Stenographisches Protokoll

618. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 14. November 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

618. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 14. November 1996

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 14. November 1996: 9.05 – 22.57 Uhr

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Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird

2. Bundesgesetz betreffend Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG)

3. Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalparkgesellschaft Donau-Auen G.m.b.H

4. Bericht des Bundesministers für Umwelt betreffend Vierter Umweltkontrollbericht (Mai 1993 bis April 1995)

5. Bericht des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit 1996 bis 1998

6. Bericht des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Südtirol

7. Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1995 (Grüner Bericht 1995)

8. Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird

9. Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Organisationsgesetz (UOG) geändert wird

10. Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird

11. Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

12. Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996 (BGBlG)

13. Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

14. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen über die Förderung und den Schutz von Investitionen

15. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

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618. Sitzung / Seite 2

Inhalt

Personalien

Krankmeldungen 8

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 27

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 26

Ausschüsse

Zuweisungen 27

Fragestunde

Gesundheit und Konsumentenschutz 8

Erhard Meier (664/M-BR/96)

Therese Lukasser (658/M-BR/96)

Dr. Helmut Prasch (655/M-BR/96)

Johann Payer (665/M-BR/96)

Aloisia Fischer (659/M-BR/96)

Gertrude Perl (666/M-BR/96)

Peter Rieser (660/M-BR/96)

Dr. Reinhard Eugen Bösch (656/M-BR/96)

Johanna Schicker (667/M-BR/96)

Ing. Walter Grasberger (661/M-BR/96)

Gottfried Jaud (662/M-BR/96)

Gottfried Waldhäusl (657/M-BR/96)

Ernst Winter (669/M-BR/96)

Ilse Giesinger (663/M-BR/96)

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Mag. Dieter Langer, Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bedrohung der Sicherheit der Wiener und der Bevölkerung anderer österreichischer Städte (1234/J-BR/96)

Begründung: Dr. Peter Kapral 100

Beantwortung: Bundesminister Dr. Caspar Einem 102


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618. Sitzung / Seite 3

Redner:

Mag. Dieter Langer 109

Mag. Harald Himmer 113

Josef Rauchenberger 114

Dr. Paul Tremmel 117

Bundesminister Dr. Caspar Einem 119

Dr. Michael Rockenschaub 119

Verhandlungen

(1) Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird (310 und 388/NR sowie 5283 und 5285/BR d. B.)

Berichterstatterin: Helga Moser 28

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Johann Payer 29

Peter Rodek 30

Dr. Paul Tremmel 32 und 36

Bundesministerin Dr. Christa Krammer 34

Erhard Meier 35

einstimmige Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben 37

(2) Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 über ein Bundesgesetz betreffend Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG) (313 und 389/NR sowie 5286/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Payer 37

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Paul Tremmel 38

Gertrude Perl 39

Karl Wöllert 41

Bundesministerin Dr. Christa Krammer 42

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 42

(3) Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalparkgesellschaft Donau-Auen G.m.b.H (342 und 353/NR sowie 5287/BR d. B.)

Berichterstatterin: Irene Crepaz 43

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Gottfried Waldhäusl 43

Dr. Kurt Kaufmann 44

Josef Rauchenberger 47

Mag. Dieter Langer 50

Engelbert Schaufler 51


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618. Sitzung / Seite 4

Ernst Winter 53

Dr. Helmut Prasch 55

Mag. Karl Wilfing 56

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 58

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP, der SPÖ und der Freiheitlichen, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der Freiheitlichen 60

(4) Bericht des Bundesministers für Umwelt betreffend Vierter Umweltkontrollbericht (Mai 1993 bis April 1995) (III-146/BR sowie 5288/BR d. B.)

Berichterstatterin: Gertrude Perl 60

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Dr. Peter Kapral 60

Mag. Gerhard Tusek 63

Josef Rauchenberger 70

Anton Hüttmayr 72

Ing. Walter Grasberger 75

Dr. Paul Tremmel 78

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 81

Alfred Gerstl 82

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 83

(5) Bericht des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit 1996 bis 1998 (III-151/BR sowie 5295/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Gerhard Tusek 83

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Dr. Peter Kapral 84

Karl Drochter 85

Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof 87

Ing. Johann Penz 89

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 91

(6) Bericht des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Südtirol (III-150/BR sowie 5296/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Karl Wilfing 92

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

DDr. Franz Werner Königshofer 92 und 124

Irene Crepaz 97

Therese Lukasser 120

Gottfried Jaud 122


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Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck 124

Dr. Peter Kapral 125

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 125

(7) Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1995 (Grüner Bericht 1995) (III-152/BR sowie 5289/BR d. B.)

Berichterstatter: Ing. Walter Grasberger 125

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)


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618. Sitzung / Seite 6

Redner:

Andreas Eisl 126 und 157

Stefan Prähauser 128

Hermann Pramendorfer 131

Gottfried Waldhäusl 135

Johann Payer 143

Aloisia Fischer 145

Engelbert Weilharter 148

Ferdinand Gstöttner 149

Grete Pirchegger 151

Ing. Johann Penz 152

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 157

(8) Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird (288/A und 347/NR sowie 5284 und 5290/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer 157

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Dieter Langer 158 und 170

Johann Kraml 160

Anton Hüttmayr 162

Engelbert Weilharter 163

Helga Markowitsch 164

Karl Pischl 165

Dr. Reinhard Eugen Bösch 166

Franz Richau 167

Dr. Helmut Prasch 169

Andreas Eisl 170

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 171

(9) Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Organisationsgesetz (UOG) geändert wird (377/NR sowie 5291/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Dieter Langer 171

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Anna Elisabeth Haselbach 172

Dr. Peter Kapral 173

Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck 174


Bundesrat
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618. Sitzung / Seite 7

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 176

Gemeinsame Beratung über

(10) Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird (21 und 362/NR sowie 5292/BR d. B.)

(11) Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (92 und 363/NR sowie 5293/BR d. B.)

(12) Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996 (BGBlG) (93 und 364/NR sowie 5294/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Pischl 177

[Antrag, zu (10), (11) und (12) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Michael Ludwig 178

Dr. Günther Hummer 179

Dr. Paul Tremmel 181

Jürgen Weiss 182

Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck 183

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (10), (11) und (12) keinen Einspruch zu erheben 184

Gemeinsame Beratung über

(13) Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (212 und 357/NR sowie 5297/BR d. B.)

(14) Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen über die Förderung und den Schutz von Investitionen (309 und 358/NR sowie 5298/BR d. B.)

(15) Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (112 und 359/NR sowie 5299/BR d. B.)

Berichterstatter: Erhard Meier 186

[Antrag, zu (13), (14) und (15) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (13), (14) und (15) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen 187

Eingebracht wurden

Berichte

13534-15123-EU über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG

Anfragen

der Bundesräte Engelbert Schaufler und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Berufsschutz (1232/J-BR/96)

der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Dr. Peter Kapral an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Versand von Aids-verseuchten Harn- und Blutproben (1233/J-BR/96)

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Mag. Dieter Langer, Dr. Susanne Riess- Passer und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bedrohung der Sicherheit der Wiener und der Bevölkerung anderer österreichischer Städte (1234/J-BR/96)

der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger, Gottfried Jaud, Therese Lukasser und Karl Pischl an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Kartenbestellung für Bundestheater im Internet (1235/J-BR/96)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundesminister für Arbeit und Soziales betreffend Pilotversuch zum Ersatz des Krankenscheines durch eine Versichertenkarte (1236/J-BR/96)

der Bundesräte Engelbert Weilharter und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Überwachungsgebühren bei Sportveranstaltungen (1237/J-BR/96)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Anton Hüttmayr und Kollegen (1134/AB-BR/96 zu 1227/J-BR/96)

des Bundesministers für Arbeit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Kapral und Kollegen (1135/AB-BR/96 zu 1228/J-BR/96)


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618. Sitzung / Seite 8

Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Präsident Josef Pfeifer: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 618. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 617. Sitzung des Bundesrates vom 17. Oktober 1996 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Frau Hedda Kainz, Frau Michaela Rösler und Herr Herbert Platzer.

Fragestunde

Präsident Josef Pfeifer: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Bevor wir mit der Fragestunde beginnen, mache ich darauf aufmerksam, daß jede Zusatzfrage im unmittelbaren Zusammenhang mit der Hauptfrage beziehungsweise der gegebenen Antwort stehen muß. Die Zusatzfrage darf nur eine konkrete Frage enthalten und darf nicht in mehrere Unterfragen geteilt sein.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde – sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird – im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls bis auf 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9 Uhr 5 Minuten – mit dem Aufruf.

Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz

Präsident Josef Pfeifer: Wir kommen zur 1. Anfrage, 664/M, an die Frau Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Frau Dr. Christa Krammer.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark), um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Erhard Meier: Sehr geehrte Frau Minister! Meine Frage lautet:

664/M-BR/96

Wie ist Ihre Haltung zur Gentechnik im allgemeinen – insbesondere zu durch gentechnische Verfahren behandelte Pflanzen und deren Verarbeitung zu Lebensmitteln?

Präsident Josef Pfeifer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Was durch gentechnische Verfahren behandelte Pflanzen und deren Verarbeitung zu Lebensmitteln betrifft, ist folgendes zu sagen: Seit einigen Jahren werden, vor allem in den Vereinigten Staaten, Nutzpflanzen in unterschiedlicher Weise gentechnisch verändert. Es werden eine längere Haltbarkeit oder höhere Erträge angestrebt.

In der Europäischen Gemeinschaft ist für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 13 und Artikel 21 der Richtlinie 90220 ein eigenes Verfahren vorgesehen. Wenn in einem EU-Mitgliedstaat ein Antrag auf Inverkehrbringen gestellt und dieser von der zuständigen Behörde befürwortet wird, hat jeder andere Mitgliedstaat das Recht, Einwendungen zu erheben. Über diese Einwendungen wird im sogenannten Artikel 21-Verfahren abgestimmt.

Ein einzelner Staat kann das Inverkehrbringen solcher Produkte auf seinem Gebiet daher letztlich nicht verhindern – außer es können berechtigte Argumente des Gesundheitsschutzes, die


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auch andere EU-Mitgliedstaaten überzeugen, gegen ein derartiges Inverkehrbringen vorgebracht werden.

Österreich hat mit einer Ausnahme – es handelte sich dabei nicht um ein Lebensmittel – immer gegen diese Anträge gestimmt, wobei vor allem die mangelnde Kennzeichnung als gentechnisch verändertes Erzeugnis ausschlaggebend war. Uns war immer schon, von Beginn an, die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel ein großes Anliegen.

Ich bin nach wie vor der Auffassung, daß die gentechnischspezifische Kennzeichnung der einzig richtige und, so versichere ich Ihnen, auch der einzig gangbare Weg ist, denn damit kann der Konsument selbst entscheiden, welches Produkt er kaufen möchte.

Ich habe immer die Bemühungen des Europäischen Parlaments in dieser Hinsicht unterstützt und habe, da ja eine EU-Verordnung betreffend Novel Food noch aussteht, eine entsprechende österreichische Kennzeichnungsverordnung erarbeitet, der, wie ich hoffe, auch die beiden noch ausständigen Unterschriften bald folgen werden, sodaß Österreich die Kennzeichnung der gentechnisch veränderten Lebensmittel in Kraft setzen kann. – Danke schön.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte .

Bundesrat Erhard Meier: Wie ist Ihre Haltung zur Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen in Österreich?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in Österreich ein Gentechnikgesetz – das hat ja auch den Bundesrat passiert –, und nach diesem Gentechnikgesetz sind Freisetzungen von gentechnisch veränderten Pflanzen zu wissenschaftlichen Zwecken selbstverständlich zulässig. Eine Genehmigung für diese Freisetzung zu Forschungszwecken darf allerdings nur erteilt werden, wenn der Betreiber alle nach dem Stand der Wissenschaft und Technik für den Freisetzungsversuch vorgeschriebenen gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt und die Sicherheit für die menschliche Gesundheit und die Umwelt gewährleistet ist. Das wird in einem streng geregelten behördlichen Verfahren unter Einbindung des wissenschaftlichen Ausschusses festgehalten und von der Gentechnikkommission geprüft.

Außerdem ist ganz entschieden festzuhalten, daß es hier keine generelle Haltung pro und keine generelle Haltung kontra gibt, sondern daß jeder Antrag von Fall zu Fall nach bestem Wissen und Gewissen und unter Einbeziehung der letzten wissenschaftlichen Erkenntnisse geprüft und danach entschieden wird. – Danke schön.

Präsident Josef Pfeifer: Wünschen Sie eine zweite Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Erhard Meier: Sie haben die Novel-Food-Verordnung ja schon angeschnitten. Sie wurde ja auch im Europäischen Parlament schon behandelt und ist jetzt in einem Vermittlungsverfahren: Wie ist der neueste Stand bezüglich dieser Novel-Food-Verordnung, soweit wir das in Österreich beurteilen können?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit September 1996 ist ein Vermittlungsverfahren eingeleitet worden, denn es ist Ihnen sicher allen in Erinnerung, daß der erste Vorschlag der Kommission bezüglich des Inhaltes der Novel-Food-Verordnung ja vom Europäischen Parlament abgelehnt worden ist – unter anderem nicht zuletzt auch auf Betreiben von Österreich, wobei Österreich gemeinsam mit Deutschland, Dänemark und Schweden gestimmt hat.

Der Vermittlungsausschuß hat zuletzt am 4. November 1996 getagt und hat sich dabei natürlich mit den Hauptknackpunkten beschäftigt, denn damals ging es ja darum, ob – wie die Kommis


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618. Sitzung / Seite 10

sion es will und gewollt hat, sagen wir einmal so – ein gentechnisch verändertes Lebensmittel gemäß der Novel-Food-Verordnung nur dann zu kennzeichnen ist, wenn es sich um eine signifikante Veränderung dieses Produktes handelt, oder ob es schon zu kennzeichnen ist, wenn es ein gentechnisch verändertes Produkt ist oder ein gentechnisch verändertes Produkt enthält.

Das Europäische Parlament ist nach wie vor dieser Meinung, und wir in Österreich sind sehr froh darüber, daß dieses sogenannte Konzept der Signifikanz abzulehnen ist und daß es eine möglichst umfassende Kennzeichnung geben sollte.

In dem Textvorschlag, den das Europäische Parlament jetzt ausgearbeitet hat, sind Kriterien wie eine wissenschaftlich überprüfbare Zusammensetzung – selbstverständlich muß es überprüfbar sein – oder ein chemischer Unterschied – also irgend etwas, was nachweisbar ist – zu berücksichtigen, und wir unterstützen die Haltung des Europäischen Parlaments. Nach meinem Dafürhalten, nach unserem Dafürhalten dauert aber die Entscheidungsfindung im Europäischen Parlament zu lange, und daher würden wir es begrüßen, wenn Österreich mittlerweile allein eine Verordnung hätte, um damit zu beweisen, daß Österreich zum Schutze der eigenen Konsumenten sehr wohl geneigt ist, einen eigenen Weg zu gehen. Sollte diese Novel-Food-Verordnung dann allerdings doch beschlossen werden, dann ist unsere Verordnung ja natürlich nicht mehr notwendig, wenn der Text der Novel-Food-Verordnung, der Inhalt der Novel-Food-Verordnung so ist, wie wir uns das vorstellen – aber bis dahin müßte es zu einer Kennzeichnung kommen.

Jeden Tag vergeht wertvolle Zeit, meine Damen und Herren des Hohen Bundesrates. Ich bitte Sie, das zu bedenken, und ich bitte Sie, mich dabei zu unterstützen, daß wir kennzeichnen, wenn Sie noch dazu ins Kalkül ziehen, daß nach neuesten Umfragen 97 Prozent der österreichischen Bevölkerung eine Kennzeichnung wollen. Warum geben wir sie den Österreichern nicht? Mir fehlt es da ein bißchen an Verständnis. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 658/M, an die Frau Bundesministerin. – Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol), um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Therese Lukasser: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Für große Aufregung hat in der österreichischen Ärztekammer die in der Gesetzesvorlage zu einer Novelle des Krankenanstaltengesetzes vorgesehene Regelung der Rufbereitschaft gesorgt, die de facto den Status quo festschreibt und für kleine, in ländlichen Regionen befindliche Spitäler eine Qualitätsverbesserung bringt. Darüber hinaus haben die Landesgesundheitsreferenten Garantieerklärungen abgegeben, daß durch die neue Rufbereitschaft die Versorgungsqualität nicht beeinträchtigt wird. Daher meine Frage:

658/M-BR/96

Stellt die in der Regierungsvorlage zu einem Krankenanstaltengesetz vorgesehene Rufbereitschaft nach der Erklärung einer Qualitätsgarantie durch die Landesgesundheits- bzw. Spitalsreferenten noch ein Versorgungsrisiko für die österreichischen Patientinnen und Patienten dar?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesrätin, Sie haben das schon in der Begründung für Ihre Anfrage angesprochen: De facto besteht in Österreich für eine ganze Reihe von Krankenanstalten diese sogenannte Rufbereitschaft – und nicht seit gestern, sondern, wie wir wirklich in vielen Gesprächen und Recherchen feststellen konnten, schon seit einer Anzahl von Jahren –, und diese Rufbereitschaftsregelung in dem jetzt im Ausschuß abgestimmten Bundes-KAG stellt entsprechend der Kompetenzverteilung, wie Sie wissen, ja die Grundsatzgesetzgebung dar – das muß ich dem Hohen Bundesrat ja nicht erklären. Hier kann man nicht auf die Stufen verschiedener Standardkrankenanstalten eingehen, aber sie bedeutet für einige Krankenanstalten, in denen faktisch eine Form von Rufbereitschaft ja schon besteht, die


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aber unter den jetzigen Standards liegen, eine Verbesserung – das sind zirka 20 Krankenanstalten in Österreich. Für die wird selbst die im Rahmengesetz und im Grundsatzgesetz noch festgehaltene Rahmenbedingung eine Qualitätsverbesserung darstellen.

Die entsprechenden Erklärungen sind ja, bitte, wirklich nur deswegen abgegeben worden, weil, wie Sie gesagt haben, so viel Aufregung erzeugt worden ist, und wir der Bevölkerung sagen wollten, daß es die Gesundheitsreferenten wirklich auch so meinen. Es wird doch niemand – ich bitte Sie! – allen Ernstes glauben, daß Gesundheitsreferenten leichtfertig die Gesundheit der Bevölkerung, für die sie verantwortlich sind, aufs Spiel setzen. Das kann es doch nicht sein!

Also insofern hat es die Garantieerklärung ja von Haus aus schon gegeben, und man hat das jetzt auch durch diese Erklärung transparent gemacht.

Auf Landesebene wird im Wege der Ausführungsgesetzgebungen etwas beschlossen werden, was dann dem Lande zugute kommt, und das ist von Land zu Land verschieden, und das ist sicher auch vom Spitalserhalter, vom Land mit den einzelnen Spitälern dann im Detail zu klären. Ich halte das für die sinnvollere Regelung, als in einem Grundsatzgesetz Detailregelungen festzuschreiben – das ist ungleich schwieriger und führt nach meinem Dafürhalten zur Verwirrung, und daher sind wir in der Koalition übereingekommen, diese Lösung zu wählen, die ich – ich betone es ausdrücklich – für eine sehr gute halte. – Danke schön.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte sehr.

Bundesrätin Therese Lukasser: Frau Bundesministerin! In diesem Zusammenhang ist gerade nach den Erklärungen der Österreichischen Ärztekammer und den Vertretern der Gewerkschaft folgende Frage interessant: Wie stellt sich die Rufbereitschaft im internationalen Vergleich dar?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Im internationalen Vergleich ist die Rufbereitschaft so, daß es zum Beispiel in Deutschland – wo wir uns das angeschaut haben, weil es unser größter Nachbar ist –, in der Schweiz, in den nordischen Staaten diese Rufbereitschaft gibt. Also ich lege schon Wert auf die Feststellung, daß das nicht etwas ist, was Österreich erfunden hat, das ist nicht neu! – Die genannten Länder leben mit diesem Modell schon sehr lange, und es sterben – wenn ich das jetzt, verzeihen Sie, so ausdrücken darf – in der Bundesrepublik Deutschland die Leute auch nicht aus diesem Grund, so wie uns unterstellt worden ist, daß wir das anstreben.

Dieses Modell funktioniert außerhalb Österreichs, und es funktioniert auch in Österreich. Es hält also dem internationalen Vergleich stand und hält auch der Realität in Österreich stand. – Danke schön.

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesrätin! Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Therese Lukasser: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Für uns war immer klar, daß eine Regelung der Rufbereitschaft im Krankenanstaltengesetz und im Ärztegesetz voraussetzt, daß der Turnusarzt, also der Arzt in Ausbildung, der den Facharzt in bestimmten Fächern wie Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienst vertritt, über bestimmte Grundkenntnisse und Fertigkeiten verfügen muß. Daher meine Frage:

Unter welchen Voraussetzungen darf ein Turnusarzt einen Facharzt bei der Rufbereitschaft vertreten?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Frau Bundesrätin! Sie haben es schon gesagt: Er muß die entsprechenden Fähigkeiten und Kenntnisse aufweisen. Ob beziehungsweise in welchem Ausmaß ein Turnusarzt diese Kenntnisse und Fähigkeiten und Fertigkeiten hat, das kann nur der verantwortliche Leiter, der Primarius, feststel


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len, der diesen jungen Mann oder diese junge Frau tagtäglich beobachtet. Das ist anders nicht zu machen.

Es ist nicht möglich, so etwas an ein Zeugnis binden. Man kann nicht sagen, wer mit diesem Datum dieses Zeugnis aufzuweisen hat, ist fähig und in der Lage, rufbereit zu sein. Das kann man nicht an ein Zeugnis binden. Wer von Ihnen Erfahrungen hat im Lehrberuf, der weiß genau, daß es Kinder gibt, die das gleiche Zeugnis haben – und trotzdem liegen Welten dazwischen.

Daher muß es in die verantwortungsvollen Hände des Primarius, des jeweiligen Abteilungschefs gelegt werden, zu sagen: Ich übernehme die Verantwortung dafür, der kann das und der kann es nicht. Genauso wird es im Grunde genommen jetzt schon gehandhabt. Und ich hätte es als Entmündigung des ausbildenden Arztes beziehungsweise der ausbildenden Ärztin gesehen, hätte man eine andere Regelung getroffen. – Danke schön.

Präsident Josef Pfeifer: Danke schön.

Wir gelangen zur 3. Anfrage, 655/M. Herr Bundesrat Dr. Tremmel hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung sein Einverständnis bekanntgegeben, daß Herr Bundesrat Dr. Prasch (Freiheitliche, Kärnten) an seiner Stelle die Anfrage 655/M stellt. – Bitte.

Bundesrat Dr. Helmut Prasch: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

655/M-BR/96

Werden Sie sich im Interesse der Kostendämpfung im Gesundheitswesen ohne Qualitätsabstriche und Patientenbelastungen für die Errichtung eines Lehrstuhles für Gesundheitsökonomie an Universitäten mit Universitätskliniken einsetzen?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Bundesrat! Ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Frage, denn ich bin der Ansicht, daß es in Zeiten knapper werdender Ressourcen notwendig ist, die Fragen der Krankenhausökonomie und die Fragen der Gesundheitsökonomie näher zu beleuchten. Da gehen wir absolut konform.

Die Errichtung eines Lehrstuhles für Gesundheitsökonomie, der sich in erster Linie mit Fragen des volkswirtschaftlichen Nutzens verschiedener diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen zu befassen hätte, fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Wissenschaft, wie Ihnen ja bekannt ist. Aber trotzdem kann man natürlich festhalten, daß man das für notwendig hält.

Die Themen Betriebswirtschaftslehre im Gesundheitswesen und Betriebswirtschaftslehre im Krankenhaus werden meines Wissens in unterschiedlicher Form einerseits als Lehrinhalt im Rahmen des Studiums der Betriebswirtschaftslehre beziehungsweise als postgradueller Universitätslehrgang für Krankenhausmanagement an der Wirtschaftsuniversität Wien angeboten.

Ich kann Ihnen zur Ergänzung sagen: Ich habe mit dem Wissenschaftsminister bereits vereinbart, daß wir einen Schritt in diese Richtung tun. Wir werden zunächst einmal eine Enquete veranstalten zur Ausbildung von Public Health. Das halte ich nämlich für ungeheuer wichtig und aus den vorher von mir erwähnten Gründen tatsächlich für unbedingt notwendig, und wir werden das tun. – Danke schön.

Präsident Josef Pfeifer: Danke. – Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur 4. Anfrage, 665/M. Fragesteller ist Herr Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland) . Ich bitte, die Anfrage zu stellen.

Bundesrat Johann Payer: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Die Rufbereitschaft der Ärzte ist in den letzten Wochen ein vieldiskutiertes Thema gewesen. Auch Frau Bundesrätin Lukasser


Bundesrat
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618. Sitzung / Seite 13

hat dieses Thema bereits angesprochen. Sie hat eigentlich meine Frage, die hier im Fragespiegel enthalten ist, vorweggenommen. Trotzdem frage ich Sie, Frau Bundesministerin:

665/M-BR/96

Wie sieht es mit der Rufbereitschaft der Ärzte in anderen mit Österreich vergleichbaren Ländern aus?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Bundesrat! Ich kann nur das wiederholen, was ich Frau Bundesrätin Lukasser bereits gesagt habe: Wir haben uns, als es daran ging, § 8 des Krankenanstaltengesetzes zu novellieren – dieser behandelt diese Rufbereitschaft und die Anwesenheitspflicht der Ärzte in den Spitälern –, in den Verhandlungen selbstverständlich an der Lage und der Vorgangsweise in den anderen europäischen Staaten orientiert. Und dort lebt man seit Jahren mit diesem Modell.

Ich habe mit deutschen Ärzten gesprochen. Sie haben es nicht fassen können, daß die Rufbereitschaft in Österreich ein derartig bewegendes Thema ist. Und man hat es auch als Kuriosität empfunden, daß es die Rufbereitschaft in Österreich tatsächlich gibt, aber man mit allen Mitteln verhindern möchte, daß sich das Wort "Rufbereitschaft" in einem Gesetzestext findet.

Ich hoffe sehr, daß der Hohe Bundesrat die Zustimmung zu diesem Krankenanstaltengesetz geben wird, weil man – ich sage das noch einmal – auch in anderen europäischen Ländern mit der Rufbereitschaft seit Jahren sehr gut und sehr verantwortungsbewußt umgeht, was keinesfalls – und darauf lege ich besonderen Wert, meine Damen und Herren des Bundesrates – mit Beschneidung der Qualität für den Patienten geschieht. Das ist eine ganz wichtige Feststellung. – Danke schön.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Johann Payer: Die Ärztekammer, Frau Bundesminister, spricht in zahlreichen Artikeln und Aussendungen immer wieder von sogenannten arztlosen Spitälern. Gibt es diese arztlosen Spitäler, Frau Bundesminister?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Darauf kann ich Ihnen ein schlichtes, ergreifendes und ehrliches Nein sagen. Das war Propaganda und sonst nichts! Das ist nicht möglich. Ein Lambaréné gibt es in Österreich nicht. Albert Schweitzer dreht sich ja im Grab um, weil er hat mit Lambaréné wirklich einen Meilenstein gesetzt. Das ist noch dazu eine Beleidigung für Albert Schweitzer und für die österreichischen Krankenhäuser überhaupt. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Johann Payer: Frau Bundesministerin! Ich glaube, es ist Aufgabe der Ärzte, den Patienten die Angst zu nehmen und nicht Ängste zu schüren. Stimmen Sie dieser meiner Behauptung zu?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Ja, Herr Bundesrat, ich stimme der Behauptung zu. Und Sie, meine Damen und Herren des Bundesrates, werden mir zustimmen, wenn ich sage, daß nichts leichter ist, als mit der Angst um die Gesundheit der Menschen Politik zu machen. Darauf sollten wir alle nie angewiesen sein. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Präsident Josef Pfeifer: Wir gelangen zur 5. Anfrage, 659/M. Anfragestellerin ist Frau Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg). – Bitte, die Frage vorzulesen.


Bundesrat
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618. Sitzung / Seite 14

Bundesrätin Aloisia Fischer:
Frau Bundesministerin! Seit Jahren wird auf parlamentarischer Ebene und in den wesentlichen Institutionen der Gesundheits- und Sozialpolitik über die Einräumung der Möglichkeit für Ärzte, sich analog zu anderen Berufsgruppen zu Erwerbsgesellschaften, also zu einer Gruppenpraxis, zusammenzuschließen, diskutiert. Durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1996 wird mit Wirkung 31. März 1997 die Passage im Ärztegesetz aufgehoben, die bisher einen Zusammenschluß zu einer Erwerbsgesellschaft ausgeschlossen hat. Damit hat die Diskussion über ein Gruppenpraxengesetz eine neue Dimension erhalten.

Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

659/M-BR/96

Wie wollen Sie dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1996 zu § 23 Abs. 1 Ärztegesetz, mit dem die Zusammenarbeit von Ärzten in Form einer Gesellschaft ausgeschlossen war, bis 31. März 1997 entsprechen?


Bundesrat
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618. Sitzung / Seite 15

Präsident Josef Pfeifer:
Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Frau Bundesrätin! Durch das Erkenntnis, das Sie zitiert haben, wird mit Wirkung vom 1. April 1997 der letzte Satz des § 23 des Ärztegesetzes entfallen. Und es besteht somit keine weitere Notwendigkeit, durch eine Änderung des Ärztegesetzes dem Erkenntnis zu entsprechen. – Danke schön.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Aloisia Fischer: Eine offene Frage betrifft die Abgrenzung einer Gruppenpraxis zu einer Krankenanstalt laut Krankenanstaltengesetz. Während Krankenanstalten eine Reihe von Auflagen zu erfüllen haben, befürchten viele Verantwortungsträger zu Recht, daß mit der Möglichkeit einer Gruppenpraxis diese Auflagen umgangen werden könnten. Wie wollen Sie, Frau Bundesminister, diesen Befürchtungen entgegentreten?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin, bevor Sie die Frage beantworten, bitte ich um die notwendige Aufmerksamkeit. Wir wissen alle, daß die Akustik hier nicht die beste ist. (Bundesrat Dr. Schambeck: Trotz der Jugendlichkeit der Frau Ministerin!)

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Ich bin – ich habe das schon im Nationalrat gesagt – zweifache Oma. Ich bitte um Verständnis – ich bin schon ein bisserl derrisch. (Heiterkeit. – Bundesrat Pramendorfer: Eine jugendliche Oma!)

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin, haben Sie die Frage verstanden oder nicht? – Frau Bundesrätin, bitte die Zusatzfrage noch einmal zu stellen.

Bundesrätin Aloisia Fischer: Eine offene Frage betrifft die Abgrenzung einer Gruppenpraxis zu einer Krankenanstalt laut Krankenanstaltengesetz. Während Krankenanstalten eine Reihe von Auflagen zu erfüllen haben, befürchten viele Verantwortungsträger zu Recht, daß mit der Möglichkeit einer Gruppenpraxis diese Auflagen umgangen werden könnten. Wie wollen Sie diesen Befürchtungen entgegentreten?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Diese Frage stellt sich für uns als Gesetzgeber nicht, weil es Sache der Länder ist, festzustellen, inwieweit das eine Krankenanstalt ist. Aber ich versichere Ihnen: Der Gesetzgeber wird das in eine solche Form fassen, daß es gar nicht zu Unklarheiten kommen kann bezüglich der Differenzierung zwischen einer Gruppenpraxis und einem Krankenhaus. Ich hege diese Befürchtungen nicht, wenn ich das so sagen darf.

Präsident Josef Pfeifer: Wünschen Sie eine zweite Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur 6. Anfrage, 666/M. Fragestellerin ist Frau Bundesrätin Gertrude Perl (SPÖ, Wien). Ich bitte um Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Gertrude Perl: Frau Bundesministerin! Meine Frage:

666/M-BR/96

Werden Sie sich dafür einsetzen, daß es auch in Hinkunft ein Belohnungssystem im Rahmen des Mutter-Kind-Passes gibt?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Frau Bundesrätin! Die Zuständigkeit dafür liegt im Bereich des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie, aber natürlich ist diese Frage auch mit dem Finanzministerium abzustimmen. Im Hinblick auf das Sparpaket wird seitens des Bundesministeriums für Finanzen betont, daß nur eine aufkommensneutrale Bonifikation, eine Umschichtung innerhalb des eigenen Ressortbudgets, in Betracht kommen kann, und die Bonifikation sollte auch sehr zielgerichtet gestaltet werden. Es wäre eine eventuelle Abklärung mit dem Gesundheitsministerium als klug zu erachten, weil wir für die Inhalte mehr oder weniger zuständig sind.

Hinsichtlich der in meinen Zuständigkeitsbereich liegenden Frage, ob eine finanzielle Bonifikation tatsächlich zu einer besseren Inanspruchnahme der Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen motiviert, ist zu bemerken, daß man eine diesbezügliche Studie noch nicht durchgeführt hat. Es fehlen uns also die Erfahrungswerte. Ich schließe mich allerdings der Auffassung an, daß eine solche Untersuchung sinnvoll wäre.

Es wäre auch sinnvoll, jetzt eine gewisse Zeit abzuwarten, wie die Reaktion der Eltern ist. Prinzipiell würde ich aber der überwiegenden Zahl der Schwangeren sowie den Eltern von Säuglingen beziehungsweise Neugeborenen zugute halten, daß der gesundheitliche Nutzen für ihr Kind schon die stärkere Triebfeder ist, den Arzt aufzusuchen, als die geldliche Abgeltung. Vielleicht könnte im Einzelfall eine Bonifikation dazu beitragen, aber im Grunde genommen halte ich es für ein bißchen traurig, wenn man darüber reden muß, daß Eltern nur dann mit ihren Kindern einen Arzt aufsuchen, wenn sie dafür Geldleistungen zu erwarten haben. Ich gebe schon zu, daß es sehr viele brauchen werden, aber es sollte nicht das vordergründige Motiv sein. – Danke schön.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Gertrude Perl: Frau Bundesministerin! Sind im Lichte des Sparpaketes überhaupt noch zusätzliche Leistungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes möglich?

