Milliarden Schilling. Diese Mittel sollen zum überwiegenden Teil, nämlich die PKW-Einnahmen, für die Finanzierung der Fertigstellung des hochrangigen Netzes verwendet werden. Nachdem uns – Sie werden das wahrscheinlich wissen – die Konjunkturprognosen eher einen Rückgang der Wachstumsrate signalisieren und nachdem wir vor allem im Baubereich mit einem Minus der Investitionen rechnen, habe ich heute mit dem Herrn Finanzminister eine Vereinbarung getroffen, daß wir aufgrund dieser Konzeption, aufgrund dieses Mautkonzeptes nicht nur die jährlichen Mauteinnahmen verbauen können, sondern daß Vorgriffe auf zukünftige Mauteinnahmen gemacht werden können, um jetzt Impulse im Bereich der Bauwirtschaft zu setzen, um jetzt die Vollbeschäftigung zu sichern und um jetzt auch sicherzustellen, daß im Rahmen eines Beschleunigungsprogramms die noch fehlenden Straßenstücke und -lücken im Autobahnbau fertiggestellt werden können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das wird dazu führen, daß wir hier zwei Fliegen auf einen Schlag treffen. Auf der einen Seite bin ich überzeugt davon, daß es uns gelingen wird, die Arbeitslosigkeit am Bau zu reduzieren und wirksam zu bekämpfen, auf der anderen Seite werden belastete Bürger – ich sage das mit aller Deutlichkeit: belastete Bürger! –, die lange auf Umfahrungen warten, die lange auf Entlastungsstraßen warten, zufriedengestellt werden, indem mit einem raschen Baubeginn gerechnet werden kann.

Insgesamt – ich darf das dem Hohen Bundesrat mitteilen – haben wir aufgrund dieser Mautfinanzierungskonzeption, die ja nicht nur die Vignette, sondern später auch das Road-pricing mitumfaßt, insgesamt ein Bauvolumen von 37 Milliarden Schilling bewegt, das sofort in Gang gesetzt werden soll und auch in Gang gesetzt werden wird. Es enthält unter anderem die Bauabschnitte A 2 Völkermarkt – Klagenfurt-Ost, Packübergang: zweite Richtungsfahrbahn, Wels – Sattledt, Inzersdorf – Schön, Schön – St. Pankraz, Selztal, Plabutschtunnel, Arlbergtunnel in Vorarlberg, Semmering-Umfahrung – dringend notwendig! –, Ganzsteintunnel, Bodenseeschnellstraße, St. Martin – Oberpullendorf, Stausee Röttelstein, S 35, B 301, wobei ich hier sagen muß, daß erst die Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muß, aber die Finanzierung ist dann gesichert, und man kann mit diesen Vorhaben beginnen. Vor allem – das erachte ich für ganz wesentlich – hat die österreichische Bauwirtschaft eine langfristige Planungsperspektive. Das ist für mich konstruktive Politik, und das ist für mich kalkulierbare Politik – im Gegensatz zu den Ausführungen meines Vorredners, der eigentlich nur nein gesagt, aber keine konstruktiven Gedanken gebracht hat. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wiener Südrandstraße, Wiener Nordrandstraße, Umfahrung Landeck – all das wird in der Bundesregierung beschlossen, und hier wird es die notwendigen Zweckbindungen geben, sodaß ich

 


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davon überzeugt bin, daß wir hier neue Impulse setzen und wichtige Abschnitte des österreichischen Autobahnsystems fertigstellen werden können.

Zur Frage 3:

Aufgrund der Studie betragen die Kosten rund 15 Prozent der Bruttoeinnahmen, das heißt, die Kosten der Verwaltung und Überwachung. Das sind rund 300 Millionen Schilling. Mit der praktischen Durchführung werden die Bundesstraßengesellschaften, ÖSAG und ASAG, sowie die Alpenstraßen-Gesellschaft beauftragt werden. Die Überwachung wird die Exekutive – Polizei und Gendarmerie – durchführen. Der Vignettenverkauf wird im Dezember 1996 beginnen. Als Vertriebsstätten sind Post, Trafiken, Autofahrerklubs, Tankstellen, Raststätten und ähnliche Organisationen im In- und Ausland vorgesehen.

Zur Frage 4:

Im § 9 Abs. 2 Bundesstraßenfinanzierungsgesetz ist vorgesehen, daß die Einnahmen aus der Bemautung der PKW und Motorräder für Zwecke der Bundesstraßen zu verwenden sind. Es ist jetzt auch sichergestellt, daß ein Gesamtpaket – ich habe es eben verlesen – fixiert wird und die Einnahmen aus den diversen Mauten dafür verwendet werden und jetzt schon die Bautätigkeit aufgenommen und die Finanzierung vorgezogen werden kann. Das heißt, es werden nicht nur 1,5 Milliarden Schilling verbaut, sondern es werden in den nächsten Jahren wesentlich mehr verbaut. Das ist konjunkturell sinnvoll und, so glaube ich, ein wesentlicher und wichtiger Aspekt im Gesamtzusammenhang Bauwirtschaft.

Die Nettoerträge aus der Vignette, die zweckgewidmet sind, betragen 1 Milliarde Schilling, wobei ich darauf hinweisen darf, daß die Erträge beim Road-pricing natürlich zusätzlich steigen und zunehmen werden.

Sicher ist es so, daß langfristig auch Finanzierungsmittel für Schuldenreduktionen zu verwenden sind.

Zur Frage 5:

Die von mir in Auftrag gegebene Grundsatzstudie beinhaltet auch Überlegungen und Umfragen bezüglich der Akzeptanz. Daraus geht hervor, daß selbst bei ungünstigen Verhältnissen weniger als 10 Prozent der Autofahrer keine Mautvignette kaufen werden.

Mir sind außerdem aus Umfragen von Autofahrerklubs bekannt, daß die Zustimmung zur Vignette rund 75 Prozent beträgt.

Zur Frage 6:

Es gibt eine detaillierte Akzeptanzstudie für den Bereich der Ost Autobahn, die im Zuge der Untersuchung über fahrleistungsabhängige Maut durchgeführt wurde. Hierbei wurde bei Kosten von 30 Groschen pro gefahrenem PKW-Kilometer ein mittlerer Akzeptanzwert von 90 Prozent ermittelt. Selbst bei Besuchern aus den Oststaaten wurde ein Akzeptanzwert von 88 Prozent errechnet.

Bei den niedrigeren Kilometerkosten der Vignette ist zu erwarten, daß die Akzeptanzwerte höher liegen als beim Road-pricing; ich sehe daher im Bereich Akzeptanz sicher keine Probleme. Ich möchte aber auch hier eines betonen: Gerade wenn wir langfristig ein Road-pricing in Österreich einführen wollen, halte ich es für absolut notwendig, daß wir diese Vignette vorgeschaltet haben, weil es die Akzeptanz erleichtert und weil man sich langsam – auch in der Bevölkerung – daran gewöhnt, daß man für das Befahren und Benützen der Straßen ein gewisses Entgelt leisten muß.

Ich halte daher eine dreistufige Vorgangsweise für sinnvoll: Zuerst geht es um die Einführung der Vignette für den PKW, dann werden wir uns bemühen, noch in dieser Legislaturperiode ein Road-pricing-System für den LKW zu entwickeln, und dann – langfristig – geht es darum, unter

 


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Berücksichtigung der Kosten und des Aufwandes, auch den PKW auf ein Road-pricing-System umzustellen. Ich halte nichts von den grünen Ideen, die sozusagen im Schnellzugsverfahren ein Road-pricing mit meiner Meinung nach utopischen Kilometerpreisen von 50 bis 80 Groschen je gefahrenem Kilometer einführen wollen. Das würde bedeuten, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß es zu ganz gewaltigen Verkehrsbewegungen weg von den Autobahnen hin zu den Bundesstraßen, zu gewaltigen sozialen Belastungen der Pendler kommt. Wir müssen einfach sehen, daß es die Kunst der Politik ist, sukzessive und vernünftig Konzeptionen in die richtige Richtung einzuführen, und ich glaube, daß das bei dieser Mautkonzeption der Fall ist.

Frage 7: Wie hoch schätzen Sie den Verdrängungseffekt bei den Österreichern, wie bei den Ausländern ein?

Wie bei den vorigen Fragen bereits erwähnt, liegt der Verdrängungseffekt bei beiden Benutzergruppen in der gleichen Größenordnung. Es ist nicht zu erwarten, daß ein signifikanter Unterschied zwischen In- und Ausländern auftritt.

Ich bin auch davon überzeugt, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß die Leute auf der Brenner-Route trotz einer gewissen Verteuerung von jetzt 260 S auf 350 S bei der Kombipack-Vignette – das sind 90 S – nicht auf den Bundesstraßen fahren werden, wenn sie Österreich auf dem Weg in den Urlaub nach Italien queren. Ich sage ganz ehrlich, man zahlt in Italien für 200 Kilometer das, was man in Österreich für zwei Monate zahlt. Auch das ist eine Verhältnismäßigkeit, die man beachten muß und die natürlich auch der Tourist voll einkalkuliert.

Im Bereich, in dem in Österreich Urlaub gemacht wird, habe ich die Kammer Tirols gebeten, zu überlegen, ob wir nicht ein Marketingkonzept entwickeln können, daß all jene, die in Österreich Urlaub machen, in einer attraktiven, intelligenten Form eine gewisse Entlastung bekommen. Wenn das geschieht, glaube ich, daß man die Einführung dieser Vignette sogar mit einem positiven PR-Effekt für den österreichischen Tourismus verknüpfen kann. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! All das ist eine Frage der Ideen und der Kreativität, das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Ich würde mir wünschen, daß auch in der Opposition gewisse Ideen und Kreativität einkehren und nicht nur ein Nein-Sagen zu allem vorherrscht. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zur Frage 8:

Grundsätzlich kennt das Bundesstraßengesetz keinen Begriff "Stadtautobahnen". Die allgemein als Stadtautobahn bezeichneten Abschnitte sind äußerst kostenintensiv – sowohl die Baukosten als auch die Erhaltungskosten liegen signifikant höher als Strecken im Freilandbereich. So kostet zum Beispiel die Erhaltung der Wiener Autobahnen pro Tag rund 360 S.

Auf den Wiener Autobahnen bewegen sich pro Tag rund 150 000 Fahrzeuge. Bei den Vignettenkosten von 1,5 S pro Tag – bezogen auf die Jahresvignette – ergeben sich daraus Einnahmen in Höhe von rund 225 000 S. Diese Zahlen zeigen, daß die Einnahmen auf den Wiener Autobahnen die Erhaltungskosten nur zu rund 63 Prozent decken.

Allein aufgrund dieser Zahlen wäre es meiner Meinung nach nicht verantwortbar, diese kostenintensiven Strecken von der Vignettenpflicht auszunehmen – insbesondere deshalb, weil es sich hier um eine zeitabhängige Maut handelt, die sehr niedrig bemessen ist.

Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß man das ganze System und die ganze Vorgangsweise neu überdenkt, wenn man zum System des Road-pricing kommt. Ich möchte aber allen Wienern und Wienerinnen sagen, daß es im Endeffekt sicher so ist, daß sie nicht nur die Brigittenauer Brücke, sondern irgendwann im Jahr auch andere Autobahnen benützen werden, sodaß sich hier keine Zusatzbelastung ergibt, sondern an und für sich ein Mitnahmeeffekt besteht und daher die Ausnahme für mich eigentlich auch nicht nachvollziehbar ist.

 

 


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611. Sitzung / Seite 50

Ich glaube daher, daß bei einer zeitabhängigen Bemautung, wie wir sie jetzt im Übergang einführen müssen, Ausnahmen nicht möglich sind. Natürlich muß ich ehrlicherweise auch sagen, daß, wenn Sie beginnen, Ausnahmen zu machen, sich die Frage stellt: Wo fangen sie an, und wo hören sie auf? Es gibt viele gute Gründe, daß man in anderen Regionen und in anderen Städten auch Ausnahmen macht. Im Endeffekt haben Sie dann lauter Ausnahmen und keine Einnahmen und können dann das von mir vorgestellte Konzept für die Beschleunigung wichtiger Straßenvorhaben nicht durchführen, weil die Finanzierungsmittel fehlen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage 9:

Bürgermeister Häupl hat im Gespräch angedeutet, daß Kosten der Wiener Autobahnen von Wien getragen werden könnten. Die Höhe wurde nicht detailliert; erste Berechnungen in meinem Haus haben ergeben, daß die Erhaltung rund 90 Millionen Schilling betragen würde. Ich glaube, daß dieses Geld wesentlich besser in Fahrwegen beziehungsweise in Radwegnetzen investiert wäre. Aufgrund der Gesetzeslage ist es darüber hinaus nicht möglich, daß eine Gebietskörperschaft die Kosten trägt, die aufgrund der Verfassung einer anderen Gebietskörperschaft zustehen. Aus diesem Grund bin ich dem Vorschlag nicht nähergetreten.

Zur Frage 10:

Die Wiener Autobahnen sind aufgrund des Bundesstraßengesetzes als Autobahnen definiert, eine Änderung wäre nur durch Beschluß des Nationalrates möglich. Dadurch wäre allerdings auch der Netzschluß der Autobahnen nicht mehr gegeben. Grundsätzlich sollte gerade das hochrangige Straßennetz, die Durchzugsstraßen, beim Bund verbleiben. Das war immer das allgemeine Verständnis zwischen Bundespolitik und Landespolitik; es ist immer nur um die Übertragung der Bundesstraßen B gegangen.

Zur Frage 11:

Ich sehe kein Problem, da gerade diese Strecken von Vielfahrern benutzt werden, die außerdem auch noch andere Autobahnen benutzen. Dieser Benutzerkreis kauft daher auf jeden Fall eine Vignette.

Zur Frage 12:

Das Gesetz schließt ausdrücklich eine doppelte Bemautung von Strecken aus. Dort, wo derzeit bereits Maut eingehoben wird, wird keine Vignettenpflicht bestehen. Für jene Benutzer, die sowohl vignettenpflichtige als auch jetzt schon bemautete Autobahnen befahren, wurden von mir – ich habe das bereits erwähnt – mehrere Kombinationsmöglichkeiten geschaffen: Pendlerkarte, Jahreskarte, Kombipack.

Ich möchte gerade in Richtung Kärnten betonen: Wir haben in Kärnten durch die Schaffung der Kombipack-Vignette zum Preis von 350 S in Wahrheit eine Verbilligung vorgenommen. Am Tauern war bis jetzt bei einer Fahrt ein Preis von 190 S zu errichten, das sind bei zwei Fahrten 380 S. Auch damit könnte man in Richtung Tourismus sehr wohl positiv werben, und ich verstehe daher die Vorgangsweise der Freiheitlichen in Kärnten absolut nicht, die eine Doppelmaut bekämpfen, die in Wahrheit billiger ist als die bisherige Maut auf den derzeitigen Mautstrecken. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Auf die Pendlerkarte und Jahreskartenproblematik habe ich bereits hingewiesen.

Zur Frage 14:

Wie bereits in den vorigen Antworten erläutert, ist keine Doppelbemautung vorgesehen, sodaß aus meiner Sicht keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Die Akzeptanz der Bürger und nicht die Akzeptanz der Interessenvertretungen ist für mich entscheidend, und ich bin überzeugt, daß diese Akzeptanz der Österreicherinnen und Österreicher gegeben ist.

 

 


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611. Sitzung / Seite 51

Zur Frage 15:

Die bestehenden Mautpläne wurden bereits dem verantwortlichen Beamten des zuständigen EU-Kommissärs Kinnock in Brüssel vorgestellt und von diesem positiv aufgenommen. Insbesondere die Darstellung der Vignette als Übergangslösung mit späterem Übergang auf die fahrleistungsabhängige Bemautung fand in Brüssel Zustimmung. Zusätzliche Gespräche mit Minister Wiesheu in Bayern und Telefonate mit Minister Wissmann in Bonn haben mir eigentlich die Überzeugung gegeben, daß wir, gerade was die Vignette betrifft, von der Europäischen Kommission keine Probleme zu erwarten haben.

Ich habe aber in diesen Gesprächen ganz deutlich gemacht, daß es einem kleinen Land im Herzen Europas, das einen großen Transitanteil zu tragen hat, einfach nicht zu verwehren ist, daß es verlangt, daß auch die ausländischen Benützer einen gewissen Beitrag zur Finanzierung des österreichischen Straßennetzes leisten. Es ist nicht einsehbar, daß Österreich in jedem anderen Land zahlt – ob das Tschechien ist, die Schweiz, Ungarn, Italien, Frankreich oder was immer man hier aufzählen will; ausgenommen die Bundesrepublik Deutschland –, aber selbst keine Gebühren zur Finanzierung einheben sollte. Ich würde nicht akzeptieren können, daß man Österreich diese Einhebung verwehrt, nur weil wir technisch aufgrund einer anderen Bauweise unserer Autobahnen in den sechziger und siebziger Jahren nicht in der Lage sind, ein Road-pricing-System einzuführen.

Ich sehe daher diese Diskussion mit Brüssel auch als eine offensive Strategie, um die österreichische Position sowohl hinsichtlich der LKW-Problematik als auch hinsichtlich der PKW-Problematik klar definieren und darstellen zu können. Ich glaube wirklich, daß die Wegekostenrichtlinie, wie sie jetzt besteht, auf große, zusammenhängende Autobahnnetze abgestellt ist, wie beispielsweise die Italiener, die Franzosen sie haben, wie sie Österreich nie haben kann. Daher müssen wir danach trachten, daß hier andere Gesichtspunkte, beispielsweise ökologische Gesichtspunkte, in die Wegekostenrichtlinie miteingebaut werden, und als vollwertiges Mitglied der Europäischen Union werden wir diesen unseren Standpunkt sicher offensiv und selbstbewußt vertreten.

Zur Frage 16:

Es geht nicht um einen "blauen Brief", sondern um ein Mahnschreiben, das im Gegensatz zu Presseankündigungen bis jetzt im Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten noch nicht eingetroffen ist. Grundsätzlich wird aber versucht werden, die Mauterhöhung mit folgenden Argumentationslinien zu rechtfertigen:

Erstens hinsichtlich der bestehenden EU-Wegekostenrichtlinie mit der innerhalb der EU sonst nicht vorkommenden Netz- und Finanzierungssituation Österreichs. Ich glaube – ich habe das vorher erwähnt –, wir müssen darauf verweisen, daß es einfach nicht angeht, zu sagen, auf dem Brenner dürfe nur jener Betrag eingehoben werden, den man für die Erhaltung und für die Ausfinanzierung der Strecke benötigt, weil die Strecke enorm kurz ist und daher eine nur sehr niedrige Maut zu erheben wäre, andererseits Österreich erhebliche Lücken in anderen Autobahnbereichen – Süd Autobahn, Pyhrn Autobahn – hat, man muß das Gesamtnetz sehen.

Zweitens muß man auch sehen, daß Österreich diesbezüglich dringend einen Lenkungseffekt benötigt. Ich habe diese letzte Mauterhöhung nicht aus Jux und Tollerei gemacht, sondern ich darf Sie daran erinnern, daß das eine Willenserklärung aller Parteien Tirols war, die dann auch im Nationalrat zu entsprechenden Entschließungsanträgen geführt hat: Ich habe dann in der Bundesregierung die Entscheidung herbeigeführt, ob wir diesen Weg der Mauterhöhung – vor allem auch den Weg einer sehr starken Erhöhung des Nachttarifs – gehen oder ob wir aufgrund von Problemen mit der EU-Konformität diesen Weg nicht gehen. Die Bundesregierung war der Meinung, es sei notwendig, diesen Weg zu gehen, um deutlich zu machen, daß wir mittlerweile, wenn wir das nicht machen, ein Akzeptanzproblem in Tirol haben, weil die Zunahme des Verkehrs in den letzten Jahren um fast 25 Prozent beziehungsweise im Durchschnitt um mehr als 12 Prozent ein Problem darstellt, das man nicht ignorieren kann.

 


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611. Sitzung / Seite 52

Wenn diese Diskussion positiv läuft, dann würde ich mir wünschen, daß am Ende eine Finanzierung des Brenner-Basistunnels steht, denn langfristig werden wir der Probleme in Tirol nur Herr werden, wenn es uns gelingt, die Güter von der Straße auf die Schiene zu bringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Dazu genügt es sicher nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, nur auf Mauterhöhungen zu setzen, sondern es ist einfach notwendig, Alternativen anzubieten, und für die Finanzierung dieser Alternativen, die international notwendig sind – wenn ich etwa an die Schweizer Situation denke –, sind natürlich auch internationale Finanzierungsmodelle zu finden.

Hinsichtlich der derzeit ansatzweise in Diskussion stehenden neuen EU-Wegekostenrichtlinie hoffen wir, daß sich daraus rund um die Brennermaut Impulse ergeben, das Limit für die Einhebung zu erhöhen, damit man höhere Gebühren verlangen und vor allem auch durchsetzen kann, daß für ökologisch sensible Regionen – die Alpenregionen sind nun einmal ökologisch und verkehrsmäßig sensible Zonen – spezifische und spezielle Tarife eingehoben werden dürfen. Ich sage aber ganz ehrlich, diese Diskussion wird hart und muß ausdauernd geführt werden. Ich hoffe aber doch, daß es uns gelingt, die notwendigen Impulse im Bereich von Brüssel und der Europäischen Kommission durchzubringen.

Zur Frage 17:

Das Brennerautobahn-Finanzierungsgesetz beziehungsweise das ASFINAG-Gesetz legen fest, daß Mauteinnahmen, die nicht für die Deckung von Kosten der Erhaltung des Betriebes der Verwaltung beziehungsweise der Mauteinhebung bei der Alpenstraßen AG aufgewendet werden müssen, an die ASFINAG abzuliefern sind.

Diese Geldmittel reichen gemeinsam mit dem sogenannten Mautüberschuß von den anderen Mautstrecken ohnehin nur zu einer zirka 25- bis zirka 30prozentigen Deckung der Zinsen der derzeit aushaftenden ASFINAG-Kredite aus. Es geht daher sehr wohl um die Verbesserung von Tunnels, Grünbrücken, Lärmschutzmaßnahmen, aber sie können nicht aus dieser zweckgebundenen Einnahme finanziert werden, sondern müssen aus dem allgemeinen Straßenbudget finanziert werden.

Zur Frage 18:

Bei einem Treffen mit dem bayerischen Verkehrsminister Wiesheu wurde die Mautproblematik – ich habe bereits darauf hingewiesen – eingehend erörtert. Aufgrund dieses Gespräches bin ich zuversichtlich, daß die offiziellen Stellen in Deutschland letztendlich unsere Mautpläne akzeptieren werden und damit nur sehr geringe Auswirkungen auf den Tourismus gegeben sind. Auch die Signale, die von der Tourismusmesse in Berlin ausgingen, waren durchaus differenziert, und man muß auch hier sehr wohl zwischen Medienberichten und der Einstellung der Bevölkerung unterscheiden.

Vehement verwehren möchte ich mich dagegen, daß es sich beim Tourismus um eine "krisengeschüttelte" Branche handle. Es handelt sich um eine Branche, die in einem strukturellen Wandel begriffen ist, in der aber der Qualitätstourismus – und dieser ist gefordert – sehr wohl seine Chancen und seine Zuwächse hat und in der wir alles daransetzen, in einem positiven Klima mit Optimismus diesen Wandel durchzuführen.

Ich sage ganz ehrlich, die vereinfachte Darstellung in den Medien, worauf wir dann, wenn die einfachsten Quartiere nicht ausgelastet sind, eine Krise hätten, wird dieser Branche nicht gerecht. Es ist an der Zeit, eine Fülle von Indikatoren heranzuziehen, um ein tatsächlich richtiges Bild des Tourismus zu bekommen, um dann auch die notwendigen Akzente setzen zu können.

In diesem Zusammenhang werde ich als Tourismusminister in den kommenden Monaten insbesondere auch die Österreich-Werbung verstärkt auf den deutschen Markt konzentrieren, um eventuelle Imageschädigungen aus der Mautdiskussion zu verhindern, noch dazu, wo während der Sommersaison ja noch ohne Maut gefahren werden kann, sodaß man das sogar als positiven Aspekt bewerben kann.

 


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611. Sitzung / Seite 53

Ich glaube, daß es anläßlich meines Besuches in Bayern schon gelungen ist, in der Bundesrepublik Deutschland ein Umdenken einzuleiten. Die Leute waren sehr verständnisvoll, und die Hauptkritik hat sich eigentlich gegen die Brennermaut gerichtet. Am Ende waren immer mehr der Überzeugung, daß die Bundesrepublik Deutschland eigentlich mit Österreich in einem Boot sitzt, denn auch die Bundesrepublik hat das Problem, daß sie – im Gegensatz zu allen Nachbarländern – keine Mauten einhebt.

Und der Umkehrschluß ist ja zulässig, und ich habe diesen dort auch vorgetragen: Da es Österreich jetzt offensichtlich gelungen ist, diese Mautkonzeption, diese Vignettenkonzeption als Teil einer größeren Lösung bei der Europäischen Kommission salonfähig zu machen, hindert niemand die Bundesrepublik Deutschland daran, dasselbe Konzept auch in Deutschland umzusetzen. Ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ich das sehr wohl verstehen würde.

In diesem Sinne ist es nicht notwendig, bei Kollegen Zimmermann Ratschläge einzuholen, sondern wahrscheinlich ist es besser, wenn umgekehrt die deutschen Kollegen beim österreichischen Wirtschaftsminister die entsprechenden Ratschläge einholen.

Ich komme schon zum Schluß. Ich glaube, wenn man alle Gesichtspunkte berücksichtigt, wenn man berücksichtigt, daß Österreich das Budget konsolidieren muß, wenn man berücksichtigt, daß wir dringend Impulse in der Bauwirtschaft brauchen, wenn man berücksichtigt, daß viele Länder spezifische Autobahn- und Straßenwünsche haben, dann gibt es, wenn man alle drei Ziele erfüllen will, zu dieser jetzigen Konzeption im großen und ganzen keine Alternative. Ich erwarte mir daher, daß wir wirklich gemeinsam versuchen, diese Konzeption in der Diskussion durchzubringen, um dann auch eine positive Entwicklung einleiten zu können.

Herr Kollege Kapral hat wiederholt auf "Altkoalitionäre" und "Altparteien" hingewiesen. Ich weiß nicht, was neu ist (Bundesrat Waldhäusl: Das wissen wir, daß Sie das nicht wissen!) , ich habe den Eindruck, das ist in seinen Ausführungen nicht ganz klargeworden, aber wenn "alt" in diesem Zusammenhang "alt, aber gut" heißt, dann kann ich damit leben. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Ing. Penz: Sehr gut!)

16.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Königshofer. Ich erteile ihm dieses.

16.53

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! 550 S wären ein Betrag, haben Sie gesagt, Herr Minister, der die österreichischen Autofahrer nicht abhalten wird, auch weiterhin diese Autobahnen zu befahren. Darüber kann man ruhig diskutieren. Ob es so sein wird oder nicht, wird sich spätestens ab dem 1. 1. 1997 herausstellen.

Auf alle Fälle wird nach Ihrer Berechnung, Herr Minister, eine Abschöpfung von Kaufkraft in Höhe von 1,5 Milliarden Schilling erfolgen, die dem privaten Konsum im Jahre 1997 verlorengehen werden. Diese 1,5 Milliarden Schilling werden Sie zusammen mit anderen Einnahmen dazu verwenden, neue oder weitere Investitionstätigkeiten am Bau zu entwickeln, vor allem im Tiefbaubereich. Die Grünen haben das schon sehr treffend klassifiziert: Das ist Konjunkturpolitik von gestern und vorgestern, und diesbezüglich muß ich ihnen wirklich recht geben. Sie wollen im Tiefbau beispielsweise Umfahrungen – Sie haben hier eine ganze Liste aufgezählt – zur Entlastung der Bevölkerung in diesen Bereichen planen (Bundesrat Ing. Penz: Sind Sie dagegen?) – ich bin nicht dagegen –, andererseits werden Sie mit dieser Doppelmautbelastung wieder Belastungen der Bevölkerung auf bestehenden Transitrouten hervorrufen, und ich werde Ihnen das später auch dokumentieren.