Präsident Josef Pfeifer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Im Lichte des Sparpaketes nicht. Das wissen wir alle; wir sollten uns da nicht der Realität entziehen. Wir haben aber trotzdem den Obersten Sanitätsrat gebeten, man möge uns ein Ranking erstellen, also eine Liste. Sollten die Geldmittel wieder einmal vorhanden sein, was wir alle hoffen, dann gibt es eine Reihung des Sanitätsrates, welche Untersuchungen aus Sicht der Obersten Sanitätsbehörde als nächste in den Mutter-Kind-Paß aufgenommen werden sollen.

Präsident Josef Pfeifer: Keine weitere Zusatzfrage.

Wir kommen zur 7. Anfrage, 660/M. Fragesteller ist Herr Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark). Ich bitte ihn, die Anfrage zu verlesen.


Bundesrat
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618. Sitzung / Seite 16

Bundesrat Peter Rieser:
Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Am 11. Oktober dieses Jahres wurde eine 40jährige Frau zu einer Gallenblasenoperation in die Chirurgische Abteilung des Landeskrankenhauses Judenburg eingewiesen. Acht Tage später starb die Frau durch diesen Routineeingriff nach einem Fehler des behandelnden Arztes.

Nach diesem Vorfall wird in der Steiermark die Funktionstrennung zwischen den Krankenhäusern Knittelfeld und Judenburg, insbesondere die Zusammenlegung diverser Abteilungen zwecks Auslastung und Qualitätssteigerung diskutiert.

Frau Bundesministerin! Meine Frage:

660/M-BR/96

Welche Funktionsteilung planen Sie im Zusammenhang mit dem ÖBIG zwischen den Krankenanstalten Knittelfeld und Judenburg im Österreichischen Krankenanstaltenplan?


Bundesrat
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618. Sitzung / Seite 17

Präsident Josef Pfeifer:
Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesrat
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618. Sitzung / Seite 18

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer:
Zunächst einmal zwei Feststellungen: Ihre Frage hat gelautet, welche Funktionsteilung ich plane. Der Bundeskrankenanstaltenplan ist in Gemeinschaft mit den Ländern erarbeitet worden, und zwar immer mit dem jeweiligen Bundesland. Also müßte die Frage korrekt lauten – wenn Sie mir das erlauben –, was wir planen, in Abstimmung mit dem zuständigen Bundesland.

In den Verhandlungen zwischen dem Bund und dem Land Steiermark wurde beschlossen, daß die Landeskrankenhäuser Judenburg und Knittelfeld künftig als gemeinsamer LKH-Verbund geführt werden. Die Funktionsteilung ist folgendermaßen vorgesehen: Ein Krankenhaus führt die Abteilungen Chirurgie, Geburtshilfe-Gynäkologie und Unfallchirurgie, und das andere die Abteilungen Innere Medizin und Neurologie.

Um eines bitte ich in aller Eindringlichkeit und in aller Form: Lassen Sie sich nicht vor einen Karren spannen, der mit dem Leichentuch wedelt. Jeder Todesfall, auch die jetzt geschehenen Todesfälle in Krankenhäusern, ist traurig für die betroffenen Familienmitglieder. Aber es kann doch um Himmels willen der Grund nicht darin gesucht werden, daß es zum Beispiel eine Funktionsaufteilung, einen Krankenanstaltenverbund gegeben hat. Ich bitte Sie, das überall, wo Sie hinkommen, auch mit dem entsprechenden Rückgrat zu vertreten und nicht mit dem Finger auf "die da oben" zu zeigen, in welchem Nebel oder in welchen Wolken diese auch immer sein mögen. Jeder stellt sich unter "denen da oben" etwas anderes vor und sagt, na die haben es gemacht.

Stehen Sie bitte dazu! Das ist kein Qualitätsverlust des Krankenhauses. Es tröstet mich, Herr Bundesrat, daß Sie gesagt haben, es war ein Kunstfehler des Arztes, wobei ich auch diesen Arzt jetzt nicht geißeln möchte. Der Mensch irrt, und es kann passieren – und das ist kein Vorwurf an den Arzt –, aber es soll sich heute ein Mensch vor mich hinstellen und sagen, er wird nie im Leben einen Fehler machen. Diesen Menschen gibt es nicht. – Also es "menschelt" überall, und der Arzt leidet sicher darunter, daß ihm das passiert ist. Ich möchte ihm das überhaupt nicht vorwerfen.

Ich habe gestern in der Zeitung gelesen, künftig werden alle Todesfälle, die in den Spitälern passieren, mir angerechnet werden, weil ich nicht garantieren kann, daß künftig niemand mehr in Krankenhäusern sterben wird. Ich ersuche Sie, begeben wir uns nicht auf dieses Niveau. Das ist die letzte Lade!

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Peter Rieser: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Im Abkommen der Regierungsparteien vom März 1996 ist vorgesehen, daß bezüglich Haftpflicht für Behandlungsfehler die zuständigen Stellen Verhandlungen mit der Versicherungswirtschaft aufnehmen sollen. Frau Ministerin, wie stellen Sie sich eine solche Haftpflicht für medizinische Kunstfehler vor?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Bundesrat! Wenn ich diese Frage jetzt so aus dem Ärmel beantworten könnte, dann wäre das sensationell. Das kann ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Es sind zu dieser Frage schon viele Gesprächsrunden abgehalten worden, und man ist noch zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen. Wir haben die Lösung noch nicht, denn kaum glaubt man eine zu haben, gibt es irgendeinen Einspruch, den man natürlich auch berücksichtigen muß, und dann heißt es, gut, das muß man auch ins Kalkül ziehen, man muß weiterreden.

Es ist richtig: In dieser Frage ist eine Lösung zu treffen, da gehe ich mit Ihnen absolut konform. Aber welches die Lösung ist, dieser Weg ist noch nicht gefunden, ich sage Ihnen das ganz ehrlich. – Danke schön.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur 8. Anfrage, 656/M. Fragesteller ist Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg). Ich bitte, die Frage zu stellen.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Meine Frage lautet:

656/M-BR/96

Welche Vorbeugungs- und Kontrollmaßnahmen sind angesichts der steigenden Gefährdung der österreichischen Bevölkerung (einschließlich des Herrn Bundespräsidenten) durch aggressive Infektionen der Atmungsorgane dringend verbesserungswürdig?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Bundesrat! Die einzig volksgesundheitlich relevante Erkrankung der Atmungsorgane, die gesundheitspolitische Vorbeugungsmaßnahmen vorschreibt und erfordert, sind Infektionen mit multiresistenten Tuberkulosekeimen. Es sind das die Tuberkulosestämme, die gegen ein oder mehrere bei der Behandlung eingesetzte Medikamente resistent sind.

Da diese Keime eine große Gefahr für die Bevölkerung darstellen, wurde vorgesorgt, und es werden im Pulmologischen Zentrum der Stadt Wien auf der Baumgartner Höhe in der zweiten internen Abteilung vier Behandlungseinheiten, die dieser Infektionsgefahr Rechnung tragen, schon eingerichtet. Diese werden am 1. 12. 1996 offiziell in Betrieb genommen werden.

Ein weiterer Ausbau ist in Hinblick auf eine Zunahme von multiresistenten Tuberkuloseerregern bereits geplant. Andere Erreger, die volksgesundheitlich eine Rolle spielen, werden weder in Österreich noch weltweit registriert, weil die Krankheit ein gewisses Ausmaß annehmen muß, um als Volksseuche zu gelten. Aber gegen jene Dinge, die Sie angesprochen haben, haben wir schon etwas unternommen.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage erwünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch: In Weiterverfolgung Ihrer Beantwortung, Frau Ministerin, stelle ich die Zusatzfrage: Wieso kommt es trotz eindeutiger Gesetzeslage, die Sie soeben auch geschildert haben, immer wieder vor, daß bei Personen mit jahrelangem TBC-Leiden diese übertragbare Krankheit erst anläßlich Ihres Todes festgestellt wird, wodurch ein – Sie haben es auch gesagt – hohes Infektionsrisiko für Dritte, insbesondere in Ballungsgebieten und in öffentlichen Verkehrsmitteln, entsteht?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesminister, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Mir ist kein Fall bekannt, wo bei einem Menschen erst dann, wenn er gestorben ist, festgestellt wurde, daß er TBC hat. Jene Personen, die in einschlägigen Berufen arbeiten, müssen regelmäßig untersucht werden, ob sie TBC haben. Ich weiß nicht, worauf Sie da anspielen?

Zu Ihrer ersten Frage, in der Sie die Erkrankung des Herrn Bundespräsidenten angesprochen haben: Er hat keine TBC. (Bundesrat Dr. Bösch: Das habe ich auch nicht behauptet!)

Ich darf noch ausführen, daß die Überwachung der Resistenzlage in Österreich mit 1. 1. 1995 – da wurde für die Untersuchung von Mykobakterien ein nationales Referenzzentrum in der Bundesanstalt für bakteriologisch-serologische Untersuchungen in Wien geschaffen – verstärkt wurde, indem man das bundesweite Tuberkulosemeldesystem erweitert und den EU-Richtlinien angepaßt hat. Es können daher wichtige Daten, die auch Resistenzen betreffen, durch das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz erfaßt werden.

Präsident Josef Pfeifer: Wünschen Sie eine zweite Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch: Frau Ministerin! Ich möchte Sie anhand eines konkreten Beispiels fragen: Welche Vorkehrungen haben Sie als für die Gesundheit Verantwortliche getroffen, damit sich die durch Legionellen verursachten gefährlichen Lungenentzündungen, wie dies vor kurzem in einer Kärntner Kaserne leider vorgekommen ist – dieser Fall wird Ihnen bekannt sein –, nicht wiederholen können?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesminister, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Daß sich solche Vorkommnisse nie wiederholen, ist ausgeschlossen. Man kann nur immer wieder an die Sanitätsbehörden schreiben und sie ersuchen, sie mögen entsprechende Überprüfungen in den Ländern machen, weil in gewissen Abständen oder manchmal diese Legionellenkrankheit vorkommt. Diese Krankheit tritt auf, wenn das Warmwasser nicht die entsprechende Temperatur hat und sich die Legionellen ausbreiten können. Das wird in gewissen Abständen von den Sanitätsbehörden überprüft, und wenn uns aktuelle Fälle zu Ohren kommen, dann lassen wir eindringliche Warnungen durchgehen und fordern auf, das immer sorgfältig zu überprüfen, damit diese Krankheit nicht vorkommt. Aber eine Garantieerklärung, daß so etwas nie passiert, kann ich Ihnen nicht geben, das ist ausgeschlossen. Diese Verantwortung kann man nicht übernehmen.

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Herr Bundesrat Herbert Platzer hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung sein Einverständnis bekanntgegeben, daß Frau Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark) an seiner Stelle die Anfrage 667/M stellt. – Ich bitte, diese Anfrage zu stellen.

Bundesrätin Johanna Schicker: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! In Vertretung meines erkrankten Kollegen darf ich folgende Frage an Sie stellen:

667/M-BR/96

Welche wesentlichen Änderungen in Ihrem Aufgabenbereich sieht die Regierungsvorlage für ein Chemikaliengesetz 1996 vor?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesminister, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Bundesrätin! Mit dem neuen Chemikaliengesetz wird neben der bestehenden Meldepflicht für giftige und sehr giftige Zubereitungen eine neue Meldepflicht für ätzende Zubereitungen eingeführt – womit hoffentlich nicht ätzende Bemerkungen gemeint sind –, die im Einzelfall erhältlich sind und durch § 37 eingeführt werden. Die gemeldeten Daten werden Gift


Bundesrat
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informationszentren zur Verfügung gestellt. Derzeit ist ein großer Teil der Vergiftungsfälle auf Chemikalien, die ätzende Substanzen enthalten, zurückzuführen.

Von der neuen Meldepflicht erwarte ich mir eine Optimierung der Vergiftungsbehandlung. Die Vollständigkeit der Giftliste wird auf das Aufzählen sehr giftiger Stoffe eingeschränkt. Das heißt, es müssen nur noch sehr giftige und giftige Stoffe gemeldet werden. Die bisher gemeldeten mindergiftigen Stoffe bleiben in der herkömmlichen Giftliste. Diese Einschränkung ist gerechtfertigt, weil die mengenmäßig relevanten mindergiftigen Stoffe schon, wie gesagt, in der Giftliste enthalten sind. – Danke schön.

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Danke. Damit ist diese Frage beantwortet.

Wir kommen zur Anfrage 10, 661/M. Fragesteller ist Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich). – Bitte, die Frage zu stellen.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dem Nationalrat wurde eine Regierungsvorlage für ein Suchtmittelgesetz zugeleitet. Parallel dazu werden neue und erschreckende Zahlen über Todesopfer durch Drogenmißbrauch und vermehrte Anzeigen wegen Verstößen gegen das geltende Suchtgiftgesetz bekannt.

Keine Antidrogenkampagne kann alle Österreicherinnen und Österreicher erreichen, weshalb die Umsetzung eines auf regionalen Bedürfnisse angestimmten Konzeptes zur breiten Prävention durch Information und Hilfe für die Betroffenen notwendig ist.

Ich habe Ihnen, verehrte Frau Bundesministerin, in einem Schreiben vom 20. September 1996, das Sie leider bis heute nicht beantwortet haben, vorgeschlagen, auf Gemeinde- und Bezirksebene Gesundheitsforen einzurichten, in denen Eltern, Jugendliche, Lehrer, Ärzte, freiwillige Rettungshelfer, Drogenfahnder, Gemeindevertreter und Interessierte gemeinsame Aktionen überlegen könnten. Als Gesundheitsministerin haben Sie Koordinierungskompetenz, weshalb Ihre Unterstützung für ein solches Projekt sehr hilfreich wäre.

Nun zur konkreten Frage:

661/M-BR/96

Wie beurteilen Sie als Gesundheitsministerin den Vorschlag, auf Gemeinde- und Bezirksebene Gesundheitsforen zur Koordinierung von Aktionen gegen den Drogenmißbrauch und für die Hilfeleistung Betroffener unter Einbeziehung von Experten und Interessierten zu initiieren?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesminister, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Bundesrat! Ich kann Ihnen bezüglich meines Bundeslandes sagen, daß dort solche Drogenforen schon existieren, und ich nehme an, es gibt sie in anderen Bundesländern auch. Ich nehme allerdings nicht an, daß die verantwortlichen Politiker in den Bundesländern einen Anstoß von meiner Seite brauchen, um sich der wichtige Frage der Drogenprävention zuzuwenden. Das sei jetzt in aller Form hier festgestellt, denn Ihre Anfrage erweckt den Eindruck, als ob es so etwas noch nicht gebe und die Bundesländer erst auf einen Anstoß meinerseits warten und da Neuland betreten müßten.

Ich nehme nicht an, daß dem so ist, ja ich hege sogar die Hoffnung, daß es sich nicht so verhält.

Ich habe von solchen Gesundheitsforen schon gehört. Die Zielsetzungen dieser Gesundheitsforen, die im Drogensektor tätig sind, sind mir allerdings nicht bekannt. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Ich bin über jede Initiative froh, die die Bundesländer in diesem Bereich setzen.


Bundesrat
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Das Gesundheitsministerium gibt sehr viel Geld – 23 Millionen Schilling – für die Förderung von Drogenberatungsstellen aus. Wenn Sie aber von einer Unterstützung sprechen, dann kann ich Ihnen sagen: mentale Unterstützung ja, finanzielle Unterstützung nein, denn meine Mittel sind erschöpft. Aber ich glaube zu wissen, daß den Ländern bewußt ist, wie wichtig diese Frage ist, und ich hoffe, daß sich nicht nur Länder, sondern auch Städte und Gemeinden mit eigenen Drogenkonzepten der Problemfälle annehmen. – Danke.

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich habe erwähnt, daß Ihr Bundesministerium in dieser Angelegenheit Koordinierungskompetenz hat. Inwieweit haben Sie diese Koordinierungskompetenz bislang wahrgenommen?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesminister, bitte.


Bundesrat
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Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer:
Wir haben nicht nur Koordinierungskompetenz wahrgenommen, sondern wir haben auch finanziell ganz kräftig mitgetan. Es gibt die § 22-Einrichtungen gemäß dem jetzigen Suchtgiftgesetz, und in diesem Bereich fördern wir sehr intensiv.

Ich habe die Aktivitäten der Länder nicht zu koordinieren. Das machen die Länder für sich. In jedem Land gibt es einen Zuständigen dafür, einen Landesrat – meist ist es der Sozialreferent oder der Jugendreferent oder beide zusammen –, der für diese Frage zuständig ist. Die Einrichtungen in den Ländern bekommen sowohl vom Ministerium als auch von den einzelnen Bundesländern Mittel in ganz erheblichem Ausmaß zugeschossen, sodaß sie sich der Drogenprävention widmen können. Die koordinierende Kompentenz kommt mir nicht zu. Wir führen aber regelmäßig Gespräche, zwecks eines Erfahrungsaustausches.

Noch einmal: Das Koordinieren obliegt uns nicht. Es muß in den Ländern koordiniert werden, was in den einzelnen Bereichen passiert, in den Städten und in den Dörfern.

Wir koordinieren insofern die Länder, als wir sagen, wie wir die Mittel verteilen, und klären, welches Konzept und welcher Weg gewählt wird. Wenn Sie das unter Koordinieren verstehen, dann darf ich sagen: Das machen wir selbstverständlich!

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Danke schön.

Wir kommen zur Anfrage 11, 668/M. Frau Bundesrätin Michaela Rösler ist krank gemeldet und entschuldigt. Die Anfrage kommt daher nicht zum Aufruf.

Wir kommen nun zur Anfrage 12, 662/M. Fragesteller ist Herr Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol). – Ich bitte, die Anfrage zu stellen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
618. Sitzung / Seite 22

Bundesrat Gottfried Jaud:
Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Präsident! Der Einsatz von Gentechnologie in der Lebensmittelproduktion ist – wie Sie ja bereits in der ersten Fragebeantwortung erwähnt haben – besonders sorgfältig zu prüfen. Ich möchte versuchen, von Ihnen eine konkrete Antwort zu erhalten, denn das Hin und Her zwischen Einfuhrverbot und Kennzeichnung interessiert die Österreicher sicher sehr wenig. Die Österreicher wollen Taten sehen. Das wissen Sie, Frau Ministerin. Deshalb meine Frage:

662/M-BR/9


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
618. Sitzung / Seite 23

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Wie wollen Sie das mit Jahreswechsel zu erwartende Ergebnis des Vermittlungsverfahrens der Europäischen Union zu einer unmißverständlichen Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel und Lebensmittelzusätze innerstaatlich berücksichtigen?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
618. Sitzung / Seite 24

Präsident Josef Pfeifer:
Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Ist eine Gegenfrage an den Fragesteller erlaubt? (Präsident Pfeifer schüttelt verneinend den Kopf. – Heiterkeit.) Schade. Sonst hätte ich Sie nämlich gefragt, woher Sie den Optimismus nehmen, daß zum Jahreswechsel von der Europäischen Union eine Stellungnahme zu erwarten ist. Bundesrat Jaud darf nicht antworten, ich frage ihn daher nachher.

Herr Bundesrat! Das können Sie mir glauben: Auch ich will – aus ganzem Herzen –, daß Taten gesetzt werden, und ich will auch Taten setzen, aber man läßt mich nicht. Das ist der Wurm! Aber von einem aufrechten Tiroler – ich habe Sie schon einmal angesprochen – habe ich mir Unterstützung erwartet. Ich habe sie bei der Reform bekommen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Eine Kompetenzverstärkung verlangen!) Na gebt sie mir! (Bundesrat Dr. Tremmel: Ich bin gerne bereit dazu!)

Präsident Josef Pfeifer: Ich bitte, daß wir jetzt wieder die Geschäftsordnung einhalten: Fragestellung und Fragebeantwortung. – Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Was ich mit Ihnen aber teile, ist Ihre Auffassung, daß das Hin und Her ein Ende haben soll. Das ist mir auch zuwider.

Herr Bundesrat! Ich möchte in aller Kürze erklären, warum ich das Importverbot für nicht zielführend halte und die Kennzeichnung schon. Gemäß Artikel 16 – und in Artikel 16 ist ausdrücklich das bewilligte Produkt genannt –, gilt als bewilligt nur die Sojabohne. Es muß das im Antrag genannte Produkt sein, und es muß ein vermehrungsfähiger, gentechnisch veränderter Organismus sein. Das genannte Produkt ist die Bohne, und der vermehrungsfähige Organismus ist auch nur die Bohne, denn eine Bohne, die ich zerbröselt habe, ist bekanntlich nicht mehr vermehrungsfähig, auch das Öl nicht. Also kann man nur die Bohne verbieten.

Ich möchte gleichzeitig auch mit dem Irrtum aufräumen und mich in die Niederungen der Realität begeben: Es wird immer gesagt, drei Monate haben wir dann Zeit. Glaubt hier herinnen jemand im Ernst, daß sich die EU drei Monate Zeit lassen wird? – Das ist die äußerste Frist. Diese Antwort wird binnen kürzester Zeit kommen. Der Importstopp oder das Importverbot ist aufzuheben, wird es heißen.

Daher: Erstens gilt das nur für die Bohne. Das bedeutet Inkonsequenz. Alle Produkte, die auf der Basis der Sojabohne erzeugt werden, befinden sich in österreichischen Regalen ungekennzeichnet. Also was bringt das bitte dem Konsumenten, wenn ich das kleine Böhnchen kennzeichne, das, nebenbei bemerkt, ohnehin nicht in die Regale kommt, weil es unserer Kenntnis nach als Saatgut nicht verwendet werden darf, weil es als Saatgut nicht genehmigt ist.

Daher halte ich für das zielführende und gangbare und sinnvolle und für alle künftigen gentechnisch veränderten Lebensmittel auch geltende Mittel jenes der Kennzeichnung. Das heißt, jedes Produkt, das ein gentechnisch veränderter Organismus ist oder so etwas enthält, ist, soweit dies durch Kontrolle nachweisbar ist – diese muß man machen –, zu kennzeichnen. Das ist dem Konsumenten gegenüber fair. (Beifall bei der SPÖ.)

Was wollen wir denn? – Wir reden doch immer vom mündigen Bürger. Und wenn wir diesem Bürger nicht zumuten, daß er das Pickerl "gentechnisch verändert" lesen kann, dann drücken wir damit unser Mißtrauen dem Bürger und damit dem österreichischen Steuerzahler gegenüber aus. Wir unterstellen ihm, daß er nicht lesen kann, und wir unterstellen ihm, daß er nicht unterscheiden kann, was gentechnisch verändert und was gentechnisch nicht verändert ist.

Ich teile daher nicht die Auffassung, daß wir eine Importstopp verhängen sollen, sondern ich möchte eine Kennzeichnung im Sinne einer fairen Information für den österreichischen Konsumenten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Josef Pfeifer: Herr Bundesrat, wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Gottfried Jaud: Frau Ministerin! Vorausgesetzt, die Bundesregierung einigt sich, bis wann könnten Sie konkret ein solches Pickerl auf dem Markt einführen beziehungsweise bis wann können Sie garantieren, daß die Lebensmittel in den Regalen gekennzeichnet sind?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Wenn ich ganz ehrlich bin, muß ich sagen: Es muß sich nicht die ganze Bundesregierung einigen. Ich habe mich mit mir schon geeinigt. Es müssen sich nur noch zwei Männer einigen, und die heißen Bartenstein und Farnleitner. Aber gut. Das ist eine Entscheidung der Bundesregierung, es soll so sein. Leider bin ich eine schwache Frau, ich setze mich da offenbar nicht durch. Die Erkenntnis ist noch nicht so weit gegriffen. (Zwischenruf des Bundesrates Jaud. )

Ja. Daher sage ich ja, Herr Bundesrat, daß es um jede Stunde, die man verliert, wirklich schade ist. Seit August sind die diesbezüglichen Verordnungen ausgearbeitet, aber seit August ist viel Zeit vergangen. Das gehört nur noch unterschrieben, und dann werde ich alles daransetzen, daß es zu dieser Kennzeichnung kommt.

Allerdings – das muß ich zur vollen Information auch sagen –: Natürlich stellen wir uns mit der österreichischen Kennzeichnungsverordnung, eigentlich mit zweien, nämlich das Gentechnikgesetz und das Lebensmittelgesetz betreffend, gegen die EU. Das ist mir schon klar. Aber ich riskiere eine Klage beim Europäischen Gerichtshof.

Jetzt frage ich Sie: Ist es im Interesse der österreichischen Konsumenten nicht wert, im Interesse der Information der österreichischen Konsumenten eine Klage zu riskieren? – Ich sage ja! (Beifall bei der SPÖ.)

Noch etwas, was die Frist anlangt: Ein Importstopp hat die Maximalfrist von drei Monaten, aber ein Verfahren wegen einer Klage beim Europäische Gerichtshof dauert mindestens ein Jahr. Außerdem weiß ich aus bester Quelle, weil ich die Kanäle dazu habe, daß auch in anderen europäischen Ländern diese Kennzeichnung schon sehr nahe an der Entscheidung ist. Dort ist man auch unserer Meinung.

Also je eher das unterschrieben wird, Herr Bundesrat, desto früher kann man darangehen, diese Pickerl einmal herzustellen. Und dann soll die Industrie zeigen, wie rasch sie das machen kann. Die muß nämlich das Pickerl auf den Produkten anbringen. Aber da werde ich sicher keine Ausreden zur Kenntnis nehmen, die da heißen: Das dauert ein paar Monate.

Aber wie lange es bis dahin noch dauern wird, kann ich Ihnen nicht sagen, weil die Entscheidung darüber nicht in meinem Bereich liegt. Aber wir werden drauf drängen, daß das schnell geht. Es ist wirklich Eile geboten.

Ich muß aber noch etwas dazusagen: In den Lebensmittelketten wird in der Regel für ein Jahr vorgekauft. Also Sojabohnen, die gentechnisch nicht verändert sind, liegen für ein Jahr auf der Halde. – Danke.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Danke.

Wir kommen zur Anfrage 13, 657/M. Fragesteller ist Herr Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich). Ich bitte um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Gottfried Waldhäusl: Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Frage lautet:

657/M-BR/96

Welche Schwachstellen bei der Kontrolle von Molkereien und Handel sind dafür verantwortlich, daß es trotz rigoroser Qualitätskontrollen in den bäuerlichen Milchbetrieben immer noch berechtigte Beschwerden der Konsumenten sowie Krankheitsmeldungen gibt?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Zunächst einmal sei generell festgehalten, daß es immer, Herr Bundesrat, in Bereichen, in denen man mit Lebensmitteln zu tun hat, solche Vorkommnisse geben wird. Das ist gar nicht auszuschließen. Und ich hoffe, daß Sie jetzt von mir keine Garantieerklärung verlangen, daß künftig Milch in Österreich nicht mehr sauer wird. (Heiterkeit.) Das geht nicht. Das kann ich nach bestem Wissen und Gewissen nicht tun.

Die Gründe für diese Probleme mit Milch und Milchprodukten liegen eben darin, daß es, wie bei anderen Lebensmitteln auch, eben zu Vorkommnissen kommt, daß Fehler gemacht werden – sei es jetzt bei der Produktion, sei es beim Transport oder bei der Lagerung –, wenn Vorschriften, die das Lebensmittelgesetz normiert, einfach nicht eingehalten werden. Ich unterstelle gar nicht, daß das wissentlich geschieht, sondern das passiert manchmal.

Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, daß Sie gesagt haben: trotz der rigorosen Qualitätskontrollen – danke, ich werde das weitergeben an meine Leute für den Lebensmittelbereich. Es ist jedoch nicht möglich, alle Betriebe ständig und lückenlos zu kontrollieren.

In einem Begutachtungsentwurf zur Änderung der Milchhygieneverordnung wurden auch die aktuellen Probleme durch das Auftreten von EHEC-Bakterien berücksichtigt. Es sind daher folgende Änderungen vorgesehen: keine Übergangsfrist für den Hinweis bei der Abgabe von Rohmilch "Rohmilch vor dem Verzehr abkochen", dafür, daß man draufschreibt, daß man Rohmilch abkochen muß.

Sie werden sich daran erinnern: Vor einigen Monaten gab es Fälle, in denen man Rohmilch Kindern direkt, ohne sie abzukochen, gegeben hat. Ich muß ehrlich sagen, ich empfinde es als ein bißchen beklagenswert, daß viele Österreicherinnen und Österreicher nicht mehr wissen, daß man Rohmilch abzukochen hat. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Aber gut, wir werden diesen Hinweis machen. (Bundesrat Ing. Penz: Erhitzen!)

Wissen Sie, wenn wir "erhitzen" sagen, dann ist das eine "Hosenträgerbestimmung", dann heißt es wieder: Wie stark soll man sie erhitzen, wann gilt die Milch als erhitzt? Daher sagen wir: Abkochen! Wenn die Milch übergeht, stinkt es, dann weiß man, daß die Milch sicher abgekocht ist – das kann ich als Hausfrau Ihnen sagen. (Heiterkeit.) Ich füge hinzu: Die Bemerkung wurde jetzt von einem sich nicht sehr oft in der Küche befindenden, milchaufkochenden Bundesrat gemacht.

Ich sage noch einmal: Es ist wirklich praxisfern, zu meinen, daß dann nichts mehr vorkommen wird. Ich kann das nicht garantieren. Aber man muß selbstverständlich von seiten der Lebensmittelbehörde – diesbezüglich gehe ich mit Ihnen konform – alles tun, damit gewisse Vorfälle eben nicht passieren.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Gottfried Waldhäusl: Frau Minister! Hinsichtlich der rigorosen Qualitätskontrolle hatte ich eher den bäuerlichen Milchbetrieb gemeint – da ist die Freude eher nicht so berechtigt. (Bundesministerin Dr. Krammer: Warum? Das habe ich eh verstanden!)

Meine erste Zusatzfrage: Warum sehen Sie tatenlos zu, wenn die vom Bauern frisch gemolkene und gekühlte Milch bis zu sechs Tagen zwischen der Verarbeitung und dem Handel unterwegs ist, bevor das Endprodukt dem Konsumenten angeboten wird. Ist es nicht möglich, daß darin schon eine Schwachstelle zu sehen ist?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesminister.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Ich habe schon verstanden, daß Sie die rigorosen Kontrollen bei den bäuerlichen Betrieben gemeint haben. Aber was ist schlecht dran, wenn man diese kontrolliert? (Bundesrat Waldhäusl: Das ist in Ordnung!) Na also.

Zweitens bin ich grundsätzlich nicht der Typ, der dazu neigt, einer Sache tatenlos zuzusehen.

Drittens: Ich beantworte Ihnen das sehr gerne, weil ich nichts davon weiß, daß ich da irgendeiner Sache tatenlos zugesehen hätte. Sie bekommen, wenn Sie es erlauben, diese Antwort schriftlich. (Bundesrat Waldhäusl: Sechs Tage!) Ja, gut. – Sind Sie damit einverstanden? – Danke schön.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Gottfried Waldhäusl: Frau Ministerin! Warum gestatten Sie den Aufdruck eines Ablaufdatums, das mit der tatsächlichen, einwandfreien Haltbarkeit nicht immer übereinstimmt, sodaß die Verbraucher ein sogenanntes Molkereiprodukt oft wegwerfen müssen beziehungsweise daran erkranken können?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesminister.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Die Ablaufdaten werden nicht allein von meinem Haus festgelegt. Es wird immer abgehandelt, welches Ablaufdatum man nimmt. Ich bitte, mich davon herauszuhalten, daß ich das großzügigerweise gestatte. Das wird nach langen Besprechungen festgehalten, und das ist der gangbarste Weg. Es werden mit den Betroffenen eingehende Gespräche geführt.

Ich weiß allerdings nicht – da kann ich Ihnen nichts garantieren –, wann man das Ablaufdatum draufgibt. Es kann ja sein, daß die Milch schon einige Zeit steht, und dann bekommt sie ein Ablaufdatum. Aber da kann ich wirklich nicht für jedes Milchpackerl eine Garantie abgeben. Es würde den Rahmen des österreichischen Budgets enorm sprengen, wenn ich zu jedem Milchpackerl einen Lebensmittelkontrollor stellen würde. Das werden Sie mir auch zugestehen.

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Wir kommen zur 14. Anfrage, 669/M. Fragesteller: Herr Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich) . Ich bitte, die Anfrage zu verlesen.

Bundesrat Ernst Winter: Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage:

669/M-BR/96

Wie sind österreichische Konsumenten im Fall des Konkurses eines Reiseveranstalters abgesichert?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesminister.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Bundesrat! Mit dem Beitritt zum EWR und zur Europäischen Union hat sich Österreich verpflichtet, die EU-Pauschalreiserichtlinie umzusetzen. Artikel 7 dieser Richtlinie betrifft Anzahlungen der Kunden im Falle der Insolvenz eines Reiseveranstalters, wenn keine Leistung mehr gefolgt ist, sowie den Rücktransport vom Urlaubsort – es ist uns allen noch schmerzlich in Erinnerung, was diesbezüglich vorgefallen ist. Diese Kunden sind bei Insolvenz des Veranstalters geschützt. Sie sind ja überrascht worden von der Insolvenz.

In Österreich ist die Absicherungspflicht in der Reisebürosicherungsverordnung aus dem Jahre 1994 festgelegt.


Bundesrat
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618. Sitzung / Seite 25

Also man kann festhalten: Künftig sind österreichische Reisende, die von solch einer Insolvenz betroffen sind, abgesichert.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ernst Winter: Frau Bundesministerin! Die Bundesrepublik Deutschland wurde vor kurzem vom Europäischen Gerichtshof wegen verspäteter Umsetzung der Pauschalreiserichtlinien verurteilt. Reisekunden, die durch den Konkurs ihres Reiseveranstalters bereits bezahlte Zahlungen verloren haben oder deren Rückflug vom Urlaub selbst zu bezahlen war, werden ihren Schaden direkt vom Staat ersetzt bekommen. Könnte dieses Urteil auch auf Österreich Auswirkungen haben?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesminister.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Herr Bundesrat! Ja, es kann sein, daß es auch in Österreich im Zusammenhang mit verspäteter oder zunächst einmal unzureichender Umsetzung zu einer Staatshaftung kommen wird.

Beim Konkurs von Arena-Club-Reisen im Juli 1995 hat sich gezeigt, daß die Bestimmungen der Reisebürosicherungsverordnung damals nicht ausreichend waren, um die Kundenansprüche voll zu befriedigen. Da ist das tatsächlich passiert.

Daher sehen wir vom Konsumentenschutzministerium das so, daß dringender Handlungsbedarf zur Verbesserung der Bestimmungen im Hinblick darauf gegeben ist. Die Verhandlungen mit dem Wirtschaftsministerium sind im Laufen. Das Konsumentenschutzministerium, das in dieser Sache nicht federführend ist, ist also schon seit längerer Zeit sehr bemüht, genau das umzusetzen, was Sie angesprochen haben, damit es eben künftig keine Haftungsfälle gibt.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nunmehr zur 15. und letzten Anfrage, 663/M. Fragestellerin ist Frau Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg) . Ich bitte sie, die Anfrage zu stellen.

Bundesrätin Ilse Giesinger: Herr Präsident! Frau Ministerin! Eine namentliche Bekanntgabe von Betrieben, die aufgrund von wiederholtem Inverkehrbringen verdorbener Lebensmittel zur Anzeige gebracht werden müssen, ist nach der bestehenden Rechtslage im Lebensmittelgesetz praktisch nicht mehr möglich, da vor allem bei größeren Betrieben die Möglichkeit besteht, Voraussetzungen für eine Veröffentlichung des Urteils durch innerbetriebliche Änderung der Verantwortung zu umgehen. Es sollte daher im Zuge der anstehenden Novelle zum Lebensmittelgesetz eine Regelung geschaffen werden, nach der eine Nennung von Betrieben, die wiederholt verdorbene Lebensmittel in Verkehr bringen, möglich ist.

Daher meine Frage:

663/M-BR/96

Sind Sie bereit, bei der anstehenden Novellierung des Lebensmittelgesetzes eine Regelung zu schaffen, wonach die Umgehung einer Veröffentlichung von Betrieben, die wiederholt verdorbene Lebensmittel in Verkehr bringen, nicht mehr möglich ist?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Präsident! Frau Bundesrätin! Mir ist das genauso ein Anliegen wie Ihnen, aber diese Sache ist leider nicht im Lebensmittelgesetz zu regeln. Wir leiden immer darunter, denn wir wissen, welche Betriebe es sind, dürfen es aber nicht bekanntgeben. – Ich bin gerne bereit, diese Frage noch einmal zur Diskussion zu stellen.


Bundesrat
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618. Sitzung / Seite 26

Wir sind mit dem Justizminister bereits im Gespräch, daß wir doch einen Weg finden, denn wir von der Konsumentenschützerseite sind der Auffassung – so wie Sie sich das aus dem Hintergrund heraus ja auch vorstellen –, daß man sich dann, wenn droht, daß der Betrieb genannt wird, vielleicht stärker am Riemen reißt, als das bis jetzt der Fall war. Aber grundsätzlich ist vom Lebensmittelgesetz her, das Sie ansprechen, eigentlich nichts zu machen.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Ilse Giesinger: Frau Ministerin! Da Sie bereit sind, in dieser Sache noch einmal aktiv zu werden, frage ich Sie: Können Sie einen Zeitpunkt nennen, bis zu dem mit konkreten Taten gerechnet werden kann?

Präsident Josef Pfeifer: Frau Bundesminister.

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Das kann ich Ihnen nicht sagen, denn das betrifft verschiedene Gesetze, und ich weiß nicht, wie lange die Abklärung dauern wird, wobei ich Ihnen nicht einmal sagen kann, ob diese Frage überhaupt zu Ihrer und meiner Zufriedenheit geklärt werden kann – das muß ich auch hinzufügen. Aber ich möchte es genauso, wie Sie es wollen.

Wann das geklärt sein wird, weiß ich nicht. Und ich füge hinzu: Ob das überhaupt möglich sein wird, weiß ich nicht, weil man das ja derzeit grundsätzlich gar nicht machen kann, bevor nicht eine Verurteilung in entsprechendem Ausmaß stattgefunden hat. Und das Gericht kann höchstens verfügen, daß der Name genannt wird – aber das muß dann schon ein sehr schwerwiegender Fall sein. Aber Sie wollen ja haben, daß man das grundsätzlich nennen kann. Wenn ich seriös bleiben möchte, kann ich Ihnen dafür sicher keinen Zeitpunkt nennen.

Präsident Josef Pfeifer: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht. – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, damit ist die Fragestunde beendet.

Ich danke der Frau Bundesministerin für die Beantwortung der Fragen.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Josef Pfeifer: Eingelangt sind zwei Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt sind weiters Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen, die den heutigen Tag betreffen.

Ich ersuche die Schriftführerin um die Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger:

"Der Herr Bundespräsident hat am 6. November 1996, Zl. 300.100/79-BEV/96, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johann Farnleitner innerhalb des Zeitraumes vom 14. bis 17. November sowie am 20. November den Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend und am 18. und 19. November 1996 den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Ich verlese das zweite Schreiben:


Bundesrat
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618. Sitzung / Seite 27

"Der Herr Bundespräsident hat am 6. November 1996, Zl. 300.100/78-BEV/96, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Arbeit und Soziales Franz Hums am 13. und 14. November 1996 die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten Dr. Helga Konrad mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Präsident Josef Pfeifer: Danke. – Wir nehmen das so zur Kenntnis.

Eingelangt ist ein Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Leistung eines Beitrages zur elften Wiederauffüllung der Mittel der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA 11).

Der genannte Beschluß unterliegt im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates. Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegenden Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind ferner Berichte – 13534 bis 15123 EU – über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e Bundes-Verfassungsgesetz. Diese Berichte habe ich dem EU-Ausschuß zugewiesen.

In Anbetracht des Umfanges habe ich gemäß § 18 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates nach Rücksprache mit den Vizepräsidenten angeordnet, daß eine Vervielfältigung und Verteilung zu unterbleiben hat, alle Vorlagen jedoch in der Parlamentsdirektion zur Einsichtnahme aufliegen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über die bereits früher eingelangten und zugewiesenen Berichte des Bundesministers für Umwelt betreffend Vierten Umweltkontrollbericht (Mai 1993 bis April 1995), des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit 1996 bis 1998 einerseits und betreffend Südtirol andererseits sowie der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1995 (Grüner Bericht 1995) abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Ich habe alle diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wünscht zur Tagesordnung jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Josef Pfeifer: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, daß mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Kapral, Mag. Langer, Dr. Riess-Passer, Dr. Tremmel und Kollegen betreffend Bedrohung der Sicherheit der Wiener und der Bevölkerung anderer österreichischer Städte an den Bundesminister für Inneres vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.


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1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird (310 und 388/NR sowie 5283 und 5285/BR der Beilagen)

Präsident Josef Pfeifer: Meine Damen und Herren! Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bäderhygienegesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Helga Moser übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Helga Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Das Bäderhygienegesetz wurde im Gesundheitsausschuß beraten, und ich darf es Ihnen zur Kenntnis bringen.

Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union macht im Bäderhygienerecht eine Anpassung an die Rechtslage der EU erforderlich. Durch die Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer werden für alle Arten von Oberflächengewässern, in denen das Baden von den zuständigen Behörden ausdrücklich gestattet oder nicht untersagt ist und in denen üblicherweise eine große Anzahl von Personen badet, Grenzwerte beziehungsweise Richtwerte für mikrobiologische, physikalische und chemische Parameter festgelegt. Diese Richtlinie ist in innerstaatliches Recht umzusetzen.

Mit dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates und der nachfolgenden Neufassung der Verordnung über Hygiene in Bädern wird der Anwendungsbereich des Bäderhygienegesetzes sowie der Verordnung über Hygiene in Bädern und Badestellen in Oberflächengewässern sowie um Kleinbadeteiche erweitert und – einem in den letzten Jahren zu beobachtenden Trend Rechnung tragend – hinsichtlich Warmsprudelbeckenbädern präzisiert.

In jüngster Zeit werden sogenannte Badebiotope als – umweltfreundliche – Alternative zu herkömmlichen Freibädern errichtet. Während Badebiotope im kleinen privaten Bereich vom Anwendungsbereich der bäderhygienerechtlichen Vorschriften nicht erfaßt werden sollen, besteht für den Gesetzgeber aus hygienisch-medizinischen Gründen Handlungsbedarf für Badebiotope, die für den öffentlichen Bereich angeboten werden.

Sämtliche dieser künstlich errichteten Badebiotope, bei welchen die "Reinigung" des Wassers im wesentlichen ausschließlich durch die in ihnen lebenden Mikro- und Makroorganismen, allenfalls unterstützt durch technische Einrichtungen wie Pumpen und dergleichen, erfolgt, sollen unter dem Begriff "Kleinbadeteiche" erfaßt werden. Nicht erfaßt werden sollen sogenannte Schotterteiche, die allenfalls unter dem Begriff "Badegewässer" fallen. Kleinbadeteiche für den öffentlichen Bereich können aufgrund ihres – im Gegensatz zu größeren, deutlich geringer frequentierten Oberflächengewässern, zum Beispiel Schotterteichen – geringeren Ausmaßes und höheren Belastungsprofils ihre Wasserbeschaffenheit sehr schnell ändern; ein Umstand, der zum Schutz der Gesundheit der Badenden zu besonderen Vorkehrungen zwingt.

Weiters soll eine rechtliche Grundlage geschaffen werden, die auf Antrag eine bescheidmäßige Zulassung nicht bereits in der Verordnung über Hygiene in Bädern enthaltener Aufbereitungsverfahren, Verfahrenskombinationen, Flockungsmittel, Desinfektionsmittel und Mittel zur ph-Wert-Einstellung für einen Testbetrieb ermöglicht.

Der Gesundheitsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 12. November 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Josef Pfeifer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Payer. – Ich erteile dieses.


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10.20

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Die Novelle zum Bäderhygienegesetz ist ein wertvoller Beitrag zum Schutz der Badenden vor Infektionen oder sonstigen Gesundheitsschäden. Diese Novelle ist eine präventive Maßnahme, und sie soll die Gefahr der Übertragung von Krankheiten minimieren. Diese Novelle ist eine Maßnahme für die Gesundheit der Menschen. Diese Novelle bringt eine Qualitätsverbesserung für die Gesundheit unserer Bevölkerung.

Ich möchte aber der Frau Bundesminister Dr. Krammer nicht allein aus gesundheitspolitischen Gründen für diese Gesetzesänderung danken. Die vorliegende Novelle hat auch einen fremdenverkehrspolitischen Aspekt, der nicht zu unterschätzen ist. Die Reinheit der österreichischen Badeseen ist sprichwörtlich. Unser Sommertourismus lebt zu einem großen Teil von der guten Wasserqualität der österreichischen Badeseen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Die großen Flächen sind ja nicht betroffen von diesem Gesetz! – Bundesministerin Dr. Krammer: Jedes Lackerl gehört dazu!) Der notwendige Bericht über die Durchführung der Richtlinie wird erstmals für das Jahr 1997 an die Europäische Kommission zu übermitteln sein. Dieser Bericht kann meiner Meinung nach in allen EU-Mitgliedstaaten, aber auch darüber hinaus ein wichtiger Werbeträger für den Fremdenverkehr werden.

Nun zu konkreten Ansätzen dieser Novelle.

Da wir aber heute eine sehr umfangreiche Tagesordnung mit sehr vielen Rednern haben, werde ich mich bemühen, nur die wichtigsten Aspekte herauszuarbeiten, und ich hoffe, daß ich im Laufe des heutigen Tages, ohne daß eine Qualitätsminderung eintritt, einige Nachahmer finden werde. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege! Wenn Sie mich so oft unterbrechen und nicht qualitätsvolle Anmerkungen machen, dann dauern meine Ausführungen leider auch etwas länger. Ich werde mich aber sehr bemühen, und ich hoffe, Sie sind einer der eifrigsten Nachahmer.

Dem derzeit geltenden Bäderhygienegesetz unterliegen Hallenbäder, künstliche Freibeckenbäder, Saunaanlagen und die landseitigen Anlagen von Bädern an Oberflächengewässern, nicht hingegen Badegewässer selbst, deren Beurteilung derzeit nur aufgrund der rechtlich nicht verbindlichen ÖNORM M 6230 erfolgt.

Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union bringt mit sich, daß die Richtlinie 76/160/EWG über die Qualität der Badewässer bis 31. 12. 1996 in innerstaatliches Recht umzusetzen ist. Aus diesem Grund wird mit der nun vorliegenden Novelle der Geltungsbereich des Bäderhygienegesetzes um Badegewässer erweitert. Diese zirka 300 Badegewässer werden ab der Badesaison 1997 – diese wird mit 15. Juni bis 31. August festgelegt werden – in 14tägigen Intervallen auf bestimmte mikrobiologische, physikalische und chemische Parameter überprüft werden. Die Überwachung der Badestellen während der Badesaison obliegt den Bezirksverwaltungsbehörden. Im Sinne der für sämtliche beteiligten Gebietskörperschaften kostengünstigsten Variante werden die zur konkreten Überprüfung heranzuziehenden Sachverständigen vom Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz vorgegeben werden. Die Ergebnisse dieser Überprüfungen werden nach Ende der jährlichen Badesaison der Europäischen Kommission übermittelt werden, sodaß in Hinkunft auch die österreichischen Badegewässer in dem von der Europäischen Kommission jährlich herausgegebenen Bericht über die Qualität der Badewässer in der Europäischen Union enthalten sein werden, was bei der guten Qualität der österreichischen Badewässer für den Tourismus – und das habe ich schon eingangs gesagt – sicher aus der Sicht des Wettbewerbes von Vorteil sein wird.

Einem Trend der letzten Jahre Rechnung tragend werden künstlich eingerichtete Kleinbadeteiche wie Badebiotope, Swimmingteiche, Biobadeteichanlagen, sofern diese für die Öffentlichkeit angeboten werden, in den Geltungsbereich dieses Gesetzes einbezogen sowie Warmsprudelbeckenbäder und Warmluft- und Dampfbäder, die das geltende Bäderhygienegesetz lediglich als eine Nebeneinrichtung erfaßt, näher geregelt. Im Hinblick auf die in den letzten Jahren stattgefundene Entwicklung, insbesondere bei Warmluftbädern, erscheint eine klare Abgrenzung zu


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Saunaanlagen zweckmäßig. Für Whirlpools sind nähere Regelungen erforderlich, da von diesen sehr kleinräumigen warmen Becken die höchste potentielle Gefährdung durch Übertragung von krankheitserregenden Bädern ausgeht.

Für Badebiotope, bei denen die Reinigung des Wassers im wesentlichen ausschließlich durch die in ihnen vorkommenden Mikro- und Makroorganismen erfolgt, besteht aus medizinisch-hygienischer Sicht Handlungsbedarf, wenn sie im öffentlichen Bereich angeboten werden, weil diese Anlagen wegen ihres geringen Ausmaßes und hohen Belastungsprofils ihre Wasserbeschaffenheit sehr schnell ändern.

Anregungen aus der Praxis folgend, soll es ermöglicht werden, daß auch Ziviltechniker einschlägiger Fachgebiete und chemische Laboratorien in den Prozeß zur Erstellung wasserhygienischer Gutachten eingebunden werden dürfen.

Nun noch einige Anmerkungen zu den finanziellen Auswirkungen. Es entstehen Kosten von zirka 3 Millionen Schilling pro Jahr. Da das Budget für 1997 schon beschlossen ist, wird dieser Betrag durch Umschichtungen innerhalb des Ministeriums aufgebracht werden. Den Ländern erwachsen bei der Überprüfung der Badewässer selbst keine Kosten. Lediglich jene Kosten werden von den Ländern zu tragen sein, die mit der Erstellung eines zusammenfassenden Berichtes am Ende der Badesaison verbunden sein werden. Ich glaube, daß dieser Aspekt für uns Bundesräte sehr, sehr wichtig ist.

Allenfalls könnten auch Kosten durch die erforderlichen Maßnahmen wie die Verhängung eines Badeverbotes bei drohender Gefahr für die Gesundheit der Badenden entstehen. Ich glaube aber, daß das Geld für diese laufenden Kontrollen besser angelegt ist, als wenn man die Folgekosten bezahlen muß, die für die Heilung von diversen Krankheiten anfallen.

Zusammenfassend erlaube ich mir namens meiner Fraktion zu erklären, daß wir diese Novelle begrüßen und keinen Einspruch erheben werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. )

10.28

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Rodek. Ich bitte ihn, zu sprechen.

10.28

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute ein Bundesgesetz zu beschließen – wahrscheinlich in seltener Einmütigkeit (Bundesrat Dr. Tremmel: Warten Sie ab! – Bundesministerin Dr. Krammer: Das wäre ein Wunder!) –, mit dem das Bäderhygienegesetz aus dem Jahr 1976 beziehungsweise aus 1994 geändert wird. Und wie es Kollege Payer schon ausgeführt hat, handelt es sich dabei im wesentlichen um ein Gesetz, das durch den Beitritt zur Europäischen Union notwendig geworden ist und für dessen Anpassung Österreich bis zum 31. Dezember dieses Jahres eine Übergangsfrist eingeräumt worden ist.

Mit dem vorliegenden Gesetz und der Neufassung der Verordnung über Hygiene in Bädern wird der Anwendungsbereich des Bäderhygienegesetzes um Badestellen in Oberflächengewässern sowie um Kleinbadeteiche erweitert und – um einem neuen Trend auch Rechnung zu tragen – hinsichtlich Whirlpools präzisiert.

Whirlpools größeren Ausmaßes finden ja überwiegend im gewerblichen Rahmen Verwendung und sind daher meistens schon nach der Gewerbeordnung oder nach der ÖNORM überprüft, sodaß diese Präzisierung praktisch nur eine Anpassung der Rechtslage an die tatsächlichen Gegebenheiten bedeutet, um damit auch ein Mindestmaß an hygienischen Anforderungen sicherzustellen und die Menschen vor der Gefahr von Übertragungen von Krankheiten zu schützen.

Bei den in diesem Gesetz angeführten Kleinbadeteichen handelt es sich um umweltfreundliche Alternativen zu diesen herkömmlichen Freibädern, die durch Um- oder auch Neubauten in die


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moderne Variante dieses Kleinbadeteiches umgewandelt worden sind. Und da nicht einmal zehn solcher Anlagen in ganz Österreich bekannt sind, ist wahrscheinlich auch nicht mit einer besonderen finanziellen Mehrbelastung aufgrund der Durchführung dieses Gesetzes zu rechnen.

Wesentlich anders stellt sich aber die Situation schon bei den nach den neuen Richtlinien zu erfassenden Oberflächengewässern dar, die ja selbst nach den bisherigen bäderhygienerechtlichen Vorschriften nicht erfaßt gewesen sind. Hier werden sicherlich von der Öffentlichkeit zu Recht strengere Maßnahmen hinsichtlich der Wasserqualität verlangt, und es ist daher richtig und notwendig, daß von der Europäischen Union einheitliche Mindeststandards für alle Länder der EU und nicht nur von Österreich verlangt werden.

Überprüfungen von Binnengewässern im Jahre 1995 – Österreich noch nicht mit eingeschlossen – haben einen hohen Sanierungsbedarf gezeigt, da von den 3 000 Proben, die gezogen worden sind, 1 700 nicht den gesundheitlichen Erfordernissen entsprochen haben. In Italien – man höre und staune! – erhielten immerhin 88 Prozent der Binnengewässer, nicht der Küstengewässer, gute Bewertungen. In Finnland waren es 83 Prozent, während Deutschland mit 45 Prozent und Frankreich mit 44 Prozent im abgeschlagenen Feld landeten. Von diesen Ländern, aber auch von Spanien und Belgien zum Beispiel, hat die EU-Kommission Pläne verlangt, wie diese die Qualität der Gewässer verbessern wollen.

Vernichtend ist nämlich auch das Urteil aus Brüssel betreffend die Untersuchungen bei den Kolibakterien in den Binnengewässern. Nur 65 Prozent der Badeseen und Flüsse der Europäischen Union sind in dieser Hinsicht badetauglich, und nur ein See am finnischen Polarkreis ist völlig unbedenklich. Aber darüber werden sich höchstens die kälteunempfindlichen und saunagestählten Lappen freuen können.

Österreich scheint in diesem Bericht noch nicht auf, weil uns als einzigem neu beigetretenen EU-Mitgliedsland, wie schon erwähnt, eine Frist bis 31. 12. dieses Jahres eingeräumt wurde. Am Beginn der Badesaison besteht, wie schon von Herrn Kollegen Payer ausgeführt, dann auch bei uns die gesetzliche Verpflichtung, in vierzehntägigen Abständen den hygienischen Zustand der Badeseen zu überprüfen und einen Bericht abzugeben. Hier werden zwar für die rund 300 von den Ländern bekanntgegebenen Badestellen Kosten in der Höhe von zirka 3 Millionen Schilling pro Badesaison erwachsen, die aber sicherlich, wie ebenfalls schon ausgeführt, über den Umweg des Fremdenverkehrs wieder hereingebracht werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sicher, daß wir diesen neuen Hygiene- und Kontrollvorschriften gelassen entgegensehen können. Die schon bisher durchgeführten Untersuchungen haben ergeben, daß Österreichs Seen Topqualität aufweisen. Bei uns in Oberösterreich erhielten sämtliche Seen, mit Ausnahme der Moorseen, aber die sind hinsichtlich der Schwebestoffe anders ... (Bundesrat Dr. Tremmel: Sie haben ja einen hervorragenden Gesundheitsreferenten in Oberösterreich! Ich glaube, der Landesrat Achatz ist das!)

Für Gesundheit ist in Oberösterreich nicht (Bundesrat Dr. Tremmel: Fürs Wasser! Fürs Wasser!) der Landesrat Achatz zuständig, sondern er ist für Wasser zuständig. Wobei ich in dieser Hinsicht den Mund nicht allzuvoll nehmen würde, weil Achatz – ich habe diese Zeitung mit, in der "Neuen Zeit" steht das, und das wird wahrscheinlich heute noch zur Debatte kommen – der Meinung ist, daß die Landwirtschaft der ärgste Wasserverschmutzer ist. Die Freiheitlichen, die sich sonst immer als Schutzschild für die Landwirtschaft darstellen, hauen in dieser Hinsicht der Landwirtschaft kräftig eine runter, wenn sie sagen, daß die Landwirtschaft der größte Wasserverschmutzer ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber trotz Achatz, hätte ich beinahe gesagt, erreichen Oberösterreichs Seen durch die Bank die Wasserqualität eins und zwei. Aber nicht nur die in Oberösterreich, sondern sämtliche Seen Österreichs haben die höchste Wasserqualität. Von den 28 untersuchten Seen in Tirol weisen 24 die Güteklasse eins auf. Die Badeseen in Vorarlberg – auch der Bodensee gehört dazu – sind hygienisch einwandfrei. Diese Liste ließe sich beliebig quer durch ganz Österreich fortsetzen. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)


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618. Sitzung / Seite 32

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese für uns so erfreuliche Tatsache ist aber auch gleichzeitig Verpflichtung, diesen Zustand aufrechtzuerhalten und Österreichs immer wertvoller werdenden Rohstoff, nämlich sauberes Wasser, auch abzusichern.

Manchmal wird ja mit dem Wasser so umgegangen, als handle es sich hier um unbegrenzte Reserven. Dabei beträgt der Pro-Kopf-Verbrauch der Bevölkerung 260 Liter Gebrauchswasser – mit eingerechnet das Trinkwasser – pro Tag. Versucht man die Ressourcenvernichtung in den bisherigen Verlauf der Weltgeschichte einzuordnen, kommt man zwangsläufig zu dem Ergebnis, daß der Mensch in den letzten 50 Jahren mehr Schaden angerichtet hat als die Menschheit in ihrer ganzen Geschichte zuvor.

Zur Erhaltung einer uneingeschränkten Wasserqualität gilt es daher in erster Linie, das Grundwasser zu schützen und die Quellgebiete zu bewahren. Einen wesentlichen Beitrag leisten dazu aber auch unsere Seen, die als riesige Wasserspeicher für eine Regulierung des Wasserhaushaltes sorgen. Strenge hygienische Auflagen zur Reinhaltung unserer Seen erfüllen daher in zweierlei Hinsicht ihren Zweck: erstens, für sauberes Wasser zu sorgen, und zweitens, die Badenden vor Krankheiten und Infektionen zu schützen.

Da die uns zur Beschlußfassung vorliegende Gesetzesmaterie die dafür notwendigen Voraussetzungen schafft, wird meine Fraktion gerne ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

10.37

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort ist weiters gemeldet Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm.

10.37

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (FPÖ, Steiermark): Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident, ich bedanke mich für die Worterteilung! Mein Zwischenruf, daß meine Fraktion eventuell Bedenken gegen das Bäderhygienegesetz hätte, stimmt nicht ganz. Wir werden natürlich dieser Materie, weil sie der Hygiene, der Gesundheit der Menschen dient, unsere Zustimmung geben.

Meine Vorredner haben bereits sehr qualitätsvoll die materiellen Inhalte dieses Gesetzes geschildert. Ich möchte dort beginnen, wo Herr Kollege Payer aufgehört hat, nämlich bei den Kosten. Sie haben sie mit zirka 3 Millionen beziffert – das stimmt, das sind die Kosten, die die Durchführung dieses Gesetzes beinhaltet.

Ich aber möchte auf die umwegrentablen Kosten zu sprechen kommen, auf die Kosten, die dieses Bäderhygienegesetz verursacht. Es ist ein typisches Gesetz mit finanzieller Folgewirkung für Bereiche der Länder und der Gemeinden. Wenn sie nämlich Badeanlagen errichten, haben sie ganz bestimmte Auflagen zu erfüllen. Dieses Gesetz verursacht ungeheure Kosten, weil die entsprechenden Auflagen eingehalten werden müssen.

Jetzt könnte man neutral sagen, na ja, das ist ein Zielgesetz in Richtung Länder und vor allem Gemeinden, ein Bein des Föderalismus, das sich an und für sich überhaupt nicht wehren kann, weil es ja eigentlich nie befragt wird. (Bundesrat Payer: Seit 1976 gibt es schon dieses Gesetz!) Ich weiß, und seit 1976 gibt es diese Probleme! Hier entstehen Kosten, die auch – ganz aktuell – bei der Regierungsklausur moniert wurden.

Der Landeshauptmann Zernatto aus Kärnten sagt: Ja, wir müssen uns heute gegen Gesetze wehren, die finanzielle Folgewirkungen – ob direkter oder indirekter Art, ist ganz egal – haben.

Ebenso verkündet Herr Vizekanzler Schüssel laut einer heutigen Pressemeldung: "Mit dem Bund gab es eine Einigung über den sogenannten Konsultationsmechanismus." – Dazu werde ich auch noch ein paar Worte sagen. – "Er besagt, daß keine Gebietskörperschaft" – und nun merken Sie auf, meine Damen und Herren – "mehr ein Gesetz beschließen darf, das eine andere belastet. Nur wenn sich etwas aufgrund von EU-Richtlinien verteuert" – das ist in diesem Fall natürlich auch mit gegeben –, "muß der Mechanismus nicht angewandt werden."


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Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich frage mich, wie diese Konsultationen erfolgen. Natürlich haben die Begutachtungen stattgefunden, ich habe hier auch das entsprechende Blättchen der Steiermärkischen Landesregierung, aber die Gemeinden wurden eigentlich überhaupt nicht gehört.

Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz und viele andere Gesetze reichen in einen Kernbereich hinein, und zwar insofern, als der Finanzausgleich, so wie er derzeit vom Bund gehandhabt wird, in dieser Form ungerecht ist. Er ist deswegen ungerecht, weil zusätzliche Kosten entstehen, ohne daß sich die Gebietskörperschaften und vor allem die Gemeinden wehren können.

Das ist auch nicht das einzige Gesetz, das sich so auswirkt. Wenn ich etwa im Bereich der Frau Bundesministerin bleibe, dann fällt mir als weiteres Beispiel das Hebammengesetz ein – eine ganz neutrale Materie –, das solche Kosten verursacht, und zwar nicht deshalb, weil man da die Matura eingeführt hat, sondern weil Schulen eingerichtet werden müssen. Oder das Krankenanstaltengesetz, wo Beiräte geschaffen werden, wo Schulungen durchgeführt werden müssen, und zwar nicht vom Bund, sondern von den Ländern und teilweise von den Gebietskörperschaften. (Bundesrat Payer: Gerade in diesem Gesetz ist das auch genau drinnen!)

Herr Kollege Payer! Ich wiederhole noch einmal: Der Formalaufwand wird genannt, allein der Verwaltungsaufwand wird hier genannt, etwa, daß es soundso viele zusätzliche Kontrollore geben muß, aber die Umwegrentabilität der finanziellen Belastung wird überhaupt nicht genannt.

Ich sage Ihnen ein Beispiel aus Graz: Dort sind soundso viele Saunen herzurichten, Sprudelbecken herzurichten – ich glaube, das ist das deutsche Wort für Whirlpool –, und viele andere Dinge. (Bundesrat Payer: Nur dann, wenn sie dem Fortschritt nicht entsprechen!) Das kostet eine Menge Geld! Ich als Föderalist sage Ihnen: Ich wehre mich als Föderalist dagegen, daß der Bund hier dekretiert und die Gebietskörperschaften zahlen müssen! Das ist ungerecht, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das gefährdet letztlich auch unseren demokratischen Bestand. Wir sollten uns das wirklich überlegen! Ich achte Ihren Herrn Vizekanzler Schüssel, der gesagt hat: Es soll in Zukunft keine Gesetze mehr geben – lange genug haben wir hier darüber gejammert und moniert –, die finanzielle Folgewirkungen für die Länder haben. – Heute steht es in der Zeitung (der Redner hält eine Unterlage in die Höhe) , überall steht es, aber leider Gottes beschließen wir immer wieder Gesetzesmaterien, die finanzielle Folgewirkungen für die Länder inkludieren.

Noch ein Letztes – verzeihen Sie bitte, daß ich hier Randbereiche streife, aber es sind wichtige Randbereiche! –, und zwar zum sogenannten Konsultationsmechanismus. Dieser Konsultationsmechanismus geht eigentlich über die Kompetenz des Bundesrates hinweg und berücksichtigt gar nicht, daß es hier ein föderalistisches Organ gibt! Aber dieser Konsultationsmechanismus wird hier selbstverständlich als Einrichtung zur Kenntnis genommen. Ich verweise auf Artikel 33 und Artikel 34 unserer Bundesverfassung.

Der Bundesrat, meine Damen und Herren, wird hier in ein Schattendasein geschoben, und das sollte eigentlich nicht passieren! Erinnern Sie sich bitte an unsere immer wieder erfolgten Hinweise in dieser Richtung.

Da einigt sich die Landeshauptmännerkonferenz, setzt sich aber letztlich nicht durch, so, wie es zum Beispiel beim Finanzausgleich oder etwa bei der Bundesstaats- und Bundesratsreform der Fall war. Im Oktober 1993 ist etwa das Perchtoldsdorfer Paktum feierlich unterzeichnet worden – aber es ist nie verfassungsmäßige Realität geworden.

Meine Damen und Herren! Auch das spielt hier sehr vehement hinein.

Meine Fraktion wird diesem Gesetz deswegen die Zustimmung geben, weil es, wie die Herren Vorredner richtigerweise ausgeführt haben, der Hygiene, der Gesundheit der Menschen und der Erhaltung unserer natürlichen Quellen dient.


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Wir haben fast alles, nur drei Dinge nicht mehr unbeschränkt auf dieser Welt: Das ist gesunde Luft zum Atmen, klares Wasser zum Trinken und unvergiftete Erde zum Anbau unserer Pflanzen. Und weil es auch mit in diese Zielrichtung geht, ist dieses Gesetz zu begrüßen.

Andererseits und zum Abschluß, meine Damen und Herren, müssen wir uns den Kopf darüber zerbrechen, wie es zu einer Finanzgerechtigkeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden kommen kann. Auch daran wird unsere Demokratie gemessen werden.

Im übrigen, ich habe es schon ausgeführt, werden wir dieser Materie unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.45

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zum Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Krammer. Ich erteile es ihr.

10.45

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Zunächst stelle ich mit Freude fest, daß Sie diesem Gesetz trotzdem die Zustimmung geben werden. Das freut mich. Aber ich kann nicht umhin, einige Bemerkungen zu Ihrer Klage zu machen, der Finanzausgleich sei ungerecht.

Ich würde eher die Bemerkung, die Sie dazu gemacht haben, als ungerecht qualifizieren, wenn Sie gestatten, denn der Finanzausgleich wird abgehandelt mit den Ländern, den Gemeinden und dem Städtebund. Ich war bei einigen dieser Finanzausgleichsgespräche schon dabei. Ich kann Ihnen sagen, das ist ein hartes Ringen, glauben Sie mir! Weder die Gemeinden noch die Städte noch die Länder lassen sich etwas gefallen oder lassen sich unter den Tisch kehren. Das sei hier mit aller Klarheit und Deutlichkeit festgestellt.

Die Länder, die Gemeinden und die Städte wissen sehr wohl, was sie wollen. Und sie sind fähig und auch willens, sich zu artikulieren, und sie setzen auch immer ihren Willen durch. Das ist ein hartes Ringen, das sehr lange dauert, dem dann aber schlußendlich zugestimmt wird. – Das ist das eine. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Penz: Dann brauchen wir ja gar keinen Konsultationsmechanismus!)

Nein, nein! Ich darf Ihnen zur Erklärung etwas sagen: Der Finanzausgleich ist die eine Sache, der Konsultationsmechanismus aber bezieht sich auf die Gesetze, die laufend im Parlament beschlossen werden. Der Finanzausgleich ist eine Abmachung zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Städten, wohingegen der Konsultationsmechanismus sich auf die Gesetze bezieht, die im Parlament beschlossen werden. – Nebenbei bemerkt gibt es ihn noch nicht. (Bundesrat Dr. Tremmel: Den gibt es! Paragraph 5 Finanzausgleichsgesetz, da wäre er drinnen!) Nein! Er ist de facto nicht festgeschrieben.