 

 


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611. Sitzung / Seite 54

Warum benötigen Sie eigentlich Zusatzeinnahmen in dieser Größenordnung? Warum müssen Sie denn jetzt den Bürgern und vor allem den Autofahrern wieder in die Tasche greifen? – Weil Sie keinen Budgetspielraum mehr haben, meine Damen und Herren von der rot-schwarzen Koalition! (Bundesrat Ing. Penz: Das haben wir das letztemal schon gehört!) Sie haben keinen Budgetspielraum mehr. Sie müssen im Jahr 100 Milliarden Schilling für Zinsen zahlen. Sie haben ja Aufwendungen in Höhe von 200 Milliarden Schilling im Jahr allein für den Schuldendienst. Natürlich haben Sie keine Spielräume mehr für Investitionen und müssen jetzt zu neuen Belastungen greifen, um damit zumindest das Notwendigste durchzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was mich ganz besonders verwundert hat, Herr Minister, ist, daß Sie sagen, Sie müßten eine langsame Gewöhnung der Autofahrer herbeiführen, daß das Befahren der Autobahnen und der Bundesstraßen eben etwas kostet. Herr Minister! Die West- und Südösterreicher brauchen Sie nicht daran zu gewöhnen. Wir zahlen seit Jahren und Jahrzehnten: auf der Brennerautobahn, am Felbertauern, bei der Tauern Autobahn, beim Arlbergtunnel. Daran brauchen Sie uns nicht zu gewöhnen.

Aber auch alle anderen Autofahrer in Österreich zahlen seit jeher Kfz-Steuer, auch wenn man glaubt, die Autofahrer hätten das vergessen, weil diese Kfz-Steuer mittlerweile über die Versicherung eingehoben wird. Sie wird aber nach wie vor bezahlt – für die Benützung einer Straße durch ein Kraftfahrzeug. Die Österreicher zahlen mit jedem Liter Benzin, den sie an der Tankstelle tanken, Mineralölsteuer. Die Österreicher bezahlen beim Kauf eines neuen Kraftfahrzeuges eine sogenannte Normverbrauchsabgabe. Ich meine, wenn man die Österreicher an etwas gewöhnen muß, dann wohl an weitere Belastungen durch diese Regierung.

Herr Minister! Ihr Wunschziel ist das sogenannte Road-pricing. Das geistert jetzt immer mehr auch in den Gazetten herum, und ich glaube, es handelt sich dabei um ein sehr gefährliches Spielzeug – ein gefährliches Spielzeug wegen der Kosten, die es verursachen wird. In Deutschland ist das Experiment Road-pricing bereits wieder abgebrochen worden. In Österreich, so hat man es neulich im Österreichischen Rundfunk dargestellt, werden bei Kosten von rund 2 Milliarden Schilling im Jahr – das ist nicht wenig: 2 000 Millionen Schilling Kosten dieses Road-pricings – Einnahmen von 11 Milliarden Schilling erwartet. Wenn man jetzt davon ausgeht, daß die Einführung der Vignette zirka 1,5 Milliarden Schilling Einnahmen bringt, dann müßten Sie bei Einführung des Road-pricings und einer Erwartung von 11 Milliarden Schilling doch ganz erhebliche Gebührenerhöhungen pro Kilometer für PKW, LKW und so weiter vornehmen. Das müssen Sie dann erst einmal den Bürgern sagen, daß ein Autobahnkilometer nicht 30, sondern 60 Groschen kostet, daß es beim LKW nicht 3, sondern 6 oder 12 S kostet. Und das wird ein Problem werden! (Bundesrat Prähauser: Das ist eine Hypothese! Wie kommen Sie auf das?) Das kann man nachvollziehen. Wenn ich statt 1,5 Milliarden dann 11 Milliarden Einnahmen haben will, dann kann man das ausrechnen. (Bundesrat Prähauser: Sie bauen ja auch nicht jedes Jahr ein Haus! Wenn es einmal steht, zahlen Sie die Benützung und die Wartung!) Aber die Einnahmen werden Jahr für Jahr auf 11 Milliarden Schilling präliminiert, und dafür braucht man entsprechende Kilometergelder. (Rufe und Gegenrufe bei ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ein Vorschlag: Vergessen Sie das Road-pricing, vergessen Sie die Autobahnvignette und sparen Sie in den Bereichen ein, die Kollege Kapral genannt hat (Bundesrat Dr. Kaufmann: Wo denn? Wo denn) : bei wirklichen Aufwandspositionen, bei unnötigen Aufwandspositionen. (Bundesrat Dr. Kaufmann: Wie denn?) Zum Beispiel: 54 Milliarden Schilling an Subventionen. Da sind mehr als 1,5 Milliarden Schilling drinnen, Herr Minister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum nächsten Wunschkind, das immer wieder im Zuge der Transitdebatte beschworen wird: Das ist der Brenner-Basistunnel und das ganze Phantom rund um diese Brenner-Alpentransversale München – Verona. Wenn man sich anschaut, daß der Gesamtbetrag, die Gesamtkosten dieser Transversale – nur eine solche macht Sinn und nicht Teillösungen – bei 280 Milliarden Schilling liegen werden, so frage ich mich: Wer wird das finanzieren? – Die leeren Staatskassen in Österreich, in Deutschland, in Italien, die immer leerer werdenden Kassen der EU werden es nicht finanzieren können.

 

 


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611. Sitzung / Seite 55

Sie träumen von privaten Finanzierungsmodellen. Ich nehme nur auf ein Modell Bezug, auf das Modell Ärmelkanaltunnel. Dieser Tunnel war mit 5 Milliarden Pfund Sterling präliminiert, letztendlich hat er über 10 Milliarden Pfund gekostet, und die privaten Anteilscheine an diesem Tunnelprojekt sind mittlerweile um 80 Prozent wertvermindert worden. Ich möchte einen Privaten sehen, der ein derartiger Hasardeur ist, daß er sich nach dem Ärmelkanal sofort wieder am Brenner-Basistunnel beteiligt. Ich glaube, Sie werden niemanden mehr in ganz Europa finden. Oder wollen Sie das mit Krediten finanzieren? – Dazu kann ich Ihnen nur sagen, der Ärmelkanaltunnel hat auch sehr viel Kreditfinanzierungen, vor allem aufgrund der Kostenüberschreitungen, erfordert. Die Tunnelgesellschaft ist heute nicht mehr in der Lage, mit ihren Einnahmen auch nur die Zinsen zu bezahlen, geschweige denn Rückzahlungen zu leisten, geschweige denn die privaten Anteilzeichner zu befriedigen und die Betriebskosten für den laufenden Betrieb zu erwirtschaften.

Man kann sagen, Herr Minister, mit der Einführung der Doppelmaut, in Form der geplanten Vignette, die jetzt plötzlich 550 S statt ursprünglich 390 S kosten soll (Zwischenrufe bei der ÖVP), haben Sie den Österreichern und der österreichischen Wirtschaft, vor allem aber den Tirolern, ein besonderes Ei gelegt.

Zu den Zwischenrufen, es gebe keine Doppelmaut. Natürlich können Sie das den Leuten auch sagen, vielleicht glauben sie ihren eigenen Augen und Ohren mehr als meinen Worten (Rufe bei der ÖVP), aber ich sage Ihnen, die Österreicher glauben ihrem eigenen Verstand mehr als den schalmeienhaften Worten der Bundesregierung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege! Wenn ich heute am Brenner fahre und 130 S für eine Fahrt zahle und für die Vignette 550 S zahlen muß, die ich bisher nicht bezahlt habe, so ist das eine Doppelzahlung. Da können Sie doch nicht sagen, das ist keine Doppelbemautung. Die Tiroler sind jetzt wirklich verärgert, Sie werden es sehen, wenn Sie nach Tirol kommen.

Tirol war seit jeher ein Transitland, früher haben aber auch die Tiroler vom Transit profitiert. Da hat es Gasthäuser, Geschäfte, Pferdeställe und Tankstellen gegeben. Damals ist das Geld im Land geblieben. Mit den modernen Transitwegen, der Bahn und der Autobahn sind aber nur mehr die Belastungen geblieben.

Ich weiß, wie das bei den Mauteinnahmen auf der Brenner Autobahn funktioniert. Ich kenne die Bank, die dort hinfährt, um die Mauteinnahmen abzuholen. Das ist nicht unser Institut, sondern eines von der Konkurrenz. Man fährt hinauf, holt die Mauteinnahmen ab, das Geld wird gezählt und taggleich nach Wien auf ein Konto der ASFINAG überwiesen. (Bundesminister Dr. Ditz: Dort gehört es auch hin!) Da gehört es auch hin, sagt der Herr Minister. Danke für den Zwischenruf, das werde ich in Tirol weitererzählen. Es ist sehr schön, daß Sie sagen, dort gehört das Geld auch hin. – Das Geld, das in Tirol eingenommen wird, gehört also nach Wien. Ganz toll! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Keinen einzigen Tag, Herr Minister, lassen Sie das Geld in Tirol arbeiten, das ist eine traurige Situation!

Wir Tiroler Freiheitlichen haben jahrelang der Einführung einer Generalmaut in ganz Österreich das Wort gesprochen und waren für die Streichung der Spezialmauten, weil wir nicht einsehen (Bundesrat Rauchenberger: Waren Sie auch für die EU?) – ich sage es Ihnen nur wegen der Maut –, daß nur wir im Westen Maut bezahlen sollen und im Osten nirgends Maut bezahlt wird. Der Herr Minister sagt, wenn ich jetzt die Generalmaut einführe und die Spezialmaut streiche, dann ist das aufkommensneutral. Recht hat er damit, aber gerechter wäre es, denn die Leute aus dem Osten bezahlen nirgends Maut, und jene aus dem Westen zahlen auf jeder Straße, wenn sie das Land verlassen wollen, Mautgebühren. (Bundesrat Dr. Harring: Vergiß den Süden nicht, lieber Freund!) – Der Süden, natürlich! Kollege Harring sagt, auch im Süden sind Mautgebühren zu bezahlen. Ich sage ja, die West- und Südösterreicher müssen zahlen. Wir zahlen am Brenner, am Arlberg, am Felbertauern und dazu noch auf vielen privaten Mautstraßen.

Jetzt kommt die Generalmaut, aber die Enttäuschung ist groß, denn die Spezialmauten werden beibehalten. Durch diese Doppelmaut kommen echte Belastungen auf uns zu.


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611. Sitzung / Seite 56

Erstens einmal werden die Autofahrer im Westen doppelt bemautet und damit doppelt belastet. Es gibt 11 000 Pendler, die um 550 S die Vignette und auch die Brennermautkarte bekommen. Es gibt 19 000 Autofahrer, die eine Brennermautkarte haben und die Vignette um 1 200 S dazubekommen. Aber es gibt rund 230 000 Autofahrer in Tirol, die bisher keine Brennermautkarte hatten, die keine Pendler sind und die jetzt mit der Vignette und mit der Spezialmaut doppelt belastet werden.

Wenn ich nur einen Autofahrer aus einem entlegeneren Gebiet in Tirol hernehme, zum Beispiel aus Außerfern, Bezirk Reutte, der im ganzen Jahr nur wenig auf der Autobahn fährt und nur einmal einen Verwandtenbesuch nach Südtirol macht, so hat er bisher 260 S bezahlt, 130 S hin und 130 S retour. Im Jahr 1997 wird er 260 S bezahlen und 550 S für die Vignette dazu. Da muß ich sagen, Herr Kollege Kaufmann, weil Sie das Beispiel erwähnt haben, das ist eine Doppelbelastung. Das ist nicht nur eine Verdoppelung, sondern eine Vervielfachung der Belastung. Diese Doppelmaut ruft in der Bevölkerung Unmut hervor, und es geht auch in unserer Presse nicht spurlos vorbei. In der "Tiroler Tageszeitung" heißt es: Doppelmaut für 230 000 Tiroler: Vignettenzugeständnisse nur für 30 000 Lenker – eine Erleichterung!

Jetzt komme ich zu den Nachteilen für den Fremdenverkehr. Es war sehr erheiternd, Herr Minister, als Sie gesagt haben, man könnte ja auch diese Kosten positiv darstellen und zu einem Marketinghit machen. Leicht werden Sie es damit nicht haben.

Die Touristenvignette stellt sicherlich – und deshalb ist sie so umstritten – eine psychologische Barriere, ein psychologisches Hemmnis dar. Es heißt jetzt in Deutschland, in Holland, in Dänemark, in Schweden, ja fast überall, Österreich wird jetzt teurer. Das Autofahren in Österreich wird teurer. Es wird wie eine Eintrittsgebühr nach Österreich gesehen.

Jetzt sage ich Ihnen ein Beispiel dazu: Wenn ein Urlauber zweimal im Jahr zum Beispiel nach Osttirol kommt, im Winter und im Sommer, dann muß er zweimal eine sogenannte Touristenvignette kaufen. Dies kostet mit dem Kombipack 350 S. (Zwischenruf des Bundesrates Rauchenberger .) Er braucht sie, der Felbertauern ist eine Spezialmaut. Er braucht das Paket für Spezialmaut dazu. Wenn er zweimal im Jahr nach Österreich fährt, dann sind das 700 S, das sind genau 100 Mark. Und so wird das auch in Deutschland kolportiert. (Bundesrat Bieringer: Wenn er zweimal fährt, dann zahlt er zweimal 190 S, das sind nach Adam Riese 380 S, das mal zwei, das sind 760 S! Stellen Sie sich vor, was er jetzt zahlt!)

Schauen wir uns das in der Endabrechnung an. (Bundesrat Bieringer: Sie haben gesagt, er fahrt zweimal nach Osttirol! Rechnen Sie das aus!) Das werden wir uns schon ausrechnen, Herr Kollege! Es gibt auch derzeit Sonderbestimmungen für Touristen. (Bundesrat Prähauser: Rechnen war noch nie die Stärke der FPÖ!)

Fremdenverkehrsexperten haben berechnet (Bundesrat Rauchenberger: Jetzt sind es Experten, nicht mehr Sie!), daß diese Vignette Einbußen von rund 5 Prozent bei den Nächtigungen erbringen wird. (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) In Tirol gibt es 40 Millionen Nächtigungen pro Jahr, und 5 Prozent Einbußen sind zirka 2 Millionen Nächtigungen. Wenn Sie pro Nächtigung 1 000 S Ausgaben berechnen, so ergibt das Einnahmensverluste in Höhe von 2 Milliarden Schilling für den Tiroler Tourismus.

Damit – das sage ich jetzt noch einmal – wird eine krisengeschüttelte Branche – und das ist sie – in ein Desaster getrieben, Herr Minister! Hunderte Betriebe und Tausende Arbeitsplätze werden dadurch gefährdet und vernichtet. Das ist Ihre Wirtschaftspolitik, und das ist die Arbeitsplatzoffensive dieser Regierung.

Damit wird aber auch die österreichische Leistungsbilanz verschlechtert, Herr Minister! Das wissen Sie genau, denn die 2 Milliarden Schilling kommen ja vorwiegend aus dem Ausland. Eine Verschlechterung der Leistungsbilanz, die ohnehin schon bei 40 Milliarden Schilling minus liegt, wird à la longue auch negative Auswirkungen auf die Stabilität des Schillings haben.

Nun noch zu den Belastungen für Hunderttausende Anrainer in den Transitgemeinden. Die Ausweichrouten sind heute schon festgelegt. In deutschen Medien werden schon die Schleichwege

 


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
611. Sitzung / Seite 57

beschrieben, wie man ohne diese Maut nach Österreich oder durch Österreich kommt. Die Straßen Kufstein – St. Johann, Achenpaß, vor allem der Fernpaß, aber natürlich auch das Inntal und das Wipptal bis zum Brenner werden aufgezählt.

Dazu sagt der Bürgermeister Atzl von Wörgl, Ihr Parteikollege, in der "Tiroler Tageszeitung" – ich zitiere –: "Dann wäre es vom Stau zum GAU nur mehr ein kleiner Schritt. Und das bedeutet eine gewaltige Schmälerung der Lebensqualität der Menschen in diesen Gebieten." – Es würde – und das sagt auch das Kuratorium für Verkehrssicherheit – zu vermehrten Verkehrsunfällen kommen, Rettungstransporte im Stau werden unmöglich, vermehrte teure Hubschraubertransporteinsätze werden notwendig und so weiter. – Ein Horrorszenario für die betroffene Bevölkerung, die sich das auf Dauer nicht gefallen lassen wird.

Hier erwarten Sie, Herr Minister, nach den Studentenprotesten sicherlich die nächsten Proteste, Streiks und Blockaden. Denn hier heißt es schon – ich zitiere noch einmal aus der "Tiroler Tageszeitung" –: Mautvignette: Zeichen stehen auf Sturm. Die Vignetteneinführung beschwört Horrorvisionen herauf, Tausende Autofahrer verlassen an der Grenze die A 12, besonders jene, die in Richtung Kitzbühel unterwegs sind und wegen wenigen Kilometern bis zur Eiberg Bundesstraße keine Autobahnmaut bezahlen wollen. Dadurch droht Kufstein unter die Räder zu kommen. – Ende des Zitats. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Aus diesem Grunde möchte ich – weil das auch sehr viele Politiker im Westen Österreichs, die auch Ihrer Couleur oder den Sozialdemokraten angehören, erkannt haben, zum Beispiel unser Landeshauptmann, der zwar in Wien beim Parteivorstand der ÖVP zugestimmt, in Innsbruck aber dann von einem Murks gesprochen hat – jetzt einen Entschließungsantrag einbringen und ersuche um Zustimmung der Kollegen, vor allem aus den westlichen und belasteten Bundesländern. (Bundesrat Rauchenberger: Der Landeshauptmann von Wien war nie im ÖVP-Bundesparteivorstand!)

Ja, aber der Tiroler Landeshauptmann Weingartner, hat von einem Murks gesprochen, auch der Wiener Landeshauptmann Häupl wird sich in Ihren Gremien dagegen verwehren.

Der Entschließungsantrag lautet:

Entschließungsantrag

"Der Bundesrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß es zu keiner doppelten Mauteinhebung auf österreichischen Autobahnen kommt, und dadurch zu verhindern, daß es zu negativen Erscheinungen wie einer Verdrängung vom Verkehr auf das Bundesstraßennetz oder die Benachteiligung von Tourismusregionen kommt."

Ich hoffe, daß in diesem Fall die Länderkammer Solidarität mit den betroffenen Bundesländern zeigt und daß die Bundesräte gerade aus den betroffenen Ländern, Tirol, Vorarlberg, Salzburg, Kärnten, diesmal auf der Seite ihrer Länder stehen und diesen Interessen Vorzug geben – vor der Parteiräson. Aus diesem Grunde bitte ich um Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.13

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Der von den Bundesräten DDr. Königshofer und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Verminderung der Doppelmaut in Folge der Einführung des Mautpickerls ist genügend unterstützt und steht demnach zur Verhandlung.

Es hat sich weiters zu Wort gemeldet Herr Bundesrat Ludwig Bieringer. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Eisl: Rechenkünstler!)

17.13

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Ich darf vorweg für die ÖVP-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
611. Sitzung / Seite 58

Fraktion Herrn Bundesminister Ditz sehr herzlich und aufrichtig für seine ausführliche und umfangreiche Beantwortung der sogenannten dringlichen Anfrage der F danken.

Herr Bundesminister! Sie haben einmal mehr konkret aufgezeigt (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Ist dringlich, oder nicht?) – das war äußerst dringlich, ja –, daß die Mär, die die Freiheitlichen überall versuchen umherzustreuen, einfach nicht stimmt.

Lassen Sie mich ganz kurz auf Dr. Kapral eingehen, der gemeint hat, Herr Bundesminister Ditz möge sich den von uns sehr geschätzten Dr. Friedrich Zimmermann, den ehemaligen Innenminister und Verkehrsminister der Bundesrepublik Deutschland, als Anwalt holen. Lassen Sie mich dazu folgendes sagen, Herr Dr. Kapral: Sollte jemals Herr Dr. Ditz einen Anwalt brauchen, wird er auf einen Österreicher zurückgreifen, denn die österreichischen Anwälte sind hervorragend, wir brauchen daher nicht in das befreundete Ausland zu gehen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Dr. Prasch: Großartig!)

Ich würde Sie bitten, Herr Dr. Kapral, auch wenn Sie hier noch so oft irgend etwas erzählen, sich doch im Ausland umzuhören, wie das Ausland Österreich und insbesondere die Regierungserklärung beurteilt. Hätten Sie bei der letzten (Bundesrat Dr. Kapral: Die Ausländer müssen auch nicht zahlen!) Sitzung etwas aufgepaßt, Herr Präsident Schambeck hat die "Neue Zürcher Zeitung", die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitiert. Diese Zitierungen stehen diametral, also im Gegensatz zu Ihren Äußerungen. Sie können das österreichische Volk nicht laufend für blöd verkaufen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Dr. Kapral: Die Ausländer müssen auch nicht zahlen!)

Herr Kollege Königshofer! Wir nehmen mit (Bundesrat Eisl: Diese Zeitungen werden von der "SVZ" geschlagen! Ich gebe zu, ich habe sie noch nie gelesen...!)

Lieber Andreas Eisl! Deine Bemerkungen in Ehren. Mein Vater war ein kleiner Arbeiter, und er hat einmal zu mir gesagt: Bua, merk’ dir eins, wer schreit, hat Unrecht! – Je mehr ihr mir entgegenschreit, umso mehr bin ich überzeugt davon, daß ich recht habe und Sie, meine Herren, unrecht.

Herr Dr. Königshofer! Wir nehmen mit Genugtuung zur Kenntnis, daß die FPÖ für die EG, damals hat sie ja EG geheißen oder EWG, war. Die FPÖ war für die Generalmaut, die Freiheitlichen, F, oder wie euch jetzt nennt, sind überall dagegen – überall dagegen! Ihr habt einen hervorragenden Gesinnungswandel gemacht. (Bundesrat Eisl: Die ÖVP ist für die Doppelmaut!)

Wenn Sie, Herr Dr. Königshofer, Osttirol als Beispiel nehmen, dann bin ich Ihnen sehr dankbar dafür; dankbar deswegen, weil ich Sommer- und Winterurlaub in Osttirol, in St. Jakob im Defreggental verbringe. Wenn ein Tourist aus Deutschland mit der Kombimaut um 350 S nach Osttirol fährt, dann hat er zweimal die Felbertauernmaut und die Autobahnmaut – um 350 S. Wenn er jetzt fährt, zahlt er 360 S, wenn er das zweimal macht (Bundesrat Pischl: 380 S!) – ich komme immer auf 380 S; ich kann nicht rechnen, Herr Dr. Kapral –, sind das 760 S, zweimal 350 S sind 700 S. Und da kommt auch kein Aufschrei aus Osttirol, weil das für die Osttiroler eine gewisse Verbilligung ist.

Zu Ihrem Entschließungsantrag lassen Sie mich für die ÖVP-Fraktion folgendes festhalten: Am vergangenen Donnerstag wurde nach ausführlicher Diskussion ein Antrag der F im Tiroler Landtag einstimmig, also mit den Stimmen aller Fraktionen, beschlossen.

Meine Fraktion, die Österreichische Volkspartei, sieht überhaupt keine Veranlassung, heute Ihrem Entschließungsantrag beizutreten, weil niemand dadurch einen Vorteil hat. Wenn man etwas (Bundesrat Eisl: Wegen des Koalitionsabkommens!) noch so oft beschließt, wird es nicht besser werden. Daher werden wir Ihren Entschließungsantrag ablehnen.

Meine Damen und Herren! (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Wo haben Sie das beschlossen bis jetzt?) Werter Herr Kollege! Wenn man etwas dreimal oder viermal beschließt, wird der Inhalt nicht besser. Oder wird er dadurch besser? (Rufe bei den Freiheitlichen.) Wir brauchen das gar nicht zu beschließen. Kennen Sie das nicht? Dr. Königshofer wird das kennen.


Bundesrat
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611. Sitzung / Seite 59

Meine Damen und Herren! Kosten wird niemand gerne in Kauf nehmen, auch eine Bemautung nicht. Es wird niemand mit Jubelschrei aufschreien, wenn es eine Maut gibt. Wenn man aber nun diese 550 S zerlegt, dann kommt man drauf, daß etwa 45 S der Preis für einen Monat ist. Und ich ziehe jetzt einen Vergleich: Wenn man bei Stammtischrunden sitzt und dort ein Krügel Bier trinkt, dann kostet ein Krügel Bier 30 S etwa. Das heißt, die Autobahnvignette kostet den Österreicher eineinhalb Krügel Bier. Und ich glaube, daß eineinhalb Krügel Bier vertretbar sind – pro Monat –, um die Lücken im österreichischen Straßennetz zu schließen. (Bundesrat Prähauser: Noch dazu bei 0,5 Promille!) Und das noch dazu bei 0,5 Promille.

Meine Damen und Herren! Wenn man bedenkt (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Ein Seidel pro Tag, ein Ding pro Tag, und pro Minute ist es dann verdunstet!), daß die Vignette 550 S kostet und für den Tourismus Ausnahmen gemacht werden, so sind wir der Meinung, daß es vertretbar ist, für den Straßenbau und für das Schließen der Lücken diese 550 S einzuheben.

Meine Damen und Herren! Nun zur Stadtautobahn: Wenn man sagt, man möge für Stadtautobahnen, falls es, wie der Herr Minister gesagt hat, den Begriff Stadtautobahnen überhaupt gibt, Ausnahmen machen, so bin ich auch der Meinung, daß das nicht sein soll. Meine Damen und Herren! Ich weiß, wovon ich rede. Ich selbst wohne etwa 40 Meter neben der A 1, der West Autobahn in Salzburg, auf der täglich 60 000 Fahrzeuge fahren. Ich weiß daher, wovon ich rede, und ich weiß, wie wichtig es ist, daß diese Autobahn auch benützt wird. Dennoch glaube ich, eine Ausnahme zu machen, wäre verfehlt, denn Ausnahmen gibt es auch in der Schweiz nicht.

Sie reden heute schon so, als ob alles drunter und drüber gehen würde, wenn diese Vignette eingeführt wird, und daß alles auf die Bundesstraßen ausweichen werde. Das stimmt einfach nicht. Nehmen Sie als Beispiel die Schweiz her. Die gleichen Bedenken, die hier und heute bei uns geäußert werden, wurden damals in der Schweiz geäußert. Davon eingetreten ist fast nichts. (Bundesrat Mag. Langer: Die zahlen ja auch viel weniger!) Alle Befürchtungen, die genannt wurden, sind nicht eingetreten. Wenn Herr Dr. Kapral meint, man kann die anderen ... (Bundesrat Rauchenberger: Zürich ist ausgenommen! – Bundesrat Mag. Langer: NOVA... alles nichts! Das können Sie nicht vergleichen!)

Herr Kollege! In der Schweiz sind die Befürchtungen, die gehegt wurden, nicht eingetreten. Das ist ein Faktum.

Wenn Sie, meine Damen und Herren, heute sagen, daß die Autobahnmaut in anderen Ländern niemanden interessiert, dann gestatten Sie mir doch, daß ich darauf hinweise, daß es in Europa zwölf Staaten gibt, die zugegebenermaßen unterschiedliche Mautgebühren einheben. Wenn Sie heute zum Beispiel vom Brenner nach Rom und wieder zurückfahren, zahlen Sie 800 S – für eine Fahrt vom Brenner nach Rom: 800 S. Wenn Sie in Frankreich von Paris nach Marseille fahren, zahlen Sie 400 S. Diese Liste ließe sich fortsetzen. Es gibt auch Länder, in denen die Maut wiederum billiger ist.