Der Konsultationsmechanismus, von dem wir reden, bezieht sich darauf, daß künftighin, sollte er beschlossen werden, jedes Gesetz nicht nur hinsichtlich der Kosten, die im Hinblick auf Bundesausgaben erwachsen, geprüft wird, sondern auch hinsichtlich der Kosten, die aufgrund dieses Gesetzes den Ländern, den Gemeinden und den Städten erwachsen. Das ist der Konsultationsmechanismus, von dem Sie, wie ich annehme, gesprochen haben. Dieser Konsultationsmechanismus ist noch nicht gesetzlich fixiert.

Allerdings müßte man – und ich teile Ihre diesbezügliche Meinung – schon jetzt, obwohl es ihn de jure noch nicht gibt, diesem Konsultationsmechanismus Rechnung tragen. Ich bin dafür, daß man sagt: Es können keine Gesetze beschlossen werden, ohne darauf zu achten, welche Folgekosten das für die Länder, für die Gemeinden und für die Städte hat.

Wir haben bei diesem Bäderhygienegesetz sehr wohl die Frage nach den Kosten gestellt. Das alles ist mit Gemeindebund, Städtebund und den Ländern abgestimmt worden. Das sei auch festgehalten. Allerdings, Herr Bundesrat Tremmel (Bundesrat Dr. Tremmel ist mit seinem Nachbarn ins Gespräch vertieft), wenn Sie mir jetzt kurz Ihre Aufmerksamkeit schenken (Bundesrat Dr. Tremmel: Ich widme Sie Ihnen!), – das freut mich –, haben Sie im Grunde nicht von den


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Kosten gesprochen, die nun aufgrund der Novellierung dieses Bäderhygienegesetzes entstehen, sondern von den Kosten gesprochen, die jetzt jenen Gemeinden erwachsen, die bisher noch nicht einmal der jetzigen Bäderhygieneverordnung Folge geleistet haben. Denn wenn eine Gemeinde bis jetzt die technische Ausstattung noch nicht hat, die sie schon längst aufgrund der vorliegenden Bäderhygieneverordnung hätte haben müssen, dann – das gestehe ich Ihnen zu – erwachsen dieser Gemeinde natürlich Kosten, aber nicht infolge des Bäderhygienegesetzes, sondern aufgrund der Tatsache, daß sie bis jetzt den Anforderungen nicht Rechnung getragen haben.

Wenn Sie, wie Sie gesagt haben, diesem Gesetz zustimmen werden, weil es der Gesundheit förderlich ist und weil, wie ich hinzufügen möchte, es auch für den Tourismus sehr gut ist, in dem Ruf zu stehen, ein strenges Bäderhygienegesetz zu haben, dann können Sie eigentlich nur dem, was ich gesagt habe, zustimmen und müßten sagen: "Pech für die Gemeinden, die die Bäderhygieneverordnung, die bis jetzt bestanden hat, nicht umgesetzt haben." – Ich bedanke mich.

10.50

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zum Wort gelangt Herr Bundesrat Erhard Meier. Ich erteile es ihm. Herr Bundesrat Dr. Tremmel ist vorgemerkt. – Bitte, Herr Bundesrat Meier.

10.50

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte auch ein paar Worte zu der vorangegangenen Debatte, die teilweise über das Bäderhygienegesetz hinausgegangen ist, sagen.

Herr Bundesrat Dr. Tremmel! Wir alle sind dafür, daß den Gemeinden und den Ländern nicht Kosten aufgebürdet werden, die sie nicht tragen können. Deshalb gibt es ja auch den Finanzausgleich. Deshalb begrüße ich auch dieses Konsultationsverfahren. Es ist notwendig, schon im vorhinein über Kosten Bescheid zu wissen, die für irgend jemanden entstehen können. Man kann aber nicht den Inhalt dieses Bäderhygienegesetzes begrüßen und diesen loben, ohne die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten zur Kenntnis nehmen zu wollen.

Wenn man für die Österreicherinnen und Österreicher, aber auch für unsere Gäste und Touristen einen entsprechenden Standard an Hygiene für all diese im Gesetz aufgezählten Anlagen – Teiche, Seen, Hallenbäder und so weiter – haben will, dann muß man die entsprechenden Einrichtungen schaffen. Genauso muß ein Gastbetrieb bestimmte Hygienevoraussetzungen erfüllen, damit wir unseren Gästen einen hohen Standard zu einem entsprechenden Preis anbieten können.

Ich glaube schon, sagen zu dürfen, daß die sich ergebenden Kosten in diesem Gesetz klar dargestellt sind. Natürlich ist es notwendig, daß der Betreiber dieses Badeteiches, um bei diesem Beispiel zu bleiben, und vor allem dieses Whirlpools, dieses Sprudelbeckens, die Voraussetzungen schafft, daß es dort zu keinen Erkrankungen kommt. Darum kommen wir doch nicht herum!

Da wir aufgrund der EU-Rechtslage aufgefordert sind, hier eine Änderung vorzunehmen, meine ich, daß wir in dieser Angelegenheit darauf verweisen sollten, daß Österreich wirklich hygienisch hervorragende Badegewässer besitzt. Im Anschluß an meinen Vorredner, Herrn Kollegen Rodek, möchte ich diesbezüglich natürlich besonders auf die Seen im Salzkammergut verweisen – dasselbe gilt aber auch für Kärntner Seen und andere österreichische Gewässer – und sagen, daß wir faktisch im Trinkwasser baden können. Das ist außerordentlich erfreulich!

Das heißt also, daß diese EU-Forderungen, die zu dieser Novellierung führten, in Österreich eigentlich gar nicht mehr nachvollzogen werden müssen, weil wir sie bereits weitestgehend erfüllen, und darauf sollten wir auch stolz sein!

Die Bäderhygiene fällt in die Kompetenz des Bundes, die Sicherheitsvorkehrungen wiederum in die Länderkompetenz. Vergessen wir aber nicht, daß eine Reihe gewerblicher Betriebsanlagen


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gar nicht unter diese Regelung fällt, weil die Betriebe die entsprechenden Auflagen bereits im Gewerbeverfahren erfüllen müssen.

Sicherlich sind die Kosten zu beachten. Es müssen an diesen 322 genannten Badestellen während der Badezeit vom 15. Juni bis 31. August jeweils sechs Proben gezogen werden. In bezug auf die vorhin schon erwähnte Qualität unserer Gewässer würde ich meinen, daß es fast zu viel ist, alle 14 Tage zu prüfen. Ich hoffe nur, daß die anderen EU-Länder die Qualität, die wir schon haben, ebenfalls erreichen und diese Auflagen ebenso erfüllen. Weil wir die hohe Qualität bereits haben, hätte ich gemeint, daß nicht überall sechsmal geprüft werden muß, aber das ist eine vorgegebene Zahl.

Ich hoffe für den Bund auch sehr, daß wir mit dem Kostenrahmen von 1 600 S pro Überprüfung auskommen werden. Die Überprüfung des Grundlsees von Graz aus wird zum Beispiel sicher mehr kosten, weil der Betrag von 1 600 S inklusive Fahrzeit gedacht ist.

Zusammenfassend möchte ich aber doch sagen: Wenn wir diese Qualität durchgehend und überall erreichen wollen, wenn wir sie belegen und mit dieser auch werben wollen, müssen wir uns aus Gründen der Qualität und der Hygiene zu dieser Maßnahme bekennen. Dies tun wir, indem wir vorschlagen, dieses Gesetz zu befürworten und keinen Einspruch zu erheben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

10.55

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. – Ich erteile es ihm.

10.55

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (FPÖ, Steiermark): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Hoher Bundesrat! – Um meinen Fauxpas von vorhin wiedergutzumachen, darf ich zuerst, entsprechend der Charmantesse der Geschlechter, die Frau Bundesministerin nennen und erst dann den Herrn Präsidenten!

Es ist sonst nicht meine Art, zu korrigieren, aber betreffend den Konsultationsmechanismus, über den wir vorhin gesprochen haben, habe ich nun den Artikel 98 der Bundesverfassung vor mir liegen. (Bundesministerin Dr. Christa Krammer : Sie reden von einem anderen!) Nein, es ist der gleiche. Er umfaßt eine Seite. Es ist der gleiche, ich werde Ihnen das gleich beweisen.

In diesem Artikel 98 Absatz (2) heißt es:

"Wegen Gefährdung von Bundesinteressen kann die Bundesregierung gegen den Gesetzesbeschluß eines Landtages binnen acht Wochen von dem Tag, an dem der Gesetzesbeschluß beim Bundeskanzleramt eingelangt ist, einen mit Gründen versehenen Einspruch erheben."

Nur zur historischen Klarstellung: Es hat seinerzeit einen Regierungsentwurf gegeben, und zwar den sogenannten Artikel 98a. Im Zuge der Föderalismusverhandlungen hier war dieser Einspruch nur mehr dem Finanzminister zugeordnet. (Zwischenbemerkung von Frau Bundesministerin Dr. Krammer. ) Ja, es ist nicht gekommen, ich weiß, aber das spricht ein bißchen für die Partnerschaft dieser Verhandlungen.

Was wir haben möchten, was ich haben möchte, Frau Ministerin, ist, daß diese Möglichkeit wechselseitig erfolgt, so wie es im Artikel 9 des Finanzverfassungsgesetzes vorgesehen ist.

Jetzt zu meinem Hinweis von vorhin, als ich gesagt habe, daß dieser Konsultationsmechanismus ja bereits im Finanzausgleichsgesetz vorhanden sei. Ich habe zwischengerufen, das sei der Paragraph 5, Voraussetzungen für die Aufnahme von Verhandlungen.

In diesem FAG § 5 Absatz (1) heißt es: "Der Bund hat mit den am Finanzausgleich beteiligten Gebietskörperschaften vor der Inangriffnahme steuerpolitischer Maßnahmen, die für die Gebietskörperschaften mit einem Ausfall an Steuern, an deren Ertrag sie beteiligt sind, verknüpft sein können, Verhandlungen zu führen." – Und jetzt kommt es: – "Das gleiche gilt für Mehrbelastungen, die als Folge von Maßnahmen des Bundes am Zweckaufwand der Gebietskörper


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618. Sitzung / Seite 37

schaften zu erwarten sind." – Das ist ein typischer Hinweis, und das hätten wir auch im Konsultationsmechanismus.

Was hier vielleicht überhört wurde – vielleicht auch wissentlich überhört wurde von den Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates; einige haben genickt –, ist folgendes: Mich stört bei diesem Konsultationsmechanismus nicht, daß er im gesetzesfreien Raum entstanden ist, sondern daß er das dazu ausersehene föderalistische Organ, nämlich den Bundesrat, nicht einbezieht. Das stört mich! Ich verweise auf Artikel 33 und Artikel 34 unserer Bundesverfassung.

Wir haben einmal gesagt, der Bundesrat führe ein Schattendasein. Genau dieses Schattendasein, dieses Verbleiben im Schatten hat diese Einrichtung verstärkt. Das wollte ich hiermit dartun und vorbringen, einfach aus Selbstachtung vor dem Gremium, dem ich hier angehöre. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.58

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht gegeben.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 über ein Bundesgesetz betreffend Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG) (313 und 389/NR sowie 5286/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: Medizinproduktegesetz.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Johann Payer übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.

Berichterstatter Johann Payer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Begriff "Medizinprodukt" ist eine relativ junge Wortschöpfung, welche die Gesamtheit aller medizinischen Geräte – Bedarfsartikel, Produkte für die medizinische Labordiagnostik und medizinische Hilfsmittel für Behinderte – bezeichnet.

Der Medizinprodukte-Bereich ist durch eine ungeheure Produktvielfalt und Dynamik gekennzeichnet. Er ist zu einem Grundpfeiler der modernen Medizin und durch sein Innovationspotential zu einem wesentlichen Motor des medizinischen Fortschritts geworden. Viele Medizinprodukte gehören mehr oder weniger zu unserem Alltag, wie Korrekturbrillen, Kontaktlinsen, Pflegeprodukte, Fieberthermometer, Blutdruckmeßgeräte, Pflaster, Verbandsmaterialien, Stützstrümpfe, Zahnkronen und Zahnbrücken, künstliche Gebisse, Zahnspangen, Hörgeräte, Schwangerschaftstestpräparate und Kondome.

Ihr überwiegendes Einsatzgebiet finden Medizinprodukte aber naturgemäß im Bereich der professionellen ambulanten und stationären medizinischen Versorgung. In der Diagnostik, Thera


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pie, Prophylaxe und Rehabilitation sind sie aus der medizinischen Versorgung nicht mehr wegzudenken und tragen wesentlich zur Leistungsfähigkeit der modernen Medizin bei.

Besonders bemerkenswert ist die ungeheure Dynamik, die dem Medizinproduktebereich innewohnt. Neue und ständig verfeinerte Technologien finden heute in immer kürzerer Zeit ihren Weg von der technologischen Entwicklung über die Erprobung im Bereich der Spitzenmedizin bis zur breiten Anwendung im medizinischen Alltag.

Als Kernstück dieser Regelung sind die Richtlinien 90/385/EWG betreffend aktive implantierbare Medizinprodukte und 93/42/EWG betreffend Medizinprodukte in österreichisches Recht überzuführen und die Voraussetzungen für die Aufnahme der kommenden dritten Medizinprodukterichtlinie betreffend Medizinprodukte für die In-vitro-Diagnose zu schaffen.

Im vorliegenden Beschluß des Nationalrates werden insbesondere folgende Themenbereiche geregelt:

Definition des Medizinproduktebegriffes, Abgrenzung zu anderen Regelungen;

grundlegende Anforderungen an Medizinprodukte, einschließlich Kennzeichnung und Gebrauchsanweisung;

Konformitätsbewertung und CE-Kennzeichnung, benannte Stellen;

Medizinprodukteüberwachung und Schutz vor Risiken;

Instandhaltung und korrekte Anwendung;

Qualitätsmanagement;

Abgaberegelungen, einschließlich Verschreibung, Werbung, korrektes Beschaffungswesen.

Der Gesundheitsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 12. November 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm.

11.03

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Ich werde meine Rede ein bisserl straffen, denn ich bin jetzt schon das dritte Mal an der Reihe.

Die ungeheure Dynamik der modernen medizinischen Wissenschaft hat es verlangt, daß dieser Bereich geregelt wird. Die Regelungsschwerpunkte sind: Definition des Medizinproduktebegriffes; grundlegende Anforderungen an Medizinprodukte, einschließlich Kennzeichnung – das ist unserer Meinung nach nur teilweise gelungen –; Konformitätsbewertung und CE-Kennzeichnung, benannte Stellen – das ist gelungen –, Medizinprodukteüberwachung – da stellen wir Mängel fest, ich werde darauf noch zu sprechen kommen –, Instandhaltung und korrekte Anwendung; Qualitätsmanagement; Abgaberegelungen, einschließlich Verschreibung, Werbung und korrektes Beschaffungswesen.

Der Herr Berichterstatter hat bereits ausgeführt, daß der Begriff "Medizinprodukt" eine relativ junge Wortschöpfung ist. Wenn wir in die Nachtkasteln hineinsehen, dann wissen wir, wie sehr dieser Bereich unser Leben mitbeherrscht und welchen Einfluß er auf die Gesundheit hat. Viele Medizinprodukte – ich habe das "Nachtkastel" angeführt – gehören mehr oder weniger zu unserem Alltag, wie etwa Korrekturbrillen, Kontaktlinsen, Fieberthermometer, Blutdruckmeßgeräte et cetera.


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618. Sitzung / Seite 39

Das vorliegende Gesetz regelt die Sicherheit, die Funktionstüchtigkeit beziehungsweise Wirksamkeit und die Qualität von Medizinprodukten über ihren gesamten relativen medizinischen Lebenszyklus nach einem integrierten und umfassenden Schutzkonzept. Wir kritisieren, daß dieses Gesetz auch Regelungen beinhaltet, die auf der Anwenderseite stark in den Betriebsablauf eingreifen. Das geht über die EU-Richtlinien unserer Meinung nach hinaus. Daraus ergibt sich aber auch die Gefahr einer Überregulierung in Detailfragen der Abläufe des komplexen Dienstleistungsbetriebes – man stelle sich ein größeres Krankenhaus vor! – sowie einer praxisfernen Regelung.

Ich weise hier besonders auf die Absätze 4, 5 und 7 des § 67 hin. Die darin geforderte Meldepflicht bringt in Abhängigkeit von der noch zu erlassenden Verordnung einen zusätzlichen Aufwand für den Anwender mit sich und erscheint daher unpraktikabel. In diesem Fall müßte es genügen, die Bestandsdokumentation im Rahmen einer internen Firmenregelung nachzuweisen.

Oder § 70 Abs. 1: In Krankenanstalten sollte die Meldepflicht nicht auf den einzelnen Personenkreis bezogen sein, sondern in Form einer koordinierten Meldung der Anstaltsleitung an das zuständige Bundesministerium durchgeführt werden.

Oder: Für die Überprüfung von Medizinprodukten sollte in erster Linie entsprechend dem Verursacherprinzip der Produzent beziehungsweise der Betreiber herangezogen werden. Jedenfalls sollte es im Falle einer angeordneten Überprüfung nicht zu einer Kostenübernahme durch den Betreiber einer Einrichtung des Gesundheitswesens kommen. Diese sind ja durch die erst jetzt erfolgte Regelung im Bereich des Krankenanstaltenwesens ohnehin schon sehr belastet.

Die Einweisungspflicht für den Betrieb und die Anwendung von Medizinprodukten sollten typenbezogen gehalten werden.

Daß zum Beispiel in der Intensivpflege eine größere Anzahl gleichartiger Medizinprodukte verwendet werden kann, zum Beispiel Infusionspumpen, oder daß das Medizinproduktebuch jederzeit zugänglich ist, bringt für große Krankenanstalten Probleme mit sich, da damit verbunden eigentlich eine dezentrale Führung erforderlich wäre, denn sonst würde in diesem Buch in einem fort geblättert, was praktisch aufgrund der großen Zahl der Geräte in einem technisch hoch- ausgerüsteten Anstaltsbereich unmöglich erscheint. Es müßten die sicherheits- und funktionstechnische Information über das Medizinprodukt sowie die Anforderung, die Gebrauchsanweisung für das jeweilige Gerät im Gerätebereich einsehbar zu halten, genügen – nur um hier einige Dinge zu nennen.

Dann gibt es natürlich auch noch weitere Kritik- und Diskussionspunkte: das Verfallsdatum, der Keimbahneingriff, die Datenverschlüsselung, die Ungleichbehandlung – das habe ich schon ausgeführt – von Herstellern und Vertreibern von Medizinprodukten über Einrichtungen des Gesundheitswesens und einiges andere mehr.

Meine Damen und Herren! Wir sehen uns daher nicht in der Lage, dieser Vorlage unsere Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.08

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Gertrude Perl. Ich erteile es ihr.

11.08

Bundesrätin Gertrude Perl (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Das Wort "Medizinprodukte" ist für mich ein sehr technisches Wort. Im Bericht wird angeführt, daß der Begriff eine relativ junge Wortschöpfung ist. Er beinhaltet aber die Gesamtheit aller in der Medizin zur Verwendung gelangenden Geräte, Bedarfsartikel, Produkte für die Labordiagnostik sowie Behindertenhilfsmittel.

Viele Medizinprodukte gehören heute ganz selbstverständlich zu unserem Alltag, wie zum Beispiel Kontaktlinsen und deren Pflegeprodukte, Brillen, Verbandsmaterialien, Zahnkronen,


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618. Sitzung / Seite 40

Gebißprothesen, Zahnspangen, Hörgeräte, aber auch Schwangerschaftstests, um nur einige der für uns wichtigen Produkte aufzuzählen, welche – es sei noch einmal erwähnt – wir heute aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken vermögen.

Der Medizinproduktebereich zeichnet sich durch eine ungeheure Vielfalt aus. Das wurde schon aufgezeigt. Er ist in der modernen Medizin zu einem Grundpfeiler und durch sein Innovationspotential zu einem sehr wesentlichen Faktor des medizinischen Fortschritts geworden. Dazu kommt die ungeheure Dynamik auf diesem Sektor – sie wurde auch schon angesprochen –, denn ständig verbesserte Technologien finden in immer kürzeren Zeitabschnitten von der Entwicklung über die Erprobung ihren Weg bis zur breiten Anwendung in der Medizin zu unser aller Nutzen. Ich erinnere nur daran, daß in früheren Jahren Menschen durch Hüftgelenkserkrankungen frühzeitig gehunfähig wurden und Herzkranke zumeist Todeskandidaten waren. Hüftgelenksprothesen ermöglichen heute Patienten die volle Gehfähigkeit, und was zum Beispiel auf dem Sektor der Herzchirurgie alles möglich ist, wurde uns an einem bekannten Patienten im fernen Moskau jüngst deutlich vor Augen geführt.

Wer zweifelt heute an der Wirksamkeit von Ultraschallgeräten oder Laserverfahren in der Augenheilkunde? – Oft werden durch den Einsatz dieser Geräte mit sehr vielen unangenehmen Begleitumständen verbundene, langwierige Operationen vermieden.

Zu erwähnen wären auch die Errungenschaften auf dem Sektor der Labordiagnostik, wo durch neue Verfahren bessere und wirksamere Einblicke in das Immunsystem möglich werden, oder im Bereich der infektiösen Erkrankungen, wo die Labordiagnostik ständig erweitert und verfeinert wird, was heutzutage nicht zuletzt für die Prävention von HIV-Infektionen und die Sicherheit von Arzneimitteln größte Bedeutung hat.

Viele dieser modernen Medizintechniken und -produkte tragen dazu bei, daß Menschen durch Früherkennung, aber auch durch notwendige Behandlungen, sei es nun operativ oder medikamentös, ihre Lebensqualität wieder voll erlangen, und das zusätzlich in einem viel kürzeren Behandlungszeitraum, als es noch vor Jahren möglich war.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir können vom Herzen froh darüber sein. Aber all die angeführten verfeinerten Technologien können die Gefahr von medizinischen und medizinökonomischen Fehlentwicklungen nach sich ziehen. Daher kommt diesem Bereich durch seine rasante Entwicklung hinsichtlich der Sicherung von Qualität große Bedeutung zu. Kontrollmechanismen sind sehr sorgfältig und auch sehr streng einzuziehen. Medizinprodukte müssen die ihnen zugeschriebene Leistung zum Wohle der Patienten erbringen, die Anwendung muß sicher sein, unvermeidbare Nebenwirkungen müssen im Hinblick auf den tatsächlichen Nutzen für die Patienten vertretbar sein.

Der vorliegende Gesetzentwurf regelt die Sicherheit, Funktionstüchtigkeit, Wirksamkeit und Qualität von Medizinprodukten. Ich habe schon erwähnt, daß durch den Einsatz der modernen medizinischen Möglichkeiten die Lebenserwartung und die Lebensqualität wesentlich gesteigert wurden. Der Gesetzentwurf, der nunmehr auch aufgrund der Notwendigkeit der Umsetzung der EU-Richtlinie entsteht, regelt die angesprochene Materie sehr umfangreich, sehr umsichtig und optimal. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, wenn es um die Wiederherstellung der Gesundheit der Menschen geht, kann kein Gesetz, keine Maßnahme zu umfangreich sein. Lieber zuviel als zuwenig Kontrolle und Schutzmaßnahmen!

Ich begrüße es auch, daß im Gesetz Maßnahmen vorgesehen sind, die kranke Menschen hinkünftig davor schützen, gegen teures Geld auf gewissenlose Händler hereinzufallen, die ihnen bei Verkaufsfahrten einreden, daß sie durch Wässerchen, Steine, Decken et cetera von schweren Erkrankungen wie zum Beispiel Krebs völlig geheilt werden können.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir von der sozialdemokratischen Fraktion sind froh, daß die angesprochene Materie eine so umfassende Regelung per Gesetz erfährt, und wir werden der Gesetzesvorlage daher unsere Zustimmung geben. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

11.14


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618. Sitzung / Seite 41

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Wöllert. Ich erteile es ihm.

11.14

Bundesrat Karl Wöllert (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wir haben es heute schon gehört: Der Begriff "Medizinprodukt" ist ein nahezu allumfassender. Würde man eine Definition versuchen wollen, so könnte man vielleicht sagen, er ist die Summe aller medizinischen Geräte, Bedarfsartikel, Produkte für die medizinische Labordiagnostik und umfaßt auch die medizinischen Hilfsmittel für Behinderte.

Dieser Produktbereich zeichnet sich – auch das ist heute schon einmal gesagt worden – durch eine große Vielfalt und eine große Dynamik der Entwicklung aus und ist zweifellos ein Grundpfeiler der heutigen modernen Medizin. Er bedarf einer hohen Innovation, er bedarf eines hohen Forschungsanteiles, und er ist so etwas wie der Motor des medizinischen Fortschritts.

Die Palette der Medizinprodukte, die zum Alltag gehören, ist reichhaltig – auch hier ist schon einiges angeschnitten worden –, von den Kontaktlinsen beginnend über die Kondome bis hin zu Verbandsmaterialien, Zahnersätzen und so weiter. Das alles sind Dinge, mit denen wir großteils täglich leben, ja mit dem einen oder anderen dieser Produkte sind wir täglich intensiv befaßt.

In erster Linie werden Medizinprodukte natürlich im Bereich der professionellen ambulanten und stationären Versorgung, der Diagnostik, der Therapie, der Prophylaxe und der Rehabilitation eingesetzt. Damit sind sie ein entscheidender Beitrag zur Effizienz der heutigen modernen Medizin.

Die Entwicklung von Medizinprodukten ist kostenintensiv und bedarf vieler Innovation und einer entsprechenden Forschungskomponente. Dies ergibt gerade in diesem Bereich eine permanent dynamische Entwicklung verbunden mit dem Anspruch an hohe Qualität und einem adäquaten technologischen Standard. Man denke in diesem Zusammenhang nur an so großartige Entwicklungen wie die Kernspintomographie, die zweifellos noch weiter entwicklungsfähig ist und daher auch noch Forschungsbeiträge benötigt, an die Radiologie und die Nuklearmedizin, die Koronarangiographie, den Ultraschall – all das auch noch computerunterstützt und so weiter.

In all diesen Bereichen ist die Entwicklung noch nicht zur Gänze ausgereizt, und somit ist noch immer ein beträchtliches Entwicklungspotential vorhanden. Das heißt, es gibt auf der einen Seite ungeheure Chancen für weitere Verbesserungen der medizinischen Versorgung und des medizinischen Standards, aber auf der anderen Seite auch eminente Gefahren und Risken betreffend Fehlentwicklungen und Mißbräuchen. Man benötigt daher für diese Entwicklung effiziente Riskenanalysen und funktionierende Kontrollmechanismen.

Ich bin daher für eine straffe und konsequente Regulierung, da das Ziel dieser Maßnahme zum Wohle des Patienten, der im Mittelpunkt zu stehen hat, vor allem Sicherheit und Vermeidung von Risken für den Patienten beinhalten muß. Unvermeidbare Nebenwirkungen müssen überprüft und vom Gesamtzusammenhang her betrachtet vertretbar sein.

Für den europäischen Bereich gilt es daher, generelle, für alle Mitgliedstaaten gleiche und einheitliche Kontrollmechanismen auch im Interesse der Patienten zu schaffen. Nur sie gewährleisten eine effiziente Entwicklung leistungsfähiger Medizinprodukte.

Bisher waren allerdings der Handel und die Benützung von Medizinprodukten sowohl in Österreich wie auch in anderen EWR-Vertragsländern nur sehr unvollständig und uneinheitlich geregelt. Umso mehr sind europaweite Vorgaben, Richtlinien und Kontrollmechanismen auch in Österreich notwendig. Der vorliegende Entwurf regelt – das ist heute schon gesagt worden – im wesentlichen Sicherheit, Funktionstüchtigkeit, Wirksamkeit und Qualität und damit natürlich die Produktion und auch den Warenverkehr dieser medizinischen Produkte.

Mit der sogenannten neuen Konzeption der EG und dem globalen Konzept der EG werden die grundlegenden Anforderungen an Sicherheit und Qualität – das halte ich für besonders wichtig –


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sowie die im Detail angeführten harmonisierten europäischen Normen fixiert. Wesentlich sind dabei auch die in diesem Konzept vorgeschriebenen Zulassungsverfahren, die als Voraussetzung für den freien Warenverkehr nun auch im Bereich der medizinischen Produkte gelten. Das bedeutet, daß einerseits der freie Warenverkehr in der Europäischen Union respektiert wird und andererseits aber ein einheitlich hohes Schutzniveau erreicht werden kann.

Daraus ergibt sich eine gute Gewährleistung für eine hochwertige Produktionsebene und eine adäquate medizinische Produktionssicherheit. Natürlich gehört dazu auch die professionelle Anwendung, die Überwachung vor und nach der Vermarktung und ein entsprechendes Qualitätsmanagement für den Umgang mit Medizinprodukten.

Die Angleichung österreichischen Rechts an die bestehenden EU-Richtlinien ist also von durchaus elementarer Bedeutung, daher wird meine Fraktion gegen diesen Antrag keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.21

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Krammer. Ich erteile es ihr.

11.21

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Herr Bundesrat! Ich habe mich einerseits gefreut, andererseits habe ich ein bißchen bedauert, was Sie gesagt haben. Die Freude hat der Tatsache gegolten, daß Sie all das als verbesserungswürdig aufzählen, was wir eigentlich im letzten Entwurf, der das Parlament passiert hat, ohnehin vorgesehen haben. Das läßt die Vermutung zu, daß Sie sich beim Studium eines schon etwas veralteten Entwurfes bedient haben und so zu dem – zweifellos richtigen – Schluß gekommen sind: Da wäre noch einiges zu tun. Doch wir haben das, ohne zu wissen, daß Ihre Kritik dem gelten wird, schon gemacht. Ich freue mich daher, daß wir da so übereinstimmen.

Wenn Sie wollen, kann Ihnen Herr Dr. Ecker das sehr gut anhand des aktuellen Entwurfes beweisen. Ich wollte damit eigentlich nur unsere Übereinstimmung feststellen. Wenn Sie dieser Argumentation folgen können, dann könnten Sie eigentlich zustimmen. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ.)

11.22

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht gegeben.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalparkgesellschaft Donau-Auen G.m.b.H. (342 und 353/NR sowie 5287/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalparkgesellschaft Donau-Auen G.m.b.H.


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Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Irene Crepaz als Vorsitzende des Ausschusses für Familie und Umwelt übernommen. – Bitte.

Berichterstatterin Irene Crepaz: Der gegenständliche Gesetzesbeschluß hat die Einrichtung einer effizienten Nationalparkverwaltung gemeinsam mit den Ländern Wien und Niederösterreich für die Errichtung und Verwaltung des Nationalparks Donau-Auen zum Ziel.

In diesem Zusammenhang soll der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie ermächtigt werden, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen, die Nationalparkgesellschaft Donau-Auen G.m.b.H. zu errichten.

Der Ausschuß für Familie und Umwelt stellt nach Beratung der Vorlage am 12. November 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gottfried Waldhäusl. Ich erteile es ihm.

11.24

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister kann ich leider noch nicht sagen. (Bundesrat Prähauser: Sagen kannst du alles!) Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich möchte eingangs der Debatte feststellen, daß wir Freiheitlichen sowohl für Umweltschutz generell als auch für Umweltschutz in Form eines Nationalparks eintreten. Umweltschutz ist wichtig, und ich glaube, daß es an der Zeit ist, daß der Umweltschutz in seiner Bedeutung dazugewinnt. Darum werden wir Freiheitlichen uns nie gegen Umweltschutz stellen.

Ich als Vertreter der Landwirtschaft möchte dazu auch sagen, daß ich stolz auf die Landwirte bin, denn sie betreiben seit Jahrzehnten den aktivsten Umweltschutz schlechthin. Ich möchte den Bauern für diese geleistete Arbeit auch danken, denn die Praxis zeigt, daß Umweltschutz wirklich entsprechend umgesetzt werden kann.

Zur Eröffnung des Nationalparks Donau-Auen und zur Genehmigung der Beteiligung an dieser Gesellschaft im Zuge des heutigen Gesetzes möchte ich jedoch einiges festhalten. Ich möchte insofern einige Kernpunkte herausnehmen und kritisieren, als einige Dinge anläßlich der Gründung des Nationalparks, speziell aus Sicht der Niederösterreicher, nicht ganz in Ordnung sind. Ich halte diese Vorgangsweise generell eher für verfrüht beziehungsweise für noch nicht sinnvoll, da einige Punkte bezüglich der Art der Abwicklung noch hätten geklärt werden müssen. Es sind also noch viele Frage offen.

Eine dieser Fragen betrifft zum Beispiel die Methode der Sohlenstabilisierung der Donau. Wir alle wissen, daß die Eintiefung der Donau ein unbestrittenes Faktum ist. Diese Eintiefung in der Sohle hat verschiedene Auswirkungen auf umweltbezogene Maßnahmen. Ich spreche hier zum Beispiel die Heilquelle von Deutsch-Altenburg an. Diese ist aufgrund der Sohlenstabilisierung eindeutig in Gefahr. Die Grundwasserprobleme in der Region sind sicherlich auch auf die Sohleneintiefung der Donau zurückzuführen.

Es sollte also im Zusammenhang mit der Gründung dieser Gesellschaft auch auf diese Art und Weise der Sohlenstabilisierung beziehungsweise auf die Art und Methode, wie sie momentan durchgeführt oder wie sie in Zukunft gelöst werden wird, näher eingegangen werden beziehungsweise ein Lösungsvorschlag genau detailliert beschrieben werden.

Ein weiterer Kernpunkt ist die Problematik der Schiffahrt. Wir wissen, daß die Schiffahrt aufgrund von internationalen Verträgen gewährleistet bleiben muß. Gemäß dem niederösterreichischen Landesverkehrskonzept haben wir die Schiffahrt sogar als einen wesentlichen Bestandteil des Verkehrsaufkommens zu gewährleisten. Das heißt, wir müssen dem Landesverkehrskonzept sowie den internationalen Verträgen nachkommen, und so stehen wir vor dem großen Problem, daß inmitten eines Nationalparks eine Schiffahrt besteht, wo es – ohne jetzt den Teufel an die Wand malen zu wollen – jederzeit vorkommen kann, daß es zu Unfällen, zu


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Katastrophen kommt. Es wird ja hoffentlich nie der Fall sein, aber es kann auch einmal mit einem Öltanker etwas passieren, sodaß wir dann inmitten eines Naturschutzgebietes, eben im Nationalpark Donau-Auen, eine Katastrophe hätten, die nicht unbedingt in einen Nationalpark gehört. – So gesehen sollte auch dieses Problem noch einmal überdacht werden.