Oder: Hat sich irgend jemand aufgeregt, als Tschechien die Autobahnvignette eingeführt hat und hiefür 400 Kronen – das sind zirka 150 S – verlangt? – Niemand hat sich aufgeregt. Jeder, der nach Prag fährt und die Autobahn in Tschechien benutzt, kauft sich dieses Pickerl und pickt es auf das Auto.

Ich meine daher, meine Damen und Herren, daß, so traurig eine neue Einführung einer Abgabe ist, sie aber dennoch, wenn sie notwendig ist und in dem Fall notwendig zur Konsolidierung ist, wie es uns der Herr Bundesminister gesagt hat, eingeführt werden soll. Wir werden das vertreten. Wir werden noch Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren. In diesem Sinne hätten Sie sich Ihre dringliche Anfrage für die nächste Sitzung des Hohen Hauses aufheben können! (Beifall bei der ÖVP.)


Bundesrat
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611. Sitzung / Seite 60

17.24

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Es ist weiters zu Wort gemeldet Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile es ihm.

 

17.24

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Das Arbeitsübereinkommen zwischen SPÖ und ÖVP sieht ein flächendeckendes, fahrleistungsabhängiges, ökologisch gestaltetes Mautsystem – wir nennen es Road-pricing – in Abstimmung mit der EU vor. Für die SPÖ steht im Vordergrund der Überlegungen eine möglichst effiziente Bewirtschaftung des hochrangigen Straßennetzes, also vor allem der Autobahnen und Schnellstraßen. Dazu erscheint ein Road-pricing-System sowohl aus verkehrs-, umwelt-, aber auch aus wirtschaftspolitischer Sicht am besten geeignet. Insbesondere muß jede Art der Bemautung auch mit deutlichen Verbesserungen für den Konsumenten, also den Autofahrer, einhergehen. Sanierungen, Leit- und Informationssysteme und Lückenschlüsse sind hier zu bewerkstelligen.

Für eine Vignette spricht ihre Einfachheit, ihre unmittelbare Einführbarkeit sowie die unter Umständen geringeren Verwaltungskosten. Die Vignette ist allerdings nicht fahrleistungsabhängig und entspricht damit auch nicht dem Arbeitsübereinkommen. Es ist kaum plausibel zu erklären, warum jemand, der einmal im Jahr auf der Autobahn auf Urlaub fährt, denselben Betrag zahlen soll wie jemand, der diese Infrastruktur wesentlich öfter in Anspruch nimmt. Dem hat man Rechnung getragen. Führt man diese Lösung daher ein, ist damit automatisch auch die Ergiebigkeit des Systems drastisch reduziert und das Streben nach Kostenwahrheit im Verkehr insbesondere bei den LKWs bereits von vornherein zum Scheitern verurteilt. Der Lückenschluß im HSN-Netz würde noch Jahrzehnte dauern, nötige Sanierungen könnten nicht finanziert werden. Dringend erforderliche Umfahrungen wie etwa die Nord- und Südumfahrung Wiens könnten nicht gebaut werden, und die beschäftigungs- wie konjunkturpolitisch wichtigen öffentlichen Aufträge an die Bauwirtschaft werden nur in eingeschränktem Maß erfolgen.

Die SPÖ hat hinsichtlich der Einführung des Road-pricings bereits im Frühjahr dieses Jahres ein Grundsatzkonzept vorgestellt und dieses im Laufe der Monate konkretisiert. Im wesentlichen sieht dieses Konzept vor, daß eine bundesweit einheitliche Gesellschaft die Nutzungsrechte am hochrangigen Straßennetz übertragen erhält. Diesem Vermögenswert, der ohne Zweifel im Bereich von etwa 100 Milliarden Schilling anzusiedeln ist, stehen die Straßenverbindlichkeiten der ASFINAG gegenüber, die zu Jahresende rund 76 Milliarden Schilling betragen werden. Hauptaufgaben dieser Gesellschaft werden der weitere Neubau, der Lückenschluß des hochrangigen Straßennetzes, dessen bauliche und betriebliche Erhaltung, die Verwaltung der bisherigen Mautstrecken sowie die Vorbereitung der Einführung des flächendeckenden Road-pricings sein.

In Abstimmung mit den im Wirtschaftsministerium bereits vorliegenden Transportwegen sollte dieses Road-pricing für LKWs bereits Anfang 1997 sowie für PKWs etwa im Jahr 2000 eingeführt werden. Technisch ist dies ohne weiteres möglich, wie das verschiedene Versuche etwa in der BRD gezeigt haben. Die Refinanzierung erfolgt zunächst über den Kapitalmarkt ohne Bundeshaftung sowie über private Beteiligungen. Hier teile ich nicht die Meinung des Kollegen Königshofer. Ich meine doch, daß Investoren gerne bereit wären, in diesen Bereichen zu investieren.

Daß dieses System funktioniert, hat sich zum Beispiel an Frankreich gezeigt. Dort werden für die bewirtschafteten 6 000 Kilometer Autobahnen keinerlei staatliche Zuschüsse benötigt. Sie werden über Anleihen vorfinanziert. Betrieb, Erhaltung und Verwaltung sowie die Finanzierung der insgesamt etwa 2 Milliarden Schulden werden aus den Mauteinnahmen gedeckt.

Die Vorteile aus unserer Sicht: fahrleistungsabhängig, damit gerechter, bessere Berücksichtigung des Prinzips der Kostenwahrheit, weit höheres Neubauvolumen, damit wesentlich schnellerer Lückenschluß, einheitliche Maut- und Verkehrspolitik, höhere EU-Kompatibilität – Deutschland denkt bereits in dieselbe Richtung –, bessere "Servicierung" des Autofahrers durch die Gesellschaft, höhere positive Effekte auf Beschäftigung und Konjunktur. – Soviel zur Sache selbst und nun einige emotionelle Bemerkungen.

Wir haben heute mehrfach gehört, daß die freiheitliche Partei – sie hat das auch zugegeben – eine Generalmaut gefordert hat. Es ist nicht neu, daß die Österreicher eine Maut gefordert

 


Bundesrat
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611. Sitzung / Seite 61

haben, besonders im Westen. Ich wohne in der Nähe des großen Grenzüberganges Walserberg und darf auch von mir behaupten, zu wissen, wie es mit Straßen ausschaut, die ein Land zu finanzieren hat, damit sie andere als Durchzugsstraßen benützen können. Die einzige Gegenleistung, die wir auf der Strecke der West Autobahn sahen, waren verunreinigte Parkplätze, und zwar derart verunreinigt, daß es am untersten Bereich einer Zivilisation ist, den man nicht für möglich hält. Wir waren beauftragt, diese zu säubern und die Straßen für die Durchreisenden wieder fahrtüchtig zu machen, die sich auch 60 Kilometer Stau nicht erspart haben, um an der letzten Tankstelle vor der Grenze – das ist Reichenhall – noch um 20 Groschen billiger zu tanken, als das in Österreich der Fall ist. Was erwarten wir von Autofahrern, die 60 Kilometer Stau und damit vier, fünf Stunden Wartezeit riskieren, um sich ein paar Groschen beim Tanken zu sparen, den Mist in Österreich abladen und dann in den Süden weiterfahren? – Ich glaube, daß hier die Einführung der Maut ein echtes Instrument auch zur Erziehung ist. Ich glaube, man sollte – das war für uns auch wichtig – dazu stehen.

Es kann nicht so sein, daß nur Ausländer zur Kasse gebeten werden. Wir müssen das gemeinsam tragen. Ich habe auch in Ihrem Papier gelesen, daß Sie große Sorge haben, daß aus dem Osten jetzt weniger Urlauber nach Österreich kommen. Ich habe aber auch schon gehört, daß Sie große Sorgen haben, daß zu viele aus dem Osten kommen. Ich glaube auch, daß, selbst wenn in Ungarn eine einmalige Nutzung einer Autobahn 65 S kostet, eine sogenannte Urlauber-Vignette zugemutet werden kann, denn wer aus dem Osten nach Österreich auf Urlaub fährt oder Österreich quert, um nach Frankreich oder Deutschland zu kommen, wird mehr Schilling in der Geldtasche haben als möglicherweise nur jene 500 S, die er für die Maut auszulegen hätte.

Ich glaube auch, daß die Verlagerung aufgrund dieser Kosten auf die Bundesstraßen ausbleiben wird. Jeder von uns weiß um die Bequemlichkeit von Autofahrern oder Autofahrerinnen, ich möchte hier nicht unterscheiden. Wir erleben trotz Staus stundenlange Wartezeiten, obwohl es bei uns genügend Möglichkeiten gäbe, die Autobahn zu verlassen und einen normalen Landesstraßen-Grenzübergang zu benutzen. Da wird stur gewartet und dann weitergefahren. Ich meine, daß niemand, der einmal die Brenner Bundesstraße benützt hat, das wiederholen wird. Einmal, das gebe ich schon zu, kann das schon sein, aber ein zweites Mal wird er sich das sparen.

Ich weiß, daß man über die Radstädter Tauern sehr gut fahren kann – die Straßen dort sind sehr breit –, aber spätestens der Katschberg-Paß wird die Leute zum Nachdenken bewegen. Er ist für jene mit Wohnwagen unüberwindbar. Gerade Autofahrer aus Holland, wie wir gehört haben, werden diese Maut sehr gerne bezahlen, weil sie wissen, daß wir für Straßen sorgen, die ihren Fahrmöglichkeiten besonders entsprechen, denn jemand, der keine Berge gewohnt ist, ist froh, wenn die Straßen entsprechend begradigt und einfach zu befahren sind. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer .) Ich habe von Holland gesprochen und habe das ganz bewußt so gemeint.

Es ist natürlich verständlich, daß verschiedene Landespolitiker im Hinblick auf Wahlen jetzt möglicherweise andere Ansichten vertreten. Ich glaube, daß das keine Einzelfälle sind, nur sitzen wir alle in einem Boot. Diesbezüglich haben wir gemeinsam für die Finanzierung der Zukunftsstraßen zu sorgen, und da kann niemand ausscheren.

Es ist für mich nicht nachvollziehbar, daß von dem zitierten Autobahnteil der Stadt Salzburg 21 Kilometer aus der Maut ausgenommen werden sollen – links elf Kilometer nach Osten, und nach Süden genau das gleiche. Das heißt, wenn jemand nur eine einzige Ausfahrt später abfahren würde, würde er, sollte das ausgenommen sein, gegen das Gesetz verstoßen. Wer sollte denn das kontrollieren? Sollten wir dann bei den Ortsausfahrten und Stadtenden Kontrollstationen einführen?

Man vergißt eines: Durch das Nutzen der Autobahnen und unserer hervorragenden Schnellstraßen gewinnt man auch wertvolle Zeit – Freizeit, aber auch Arbeitszeit. Ich denke, bei einem Bruttostundensatz von 100 S wären diese 550 S fünfeinhalb Stunden. Das, meine Damen und Herren, spart sich jeder Autobahnbenützer fünfmal in einem Jahr, und daher sollte man auch

 


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611. Sitzung / Seite 62

selbstbewußt sagen, diese Vorzüglichkeit kostet, und man sollte auch dazu stehen. (Bundesrat DDr. Königshofer: Die Pensionisten mit ihren "Pensionserhöhungen" werden sich das auch leisten können!) – Herr Dr. Königshofer! Polemik ist anscheinend das Vorrecht der Opposition, aber das Denken sollten Sie nicht ausschalten, das sage ich Ihnen! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat DDr. Königshofer: Ihre Regierungspolitik: Keine Pensionserhöhungen, aber dafür Belastungen!)

Die Pensionisten sind zur mobilsten Schicht Österreichs geworden, nicht weil jeder einzeln unterwegs ist, sondern weil sie gemeinsam mit Bussen und Flugzeugen – Gott sei Dank – endlich auch ihren Freiraum nutzen können, weil der Staat dafür sorgt, daß ihre Pensionen gesichert sind, daß sie das, was sie erarbeitet haben, auch genießen können. (Bundesrat Dr. Harring: Noch!) Da werde ich Ihnen in keiner Weise folgen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Herr Kollege Prähauser! Wir reden aneinander vorbei! – Bundesrat Konečny: Das liegt an Ihnen! – Bundesrat Dr. Tremmel: Sie haben versprochen, daß hier keine Reduzierung sein wird! Die Reduzierung ist eingetreten!) – Die Reduzierung hat der Herr Bundesminister hervorragend erklärt. Dafür gibt es auch Abstufungen, diese sogenannte Zweimonats-Vignette und so weiter. Das ist mehr als eine Rechtfertigung dafür.

Herr Dr. Tremmel! Fahren Sie doch einmal in die Schweiz, da bezahlen Sie einmal, ob Sie zweimal, dreimal oder fünfmal fahren. Jetzt sage ich Ihnen etwas anderes (Zwischenruf des Bundesrates Eisl ) – natürlich sind Sie mit Ihrer Kritik nicht allein –, ich darf zitieren: Die von Ditz und Klima beschlossene Autobahn-Vignette grenzt an moderne Wegelagerei und soll nur dazu dienen, die Löcher im Budget zu stopfen. – So kritisiert der Salzburger FP-Landesparteiobmann Karl Schnell heute Mittwoch.

Dazu gibt es eine weitere Meldung. Der Generalsekretär der deutschen CSU, Bernd Protzner, hat scharf die österreichischen Mautpläne kritisiert. In einem Telefon-Interview in der "ZiB 2" sprach Protzner am Montag abend von Wegelagerei. Wer von wem "abgekupfert" hat, wage ich nicht zu beurteilen. Ich meine nur, das ist ausschließlich eine Art von Volksaufhetzung, die auch einer Opposition nicht zusteht. Man sollte gemeinsam nachdenken und die Möglichkeiten gemeinsam ausschöpfen, um die Finanzen des Bundes in diesen Bereichen sicherzustellen, weil auch wir alle diese Straßen weiterhin benutzen.

In Bayern denkt man bereits um, wir haben das schon gehört. Da heißt es plötzlich, die Maut ist eigentlich beispielhaft. So rasch ändern sich die Zeiten. Hat es in Deutschland zunächst massive Proteste gegen die Mautpläne der österreichischen Regierung gegeben, so ist in Bayern ein Umdenkprozeß im Gange. Die Zeitung "Münchner Merkur", CSU-nahe, schlägt jetzt auch in Deutschland eine Autobahnmaut vor. In einem Kommentar heißt es, daß es kindisch wäre, wegen der Wiener Mautpläne jetzt die beleidigte Leberwurst zu spielen. Anerkennung finden Argumente, daß nach Jahren des Gratisfahrens nun auch Ausländer für Österreichs Straßen zur Kasse gebeten werden. Herr Dr. Königshofer! Ich darf Ihnen sagen, eigentlich wäre das Ihre Linie. Ich verstehe daher nicht, warum Sie heute nichts davon wissen wollen. (Bundesrat DDr. Königshofer: Nicht die Menschen sind die Wegelagerer – die Politiker!)

Jetzt darf ich Ihnen, um Ihr Wissen in dieser Frage etwas zu erweitern, noch folgendes zur Kenntnis bringen: Wir tun heute so, als ob in Österreich die Wirtschaft zusammenbräche, weil die Arbeitnehmer mit 550 S – ich gehe von der Vollvignette aus – zusätzlich belastet werden. Herr Dr. Königshofer! Wissen Sie, wieweit Sie in Spanien für diesen Betrag fahren können? – Sie können genau 523 Kilometer fahren, in Italien können Sie 743 Kilometer fahren. Allerdings sage ich auch, zwei, drei Einkäufe im benachbarten Ausland weniger ersparen uns die Autobahnmaut und helfen der heimischen Wirtschaft beim Absetzen ihrer Waren. Daran sollten Sie mitwirken, Herr Kollege Dr. Königshofer! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

In Frankreich fahren Sie 743 Kilometer, in Portugal 916 Kilometer, nur in Griechenland 5 500 Kilometer. Aber um dorthin zu kommen, brauchen Sie ein Vielfaches an Benzin von dem, was die Vignette in Österreich kostet.

 

 


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611. Sitzung / Seite 63

Die Österreicherinnen und Österreicher werden für sich selbst beurteilen und zum Schluß kommen, daß ein gefahrloses Benutzen dieser öffentlichen Verkehrswege ihren Preis hat, und dieser wird akzeptiert. Ich bitte die Regierung, diesbezüglich hart zu bleiben, diesen Beschluß weiterhin gemeinsam zu tragen. Die Ansätze sind da, die Österreicher werden Ihnen wie bei so vielem letztendlich durch den Erfolg später recht geben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.38

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Mag. Dieter Langer. Ich erteile es ihm.

17.38

Bundesrat Mag. Dieter Langer (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Bieringer hat gemeint, die dringliche Anfrage wäre gar nicht dringlich. Dies ist eine Darstellung, die immer dann Platz greift, wenn es den Herrschaften der Regierungskoalition unangenehm ist, wenn die Freiheitlichen den Finger dorthin legen, wo die Bevölkerung eine Wunde verspürt und wo es brennt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Problem der Bemautung ist dringlich bei Landeshauptleuten, in Landtagen, bei Bürgermeistern, bei Stadträten, bei Abgeordneten, bei der betroffenen Bevölkerung, nur bei Kollegen Bieringer als echtem Volksvertreter ist es das wohl nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister Dr. Ditz! Sie haben von einer kalkulierbaren Politik gesprochen, die Sie der österreichischen Bevölkerung bieten. Diese ist wirklich kalkulierbar. Sie regieren, und es kommen die Belastungen, das ist kalkulierbar. Sie regieren, und es wird alles teurer, das ist kalkulierbar. Und es ist genauso kalkulierbar, daß nichts so stimmt nach den Wahlen, wie Sie es vor den Wahlen gesagt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie sagen, die Finanzierungsmittel für das Straßennetz sind nicht vorhanden. – Dies ist deshalb der Fall, weil Sie die Beiträge der Autofahrer in das Budget einfließen lassen, um Budgetlöcher zu stopfen, und nicht zur Gänze für die Finanzierung der Straßen verwenden.

Sie meinen, es gibt die Akzeptanz in der Bevölkerung. – Dann ist es die Akzeptanz, die zähneknirschend etwas hinnimmt, von dem sie annimmt, daß es sich nicht mehr ändern läßt.

Und es soll wohl der neue Schüssel-Ditz-Kurs sein, daß man die Einführung der Maut als Tourismusattraktion verkauft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber ich glaube, es wird Ihnen trotz aller Argumentation nicht gelingen, Herr Bundesminister, daß Sie mit Ihren Maßnahmen im Belastungspaket und insbesondere mit der Bemautung jetzt die nationale und internationale Begeisterung hervorrufen.

Wenn Sie die Wirtschaftsoffensive ansprechen, dann muß ich Ihnen sagen, gerade Sie drehen mit Ihren Maßnahmen, die Sie treffen, mit den undurchdachten Maßnahmen, der Wirtschaft derzeit den Saft ab.

Das ungläubige Staunen der Bevölkerung, die vor Schreck praktisch stumm ist, nehmen Sie als Zustimmung zu Ihrer Politik.

Altkoalitionär heißt in unserer Begriffsbestimmung alt und nichts dazugelernt.

Die Bemautung ist ein Teilbereich des Belastungspaketes und ist nur ein neuerlicher Beweis für die Unglaubwürdigkeit dieser Bundesregierung, ein weiteres Kapitel in der endlosen Geschichte der zehnjährigen Koalitionsregierung: versprochen und nicht gehalten.

Sie wollen sich nicht an die Versprechungen erinnern, die Sie vor der Nationalratswahl 1995, vor den Wahlen 1994 und vor der EU-Abstimmung gegeben haben: keine Steuererhöhungen. Dann kam die Mineralölsteuer, wenn Sie sich noch erinnern können. Ein paar Monate waren nur zwischen der Ankündigung, daß es nicht kommt, und der Durchführung.


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611. Sitzung / Seite 64

Das kurze Gedächtnis gibt es eben auch bei dem Versprechen, daß zum Beispiel die Maut nur 390 S betragen soll. Jetzt, ein paar Monate später, sind es um 50 Prozent mehr, und auch die echte Zweckbindung ist gefallen. Das stellt auch der Rechnungshof in seiner Kritik fest, indem er sagt, aus den erfließenden Einnahmen, die an den Bund abzuführen sind, sind letztlich im wesentlichen die angemessenen Personal- und Verwaltungskosten der Straßensondergesellschaften, die Kosten der Einhebung der Benützungsentgelte und der Erhaltungsaufwand für diese Stellen abzudecken. Aber die Verwendung der Einnahmen für die Kosten des Bauaufwandes, des Tilgungserfordernisses und des Zinsenaufwandes aus Kreditoperationen ist hingegen nicht vorgesehen.

Trotz alledem sprechen Sie, Herr Bundesminister, von 1,5 Milliarden Schilling, die letztlich überbleiben und die in den Straßenbau gehen sollen, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Insgesamt gibt es aber Schätzungen, daß das Aufkommen, das netto 1,5 Milliarden Schilling bringen soll, ja 3 Milliarden Schilling ausmachen wird und letztlich davon nur die Hälfte überbleibt, was dann zwar nicht expressis verbis nach dem Gesetz, aber wohl nach Ihren Aussagen dem Straßenbau zugute kommen soll.

Die Autofahrer müssen wieder einmal dafür herhalten, diejenigen, die schon bisher wesentlich mehr bezahlt haben und in den Steuertopf haben einfließen lassen, als die Ausgaben betragen haben, die man für die Straßenerhaltung oder für den Straßenneubau ausgegeben hat, müssen jetzt herhalten, weil eben auf der einen Seite die Budgetlöcher gestopft wurden und auf der anderen Seite für wirtschaftsbelebende Maßnahmen kein Geld da ist.

Das Vorhaben der Bemautung in dieser Art ist Straßenräuberei im wahrsten Sinne des Wortes, weil hier von der Straßenbenützung das Geld zwangsweise abkassiert wird, und zwar ohne Augenmaß für Nebenwirkungen, aber auch ohne Augenmaß für Auswirkungen. Es kommt mir so vor, als ob hier die Details der Auswirkungen nicht bedacht worden sind.

Das ist es, was auch die massiven Proteste der Bevölkerung hervorgerufen hat, die Proteste in der Öffentlichkeit und letztlich auch Proteste in den betroffenen Städten von allen Parteien. Ich spreche hier vom Detailbereich der Maut für die Stadtautobahnen. Das betrifft nicht nur Wien. Und in der Sache selbst sind diese Proteste zu Recht, denn es ist nicht einzusehen, Maut bezahlen zu müssen, wenn man über die Südosttangente von einem Bezirk in den anderen fährt. Es ist nicht einzusehen, wenn durch die Bemautung die Bestimmung von Straßen, die ja dezidiert als Entlastungsstraßen gebaut worden sind, konterkariert und zunichte gemacht wird, und es ist nicht einzusehen, daß damit die Verdrängung des Verkehrs von diesen Entlastungsstraßen in Wohngebiete erfolgt mit allen ihren Auswirkungen, mit der Verlängerung der Staus, mit den Abgasen und so weiter, und es ist nicht einzusehen, daß die Autofahrer, die bisher schon die Melkkuh der Nation waren, in einer weiteren Schröpfaktion noch weiter belastet werden.

Es ist heute schon erwähnt worden, aber man kann es nicht oft genug sagen: Mineralölsteuer, Normverbrauchsabgabe, nachgewiesenermaßen die höchsten Autopreise in Europa, in Wien ein teures Parkpickerl, und das alles vor dem Hintergrund der größten Belastungswelle, die in der Zweiten Republik auf den Österreicher zukommt und letztlich auch noch die Wirtschaft durch die Abschaffung der sogenannten Fiskal-LKW belastet.

Auch die Wirtschaft ist durch diese Mautabgabe auf den Stadtautobahnen extrem belastet, denn Betriebe, die nur innerhalb Wiens ihren Aufgaben nachkommen, müssen sie halt benützen, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen. Sie können oft nicht ausweichen in staugefährdete Durchzugsstraßen, und das ist eine Belastung und Erschwernis.

Und es ist letztlich auch so, daß durch die Beiträge, die die Autofahrer im Wege der Mineralölsteuer und anderer Abgaben bezahlen, die Straßen schon finanziert worden sind und auch für die Erhaltung genügend Geld aus diesem Topf vorhanden sein müßte.

Das Wiener Problem beginnt letztlich bei der Stadtautobahn damit, daß die Südosttangente von 138 000 Autos benützt wird, die Donauufer Autobahn von 76 000 Autos und die Ost Autobahn von 51 000 Autos.


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611. Sitzung / Seite 65

Wenn wir am Beispiel Ungarns sehen, wo nur eine kleine, eine wesentlich geringere Belastung einer bemauteten Autobahn dafür gesorgt hat, daß die umliegenden Landstraßen verstopft sind, dann ist wohl abzusehen, was sich hier in Österreich abspielen wird. (Zwischenruf des Bundesrates Prähauser .) Herr Kollege Prähauser, es ist ja nicht so, daß sich sozusagen der Tourist aus dem Osten scheuen wird, die Autobahn zu benützen, wenn er hier schon Geld ausgibt und vielleicht das auch noch zahlt, sondern es sind diejenigen, die täglich die Ost Autobahn benützen, die ausweichen werden, wodurch dann letztlich der Zweck, den die Ost Autobahn gehabt hat, nämlich die Bundesstraße zu entlasten, zunichte gemacht wird.

Sie verstopfen die Straßen, die Wohngebiete werden belastet, die Lebensqualität sinkt. Sie haben Verluste an produktiver Arbeitszeit bei den Arbeitnehmern durch die Staus. Die Zulieferer, der Wirtschaftsverkehr, die Nahversorgung und auch die Pendler leiden darunter. Und man kann das wohl wirklich nur als ironischen Beitrag Ihrerseits nehmen, Herr Minister, wenn Sie die Maut oder die Bemautung als einen Entlastungsbeitrag für die Tangente bezeichnen.

Jedenfalls vor dieser Horrorvision, vor diesem Rien-ne-va-plus im Stadtverkehr, sind wohl alle Bemühungen zu sehen, die die Verkehrspolitiker der betroffenen Region unternommen haben, und daher auch die starke Kritik, die die Idee dieser Bemautung im städtischen Gebiet, vor allem in Wien, hervorgerufen hat.

Wenn Proteste nun von Interessenvertretungen kommen, wie vom ÖAMTC oder vom ARBÖ, von der Wirtschaftskammer auf der einen Seite oder von der Arbeiterkammer auf der anderen Seite, wenn Kritik vom Rechnungshof kommt oder auch von Alt-Bürgermeister Zilk, der die Diskussion als sinnlos und hirnrissig bezeichnet hat, dann muß wohl etwas anderes dahinterstecken als etwas, was positiv für die Bevölkerung ist.

Daß sich die Opposition aufregt, darüber ist sich die Regierung ja wohl schon im klaren, das ist ja auch deren Aufgabe. Aber wenn sich von Bürgermeister Häupl bis Stadtrat Görg oder von Stadtrat Svihalek bis zum Präsidenten der Wirtschaftskammer Nettig die entsprechenden Proteste anreihen und aneinanderreihen, die sogar soweit führen, daß die Drohung mit dem Verfassungsgerichtshof kommt oder auch die Drohung mit der Umwandlung der Autobahnen in Bundesstraßen, dann muß doch mehr dahinter sein.

Das muß doch die Bevölkerung aufregen und wichtig sein für die Bevölkerung, wenn sich so bedeutende Politiker aller Couleurs letztlich dafür einsetzen, daß es in diesem Bereich Entlastungen gibt.

Doch offenbar handelt es sich hier, wenn man die heutigen Äußerungen der verschiedenen Bundesräte aus den Couleurs der Sozialdemokraten und der ÖVP hört, wohl um eine riesige Schwindelvorstellung, die uns vorgeführt wird, um uns Sand in die Augen zu streuen.

Die Unglaubwürdigkeit der Bundesregierung hat sich meines Erachtens nach nun auch auf die Unglaubwürdigkeit in der Landespolitik verlagert. Denn wie wäre es anders zu verstehen, daß sich hier im Vorlauf der Wiener Gemeinderatswahl der Herr Bürgermeister Häupl mit verbalen Kraftakten auf die "Schienen schmeißt" – um diesen wienerischen Ausdruck zu verwenden – für eine Abänderung oder Reduzierung oder Herausnahme der Wiener Stadtautobahnen aus dieser Bemautung, wenn er selbst im Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Österreichs dieselbe Maßnahme mitbeschlossen hat.

Das ist doch wohl der Gipfelpunkt an Heuchelei und Scheinheiligkeit: hinter verschlossenen Türen der Wegelagerer zu sein und die Maut für die Stadtautobahn einzuführen und in der Öffentlichkeit mit großem Trara den Verteidiger für die Bevölkerung zu spielen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Von diesem heldenhaften Einsatz für die Wiener Bevölkerung ist wohl nichts übriggeblieben, denn statt als Robin Hood aus dieser Auseinandersetzung hervorzugehen, ist er nur ein Don Quichotte geworden, ein Ritter von der traurigen Gestalt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Jetzt hat Herr Bürgermeister Häupl vom Bundeskanzler ein wenig Unterstützung bekommen, der aber wohl gewußt hat, daß der böse schwarze Wirtschaftsminister Ditz das Ganze sowieso abschmettern wird – so ist das ja auch in der Zeitung herausgekommen. (Heiterkeit des Bundesrates Dr. Kaufmann .)

Sie brauchen gar nicht zu lachen, Herr Dr. Kaufmann, denn die Rolle der ÖVP in dieser Angelegenheit ist nicht besonders glücklich, und die Optik ist natürlich auch nicht besonders gut. (Bundesrat Dr. Prasch: Mehr als traurig!) Der Einsatz von Stadtrat Görg und vom Kammerpräsidenten Nettig nützen gar nichts, denn auch bei der ÖVP sind die Mautüberlegungen einstimmig im Vorstand angenommen worden. (Bundesrat Dr. Tremmel: Da schau her!) Der Bundesparteivorstand hat diese Maßnahmen des Belastungspaketes abgesegnet.

Nur umgekehrt kommt es hier so heraus, daß natürlich der rote Finanzminister Klima keine Ausnahmen zuläßt, damit man den Minister aus der eigenen Couleur nicht allzu sehr belastet. Da tut man sich halt schon ein bisserl schwer, wenn man im Vorstand dafür ist und dann irgendwelche Eiertänze aufführen muß, um glaubhaft machen zu wollen, noch für die Bevölkerung da zu sein.

Man tut sich schwer, wenn man durch ein Koalititionsübereinkommen gebunden ist, das seit neuestem, seit diesem Koalitionsübereinkommen, auch den Bundesrat mit umfaßt. Man höre und staune, daß auch der Bundesrat in das Koalitionsabkommen mit eingebunden ist. (Bundesrat Prähauser: Das ist eine Aufwertung!) Und die Auswirkungen haben wir ja heute schon erlebt. Diese gehen ja sogar schon bis hinein in die Ausschüsse. Kollege Jaud, der jetzt gerade nicht da ist, kann ein Lied davon singen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich behaupte, hier werden von ÖVP und SPÖ gewaltige "Windeier" gelegt. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Ostern ist erst nächste Woche! – Bundesrat Prähauser: Sie können nicht rechnen!)

Und Sie, meine Damen und Herren, werden heute die Nagelprobe hier abzulegen haben. Sie werden die Nagelprobe dafür abzulegen haben, ob es Ihnen ernst ist mit den Anliegen der Bevölkerung und ob es Ihnen ernst ist mit dem, was in Ihren Landesregierungen und in Ihren Landtagen gesprochen und beschlossen wurde. Sie werden in Ihren Wortmeldungen darzulegen haben, daß Sie es ernst meinen.

Hier denke ich vor allem an die Wiener Bundesräte, und hier vermisse ich auf der Rednerliste einen Wiener Bundesrat aus den Reihen der ÖVP.

Und da ist also die Frage: Wieviel bedeutet Ihnen das Anliegen der Wiener Bevölkerung wirklich? Hier hätten Sie wirklich die Gelegenheit – und ich fordere Sie auf, die Gelegenheit wahrzunehmen –, den Bürgermeister und die Stadträte ...

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Herr Kollege, Sie haben noch eine Minute!

Bundesrat Mag. Dieter Langer (fortsetzend): ... unisono, rot und schwarz, in ihren Anliegen zu unterstützen. (Bundesrat Rauchenberger: Rot!) Den bisherigen Wortmeldungen habe ich schon entnommen, daß Sie das nicht tun werden. (Bundesrat Ing. Penz: Ihre Zeit ist abgelaufen, Kollege Langer!) Aber wir werden es sehen und der betroffenen Bevölkerung auch mitteilen, und die wird dann ihre Schlüsse daraus ziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.58

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile es ihm.

17.58

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Es ist schon sehr interessant, Kollegen Langer zuzuhören. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.) Man sieht hier die breite Palette der Freiheitlichen von Tirol bis Wien, mit unterschiedlichen Auffassungen. (Bundesrat Dr. Kapral: Sie glänzen ja durch Ab


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wesenheit, Herr Bundesrat Kaufmann!) Wieso ich? Ich glänze nicht durch Abwesenheit. Ich bin anwesend, Kollege Kapral! (Bundesrat Dr. Kapral: Ihre Fraktion!)

Ich möchte Ihnen, Herr Kollege Langer, einiges zu Ihren Ausführungen sagen.

Weil Sie gesagt haben, unser Minister Ditz ist nicht kalkulierbar. Ich habe in Erinnerung, daß er bereits voriges Jahr im Sommer, weit bevor es eine Nationalratswahl gegeben hat, sehr laut über ein Parkpickerl nachgedacht und Vorschläge gebracht hat.

Das heißt also: Es war für den Wähler der ÖVP kalkulierbar in der Frage des Parkpickerls. (Bundesrat Mag. Langer: Der Belastung! Das habe ich ja gesagt! Kalkulierbar habe ich nicht gesagt!)

Kollege, weil Sie meinen, die Mautgebühren sind Straßenräuberei-Methoden (Bundesrat Dr.


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Prasch: Richtig!): Ich kann mich nicht erinnern, und ich habe nichts gehört davon, daß die Freiheitlichen in Wien dagegengestimmt haben oder dagegen demonstriert haben, als Parkpickerln eingeführt wurden. (Bundesrat Mag. Langer: Da sind Sie schlecht informiert! Wir waren die, die immer dagegen waren!)

Kollege! Sie zahlen heute für ein Parkpickerl im 8. Bezirk 1 000 S im Jahr, und wenn Sie ein Auto umwechseln, dann müssen Sie nochmals 700 S Verwaltungsgebühr zahlen. Das ist bedeutend höher als die 550 S Jahresgebühr. (Bundesrat Mag. Langer: Sie haben sich schlecht informiert! Wir waren dagegen, und die ÖVP war dafür! Das ist es, Herr Kollege!) Jedenfalls müssen sich die Freiheitlichen in Wien sehr leise verhalten haben, denn es ist in keiner Wiener Zeitung diesbezüglich etwas darüber gestanden.

Kollege Königshofer, weil Sie hier gemeint haben, am besten wäre, man sollte die Maut in Tirol lassen. Das erinnert mich irgendwie an die Kuenringer! Ich glaube, Ihnen wäre es am liebsten, wenn man über das Inntal eine Kette spannen und abkassieren würde, um das Geld in Tirol zu belassen! Dann könnte man jede Menge an Maut einführen, dann wären Sie sehr wohl zufrieden damit!

Ich glaube, Sie vergessen, daß die Bundesstraßen auch in Tirol mit Bundesmitteln finanziert wurden. Ich kann mich gut daran erinnern, daß der frühere Landeshauptmann Wallnöfer dem damaligen Bundeskanzler Dr. Kreisky den höchsten Tiroler Orden überreicht hat, weil es Kreisky damals erreicht hat, daß die notwendigen Mittel nach Tirol geflossen sind, um den Autobahnbau und den Straßenbau raschest zu finanzieren. (Bundesrat Prähauser, zu Bundesrat DDr. Königshofer gewendet: Den Arlbergtunnel habt ihr auch selber bezahlt!) Ja, ja, die Tiroler haben den Arlbergtunnel selbst bezahlt. Den haben wir alle mitbezahlt, daher werden wir auch alle diese Gebühren bezahlen müssen.

Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich verständlich, wenn ein Protest gegen die Mautgebühren kommt. Wer zahlt schon gerne? – Ich glaube, daß die Vorschläge von Minister Ditz durchaus moderat sind.

Es wurde vorhin von Ihnen, Kollege Königshofer, erwähnt, es sei die Mißwirtschaft der großen Koalition gewesen, daß keine Mittel für den Autobahnbau zur Verfügung stehen: Ich möchte Sie daran erinnern, daß bereits Minister Graf, als er kurz Minister war, das Autobahnpickerl einführen wollte, weil die kleine Koalition keine Mittel für den Straßenbau übriggelassen hat, weil sie damals schon die Wirtschaft in den Bankrott geführt hat. (Bundesrat Dr. Prasch: Es gibt seit zehn Jahren eine große Koalition!) Erst als die ÖVP in die Regierung gegangen ist, sind wieder Mittel für den Straßenbau zur Verfügung gestanden. Ich glaube, das gehört im Sinne der historischen Wahrheit klargestellt, Herr Kollege! (Bundesrat Dr. Prasch: Die historische Wahrheit! Zitieren Sie die letzten zehn Jahre! Das ist ja unglaublich!)

Meine Damen und Herren! Die Vorschläge für die Autobahnvignette sind durchaus moderat. (Bundesrat Mag. Langer: Das ist ja die Methode: Haltet den Dieb! – Bundesrat Dr. Prasch: In zehn Jahren großer Koalition ist nichts geschehen!) Warum regen Sie sich auf? Ich glaube, Sie wollen nicht daran erinnert werden, daß Sie einmal in der Regierung waren! (Bundesrat Dr.

Prasch: Vor 15 Jahren!) Sie haben sogar damals einen Minister Steger gehabt, dem die Bauwirtschaft, dem das Bauwesen unterstanden ist, Herr Kollege! Er hat damals alles verwirtschaftet.

Aber ich weiß, daß das Einführen von Vignetten oder Autobahngebühren sicherlich nicht sehr populär ist (Bundesrat Mag. Langer: Denken Sie lieber an die letzten zehn Jahre große Koalition!), und ich bin Minister Ditz und Minister Klima dankbar, daß sie endlich Nägel mit Köpfen machen, daß endlich einmal eine Lösung gefunden wird. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Prasch. )

Herr Kollege! Ich glaube, Sie kennen sich in der Bundesverfassung, in der Bundesregierung nicht aus. Es kann Minister Ditz allein keine Vignette einführen, sondern es kann nur im Einvernehmen mit dem Finanzminister erfolgen, Herr Kollege! Ich glaube, ich werde Ihnen diesbezüglich ein bißchen Nachhilfeunterricht geben.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen dringend Mittel für den Straßenbau. Ich glaube, durch diese Einführung der Vignette werden ungefähr 1,2 bis 1,5 Milliarden Schilling hereinkommen. Es können damit Projekte in einer Größenordnung von rund 20 Milliarden Schilling begonnen werden. Die Projekte wurden vom Herrn Minister bereits vorerst genannt, und es sind sehr wichtige Straßenprojekte dabei. Ich denke an den Semmeringtunnel, ich denke an die Wiener Südrandumfahrung. Auch die Freiheitlichen müßten eigentlich dafür sein, daß eine Entlastung der Tangente erreicht wird. Ich kann dem Herrn Minister sicherlich noch einige Projekte aus Niederösterreich nennen. Mein Lieblingsthema: Die B 3 wäre auch noch fertigzubauen.

Aber ich glaube, es geht nicht nur um diese Straßenbauprojekte, sondern es geht darum, daß damit Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft gesichert werden. Wenn man rechnet, daß man 100 000 S Umsatz pro Bauarbeiter kalkulieren kann, so können mehr als 1 000 Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft gesichert werden – in einem Bereich, der heute 80 000 Arbeitslose aufweist. Ich glaube, daß das ein ganz wichtiger Beschäftigungseffekt ist.

Es ist auch richtig, wenn der Herr Minister sagt, daß durch diese Vorverlegung der Bauvorhaben, durch das Abstimmen mit dem Finanzminister, durch die Möglichkeit der Vorfinanzierung, nunmehr in absehbarer Zeit und in absehbarem Rahmen unser hochrangiges Straßennetz vollendet werden kann.

Meine Damen und Herren! Der Autobahnbau in Österreich ist eine unendliche Geschichte. Sie alle kennen den Fleckerlteppich. Ich weiß nicht, warum sich der Kärntner Kollege so aufregt. Er muß dankbar sein, wenn endlich einmal die Süd Autobahn fertiggebaut wird, wenn endlich einmal die Umfahrung Klagenfurt fertiggebaut wird. Ich glaube, dies ist nur möglich, wenn durch gemeinsame Anstrengungen, durch zusätzliche Mittel unser Straßenbau finanziert wird.

Meine Damen und Herren! Zuerst wurde immer wieder von Road-pricing gesprochen: Ich persönlich glaube, daß für die Pendler, vor allem im niederösterreichischen Raum, im burgenländischen Raum, die Vignette eine bedeutend bessere Lösung ist als die Einführung des Road-pricing-Systems.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist ganz wichtig, was Minister Ditz mit dem Wiener Landeshauptmann vereinbart hat. Man muß sich die Entwicklung auf der Süd Autobahn, auf der Wiener Tangente anschauen. Es gibt sicherlich Probleme bei den Pendlern, wenn man das Road-pricing-System einführt. Auch, so glaube ich, ist das Road-pricing-System nicht geeignet, unsere Industrie in den ländlichen Gebieten zu unterstützen, weil es zu bedeutenderen Mehrbelastungen kommen wird als durch die Einführung der Vignette. Ich glaube, es wird damit ein sehr moderater Weg beschritten.

Zum Fremdenverkehr. Diesbezüglich wurden Befürchtungen geweckt. Kollege Königshofer! Ich würde das nicht ins Lächerliche ziehen, wie der Minister gesagt hat, daß das sogar einen Werbeeffekt haben könnte, indem sich gewisse Regionen überlegen, wie man diese Vignette oder diese Kosten refundieren könnte.

 


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Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Entwicklung des Fremdenverkehrs in Italien oder in Frankreich anschaut, dann stellt man fest, daß dort durch diese übermäßig hohe Belastungen im Straßenverkehr keine Einbrüche im Fremdenverkehr stattgefunden haben. Und gerade Frankreich ist laut einer Statistik in den letzten Jahren im Fremdenverkehr besonders erfolgreich gewesen.

Durch die moderate Lösung, daß es eine abgestufte Vignette gibt, daß es für den Touristen einen Spezialtarif gibt, daß damit zwei Mautstrecken eingebunden sind, ist ein Weg gegangen worden, der nicht nur EU-konform ist, sondern auch dem Fremdenverkehr entgegenkommt. Wenn man sich den Verkehr auf der West Autobahn und den Verkehr aus dem Osten anschaut, so ist es, glaube ich, notwendig, darüber nachzudenken, wie man diesen Verkehr in den Griff bekommt und auch entsprechend belastet.

In Ungarn wurde eine Mautgebühr eingeführt, in der Tschechei muß man eine Mautgebühr zahlen, und diese 170 S – nicht 150 S! –, die eingehoben werden, sind ein Betrag, der im Vergleich zur Kaufkraft bedeutend mehr ausmacht, als wir in Österreich mit den 550 S zahlen müssen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, abschließend sagen zu können, es ist das eine gute Lösung, es ist ein guter Schritt nach vorne, und – das ist, glaube ich, ganz besonders wichtig – es ist für die Wirtschaft ein besonderer Impuls. Sie alle wissen, daß die Bauwirtschaft derjenige Bereich ist, der österreichintern eine Konjunktur mobilisieren kann, und daher ist es ganz wichtig, entsprechende Mittel dafür freizubekommen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.09

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile es ihr.

18.09

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie mein Fraktionskollege Prähauser bereits ausgeführt hat, ist die Einführung der Vignette für Autobahnen und Schnellstraßen daraus entstanden, daß es, aus welchen Gründen immer, zu keinen Vereinbarungen über ein flächendeckendes, fahrleistungsabhängiges Road-pricing gekommen ist.

Daß die geplante Vignette nur eine Übergangslösung sein kann, ist uns klar. Da wir aber alle zu einem baldigen Lückenschluß von Autobahnen kommen wollen, ist es einfach unumgänglich, Straßenbenützungsgebühren einzuführen.

Sehr geehrter Herr Minister! Wir Steirer sind natürlich – das wissen Sie ja – von den Autobahnlücken besonders betroffen. Ich erinnere nur an das nicht fertiggestellte Teilstück über den Semmering, wobei ich vorhin gehört habe, das sollte ein Semmeringtunnel werden; ich glaube, der Herr Kollege hat das mit dem geplanten Eisenbahntunnel verwechselt. Ich erinnere an die Lücke zwischen Bruck und Graz beziehungsweise an viele Autobahntunnels in unserem Bundesland, die nur eine Richtungsfahrbahn aufweisen. Sie, Herr Bundesminister, haben ja diese Lücken alle in Ihrer Auflistung angesprochen; allein daraus ist, glaube ich, ersichtlich, daß gut die Hälfte dieser Autobahnlücken eigentlich die Steiermark betrifft. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Wir Steirer sind aber auch durch bereits bestehende Mautstrecken auf der Pyhrn Autobahn besonders betroffen und sehen in der Doppelbemautung eine überdimensionale Belastung, vor allem für unsere Pendler. Zwar wurde für diese Gruppe eine entsprechende Ermäßigung in Aussicht gestellt, diese ist ... (Zwischenruf des Bundesministers Dr. Ditz .) Für uns sind diese Ermäßigungen noch nicht ausreichend. Ich hoffe aber, daß es noch Verhandlungen geben wird. Mir ist nicht bekannt, daß die Pendler alle ausgenommen sind. Sie müssen ja zur Jahreskarte trotzdem etwas dazuzahlen. (Widerspruch bei Bundesminister Dr. Ditz .) Das ist mir neu. Das höre ich jetzt zum ersten Mal, und das freut mich ganz besonders, wenn das der Fall ist.

Meine Damen und Herren! Wir Steirer wünschen uns neben einer gerechten Lösung der Doppelbemautung, die jetzt vielleicht für die Pendler kommt, aber noch nicht für andere, auch eine


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Zweckwidmung der Einnahmen für den Ausbau der steirischen Straßen – aus den vorhin genannten Gründen.

Schon zum Schluß kommend möchte ich noch feststellen, daß für uns Sozialdemokraten die Vorteile noch immer in einem Road-pricing-System liegen, da dieses fahrleistungsabhängig und damit gerechter ist. Ich hoffe daher, daß die Einführung dieses Systems – wie geplant – stufenweise ab 1998 erfolgen wird, weil damit auch das Prinzip der Kostenwahrheit besser berücksichtigt werden kann. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Harring. – Bitte.

18.12

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben zu Beginn gemeint, wir hätten Ihnen mit unserer dringlichen Anfrage große Freude gemacht. Wir haben Ihnen diese Freude wirklich gerne gemacht, und jeder, der etwas anderes behauptet, sagt nicht die Wahrheit. Wir ersuchen Sie allerdings um Verständnis dafür, daß wir mit Ihrer Beantwortung in weiten Teilen nicht so viel Freude gehabt haben wie Sie offensichtlich mit unserer dringlichen Anfrage.

Bei der Fülle an Belastungen ist offensichtlich doch das Gefühl für Ausgewogenheit in weiten Teilen verlorengegangen, und vieles – manche behaupten sogar, fast alles –, was die Bundesregierung in den letzten Wochen den Österreicherinnen und Österreichern zugemutet, angekündigt, angedroht hat, stößt verständlicherweise auf herbe Kritik. Das wundert niemanden in Österreich, wahrscheinlich auch die Bundesregierung nicht.

Eine wirkliche Einheitsfront in der Ablehnung hat es eigentlich gegen diese Mautankündigung gegeben, insbesondere in jenen Bundesländern, in denen es zu einer Doppelbemautung gekommen ist.

Damit hier nicht wieder der Vorwurf erhoben wird, daß die Freiheitlichen einfach gegen alles sind, was vernünftig und ausgewogen ist, zitiere ich hier ein Schreiben des Präsidenten der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Kärnten, von Herrn Josef Quantschnig, der viele Jahre – über 20 Jahre – im Kärntner Landtag gesessen ist. Präsident Josef Quantschnig schreibt am 13. 3. 1996 an alle Kärntner Abgeordneten zum Nationalrat und Bundesrat einen Brief, in dem er sich auf die Doppelmaut bezieht. Da heißt es – ich zitiere nur auszugsweise –:

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Als Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Kärnten ersuche ich Sie, sich dafür einzusetzen, die Einführung einer Doppelmaut für das Bundesland Kärnten zu verhindern. In allen Bereichen rangiert Kärnten mit seinen Wirtschaftsdaten an letzter beziehungsweise vorletzter Stelle in Österreich. Im Jänner dieses Jahres waren in unserem Bundesland knapp 30 000 Menschen arbeitslos. Das entspricht einer noch nie dagewesenen Arbeitslosenquote von 14,3 Prozent.

Für unser Bundesland wäre daher die Ansiedlung neuer Betriebe und die damit geschaffenen Arbeitsplätze von großer Bedeutung. Bei der Standortwahl sind alle kostenbildenden Faktoren miteinzubeziehen. Daher trifft die Doppelbelastung durch die Einführung einer zusätzlichen Autobahnmaut den Wirtschaftsstandort Kärnten ganz empfindlich. – Zitatende.

Ich bin überzeugt, daß Kollege Pfeifer, der nach mir hier das Wort ergreifen wird, seine Meinung dazu sagen wird. Ich könnte mir vorstellen, daß die beiden Kärntner Abgeordneten mit ... (Bundesrat Rauchenberger: Pfeffer, nicht Pfeifer! – Bundesrätin Schicker: Aus dem Burgenland!) Ah, Pfeffer! Aha, da habe ich schlecht gelesen, das ist meine Schuld. Es ist besonders bedauerlich, daß kein einziger Kärntner Bundesrat hier Stellung nimmt, denn dieser Brief von Präsident Quantschnig ist allen Abgeordneten zugestellt worden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

 

 


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Er schreibt nämlich, daß auch für den Sommerfremdenverkehr negative Auswirkungen zu befürchten sind, nachdem bereits im Vorjahr enorme Umsatzeinbußen zu verzeichnen waren. Ich zitiere weiter:

In Anbetracht dieser Gründe darf ich Sie nochmals ersuchen, sich für unser Bundesland einzusetzen und im Sinne der Gleichbehandlung aller Regionen eine Wettbewerbsbenachteilung des Wirtschaftsstandortes Kärnten durch die Einführung einer Doppelmaut zu verhindern. – Soweit der sozialistische Präsident der Kammer für Arbeiter und Angestellte.

Wenige Tage zuvor haben die Mitglieder des ÖGB-Bezirksausschusses und des ÖGB-Bezirksfrauenausschusses des Bezirkes Spittal die zuständigen Landes- und Bundespolitiker aufgefordert, ebenfalls die Gleichheit aller Bürger des Bezirkes Spittal mit den Bürgern insbesondere der Bezirke Tamsweg und Lienz unverzüglich herzustellen. Als Begründung wird angeführt, daß die Bewohner des Bezirkes Lienz ohne Entrichtung einer Mautgebühr durch den Felbertauerntunnel fahren, daß die Bewohner des Bezirkes Tamsweg die Tauern Autobahn kostenlos benützen, sowohl in Richtung Salzburg als auch in Richtung Kärnten, und daß der Bezirk Spittal, der österreichweit das niedrigste Durchschnittseinkommen und die höchste Arbeitslosenrate hat, ausdrücklich benachteiligt ist. – Auch das war eine Resolution des ÖGB-Bezirksausschusses.

Morgen werden die freiheitlichen Wirtschaftstreibenden, der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender, in Klagenfurt eine außerordentliche Generalversammlung der Kammer einberufen. Wir haben jetzt Gott sei Dank die Stärke, das durchsetzen zu können. Dort werden wir uns auch mit diesem Thema beschäftigen. Es wird dort auch zu einer Resolution mit einem Antrag kommen, wobei es sich hier um eine Doppelstrategie handelt: Erstens soll versucht werden, von Kärnten aus den Falschmeldungen, die in deutschen Zeitungen nach wie vor zu lesen sind, über eine korrekte Information zu begegnen, und zwar durch laufende Presseaussendungen an deutsche Zeitungen, aber auch durch die Aufnahme dieser Informationen über das Internet, weil wir glauben, daß beispielsweise Geschichten, wie daß Wohnwagen einige 100 DM Maut kosten, und ähnliche Meldungen, die in der "Bild-Zeitung" groß gebracht worden sind, einfach nicht unwidersprochen bleiben dürfen.

Das zweite ist eine Resolution, und hier greife ich den Vorschlag des verehrten Herrn Ministers auf, der gemeint hat, es gebe auch Beispiele für intelligentes Marketing, ähnlich dem Vorschlag an Tiroler Kammern.

Wir werden versuchen, gemeinsam – vor allem mit den Kammerräten der Volkspartei – zu einem Beschluß zu kommen, wonach die Wirtschaftskammer Kärnten aufgefordert wird, schnellstens Verhandlungen mit der Bundesregierung einzuleiten, mit folgenden ganz kurzen Forderungen:

Erstens: eine Nebensaison-Vignette zu beantragen – diese soll vom 1. November bis 30. April zum halben Preis abgegeben werden, um 175 S –; zweitens: eine Winterhalbjahres-Vignette, einen Touristik-Kombipack mit fünf Fahrten um 350 S; drittens: einen Sommerhalbjahres-Vignetten-Touristen-Kombipack für fünf Fahrten um 700 S, wobei – viertens – noch die Wohnwagen in die Touristik-Kombipack-Vignetten einzubeziehen sind.

Die Begründung ist leicht zu liefern: Winter-, Nebensaison- und Mehrfachurlauber sollen nicht bestraft werden. Eine Halbjahreslösung ist unserer Meinung nach deshalb notwendig, weil der Sprung vom zweiten Monatspickerl zur Jahresvignette relativ hoch ist, und eine ungerade Zahl von Tunneldurchfahrten ist deshalb günstig, weil der Besucher die Einzelfahrt hoffentlich nicht verfallen lassen wird und – auch hier wieder intelligentes Marketing – vielleicht ein weiteres Mal nach Kärnten kommt.

Ich darf aber auch noch kurz, weil der Herr Minister gesagt hat, es sind nur 10 Prozent aufgrund einer von ihm beauftragten Studie gegen diese Vignette, eine Aussendung des ARBÖ zitieren, in der es wörtlich heißt: Laut zahlreichen ARBÖ-Umfragen, die seit Jahren regelmäßig durchgeführt werden, wollen – es steht hier 66 Prozent; diesen Prozentsatz glauben wir natürlich auch nicht – 66 Prozent der Autofahrer bei Einführung einer Automaut auf die Bundesstraßen ausweichen.


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Das ist sicher eine Zahl, die nicht richtig sein kann, aber die 10 Prozent, die der Herr Minister genannt hat, glauben wir auch nicht.

Es schreibt der ARBÖ weiter: Es zeigt sich, daß nicht nur die wirtschaftlichen Argumente gegen eine flächendeckende Mautpolitik für das Autobahn- und Schnellstraßennetz sprechen würden. Das Ausweichen auf die schlechter ausgebauten Bundes- und Landesstraßen wäre – so der ARBÖ – unweigerlich mit einem Ansteigen der Unfallziffern verbunden.