Ein Schwerpunkt ist auch, daß das Gebiet, das momentan ausverhandelt ist und in das zum größten Teil Bundesgebiet eingebunden ist, sicherlich noch zu klein ist. Es gibt bereits Pläne und Bestrebungen, die weitere Einbindung von vor allem privatem Grundeigentum vorzunehmen. Es wäre für den Nationalpark sicherlich auch sehr sinnvoll, eine Erweiterung durchzuführen, nur müßten vorher noch einige Probleme gelöst werden. Auch hier sind wieder Fragen aufgetreten, die leider noch nicht beantwortet worden sind.

Unter anderem geht es um einschneidende Beschränkungen von Nutzungsrechten. Dieses Problem müßte vor allem mit den Betroffenen ausverhandelt werden. Die Ablöse von Eigentum beziehungsweise von Nutzungsrechten oder die Art und Weise der Abwicklung bis zu einer eventuellen Enteignung, sollte sich jemand weigern, seinen Privatgrund für die geplante Erweiterung zur Verfügung zu stellen, müßten auch geklärt werden.

Aus all den genannten Gründen ist es natürlich verständlich, daß die Akzeptanz der betroffenen Bevölkerung nicht unbedingt mit einem großartigen Hurra hervorgekommen ist. Bedenken muß man außerdem, daß es in diesem geplanten Gebiet Radwege gibt, Fischereirechte gibt, daß sich also die Bevölkerung gewisse Rechte angeeignet hat, die sie nicht gerne aufgeben beziehungsweise hergeben möchte.

Weiters wäre zu klären, in welcher Form in Zukunft die Besichtigung dieses Nationalparks und die Art der Bewegung im Park selbst durchgeführt wird, also die ganze Abwicklung generell. Werden die Besucher mit Fahrzeugen durch den Park geführt? Ist eine weitere maschinelle Ausrüstung zur Pflege möglich? – Das ist nämlich deswegen wichtig, weil sehr viele Private die Forstpflege in diesem geplanten Gebiet durchführen müssen. Es ist nicht geklärt, ob es weiterhin möglich ist, die Grünlandpflege mit Maschinen durchzuführen, oder ob sie nur mehr in Handarbeit geleistet werden darf. Auch die Höhe der Kostenersätze ist noch nicht geregelt.

Alle diese Beschränkungen und eventuellen Fragen werden natürlich noch zu klären sein. Hier ist es leider Gottes so, daß alle diese Beschränkungen in Form einer Verordnung der zuständigen Landesregierung, also der Niederösterreichischen Landesregierung – meine hier angeführten Vorwürfe beziehen sich auf Niederösterreich –, beschlossen und durchgeführt werden.

Meine Damen und Herren! Meine Kollegen aus dem Bundesrat! Hier habe ich wirklich Bedenken, und meine größte Angst ist, daß die Sorgen der betroffenen Bürger in dieser Verordnung nicht berücksichtigt werden. In diesem Sinne stelle ich mich natürlich an die Seite der niederösterreichischen Anrainer dieses Projektes und kann meine Zustimmung hiezu nicht geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.30

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile es ihm.

11.30

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß es zu früh ist, den Nationalpark Donau-Auen zu gründen beziehungsweise ins Leben zu rufen, Kollege Waldhäusl, da die seinerzeitige rot-blaue Koalition vor zwölf Jahren quasi eine Nachdenkpause ausgerufen hat und jetzt zwölf Jahre lang die Möglichkeit bestand, entsprechende Untersuchungen durchzuführen, die seitens der Landesregierungen von Wien und Niederösterreich und seitens der Bundesregierung auch vorgenommen wurden.

Ich glaube daher, daß es sehr sinnvoll und wichtig war, daß Bundesminister Bartenstein, Landeshauptmann Pröll und Bürgermeister Häupl am 27. Oktober dieses Jahres gemeinsam


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den 15a-Vertrag abgeschlossen haben, der die Voraussetzung für die Errichtung und Erhaltung des Nationalparks Donau-Auen bildet. In weiterer Folge zu dieser Beschlußfassung oder zu dieser Unterzeichnung haben wir heute die Möglichkeit, hier einem Bundesgesetz über die Gründung und Beteiligung an der Nationalparkgesellschaft Donau-Auen durch den Bund zuzustimmen.

Mit diesen beiden Eckpfeilern, mit diesen beiden Beschlüssen – jenem vom 27. Oktober und mit der heutigen Zustimmung durch den Bundesrat – geht eine lange und emotionsgeladene Epoche der Diskussion über die Errichtung eines Nationalparks östlich von Wien dem vorläufigen Ende zu. Viele von Ihnen werden sich noch erinnern: Vor zwölf Jahren ist durch einen denkwürdigen Bürgerwiderstand in den Weihnachtsfeiertagen verhindert worden, ein Donaukraftwerk östlich von Wien zu errichten. Man kann natürlich verschiedener Meinung darüber sein, ob es sinnvoll ist, hier ein Donaukraftwerk zu errichten, aber ich glaube, wir alle haben uns dazu bekannt, östlich von Wien in dieser Form, wie es seinerzeit geplant war, kein Donaukraftwerk mehr zu errichten. Seither waren Wissenschafter, Naturliebhaber, Grundbesitzer, Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker sowie Interessenvertretungen – hier vor allem die Vertreter der Landwirtschaft – bemüht, den ersten Au-Nationalpark der Welt zu errichten.

Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Beschlußfassung – wir werden auch noch Gelegenheit haben, über den 15a-Vertrag einen entsprechenden Beschluß zu fassen – erhält Österreich neben den Hohen Tauern, den Nockbergen und dem Neusiedler See den vierten Nationalpark; nächstes Jahr soll dann der Nationalpark Kalkalpen folgen.

Meine Damen und Herren! Weltweit gibt es heute 2 200 Nationalparks in 120 Ländern. Ich erinnere nur an die Geschichte der Nationalparks: 1872 wurde der erste Nationalpark – das war der Yellowstone-Nationalpark – eröffnet. In Europa haben wir vor allem die Probleme um die Frage der Nutzung zu organisieren. Hier geht die Diskussion vom totalen Naturschutz, wie er in Amerika forciert wird, bis zur Frage bei uns, welche graduellen Nutzungen im Nationalpark möglich sind.

Meine Damen und Herren! 1990 haben die Bundesländer Wien und Niederösterreich gemeinsam mit dem Bund vereinbart, die Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal zu beauftragen, die notwendigen Prüfungs- und Planungsarbeiten durchzuführen. Sie liegen seit 1993 vor, und in den letzten zwei Jahren hat man versucht, vor allem die Fragen Stabilisierung der Stromsohle der Donau, die nationalparkkonforme Entnahme von Trinkwasser und Nutzwasser, die Fahrwasserproblematik der Schiffahrt und die Berücksichtigung der Interessen der örtlichen Bevölkerung zu untersuchen und zu lösen. – Herr Bundesminister! Ich möchte dich recht herzlich begrüßen.

Ich weiß, welche Schwierigkeiten hiebei gegeben waren, welche Probleme es mit den Anrainergemeinden gab, die vor allem dadurch entstanden sind, daß es in vier Anrainergemeinden eine negative Volksabstimmung gegeben hat, sich aber andererseits sieben Anrainergemeinden positiv für den Nationalpark ausgesprochen haben. Ich glaube, man muß der Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal danken, daß sie bemüht war, durch eine gezielte Bürgerbeteiligung – sei es durch ein Nationalparkforum, durch Zielgruppenarbeit, durch Aufbereitung in den Medien, durch Führungen und durch Exkursionen – die Akzeptanz der Bevölkerung für dieses Projekt zu verbessern.

Ich glaube, der Durchbruch ist dadurch gelungen, daß man quasi die Nationalparkwerdung in zwei Phasen geteilt hat. Man hat erstens auf die verfügbaren Grundflächen zurückgegriffen – das sind 9 300 Hektar; größtenteils Flächen der Bundesforste –, und man versucht nun, die restlichen 2 100 Hektar privatwirtschaftlich zu erwerben. Kollege Waldhäusl! Hier sollen entsprechende Verträge mit den privaten Grundeigentümern abgeschlossen werden. Es soll niemand enteignet werden, sondern es soll versucht werden, gemeinsam entsprechende Lösungen zu finden.

Es haben sich auch die Bundesländer Wien und Niederösterreich sowie der Bund auf die entsprechenden Entschädigungszahlungen geeinigt, sodaß am 27. Oktober die Unterzeichnung


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erfolgen konnte. Heute erfolgt die Beschlußfassung für die Gründung der entsprechenden Organisation, der entsprechenden Gesellschaft, und es ist noch – das wird in den nächsten Wochen erfolgen – eine Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung notwendig, die die Außengrenzen, die Zonierung des Nationalparks, die Managementplanung für die Bereiche Erholung, Fischerei und Jagd genau abgrenzt. Diese Pläne müssen heuer noch ausgearbeitet werden, und wir haben im Ausschuß dazu eine ausführliche Information seitens der zuständigen Sachbearbeiter des Ministeriums erhalten.

Ich weiß, daß es in diesem Bereich Schwierigkeiten gibt. Es laufen da die verschiedensten Gerüchte – das arme Mutterl darf im Nationalpark keine Blumen mehr pflücken –, es gibt auch berechtigte Wünsche seitens der OMV, weil gerade durch dieses Gebiet Leitungen – seien es Erdgasleitungen, seien es Starkstromleitungen – führen. Das heißt, es müssen hier die entsprechenden Wegerechte erhalten bleiben und entsprechende Abgrenzungen erfolgen, und es ist Aufgabe des Managements, für die Erholungsuchenden und auch für Fischerei und Jagd die entsprechenden Pläne – Sie nennen es Managementpläne – zu erarbeiten.

Es soll heuer auch noch die Ausschreibung der Geschäftsführung für den Nationalpark erfolgen – möglicherweise ist sie schon erfolgt –, es wird noch heuer der Nationalparkbeirat geschaffen, sodaß man damit rechnen kann, daß die Gesellschaft mit 1. Jänner 1997 ihren Betrieb aufnehmen kann.

Der nunmehrige Nationalpark umfaßt, wie gesagt, 9 300 Hektar; er soll auf 11 500 erweitert werden. Ich glaube, es handelt sich um ein kostengünstiges und effizientes Modell. Ab 1997 stehen jährlich rund 44 Millionen Schilling zur Verfügung, wovon die Hälfte der Bund und die andere Hälfte die beiden Länder Wien und Niederösterreich tragen.

Meine Damen und Herren! Diese Vertragsunterzeichnung bedeutet eine weitere Epoche in der Entwicklung des Nationalparks. Es muß nun vorrangiges Ziel sein, die Bevölkerung der Region für den Nationalpark zu gewinnen. Es gab und gibt Skepsis. Um diese auszuräumen, müssen wir die Bevölkerung davon überzeugen, daß dieser Nationalpark Veränderungen mit sich bringen wird, aber letzten Endes die Anrainer von diesem Nationalpark auch profitieren werden.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf den Nationalpark Hohe Tauern hinweisen, der erst vor wenigen Wochen seinen 25. Geburtstag gefeiert hat. Auch da waren die Anrainer am Beginn sehr skeptisch. Heute ist es so, daß viele Anrainergemeinden in den Nationalpark hineindrängen, das heißt, dieser Nationalpark hat heute neben einer besonderen ökologischen auch eine sehr wichtige fremdenverkehrspolitische Bedeutung.

Östlich von Wien eröffnen sich im Marchfeld neue Chancen für den Tourismus, gerade in einer Region, die derzeit eher von Abwanderung, von einer Reduktion der Zahl der Arbeitskräfte, wie etwa bei der OMV, auch durch das Absiedeln von Großbetrieben gekennzeichnet ist.

Es wird mit dem Nationalpark Donau-Auen die Hoffnung verknüpft, daß es dadurch zu einer Stärkung des Tourismus kommt, daß Arbeitsplätze gesichert werden und daß der stetige Kaufkraftabfluß in Richtung Wien hintangehalten werden kann. Ich glaube, daß gemeinsam mit den kulturellen Anreizen der Region, den Marchfeldschlössern, für uns, vor allem für Niederösterreich, ein Fremdenverkehrshoffnungsgebiet heranwächst.

Meine Damen und Herren! Betrachten wir den Nationalpark Donau-Auen als große Chance für die Zukunft, vor allem auch für die Zukunft unserer Kinder, und schätzen wir uns glücklich, daß wir gerade heuer, also im Millenniumsjahr, einen Nationalpark in die Tat umsetzen können. Meine Fraktion wird diesem Beschluß gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


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618. Sitzung / Seite 47

11.43

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. Ich erteile es ihm.

11.43

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ein Vierteljahrhundert nach ersten Plänen, zwölf Jahre nach der denkwürdigen Besetzung der Stopfenreuther Au, nach Jahren von Teilerfolgen und Rückschlägen um die Donau-Auen herrscht nun also Grund zur Freude. Am 27. Oktober wurde zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz "zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Donau-Auen" unterfertigt.

Die Liste all jener, die sich dabei Verdienste erworben haben, ist ebenso lang wie jene der zahlreichen Hürden auf dem Weg zu diesem Nationalpark Donau-Auen. Bereits 1978 stellt Wien die Lobau unter Naturschutz und unterwirft sich den Regelungen für Biosphärenreservate der UNESCO. Seit dieser Zeit wird das gesamte Gebiet bereits nach diesen strengen Kriterien betreut. Große Teile der Waldbestände wurden außer Nutzung gestellt, bei der Verjüngung von Waldbeständen wurde – um die Naturnähe der Lobau zu sichern – streng auf die standortgerechte Pflanzenwahl geachtet. Wander- und Orientierungswege wurden errichtet und Lehrpfade eingerichtet.

Ebenfalls 1978 nennt ein Bericht der niederösterreichischen Naturschutzabteilung Lobau, Schüttelau, Schönauer Hafen und Untere Marchauen als mögliche Nationalparkgebiete.

1979 wird das gesamte Gebiet der Donau-March-Thaya-Auen als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen.

Im Jahre 1983 unterstellt Österreich die Donau-March-Auen und die untere Lobau als Schutzgebiet der Ramsar-Konvention, einem internationalen Feuchtgebieteübereinkommen, mit der Verpflichtung, dieses Feuchtgebiet besonders zu schützen. Parallel laufen Planungen für das Wasserkraftwerk Hainburg.

Im Oktober 1984 stellt der WWF das Projekt eines Auen-Nationalparks östlich von Wien vor.

Im Dezember 1984 besetzen Tausende die Stopfenreuther Au, um den Bau des Kraftwerkes Hainburg zu verhindern.

Bernd Lötsch wird 1986 durch Umweltminister Franz Kreuzer mit der Nationalparkplanung beauftragt.

1989 beginnt der WWF mit der Aktion "Natur freikaufen". 120 000 Menschen kaufen symbolisch Anteilscheine und erwerben so 411 Hektar Auwald.

1990 werden die Marchfeldkanal-Betriebsgesellschaft und deren Leiter Reinhold Christian mit der Nationalparkplanung beauftragt.

1993 kommt im Zuge dieser Planungen eine Kosten-Nutzen-Analyse zum Ergebnis, daß volkswirtschaftlich der Nationalpark günstiger abschneide als ein Kraftwerk.

Ende 1995 beschließen Wien und Niederösterreich ihre Nationalparkgesetze. Die Bundesregierung verabschiedet ihr prinzipielles Ja zum Projekt.

Jahre der Prüfungen, Abwägungen und Planungen sind also vorbei. Das heurige Jahr wurde zur Schaffung der gesetzlichen Grundlagen, der Organisationsform und insbesondere zur Festlegung der Zonierungen des Nationalparkes genutzt.

Der Wiener Landtag hat das Wiener Nationalparkgesetz im heurigen Frühjahr, die Wiener Landesregierung die dazugehörige Verordnung im Sommer beschlossen. Die Lobau ist seit 1. Oktober 1996 Teil des Nationalparkes Donau-Auen.

Nationalpark – wozu eigentlich? – Die Lobau ist seit 1745 im Besitz der Stadt Wien, wurde vor fast 20 Jahren zum Naturschutzgebiet erklärt. Was soll der Nationalpark also Neues bringen?


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Der wesentlichste Zweck eines derart geschützten Gebietes besteht im langfristigen Schutz vor anderen Nutzungen, welche den Fortbestand dieser einzigartigen Landschaft gefährden könnten. Mit der Entwicklung der internationalen Region Wien–Preßburg kann sich ein in seiner Dimension noch nicht annähernd abschätzbarer Nutzungsdruck ergeben. Die Nähe und die historische Verbundenheit zweier Hauptstädte – im übrigen die nächstbenachbarten Europas – werden zweifellos Tendenzen des Zusammenwachsens entwickeln. Die Donau als hochrangiger Verkehrsträger der Zukunft wird dabei eine besondere Rolle spielen. Der "hausgemachte Naturschutz" auf Ebene des Landes würde diesem Druck vielleicht nicht standhalten können.

Die Schutzkategorie "Nationalpark" bewirkt eine internationale Rückversicherung, welche die Donau-Auen in Zukunft wahrscheinlich dringend brauchen werden.

Auch eine Stauhaltung ist in diesem Sinne eine Gefährdung. In den letzten zehn Jahren wurde wissenschaftlich nachgewiesen, daß Auwald und Stauhaltung unvereinbar sind.

Alle weiteren Schritte der Realisierung des Nationalparkes sollen sich an diesem Hauptziel des Gebietsschutzes orientieren.

Wie geht es weiter?

Am 27. Oktober, also vor 18 Tagen, wurde die "Vereinbarung gemäß Artikel 15a des Bundes-Verfassungsgesetzes zur Schaffung des Nationalparkes Donau-Auen" von den drei Vertragspartnern Bund, Wien und Niederösterreich unterzeichnet. Damit sind, wie schon erwähnt, die Ziele, die Organisationsform, die Aufgaben der Nationalparkverwaltung und die Finanzierung festgelegt.

Wien wird mit den 2 900 Hektar der Lobau und der Mannswörther-Au einen wichtigen Teil dieser Nationalparkverwaltung bilden. Es werden auch sämtliche Kosten für Personal- und Sachaufwand von Wien selbst getragen und belasten dadurch nicht das Nationalparkbudget.

Damit das Ziel gemeinsam verfolgt wird, ist ein "Geschäftsführender Ausschuß" vorgesehen, in welchem der Geschäftsführer der Nationalparkgesellschaft mit den Leitern der Forstverwaltungen die Jahrespläne und auch das tägliche Geschehen abstimmen.

Die Nationalparkgesellschaft, welche von Bund, Wien und Niederösterreich mit dem zugrunde liegenden Bundesgesetz geschaffen werden soll, wird mit einem Geschäftsführer und fünf weiteren Bediensteten schlank sein. Sie wird das Gesamtgeschehen des Nationalparkes zu koordinieren haben.

Die Ausstattung mit Einrichtungen zur besseren Information über diesen faszinierenden Lebensraum Auwald wird etappenweise erfolgen, wobei für Wien bereits wichtige Vorplanungen für ein Nationalpark-Zentrum bestehen, welche die konkrete Planung und Realisierung in relativ kurzer Zeit erlauben.

Auch die Erreichbarkeit der Lobau als wichtiger Teil des Nationalparkes Donau-Auen ist entscheidend zu verbessern, wobei auch der Wasserweg eine wichtige Rolle spielen wird.

Die Natur ändert sich ständig. Das Ziel ist die möglichst vom Menschen unbeeinflußte Entwicklung der Auwälder in Richtung "Urwald". Bei den beengten räumlichen Gegebenheiten – der Auwald hat meist nicht einmal 2 Kilometer Breite – sind diese Naturzonen behutsam zu entwickeln. Die Au darf grundsätzlich weiterhin von jedermann betreten werden. Es ist jedoch ab nun stärker auf die Schonung empfindlicher Teile des Auwaldes, insbesondere der Gewässer, zu achten.

Mit dem Wiener Nationalpark-Gesetz ist das Ziel gesteckt, daß der Besucher möglichst auf den Wegen bleiben soll. Durch geschickte Wegeführungen und entsprechende Aufklärung wird das ohne Konflikte möglich sein – umgekehrt, es sollte sogar gelingen, den Auwald in seiner Vielfalt besser erlebbar zu machen und zugleich die Biotope von menschlicher Beeinträchtigung zu entlasten.


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Bis der Auwald sich selbst überlassen werden kann, sind noch viele Maßnahmen zu setzen. Manche Baumarten, die in den letzten 50 bis 100 Jahren in der Au gepflanzt wurden, passen nicht wirklich in eine Au, welche sich in Richtung naturnahen Urwald entwickeln soll. In den nächsten 10 bis 30 Jahren werden die betroffenen Waldteile umzuwandeln sein, das heißt, es werden Kanadapappel, Robinie und Götterbaum im Laufe der Jahre entnommen, und auf diesen Standorten sollen standortgerechte Waldgesellschaften mit Hilfe der natürlichen Verjüngung aufgebaut werden. Danach sind in den Naturzonen die forstlichen Maßnahmen auf die Sicherung der Wege und auf die Freihaltung der Wiesen beschränkt.

Einzelne Waldteile sind auch weiterhin für die Sicherung der Brennholzversorgung in der Region reserviert. Dort werden die Bestände nach den traditionellen Methoden genutzt.

Hinsichtlich seines Artenspektrums wird der Nationalpark Donau-Auen ein Lebensraum, welcher in seiner Vielfalt durchaus mit einem tropischen Regenwald vergleichbar ist. Allein die Flora umfaßt 623 höhere Farn- und Blütenpflanzenarten. Zur Fauna des zirka 11 500 Hektar großen Gebietes östlich von Wien gehören rund 5 000 Tierarten mit über 40 Säugetier- und mehr als 100 Brutvogelarten, darunter auch der Seeadler, sowie 20 Amphibien- und Reptilien- sowie mehr als 50 Fischarten, im besonderen die Sumpfschildkröte oder der Biber, um nur einzelne Arten zu nennen.

All diese Tierarten werden in dem letzten bestehenden Auwald Mitteleuropas ideale Voraussetzungen und Bedingungen vorfinden. Die Einrichtung des Nationalparkes Donau-Auen nützt also den dort ansässigen vielfältigen Lebensformen, der Natur und selbstverständlich auch dem Menschen.

Die Donau-Auen zählen darüber hinaus auch noch zu den hochwertigsten Trinkwasserreserven Österreichs. Durch den Nationalpark Donau-Auen können diese Trinkwasserreserven auch in Zukunft gesichert werden, ohne daß bestehende Nutzungen und insbesondere die Ziele eines Nationalparks beeinträchtigt werden.

Das nun begonnene Vorhaben zur Umsetzung des Nationalparkes Donau-Auen kennt keinen Fertigstellungstermin. Die Nutznießer des Nationalparkes Donau-Auen werden weniger wir selbst als vielmehr unsere Kinder und Enkel sein. Es bedeutet sehr viel, wenn in unserer dichtest genutzten Landschaft der Natur- und Landschaftsschutz einmal etwas großzügiger wirken kann.

Wien wird die einzige Hauptstadt Europas sein, innerhalb deren Grenzen ein international anerkannter Nationalpark beginnt. Seine derzeitige Fläche umfaßt bereits 9 300 Hektar. Ziel ist es, eine Gesamtfläche von 11 500 Hektar Nationalpark zu schaffen. Dazu gehören 7 100 Hektar Wald, 800 Hektar Wiesen, 500 Hektar Äcker, die Donau mit 1 600 Hektar und 450 Hektar Augewässer.

Die im Nationalpark insgesamt zur Verfügung gestellten Flächen werden zu 53 Prozent vom Bund, nämlich 6 100 Hektar, zu 24 Prozent von der Stadt Wien, 2 800 Hektar, fast zu 7 Prozent durch niederösterreichische Gemeinden, 800 Hektar, und 3,5 Prozent durch die Forschungsgemeinschaft Auenzentrum Petronell mit 400 Hektar sowie 12 Prozent von Privaten beziehungsweise Agrargemeinschaften mit 1 400 Hektar eingebracht.

Bereits heute ist der Nationalpark ein Naturerlebnis besonderer Art. Die Weltnaturschutzunion IUCN hat die internationale Anerkennung dieses Nationalparkes gemäß der Kategorie II in Aussicht gestellt. Mit dieser Anerkennung verbunden ist der Schutz einer besonders schönen und einmaligen Landschaft, zu welcher die letzte freie Fließstrecke der Donau in Österreich mit einem Auwald, das größte intakte Auensystem dieser Art in Mitteleuropa, ein wertvoller Lebensraum für gefährdete Arten, der natürliche Speicher für hochwertiges Trinkwasser und ein wichtiger Klimafaktor als "grüne Lunge" der Region zählen. Damit können wir aber auch die ökologische Unversehrtheit eines Ökosystems für künftige Generationen erhalten, deren Bewahrung von weltweiter Bedeutung ist.


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Mit großer Freude und Genugtuung darf ich deshalb abschließend feststellen, daß dem vorliegenden Antrag zur Gründung und Beteiligung an der Nationalparkgesellschaft Donau-Auen namens meiner Fraktion die Zustimmung erteilt wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.55

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Dieter Langer. Ich erteile es ihm.

11.55

Bundesrat Mag. Dieter Langer (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Vorbereitungsphase und die Planung für diesen Nationalpark haben recht lange gedauert. Letztlich intensiv waren fünf Jahre der Vorbereitung und Planung, die sich mit dem Nationalpark und der Schaffung des Nationalparks beschäftigten. Ich begrüße es, und es ist sehr wertvoll, daß ein Stück Natur so unter Schutz gestellt wird, daß zu erwarten ist, daß in Hinkunft diese Naturschönheit der Bevölkerung erhalten bleibt. Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist der heutige Beschluß auch ein wesentlicher Schritt zur Umsetzung dieses Naturschutzes und dieses Nationalparkes.

Er hat allerdings einige Schönheitsfehler. Es ist nicht die Freude am Kritisieren, die mich jetzt veranlaßt, diese Schönheitsfehler aufzuzeigen, sondern ich halte es einfach für notwendig, darauf hinzuweisen, weil die Nationalparkgesellschaft und die damit verbundene Geschäftsführung und auch die Politiker darauf zu achten haben werden, daß die Umsetzung entsprechend erfolgt und sich diese Schönheitsfehler nicht negativ für den Nationalpark auswirken.

Es wurde intensiv fünf Jahre geplant. Wir befinden uns jetzt – trotz einer sehr langen Vorbereitungsphase – aber in einer sehr hektischen Eile. Das ist der erste Schönheitsfehler, denn es wird der zweite Schritt, nämlich die Inkraftsetzung oder die Beschlußfassung über die Nationalparkgesellschaft, vor dem ersten Schritt gesetzt, der wäre nämlich die Beschlußfassung über die 15a-Vereinbarung, die am Nationalfeiertag zwar feierlich unterzeichnet wurde, aber jetzt noch der parlamentarischen Genehmigung bedarf.

Die Tätigkeit der Gesellschaft – das haben wir gehört – soll mit 1. Jänner 1997 beginnen, und zwar aufgrund des heute zu erfolgenden Beschlusses. Jedoch enthält dieser Beschluß über die Gründung einer Nationalparkgesellschaft keine Regelungen über die Geschäftsführung und den Ablauf dieser Gesellschaft, denn das steht, zumindest rahmenmäßig, in der 15a-Vereinbarung, die aber noch nicht Gültigkeit hat.

Dort steht nämlich auch drin, daß die Position des Geschäftsführers rechtzeitig auszuschreiben ist. Er soll seine Tätigkeit am 1. Jänner 1997 aufnehmen – ich zitiere –, und die Funktion des Geschäftsführers ist rechtzeitig auszuschreiben. Die Grundlagen hiefür sind aber noch nicht geschaffen, weil die 15a-Vereinbarung noch nicht in Kraft ist.

Bis dahin haben weitere Rechtsakte zu erfolgen. Es muß die Gesellschaftsgründung erfolgen, die Eintragung im Handelsregister, die Gründungsversammlung, die Ausschreibung für den Geschäftsführer. Es muß das Büro geschaffen werden, es müssen die Konten eröffnet werden, damit nach dem vorliegenden Entwurf am 1. Jänner 1997 die ersten 4 Millionen Schilling von dieser Gesellschaft auch in Empfang genommen werden können. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich weiß es schon, es wird schon nichts passieren, und es wird alles so ablaufen, daß wir auch den zweiten Schritt vor dem ersten setzen können, aber es ist meines Erachtens typisch österreichisch.

Zweiter Schönheitsfehler: Sehr geehrte Damen und Herren! Es muß befürchtet werden, daß diesem Nationalpark die internationale Anerkennung gemäß den IUCN-Richtlinien versagt bleibt, und zwar aus folgenden Gründen: Es liegt innerhalb des Naturschutzgebietes das Kraftwerk Freudenau. Im Gebiet der Lobau befinden sich Öltanklager, und es gibt massive Umweltschäden, die durch ehemalige Tanklager aus dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind und die einer


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Sanierung bedürfen. Darüber hinaus stellt die derzeit vorgesehene Naturschutzfläche kein zusammenhängendes Gebiet dar.

Es wird daher darauf zu achten sein – auch wenn es zu keiner internationalen Anerkennung nach den IUCN-Richtlinien kommt –, daß bei der Fortführung des Nationalparks sichergestellt ist, daß die Richtlinien der IUCN zur Anwendung kommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt noch einen dritten Schönheitsfehler, den mein Kollege Waldhäusl schon angesprochen hat. In dem uns vorliegenden Beschluß des Nationalrates sind die Entschädigungsleistungen an die Bundesforste und an die Gemeinde Wien bereits festgelegt und auch für die nächsten Jahre festgeschrieben. Es ist dies also bereits fixiert. Was aber nicht fixiert ist, sind jene Maßnahmen beziehungsweise Entschädigungen, die an sonstige Eigentümer und Nutzungsberechtigte erfolgen sollen und müssen, wenn die Erweiterung des Nationalparks von derzeit 9 300 Hektar auf 11 500 Hektar zum Tragen kommt. Es finden sich weder im vorliegenden Gesetz noch in der zur Beschlußfassung anstehenden 15a-Vereinbarung Regelungen über die Vorgangsweise, wie die Entschädigungsleistung erfolgen soll.

Es wurde uns im Ausschuß bekanntgegeben, daß man mit 7 bis 8 Millionen Schilling rechnet, die derartige Entschädigungsleistungen an private Nutzer ausmachen werden. Auf die Frage, nach welchen Richtlinien diese vergeben werden, wurde geantwortet: Der Entschädigungskatalog und die Vorgangsweise werden durch eine Verordnung des Landes Niederösterreich erfolgen. Wohlgemerkt: Es handelt sich hiebei um eine Verordnung und nicht um eine landesgesetzliche Regelung. Ich halte das für einen gravierenden Schönheitsfehler, auch wenn es vielleicht möglich ist, eine gesetzliche Grundlage zu finden, anhand derer eine solche Verordnung erlassen werden mag.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube aber – das muß in der Beziehung zwischen dem Staatsbürger und der Vollziehung doch möglich sein –, daß derartige Maßnahmen, die letztlich auch einen Eingriff in das Privateigentum darstellen, wenngleich – wie mir gesagt wurde – nur aufgrund privatrechtlicher Verhandlungen, in den Beratungen und Beschlüssen in den zuständigen gesetzgebenden Körperschaften ihre Grundlage finden werden.

Trotz all dieser Schönheitsfehler freue ich mich persönlich, daß es nach einer langen Anlaufphase gelungen ist, die ersten Schritte für die Umsetzung des Nationalparks Donau-Auen zu setzen, wenn ich es auch irritierend finde, daß in den letzten Wochen schon wieder eine Diskussion um einen Kraftwerksbau östlich von Wien aufgeflammt ist.

Ich und viele meiner Fraktionskollegen werden daher den Fortschritt in der Verwirklichung des Nationalparks Donau-Auen trotz der bestehenden Schönheitsfehler begrüßen. Ich werde daher meine Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.04

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schaufler. Ich erteile es ihm.

12.04

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! An und für sich werde ich mich in meinen Ausführungen kurz halten, aber ich möchte die Gelegenheit nicht versäumen, als künftiger möglicher Anrainer des Nationalparks doch ein paar Worte aus der Sicht der betroffenen Bevölkerung zu verlieren.

Wie meine Vorredner schon zum Ausdruck gebracht haben, ist die Situation derzeit so, daß die Flächen, die nunmehr in den Nationalpark eingebracht wurden, im Besitz der Österreichischen Bundesforste und der Stadt Wien sind. Andere Flächen sind derzeit noch nicht enthalten, das wird erst nach der Unterzeichnung auf dem Schloß in Hainburg beschlossen werden.

Diese Verträge legen fest, unter welchen Voraussetzungen die Möglichkeit besteht, private Flächen oder Flächen von Waldgenossenschaften einzubringen. Das betroffene Gebiet reicht


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bis Schwechat, konkret bis Mannswörth. Dort treffen mit ungeheurer Wucht Großindustrie und schützenswerte Naturräume zusammen.

Ich habe miterlebt, mit welcher Emotion die Auseinandersetzungen seitens Befürworter und Gegner geführt wurden: von Naturfreunden im unpolitischen Sinn, von Fischern, Wanderern und anderen, die immer gefürchtet haben, daß, wenn der Nationalpark zustande kommt, sie dann vielleicht Eintritt zu bezahlen hätten oder vielleicht überhaupt nicht mehr in die Au gehen könnten, um dort ein paar Stunden zu fischen.

Ich meine, daß Worte, wie sie vom ehemaligen Nationalratspräsidenten Anton Benya, den ich an und für sich sehr schätze, aber da habe ich ihn nicht verstanden, gesagt wurden: Was kümmert mich das Gestrüpp von Hainburg?, geradezu Öl auf das Feuer dieser Emotionen waren, die seinerzeit vorhanden waren und es auch heute noch sind.