Auch der ÖAMTC argumentiert in dieselbe Richtung. Er spricht in einer APA-Aussendung vom 7. 3. davon, daß dieses Autobahnpickerl einer neuen Kfz-Steuer gleichkommt, und übertitelt die Geschichte folgendermaßen: "Wechselkennzeichen-Besitzer zahlen bis zu 1 650 S".

Es steht im letzten Absatz, weil behauptet wurde, es gibt keine Doppelmaut: Ungelöst sei übrigens weiterhin die Doppelmautproblematik, die neben Tirol und Kärnten auch in der Steiermark massive negative Reaktionen auslöse. Der ÖAMTC rät den beiden Herren Ministern Ditz und Viktor Klima – ich weiß nicht, ob der ÖAMTC das darf, aber er tut es halt –, den geplanten Anschlag auf die Taschen der Autofahrer in dieser Höhe und der Vielzahl der negativen, oft noch ungerechten Folgen noch einmal zu überdenken.

Als Beweis dafür, daß wir Freiheitlichen nicht warten, bis erst negative Auswirkungen eingetreten sind, darf ich Ihnen eine dringliche Anfrage vom 23. September 1995 im Kärntner Landtag zur Kenntnis bringen, in der unser Abgeordneter Bürgermeister Schwager diese Frage der Doppelmaut – für die, die hier zum Handkuß kommen – thematisiert hat. Diese Frage war an den Kärntner Landeshauptmann Dr. Zernatto gerichtet.

Vielleicht ist das auch der Grund gewesen, daß man vom Bundesministerium im Tourismus schon in die richtige Richtung gegangen ist, weil ich glaube, daß die Einführung dieser Möglichkeit, doppelt zu fahren, etwas Positives ist. Aber unser Landeshauptmann in Kärnten hat sofort gesagt, er ist der Meinung, daß die Frage der Bemautung pragmatisch zu sehen ist und daß insbesondere in Kärnten die entsprechenden budgetären Vorkehrungen im Bundeshaushalt zu treffen sind, um die Autobahnlücken in unserem Bundesland zu schließen. Es fällt auf, daß der Kärntner Landeshauptmann in dieser ungleichen Behandlung der Kärntner Bevölkerung offensichtlich nichts Nachteiliges sehen kann. Wenn man schon 20 Jahre in einem Bundesland auf die Fertigstellung der Autobahn warten muß und dann erfährt, daß die Fertigstellung eines Reststückes nur mit zusätzlichen Einnahmen über die Maut finanzierbar ist, so muß ich sagen, das ist schon eigentümlich.

Meine Damen und Herren! Unser Fraktionsvorsitzender Dr. Peter Kapral hat zwar schon ausdrücklich darauf hingewiesen, aber in der Zwischenzeit ist vielleicht durch die Debattenbeiträge nach einigen Beantwortungen verlorengegangen, warum wir überhaupt gegen diese Regelung auftreten. Daher fasse ich das mit wenigen Sätzen ganz kurz zusammen.

Erstens: Die Österreicherinnen und Österreicher haben die Autobahnen und Schnellstraßen mit ihren Steuergeldern bereits einmal bezahlt. Schon bisher wurde ein Zuschlag auf die Mineralölsteuer zur Errichtung und Erhaltung des hochrangigen Straßennetzes eingehoben, wobei die Verwendung dieser Gelder in vielen Bereichen unklar ist. Im Jahre 1995 leisteten die Autofahrer 54 Milliarden Schilling an Abgaben. Es wurden jedoch nur 18 Milliarden Schilling für den Straßenbau verwendet. Ich habe den ARBÖ zitiert, der eine diesbezügliche Untersuchung veröffentlicht hat.

Meine Damen und Herren! Zahlreiche Sonderregelungen zum Beispiel für die Besitzer von Jahreskarten auf bereits bestehenden Mautstrecken erschweren selbstverständlich die Kontrollierbarkeit. Die Nachbarländer Österreichs sind zweifellos verärgert. Ich glaube, der erste, der diese Geschichte mit der Wegelagerei erfunden hat, war das bayrische Fernsehen im Kanal 3. Da hat es geheißen: Die Össis, diese Wegelagerer aus der Alpenrepublik, langen kräftig zu. – Hier scheint sich meiner Meinung nach niemand mit der Psychologie der deutschen und holländischen Urlauber zu beschäftigen, die die Maut einfach als Eintrittsgeld nach Österreich sehen. Es ist nicht allein der Betrag, um den es geht, sondern es ist eine Frage der Psychologie, daß man das Gefühl hat, man kommt in ein Urlaubsland und wird sofort mit einem Eintrittsgeld belastet.


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Für den krisengeschüttelten Tourismus ist es auch eine Frage der Psychologie. Da gibt es die Belastung durch den Rückgang der Nächtigungszahlen und den Ausfall von Ausflugsfahrten. Es ist heute schon angeführt worden, daß der Zeitpunkt der Ankündigung gemeinsam mit der Eröffnung der ITB, der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin, sicher sehr ungeschickt gewählt worden ist. Herr Minister Dr. Ditz hat sicher recht, wenn er damals gesagt hat, wegen ein paar 100 S wird niemand auf einen Urlaub in Österreich verzichten. Er hat aber gleichzeitig gesagt, es wird jetzt eine große Werbeoffensive gestartet, um das doch noch zu einem Positivum zu drehen und die Urlauber wieder zu uns zu bringen.

Vielleicht noch ein Wort zur Kalkulation, weil unterschiedliche Beträge genannt worden sind. Ursprünglich war von 3 Milliarden Schilling die Rede. Netto wird jetzt – das hat der Herr Minister heute gesagt – mit etwa 1,5 Milliarden gerechnet; etwa 1,1 Milliarde bei PKWs, 250 bis 300 Millionen bei LKWs. 20 Prozent werden für Verwaltungsaufwand veranschlagt, 20 Prozent Mehrwertsteuer, 500 Millionen sollen durch den Wegfall bestehender Mauteinnahmen verlorengehen.

Abschließend stellt sich für mich folgendes Problem – das ist etwas, was ich nicht verstehen kann –: Spätestens seit 1. 1. 1985, als in der Schweiz die Vignettenlösung eingeführt wurde, denken Fachleute in Österreich über intelligente Lösungen nach. Im Wirtschaftsministerium sollen sich Untersuchungen türmen. Im Vorjahr ist eine Arbeit veröffentlicht worden, eine sogenannte Voruntersuchung zum Thema Maut in Österreich, und dort sollen die Straßenforscher angeblich zu dem Schluß gekommen sein, eine Vignette bringe für Österreich nichts. Das soll im Heft 439 stehen. Ich bin an dieses Heft leider nicht herangekommen.

Ich kann einfach nicht begreifen, daß so viele hochqualifizierte Fachleute zehn Jahre lang nachdenken und dann diese Vignettenlösung als angeblich optimale Lösung herauskommt. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, daß es intelligentere und vernünftigere Lösungen gegeben hätte. (Bundesrat Prähauser: Es ist eine Übergangslösung, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Das ist auch der Grund dafür, daß ich Sie noch einmal einlade, unserem Entschließungsantrag beizutreten, in dem der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten aufgefordert wird, dafür Sorge zu tragen, daß es zu keiner doppelten Mauteinhebung auf österreichischen Autobahnen kommt, um dadurch zu verhindern, daß es zu negativen Begleiterscheinungen wie einer Verdrängung des Verkehrs auf das Bundesstraßennetz oder zu einer Benachteiligung von Tourismusregionen kommt.

Ich bin davon überzeugt, daß es für viele von Ihnen nicht sehr schwer sein wird, diesem Antrag beizutreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Ditz. Ich erteile es ihm.

18.28

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Vielleicht zu einigen Punkten der Diskussion doch noch eine Anmerkung. Zunächst zum ersten Redner der Freiheitlichen, Herrn DDr. Königshofer.

Herr Bundesrat! Zur Konjunkturpolitik von gestern und vorgestern: Ich wäre diesbezüglich vorsichtig. Wenn ich mir die Entwicklung der österreichischen Bauwirtschaft anschaue, wenn ich mir die Kapazitätsentwicklung ansehe, dann muß ich einfach sagen: Wer jetzt nicht zusätzliche Aufträge vergibt, der trägt mit Schuld, wenn die Arbeitslosigkeit im Baubereich steigt. Und es gibt nur eine Maßnahme, Herr Kollege, die hier nützt, und die heißt: Aufträge! Und Aufträge muß man finanzieren können – Hochbau, Tiefbau. (Bundesrat Dr. Kapral: An österreichische Firmen!) Ja, da habe ich nichts dagegen. Ich bin sicher, wir haben leistungsfähige Firmen, die trotzdem den Zuschlag erhalten. Sie brauchen keine Sorge zu haben.

Wir haben sicher nicht das Problem, daß österreichische Firmen nicht zum Zug kommen. Sie sollten die österreichische Wirtschaft wirklich nicht unterschätzen, sie schafft das, sie kann das. Was sie braucht, sind einfach die Rahmenbedingungen, und diese werden wir schaffen.


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Es ist gerade eine moderne Politik, indem wir sagen: Wenn wir das jetzt machen, wollen wir gleichzeitig mit den Sozialpartnern die flexiblen Arbeitszeiten regeln. – Das ist wiederum wichtig, damit die Leute ganzjährig beschäftigt sind, damit es im Winter nicht Kündigungswellen gibt und wir im Jänner wieder dieses Drama haben, daß ganz Österreich sagt: Diese Winterarbeitslosigkeit ist wahnsinnig hoch!, und wir dann wieder ein Problem mit der gesamten Konjunktur, mit dem Konjunkturklima haben.

Das ist vorausschauende Politik, und mir ist nicht klar geworden, wo die Alternative der freiheitlichen Partei liegt. Das wird immer weniger deutlich. Sie sagen, es muß gespart werden. Gleichzeitig fordern Sie mehr. Dann sagen Sie: Hätten Sie das Geld, das Sie für den Straßenbau nehmen, nicht zum Löcherstopfen genommen! – Ich möchte irgendwann einmal aufgeklärt haben, welche Löcher wir denn stopfen. Was wollen Sie denn? (Bundesrat Dr. Kapral: 80 Milliarden Schilling Schulden bei der ASFINAG!) Herr Kapral! Das sind auch Impulse der Vergangenheit. (Bundesrat Dr. Kapral: Die hätten wir nicht gemacht!) Die hätten Sie nicht gesetzt. Okay, darum sind Sie ja auch Opposition und nicht Regierung. (Bundesrat Prähauser: Bravo, Herr Minister!) Wir setzen gestern, wir setzen heute, wir setzen morgen Impulse. So ist das! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Es ist einfach auch entscheidend, zu sagen: Wir haben im Sozialstaat Ausweitungen gemacht. Aber um Gottes willen, da war doch jeder froh, daß sie gekommen sind, wie es zum Beispiel beim zweiten Karenzjahr der Fall war. Wir wollen das absichern. Das sind keine Löcher, die wir stopfen, sondern da ist es sinnvoll, mit den Zweckwidmungen von Einnahmen vorsichtig zu sein, weil es sicher so ist, daß wir irgendwann im Straßenbau einen Sättigungsgrad erreicht haben und es nicht sinnvoll ist, daß dann automatisch noch Geld weiterfließt.

Zweiter Punkt: Das Road-pricing ist ein gefährliches Spielzeug. Das ist auch wieder ein Schlagwort, mit dem man absolut nichts anfangen kann. Sie müssen über irgend etwas nachdenken, wenn Sie der Gesamtverkehrsproblematik Herr werden wollen. Gerade die Ostöffnung läßt es uns geboten erscheinen, das Road-pricing-System, das sicher noch viele Probleme hat, einzuführen. Ich bin kein glühender Verfechter dieses Systems. Ich sehe eine Reihe von Problemen, vor allem beim Personenverkehr, beim PKW. Ich glaube aber, daß es dringend notwendig ist, dieses Modell möglichst rasch für den LKW einzuführen, weil die Kostenwahrheit auch für den Ostfrächter wichtig ist, weil er auch unsere Frächter verdrängt, und weil es auch wesentlich ist, daß nicht nur einfach bestimmte Mautbereiche belastet werden und andere nicht. Wir wollen ein flächendeckendes System. Das ist hier auch machbar, weil man wesentlich weniger Fahrzeuge in dieses System einbauen muß.

Beim PKW ist es problematisch. Wenn die Baumaßnahmen in einem halboffenen System zu umfassend werden, dann muß man sich überlegen, ob Kosten und Nutzen zusammenstimmen und ob nicht der Widerstand zu groß wird.

Aber genau diese schrittweise Vorgangsweise soll nicht immer nur diskutiert werden, sondern sie wird in diesem Gesetz festgelegt, sie wird technisch vorbereitet, sie wird baumäßig vorbereitet, und sie wird auch mit den Bundesländern besprochen. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Daher meine ich, man sollte diesen Bereich nicht aus Opportunismus ablehnen.

Tiroler Geld muß in Tirol bleiben! Also ich habe größten Respekt vor den Tirolern. Nur eines muß man schon sehen: Sie sind eigentlich sehr früh in den Genuß einer Autobahn gekommen; daher war es klar, daß das im Gesamtsystem rascher finanziert wird. Es ist aber immer klar gewesen, daß wir einen Gesamtverbund haben und es nicht so sein kann, daß man sagt: Das, was ich hier erzielt habe, bleibt dann im Land!, obwohl das sicher populär ist. Wir tragen aber schon im Rahmen des Finanzausgleiches dafür Sorge, daß hier eine faire Mittelverteilung, eine faire Lastenverteilung gegeben ist, wobei auch Tirol sicher nicht – das möchte ich betonen – benachteiligt wird.

Das Road-pricing wird sich nicht rechnen! (Bundesrat Dr. Kapral: Nicht amortisieren!) Sie haben gesagt, es amortisiert sich nicht. Da gibt es Berechnungen. Jetzt nehme ich nur den LKW her. Die Einführungskosten liegen bei rund 3 bis 3,4 Milliarden Schilling Investitionskosten, die

 


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Einnahmen bei 2 S pro Kilometer. Das muß sich dann nach der Wegekostenrichtlinie richten, aber das ist für einen LKW ein Durchschnittssatz. Das würde 2,7 Milliarden Schilling bringen. Das heißt, Sie haben das System in zwei Jahren amortisiert. (Bundesrat Dr. Kapral: Was ist mit den laufenden Kosten?) Die laufenden Kosten sind in diesem Bereich relativ gering und fallen nicht wirklich ins Gewicht. Dieses Modell gibt Sinn, ist meiner Meinung nach wichtig, um auch im Bereich "Güter von der Straße auf die Schiene" Impulse zu setzen, und daher sollte man das nicht ablehnen, sondern mit unterstützen.

Ich glaube, daß erhöhte Mautgebühren auch ein Lenkungsinstrument sind und daß man das – das habe ich im Ausland gemacht, das ist auf Verständnis gestoßen – sehr wohl positiv bewerben kann. Denn der Ausländer, der nach Österreich kommt, der Tourist, der so gerne nach Kärnten kommt, Herr Kollege, will Urlaub machen, will Erholungsurlaub. Er will nicht Massentourismus, und er will auch sozusagen eine intakte, gesunde Umwelt. Wenn das in einen richtigen Gesamtzusammenhang gesetzt wird, dann bin ich überzeugt davon, daß das – da können Sie noch einmal lachen – kein Negativum für den Tourismus ist. (Zwischenrufe.) Damals haben alle gesagt, daß es für den Tourismus nicht positiv beworben werden kann. (Bundesrat Dr. Harring: Wer hat gelacht? – Bundesrat Dr. Kapral: Sie haben Abgeordnete von der Regierungsbank aus nicht zu kritisieren! Da setzen Sie sich hier in die Abgeordnetenbänke!)

Regen Sie sich nicht auf! Ich habe Sie nicht kritisiert, sondern ich habe festgestellt, alle haben gesagt, das ist negativ für den Tourismus. Auf der Regierungsbank ist man auch nicht Freiwild, also es ist nicht Ihr Privileg, immer zu kritisieren – Altparteien, Neuparteien, Jungparteien. (Bundesrat Dr. Kapral: Ich nehme mir das heraus! Wen ich kritisiere, bestimme ich als Abgeordneter selber!) Sie können sich herausnehmen, was Sie wollen, das ist mir egal. (Weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie haben ja gelacht, schauen Sie nach. Es ist ja gar nichts Negatives. Ich bin ja froh, daß Sie Humor haben und lachen können, also tun Sie sich nichts an! Es ist ja humorvoll, wenn man lachen kann, das ist nicht so tragisch, Sie können es im Protokoll nachlesen.

Es heißt ja nur, daß ich glaube – Sie glauben es nicht –, daß man diese Mautkonzeption insgesamt in ein positives Werbekonzept für Österreich mit einbauen kann. Das ist meine Überzeugung. Ich habe auch diesbezügliche Erfahrungen gerade in Bayern gewonnen, wo ich auf dieses Problem aufmerksam gemacht habe, wo ich vor allem die Verhältnismäßigkeit wiederhergestellt habe. Das ist ganz wesentlich.

Natürlich sind Medien interessiert, sofort den Österreichern eines ans Zeug zu flicken und zu sagen: Wahnsinn, die Wegelagerer und die Raubritter, das ist alles furchtbar! – Darum bin ich hinausgefahren und habe gesagt, so sehen die Raubritter aus. Ich fühle mich nicht als Raubritter, wenn ich 20 Mark von Deutschland kassiere. (Bundesrat Dr. Harring: Sie können hundertmal hinausfahren, aber die Gäste werden nicht mehr kommen!)

Der Gastronomie muß ich sagen, sie muß eher dafür Sorge tragen, Herr Kollege – das sage ich auch als Tourismusminister –, daß wir bei den Nebenleistungen, beim Viertel Wein nicht zu teuer werden, daß wir die Leute nicht mit anderen Dingen frustrieren. Hier sehen wir sehr wohl, daß es Probleme gibt, und das ist wichtig! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn uns diese jetzige Veränderung eine Offensive der Gastlichkeit bringt, daß wir uns verstärkt mit neuen Angeboten noch mehr um den Touristen, um den Gast kümmern, dann ist das ein positiver Incentive, den ich durchaus als richtig und notwendig ansehe.

Zu der Frage von Herrn Mag. Langer: Ungarn – geringe Belastung. Für Ungarn und für das Stück Autobahn, auf dem ich jedes Mal zahle, ist das eine gewaltige Belastung. Sie sollten die Relationen noch einmal durchrechnen, dann werden Sie draufkommen, daß Österreich in der gesamten Vorgangsweise wesentlich moderater vorgeht.

Die Aussagen des Herrn Präsidenten Quantschnig sind für mich nicht nachvollziehbar. Ich sage Ihnen das ganz offen. (Bundesrat Dr. Harring: Haben Sie den Brief beantwortet?) Ich glaube Ihnen, daß es den Brief gibt. Aber der Wirtschaftsstandort Kärnten braucht dringend eine fertig


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gestellte Süd Autobahn. Die Süd Autobahn wird mit diesen Mitteln als erster Bereich sofort finanziert. Das ist für den Industriestandort Kärnten sicher ganz wesentlich und notwendig.

Die Doppelbelastung – das habe ich bei den Tauern nachgewiesen – gibt es in Kärnten nicht, weil wir besonders Rücksicht genommen haben, daß es eben keine Benachteiligung gibt. (Bundesrat Dr. Harring: Der Herr Präsident versteht es auch nicht!) Ich glaube, daß es viele notwendige und wichtige Dinge für die Ansiedlung von Betrieben gibt. Ich kann mir da sehr viele Impulse vorstellen. Ich glaube nur, man soll jetzt nicht sagen, die Maut ist schuld, daß keine Betriebe angesiedelt werden. Das wäre meiner Meinung nach zu kurz gegriffen. Wohnwagen werden in der ganzen Mautfrage wie PKWs behandelt. Auch diesbezüglich haben wir Lösungen getroffen, die den Touristen nicht vergrämen. Der Anhänger wird überhaupt nicht belastet. Also, all diese Geschichten, die da lanciert werden, da muß man 6 000 S zahlen, sind nicht wahr. – Je mehr wir diskutieren, je verständlicher und besser akzeptiert wird das Gesamtsystem.

Daher bin ich auch nicht bereit, eine einfache Lösung zusätzlich zu verkomplizieren. Wenn Sie noch viele Vignetten für Nachsaison oder Vorsaison entwickeln wollen, dann sage ich Ihnen, daß Kosten und Nutzen keinen Sinn mehr machen. Das ist auch der Grund, warum ich nicht noch tiefer staffele, was die Deutschen so gerne hätten, weil dann einfach die Kosten und die Vielfalt der Vignetten, die nicht mehr kontrollierbar sind, das ganze System zunichte machen.

Es haben viele intelligente Menschen über die Einführung von Mautsystemen und über Road-pricing nachgedacht. Nur sage ich eines: Es ist schon gut – und wir sollten durchaus selbstbewußt sein –, daß es auch die Politiker gibt, die die Einführung im Endeffekt durchführen müssen. Es ist für Experten immer einfach, auszurechnen, was man verlangen kann und wie man das umsetzt.

Wir haben aber in dieser Diskussion gesehen, daß wir gerade hinsichtlich Road-pricing, wenn wir das wirklich einführen wollen, noch Erfahrungen sammeln müssen, weil das, auch wenn nur 30 Groschen pro Kilometer verlangt werden, wesentlich höhere Belastungen, wesentlich stärkere Verlagerungseffekte und wesentlich gravierendere soziale Probleme im Pendlerbereich ergeben würde, wo eine eigene Tarifstruktur nötig wäre.

Die jetzige Lösung, zu der wir uns entschlossen haben, ist eine einfache Lösung, man könnte sagen, eine primitive Lösung. Aber ich sage Ihnen: In der Politik sind einfache Lösungen gute Lösungen. Und daher meine ich, daß die Vignette für den Personenverkehr derzeit sicher die optimale Variante darstellt. Es ist das auch aus der Transroute-Studie hervorgegangen: Wir müssen derzeit, wenn wir den PKW bemauten, automatisch, weil niemandem diese On-board-Unit verordnet werden kann, auch händische Bemautungen vorsehen. Das würde bei einem halboffenen System bedeuten, daß man auf der Höhe Baden auf 12 bis 13 Mautstellen zufährt, wodurch sehr leicht große Staus entstehen können und sich erhebliche Akzeptanzprobleme abzeichnen, wenn das Ganze nicht sehr gut vorbereitet ist. Das muß man, glaube ich, sehen, und das wird von Experten, die Studien erstellen, oft sehr unterschätzt. Wir sehen ja, wie auch die politische Diskussion läuft, und da ist schon eines wichtig: Wenn man das angeht, dann so, daß es auch umgesetzt werden kann.

Ich möchte noch einmal betonen: Mit dem derzeitigen Konzept – wir werden das gemeinsam in der Bundesregierung darstellen – werden die notwendigen Impulse gesetzt. Gerade weil von der Frau Bundesrätin auch die Steiermark angesprochen wurde: Die Steiermark ist mit ganz wesentlichen Bauvorhaben mitbeteiligt.

Wenn jede Doppelbemautung vermieden wird, dann gibt es nicht die Finanzierungsmittel, um tatsächlich alle Maßnahmen zu setzen. Daher appelliere ich auch an die Solidarität der Tiroler Bundesräte: Jawohl, am Brenner sind statt 260 S mit dem Kombipack 350 S zu zahlen, also 90 S mehr. Aber Sie müssen auch sehen, daß viele der Investitionen, die in den nächsten Jahren getätigt werden sollen, auch Tirol zugute kommen. Für Landeck ist es enorm wichtig, daß die Umfahrung endlich gebaut wird. Gerade aus Umweltgründen wartet man darauf, weil der gesamte Verkehr durch den Ort geht – das ist eine Katastrophe. Pians und Flirsch warten

 


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auch schon ewig lang darauf. Wenn es gelingt, daß all das durchgeführt, finanziert werden kann, dann macht das Sinn.

Der Kaufkraftentzug, den Sie so beklagen, ist relativ gering. Der Investitionsimpuls ist wesentlich höher. Er wird im heurigen Jahr mindestens 1,8 Milliarden Schilling, im nächsten Jahr 5,6 Milliarden Schilling ausmachen. Das heißt, wir haben hier einen positiven Nachfrageimpuls, einen Beschäftigungsimpuls im Investitionsbereich. Und das ist das Entscheidende. Wenn Sie all diese Argumente mit berücksichtigen, dann müßten Sie von der freiheitlichen Partei heute eigentlich zustimmen und nicht manchmal etwas vordergründig dagegen sein. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.44

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Pfeffer. – Bitte.

18.44

Bundesrätin Katharina Pfeffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Harring! Es geht mir immer wieder so, daß die Namen Pfeffer und Pfeifer verwechselt werden. (Bundesrat Dr. Harring: Das war handschriftlich, ich entschuldige mich!) Nein, nein, Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. (Bundesrat Dr. Harring: Ich habe mich sowieso gewundert, wieso einen Kärntner dieses Thema interessiert!) Eben! Ich wohne in St. Andrä am Zicksee, Bezirk Neusiedl, also im Burgenland, und ich vertrete mein Land hier. Ich möchte dazu bemerken, daß ich zwar nicht direkt Betroffene bin, was den Verkehr der Bundesstraße 10 – also der B 10 – anlangt, aber ich bin Nutznießerin der Ost Autobahn, der A 4.

Von Anfang an habe ich die Diskussion um den Bau der Ost Autobahn zur Entlastung der Bewohner an der B 10 miterlebt. Viele Demonstrationen gingen dem Bau der A 4 voraus, bis man endlich zur Einsicht kam, wie notwendig dieses Autobahnstück für uns ist.

Diese Autobahn wird aber auch von sehr vielen Pendlern unseres Bezirkes benützt, die täglich zu ihrer Arbeitsstätte in der Bundeshauptstadt Wien und am Flughafen Schwechat unterwegs sind. Nach Diskussionen, die ich in den letzten Wochen über das Autobahnpickerl mit den Betroffenen geführt habe, ist ein Großteil dieser Menschen bereit, den Mauttarif zu akzeptieren, wenn ab 1. Jänner 1997 das Mautpickerl eingeführt wird. – Meine Vorredner sind diesbezüglich bereits ins Detail gegangen. Skeptisch allerdings – ich vertrete jetzt die Meinung unserer betroffenen Bevölkerung – ist man allerdings noch hinsichtlich Road-pricing. Da sind wir Politiker gefordert, Aufklärungsarbeit zu leisten. Außerdem könnten auch noch Regelungen getroffen werden, die für Pendler, die eine Jahresvignette besitzen, die Möglichkeit vorsehen, zusätzlich eine Jahreskarte für eine bestehende Mautstrecke zum herabgesetzten Preis von 650 S zu er-werben.

Wenn man dies mit anderen mautpflichtigen Ländern vergleicht, so stellt man fest, unser System ist um vieles günstiger. Was mir persönlich aber noch Sorgen bereitet, ist folgendes: Sehr viele unserer ausländischen Freunde aus Ungarn, der Slowakei und Tschechien benützen die A 4. Ich gönne ihnen die schönen Fahrzeuge, die sie jetzt Gott sei Dank auch im Sinne unserer Umwelt fahren, sie wurden ohnehin lange Zeit von ihrem politischen System unterdrückt. Aber worauf ich hinaus will, ist, daß für diese Herrschaften unser Mautpickerl eventuell zu teuer sein könnte. Und ich fürchte, daß sich diese Leute das Pickerl nicht leisten können oder nicht wollen und wieder auf die Bundesstraße 10 – sie geht ja von Bruckneudorf bis Nickelsdorf, ich glaube, Sie kennen die Strecke – ausweichen werden und wir dann dasselbe Dilemma wie vor dem Autobahnbau haben. Wir können die Anrainer der B 10 jedoch nicht im Regen stehen lassen.