Ich meine aber, daß wir bei der ganzen Diskussion ein paar Dinge nicht vergessen sollten: Es war nämlich grundsätzlich die rund um den Nationalpark wohnende Bevölkerung, die diese Flächen, diese hochsensible Au, vorsichtig genutzt, gestaltet und bewirtschaftet hat. Dennoch ist es möglich, daß 5 000 verschiedene Lebewesen dort nach wie vor ihren Schutz, ihre Heimat finden.

Ich meine, es wäre falsch, wenn man jetzt dazu übergeht, das, was bisher über Hunderte von Jahren vorhanden war, vielleicht durch eine geplante Nutzung zu stören. Die Bevölkerung, die rund um den Nationalpark in der heutigen Form beziehungsweise vielleicht in der künftigen großen Form lebt – das sollten wir bei allen Diskussionen, bei allen Emotionen nicht vergessen –, liebt ihre Au. Da ich selbst dort wohne, habe ich in einer angeregten Diskussion einmal den Satz geprägt, der von vielen nicht verstanden wurde: Wer die Au wirklich liebt, der geht so wenig wie möglich hinein. Das können nur wirklich ehrliche und aufrechte Naturfreunde verstehen.

Das steht natürlich im Widerspruch zur Ökonomie, wenn man dann sagt, ein Nationalpark muß vermarktet werden, da ist für die Region etwas drinnen. Aber die angrenzende Bevölkerung soll weitgehend mitbestimmen können.

Daher begrüße ich schlußendlich, daß ein Nationalpark-Beirat, in dem alle Gemeinden vertreten sein werden, ins Leben gerufen wird beziehungsweise vom Gesetzgeber vorgesehen ist. Die Menschen, die rund um die Au leben, haben in ihrer Au immer Erholung gefunden und ihre Freizeit gestaltet. Es wurde gejagt und gefischt, und auch den Wanderern blieb eigentlich nichts vorenthalten. Aber sie haben diese gottgegebenen Ressourcen sehr vorsichtig genutzt.

Ich warne daher vor allzu viel Asphalt. Das Zugangstor wird voraussichtlich Hainburg sein. Ich warne auch vor allzu viel Menschen in der Au, denn dann könnten nachfolgende Generationen vielleicht nicht mehr mit Freude erleben, daß es dort 5 000 Arten gibt. Ich warne aber auch davor, daß man dem Städter, der diesen Umgang mit der Natur nicht so kennt wie die Anrainerbevölkerung, jetzt über Medien sagt: Dort gibt es 5 000 Arten. Der "Kurier" hat diesbezüglich den Vogel abgeschossen, jetzt geht es darum, diese 5 000 Arten für jedermann aufzuspüren. – Das wäre der falsche Weg, das sage ich ganz klar und deutlich. Dazu – ich sage es noch einmal – ist die Au viel zu sensibel, ich sage, sie ist hochsensibel. Sie weiß sich aber auch – Gott sei Dank – selbst etwas zu schützen.

Wer dort – wie ich – wohnt, weiß, daß nach dem ersten Frühjahrshochwasser die Langrüsseligen kommen, in Millionen und Abermillionen, und eine natürliche Barriere vor allzu viel Menschen bilden, die vielleicht etwas gefährden könnten. Ich warne auch vor zu intensiver Nutzung durch Führungen in die Altarme. Das ist ruhendes Gewässer und ist eigentlich auch mehr als sensibel.

Die Diskussion wurde, wie ich schon gesagt habe, mit sehr viel Emotionen geführt. Ich habe Fischer vom Tisch aufspringen sehen, die sonst stundenlang mit Gelassenheit am Ufer gestanden sind. Herr Minister! Du hast das auch alles miterlebt, du warst aber einer, der immer mit den Menschen so umgegangen ist, daß sie dir schlußendlich zustimmen konnten, daß es das große Ziel zu erreichen gilt, und zwar sobald wie möglich, denn es stellt sich für die Donau unter


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anderem auch das Problem der Eintiefung, das wurde schon angesprochen. Eines ist klar: Eine Eintiefung könnte man ganz einfach mit dem Bau eines weiteren Kraftwerkes verhindern.

Welche Auswirkungen der Bau eines weiteren Kraftwerkes hätte, ist eine andere Frage. Es wurde auch die Frage in die Diskussion eingeworfen: Warum verhindern wir ein Kraftwerk? – In der Nähe unserer Ostgrenzen befinden sich einige Atomkraftwerke, die es gilt, aus dem Verkehr zu ziehen. Wäre es da nicht vernünftig, ein Wasserkraftwerk zu bauen, um zum Schutz der Menschen und schlußendlich vielleicht auch zum Schutz der Au dort ein Atomkraftwerk stillegen zu können? – Das sind Überlegungen, denen wir uns in Zukunft widmen werden müssen.

Insgesamt darf ich sagen, daß mich die Gründung des Nationalparks sehr freut, wenn es weniger spektakulär möglich gewesen wäre, wäre es mir lieber. Vielleicht ist auch mit den Anrainern zuwenig gesprochen, etwas zuwenig auf ihre Befürchtungen eingegangen worden, speziell mit jenen nördlich der Donau, denn wenn die Schutzzone bereits hinter dem Hausgarten beginnt, wird es schon ein wenig kritisch für die Anrainerbevölkerung.

Ich meine, daß es vielleicht auch zu überlegen gewesen wäre – das ist aber noch nicht ganz ausdiskutiert –, ob wir unbedingt einen Nationalpark nach internationalen Kriterien und Richtlinien benötigen. Vielleicht hätte sich ein österreichisches System finden lassen, in dem alle Befürchtungen der Menschen und auch das vorrangige Ziel, nämlich den Schutz der Natur, etwas leichter unter Dach und Fach zu bringen gewesen wären.

Weiters begrüße ich, daß in bezug auf Entschädigungszahlungen hinsichtlich des Nationalparks, der vielleicht noch größer wird, Klarheit geschaffen wurde. Diesbezüglich gab es auch Befürchtungen seitens der Waldbesitzer, der Waldgenossenschaften und anderer Grundbesitzer. Dieses Problem ist jetzt klargelegt worden mit den Grundbesitzern, es werden Entschädigungen geleistet. So wird es für die anderen Eigentümer, die noch überlegen, ob sie sich anschließen oder nicht, sicherlich etwas leichter werden. Wir werden dadurch vielleicht unser großes Ziel, die gesamten Auflächen dem Naturpark einzuordnen, leichter erreichen.

Es scheint mir auch vernünftig zu sein, daß das Gesetz vorsieht, daß die Nationalparkverwaltungsgesellschaft vorerst ihren Sitz in Wien hat, aber in späterer Folge dann doch in eine Nationalparkgemeinde ausgelagert werden soll, weil ich meine, daß mit dieser Überlegung die eine oder andere Gemeinde vom Dagegensein zum Dafürsein bewegt werden könnte.

Ich freue mich auch, daß es schlußendlich so gelaufen ist, daß die Betreuung der Nationalparkflächen auch in Zukunft von jenen Menschen vorgenommen werden kann, die jetzt schon in der Au arbeiten. Ich denke da an die Beschäftigten der Österreichischen Bundesforste und der Forstverwaltung Lobau. Das war eine ursprüngliche Forderung des Österreichischen Landarbeiterkammertages noch unter Professor Lötsch, als dieser mit der Schaffung eines Naturparks betraut war. Dem hat man damit Rechnung getragen. Daher freut es mich, daß diese Regelung Eingang gefunden hat, und ich stimme dem heutigen Gesetz gerne zu. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Winter. Ich erteile es ihm.

12.14

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Mit der 15a-Vereinbarung und mit der Kostenaufteilung, die wir schon gehört haben – 50 Prozent Bund und 50 Prozent Land Niederösterreich und Land Wien –, wurde ein wesentlicher Schritt zum Nationalpark Donau-Auen gesetzt. Die flankierenden Erklärungen dieses Medienspektakels, das es um den Nationalpark gibt, sind natürlich übertrieben.


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Es geht aber nun darum, daß sich der Nationalpark-Beirat so rasch wie möglich zusammensetzt und auch baldigst ein Geschäftsführer der Nationalparkgesellschaft gefunden wird. Auch wenn manchmal von vielen Seiten ein gegenteiliger Eindruck erweckt wird, um sich einen angeblichen Sieg auf die Fahnen zu heften: Die wirkliche Arbeit beginnt erst jetzt.

Es ist für die Zukunft des Nationalparks unabdingbar notwendig, eine fundierte Akzeptanz bei der Bevölkerung der Region zu erreichen. Dazu müssen aber die bestehenden Vorurteile, die allerdings überwiegend – so glaube ich – auf Fehlinformationen und weit überzogenen Vorstellungen mancher Natur- und Umweltvereinigung basieren, ausgeräumt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Niederösterreichische Landesregierung wird in ihrer nächsten Sitzung am 19. November 1996 die notwendige Nationalparkverordnung beschließen, in die auch die rund 1 200 Einwendungen gegen den Nationalpark eingeflossen sind. Der Nationalpark steht also noch nicht, aber alle wesentlichen Vorarbeiten sind bereits geleistet beziehungsweise werden in den nächsten Tagen abgeschlossen sein.

Es geht nun aber darum, die Situation zu entkrampfen und den Nationalpark in enger Zusammenarbeit zu realisieren. Eines wird man aber ganz klar sagen müssen: Ich warne nachdrücklich davor, zu glauben, sich mit Versprechungen über die Realität hinwegretten zu können. Einen Nationalpark ohne entsprechender Kernzone kann es meiner Einschätzung nach nicht geben. Kernzone heißt aber auch: Verzicht auf jede Nutzung!

Wie die Besucherlenkung in diesem Nationalpark aussehen wird, obliegt nun dem Geschick des Nationalpark-Beirates und des neuen Geschäftsführers. Es muß aber eines klar sein: Ein Nationalpark, der viele Menschen der Region ihrer Einkommensquellen berauben würde, wird nur sehr schwer Akzeptanz finden können. Im Zusammenhang mit der Frage der Akzeptanz und der Frage, was damit zusammenhängt, nämlich die Begehbarkeit der Au, ist die Tatsache zu sehen, daß das Agieren hinsichtlich der Akzeptanz nicht in allen Phasen der Vergangenheit sehr glücklich war – das sei ganz offen zugegeben –, da vielleicht die Aussprache mit der Bevölkerung nicht in jenem Ausmaß gepflogen wurde, das zu dieser notwendigen Zustimmung geführt hätte. Das sei ganz kritisch angemerkt.

Manchmal hatte ich auch bei dieser Diskussion den Eindruck, daß manche Eiferer sogar mehr angerichtet als erreicht haben. Das muß man einfach auch einmal erwähnen. Auch die Frage des Trinkwassers ist eine Frage, die noch einer wesentlichen Klärung bedarf.

Was die Region betrifft, meine sehr geehrten Damen und Herren, so gehe ich schon davon aus, daß mit solchen Beschlüssen eine regionale Entwicklung, die auch schon erwähnt wurde, nicht unterbunden werden kann. Es kann ja nicht nur des einen Freude sein – etwa für einen Ausflug –, während alle anderen Entwicklungschancen in einem sehr entwicklungsträchtigen Gebiet sozusagen unterbunden sind.

Ich gehe auch davon aus, daß man letztlich durch viele Diskussionen erreichen wird müssen, daß ein Nutzen mit dem Nationalpark verbunden ist, der für die Region und für die einzelnen Gruppen der Bevölkerung gegeben sein muß, um damit eine erhöhte Akzeptanz zu erreichen.

Es erscheint mir ungemein wichtig, daß die Bevölkerung davon überzeugt werden kann, daß mit einem Nationalpark, der eine zusätzliche Chance für die Region bietet, eine regionale Entwicklung eröffnet wird und daß damit auch ein Nutzen verbunden ist.

Unter den gegebenen Voraussetzungen und mit einem nochmaligen nachdrücklichen Hinweis auf die Notwendigkeit der Einbindung der Betroffenen, der ortsansässigen Bevölkerung wird meine Fraktion die Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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12.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Prasch. – Bitte.

12.20

Bundesrat Dr. Helmut Prasch (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Durchaus auch im Einverständnis mit meinem Kollegen Waldhäusl, der heute zum Nationalpark Donau-Auen eine kritische Position bezogen hat, darf ich meiner grundsätzlichen Freude darüber Ausdruck verleihen, daß nach mehr als zehn Jahren – nach der revolutionären Besetzung der Hainburger Au – dieser Nationalpark Donau-Auen mit der heutigen Beschlußfassung über das vorliegende Gesetz Realität wird.

Ein langer, sicherlich mit vielen Hürden versehener Weg, der für manche engagierte Umweltschützer über weite Strecken auch ein bißchen ein Spießrutenlauf war, hat sein Ziel gefunden. Deshalb gebührt mein Dank zuallererst jenen engagierten Mitbürgern, die in dieser Frage nie lockergelassen und damit einen weiteren Meilenstein in der österreichischen Umweltpolitik gesetzt haben.

Es wäre falsch, würde sich heute die Politik ein Federl an den Hut stecken wollen. Die Unter-Schutz-Stellung der Donau-Auen war nicht das Verdienst der Politik, schon gar nicht der Bundesregierung. Es ist das Verdienst mutiger Mitmenschen, die damals einem Josef Hesoun und vielen anderen, die heute schon viel leiser treten, die Stirn geboten haben. Das soll an dieser Stelle aus meiner Sicht eindeutig unterstrichen werden.

Meine Damen und Herren! Wenn heute Kollege Waldhäusl kritische Worte zur Vorgangsweise bei der Schaffung dieses Nationalparks gefunden hat, so hat dies eine klare Berechtigung: Uns Freiheitliche geht es um ein grundsätzliches Umdenken der Politik in entscheidenden Umweltfragen und gleichzeitig um eine möglichst breite Bewußtseinsbildung innerhalb der Bevölkerung, nämlich dahin gehend, daß der nachhaltige Schutz der Schönheit unserer Natur ein ökologisches, wirtschaftliches und letztlich auch gesellschaftspolitisches "Muß" ist.

Wenn ein schönes Stück Österreich unter Schutz gestellt wird, so kann das auf der anderen Seite nicht eine "Quasi-Enteignung" für jene Menschen bedeuten, die in diesem Gebiet wohnen und arbeiten. Und damit bin ich auch konform mit der Kritik, die Landesrat Schimanek in Niederösterreich geübt hat, denn die Menschen, die in diesem Gebiet wohnen – ich meine hier ganz konkret die Bauern –, haben durch ihre bisherige Arbeit und ihre bisherigen Leistungen wesentlich dazu beigetragen, daß dieses Gebiet noch heute so intakt ist, wie Sie es vorfinden können.

Die Bauern sind es nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, die die Umwelt gefährden. Daher sollten sie auch weiterhin ein Recht darauf haben, mitzureden, wenn es um die Gestaltung ihres Lebens- und Wirtschaftsraumes geht. Auch dann, wenn beispielsweise die Europäische Union mit Millionenunterstützungen lockt, wie zuletzt in einem Kärntner Fall, nämlich bei der Unter-Schutz-Stellung der Aulandschaften an der oberen Drau, muß man in der Politik die Härte haben, nein zu sagen, um sich auch in Zukunft das Recht zu sichern, über eigenen Grund und Boden entscheiden zu dürfen.

Umweltpolitik ist österreichische Sache, und gerade die Europäische Union könnte sich ein Beispiel daran nehmen, wie bemüht und behutsam gerade Österreich in dieser Frage vorgeht.

Ich meine, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß Umweltgefährdungen meistens an leisen Schreibtischen in vielen hunderten Kilometern Entfernung von dem Ort der Planung ihren Ursprung haben, nämlich wenn am grünen Tisch Pläne entworfen werden, die, für sich alleine gestellt, zweifelsohne ihre Berechtigung haben mögen. Berücksichtigt man aber die tatsächliche Situation vor Ort, so ergeben sich viele andere Aspekte, die von der Politik sehr häufig in ihrer Bedeutung verkannt werden.

Mit Schrecken erinnere ich mich in diesem Zusammenhang an den Auftritt des oberösterreichischen Landeshauptmannes Pühringer vor diesem Hohes Haus, der uns mit Ihrer Hilfe, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, die Sinnhaftigkeit des Kraftwerkes Lambach vor Augen führen wollte. Heute hat auch der oberösterreichische Landeshauptmann Pühringer umgedacht und erkannt, daß derartige "Schreibtischprojekte", wie ich es vorhin gemeint habe, in der Realität nicht mehr durchführbar sind, weil man die Interessen der Bürger nicht ausklammern darf.


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Lambach ist für mich nach wie vor das beste Beispiel dafür, daß Hainburg noch lange nicht Geschichte ist, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich, verehrte Kolleginnen und Kollegen, noch einige Worte zur Nationalparkphilosophie im allgemeinen sagen, da ich aus der Nationalparkgemeinde Heiligenblut stamme, wo vor zehn Jahren eine wirklich bahnbrechende 15a-Vereinbarung beschlossen wurde, die sich jetzt erst vor kurzem gejährt hat. Ich möchte es jetzt nicht verabsäumen, sehr geehrter Herr Umweltminister, einige Anmerkungen zu machen, sozusagen aus der Nationalparkpraxis und nicht durch die rosarote Brille und in Jubelstimmung.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt, auch nicht im Nationalpark Hohe Tauern, und ich störe mich massiv an der strengen Einteilung eines Nationalparks in Kernzonen und in Randzonen. Kollege Winter hat das ganz richtig angesprochen: Hier liegt ein großes Problem begraben, vor allen Dingen auch im Nationalpark Hohe Tauern, wo wir eine sehr streng geschützte Kernzone haben, die allerdings in einem Bereich liegt, der weit über 3 000 Meter Seehöhe liegt, also in einer Lage, wo nicht mehr sehr viele Menschen hinkommen, dort hat man sich durchgerungen, streng umweltschützerisch vorzugehen.

In den Randzonen aber, sehr geehrter Herr Minister, passieren viele schlechte und sehr einschneidende Eingriffe in die Natur, die ich Ihnen an dieser Stelle einmal ganz offen sagen möchte. Es ist 100 Meter unterhalb von Heiligenblut ein Kraftwerk gebaut worden, es wurde einer der letzten Bergseen auf einer Höhe von 3 000 Meter, knapp unter dem Gipfel des Hohen Sonnblicks, in ein Kraftwerk, in einen Stausee umfunktioniert. Es werden nach wie vor in den Randzonen des Nationalparks Straßen bis in Höhen jenseits der Baumgrenze, jenseits von 2 500 Meter, immer wieder errichtet.

Es wurde in der Randzone des Nationalparks Hohe Tauern ein Schiprojekt durchgezogen, das eine Größenordnung erreicht hat, die für einen Nationalpark wenig Sinn macht. Stellen Sie sich einmal vorstellen, wenn man beispielsweise im amerikanischen Nationalpark Jackson Hall ein Schigebiet errichten würde, dann würde man wahrscheinlich im Gefängnis landen. In Österreich ist das in der Randzone eines durchaus wunderbar funktionierenden Nationalparks Hohe Tauern immer noch möglich, und dagegen verwehre ich mich.

Wenn man sich dazu bekennt, ein Gebiet zum Nationalpark zu erklären, dann müßte man auch die Konsequenz ziehen und sagen, wir sind der Meinung, daß dieses Gebiet, wie es jetzt da ist, zu schützen ist. Uns ist es etwas wert, wenn man verhindert, daß dort ein Kraftwerk gebaut wird, wenn man verhindert, daß Bauern in luftigen Höhen Erschließungsstraßen bauen wollen. Dann muß man diese Bauern einfach ablösen.

Wenn man es aufrechnet, dann kommt man drauf, daß es auch Sinn machen würde, das Geld, das allein für solche Straßenprojekte aufgewendet werden muß, für Direktförderungen an die Bauern zu verwenden, denn dann würde man sich diese einschneidenden Eingriffe in die Naturlandschaft einer Nationalparkrandzone ersparen.

Unter dem Deckmantel einer Nationalparkidee solche Umweltsünden zuzulassen oder bei der Begehung von derartigen Sünden zuzuschauen, sie vielleicht auch noch zu fördern, das halte ich schlichtweg für den falschen Weg, das ist in meinen Augen ein Verrat an der Nationalparkidee. In der Hoffnung aber, daß solche Fehler im neuen Nationalpark Donau-Auen nicht passieren, stimme ich aus tiefer Überzeugung dem vorliegenden Nationalratsbeschluß zu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Wilfing. – Bitte.

12.28

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Wenn die Texterin unserer Bundeshymne, Paula von Preradovi%, zuerst mit einer Beschreibung und mit einem Lob unserer Landschaft,


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unserer Heimat beginnt, bevor sie auf Fleiß und Tüchtigkeit unseres Volkes eingeht, so ist das kein Zufall und kann auch kein Zufall sein, weil eben das größte Kapital, das wir Österreicher haben, unsere Landschaft, unsere Naturschönheit ist.

Trotzdem müssen wir auch in Österreich am Ende des zweiten Jahrtausends feststellen, daß wir einer erschreckenden Verarmung an Tier- und Pflanzenarten, deren Lebensräumen, eben der biologischen Vielfalt gegenüberstehen. Wir müssen erkennen, wie gleichzeitig mit den Errungenschaften der modernen Zivilisation die Ausbeutung unseres Planeten einherging.

Jetzt sind wir ja Gott sei Dank trotz der zahlreichen Eingriffe in für uns unwiederbringlich zerstörten Lebensräumen in Österreich im internationalen Vergleich relativ gut dastehend und können auch heute mit Recht behaupten, daß Österreich gerade in der Vielfalt seiner Landschaft, in der Vielschichtigkeit der in Österreich lebenden Bevölkerung einen unverwechselbaren Reiz anzubieten hat, einen Reiz, der auch dazu führt, daß Tausende von Besuchern nach Österreich kommen, bei uns Urlaub machen, unseren Tourismus beleben. Aber gerade aus diesem Grund muß es unser aller Streben sein, daß Unberührtes erhalten bleibt und bewahrt wird. Und genau aus diesem Grund war es höchst notwendig, daß dieser Nationalpark Donau-Auen geschaffen wird.

Es war deshalb höchstnotwendig, weil darüber hinaus gerade dieser Nationalpark Donau-Auen auch der wohl international bekannteste Nationalpark Österreichs sein wird, nicht primär, aber auch wegen seiner Naturschönheiten, aber primär natürlich wegen der politischen Turbulenzen, die sich aus den Auseinandersetzungen um den Kraftwerksbau bei Hainburg und der Frage der Einhaltung internationaler Naturschutzverpflichtungen ergaben.

Ich möchte auch noch einmal, so wie einzelne Vorredner, an folgendes erinnern: 1984 wurde – damals in der Zeit der SP-FP-Regierung – ein Kraftwerk bei Hainburg genehmigt, obwohl das Gebiet gemäß dem niederösterreichischen Naturschutzgesetz und der internationalen Ramsar-Konvention als Schutzgebiet ausgewiesen war. Der darauf folgende Winter 1984/85 mit den berühmten ersten Schlägerungen im Auwald, den Demonstrationen der vielen Tausenden Jugendlichen, die diesen Auwald schützen wollten, hat dazu geführt, daß eine zehnjährige Nachdenkpause verging. Und das ist die zweite, für mich politisch wichtige Entscheidung, die mit diesem Nationalpark getroffen wird: Es wurde damit endgültig festgelegt, daß das Augebiet mit einem Kraftwerk unvereinbar ist. Es steht endgültig fest, daß dort kein Kraftwerk errichtet werden kann, weil ein Kraftwerk den Wasserhaushalt der Au derartig stark verändern würde, daß man nie mehr von einer natürlichen Au sprechen könnte, und zusätzlich ein Kraftwerksbau, zum Beispiel in Wildungsmauer, dazu führen würde, daß nur mehr 2 700 Hektar wertvolles Augebiet übrigbleiben würden.

Die weiteren Schritte sind bekannt: angefangen beim WWF mit seiner Spende "Natur freikaufen", später die Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal, bis hin am 27. Oktober mit der Unterzeichnung des Nationalparkes.

Ich glaube nicht, daß es zu früh war, diesen Nationalpark zu schaffen – Bezug nehmend auf die Einwände des Bundesrates Waldhäusl –, weil eben diese Startvariante aufgrund des Grundbesitzes der Republik Österreich, der Österreichischen Bundesforste, der Gemeinde Wien und der Erforschungsgemeinschaft Auzentrum Petronell immerhin eine Gesamtfläche von 9 300 Hektar aufweist und, so glaube ich, daher groß genug ist für einen Nationalpark. Aber – das ist richtig – das sind erst 81 Prozent des Planungsgebietes, und es wird daher einen sehr offenen, einen sehr ehrlichen, einen sehr fairen Dialog mit der Bevölkerung geben müssen, damit auch die privaten Grundeigentümer und Gemeinden ihre Flächen in den Nationalpark einbringen. Ich kann dazu sagen – es ist mein Wahlkreis –, ich bin mir sicher, daß wir das gemeinsam schaffen werden.

Abschließend: Ich war bei der Unterzeichnung dabei. Es wurde dort eine Zeitung "Nationalpark Donau-Auen" aufgelegt, in der der Herr Bundesminister feststellt: Das Juwel Donau-Auen bekommt die ihm zustehende Fassung. Der Nationalpark wird Wirklichkeit. Ein schöneres Geschenk – ich glaube, daß Bundesminister Bartenstein hier genau die richtigen Worte gesagt hat –


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könnte sich Österreich im Millenniumsjahr gar nicht machen. – Danke für dieses Geschenk und weiterhin alles Gute. (Beifall bei der ÖVP.)

12.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Bartenstein. – Bitte.

12.33

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Ich darf dort anschließen, wo Herr Bundesrat Wilfing aufgehört hat: Es ist ein Millenniumsgeschenk, das wir Österreicher uns am 27. Oktober mit der Unterzeichnung der Artikel 15a-Vereinbarung zum Nationalpark selbst machen durften.

Es wurde gesagt, daß diese heutige Diskussion zu früh kommt, weil das Gesetz zur Errichtung einer Nationalparkgesellschaft tunlichst erst nach der Ratifizierung der Artikel 15a-Vereinbarung geschehen sollte. Meine Damen und Herren! Dazu meine ich, daß hier de facto eine Gleichzeitigkeit gegeben ist und daß mit dieser Gesellschaftsgründung lediglich die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, um die Stelle eines Geschäftsführers auszuschreiben – das ist auch schon geschehen –, um einen Geschäftsführer einzustellen und um dann die Nationalparkgesellschaft mit 1. Jänner nächsten Jahres operativ tätig werden zu lassen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch darauf hinweisen, daß das wahrscheinlich eine der kleinsten GesmbHs in diesem Land sein wird, nämlich eine mit sechs Mitarbeitern – einem Geschäftsführer und fünf Mitarbeitern –, und daß wir uns sehr bewußt unter Einbeziehung der Partner Forstverwaltung Lobau und Bundesforste mit dieser Nationalparkgesellschaft auf die neuen nationalparkrelevanten Aufgaben beschränken wollen: Nationalparkmanagement, Marketing, Besucherstromlenkung. Es kann ein Zuviel an Besuchern gerade auch im Nationalpark Donau-Auen geben, obwohl, so glaube ich, dort die Gelsen als wichtige Nationalparkwächter davor sein werden, aber die Besucherstromlenkung ist ein Element jedes Nationalparkmanagements.

Es wurde auch der Nationalpark Hohe Tauern angesprochen: Herr Bundesrat! Dort geht es ja unter anderem darum, den Besucherstrom so geschickt zu lenken, daß man die Besucher, die Touristen so gut wie möglich in der Außenzone des Nationalparks hält und nicht in der Kernzone.

Ich darf Ihnen übrigens sagen, daß ich selbst heuer bei einer Glocknertour am Rande der Gamsgrube gewandert bin. Dort ist man noch lange nicht auf 3 000 Meter Seehöhe, und hier handelt es sich um eines der wichtigsten Sonderschutzgebiete überhaupt im Nationalpark Hohe Tauern – das im übrigen schon lange unter strengem Schutz gestanden ist, noch bevor der Nationalpark Hohe Tauern gegründet worden ist.

Es gibt keinen besseren Naturschutz als die Kategorie des Nationalparks, ganz egal, ob das für die Donau-Auen oder für die Hohen Tauern, für die Kalkalpen oder für den Neusiedler See/Seewinkel gemeint ist. Das ist die strengste Form des Naturschutzes, das ist die beste Möglichkeit, Straßenbau-, Kraftwerks-, Schigebiets- und ähnliche Projekte von einem Gebiet fernzuhalten, das ist die definitive und gewissermaßen auf die Ewigkeit ausgerichtete Unter-Schutz-Stellung.

Vieles ist schon gesagt worden, ich möchte nichts davon wiederholen. Wem die gut zehn Jahre, die seit Hainburg vergangen sind, so quasi als Vorlaufphase für den Nationalpark Donau-Auen zu lang sind, dem kann ich dazu nur sagen: Erstens einmal liegen wir damit im europäischen Schnitt gut. Mehr als 23 Jahre vergehen in Europa durchschnittlich mit der Gründung eines Nationalparks, weil es eben sinnvoll, notwendig und demokratiepolitisch erforderlich ist, so viele Menschen und vor allem Anrainer wie möglich einzubinden, zu motivieren und, wenn möglich, auch positiv zu überzeugen. Und jetzt habe ich nicht zuletzt am 27. Oktober auch erlebt, daß es vor allem in den Nordufergemeinden eine Reihe von Anrainern, von Bürgern, von Bauern gibt,


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die bis jetzt mit diesem Nationalpark Donau-Auen nicht sehr glücklich sind und noch motiviert und überzeugt werden müssen, aber ich denke, wir werden hier ähnliche Erfahrungen machen, wie wir sie auch bei anderen Nationalparks gemacht haben, nämlich daß gut’ Ding Weile braucht und daß mit dem Fortgang der Nationalparkentwicklung die Zustimmung der Bevölkerung steigt.

Das ist im Nationalpark Hohe Tauern der Fall: Jede dortige Gemeinde ist stolz darauf, Nationalparkgemeinde zu sein, abgesehen davon, daß sich bereits 10 Prozent der gesamtösterreichischen Tourismusnächtigungen in Nationalparkregionen abspielen, ist auch ein naturschützerisches Interesse an einer Nationalparkgründung gegeben.

Wir wollen diesen Weg der kostengünstigen und schlanken Etablierung von Nationalparks fortschreiben. Es steht der Nationalpark Kalkalpen ante portas: Wir werden 1997 diesen Nationalpark so gut wie sicher realisieren können, der 15a-Vertrag ist politisch ausdiskutiert. Das heißt, die Ausrufung des Jahres der Nationalparks für das Jahr 1996 hat sich glücklicherweise im nachhinein als richtig erwiesen: Wir haben den Nationalpark Donau-Auen verwirklicht, wir werden den Nationalpark Kalkalpen verwirklichen.

Herr Bundesrat Langer! Wenn ich Ihnen auf der einen Seite dafür danke, daß Sie Ihre Zustimmung erteilen wollen – es ist ja das Abstimmungsverhalten gerade der Freiheitlichen in den verschiedenen parlamentarischen Bereichen durchaus differenziert –, so möchte ich Ihnen auf der anderen Seite entschieden widersprechen, wenn Sie sagen, die IUCN-Kriterien werden nicht erfüllt werden können. Ich zitiere hier Professor Lötsch, der so wie kaum ein anderer wissenschaftlich und auch als Spiritus rector mit dem Nationalpark Donau-Auen zu tun hat, der auf dem Schloßberg, auf der Burg Hainburg an jenem 27. Oktober gesagt hat, daß die Chancen, sehr rasch eine IUCN-Anerkennung als Nationalpark zu erlangen, beim Nationalpark Donau-Auen besonders gut sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Manches ist noch zu tun: Es ist die Artikel 15a-Vereinbarung jetzt parlamentarisch zu ratifizieren, es ist der Nationalpark zu entwickeln, aber ich glaube, daß wir stolz darauf sein können, diesen in Europa einzigartigen Auenwald, diese einzigartige Naturlandschaft und damit insgesamt 5 000 Tier- und über 600 Pflanzenarten zu schützen. Ungarn hat auch im heurigen Jahr einen vergleichbaren Donau-Drau-Auen-Nationalpark in Gemenc-Bèda-Karapanesa – das ist im Süden Ungarns – realisiert, aber wir sind trotzdem stolz darauf und gerade auch deswegen stolz darauf, auch in Österreich ein vergleichbares Projekt entwickelt zu haben.

Es ist im übrigen auch bereits in der Artikel 15a-Vereinbarung sichergestellt, daß die Erweiterung gesetzlich abgesichert ist. Wir werden bis zum Jahr 2000 auf rund 11 500 Hektar erweitern können, wobei für mich ein Prinzip gilt, nämlich daß es partnerschaftliche und privatvertragliche Erklärungen sein müssen, die die Einbringung von privaten Flächen in den Nationalpark sicherstellen.

Die Punkte für die nächste Zukunft sind: Motivation und Überzeugung derjenigen Bürger und Anrainer, die dort leben, aber noch nicht für den Nationalpark sind; Einbringung weiterer Flächen, um das Nationalparkgebilde abzurunden; und Absicherung eines der wichtigsten Naturschutzgebiete in diesem Land als Nationalpark Donau-Auen. – Ich danke, Frau Präsidentin, für die Erteilung des Wortes. (Beifall bei der ÖVP.)

12.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.


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Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

4. Punkt

Bericht des Bundesministers für Umwelt betreffend Vierter Umweltkontrollbericht (Mai 1993 bis April 1995) (III-146/BR sowie 5288/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Bundesministers für Umwelt betreffend Vierter Umweltkontrollbericht, und zwar betrifft dieser den Zeitraum Mai 1993 bis April 1995.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Perl übernommen. Ich darf sie um den Bericht bitten.

Berichterstatterin Gertrude Perl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Der vorliegende vierte Bericht über die Umweltkontrolle des Bundesministers für Umwelt wurde vom Umweltbundesamt für den Berichtszeitraum 1993 bis 1995 erstellt und besteht aus zwei Bänden.