Mein Vorschlag wäre, daß schon bei der Einfahrt nach Österreich jeder – unter Anführungszeichen – "verpflichtet" werden müßte, ein Mautpickerl zu erwerben. Das klingt sehr hart, wahrscheinlich ist dieser Zwang gar nicht möglich. Das ist meiner Meinung nach aber die einzige Möglichkeit, Ausweichmanöver auf die Bundesstraßen zu unterbinden, was die Menschen, die an der B 10 wohnen, belasten würde.


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Berichten zufolge ist die ungarische Autobahn von Nickelsdorf nach Györ – also nach Raab – fast leer, weil sich ein Großteil der Ungarn nicht einmal die dort verlangten 65 S Autobahnmaut leisten können und wollen. Jetzt will man diesen Beitrag noch erhöhen, weil man sonst mit den Autobahnerhaltungskosten nicht zu Rande kommt. Diese Information habe ich heute nachmittag bekommen.

Könnten und würden sich diese Staatsbürger unser Mautpickerl leisten? – Das ist eine berechtigte Sorge von mir. Ich möchte Herrn Minister Ditz ersuchen, eine akzeptable Lösung zu suchen. Ich hoffe, Sie haben jetzt gehört, was ich gemeint habe hinsichtlich der ungarischen Staatsbürger, die die kleine Strecke von Nickelsdorf nach Györ fast nicht benutzen, weil sie diese 65 S, die sie da bezahlen müßten, gar nicht bezahlen wollen.

Meine Sorge ist daher... (Bundesrat DDr. Königshofer: Gratispickerl für Ausländer!) Nein, das möchte ich nicht. Das haben Sie mißverstanden. Ich habe sogar gemeint, daß bei der Einreise aus Ungarn – ich habe auch vorausgeschickt, daß das wahrscheinlich nicht möglich ist – dieses Pickerl verpflichtend auch von unseren ungarischen Staatsbürgern erworben werden müßte. (Bundesrat DDr. Königshofer: ... kauft das Pickerl!) Das ist natürlich auch richtig. Ich habe ja auch gesagt, es ist wahrscheinlich nicht möglich. Aber man müßte eine Lösung für dieses Problem finden.

Mir geht es darum, daß man die Bevölkerung, die an der B 10 lebt und die ja wirklich sehr belastet war, bevor die A 4 gebaut wurde, nicht im Regen stehen läßt. – Ich danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Bösch. – Bitte.

18.49

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! – Herr Bundesminister! Sie können sich noch so arrogant hier herstellen und behaupten, daß diese Bundesregierung keine finanziellen Löcher zu stopfen hätte. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Hallo, hallo!)

Ich sage Ihnen: Vor noch nicht einem halben Jahr sind Sie als Mitglied dieser Bundesregierung an die Öffentlichkeit gegangen und haben behauptet, in diesem Lande sei finanzpolitisch der Staatsnotstand ausgebrochen. Und jetzt behaupten Sie, daß alles beim alten sei und alles seinen richtigen Gang gehe.

Herr Minister! Reden Sie in Beantwortung unserer dringlichen Anfrage nicht von großen Zusammenhängen, von Wirtschaftsimpulsen und all diesen Dingen. Sie hätten seit zehn Jahren diese Dinge regeln können. Sie haben es zehn Jahre lang in der Hand gehabt, all diese Dinge in die Wege zu leiten.

Sie haben in der Beantwortung unserer dringlichen Anfrage richtigerweise darauf hingewiesen, daß Österreich im Rahmen der EU und deren Verkehrssystem eine besondere Rolle als Transitland spielt und daß es jetzt darauf ankommt, auch im Rahmen dieser Vergebührung von Wegekosten mit der EU in klare Verhandlungen zu treten. Sie haben hier angekündigt, daß Sie die EU-Wegekostenrichtlinie dahin gehend verändern wollen, daß auch wir mit unserer Brennermaut darin Platz haben. Und auch dazu, Herr Minister, kann ich Ihnen nur sagen: Auch das hätten Sie schon längst tun können. Und zwar hätten Sie diese Dinge tun sollen, bevor die Republik Österreich Mitglied der Europäischen Union geworden ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hätten Sie nicht versucht, einen Transitvertrag zu erstellen, der der Bevölkerung nur als Tarnvertrag dargebracht worden ist, um vor der Abstimmung den Eindruck zu erwecken, daß im Bereich des Transits und des Verkehrs alles in Ordnung sei, sondern hätten Sie die für unser Land wirklich wichtigen Dinge rechtzeitig verhandelt, dann wären wir nicht in dieser Klemme. Hätten Sie in die Gespräche über den Transitvertrag und in die weiteren Gespräche mit der EU


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auch den Brenner-Basistunnel miteinbezogen, dann hätten wir auch heute nicht das Problem, daß Ihre Ankündigung, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlegen, im Bereich Tirol nur heiße Luft sein wird.

Herr Minister! Wissen Sie, es ist uns mit dieser dringlichen Anfrage gar nicht darum gegangen, die Kostenwahrheit im Verkehrsbereich anzuzweifeln. Natürlich ist es wichtig, daß auch bezüglich Straßenverkehr die Kosten richtig und gerecht verteilt werden. Uns geht es darum, daß Österreich bei der Ersteinführung solcher Systeme die Möglichkeit gehabt hätte, eine intelligente Lösung zu finden.

Herr Minister! Sie haben in Ihrer Anfragebeantwortung an uns Freiheitliche die Forderung gestellt, wir sollten mehr Ideen und mehr Kreativität einbringen. Diese Forderung gebe ich gerne an Sie zurück, denn Sie müßten wissen, daß es ein Privileg der Opposition ist, nicht regieren zu müssen. Es ist aber ein Privileg der Regierung, regieren zu dürfen, und Sie sind an der Regierung. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Also bemühen Sie Ihre Kreativität und Ihre Ideen, damit Sie die Opposition überzeugen können.

Sie haben noch ein weiteres, sehr kühnes Argument zur Verteidigung Ihrer Position gebracht. Sie haben nämlich behauptet, daß diese dreistufige Einführung der finanziellen Belastung des Verkehrs notwendig sei, um die Österreicher an die Kosten, die der Verkehr bringt, die die Straßenbenutzung mit sich bringt, zu gewöhnen. Ein Vorredner meiner Fraktion hat schon klar gesagt, daß die Österreicher längst an diese Kosten im Verkehrsbereich gewöhnt sind und daß Sie nur eine schnelle Variante gesucht haben, um Budgetmittel lukrieren zu können. Es ist Ihnen also nicht darum gegangen, mit dieser Vignettenlösung die Verkehrsproblematik wirklich auf eine neue und bessere Schiene zu bringen als bisher.

Die Sorgen der Bundesländer – das haben einige Vorredner angekündigt –, Herr Minister, sind berechtigt. Wenn ich das Bundesland Vorarlberg hernehme, so ist es auch nicht nur der freiheitliche Landesrat Gorbach, der befürchtet, daß durch die Einführung dieser Vignette eine Verlagerung der Belastung von der Autobahn auf die niederrangigeren Straßennetze passieren wird, sondern auch der ÖVP-Landesrat Rein hat klar vor den negativen Auswirkungen der Autobahnmaut gewarnt, ebenso der ÖVP-Bürgermeister von Bregenz, Gasser, und, und, und. Es ist also nicht so, wie Sie das hier darstellen, daß nur die Opposition der Opposition halber diese Positionen bezieht.

Herr Minister! Ich möchte, daß Sie diese Anregungen, die aus den Bundesländern kommen, ernst nehmen, daß Sie die Lösungen, die sie anbieten, noch einmal überdenken. Herauskommen soll, daß Sie mit der Regierung eine moderne, phantasievolle, intelligente Lösung zur Vergebührung des Straßenverkehrs anbieten, daß Sie eine Doppelbemautung für Einheimische in den verschiedenen Bundesländern verhindern, daß Sie auch den Fluchtverkehr verhindern, der eine Belastung der Bundesstraßen und der Wohngebiete – meine Kollegen haben das schon erwähnt – zur Folge haben wird, und daß Sie sicherstellen, daß die zweckgebundene Verwendung dieser Mittel auch in den nächsten Jahren klar ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

18.55

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich glaube, es ist sehr viel darüber diskutiert worden, daß es Autobahnmauten gibt – auch in Italien, in der Schweiz, in Frankreich, in Spanien, sogar in Slowenien und Kroatien. Das wissen wir jetzt, und das wissen auch die Kollegen von den Freiheitlichen.

Mir ist schon klar, liebe Kollegen von den Freiheitlichen, daß Sie sich in der politischen Auseinandersetzung Themen suchen, die für Sie intellektuell überschaubar bleiben. (Bundesrat DDr. Königshofer: Seien Sie froh, daß Sie keine Probleme damit haben!) Aber wenn wir die Pro

 


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bleme, die Sie hier thematisieren, mit den Herausforderungen und mit den Aufgabenstellungen vergleichen, die für diese Republik anstehen... (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Dr. Kapral! Sie glauben wirklich, daß es das Land in erster Linie bewegt, ob für die Autobahnmaut 550 S oder 390 S ausgegeben werden müssen. Das glauben Sie. (Bundesrat Eisl: Das wissen wir!) Was Sie im Bierzelt erzählen, ist eine Sache, aber was für das Land wichtig ist, ist eine andere, und im Vergleich dazu nehmen sich Ihre Themen wirklich lächerlich aus, das muß ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen.

Von einer Problematik, die mehrere Meter groß ist, suchen Sie sich 5 Millimeter heraus, über die reden Sie lange mit rotem Kopf und wandern in Ihre Bierzelte. Aber für das Land erreichen Sie damit überhaupt nichts. (Bundesrat Dr. Tremmel: Es ist das Privileg der Jugend, das zu sagen!)

Herr Fraktionsvorsitzender Kapral, weil Sie so empfindlich reagieren, wenn Sie von der Regierungsbank angesprochen werden und keine Lobhudelei über Sie erfolgt: Mir ist schon klar, daß Ihre Fraktion – das fällt ja an sich auf – eine etwas reduzierte Erkenntnisfähigkeit hat. Wenn man Ihrer Fraktion beim Argumentieren zuhört... (Bundesrat DDr. Königshofer: Das ist ungeheuerlich! Eine Frechheit ist das!) Ja, wunderbar!

Ich darf Ihnen etwas sagen: Sie haben Sorge, daß die Ausländer, die als Touristen zu uns kommen, Maut zahlen müssen. Dann hören Sie das ein zweites Mal und schreien: Gratispickerl für Ausländer, das ist ein großes Problem. – Sie reden für mehr Wettbewerb ... (Bundesrat Dr. Tremmel: Das haben Sie in der Märchenstunde gehört!) Das ist gesagt worden, Sie können es im Protokoll nachlesen.

Wenn Sie zum Beispiel hier hören, daß es Ausschreibungen geben wird, was den Ausbau unserer Straßen anlangt, dann bemängeln Sie gleich, daß diese europaweit ausgeschrieben werden. Sie sollten erstens einmal die Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft nicht unterschätzen, und zweitens sollten Sie auch wissen, daß mehr Wettbewerb dazu führt, daß durch die öffentliche Hand kostengünstig gebaut werden kann. Sie werden hier doch wohl nicht gegen den Wettbewerb reden wollen.

Herr Bundesrat Dr. Bösch! Zu Ihren geschätzten Ausführungen: Auch wenn es die freiheitliche Partei immer wiederholt, wird es trotzdem nicht richtiger – zumindest für die Volkspartei gilt das –, daß hier heute jemand... (Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl .) Herr Waldhäusl! Sie wissen noch gar nicht, was ich sage, aber Sie sind schon dagegen. Das entspricht Ihrer Mentalität. Wissen Sie schon, was ich sagen möchte? – Aber es ist ja egal. Für Sie gilt die Bergpredigt, Herr Waldhäusl! (Beifall bei der ÖVP. – Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl .)

Wenn auch hier immer wieder gesagt wird, heute würde die Volkspartei behaupten, wir hätten keine Budgetprobleme, dann ist das vielleicht in Ihren Köpfen. Die Volkspartei ist eine Österreich-Partei, die Volkspartei arbeitet für diese Republik, und sie arbeitet deswegen an der Lösung dieser Probleme für dieses Land. Wenn Sie daraus konstruieren, daß die Volkspartei heute im Gegensatz zum Zeitpunkt vor der Wahl der Meinung ist, daß es nie Probleme gegeben hat, dann entspricht das wiederum Ihrer vereinfachten Darstellung einer doch etwas komplizierteren Welt, aber nicht dem, was die Meinung der Volkspartei ist. Und vielleicht können wir uns zumindest auf den Minimalkompromiß einigen, daß die Volkspartei die Meinung der Volkspartei vertritt und die Freiheitlichen das nicht tun.

Nur nebenbei möchte ich zu Ihrer Kompetenz in Budgetfragen sagen: Sie haben sich bereits nachhaltig bei der Sondersitzung zum Thema Arbeitslosigkeit im Parlament demaskiert, in der Sie das Budgetdefizit gleich zusätzlich um zig Milliarden hätten explodieren lassen. Insofern ist Ihre Kompetenz wirklich in Frage zu stellen. (Bundesrat Waldhäusl: Haben wir die Schulden gemacht, oder war es die ÖVP?)

Zur Sache selbst: Es ist klar, daß wir langfristig eine verursachergerechte Kostenzuordnung in der Verkehrspolitik brauchen, auch als politisches Lenkungsinstrument – sowohl aus verkehrspolitischer Sicht als auch aus umweltpolitischen Aufgabenstellungen heraus.


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Sie haben sich darüber echauffiert, daß der Herr Minister die Vignette als Zwischenstufe skizziert hat: Natürlich ist die Vignette eine Zwischenstufe zu einer verursachergerechteren Kostenzuordnung im Straßenverkehr.

Herr Bundesrat Langer von den Freiheitlichen hat mich – ich weiß nicht, ob ich oder andere Wiener Kollegen gemeint waren – aufgefordert, ich möge mich doch zu dem, was Häupl oder was Görg dazu gesagt haben, äußern: Ich sage Ihnen, was ich für wichtig halte. (Bundesrat Mag. Langer: Was bewegt die Wiener Bevölkerung?) Ich sage Ihnen, was die Wiener Bevölkerung bewegt und was ich für Wien für wichtig halte. Für Wien ist wichtig die Entlastung der Südosttangente, auf der pro Tag 140 000 Kraftfahrzeuge fahren, weiters der Bau der Südumfahrung, der B 301, und der Bau der Nordostumfahrung.

Da sage ich Ihnen: Es ist für Sie vielleicht nicht zufriedenstellend, daß diese sachpolitischen Fragestellungen für mich im Vordergrund stehen und diejenigen sind, für die ich hier für die Wiener Bevölkerung eintrete. Aber das ist letztendlich auch der Grund, warum meine Partei diese Republik regiert. Ihrer wird das, solange sie nicht geistig aufrüsten will, wohl verwehrt bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

19.02

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rauchenberger. – Bitte, Herr Bundesrat.

19.02

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat zu den konkreten Einzelfragen dieser dringlichen Anfrage bereits ausführlich Stellung genommen. Im Gegensatz zu den bisher von seiten der Freiheitlichen eingebrachten dringlichen Anfragen halte auch ich es für durchaus angebracht, zur Frage des Mautpickerls eine ausführliche Debatte abzuführen. Ob dies anläßlich der nun eingebrachten dringlichen Anfrage erfolgt oder im Zuge der Debatte zum Strukturanpassungsgesetz beziehungsweise zum Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996, ist eine Frage der Wertung, die ich nicht zu eng sehen möchte.

Einigen der in der gegenständlichen Debatte aufgeworfenen Fragen messe auch ich hohen Stellenwert zu. Im konkreten will ich mich dem Problem der Stadtautobahnen widmen. Ich mache kein Geheimnis daraus, daß es für mich unvorstellbar wäre, wenn Wien die einzige Stadt der Welt, jedenfalls innerhalb Europas wäre, auf deren Straßen eine Autobahnmaut kassiert werden würde. Aus Wiener Sicht ist daher eine Bemautung nur als Übergangslösung bis zur Einführung eines Road-pricing vorstellbar. Von dieser Regelung müßte allerdings die Wirtschaft, insbesondere Fahrzeuge, die im Nahversorgungsbereich eingesetzt sind, ausgenommen werden.

Wie ich bereits ausführte, bestehen also grundsätzlich zum System der Maut als Finanzierungsinstrument für Bundesstraßen im Hinblick auf die Budgetkonsolidierung auch im Lichte der Wegekostengerechtigkeit keine Einwände.

Vor allem im städtischen Nahbereich besteht dadurch jedoch die Gefahr, daß ein Ausweichverkehr entstehen könnte. Gegenwärtig sind pro Tag rund 138 000 Kraftfahrzeuge allein auf der Südosttangente unterwegs, 76 000 Kraftfahrzeuge fahren auf der A 22, der Donauufer Autobahn. Würden nur 10 Prozent davon in das normale Wiener Straßennetz ausweichen, wären die Folgen für die Wiener Bevölkerung unvorstellbar und schlichtweg ein Rückschlag um Jahrzehnte.

Stadtautobahnen wurden jedoch gerade deshalb errichtet, um die Wohngebiete vom Durchzugsverkehr zu entlasten. Diese Entlastung würde durch die Einführung einer Autobahnvignette wieder zurückgenommen, wenn Nahversorger und lokale Gewerbetreibende der Mautpflicht durch Benützung des niederrangigen Straßennetzes ausweichen. Aus diesem Grund darf ich meine bereits erhobene Forderung wiederholen, die da lautet, rechtzeitig Überlegungen anzustellen, wie Stadtautobahnen als notwendige Verbindungswege, zum Beispiel Brücken, von der Mautpflicht ausgenommen werden können.


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Eine gleiche Ausnahme muß grundsätzlich auch für Fahrzeuge der Rettung, Feuerwehr und Polizei sowie für sonstige Einsatzfahrzeuge, für Fahrzeuge der Müllabfuhr, des Straßendienstes und im Interesse einer Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs für Fahrzeuge des Kraftfahrliniendienstes und für Taxis normiert werden.

Dieser Standpunkt deckt sich im übrigen voll mit jenem der Wiener Stadtverwaltung und der kompetenten Funktionäre dieser Stadt oder des heute mehrmals angesprochenen Wiener Bürgermeisters. Auch Dr. Häupl ist in keiner Diskussionsphase von diesen grundsätzlichen Überlegungen abgegangen. Jede andere Interpretation versucht, in einer Polemik der Verunsicherung gegen die Interessen der Wiener Bevölkerung zu agieren.

Ich fordere Sie daher einmal mehr auf, für unser Land und für unsere Stadt zu arbeiten – diese Forderung ist an die Freiheitlichen gerichtet – oder konstruktive Alternativen aufzuzeigen. Der von Ihnen vorgelegte Entschließungsantrag ist dazu allerdings ein untaugliches Mittel, weshalb Sie sicher Verständnis dafür haben, daß unsere Fraktion diesem Antrag nicht beitreten wird. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Langer: Kein Verständnis!)

19.06

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Rockenschaub. – Bitte, Herr Bundesrat.

19.06

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Himmer hat uns vorhin seine überragende Intelligenz vorgeführt. Ich bitte Sie um Verständnis, Herr Kollege Himmer (Zwischenruf bei der ÖVP) – Sie waren ja nicht da (Ruf bei der ÖVP: Sicher!) –, daß wir Mandatare von den Freiheitlichen uns auch in diesem Hause bemühen, uns um die Probleme der einfachen Bürger zu kümmern, und ich darf Sie um Verständnis bitten, daß wir das auch in Zukunft so halten werden. Wenn aber einfache Probleme und einfache Lösungen, um die es, wie der Herr Bundesminister gemeint hat, da geht, für Sie, für Ihre Intelligenz ein zu tiefes Hinabsteigen bedeuten, dann gibt es ein ganz einfaches Mittel: schweigen, und man braucht sich nicht mit Schmutz, mit intellektuell niedrigen Dingen zu beschäftigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Sie haben gesagt, der Tourismus sei keine Krisenbranche. Mir sind ganz andere Informationen bekannt, von Gläubigerschutzverbänden, von zahlreichen Geldinstituten aus denjenigen Bundesländern, in welchen der Tourismus stark ist. Ich muß also ganz andere Informationen als Sie haben: Dort stöhnt man über gewaltige Probleme im Wertberichtigungsbereich, in außergerichtlichen Verhandlungen, um Betriebe durchzubringen, Raten können nicht bezahlt werden, Zinsen sind zu stunden und so weiter und so fort. Aber möglicherweise habe ich die falschen Informationen. Im Grunde genommen müßten Sie es besser wissen als ich, aber ich glaube, da sollten Sie doch einige Gespräche führen, insbesondere mit den Vertretern der Gläubigerschutzverbände, denn diese Kollegen schätzen die derzeitige Lage in der Tourismusbranche ganz anders ein.

Das ständige Argument, daß es da um Gelder geht, die dann zweckgebunden werden, um Straßenprojekte durchzuziehen – Herr Bundesminister, seien Sie uns als Opposition nicht böse! –, hören wir schon seit Jahren. Wir haben bei den Erhöhungen der Mineralölsteuer x-mal gehört, es müssen Umfahrungen, Autobahnen und so weiter gebaut werden, dazu dienen diese Mittel. Daß wir schön langsam nicht mehr daran glauben und daß wir der Meinung sind, da geht es nur um das Stopfen von Budgetlöchern, dafür ersuchen wir um Verständnis.

Wir wollen mit unserer heutigen dringlichen Anfrage auch – das sage ich ganz offen – ein Doppelspiel von Funktionären und Mandataren der Regierungsparteien unterbinden, nämlich ein Doppelspiel in der Öffentlichkeit: In den Parteigremien, im Parlament wird ja gesagt zur Maut, draußen in der Öffentlichkeit, in regionalen Medien absentieren sich ein und dieselben roten und schwarzen Mandatare von jenen Beschlüssen, die sie in den Parteigremien und im Parlament mitgetragen haben. Dieses Doppelspiel wollen wir zu verhindern versuchen, um zu vermeiden, daß Bürgermeister Häupl oder SPÖ-Bürgermeister Dobusch in Linz geradezu als Helden und Märtyrer vor der Bevölkerung dastehen; es gibt nämlich in Oberösterreich nächstes Jahr und in


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Wien in nicht allzu langer Zeit Gemeinderatswahlen, und von dort dürfte in Wahrheit der Wind wehen.

Es ist, glaube ich, das gute Recht einer Opposition, die von vornherein weniger Machtmittel und weniger Mittel hat, in der Öffentlichkeit durchzudringen, zu versuchen, das aufzuzeigen.

In diesem Zusammenhang darf ich einen zweiten Entschließungsantrag einbringen; er wurde schon vor einigen Stunden Ihren Fraktionen zur Kenntnis gebracht. Dieser Entschließungsantrag beschäftigt sich mit den Stadtautobahnen. Es wurde über die Stadtautobahnen schon sehr viel gesprochen, ich brauche daher auf die Argumente im Detail nicht mehr einzugehen.

Interessant ist, daß dieser Entschließungsantrag auf Punkt und Beistrich identisch ist mit jenem Entschließungsantrag, den SPÖ-Bürgermeister Dobusch, ÖVP-Vizebürgermeister Blöchl, also beides höchste Funktionäre der Regierungsparteien und der Öffentlichkeit in der Landeshauptstadt Linz, gemeinsam mit dem freiheitlichen Verkehrsstadtrat Obermayr unterschrieben haben. Wer es nicht glaubt – Unterschriften liegen vor. Da wollen wir einfach die Nagelprobe machen, wo sich die Bundesräte von Rot und Schwarz in diesem Doppelspiel ansiedeln, ob draußen beim Bürger, der unter den Belastungen stöhnt, oder im Parlament in Wien, wo man der Koalition die Mauer macht. Ich bin für beide Varianten dankbar. Jedenfalls wollen wir heute diese Nagelprobe hier gerne machen. Dieser Entschließungsantrag lautet – gemäß SPÖ-Bürgermeister Dobusch und ÖVP-Vizebürgermeister Blöchl in Linz –:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Michael Rockenschaub, Mag. Dieter Langer und Kollegen betreffend Verhinderung der Maut auf Stadtautobahnen

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird im Interesse der städtischen Wohn- und Lebensqualität sowie im besonderen aus ökologischen Erwägungen und mit Rücksicht auf die Sozialverträglichkeit der urbanen Verkehrsentwicklung dringend ersucht, die sogenannten Stadtautobahnen nicht in die geplante Mautpflicht einzubeziehen.

*****

Wie gesagt, Originalton von Freiheitlichen, Volkspartei und Sozialdemokraten aus Linz. Vielleicht ist zumindest der eine oder andere Kollege der Regierungsfraktionen aus Oberösterreich bereit, diesen Entschließungsantrag zu unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Dr. Rockenschaub und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Verhinderung der Maut auf Stadtautobahnen ist genügend unterstützt und steht demnach zur Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Ditz. – Bitte.

19.12

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johannes Ditz: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Hoher Bundesrat! Zunächst einige Worte zu Herrn Bundesrat Bösch. Es ist überhaupt nicht zu leugnen, daß ich vor einem halben Jahr auf die Schwierigkeiten im Bundeshaushalt hingewiesen habe, daß da finanziell, wenn wir nicht gegensteuern, große Probleme zu befürchten sind. Ich habe nicht von einem Staatsnotstand gesprochen, aber ich habe ganz deutlich gesagt, daß es wesentlich und wichtig ist, eine radikale Kurskorrektur vorzunehmen, um auch in Zukunft unsere Position zu sichern.

Ich habe nicht gesagt, es sei alles in Ordnung, aber dazwischen liegen jetzt einige Monate, dazwischen liegen auch Nationalratswahlen, und – das muß man ehrlicherweise auch sagen – dazwischen liegt auch die Erstellung zweier Budgets, in welchen genau dieser Kurswechsel


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vorgenommen wurde. Es ist überhaupt keine Frage, daß auch schmerzhafte Maßnahmen notwendig waren, aber 100 Milliarden Schilling gegenüber den Prognosen einzusparen, heißt eben, daß man korrigieren muß – im Interesse der Zukunftssicherung! Das ist geschehen, und dazu bekenne ich mich, und so gesehen widersprechen sich diese beiden Aussagen nicht.

Zweiter Punkt: Krise. Es wird hier immer wieder behauptet, die letzten zehn Jahre seien schlechte Jahre gewesen. Ich möchte dezidiert sagen: Österreich hat von 1987 bis 1993 eine hervorragende Wirtschaftsentwicklung genommen, wir lagen international immer über dem Durchschnitt, und unsere Position hat sich noch verbessert. Wenn hier vom Erbe von Schwierigkeiten gesprochen wird, dann muß ich dem entgegnen: Das ist einfach falsch! Sie müssen sich die Daten und die Fakten einmal ansehen, um zu sehen, daß diese Kritik, die hier von Ihren jüngeren Kollegen vorgebracht wird, den Tatsachen und den Fakten einfach nicht entspricht.

Natürlich ist es das Privileg der Opposition, keine Vorschläge machen zu müssen und nicht regieren zu müssen. Wir sind froh, regieren zu dürfen, das ist doch überhaupt keine Frage, da gebe ich Ihnen völlig recht, und wir nehmen das auch durchaus selbstbewußt wahr. Nur: Einmal hat auch die freiheitliche Partei schon regiert, und damals sind die Schulden explodiert. (Ruf bei der ÖVP: Hört, hört! – Gegenrufe bei den Freiheitlichen.) Das war damals eine kleine Koalition. Daran können Sie sich wahrscheinlich nicht mehr erinnern. Mittlerweile gab es ja einen Wandel in der freiheitlichen Partei. Aber es war die einzige Regierungsbeteiligung der freiheitlichen Partei, und man sollte sie nicht völlig ad acta legen: Das war nicht die erfolgreichste Periode für Österreich. (Beifall bei der ÖVP und Beifall des Bundesrates Prähauser. )

19.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

19.16

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Den Ausführungen des Ministers habe ich entnommen, daß eine Reihe von Projekten und Bauvorhaben im Straßenbereich von seiten der Regierung geplant ist. Ich wäre ein schlechter regionaler Vertreter, wenn ich nicht auf einen Mangel hinweisen würde: Mir hat in dieser Aufzählung der Ausbau der B 83 gefehlt. Ich würde noch Verständnis haben, wenn dies eine freiheitliche Forderung wäre, aber nein, dem ist nicht so, sondern ÖVP und SPÖ fordern bereits seit 20 Jahren beinahe in Permanenz diesen Ausbau. Unabhängig davon – das ist Ihre Sache, die Sie wahrscheinlich mit den Ländervertretern Ihrer Parteien zu regeln haben – habe ich kein Verständnis dafür, daß dieser Ausbau nicht erfolgt, zumal ich weiß, daß sich auf dem Teilstück der B 83 zwischen Judenburg und der Kärntner Landesgrenze pro Jahr über 500 Verkehrsunfälle ereignen und der Blutzoll dort so hoch ist, daß beinahe jeder Kilometer Straße mit einem Toten bedeckt sein könnte.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es besteht dort höchster Handlungsbedarf. Unabhängig von dem Schicksal der Verletzten und der Toten und vor allem der Hinterbliebenen – aber das will ich jetzt gar nicht ansprechen – würde sich dieser Ausbau bei 500 Unfällen im Jahr rein volkswirtschaftlich schon längst rechnen und finanzieren. Dieser Punkt hat mir in der Aufzählung Ihrer Projekte gefehlt, Herr Minister!

Zweiter Punkt: Autobahnvignette, zweite Autobahnmaut, Autobahnsteuer. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Es muß ein Ende geben bei der Belastung der Autofahrer. Es wird der Autofahrer immer wieder – es gibt genug Beispiele dafür, und es ist vieles aufgezählt worden – permanent zur Kasse gebeten.

Ein Beispiel dazu: Man hat die sogenannte Luxussteuer abgeschafft und hat dafür die Normverbrauchsabgabe geschaffen – mit dem Effekt, daß man eine Steuer von der Steuer geschaffen hat. Denn: Wenn sich ein Bürger ein Auto kauft, dann zahlt er den Nettopreis plus Mehrwertsteuer und von diesem Betrag dann die Normverbrauchsabgabe. Das ist eine Steuer von der Steuer, und das bedeutet eine Mehreinnahme.

 


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Zweites Beispiel: Kfz-Steuer; diese wurde heute auch angesprochen. Faktum ist, daß die Kfz-Steuer nicht mehr über das Finanzamt in Form von Marken eingehoben wird, sondern daß dies die private Versicherungswirtschaft in Österreich macht, und zwar unter dem Titel Versicherungssteuer zwei. Dadurch erspart sich die öffentliche Hand selbstverständlich Personal- und Verwaltungskosten. Das heißt, das ist wiederum eine Einsparung. Aber als Dank dafür, daß das privatisiert wurde oder quasi durch die private Versicherung gemacht wird, wurden die Steuern erhöht. Es wurde ein zweites Mal der Autofahrer still und leise geschröpft. (Bundesrätin Schicker: Das ist dein Arbeitsplatz, Herr Kollege!) Gerade deswegen weiß ich es ja. Ich lebe ja nicht von der Versicherungssteuer, sondern ich mache unentgeltlich für den Finanzminister und für diese Regierung diese Tätigkeit, nämlich die Versicherungssteuer zwei einzukassieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Drittes Beispiel: Mir hat in Ihrer Beantwortung, Herr Minister, folgendes gefehlt: Sie haben viele Vorstellungen Ihrerseits gebracht, und es ist durchaus legitim, daß man dazu einen unterschiedlichen Standpunkt einnimmt. Es ist im Autobahnbereich vieles in der Vergangenheit im argen gelegen. Sie wissen ja, daß betreffend die Pyhrn Autobahn der steirische Landtag einstimmig sogar beschlossen hat, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Die Medien haben damals davon berichtet, daß aufgrund der mangelhaften Bauaufsicht – und die Bauaufsicht liegt in Ihrem Ressort – etwa 1 Milliarde Schilling an Steuergeldern verlorengegangen ist.

Herr Minister! Das wären die Punkte gewesen, aufgrund derer man erstens einmal Mehreinnahmen hätte und zweitens vorweg Informationen geben muß, bevor man an eine neue Schröpfaktion denkt und den Autofahrer wieder zur Kasse bittet. Solange diese Dinge nicht transparent sind, wird sich das Verständnis der Bevölkerung in Grenzen halten beziehungsweise wird es für die Autobahnvignette oder die weitere Bemautung überhaupt kaum Verständnis geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Bundesräte DDr. Königshofer und Kollegen betreffend Verhinderung der Doppelmaut infolge der Einführung des Mautpickerls.

Hiezu liegt ein Verlangen gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates, das von fünf Bundesräten unterzeichnet ist, auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung über diesen Entschließungsantrag vor.

Es ist daher eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

Die Stimmabgabe erfolgt mündlich mit "Ja" oder "Nein".

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Markowitsch und Giesinger geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mit "Ja" oder "Nein" bekannt.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Auf den Entschließungsantrag der Bundesräte DDr. Königshofer und Kollegen entfielen 12 "Ja"-Stimmen und 32 "Nein"-Stimmen.

Der Entschließungsantrag ist somit abgelehnt.

*****

 


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611. Sitzung / Seite 86

Mit "Ja" stimmten die Bundesräte:

Dr. Bösch;

Eisl;

Dr. Harring, Haubner;

Dr. Kapral, DDr. Königshofer;

Mag. Langer;

Dr. Prasch;

Dr. Rockenschaub;

Dr. Tremmel;

Waldhäusl, Weilharter.

Mit "Nein" stimmten die Bundesräte:

Bieringer;

Freiberger;

Gerstl, Giesinger;

Hager, Haselbach, Mag. Himmer, Dr. Hummer, Hüttmayr;

Dr. Kaufmann, Konečny;

Dr. Ludwig, Lukasser;

Markowitsch, Dr. h. c. Mautner Markhof;

Ing. Penz, Perl, Pfeffer, Pischl, Platzer, Ing. Polleruhs, Prähauser;

Rauchenberger, Mag. Repar, Rieser, Rodek, Rösler;

Dr. Drs h. c. Schambeck, Schaufler, Schicker;

Mag. Tusek;

Winter.

*****

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Rockenschaub und Kollegen betreffend Verhinderung der Maut auf Stadtautobahnen.

Hiezu liegt ebenfalls ein Verlangen gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates, das von fünf Bundesräten unterzeichnet ist, auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung über diesen Entschließungsantrag vor.

Es ist daher eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

Die Stimmabgabe erfolgt mündlich mit "Ja" oder "Nein".

 


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611. Sitzung / Seite 87

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Markowitsch und Giesinger geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mit "Ja" oder "Nein" bekannt.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Demnach entfallen auf den Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Rockenschaub und Kollegen 12 "Ja"-Stimmen und 32 "Nein"-Stimmen.

Der Entschließungsantrag ist somit abgelehnt.

*****

Mit "Ja" stimmten die Bundesräte:

Dr. Bösch;

Eisl;

Dr. Harring, Haubner;

Dr. Kapral, DDr. Königshofer;

Mag. Langer;

Dr. Prasch;

Dr. Rockenschaub;

Dr. Tremmel;

Waldhäusl, Weilharter.

Mit "Nein" stimmten die Bundesräte:

Bieringer;

Freiberger;

Gerstl, Giesinger;

Hager, Haselbach, Mag. Himmer, Dr. Hummer, Hüttmayr;

Dr. Kaufmann, Konečny;

Dr. Ludwig, Lukasser;

Markowitsch, Dr. h. c. Mautner Markhof;

Ing. Penz, Perl, Pfeffer, Pischl, Platzer, Ing. Polleruhs, Prähauser;

Rauchenberger, Mag. Repar, Rieser, Rodek, Rösler;

Dr. Drs h. c. Schambeck, Schaufler, Schicker;

Mag. Tusek;

Winter.

*****


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611. Sitzung / Seite 88

Fortsetzung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf.

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1996 betreffend ein Internationales Kakaoübereinkommen 1993 samt Anhängen (6 und 66/NR sowie 5145 und 5149/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zur Verhandlung über den Tagesordnungspunkt 7. Es ist dies ein Internationales Kakaoübereinkommen samt Anhängen.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Engelbert Weilharter übernommen. Ich bitte um den Bericht. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Österreich ist ungleich den anderen Mitgliedstaaten der EU nicht Mitglied des Internationalen Kakaoübereinkommens 1993. Der Beitritt ist aufgrund der verpflichtenden Übernahme des "acquis" für Österreich verpflichtend.

Das Internationale Kakaoübereinkommen 1993 soll, als Ergänzung zu jenem aus 1986, mittels administrativer Maßnahmen – insbesondere zur Erleichterung von Produktionsanpassungen und zur Verbrauchsförderung – eine Stabilisierung des Weltkakaomarktes bewirken, um eine ausreichende Versorgung zu angemessenen Preisen sicherzustellen. Kernpunkt des Übereinkommens ist ein Produktionssteuerungsplan, der ein dauerhaftes Gleichgewicht zwischen Welterzeugung und Weltverbrauch herstellen soll.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Daher erschien dem Nationalrat bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG werden die in französischer, spanischer, russischer, arabischer und chinesischer Sprache gehaltenen Texte dieses Übereinkommens dadurch kundgemacht, daß diese beim Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten zur öffentlichen Einsichtnahme während der Amtsstunden aufliegen.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Ich danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 13. Jänner 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (Chemiewaffenkonvention-Durchführungsgesetz – CWKG) (36 und 73/NR sowie 5146 und 5151/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Hoher Bundesrat! Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung: ein Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 13. Jänner 1993 über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (Chemiewaffenkonvention-Durchführungsgesetz.)

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Engelbert Weilharter übernommen. Ich ersuche ihn höflich um den Bericht.

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Wirtschaftsausschusses lautet wie folgt:

Die Chemiewaffenkonvention ist eines der wenigen internationalen Abrüstungsabkommen, das für alle Vertragsstaaten den Einsatz, die Entwicklung, die Herstellung, den Erwerb, die Lagerung und den Rückbehalt von chemischen Massenvernichtungswaffen verbietet und effiziente Kontrollen vorsieht. Verboten ist weiters die Unterstützung bei Aktivitäten, die den Zielen des Vertrages entgegenstehen.

Ein umfangreiches Verifikationsregime, bestehend aus Beschränkungen im Umgang mit den im Anhang zur CWK näher bezeichneten toxischen Chemikalien- und Vorprodukten, einem Meldesystem und einem Kontrollsystem aus Routine- und Verdachtsinspektionen, stellt die Einhaltung der CWK sicher.

Für Österreich, das selbst keine Massenvernichtungsmittel herstellt oder besitzt, ist die Chemiewaffenkonvention neben dem Atomsperrvertrag und dem Verbot bakteriologischer Waffen das sicherheitspolitisch bedeutendste multilaterale Abrüstungsabkommen. Der sicherheitspolitische Gewinn für Österreich ergibt sich aus der weltweiten, vollständigen Vernichtung aller chemischen Waffen und der Kontrolle und des dadurch eingeschränkten Warenverkehrs aller zur Herstellung von chemischen Waffen nötigen Vorprodukte.

Eine wesentliche Bestimmung der Chemiewaffenkonvention sieht vor, daß die Vertragsstaaten alles Erforderliche zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus der Chemiewaffenkonvention zu unternehmen haben. Dieses Bundesgesetz ergeht in Ausführung dieser Verpflichtung und soll die nationale Umsetzung und die Einhaltung der Vetragsbestimmungen der Chemiewaffenkonvention in Österreich sicherstellen.

Das Durchführungsgesetz regelt die Bewilligungs- und Meldepflichten bei erlaubten Tätigkeiten mit Chemikalien dieser Listen, sieht eigene Formulare für die Anträge auf Bewilligung sowie die Meldungen vor und beschreibt die Aufgaben und Zusammensetzung der Nationalen Behörde, die zur Implementierung der Chemiewaffenkonvention zu gründen ist, und setzt einen Beirat nach dem Vorbild des Außenhandelsgesetzes 1995 ein.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Michaela Rösler. Ich erteile es ihr.

 


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19.36

Bundesrätin Michaela Rösler (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Zuletzt haben Chemiewaffen im Krieg Irak/Kuwait Schlagzeilen gemacht. Einige Zeit nach dem Truppeneinsatz in Kuwait wurden bei amerikanischen Soldaten Krankheitssymptome festgestellt, die anfangs nicht genau zuzuordnen waren. Es konnte jedoch bald festgestellt werden, daß diese Krankheitsbilder auf chemische Waffen beziehungsweise auf Kontakte mit chemischen Kampfstoffen zurückzuführen waren. Denken wir zum Beispiel auch an den Einsatz chemischer Kampfstoffe im Vietnamkrieg oder, noch früher, im Ersten beziehungsweise im Zweiten Weltkrieg.

Meine Damen und Herren! All diese Erfahrungen zeigen uns, daß es höchst notwendig ist, daß endlich alle Staaten diese Chemiewaffenkonvention unterzeichnen. Mit dem gegenständlichen Durchführungsgesetz werden Einsatz, Entwicklung, Herstellung, Erwerb, Lagerung und Rückbehalt von chemischen Massenvernichtungswaffen verboten sowie effiziente Kontrollmöglichkeiten vorgesehen.

Neben den Großmächten USA, Großbritannien, Rußland und China besitzen beziehungsweise entwickeln nach Auskunft der USA-Abrüstungsbehörde rund 25 Staaten – wie zum Beispiel der Iran, der Irak, Israel, Syrien, Libyen, Ägypten, Nordkorea, Pakistan und Indien beziehungsweise auch noch weitere Staaten – chemische Waffen. Mit dieser Gesetzesvorlage geht es nicht nur um das Verbot der Herstellung neuer Chemiewaffen, sondern auch – das ist ein ganz wesentlicher Bestandteil – um die kontrollierte Vernichtung vorhandener chemischer Kampfstoffe, aber auch chemischer Waffen, die auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates zurückgelassen wurden.

Meine Damen und Herren! Für unser Heimatland, das selbst keine Chemiewaffen herstellt oder besitzt, ist diese Konvention neben dem Atomsperrvertrag das wohl bedeutendste multilaterale Abrüstungsabkommen. Der sicherheitspolitische Gewinn für Österreich ergibt sich aus der weltweiten, vollständigen Vernichtung aller chemischen Waffen. Darüber hinaus ist ein effektives Kontrollsystem für den Warenverkehr mit Vorprodukten, die für die Herstellung von Chemiewaffen notwendig sind, vorgesehen. Dies sind vor allem Stoffe wie zum Beispiel Phosphor, Schwefel und Fluor. Im Jänner 1993 wurde ein entsprechendes internationales Abkommen von 130 Staaten unterzeichnet, das dazugehörende Durchführungsgesetz steht in Diskussion.

Die vom Gesetz erfaßten Chemikalien und Vorprodukte beziehungsweise die Beschränkungen über deren Erzeugung und Handel stehen im Einklang mit dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. 3. 1957 und sind daher EU-konform. Es bleibt jedoch allen Mitgliedstaaten, also auch Österreich, überlassen, zur Erfüllung des internationalen Abkommens beziehungsweise der internationalen Verpflichtung weitere Kontrollmaßnahmen einzuführen.

Meine Damen und Herren! Die Chemiewaffenkonvention soll 180 Tage nach der Hinterlegung der 65. Ratifikationsurkunde bei den Vereinten Nationen in Kraft treten. Ich persönlich hoffe daher im Interesse der Sicherheit aller Menschen, daß dieser Zeitpunkt, nämlich die Hinterlegung der 65. Ratifikationsurkunde, ehebaldigst erreicht sein wird und sodann die effiziente, kontrollierte und endgültige Vernichtung aller Chemiewaffen auf unserem Planeten umgesetzt wird.

Meine Fraktion wird daher der gegenständlichen Gesetzesvorlage gerne die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.40

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Mag. Gerhard Tusek. Ich erteile es ihm.

19.40

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder Präsenzdiener lernt bereits in der Grundausbildung, daß besondere Gefahr bei einem sogenannten ABC-Alarm gegeben ist – ABC-Bedrohung heißt: Gefahr durch atomare, biologische

 

 


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oder chemische Kampfstoffe –, und der Soldat weiß sich entsprechend zu schützen: Schutzmaske und möglichst geschlossene Bekleidung des Körpers.

Es sind von derartigen Kampfstoffen aber nicht nur Soldaten bedroht, sondern wir alle. Daher stellt der Einsatz derartiger Waffen ein sehr hohes Sicherheitsrisiko dar. Umso erfreulicher ist es, daß Österreich, das – wie Kollegin Rösler bereits ausgeführt hat – selbst keine Massenvernichtungsmittel herstellt oder besitzt, dieser Chemiewaffenkonvention beigetreten ist. Sicherheitspolitisch ist es ein entscheidender Schritt, daß das "C", die chemischen Waffen, jetzt endgültig in einem internationalen Vertrag geregelt wird. Nach dem Atomsperrvertrag und dem Verbot bakteriologischer Waffen unterzeichnete – wie wir von der Berichterstattung bereits hörten – Österreich am 13. Jänner 1993 die Chemiewaffenkonvention und ratifizierte diese als 34. Staat im Jahre 1995.

Heute geht es um das Durchführungsgesetz zu dieser Konvention. Es geht für uns um einen großen sicherheitspolitischen Gewinn, denn durch das Abkommen verpflichten sich die Staaten, die chemischen Waffen zu vernichten und keine chemischen Waffen mehr zu lagern oder rückzubehalten. Es ist aber notwendig, daß ein derartiges Übereinkommen, eine derartige Konvention entsprechend kontrolliert und überwacht wird. Diese Kontrollen halte ich für entscheidend, da es notwendigerweise eine Menge von Randbereichen gibt, in denen die Verwendung von Chemikalien, die auch zur Erzeugung von Kampfstoffen geeignet sind, unerläßlich sein kann.

Ich denke dabei in erster Linie an Tätigkeiten für industrielle, forschungsbezogene, medizinische, pharmazeutische oder sonstige friedliche Anwendungsbereiche. Für diese Bereiche ist der Einsatz auch von gefährlichen Chemikalien nach wie vor gegeben – ich halte das für wichtig. Allerdings sind Mißbräuche im Entstehen bereits zu unterbinden.

In Österreich wird die Kompetenz zur Überwachung der Chemiewaffenkonvention für die wesentlichen Bereiche dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten übertragen. Bei diesem ist die Bewilligungs- und Meldepflicht für erlaubte Tätigkeit mit Chemikalien, die im Anhang zu dieser Konvention in drei Listen angeführt sind, angesiedelt, wobei die Liste 1 höchstgefährliche Chemikalien enthält, die kaum wirtschaftliche Bedeutung haben, und die Liste 3 solche, die als Vorstufen für notwendige, wichtige chemische Prozesse dienen, in erster Linie technisch-industrielle Bedeutung haben und kaum zur Waffenherstellung verwendet werden.

Es wird darauf ankommen, die Meldepflicht und die Genehmigungen rigoros zu handhaben, sodaß Österreich nie in den Verdacht kommt, daß bei uns irgendwelche dubiosen Produkte hergestellt werden.

Wenn wir uns an die Bestimmungen dieses Gesetzes halten, woran ich nicht im geringsten zweifle, ist es ein entscheidender sicherheitspolitischer Fortschritt für unser Land. Daher wird auch die Österreichische Volkspartei, der gerade die innere und äußere Sicherheit besonders am Herzen liegt, diesem Gesetz sehr gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.45

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile es ihm.

19.45

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Chemiewaffenkonvention ist – wie es im Bericht des Wirtschaftsausschusses des Nationalrates heißt und wie meine beiden Vorredner auch schon gesagt haben – eines der wenigen internationalen Abrüstungsabkommen, das den Einsatz, die Entwicklung, die Herstellung, den Erwerb, die Lagerung und den Rückbehalt von chemischen Massenvernichtungswaffen verbietet und effiziente Kontrollen vorsieht.

 

 


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Für Österreich, das selbst keine Massenvernichtungsmittel dieser Art herstellt oder besitzt, ist die Chemiewaffenkonvention neben dem Atomsperrvertrag und dem Verbot bakteriologischer Waffen das sicherheitspolitisch bedeutendste multilaterale Abrüstungsabkommen überhaupt.

Gleichzeitig wird aber auch deutlich, meine Damen und Herren, daß derartige Abkommen mit einem effizienten Kontroll- und Sanktionsmechanismus versehen sein müssen, denn das Problem ist noch nicht beseitigt, wenn sich die demokratischen westlichen Staaten der Welt über die Ächtung dieser Art von Waffen einig sind. Vielmehr muß es darum gehen, Staaten der Dritten Welt, Staaten, in denen es keine Demokratie gibt, unter solche Abkommen zu zwingen. Die kriegerischen Auseinandersetzungen unserer Zeit belegen nämlich, daß Machthaber immer wieder versucht sind – Frau Kollegin Rösler hat das angeschnitten –, alle Mittel einzusetzen. So war auch der Golfkrieg über weite Strecken – wie die Spätfolgen bei Soldaten belegt haben – ein chemischer, wenn nicht sogar bakteriologischer Krieg.

Diese Chemiewaffenkonvention wird durch dieses Durchführungsgesetz mit einem umfassenden Kontrollsystem verbunden, weshalb ihr auch weltweite Bedeutung zukommt. Wir Freiheitlichen unterstützen diese Art von Politik und werden keinen Einspruch erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.47

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht gegeben.

Hoher Bundesrat! Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (Washingtoner Artenschutzübereinkommen-Durchführungsgesetz; WA-Durchführungsgesetz) (37 und 74/NR sowie 5147 und 5152/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung: ein Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (Washingtoner Artenschutzübereinkommen-Durchführungsgesetz).

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Engelbert Weilharter übernommen. Ich ersuche ihn höflich um den Bericht.

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union müssen die Rechtsvorschriften im Bereich des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen dem Regime der Europäischen Union angepaßt werden.

Ziel ist die Erstellung eines neuen Durchführungsgesetzes in Ergänzung der unmittelbar geltenden Rechtsvorschriften der Europäischen Union.


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611. Sitzung / Seite 93

Durch den vorliegenden Gesetzesbeschluß werden Mehrkosten in der Höhe von ungefähr 1 320 000 S entstehen, die einerseits durch neue in EU-Normen vorgesehenen Aufgaben für die Verwaltungsbehörden und andererseits dadurch bedingt sind, daß Österreich nunmehr teilweise die Außengrenze der Europäischen Union ist.

Die Zuständigkeit der nach landesrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommenden Behörde wird entsprechend der bisherigen Kompetenzaufteilung geregelt. § 19 Abs. 2 umschreibt diese Behörde als "die nach den landesrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommende Behörde", wobei dieser Gesetzesstelle kein konstitutiver, sondern nur ein deklaratorischer Charakter zukommt.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Gertrude Perl. Ich erteile es ihr.

19.50

Bundesrätin Gertrude Perl (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Bei der Vorbereitung meines Debattenbeitrages habe ich die Studie des Bundesministeriums für Umwelt zum Vollzug des Washingtoner Artenschutzübereinkommens in Österreich aufmerksam gelesen, und sie hat mir so richtig bewußt gemacht, welcher Raubbau an der Natur durch den internationalen Handel mit bedrohten Tier- und Pflanzenarten betrieben wird.

Es wird in dieser Studie vom jährlichen Export von 5 Millionen Kaimanhäuten berichtet, von zirka 1 Million exportierter Schlangen aus Thailand und über 3 600 Tonnen Froschschenkeln. Ich weiß nicht, ob Sie das wissen – ich habe es nicht gewußt –: Für eine Tonne Froschschenkeln sterben 20 000 bis 25 000 Tiere.

Der Handel mit Schmetterlingen wurde auf 100 Millionen Dollar geschätzt. Zirka 100 000 lebende Papageien wurden nach Europa und weitere 200 000 in die USA importiert; davon sind mehr als 80 Prozent Wildfänge. Nach Österreich gehen jährlich zirka 1 000 Stück Graupapageien als beliebteste Papageienart.

Bei der griechischen Landschildkröte verhält es sich so, daß bis zu 95 Prozent der importierten Tiere das erste Jahr in Gefangenschaft nicht überleben. Diese Tierart stirbt langsam und vor allem sehr geräuschlos, und der Tod wird nicht mit dem Import in Zusammenhang gebracht, sondern als Krankheit gewertet – und es wird frisch darauf los weiter importiert. Der Handel weiß um diesen Umstand und bestellt entsprechend hohe Stückzahlen.

Für die medizinische Forschung werden zwischen 50 000 und 200 000 Primaten in alle Länder verkauft. Hier bei uns in Österreich erlangten ja die Schimpansen für die Firma Immuno traurige Berühmtheit.

Auch der Handel mit Pflanzen entwickelte sich – weil dies einfacher ist, als sie zu züchten – nach diesem Bericht ebenso enorm. Das Handelsvolumen hinsichtlich Pflanzen wird auf zirka 50 Milliarden Schilling jährlich geschätzt. Genauso ist es auch beim Handel mit tropischen Hölzern – auch ein hinlänglich bekanntes Thema.

Diese wenigen Zahlen zeigen, daß ein blühender Handel vorherrscht, der einen Raubbau an der Natur bedeutet. Viele der Pflanzen erreichen das Zielland oft infolge der schlechten und ungeeigneten Transportweise nicht beziehungsweise verenden kurze Zeit später. – Dies als Vorgeschichte.

Am 3. März 1973 wurde in Washington das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen unterzeichnet – es ist übrigens das strengste Abkommen unter den internationalen Naturschutzabkommen – und trat am 1. 7. 1975

 


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611. Sitzung / Seite 94

in Kraft. Dem Übereinkommen selbst gehören 130 Vertragsstaaten an. Sein Zweck ist es, Populationen bedrohter Tiere und Pflanzen vor dem Druck des internationalen Handels, so dieser auf ihnen lastet, zu schützen und bei Populationen gefährdeter Arten dafür zu sorgen, daß dieser Druck nicht so groß wird, daß sie zu bedrohten Arten werden können.

Für Österreich trat das Washingtoner Artenschutzübereinkommen am 27. April 1982 in Kraft, gleichzeitig damit auch das Bundesdurchführungsgesetz zu diesem Übereinkommen. Geschehen, sehr geehrte Damen und Herren, ist jedoch, wie aus den diversen Berichten hervorgeht, leider nicht sehr viel. Viele der erwähnten Transporte fanden einen Umschlagplatz in Österreich und finden ihn leider noch immer.

Bisher waren im Hinblick auf die organisierte Artenschutzkriminalität, die leider auch über Österreich läuft, die Sanktionen, die verhängt worden sind, völlig inadäquat. Höchststrafen wurden nie verhängt, lediglich Strafen zwischen 500 und 5 000 S. Es ist daher hoch an der Zeit, daß wir heute das Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen beschließen, welches das geltende Bundesgesetz vom 1. Juli 1981 zur Durchführung des Übereinkommens vom 3. März 1973 ersetzen soll und wichtige Änderungen, die auch durch den Beitritt Österreichs zur EU erforderlich sind, bringt.

Sehr wesentlich ist dabei auch, daß Österreich eine Kontrollmöglichkeit bei der Durchfuhr von gefährdeten Exemplaren von Tieren und Pflanzen eingeräumt wird.