Teil A befaßt sich mit der Umweltsituation in Österreich und gliedert sich in die Abschnitte Luft, Wasserwirtschaft und Gewässerschutz, Boden, Wald, Natur und Landschaft, Schutz vor Chemikalien, Pflanzenschutzmittel, Abfall, Altlasten, Lärm, Energie, Radioaktivitätskontrolle in Österreich sowie Gen- und Biotechnologie.

Teil B umfaßt die österreichische Umweltkontrolle und die dazugehörenden Bestandsaufnahmen.

Der Bericht macht deutlich, daß durch wirksame Umweltschutzmaßnahmen und gemeinsame Anstrengungen aller große Fortschritte erzielt werden können. Die laufende offizielle Beobachtung und Kontrolle der Umweltsituation, insbesondere auch der Funktionsfähigkeit von Ökosystemen durch die Fachleute des Umweltbundesamtes, fördern diese positive Entwicklung.

Der Ausschuß für Familie und Umwelt hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung vom 12. November 1996 in Verhandlung genommen und mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Hohen Hause die Kenntnisnahme des Berichtes zu empfehlen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kapral. Ich erteile es ihm.

12.44

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Der vierte Bericht des Bundesministers für Umwelt an den Nationalrat über die Umweltsituation in Österreich oder auch Vierter Umweltkontrollbericht ist meines Wissens der erste, der hier im Bundesrat diskutiert wird, obwohl die Materie Umwelt sicher auch Länderinteressen berührt, wie zum Beispiel den Bereich Landwirtschaft.

Diesbezüglich hat bei einer ganz anderen Wortmeldung Herr Bundesrat Rodek schon angedeutet, daß er – ich betone: er – in der Landwirtschaft einen wesentlichen Faktor der Umweltbeeinträchtigung, um kein gröberes Wort zu nehmen, sieht. (Bundesrat Ing. Penz: Das ist


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ein Mißverständnis!) – Es ist sicherlich ein Mißverständnis, aber er hat es gesagt, Herr Bundesrat Penz! (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Penz. )

Ja, er hat ja noch Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Ich wollte nur, daß das nicht untergeht, weil das ein Thema ist, das man nicht unter den Teppich kehren sollte, wie das mit der Landwirtschaft und dem Umweltschutz ist. Ich werde Sie jedenfalls nicht in eine solche Rolle drängen.

Dieser Umweltkontrollbericht ist eine umfassende Darstellung der Situation in Österreich, auch der Meß- und Kontrollmaßnahmen, eine durchaus anerkennenswerte Leistung, was die Bestandsaufnahme der Umweltschutzmaßnahmen in Österreich anlangt. Es muß für diese Leistung den damit befaßten Beamten gedankt werden. Er ist übrigens nur einer der Berichte, wohl der umfassendste.

Meine Aufzählung, die ich jetzt bringe, hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt einen Bundesabfallbericht, es gibt einen Klimaschutzbericht, es gibt einen Bericht des Bundesministers über ein einheitliches Umweltanlagenrecht, es gibt einen Bericht über die Erfahrungen mit der Vollziehung des Umweltinformationsgesetzes, und es gibt – das ist, glaube ich, auch in der Diskussion über den Umweltkontrollbericht sehr wesentlich – nunmehr seit Ende vergangenen Jahres den nationalen Umweltplan.

Man kann diese Flut an Berichten durchaus positiv sehen: Sie zeigt das Interesse, das die Damen und Herren Abgeordneten diesem Thema entgegenbringen, ausgehend von der Annahme, daß diese Berichte auch tatsächlich gelesen und studiert werden. Oder man kann es auch negativ sehen: Mit einer solchen Fülle von Verlangen nach Berichten wird dem Ministerium ein Arbeitsaufwand aufgebürdet, der sehr groß ist, und es werden Kräfte gebunden, die besser für die Bearbeitung anderer Aufgaben eingesetzt werden sollten. Ich nehme keine Wertung vor, aber es ist kein leichtes Ressort, das dem Herrn Bundesminister zugeordnet ist. Das zeigt sich auch darin, daß der gegenwärtige Bundesminister der vierte Umweltminister ist, der von der ÖVP gestellt wird, seit es dieses Ressort in dieser Form gibt.

Wie gesagt, dieser Umweltkontrollbericht enthält eine Fülle von Daten, die es praktisch unmöglich machen, den Bericht in seiner gesamten Breite zu diskutieren. Es ist daher notwendig, einige Punkte herauszugreifen und sie zum Gegenstand der Diskussion zu machen. Eine Diskussion und eine kritische Auseinandersetzung mit dem Umweltkontrollbericht werden dann leichter möglich sein, wenn einmal Gelegenheit gegeben ist, eine Gegenüberstellung zum nationalen Umweltplan vorzunehmen, aber, wie gesagt, dieser Umweltplan liegt erst seit Ende 1995 vor und betrifft natürlich nicht die Berichtsperiode des Umweltkontrollberichtes.

Dieser Umweltplan soll ein mehr oder weniger verbindliches Orientierungsinstrument, ein Orientierungsrahmen für die Umweltpolitik in unserem Land sein. Es hat fast zehn Jahre gedauert, bis nach dem sogenannten Brundtland-Report ein nationaler Umweltplan in Österreich vorliegt.

Er übernimmt aus diesem Brundtland-Report den Begriff des Sustainable Development, also der nachhaltigen und dauerhaften Entwicklung, und formuliert als Ziel in längerfristiger Sicht eine substantielle ökologie- und umweltbewußte Veränderung der österreichischen Industriegesellschaft, wobei – ich glaube, Herr Bundesminister, da sind wir einer Meinung – damit nicht die Abwanderung der letzten Industriebetriebe aus unserem Land gemeint ist – auch wenn heute in den Tageszeitungen von einer Studie, von einer Befragung berichtet wird, laut der nach wie vor ein erheblicher Prozentsatz von Industriebetrieben aus dem Land abwandern möchte und unter anderem auch als Grund den Problemkreis des Umweltschutzes anführt –, sondern es geht, glaube ich, vielmehr darum, das Problembewußtsein in allen Bereichen – deshalb auch der Ausdruck Industriegesellschaft – der Gesellschaft zu wecken. Das ist ein sehr schwieriges Unterfangen, das sicher nicht leicht umzusetzen sein wird.

Im Einklang mit den Ergebnissen der Konferenz von Rio und den Arbeiten der Commission for Sustainable Development und auch jetzt dem fünften Umweltaktionsprogramm der Europäischen Union werden Vorstellungen und Ziele formuliert, an denen sich die Umweltpolitik orientieren soll.


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Wenn es in diesem nationalen Umweltplan heißt, daß wir uns beim Versuch – ich zitiere –, Umweltprobleme in alle Bereiche der österreichischen Politikfelder einfließen zu lassen, an einem dramatischen Wendepunkt befinden – Zitatende –, dann sagt das aus, mit welchen Schwierigkeiten, mit welchen Problemen hier noch zu ringen ist.

Besonders beleuchtet es aber den Umstand, daß es nicht ein Ressort sein kann, ein Minister, der die Umweltpolitik in diesem Land wahrnimmt, sondern daß eine vielschichtige, ineinander vernetzte Vorgangsweise notwendig ist, die aber noch nicht realisiert ist.

Ich möchte mich nun dem Kapitel Luft im Umweltkontrollbericht zuwenden und stelle fest, daß es an sich bedauerlich ist, daß hier etliche Datenreihen und damit auch die sehr schön gestalteten Graphiken Ende 1993 enden. An sich ist dieses Kapitel Luft, der Bericht über die Entwicklung der Luftschadstoffe durchaus positiv zu sehen. Die Werte für Schwefeldioxid sind weiterhin rückläufig, die für NOx und Kohlenmonoxid ebenfalls.

Einen Bereich möchte ich aber besonders herausgreifen, und das ist der Bereich der Kohlendioxidemissionen, die seit den fünfziger Jahren auf den dreifachen Wert gestiegen sind. Kohlendioxide entstehen vor allem bei Verbrennungsprozessen: Sie halten sich zwar seit den achtziger Jahren, wenn man von einer Spitze 1991 mit 56 Millionen Tonnen Ausstoß absieht, konstant. Wenn man aber die Energieprognose des Wirtschaftsforschungsinstituts vom Dezember 1991 als Grundlage heranzieht, dann kann man sehen, daß ein weiterer Anstieg zu befürchten ist, und zwar bis zum Jahr 2005 auf rund 66 Millionen Tonnen. Dies hat zur Konsequenz, daß die bei der sogenannten Klimakonferenz in Toronto 1988 formulierten Ziele, die sogenannten Toronto-Ziele, die sich bis zum Jahr 2005 erstrecken und die zu erreichen sich Österreich auch verpflichtet hat, nicht wirklich eingehalten werden können, weil die dafür notwendigen Reduktionen des Kohlendioxidausstoßes um 20 Prozent und bis Mitte des nächsten Jahrhunderts um 50 Prozent, was für Österreich einen Ausstoß von 44 Millionen Tonnen bedeuten würde, aufgrund der Entwicklung der letzten Jahre nicht einzuhalten sind.

Laut Umweltbundesamt sind die Kohlendioxidemissionen von 1988 bis 1993 um jährlich 4 Prozent gestiegen und liegen damit um rund 30 Prozent über dem Reduktionsziel von Toronto, wobei die größten Steigerungen im Sektor Verkehr, der Fernwärmeerzeugung und in der Stromerzeugung festgestellt wurden, während die Industrie – natürlich auch zum Teil eine Konsequenz des Umstandes, daß sich durch verschiedene Ursachen in der Industriestruktur, also insbesondere in der energieintensiven Grundstoffindustrie, zum Beispiel auch bei der Aluminiumhütte in Braunau, der Energiebedarf reduziert hat – ihre Kohlendioxidemissionen um 11 Prozent gesenkt hat.

Die bisher gesetzten Maßnahmen, um dieses Toronto-Ziel zu erreichen – die Zeitspanne wird immer knapper –, reichen nicht aus. Diese fehlenden Maßnahmen beziehen sich auf eine Einführung einer echten Energieabgabe, wobei ich hier die Vorschläge erwähnen möchte, die von freiheitlicher Seite mit tatkräftiger Unterstützung von universitärer Seite, von Professor Schneider aus Linz, gemacht wurden, die ein Modell einer Energieabgabe vorsehen, das durchaus auch von der Wirtschaft, von der Industrie akzeptiert wird, und über eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auch für andere Bereiche der Gesellschaft akzeptabel sind.

Aber die Abgabe, die uns das sogenannte Strukturverbesserungsgesetz, sprich Sparpaket, eingebrockt hat, ist nur eine Aktion der Geldbeschaffung gewesen, sodaß auch die Empfehlungen der CO2-Kommission aus dem Jahr 1991 – ich zitiere: Eine weitere Verzögerung der Umsetzung der angeführten Empfehlungen, vier Hauptempfehlungen der Kommission, schließen praktisch das Erreichen des Toronto-Zieles aus – nicht wirklich zum Tragen kommen.

Eine Empfehlung ist umgesetzt, der nationale Umweltplan liegt vor. Er legt auch gewisse Technologieschwerpunkte fest und führt Instrumente und Institutionen an.

Was die Kohlendioxidemissionen anlangt, sind zum Beispiel der Hinweis auf die Cogeneration-Anlagen und die Vorteile einer Wärme-Kraft-Kupplung durchaus akzeptabel, aber mit der Anführung allein, daß es für einen forcierten Einsatz dieser Instrumente notwendig ist, die dem


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entgegengesetzten hemmenden Rahmenbedingungen zu ändern, wird es nicht getan sein, sondern es muß, Herr Minister, auch tatsächlich etwas geschehen!

Diese Bundesregierung zeichnet sich zwar durch großartige Ankündigungsmaßnahmen aus, aber in der Realisierung dieser Maßnahmen ist sie nicht ganz so erfolgreich wie in den verbalen Ankündigungen.

Wie soll zum Beispiel die thermische Qualität von Gebäuden, typengeprüften Heizsystemen, energiesparenden Haushaltsgeräten erreicht werden? – Es besteht zwar eine Artikel 15a-Vereinbarung, die aber anscheinend nicht wirklich greift oder zu langsam greift. – Wann kommt es zu einer CO2-orientierten Energieabgabe? Wie soll die Umschichtung der infrastrukturbezogenen Verkehrsinvestitionen von der Straße auf öffentliche Verkehrsträger erfolgen? – Das, um nur einige Beispiele zu nennen, bei denen, um ein gebräuchliches Wort zu zitieren, Handlungsbedarf besteht.

Hinsichtlich des Flottenverbrauches wurde schon in der Regierungsvereinbarung 1990, also von einer Bundesregierung, der der gegenwärtige Bundesminister noch nicht angehört hat, eine 20prozentige Reduktion vereinbart. Ich gebe aber gerne zu, daß solche Ankündigungen natürlich schwer zu realisieren sind, wenn es im Land selbst keine PKW-Erzeugung oder eine solche nur in Spezialbereichen gibt.

Durch den EU-Beitritt sind manche dieser Dinge ebenfalls unterlaufen worden. Bekanntlich war Österreich durch den EU-Beitritt gezwungen, die Straßenbenützungsgebühren auf EU-Niveau abzusenken. Gleichzeitig wurde zwar eine Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer vorgenommen, aber diese trifft nur Inländer. Die Auswirkungen können Sie im Umweltkontrollbericht im Zusammenhang mit Meßergebnissen an der Inntal-Autobahn nachlesen.

Ähnlich kritisch ist die Situation auch auf dem Abfallsektor. Die Auswirkungen der bisherigen Verpackungsverordnung werden äußerst negativ beurteilt, ebenso auch die Tätigkeit der sogenannten ARA. Die in den nächsten Tagen zu erwartende neue Verpackungsverordnung, die mit 1. Dezember in Kraft treten wird, wird jetzt schon als Novelle der verpaßten Chancen beurteilt, wie die Tageszeitung "Die Presse" vom 12.11. eine diesbezügliche Meldung übertitelt.

Ich erspare es mir, hier in Details einzugehen, das werden andere Redner meiner Fraktion noch tun. Eines kann man aber ohneweiters feststellen: daß den Grundsätzen der österreichischen Abfallwirtschaft, des österreichischen Abfallwirtschaftsgesetzes, nämlich Vermeidung, Verwertung, Entsorgung, bisher nicht entsprochen wurde und wahrscheinlich oder bedauerlicherweise auch in Zukunft nicht oder nur unzulänglich entsprochen werden wird. Ein besonders krasses Beispiel in diesem Zusammenhang ist der Bereich der Verpackungsabfälle aus Kunststoff.

Es würde zweifelsohne den Rahmen einer parlamentarischen Diskussion sprengen, würde ich hier noch auf andere Punkte eingehen. Es gäbe aber hier noch einige Bereiche, die einer kritischen Prüfung zu unterziehen wären. Ich möchte hier auch noch auf das Kapitel Altlastensanierung verweisen, ein eher trauriges Kapitel der österreichischen Umweltschutzpolitik, auf das hier in weiterer Folge noch eingegangen werden wird.

Aus all diesen Gründen, die ich hier angeführt habe, sehen wir uns als freiheitliche Fraktion nicht in der Lage, dem Antrag, keinen Einspruch zu erheben, beizutreten. –- Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.04

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Tusek. Ich erteile es ihm.

13.04

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie mein Vorredner, Kollege Kapral, bereits ausführte, umfaßt der heute zur Debatte stehende Vierte Umweltkontrollbericht den Zeitraum Mai 1993 bis April 1995. Herr Kollege Kapral! Ich darf


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Sie korrigieren. Es ist nicht das erstemal, daß wir hier einen Umweltbericht debattieren. Ich kann mich selbst an das Jahr 1994 erinnern, in dem wir ebenfalls den vorhergehenden Umweltbericht bereits diskutiert haben.

Dieses zweibändige Werk ist – das hat ja auch Kollege Kapral anerkennend betont – ein klares, übersichtlich gegliedertes Werk, das einen hervorragenden Überblick über längerfristige Entwicklungen im Bereich der Umweltpolitik bietet.

Mir erscheint auch der zweite Teil, der Teil B, überaus interessant, da hier exemplarisch an ganz konkreten Verfahren die Situation der Umweltkontrolle und der Bestandsaufnahme dargelegt wird. Ich bin sehr froh darüber, daß in den meisten Bereichen über den Berichtszeitraum hinaus die Entwicklung der letzten zehn bis 15 Jahre dargestellt wird, denn Umweltentwicklungen sind langfristige Entwicklungen, und ein Berichtszeitraum von zwei Jahren ist sicherlich zu kurz.

Sehr übersichtliche Tabellen, Graphiken und Diagramme tragen ganz wesentlich zur Anschaulichkeit und zur Verständlichkeit des Dargebotenen bei. Für besonders günstig halte ich die Diagrammerstellung im Bereich der Luftschadstoffe, bei der sehr klar die einzelnen Hauptverursacher in den Diagrammen eingetragen sind, sodaß man wirklich in kürzester Zeit einen hervorragenden Überblick bekommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir an dieser Stelle, daß ich mich ganz besonders bei den Verfassern dieses hervorragenden Berichtes bedanke. Meine Damen und Herren! Danke für diese großartige Arbeit! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Nun zum Inhalt. – Sowohl im Bereich der Luftschadstoffe als auch beim Gewässerschutz konnten gewaltige Erfolge erzielt werden. Ich erwähnte bereits, daß Umweltpolitik nur längerfristig gesehen werden kann. Heute liegt mit diesem Bericht die erfolgreiche österreichische Umweltpolitik klar auf dem Tisch. Die Umweltminister der letzten zehn Jahre, die – wie auch mein Vorredner bereits erwähnte – seit 1986 von der Österreichischen Volkspartei gestellt wurden, haben hervorragende Arbeit geleistet. Ich darf mich besonders beim amtierenden Umweltminister Dr. Martin Bartenstein sehr herzlich für seinen Einsatz für unsere Umwelt bedanken. Eingeschlossen in diesen Dank sind aber auch seine Vorgängerinnen Maria Rauch-Kallat, Dkfm. Ruth Feldgrill-Zankl und Dr. Marilies Flemming. Sie alle haben an entscheidender Stelle dazu beigetragen, daß Österreich von der OECD, wie es der Herr Bundesminister in seinem Vorwort auch erwähnt, ein hervorragendes Zeugnis für seine Umweltpolitik ausgestellt wurde.

Da es sich bei diesem Bericht um ein Werk von fast 600 Seiten handelt, möchte ich in der gebotenen Kürze einige mir wichtig erscheinende Bereiche – ähnlich, wie es auch mein Vorredner gemacht hat, wobei sich die Themen aber nicht ganz decken werden – herausgreifen und diese wenigen wesentlichen Punkte im Überblick behandeln.

Ich sagte schon, im Bereich der Luftschadstoffe, besser gesagt, bei deren Reduktion, konnten in den letzten Jahren die größten Erfolge erzielt werden. So wurde gerade bezüglich der Emissionen, beim Ausstoß von Schwefeldioxid, das sich bei der Verbrennung von schwefelhältigen Brennstoffen, Öl und Kohle in erster Linie, bildet, die größten Erfolge erzielt. Das ist eine Zahl, die man wirklich hier mit Stolz vermelden kann: 82 Prozent Reduktion!

Das heißt, verglichen mit 1980 beträgt heute der Ausstoß von Schwefeldioxid in Österreich nur noch 18 Prozent des damaligen Ausstoßes. Das ist ein Wert, der mich sehr beeindruckt hat, und wir können durchaus stolz sein, daß es Österreich gelungen ist, diesen Wert zu erreichen. In Tonnen bedeutet das, daß 1980 noch an die 400 000 Tonnen Schwefeldioxid in die Atmosphäre abgegeben wurden, 1993 waren es 70 000 Tonnen. – Ein gewaltiger Erfolg! In diesem Bereich ist Österreich weltweit Vorreiter und soll es auch bleiben.

Es ist auch interessant – der Bericht führt es sehr klar und konkret aus –, was die Ursachen für diese Erfolge waren. In erster Linie waren dies das Luftreinhaltegesetz für Kesselanlagen und seine Verordnungen. Diese gesetzlichen Grundlagen führten zum Einbau von Entschwefelungsanlagen in Kraftwerken und Heizwerken sowie in der Industrie, und gerade in diesen beiden Sparten – Kraft- und Heizwerke und Industrie – gab es die größten Erfolge bei der Emissions


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minderung von Schwefeldioxid. Die Industrie verzeichnete ein Minus von 88 Prozent, die Heiz- und Kraftwerke ein Minus von 80 Prozent. Auch bei Kleinfeuerungsanlagen – landläufig: der Hausbrand – ist eine Reduktion der SO2-Belastung von 76 Prozent zu beobachten. Lediglich im Verkehr konnten diese Werte nur halbiert werden, doch spielt der Schwefeldioxidausstoß aus dem Verkehr eine fast vernachlässigenswert geringe Rolle.

Die zweite Ursache für die Reduktion der SO2-Belastung war die schrittweise Reduktion des Schwefelgehaltes von Heizölen und Treibstoffen. Heizöl Schwer beispielsweise durfte Anfang der achtziger Jahre noch einen Schwefelgehalt von 3,5 Prozent haben, bis heute wurde der Schwefelgehalt auf 1 Prozent gesenkt. Auch bei Heizöl Mittel und Heizöl Leicht beziehungsweise Extraleicht waren entscheidende Reduktionen des Schwefelgehaltes zu verzeichnen.

Wichtig war auch der Umstieg, der verstärkte Trend zum Verbrauch schwefelärmerer fossiler Energieträger, wie zum Beispiel Erdgas.

Ähnlich wie beim Schwefeldioxid konnten auch bei der Staubbelastung großartige Erfolge erzielt werden. Wurden 1980 noch 77 000 Tonnen Staub jährlich in die Luft abgegeben, waren es 1993 nur mehr 32 000 Tonnen – also auch hier eine Verringerung auf 42 Prozent der ursprünglichen Belastung innerhalb von nicht einmal 15 Jahren.

Als Oberösterreicher darf ich in diesem Zusammenhang eine Bemerkung anbringen. Als vor mehr als zehn Jahren die Stadtväter von Linz die Vision verkündeten, Linz sollte die sauberste Industriestadt werden, wurden sie belächelt. Heute ist diese Vision Realität. Die VOEST-Linz erzielte die größten Erfolge bei der Reduzierung in erster Linie der Staub-Emission.

Bei den Stickoxiden konnte eine Senkung der Luftbelastung um insgesamt 26 Prozent erreicht werden. Als besonders positiv ist auch zu erwähnen, daß in den letzten 13 Jahren die Heiz- und Kraftwerke den Ausstoß an Stickoxiden – NOX – um 54 Prozent reduzierten und die Industrie es auf beträchtliche 40 Prozent brachte. Das ist sicherlich ein Erfolg, und dazu bedurfte es auch gewaltiger Investitionen; das ist uns klar. Man kann jedoch heute aufgrund dieses Umweltberichtes mit Stolz sagen, daß sich diese gewaltigen Investitionen gelohnt haben.

Nicht ganz so erfolgreich war die Reduktion der Stickoxide im Bereich des Verkehrs. Trotz Einführung des Katalysators ist nach wie vor der Kraftfahrzeugverkehr der Hauptverursacher im Bereich der Stickoxide, und da gab es nur eine Reduktion um 16 Prozent. – Auch etwas, aber sicherlich zuwenig.

Wir liegen im Bereich der Reduktion der Stickoxide europaweit an sechster Stelle und im Bereich der EU-Staaten an erster Stelle. Es wird aber notwendig sein, gerade beim Hauptverursacher, beim Verkehr, in den nächsten Jahren gezielte Maßnahmen zu setzen. Ich könnte mir vorstellen: eine Verschärfung der Grenzwerte für den Stickstoffoxidausstoß, einen verstärkten Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, aber auch Maßnahmen der Raum- und Verkehrsplanung und die vieldiskutierte Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene.

Im Zusammenhang mit dem Verkehr möchte ich einen zusätzlichen, mir sehr wichtig erscheinenden Punkt anfügen. Kollege Alfred Gerstl hat mehrmals in diesem Haus darauf hingewiesen, daß in Kalifornien – ein Beispiel, das man, glaube ich, in Österreich durchaus nachahmen könnte – in erster Linie zu Benzin etwa 10 Prozent Ethanol, also Alkohol, zugesetzt werden. Ich halte, wie schon gesagt, diese Maßnahme für interessant. Wir sollten ernsthaft darüber diskutieren, ob wir diesem Beispiel nicht auch in Österreich folgen könnten. – Warum?

Der Zusatz von Ethanol im Ausmaß von 10 Prozent bewirkt eine Schadstoffreduktion um 18 Prozent. Das würde einerseits zu einer gewaltigen Schadstoffreduktion führen, und gleichzeitig kann durch diesen Zusatz von Alkohol zum Benzin eine Steigerung der Oktanzahl um zwei Oktan erreicht werden. Und wollten wir die Oktanzahl gleichbelassen, könnten wir durch diese Maßnahme die Belastung unserer Umwelt mit ringförmigen aromatischen Kohlenwasserstoffen sehr stark absenken und würden einen gewaltigen Erfolg erzielen. Auch das – Senkung aromatischer Kohlenwasserstoffe, Benzol und benzolähnlicher Substanzen – ist eine Absicht, die aus dem Umweltkontrollbericht herauszulesen ist.


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Aber auch weitere Auswirkungen sehe ich. Ethanol kann aus nachwachsender Biomasse in Österreich gewonnen werden. Dies würde eine Reduktion im Bereich der globalen Kohlendioxidbelastung bewirken, und diese Maßnahme würde auch zu einer merklichen Verringerung der Energieabhängigkeit Österreichs vom Ausland beitragen. Natürlich würde sich dadurch auch die Außenhandelsbilanz positiv entwickeln können.

Nicht zu unterschätzen wäre die Ethanolproduktion auch für eine Reihe von landwirtschaftlichen Betrieben als eine Chance, in eine andere Produktion zu gehen. Ich weiß schon, es gibt zwei Argumente, die dieser Möglichkeit entgegengehalten werden: Das erste ist, daß die Ethanolproduktion und der Zusatz von Ethanol zum Treibstoff momentan ein sehr teures und unwirtschaftliches Verfahren ist. Ich glaube aber, man könnte hier, gerade von diesem Haus aus, die Rahmenbedingungen so setzen, daß es durchaus interessant wäre – vor allem im Hinblick auf die Argumente in Richtung einer neuen Umweltpolitik.

Das zweite Argument, das entgegengehalten wird, ist das moralische, nämlich ob man es sich leisten kann, daß man Nahrungsmittel zu Treibstoffen umwandelt, wenn es noch Hunger auf der Erde gibt.

Ich glaube, daß man diese moralische Dimension nicht einzeln und nicht isoliert sehen darf, sondern im Zusammenhang sehen muß. Jahrhundertelang hatte jeder Bauer mit seinem Haferfeld für die Pferde oder mit den Wiesen für die Ochsen eine Energiefläche. Erst seit Nutzung der fossilen Energie, speziell in der Landwirtschaft in den letzten 50 bis 80 Jahren, ist dieses Energiefeld für unsere Landwirtschaft nicht mehr notwendig. Ein Zurück zu dieser Situation, die wir über Jahrhunderte, wenn nicht sogar über Jahrtausende hatten, erscheint mir durchaus vertretbar.

Nun zu den flüchtigen organischen Kohlenwasserstoffen im Berichtszeitraum. Man kann auch bei diesen eine sinkende Tendenz – um etwa 7 Prozent – feststellen, wobei die stärkste Minderung in diesem Gebiet interessanterweise beim Verkehr eingetreten ist.

Auch beim Kohlenmonoxid waren die größten Reduktionen im Verkehrsbereich – mit einem Minus von 61 Prozent – zu verzeichnen. Ursache dafür waren in erster Linie strengere Abgasnormen, aber auch der steigende Anteil an Personenkraftwagen mit Katalysator. Wie man aus dem Bericht erfährt, waren im Jahr 1994 die benzinbetriebenen Autos mit Katalysator mit 52,3 Prozent bereits absolut in der Überzahl.

Weniger erfreulich ist – auch das sei hier offen ausgesprochen – die Situation beim bodennahen Ozon. Trotz deutlicher Abnahme der Ozonvorläufersubstanzen seit 1991 gibt es gerade in diesem Bereich keinen Trend zu einer deutlichen Abnahme der Ozonbelastung. Da müssen noch gewaltige Anstrengungen unternommen werden, um einen effektiven Schutz von Klima und Luftqualität zu erzielen.

Ich weiß schon, daß gerade in diesem Zusammenhang vor allem die klimatische Situation eine sehr wesentliche Rolle spielt. Es ist anzunehmen, daß die Ozonbelastung in diesem Jahr aufgrund des heurigen Sommers wahrscheinlich nie die zur Erreichung der Vorwarnstufe erforderliche Höhe erreicht hat.

Kollege Kapral sagte es bereits: Hinsichtlich des Kohlendioxids hat es im Beobachtungszeitraum dieses Berichtes eine Konsolidierung der Belastung gegeben. In den letzten Jahren hat sich der Kohlendioxidausstoß zwischen 55 Millionen und 64 Millionen Tonnen pro Jahr eingependelt. Wir liegen deutlich – da gebe ich Kollegen Kapral recht – über dem Toronto-Ziel. Das Toronto-Ziel hat ja eine Verringerung des Kohlendioxidausstoßes, Basis 1988, um 20 Prozent zum Ziel. Diese Reduktion um 20 Prozent bedeutet für Österreich eine maximale CO2-Abgabe von 45,15 Millionen Tonnen pro Jahr ab 2005.

Wir haben uns zum Toronto-Ziel bekannt. Wir haben dieses Toronto-Ziel ratifiziert. Jetzt geht es darum – darin unterscheide ich mich von meinem Vorredner Dr. Kapral –, die Möglichkeiten, die wir sehen, um dieses Toronto-Ziel zu erreichen, tatsächlich in Angriff zu nehmen.


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Ich danke hier wieder dem Bundesminister für Umwelt dafür, daß erst vor kurzem, am 3. Oktober, ein Entwurf für eine neue Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG vorgelegt wurde. Dieser Entwurf ist zur Begutachtung ausgesandt.

Ich habe die Stellungnahme des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung vorliegen und kann grundsätzlich vermerken, daß die Ziele dieser neuen Artikel 15a-Vereinbarung von seiten des Bundeslandes Oberösterreich im großen und ganzen positiv gesehen werden. Es wird in vielen Bereichen darum gehen, daß in erster Linie die Länder in ihrer Gesetzgebung und in ihrem Zuständigkeitsbereich versuchen, gemeinsam mit dem Bund entsprechende Maßnahmen zu setzen, die eine Senkung des CO2-Ausstoßes und damit die Erreichung des Toronto-Zieles ermöglichen. Es gibt auch einen Bericht des Bundesumweltamtes, der die Basis für diese Artikel 15a-Vereinbarung darstellt. In diesem wird in erster Linie dargelegt, wie es möglich sein wird, dieses Ziel zu erreichen.

Es gilt – Kollege Kapral hat einige Punkte bereits angeschnitten –, in sechs wesentlichen Bereichen die Potentiale auszuschöpfen, die sich heute schon anbieten, sodaß wir diese Senkung des CO2-Ausstoßes auch tatsächlich erreichen. Diese sechs Punkte möchte ich anhand einiger Beispiele belegen.

Im Bereich der Energie soll es zu einer Forcierung der Fern- und Nahwärmenutzung kommen; vor allem hinsichtlich anfallender Abwärme, die genutzt werden kann.

Weiters: Vorrang der erneuerbaren Energieträger, insbesondere der Biomasse. Dabei ist in erster Linie an Holz, Stroh und Biogas gedacht. Auch der Windenergie kommt besondere Bedeutung zu – darauf wird aber einer meiner Nachredner noch detailliert eingehen.

Auch die Solarenergie im Bereich der Photovoltaik, aber auch im Bereich der Sonnenkollektoren hat besondere Bedeutung. Nicht zuletzt auch die verstärkte Nutzung der Wasserkraft. Dabei denkt man in erster Linie an Kleinwasserkraftwerke, aber auch – die oberösterreichische Landesregierung nimmt diese Stellungnahme auch zum Anlaß, da noch eine Ergänzung anzubringen – an den Neubau von Kraftwerken, die die Wasserkraft nutzen. Auch dazu sollten und müßten wir den Mut haben.

Wir können nicht auf der einen Seite, wie dies Kollege Kapral getan hat, die Situation betreffend CO2 beklagen, auf der anderen Seite aber, wie es die freiheitliche Fraktion im oberösterreichischen Landtag gemacht hat, gegen die Nutzung der Wasserkraft auftreten. Im oberösterreichischen Landtag haben die Freiheitlichen gemeinsam mit der SPÖ einen Entschließungsantrag gegen den Bau des Kraftwerkes Lambach eingebracht. Das halte ich ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Herr Kollege Dr. Tremmel! Kennen Sie die Situation von Lambach? Ich kenne sie sehr genau und kann Ihnen sagen, daß gerade im Bereich von Lambach kaum Natur verbraucht werden würde, es aber in Oberösterreich zu einer Senkung des Kohlendioxidausstoßes um 0,2 Prozent kommen würde.

Auf der einen Seite beklagt Ihre Fraktion, daß das Toronto-Ziel nicht erreicht werden kann, auf der anderen Seite ist sie aber gegen Möglichkeiten, wiederverwendbare und erneuerbare Energie zu nutzen. (Bundesrat Dr. Prasch: Lambach ist ein "wertvoller" Beitrag zur Erreichung des Toronto-Ziels! Das reden Sie uns jetzt auch noch ein!) Die Nutzung der Wasserkraft ist eine Möglichkeit. (Bundesrat Dr. Prasch: Ein Minikraftwerk, von dem sogar Energieexperten sagen, daß es niemals ausreichend Energie liefern könnte!) Es geht darum, viele kleine Schritte zu setzen, und ein solcher Schritt ist auch das Kraftwerk Lambach. Sie können da durchaus anderer Meinung sein. Ich stehe dazu, weil ich darin – ich kenne die Situation – kaum einen Verbrauch von Natur sehe. (Beifall bei der ÖVP.)