Angesichts des Umstandes, daß der illegale Handel – ich habe Ihnen einige Mengen genannt; ich könnte das noch fortsetzen; das Buch, das ich darüber studiert habe, ist sehr dick – mit von der Ausrottung bedrohten Arten nach wie vor den entscheidenden Faktor für den Rückgang der Population der betroffenen Tier- und Pflanzenarten bildet, wird im Gesetz als deutliches Signal für die wachsende gesellschaftspolitische Bedeutung des Artenschutzes eine gerichtliche Strafbestimmung für die wichtigsten Fälle des illegalen Handels mit artgeschützten Tieren und Pflanzen vorgesehen.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat darüber hinaus die Ermächtigung, im Rahmen seiner Zuständigkeit durch Verordnung strengere Maßnahmen hinsichtlich der unter Schutz fallenden Arten festzulegen.

Zusammengefaßt kann daher gesagt werden: Im vorliegenden Durchführungsgesetz werden Verschärfungen im Vollzug eingezogen. Es werden alle wichtigen Bereiche, wie Ein-, Aus- und Wiedereinfuhrbestimmungen, geregelt, somit Kontrollbefugnisse hinsichtlich der Durchfuhr durch Österreich eingezogen, und es sind Strafbestimmungen bei Zuwiderhandeln bis hin zum Verfall der lebenden Tiere und Pflanzen eingezogen.

Ich begrüße daher den vorliegenden Gesetzesbeschluß als wichtigen Beitrag gegen Minimierung, gegen Ausrottung von ganzen Tierarten und Pflanzengruppen durch gewissenlose Händler und zur Vermeidung auch von Tierleid, welches den Exoten angetan wird. Viele Tiere treten die Reise in andere Länder bereits als Todgeweihte an, und dadurch blüht der Handel leider nur noch mehr.

Ich hoffe, daß die Vollziehung des Gesetzes optimal ist, denn ohne Kontrollen und entsprechende Strafen bei Zuwiderhandeln wird das Geschäft mit Tieren und Pflanzen weitergehen und auch weiterblühen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Wir haben nur diese eine Welt mit ihrer Vielfalt und Schönheit. Gehen wir sorgsam mit ihr um. Jedes Lebewesen hat seine Bedeutung im Kreislauf der Natur und verdient daher unseren Schutz, umso mehr durch gewissenlose Händler die vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten.

Meine Fraktion wird daher dem gegenständlichen Bundesgesetz die Zustimmung erteilen. – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

19.57

 


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611. Sitzung / Seite 95

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck:
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Waldhäusl. Ich erteile es ihm.

19.57

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Freiheitlichen stimmen heute dieser Regierungsvorlage über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen, dem sogenannten Washingtoner Übereinkommen, zu. Es ist das ein Gesetz, das längst überfällig ist, und es war die EU, die uns durch ein EU-Anpassungsgesetz dazu gebracht hat, Gott sei Dank, da endlich aktiv zu werden.

Es gibt einige Kritik von betroffenen Länder. Ich erwähne hier zum Beispiel Südafrika. Dieses Land äußert Bedenken, weil es seine Nationalparks nicht mehr in der Art und Weise, wie es sie momentan führt, nicht erhalten kann, da angeblich Geld vom Verkauf von Elfenbein fehlt.

Ich bin der Meinung – ich hoffe, daß Sie diese Meinung mit mir teilen –, daß das trotzdem der richtige Weg ist und wir diese eingeschlagene Richtung fortsetzen sollten.

Die Kosten, die für Österreich durch dieses Gesetz entstehen, belaufen sich in etwa auf 1 300 000 S. Diese Summe ist sicher sinnvoll angelegt.

Meine Damen und Herren! Wenn man von gefährdeten Tieren und Pflanzen spricht, sollte man nicht nur an außerhalb Europa denken, sondern auch daran, daß auch in Staaten Europas – ich verweise nur auf Italien – bedenkliche Vorgänge stattfinden. Zum Beispiel der in Italien Millionenfache Mord an Zugvögeln durch die kilometerweit aufgespannten Netze ist schlichtweg ein Skandal. Ich glaube, daß wir das nicht hinnehmen sollten und das immer wieder erwähnen müssen.

Nicht zu übersehen ist jedoch auch, daß bei uns in Österreich und in Europa ein Artensterben eingesetzt hat. Meine Damen und Herren! Wir werden unseren Nachkommen, unseren Kindern irgendwann erklären müssen – wir sollten dies auch tun –, warum all dies geschehen ist beziehungsweise warum unsere Kinder nicht mehr in der glücklichen Lage sein werden, auf einer normalen Blumenwiese einen Strauß Blumen zu pflücken, sondern ihn in einem Vorgarten pflücken müssen oder in einer Gärtnerei kaufen müssen – da leider Gottes diese Arten von normalen Blumen ausgestorben sein werden.

Im Zeitraum von hundert Jahren sind in Österreichs Gewässern über 50 Fischarten ausgestorben. Auch dieses Problem, meine Damen und Herren, sollte immer wieder betont werden, und ich glaube, daß wir mit dieser Abmachung, mit dem Washingtoner Übereinkommen, sicherlich in die richtige Richtung gehen.

Auf die Problematik der Genprodukte, zum Beispiel Raps, wurde in letzter Zeit immer wieder hingewiesen und diese auch diskutiert. Ich glaube, daß auch hier die problematischen Auswirkungen immer wieder erwähnt werden sollten, die auf die Umwelt und dadurch auf unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder Auswirkungen haben.

Es ist auch wichtig, meine Damen und Herren, daß wir uns – wenn wir unseren Kindern und Enkelkindern einmal gegenübertreten – nicht vor der Verantwortung drücken. Ich meine damit, daß es nicht ausreichen wird, wenn wir unseren Kindern erzählen: Wir haben Arbeitsplätze geschaffen, wir haben Kraftwerke gebaut, die Landwirtschaft hat die Produktion gesteigert, und wir haben Straßen gebaut. Dies alles ist sinnvoll und für einen Wirtschaftsstandort wie Österreich notwendig. Nur trotzdem können wir uns vor dieser Verantwortung nicht drücken, daß wir unseren Kindern erklären, warum die Umwelt darunter so gelitten und Teile der Umwelt dadurch sogar vernichtet wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im letzten Punkt meiner Ausführungen möchte ich auf ein Problem eingehen, das speziell in Österreich in letzter Zeit immer wieder stärker auftritt. Wenn man von der Behandlung von Tieren, von artengeschützten Tieren, spricht, sollte man nicht vergessen: In Österreich werden

 


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611. Sitzung / Seite 96

Nutztiere oft – das muß man jetzt wirklich ehrlich sagen – unter wirklich qualvollen Bedingungen transportiert. Meine Damen und Herren! Ich werde das jetzt genau erklären:

Da jährlich Schlachthöfe zugesperrt werden müssen, weil es die Regierung geschafft hat, daß nicht nur die Bauern die Höfe verlassen müssen, sondern daß auch ein Fleischer nach dem anderen zugrunde geht, müssen kilometerweit Nutztiere transportiert werden. Ich glaube nicht, daß wir länger zusehen können, daß dieser Nutztiertransport ständig steigt, und die Nutztiere – nicht immer, aber doch teilweise – unter qualvollen Bedingungen transportiert werden. Diesbezüglich brauchen wir nicht nach Übersee zu schauen und über dort artengeschützte Tiere sprechen. Sprechen wir von dem, was in Österreich passiert, und schauen wir, daß wir hier die Bedingungen ändern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.04

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz zur Durchführung eines Informationsverfahrens auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und Normen (Notifikationsgesetz – NotifG) (38 und 75/NR sowie 5153/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Hoher Bundesrat! Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung: Notifikationsgesetz.

Die Berichterstattung hat ebenfalls Herr Bundesrat Engelbert Weilharter übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesgesetz zur Durchführung eines Informationsverfahrens auf dem Gebiet technischer Vorschriften im EWR muß im Hinblick auf den Beitritt Österreichs zur EU und im Hinblick auf eine Novellierung der umgesetzten Richtlinie 83/189/EWG angepaßt werden. Technische Handelshemmnisse stellen nach dem Abbau der Zölle, zollgleicher Abgaben und mengenmäßige Beschränkungen eines der Haupthindernisse für den freien Warenverkehr bei der Verwirklichung des Binnenmarktes und für den freien Warenhandel zwischen den EU-Mitgliedsstaaten untereinander dar.

Die wichtigsten Anpassungen betreffen folgende Bereiche:

1. Technische Vorschriften und Normen sind im Wege des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten nur mehr der Europäischen Kommission zu übermitteln, der EFTA- beziehungsweise EWR-Bezug ist daher zu streichen.

2. Durch die Übernahme der Begriffsbestimmungen der umzusetzenden Richtlinie soll eine möglichst EU-konforme Anwendung gewährleistet werden.

 


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611. Sitzung / Seite 97

3. Stillhaltefristen, die vor Erlassung von technischen Vorschriften zu berücksichtigen sind, werden der geänderten Richtlinie 83/189/EWG angepaßt.

Der gegenständliche Gesetzesbeschluß kann sich nur an die an der Normsetzung mitwirkende Verwaltungsbehörde des Bundes richten. Eine Bindung des Gesetzgebers an die Erfordernisse dieses Informationsaustauschverfahrens hat aus verfassungsrechtlichen und systematischen Gründen in einer anderen Form zu geschehen.

Aufgrund der verfassungsrechtlichen Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern wird der Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes auf jene Bereiche beschränkt, die in der Vollziehung Bundessache sind.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970 und das Patentverträge-Einführungsgesetz geändert werden (43 und 76/NR sowie 5154/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970 und das Patentverträge-Einführungsgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung hat ebenfalls der Herr Bundesrat Engelbert Weilharter übernommen. Ich ersuche ihn höflich um den Bericht.

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 1. Jänner 1995 ist das Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO-Abkommen) auch für Österreich in Kraft getreten. Gemäß Art. II Z 2 des WTO-Abkommens sind unter anderem die in den Anhängen 1, 2 und 3 enthaltenen "Multilateralen Handelsabkommen" Bestandteil des WTO-Abkommens.

Anhang 1C enthält das Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums. (TRIPS-Abkommen).

Das österreichische Patentrecht erfüllt die meisten Vorgaben des TRIPS-Abkommens, einige Bestimmungen des Patentgesetzes sind jedoch nicht TRIPS-abkommenskonform, zum Beispiel Wirkung und Laufzeit des Patentes und Zwangslizenzen.

Der vorliegende Gesetzesbeschluß dient vor allem der Umsetzung des TRIPS-Abkommens. Überdies werden einige Bestimmungen des Patentgesetzes, die durch das Kartellgesetz und das EU-Wettbewerbsrecht geregelt sind, aufgehoben und die Richtigstellung einer Verweisung vorgenommen.

 


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Die Änderung im Patentverträge-Einführungsgesetz betreffen lediglich Anpassungen an die geänderte Jahresgebührenregelung des Patentgesetzes.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert Platzer. Ich erteile es ihm.

20.09

Bundesrat Herbert Platzer (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit werde ich mich sehr kurz halten.

Erst vor einer Woche durfte ich hier zum Urheberrechtsgesetz sprechen. Es ging um den Schutz des geistigen Eigentums. Auch das Patentgesetz befaßt sich mit dem geistigen Eigentum, mit den Erfindungen und den daraus resultierenden Erzeugnissen. Eine Neuregelung des Patentgesetzes wurde notwendig, weil mit 1. Jänner 1995 das Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation, kurz WTO, auch für Österreich in Kraft getreten ist.

Ein Bestandteil dieses WTO-Abkommens sind die sogenannten "Multilateralen Handelsabkommen". Im Anhang 1C werden die handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums, das sogenannte TRIPS-Abkommen, genannt.

Einige Aspekte dieses Abkommens gehen mit der derzeitigen Regelung nicht konform. Mit diesem neuen Gesetz wird nun die EU-Konformität für dieses Patentgesetz geschaffen. Dem Bund erwachsen keine Kosten daraus.

Dieses Gesetz regelt die Patenthöchstdauer, es hebt nicht TRIPS-konforme Bestimmungen auf, regelt sie neu und regelt Bestimmungen betreffend den Mißbrauch patentrechtlich geschützter Befugnisse. Schließlich erfolgt auch eine Anpassung des Patentverträge-Einführungsgesetzes.

Inhaltlich sind Wirkung und Laufzeit des Patentes sowie die Zwangslizenzen der Kern des neuen Patentgesetzes. Die Wirkung von Patenten erfährt eine Erweiterung. Auch die Einführung und der Besitz des Gegenstandes einer Erfindung werden in das Ausschließungsrecht des Patentinhabers einbezogen, und zwar dann, wenn Einfuhr und Besitz dazu dienen, den patentierten Gegenstand betriebsmäßig zu erzeugen, zu gebrauchen oder in Verkehr zu bringen.

Zwangslizenzen wird es dann geben, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse vorliegt. Es wird also auch die Benutzung einer Erfindung ohne Zustimmung des Patentinhabers – allerdings nur in Ausnahmefällen – möglich sein. Die Schutzfrist für ein Patent beträgt 20 Jahre.

Dieses Patentgesetz, das TRIPS-Abkommen, war mit 1. Jänner 1996 in Kraft zu setzen. Die neuen Bestimmungen sind also nun rückwirkend in Kraft zu setzen, die bisherigen Bestimmungen sind mit 31. Dezember 1995 ungültig.

Ein Wort noch zur Bedeutung des Patentgesetzes: Die öffentliche Hand muß die Rentabilität und das Marketing von Patententwicklungen im Auge behalten und fördern, denn Patente fördern die heimische Wirtschaft, und sind daher wichtig für unser Land.

Nachdem ich annehme, daß sich kein weiterer Redner zu Wort gemeldet hat, glaube ich, daß hier einhellig kein Einspruch gegen dieses Patentgesetz erhoben werden wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.12

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

 


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611. Sitzung / Seite 99

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 20. März 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz 1992 geändert wird (142/A und 84/NR sowie 5155/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zum 12. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesbahngesetz 1992 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Karl Hager übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.

Berichterstatter Karl Hager: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der gegenständliche Gesetzesbeschluß beruht auf einem Initiativantrag der Abgeordneten Rudolf Parnigoni und Genossen und wurde von den Antragstellern wie folgt begründet:

Im Rahmen der Neugestaltung der Österreichischen Bundesbahnen mit dem Bundesbahngesetz 1992, BGBl. Nr. 825/1992, bei der das Unternehmen sachlich und personell ausgegliedert wurde, ist hinsichtlich der Bediensteten im § 21 Abs. 1 festgelegt worden, daß das Unternehmen Österreichische Bundesbahnen die Rechte und Pflichten des Bundes gegenüber den aktiven Bediensteten und den Empfängern von Ruhe- und Versorgungsgenüssen fortsetzt.

Diese Bestimmung trat zum 1. 1. 1993 in Kraft. Aufgrund des Verfassungsgerichtshoferkenntnisses vom 9. 3. 1995 wurde ein Teil der Bestimmung, nämlich die Worte "den aktiven Bediensteten und" aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. 3. 1996 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit. Die vorliegende Lösung geht davon aus, daß die vom Stichtag betroffenen Bediensteten, soweit sie sich nicht durch Option freiwillig des "Vertrauensschutzes" zum Dienstgeber Bund begeben und ihre zu diesem Stichtag dem Bund gegenüber erfaßten Entgeltansprüche einschließlich Berücksichtigung der Vorrückungen, die nach den damaligen Rechtsgrundlagen zu erwarten waren, einer Ausfallshaftung des Bundes unterliegen sollen.

Der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 26. März 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Kapral. Ich erteile es ihm.

20.15

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzesbeschluß des Nationalrates zielt auf eine Sanierung des Bundesbahngesetzes 1992 ab. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 9. März vergangenen Jahres § 21 Abs. 1 aufgehoben.

Die Notwendigkeit einer Sanierung ist durchaus einzusehen, denn ohne einen entsprechenden Gesetzesbeschluß würden per 1. April 60 000 Bedienstete der ÖBB, die ja durch das Bundes


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bahngesetz aus dem Bundesdienst ausgegliedert wurden, wieder in den Bundesdienst zurückkehren.

Richtig ist auch, daß der Verfassungsgerichtshof sagt, daß den Bediensteten der ÖBB die Sicherheit gegeben werden muß, was ihre ursprünglich – nämlich mit dem Stichtag 31. 12. 1992 – bestehenden Forderungen gegen die, wie der Verfassungsgerichtshof sagt, unbegrenzte Vermögensmasse des Bundes anlangt.

Die vorgesehene Regelung, die eben auf diesen Stichtag abzielt, ist unserer Meinung nach aber unzureichend. Überdies ist nicht einzusehen, daß bei einem mehr als einem Jahr alten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nunmehr am 26. März hier eine Lösung getroffen werden muß, weil die Zeit abgelaufen ist und unter Zeitdruck gehandelt werden muß.

Die Sanierung geschieht aufgrund eines Initiativantrages, was an sich natürlich nichts Schlechtes ist, aber anscheinend ohne die notwendige gründliche Beratung dieser Materie. Es stellt sich die Frage, ob es nicht auch in Hinkunft eine wesentliche Beschränkung der Sicherheiten der ehemaligen Bediensteten ist, wenn die Forderungen, die am 31. 12. 1992 bestanden haben, unvalorisiert und ohne Wertsicherung als Haftungsbasis herangezogen werden.

Aus diesem Grund sieht sich meine Fraktion nicht in der Lage, dem Antrag, keinen Einspruch zu erheben, beizutreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.18

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort ist weiters Herr Bundesrat Anton Hüttmayr gemeldet. Ich erteile es ihm.

20.18

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesbahngesetz und diese Änderung ist an und für sich von der Sachlage her eine relativ dünne Materie, da es nur eine Anpassung ist, und der Bund eigentlich – auf den Punkt gebracht – nur die Ausfallshaftung für die vor der Ausgliederung bestehenden Rechte übernimmt. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Da geht es aber um Milliarden!) Aber trotzdem übernimmt er nur die Ausfallshaftung, und es ändert sich in der Richtung eigentlich nichts, was den Bund anlangt, wenn man davon ausgeht – und davon kann man mit Fug und Recht ausgehen –, daß die ÖBB so über die Runden kommt und sicherlich nicht in den Konkurs oder Ausgleich schlittert.

Trotzdem – einige wenige Sätze, die bei dieser Gelegenheit angebracht sind, was die Bundesbahn insgesamt anlangt –: Es ist positiv zu erwähnen, daß für die neu Eintretenden jetzt neue Regelungen gelten, das ASVG gilt zum Beispiel vom Grundsatz her. Kritisch will ich aber anmerken, daß das Pensionsalter der Beschäftigten bei den Bundesbahnen mit 53,5 Jahren noch immer im Vergleich mit anderen Branchen nicht herzeigbar ist. Wir haben im Ausschuß auch darüber diskutiert und erfahren, daß angeblich die Belastungen dies rechtfertigen würden. Ich wage das zu bezweifeln, ob das im generellen zu sehen ist, obwohl ich für manche Bereiche der Bundesbahn dies sicherlich zugestehe.

Insgesamt wünsche ich, daß die Verkehrspolitik – schade, daß der neue Verkehrsminister heute nicht anwesend ist – koordiniert wird, daß es eine vernünftige und umweltbewußte Verkehrsplanung gibt. Ich bekenne mich ganz klar zum öffentlichen Verkehr und glaube, daß alles dazu getan werden muß, um in der Richtung jede Verunsicherung hintanzuhalten. Wäre die Zeit nicht schon so fortgeschritten, hätte ich gerne manche Zeitungsberichte zitiert, die in den letzten Tagen erschienen sind.

Grundsätzlich denke ich, daß bei der ÖBB der Reformwille verstärkt Platz greifen muß und daß man nicht am Besitzstanddenken festhalten darf, sondern daß man wirklich Reformen macht, die die Nebenbahnen – um diese geht es letztendlich – absichern. Ich hätte hier manche Beispiele gerne dem neuen Minister Scholten aufgezeigt, ich werde aber – dessen bin ich sicher – demnächst Gelegenheit haben, dies zu tun, damit er sich vor Ort dann bei Gelegenheit informieren kann.


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Ich möchte mit dem Satz schließen, daß wir von der ÖVP-Fraktion diesen Änderungen zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.22

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort ist weiters gemeldet Herr Bundesrat Ernst Winter. Ich erteile es ihm.

20.22

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Das Bundesbahngesetz 1992 wurde von einem ÖBB-Beamten beeinsprucht. Dies ist und war sein legitimes Recht. Es geht darum, daß die Republik beziehungsweise der Bund weiterhin die Haftung für das Dienstrecht jener ÖBB-Bediensteten übernimmt, die vor dem 1. 1. 1993 den Dienst bei den Österreichischen Bundesbahnen angetreten haben. Ich glaube, daß es ein absurder Gedanke ist, die ÖBB irgendwann einmal in die Insolvenz zu schicken, denn, wie wir alle wissen, die Österreichischen Bundesbahnen befinden sich zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes, und ich meine daher, daß diese Angst als unbegründet gewertet werden kann.

Das ÖBB-Gesetz 1992 war hinsichtlich der Europäischen Union beraten, und es ist EU-konform. Auch die Gewerkschaft der Eisenbahner hat es mitentschieden und trägt auch die Mitverantwortung.

Auch die Eisenbahner haben wesentliche Reformen durchgeführt und sie sind, wie schon angeklungen, die einzige Gruppe innerhalb des Öffentlichen Dienstes, wo schon seit einiger Zeit für Neueintretende das ASVG-Dienstrecht gilt. Die Personalvertretung und die Gewerkschaft der Eisenbahner tragen auch diese Entscheidung mit.

Die ÖBB befinden sich im Aufwind, und die besonderen Leistungen, die Tag und Nacht erbracht werden, erbringen die Bediensteten der ÖBB im Interesse der Republik und auch im Interesse einer vernünftigen Verkehrspolitik. Die ÖBB spielen – so glaube ich – eine sehr wichtige Rolle in der Verkehrspolitik. Ja, ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, die ÖBB ist sowohl hinsichtlich ihrer infrastrukturellen als auch hinsichtlich ihrer Verkehrsträgeraufgaben ein wesentlicher Faktor, ja sogar der Schlüssel zur Lösung der zukünftigen verkehrspolitischen Fragen in Österreich.

Wenn hier in diesem Hause von überflüssigen Eisenbahnern gesprochen wurde, so glaube ich sagen zu können, keiner von ihnen ist überflüssig. Wenn heute junge Menschen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren mit 10 und 20 effektiven Dienstjahren bei den ÖBB kündigen, dann sicher nicht zur Selbstbelustigung, sondern weil der Druck, der heute auf den Bediensteten lastet, wirklich enorm geworden ist. Und ich habe Beispiele dafür.

Wir alle wissen, es wurden in den letzten drei Jahren 7 000 Beamte abgebaut. Man weiß schon, daß, wenn es keine Stellwerke mehr gibt, auch kein Stellwerker beschäftigt werden kann. Es gibt keine Dampfmaschinen und auch keine Heizer mehr. Die heute 60 000 bei den Österreichischen Bundesbahnen aktiv Beschäftigten müssen mit dieser gesunkenen Personalzahl weit mehr Reisende befördern, als dies früher der Fall war, und eine Höchstzahl an Tonnagen befördern. Und für die Leistungen, die derzeit von den Eisenbahnern im Sinne unserer Republik erbracht werden – wie ich schon gesagt habe – sollten auch wir hier im Hohen Haus, meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Anerkennung zollen.

Immer wieder wird gesagt, es müsse ein Umdenken verbunden mit einem Umsteigen geben. Die Voraussetzungen dafür sind geschaffen. Und wir sollten unsere Umwelt, vor allem die Umwelt unserer Kinder, viel mehr mit einbeziehen. Es wird immer wieder die Belastung des Straßenverkehrs in den Vordergrund gestellt, und wir müssen den Nahverkehr mit Sicherheit ausbauen. Denken wir an die Pendlerströme – vieles muß noch verstärkt und modernisiert werden, um einen Umstieg wirklich zu ermöglichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend darf ich Sie noch ersuchen, keinen Kleinkrieg gegen die Eisenbahner zu führen, da ich glaube, daß wir den Beschäftigten der ÖBB

 


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das klare Signal unserer Unterstützung geben sollten. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.27

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht gegeben.

Hoher Bundesrat! Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

13. Punkt

Wahl der Vertreter Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

Vizepräsident Dr. Drs h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung: Wahl der Vertreter Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates.

Österreich hat Anspruch auf die Entsendung von 6 Mitgliedern und 6 Ersatzmitgliedern in die Parlamentarische Versammlung des Europarates. Für die kommende 47. Tagungsperiode entfallen 4 Ersatzmitglieder auf den Bundesrat. 6 Mitglieder und 2 Ersatzmitglieder entfallen auf den Nationalrat. Die Wahl erfolgt für die gesamte, rund einjährige Dauer der Sitzungsperiode.

Hohes Haus! Vor nunmehr fast 40 Jahren, nämlich am 16. April 1956, ist Österreich durch die Hinterlegung der Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarates Vollmitglied des Europarates geworden. Das Statut zur Gründung des Europarates wurde am 5. Mai 1949 in London durch zehn Mitgliedsstaaten unterzeichnet und ist am 3. August 1949 in Kraft getreten.

Ziel des Europarates ist ein engerer Zusammenschluß zwischen den Mitgliedsstaaten, um ihr gemeinsames Erbe zu bewahren und wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu fördern. Vorrangige Themen sind die Grundfreiheiten, die Menschenrechte, die Demokratie, die kulturelle Zusammenarbeit und gesellschaftliche Probleme.

Dem Europarat gehören heute 39 Länder an. Zuletzt wurde Rußland als Mitglied aufgenommen. Der Europarat besteht derzeit aus 281 Mitgliedern und 281 Ersatzmitgliedern. Österreich stellt 6 Mitglieder und 6 Ersatzmitglieder. Der Europarat tagt viermal jährlich und hat beratende Funktion.

Bisher wurden rund 150 Konventionen und Vertragswerke, unter anderem zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, was unser Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger 1867 ergänzt, rezipiert im Artikel 149 des Bundes-Verfassungsgesetzes, die Europäische Sozialcharta mit Mindestnormen für wirtschaftliche und soziale Rechte, die Bioethikkonvention und die Minderheitenschutzkonvention verabschiedet. Die Konventionen treten nach Ratifikation von mindestens zwölf Mitgliedsstaaten in Kraft.

Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat erstmals in seiner 116. Sitzung am 12. Juli 1956 Vertreter in die Parlamentarische Versammlung des Europarates gewählt.

Es waren dies als Mitglied Dr. Karl Lugmayer und als Ersatzmitglieder Dr. Adalbert Duschek und Ing. Leopold Helbich.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
611. Sitzung / Seite 103

Heute liegt mir folgender Wahlvorschlag vor: Als Ersatzmitglieder sind die Bundesräte Professor Dr. Manfred Mautner Markhof, Ing. Johann Penz, Dr. Susanne Riess-Passer und Johanna Schicker in die Parlamentarische Versammlung des Europarates zu wählen.

Wird die Durchführung der Wahl mittels Stimmzettel gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Falls sich dagegen kein Einwand erhebt, werde ich gemäß § 56 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Wahl unter einem und durch Handzeichen vornehmen lassen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem von mir bekanntgegebenen Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise der heutigen Sitzung insgesamt drei Anfragen, 1171/J bis 1173/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 25. April 1996, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind nicht, wie angekündigt, für Mittwoch, den 24. April, sondern bereits für Dienstag, den 23. April 1996, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 20.31 Uhr

 

Berichtigung

In der 610. Sitzung des Bundesrates soll es auf Seite 35 im letzten Absatz ab der letzten Zeile lauten:

"aber hier ist mein Gewissen dagegen, weil ich genau weiß, daß diese außenpolitischen Maßnahme, die die Auflassung der Duty-free-Shops zum Ziele hat, wie alle bisher gesetzten, vergeblich sein wird.

Aber selbst wenn es die Duty-free-Shops nicht mehr gäbe, wird die vorgesehene Tabaksteuererhöhung auf jeden Fall die Existenz des Berufsstandes der Trafikanten gefährden." (Beifall bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

12.28