In Lambach fließt die Traun in einem künstlich härtest regulierten Gerinne. Und das halte ich nicht für Natur – ich bin nur in meinem Hauptberuf Biologe. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Danke für diesen Einwand. Man kann diesbezüglich, wie gesagt, verschiedener Meinung sein. Ich sehe es allerdings so: Auf der einen Seite wird die Nicht-Erreichung des Toronto-Zieles kritisiert, auf der anderen Seite werden Möglichkeiten zur Erreichung abgelehnt. – Ich komme noch auf einige andere Möglichkeiten zu sprechen, auch bei diesen können Sie


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sehr gerne mit uns mitgehen, sodaß wir es gemeinsam ermöglichen, das Toronto-Ziel zu erreichen.

Wir müssen – das ist Landessache – die Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes und der Bauordnung auf den neuesten Stand der Technik bringen. Ich bin der Meinung, daß dies langfristig, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, durchaus möglich sein wird. (Präsident Pfeifer übernimmt den Vorsitz.) In der Abfallwirtschaft kann man durch verstärktes Trennen, durch verstärktes Wiederverwerten von wertvollen Rohstoffen eine Verringerung vor allem des Deponiegases, das den Treibhauseffekt besonders anheizt, erreichen, aber auch durch eine entsprechende Verwertung des Klärschlamms.

Im Bereich des Verkehrs ist auch die Raumordnung gefordert, sodaß Verkehrskonzepte mit dem Ziel erstellt werden, einen stärkeren Anschluß an den öffentlichen Verkehr zu erreichen. Selbstverständlich muß in diesem Zusammenhang auch der öffentliche Verkehr entsprechend ausgebaut und attraktiviert werden. Der Güterverkehr gehört auf die Schiene verlagert – trotz all der Problematik, die wir kennen.

Wichtig wird auch sein – das läßt sich bereits mit dem jetzigen Stand der Technik durchführen –, daß Kraftfahrzeuge einen Höchstverbrauch vorgeschrieben beziehungsweise in der ersten Phase empfohlen bekommen. Es ist in den nächsten Jahren durchaus machbar, daß Otto-Motoren, benzinbetriebene Kraftfahrzeuge, nicht mehr als 5 Liter für 100 Kilometer verbrauchen. Das läßt sich technisch ohne großartige Entwicklungen realisieren. Bei Dieselkraftfahrzeugen befindet man sich derzeit etwa im Bereich von 6 bis 7 Litern. Da läßt sich eine Reduktion, ohne vom vielzitierten 3-Liter-Auto zu sprechen, realistischerweise auf 4,5 Liter für 100 Kilometer durchaus durchführen.

Auch Road-Pricing wird eine gewisse Rolle spielen, um die geringere CO2-Belastung erreichen zu können.

Im Bereich der Industrie gibt es bereits eine 10prozentige Nutzung von nachwachsenden biogenen Rohstoffen. Dieser Prozentsatz kann bis zum Jahre 2005 durchaus verdoppelt werden.

Die Kraftwärmekopplungen gehören ebenfalls, wie mein Vorredner schon sagte, ausgebaut.

Auch im Bereich der Kleinverbraucher ist eine Reduktion des Verbrauches an Energie durchaus denkbar. Man kann und muß die Wirkungsgrade der Kleinfeuerungsanlagen entsprechend verbessern. Aber auch eine Verbrauchsreduktion bei Elektrogeräten ist vorstellbar.

Es ist möglich, in der Landwirtschaft verstärkt auf biologischen Landbau umzusteigen und die durch Handelsdünger entstehende Energiebelastung zu vermeiden.

Es ist auch durchaus an einen verstärkten Einsatz langlebiger Holzprodukte, vor allem im Bereich der Möbel- und Baustoffindustrie, zu denken.

Wenn wir diese vorgeschlagenen Maßnahmen verwirklichen, sind wir in der Lage, den Kohlendioxidausstoß bis 2005 um 16,79 Millionen Tonnen zu verringern. Zur Erreichung des Toronto-Zieles ist eine Reduktion um 13,75 Millionen Tonnen notwendig.

Das bedeutet: Es ist technisch tatsächlich möglich, das Toronto-Ziel bis zum Jahr 2005 zu erreichen. Notwendig wird es sein, daß wir zu diesen Maßnahmen stehen und sie auch tatsächlich durchsetzen wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, noch ganz kurz auf andere Bereiche dieses Umweltkontrollberichtes einzugehen.

Im Bereich Grundwasser, das vor allem als Trinkwasser für unsere Gesundheit besondere Bedeutung hat, gibt es gewisse Verunsicherungen, vor allem durch die Überschreitung des derzeit in Österreich gültigen Grenzwertes von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Trinkwasser. Dieser Wert


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wurde beim Porengrundwasser bei 17 Prozent aller Meßstellen überschritten, und das ist bedenklich.

Wesentlich besser ist die Situation beim Karst- und Kluftgrundwasser, wo 98 Prozent der Werte unter 10 Milligramm Nitrat pro Liter liegen, also im unteren Bereich der Nachweisbarkeit.

Auch hinsichtlich Atrazin und dessen Abbauprodukten gibt es Grenzwertüberschreitungen im Grundwasser, doch ist zu erwarten, daß durch die Novelle des Pflanzenschutzmittelgesetzes, mit der die Zulassung von Atrazin aufgehoben wurde, die Atrazinkonzentration im Grundwasser mittel- bis längerfristig abnehmen wird.

Das biologische Gütebild der Fließgewässer hat sich in den letzten 20 Jahren sehr positiv entwickelt. Erfreulich ist, daß es die Wassergüte 4, die schlechteste, derzeit in Österreich nicht mehr gibt.

Im Bereich der Industrie und im Bereich der kommunalen Abwässer wurde sehr viel investiert, und diese Investitionen zeigen im Bereich der Fließgewässer ihre Wirkung. Der Großteil der österreichischen Flüsse – exakt 72 Prozent – weist sehr gute oder gute Wasserqualität auf. Es sind das die Güteklassen 1 oder 2. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. )

Auch in der Steiermark, Herr Kollege Tremmel, hat sich die Situation entscheidend verbessert. Gerade die Mur weist südlich von Graz Güteklasse 2 und 3 auf, hatte aber noch vor zehn Jahren Güteklasse 4, war also praktisch tot. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wissen Sie, was sie vor Graz hat? – Eine schlechtere Güteklasse! Sie wird durch die Grazer Kläranlage besser!) Danke, Kollege Tremmel, Sie bestätigen damit das, was ich gesagt habe: Es waren gewaltige finanzielle Maßnahmen notwendig, aber jetzt sehen wir den Erfolg.

Ich habe die jetzige Gewässergütekarte der österreichischen Flüsse mit jener von ... (Bundesrätin Schicker: Es hat auch viele Arbeitsplätze gekostet!) Gebracht. Meinen Sie, daß Arbeitsplätze verlorengingen, durch Investitionen in die Umwelt? (Bundesrätin Schicker: Ja, sehr viele!) Darüber müssen wir nachher reden, dieser Logik kann ich momentan nicht folgen.

Wir haben in diesem Bereich also wirklich einen gewaltigen Erfolg. Und wenn man die Karte, die in diesem Umweltbericht enthalten ist, mit der von 1964 vergleicht, sieht man wirklich hautnah, welch großer Erfolg erzielt werden konnte.

Ich möchte abschließend sagen, daß im Bereich des Bodens nun auch Fortschritte erzielt wurden. Es werden seit 1986 in den einzelnen Bundesländern Bodenzustandsinventuren durchgeführt, die 1998 abgeschlossen sein werden. Dann wird es möglich sein, alle Daten in einer bundesweiten Datenbank zusammenzuführen. Gesicherte Aussagen darüber, wie der Zustand der Böden bundesweit ist, sind derzeit noch nicht möglich.

Ein umfangreiches Kapitel dieses Umweltberichtes ist dem Wald gewidmet, in dem auf die Bedeutung, die Veränderungen und Schädigungen eingegangen wird. Als besondere Problembereiche werden die Immissionen, das Ozon, die vom Menschen verursachte Klimaänderung, die Belastung durch Wild und Weidevieh sowie Fehlentwicklungen bei der Waldbewirtschaftung angesprochen.

Weitere Kapitel des Berichtes beschäftigen sich mit Natur und Landschaft, dem Schutz vor gefährlichen Chemikalien und mit Pflanzenschutzmitteln.

Bezüglich Abfall ist dem Bericht zu entnehmen, daß im Jahre 1993 insgesamt 2,51 Millionen Tonnen Hausmüll angefallen sind, wobei im Vergleich mit dem Jahr 1990 folgende Tendenzen festzustellen sind:

Die Gesamtmasse des Hausmülls hat sich kaum verändert, der Anfall an System- und Sperrmüll hat sich um 19 Prozent verringert. An Altstoffen konnte in diesem Zeitraum um 60 Prozent mehr getrennt gesammelt werden. Auch das muß man, trotz aller Mängel, die es gerade im Bereich des Abfalls gibt, lobend anerkennen: 60 Prozent mehr Altstoffe, die getrennt gesammelt


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wurden und verwertet werden können! Auch bei den biogenen Abfällen stieg die erfaßte Masse von 35 000 Tonnen auf 182 000 Tonnen an, das bedeutet etwa eine Verfünffachung der Menge der biogenen Abfälle, die verwertet werden.

Alles in allem zeigen diese Zahlen, daß die Abfallproblematik den Bürgern in den letzten Jahren sehr wohl bewußt geworden ist und daß vor allem durch Verwertung von Altstoffen, durch thermische Verwertung von Restmüll und durch Kompostierung das Deponievolumen verringert werden konnte und weiter verringert werden kann.

Allerdings ist die Situation, daß etwa 55 Prozent der Abfälle aus Haushalten unbehandelt auf Deponien gelangen, alles andere als befriedigend. Besondere Anstrengungen werden notwendig sein, um die Ziele des Abfallwirtschaftsgesetzes tatsächlich erfüllen zu können.

Abschließend darf ich bemerken, daß dieser Vierte Umweltkontrollbericht eine hervorragende Darstellung der gesamten Umweltsituation in Österreich ist. Daher wird die Österreichische Volkspartei diesem Bericht sehr gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Kraml. )

13.42

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. – Bitte.

13.42

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Wenn wir heute den Vierten Umweltkontrollbericht diskutieren, so sollten wir uns dabei die näheren Umstände in Erinnerung rufen. Jedenfalls ist dazu das Bundesgesetz vom 20. März 1985 über die Umweltkontrolle anzuführen, welches am 1. Mai 1985 in Kraft trat.

Während sich der erste Abschnitt dieses Gesetzes mit der Organisation des Umweltbundesamtes befaßt, definiert der zweite Abschnitt in den §§ 10 bis 13 die besonderen Aufgaben der Umweltkontrolle. § 14 schließlich hält fest, daß der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz die Öffentlichkeit in geeigneter Weise über seine Tätigkeit auf dem Gebiet der Umweltkontrolle zu unterrichten hat. Absatz 2 legt darüber hinaus auch noch fest, daß der Bundesminister alle zwei Jahre dem Nationalrat einen schriftlichen Bericht über das Ergebnis seiner Kontrolltätigkeit vorzulegen hat.

Der Erste Umweltkontrollbericht wurde demnach 1989 vorgelegt, der Zweite Umweltkontrollbericht 1992. Am 1. Juni 1994 haben wir den Dritten Umweltkontrollbericht über den Zeitraum von Mai 1991 bis April 1993 im Bundesrat diskutiert, und heute liegt uns also der Vierte Umweltkontrollbericht über den Zeitraum von Mai 1993 bis April 1995 zur Kenntnisnahme vor.

Bereits im Vorwort verweist der Herr Bundesminister darauf, daß dieser Bericht von den Mitarbeitern des Umweltbundesamtes mit großer Kompetenz erarbeitet wurde. Mit diesem Vierten Umweltkontrollbericht steht zweifelsohne wieder eine umfassend fundierte wissenschaftliche Grundlage für umweltpolitische Maßnahmen zur Verfügung, welche mit dazu beitragen soll, frühere Umweltschäden zu beseitigen und drohende zu vermeiden.

Natürlich ist es nicht möglich, zu allen darin angeführten Beispielen und Aspekten Stellung zu beziehen, dazu ist der Bericht viel zu umfangreich. Allein die im Teil A vorgenommene Beschreibung der Umweltsituation wird überaus vielschichtig dargestellt. Ebenso umfangreich gestaltet sich mit den Bereichen Umweltkontrolle und Bestandsaufnahmen Teil B des Berichtes.

Insgesamt wäre es natürlich sehr verlockend, sich so ausführlich wie mein Vorredner in einzelne Bereiche oder Feststellungen zu vertiefen oder beispielhaft darzustellen, wie Einzelmaßnahmen der Gebietskörperschaften, aber auch jene der Industrie und Wirtschaft mit dazu beitrugen, die Lebensqualität in unserem Lande weiter zu verbessern. Maßnahmen zum Schutz unserer Umwelt werden heute im Gegensatz zu früher nicht als Hemmnis, sondern als Belebung der Wirtschaft betrachtet. Derartige Initiativen sind somit ein wichtiger Beitrag im übergeordneten Inter


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esse aller zur Sicherung unseres Wohlstandes, aber auch, um unseren Lebensraum für die Zukunft zu sichern.

Für dieses heute bereits weitverbreitete Umweltbewußtsein dürfen wir dankbar sein, obwohl es logisch begründet und unverzichtbar, jedoch keineswegs Selbstverständlichkeit oder bereits Allgemeingut ist. Nur wenn es uns gemeinsam gelingt, glaubhaft Fragen der Umwelt zu Lebensfragen und zu Überlebensfragen zu machen, kann es uns auch gelingen, den Schutz unserer Umwelt noch rascher als bisher voranzutreiben.

Aus der Fülle der einzelnen Schwerpunkte dieses Berichtes möchte ich auf das Thema Wald und dabei im besonderen auf die Frage Naturwaldreservate Bezug nehmen. Mit der Unterzeichnung der Resolution der Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa im Jahre 1993 in Helsinki hat sich Österreich verpflichtet, die Einrichtung eines Netzwerkes von Naturwaldreservaten voranzutreiben. Ziel dieser Resolution ist unter anderem die Erhaltung und Verbesserung der biologischen Vielfalt des Waldes als Grundvoraussetzung für sein nachhaltiges Bestehen und die Erfüllung seiner Funktionen.

Mit dieser Definition lassen sich Naturwaldreservate begrifflich umschreiben. Konkret handelt es sich bei Naturwaldreservaten um Waldteile, die für die natürliche Entwicklung des Ökosystems Wald bestimmt sind und in denen die unmittelbare Beeinflussung unterbleibt. Naturwaldreservate sind somit ein Beitrag zur Erhaltung und natürlichen Entwicklung der biologischen Vielfalt und dienen der Forschung, der Lehre und der Bildung. Naturwaldreservate sollen die Baumartenzusammensetzung und Bestandstruktur der natürlichen Vegetationsverhältnisse möglichst gut repräsentieren beziehungsweise diese Voraussetzungen in absehbarer Zeit erreichen. Von jeder Waldgesellschaft Österreichs soll deshalb mindestens eine ausreichend große Fläche zur unbeeinflußten natürlichen Entwicklung als Naturwaldreservat vorhanden sein.

Die ersten Waldreservate in Mitteleuropa gehen auf das vorige Jahrhundert zurück, als bis dahin niemals genutzte Wälder, also echte Urwälder, von den Besitzern für alle Zukunft sich selbst überlassen wurden. In Österreich sind dies zum Beispiel die Urwälder Rothwald und Neuwald in Niederösterreich. Erst später kam die Idee auf, Urwälder aus zweiter Hand zu schaffen und bis dahin normal bewirtschaftete Waldteile als Naturwaldreservate sich selbst zu überlassen.

Heute bestehen in Österreich rund 90 Reservate mit einer Gesamtfläche von zirka 4 000 Hektar. Für die Erhaltung aller Waldgesellschaften Österreichs wird etwa die dreifache Fläche an Reservaten notwendig sein. Im Verwaltungsbereich der Stadt Wien – im Wienerwald, in der Lobau und im Quellschutzgebiet – wurden bereits 13 Reservate mit einer Gesamtfläche von über 930 Hektar eingerichtet und wissenschaftlich bearbeitet. Im gesamten Bereich des Wienerwaldes bestehen derzeit etwa 165 Hektar Naturwaldreservate. Der gesamte Flächenbedarf für die Erhaltung aller im Wienerwald vorkommenden Waldgesellschaften liegt allerdings bei etwa 705 Hektar. Dies entspricht einem Prozent des gesamten Wienerwaldes.

Vorrangiges Ziel von Naturwaldreservaten ist also nicht die Konservierung des derzeitigen Zustandes bestimmter Waldteile, sondern die Zulassung ihrer natürlichen Entwicklung. Auch wenn solche Waldflächen früher durch Kahlschlag genutzt wurden, nähern sie sich mit zunehmender Dauer der Nichtbewirtschaftung in ihrer Entwicklungsdynamik wieder dem ursprünglichen Wald. Naturwaldreservate wirken insbesondere auch als Indikatorflächen für Veränderungen des Waldes als Reaktion auf Umweltveränderungen.

Der Einfluß von sich rasch verändernden Umweltbedingungen auf Waldökosysteme kann in Naturwaldreservaten unbeeinflußt von direkten menschlichen Einflüssen verfolgt werden. Der Verein "Niederösterreich – Wien, gemeinsame Erholungsräume" mit Sitz in Laxenburg, dem ich als einer der Geschäftsführer vorstehe und der sich unter anderem für die Umsetzung der Wienerwald-Deklaration zuständig fühlt, hat dazu bereits im Jahre 1994 in Kooperation mit den Bundesforsten und den Forstverwaltungen von Wien und Niederösterreich eine Studie zum Thema "Naturwaldreservate im Wienerwald" in Auftrag gegeben und gefördert.

Ziel dieser Studie war es, für den im besonderen Augenmerk der Öffentlichkeit stehenden Wienerwald sämtliche wichtigen Grundlagen über den Landschaftsraum und den Wald zu


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sammenzustellen. Aufgabe dieser Studie war es auch, aufzuzeigen, welche Voraussetzungen zur Schaffung eines Naturwaldreservatenetzes bereits bestehen und welche Vorarbeiten noch durchzuführen wären. Bezüglich der rechtlichen Situation wurden insbesondere Diskrepanzen zwischen bestehenden gesetzlichen Regelungen und den bereits bestehenden, noch zu schaffenden Naturwaldreservaten hervorgehoben.

Weiters wurde im Rahmen der Studie der finanzielle Aspekt für ein Naturwaldreservatenetz im Hinblick auf mögliche Entschädigungszahlungen anhand unterschiedlicher Methoden beurteilt. Durch diese Studie sind somit alle wesentlichen Grundlagen zur Schaffung neuer Naturwaldreservate im Wienerwald vorliegend. Die konkrete Auswahl von naturwürdigen Flächen könnte – unabhängig von der Besitzerstruktur – jederzeit erfolgen.

Erfreulich ist, daß das Forstamt der Stadt Wien für die Maßnahmen im Bereich der Naturwaldreservate 1995 in die Liste der Greenpeace-Modellbetriebe aufgenommen und so für die naturnahe Waldbewirtschaftung ausgezeichnet wurde.

Abschließend möchte ich noch einen weiteren, ebenso erfreulichen Aspekt anführen: das besondere Anliegen der Kinder- und Jugendbetreuung in Wien im Zusammenhang mit Natur und Umwelt.

Im Jahr 1995 wurden in Wien sogenannte Wohlfahrtsaufforstungen durchgeführt. Dabei nahmen etwa 3 500 Kinder und Jugendliche an Aktionen wie Schulwald oder Jungbürgerwald teil und beteiligten sich aktiv an der Aufforstung von rund 100 000 Bäumen.

Die "Woche des Waldes" im Juni 1995 stand unter dem Motto "Österreichs Waldbauern – Natur als Wirtschaftsprinzip". Das Forstamt veranstaltete dazu für Schüler der sechsten Schulstufe vier Tage dauernde Waldjugendspiele. 800 Kinder aus 19 Wiener Bezirken nahmen daran teil. Sie wurden von Mitarbeitern des Forstamtes klassenweise durch die verschiedenen Wälder geführt und hatten dabei Aufgaben zu lösen beziehungsweise Geschicklichkeitsübungen zu absolvieren.

Anhand dieser wenigen Beispiele zur Umweltsituation in Österreich habe ich versucht, aufzuzeigen, wie vielfältig Einzelmaßnahmen sein können. Egal von welcher Gebietskörperschaft oder sonstigen Einrichtungen Maßnahmen getroffen werden: Wenn sie mit dazu beitragen, unsere Luft zu verbessern, unsere Böden sauber und das Wasser reinzuhalten, dann dürfen wir frohen Mutes in die Zukunft blicken.

In diesem Sinn darf ich allen Mitarbeitern des Umweltbundesamtes, aber auch dem Herrn Bundesminister für die Vorlage des gegenständlichen Berichtes danken und diesen namens meiner Fraktion zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.52

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Am Wort ist jetzt Herr Bundesrat Anton Hüttmayr.

13.52

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Der Vierte Umweltkontrollbericht wurde von meinen Vorrednern schon sehr ausführlich dargelegt, sodaß ich einiges aus meinem Referat weglassen kann. (Bundesrat Meier: Genehmigt!) Ist das genehmigt? Ich bedanke mich dafür.

Ich möchte mich auf einige Punkte beschränken, die aus meiner Sicht politisch interessant sind, die politisch relevant sind und die gerade für mich als Oberösterreicher angesprochen gehören.

Ich bedanke mich schon eingangs dafür, daß der Bericht in dieser Art ausgefallen ist, mit fast 600 Seiten. Wenn man dieses Konvolut ansieht, dann denkt man erst, oh je, was kommt da auf mich zu? Je mehr man darin blättert und liest, desto neugieriger wird man darauf, was darin steht. Mein Kompliment dafür. Es ist gelungen, in vielen verschiedenen Kapiteln das aufzuarbeiten, was geleistet wurde.


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Ich denke, wir sollten Umwelt so sehen, daß es wichtig ist, für die Zukunft die richtigen Maßnahmen zu treffen. Der Bericht ist das eine. Er redet von der Vergangenheit, soll uns aber auf die Zukunft vorbereiten, soll uns für die richtigen Entscheidungen als Grundlage dienen. Da bin ich anderer Meinung als Herr Dr. Kapral, der sagte, das sei alles zuviel Aufwand, das lohne sich nicht. – Ich denke, es ist sehr wohl notwendig, daß wir Grundlagen für unsere Überlegungen haben.

Geschätzte Damen und Herren! Die Zeit schreitet voran, und jede Zeit hat ihre Probleme. So hat der Wohlstand seine Probleme gerade bei der Abfallvermeidung: Gerade hinsichtlich Abfallverwertung sind wir aber auch einen Schritt weitergekommen. So sind zum Beispiel die Zahlen, was den Hausmüll anlangt, wirklich herzeigbar. Ich könnte jetzt die Zahlen vorlesen, weise aber nur darauf hin, daß diese auf den Seiten 210 und 211 im Bericht A nachzulesen sind.

Ich möchte aus Überzeugung sagen: Ein Dank an die Schulen ist notwendig. Gerade was im Abfallbereich gemacht wurde und wird, geschieht für unsere Kinder. Ich glaube, es ist der richtige Weg, daß wir das erwähnen und festhalten.

Ich denke, daß Umweltschutz natürlich national notwendig ist, aber im internationalen Gleichklang geschehen muß. Der Umweltschutz und seine Bereiche in vielfältiger Ausprägung kennen keine Grenzen, auch nicht die unserer Nachbarstaaten. Umweltschutz ja, aber mit dem richtigen Augenmaß, und bei manchen Dingen müssen wir schon die Wirtschaftlichkeit ein wenig miteinbeziehen.

Wir bekennen uns natürlich zur Qualität, wir müssen aber auch die Quantität sehen. Was meine ich damit? – Aus der Diskussion über Kläranlagen und Kanalisation wissen wir, daß durchaus sehr hohe Reinigungsgrade zu erzielen sind. Natürlich ließen sich diese 95, 96 Prozent auch noch um den einen oder anderen Prozentpunkt steigern, aus meiner Sicht macht das aber wenig Sinn. Ich denke, da sollten wir mehr auf die Quantität schauen.

Auf eines möchte ich hinweisen, weil es mich in meiner Region sehr betroffen gemacht hat, das ist die Chancengleichheit der Betriebe: Die Lenzing AG, ein großer Betrieb mit 3 000 Beschäftigten, hat als Hauptprodukt die Viskosefaser. Da steht sie natürlich international in Konkurrenz. Ich darf Ihnen einige Zahlen mitteilen, weil ich sie relativ konkret im Kopf habe: 1 Kilogramm Viskosefaser kostet auf dem internationalen Markt in etwa 20, 21 S. Die Lenzing AG hat aufgrund der Umwelterfordernisse rund 3,50 S Umweltauflagen pro Kilogramm Viskosefaser. Da kann man fragen: Macht das etwas? – Es macht schon etwas, wenn wir die Preise der Konkurrenz sehen und feststellen müssen, daß das in etwa ein Zehntel davon ist. Ich will damit nicht sagen, daß wir uns nicht zum Umweltschutz bekennen. Wir sollten aber auch den Mut haben, die Hemmnisse und Hürden wegzunehmen, die eigentlich nicht der Qualität des Umweltschutzes dienen. Und dazu möchte ich einladen.

Trotzdem meine ich, daß der Umweltschutz ein sehr ökonomisches Rahmenkleid hat. Wir müssen in Zukunft darauf achten, daß sich die volkswirtschaftlichen Defensivkosten, wenn wir keinen Umweltschutz machen, etwa bei der Gesundheit, bei der Landwirtschaft oder in anderen Bereichen, natürlich nicht heute, aber in einigen Jahre zu Buche schlagen würden. Das wäre natürlich nicht verantwortungsvoll; da muß man das richtige Maß setzen.

Als man begonnen hat, über die Umweltthematik zu reden, hat man gesagt: Das kostet Arbeitsplätze, das kostet unsere Jobs. Die Jobkiller-Hypothese wurde gepredigt. – Das können wir aufgrund der Daten, die uns über mehrere Jahre zur Verfügung stehen, widerlegen. Es fällt gar nicht schwer, darzulegen, daß die Umweltschutzmaßnahmen das Gegenteil bewirken, nämlich daß sie, wenn sie richtig eingesetzt werden, Arbeitsplätze schaffen.

Ich habe mir eine Zahl aus Oberösterreich herausgesucht: Etwa 20 000 Arbeitsplätze sind hier direkt beziehungsweise indirekt mit dem Umweltschutz verbunden, und das Umweltbudget von 1 454 Millionen Schilling ist herzeigbar.

Umweltschutz – ich habe es eingangs gesagt – muß international geschehen. Von der Europäischen Gemeinschaft wird eine sehr interessante Zahl angepeilt – die Wissenschafter sagen


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das –: Etwa 3 Millionen Arbeitsplätze könnten im europäischen Raum geschaffen werden. Einem APA-Journal vom April 1995 entnehme ich, daß in der Europäischen Union etwa 1,5 Millionen Bürger in Bereichen des Umweltschutzes tätig sind und daß diese Zahl jährlich um gut 2 Prozent wächst.

Das heißt zusammenfassend, daß Umweltschutz vom Jobkiller zum Jobknüller geworden ist. Das sollte uns mit Selbstbewußtsein erfüllen. Wir bedanken uns für die Umweltpolitik der letzten Jahre stellvertretend – weil der Herr Minister gerade da ist – bei Minister Bartenstein. Herzlichen Dank für deine Aktivitäten! (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Ein wichtiger Bereich, der bei keiner Umweltdebatte fehlen sollte und der heute aus meiner Sicht auch noch ein wenig zu kurz gekommen ist, ist der Energiebereich: die Energiegewinnung, die Verwendung – und natürlich gehört das Sparen ganz zuoberst genannt. Ich will auch hier viel weglassen von meinem vorbereiteten Redebeitrag. Aber eines möchte ich erwähnen, nämlich daß uns die OECD für 1995 ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt hat, was die Umweltverträglichkeit hinsichtlich unserer Energiesituation anlangt. Toronto wurde schon angezogen.

Stolz dürfen wir als Österreicher auf jeden Fall sein, wenn wir schon mehr als ein Viertel unserer Energie aus erneuerbarer Energie gewinnen können, und ein wenig stolz darf ich als Oberösterreicher sein, der ich in einem Bundesland lebe, das Solarland Nummer eins ist. Das darf ruhig erwähnt werden, und da dürfen sich andere anstrengen, und wir laden dazu auch ein. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Ich sage immer, man muß Ziele formulieren, man muß den Weg einschlagen, und dann ist das wichtige, daß man diesen Weg auch konsequent geht. Wir haben als Ziel die erneuerbare Energie, und zur erneuerbaren Energie zählt eine ganze Reihe von Bereichen. Ein Bereich zählt ganz sicher dazu, und das ist die Wasserkraft. Die Wasserkraft ist an oberster Stelle zu nennen. Wenn ich als Oberösterreicher das Beispiel Wasserkraft nenne und wenn ich von Energie rede, dann muß ich auch von Lambach reden.

Geschätzte Damen und Herren! Mir tut es leid, daß ich Herrn Dr. Prasch jetzt keine Lektion geben kann, wie das zu sehen ist. (Bundesrat Dr. Bösch: Das hat Ihr Kollege schon versucht! – Bundesrat Konečny: Er ist unbelehrbar! – Weiterer Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Sie geben es weiter. Danke schön dafür. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Bösch. ) Es kommt nun eine andere Argumentation.

Es hat letzte Woche bei uns im Landtag einer Ihrer Kollegen, nämlich Klubobmann Steinkellner von der F-Fraktion, unserem Landeshauptmann eine Frage gestellt, und letzterer hat diese Gelegenheit genützt, um dem Herrn Klubobmann darüber einige Informationen zu geben. Und ich denke, vielleicht gelingt es auch mir, daß ich Ihnen einige dieser Dinge, die außer Streit stehen, zur Kenntnis bringe.

Faktum ist, daß der Strompreis nach verschiedenen Stromarten und nach verschiedenen Jahreszeiten berechnet wird. In der Diskussion um das Kraftwerk Lambach waren die Gegner sehr ideenreich. Man hat zuerst Gräber gefunden. Die findet man jetzt nicht mehr. Dann hat man gemeint, daß die Wirtschaftlichkeit überhaupt nicht gegeben ist. Dazu muß ich sagen, daß eine Kilowattstunde aus der Wasserkraft bei uns in Oberösterreich 42 Groschen kostet. Das ist die Hälfte des Wertes, den wir in Oberösterreich – in den anderen Bundesländern ist es auch nicht anders – für den Importstrom aus dem Verbund bezahlen. Der Durchschnittspreis für den Verbundstrom in Österreich beträgt 80 Groschen. Wir in Oberösterreich haben, wie gesagt, nur 42 Groschen für Strom aus der Wasserkraft zu zahlen. (Zwischenrufe.) Ich kürze meine Ausführungen hier wieder. Ich gebe Ihnen dann die Unterlagen mit.

Ein weiterer Aspekt ist mir bei der Diskussion um das Kraftwerk Lambach noch wichtig, und das ist der Umweltgedanke.

Wir sagen, wir wollen umweltfreundliche Energie gewinnen, und bei der importierten Energie, die wir aufgrund unserer Möglichkeiten teilweise nicht anders vorfinden, müssen wir zur Kennt


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nis nehmen, geschätzte Damen und Herren, daß etwa 12 Prozent davon aus Atomkraftwerken stammen. Wir müssen weiters zur Kenntnis nehmen, daß etwa 40 Prozent unserer importierten Energie in kalorischen Kraftwerken hergestellt werden, und zwar nicht in Kraftwerken, die nach den neuesten Errungenschaften der Technik arbeiten – leider nein –, sondern in kalorischen Kraftwerken, die in den Reformländern des ehemaligen Ostblocks stehen, und da sollten wir sehr kritisch sein.

Als letztes Argument möchte ich sagen, daß Eigenverantwortung und Eigenvorsorge natürlich auch Arbeitsplätze und die Wertschöpfung in unserem Land sichern. Ich meine, wir sollten ein bißchen ehrlicher agieren, wenn wir uns hier einerseits grundsätzlich zur Wasserkraft bekennen und sagen: Ja, das ist schon richtig!, aber andererseits vormittags gegen die Atomkraftwerke demonstrieren und nachmittags den Strom ohne Genierer aus der Steckdose nehmen, Strom, der, wie gesagt, aus Atomkraftwerken und aus kalorischen Kraftwerken stammt. – Das ist meiner Meinung nach nicht in Ordnung. Da müssen wir ehrlicher sein!

Geschätzte Damen und Herren! Ein Sprichwort heißt: "Wer den Kern essen will, muß zuerst die Nuß knacken." – Wir wollen den Kern essen. Der Kern in der Energiepolitik ist die erneuerbare Energie, und wenn wir uns dazu bekennen, dann müssen wir halt auch die Nuß knacken, und dann müssen wir auch Mut beweisen, daß wir den geraden Weg, der dazu führt, auch gehen.

In diesem Sinne stehe ich und stehen wir von der Volkspartei natürlich zur oberösterreichischen Energiepolitik, aber auch zur österreichischen Energiepolitik, insbesondere aber zum Kraftwerk Lambach, weil wir aus mehreren Gründen davon überzeugt sind, daß uns diese Energiepolitik in eine gute Position, in die richtige Position bringt.

Herr Minister! Ich hoffe, daß du unsere Argumente unterstützen wirst. Wir bitten dich darum. (Beifall bei der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Ich habe noch einen Beitrag zum Energiekonsum vorbereitet. Den erspare ich Ihnen jedoch, den dürfen Sie nachlesen. Dazu lade ich Sie recht herzlich ein.

Ich glaube, wir dürfen darauf, daß das, was in den letzten Jahren in diesem Bereich erreicht wurde, in unseren Köpfen und auch in den Köpfen unserer Kinder Platz genommen hat, ein wenig stolz sein. Letztendlich können wir alle täglich mehrmals entscheiden, was wir wollen, ob wir uns zur Umwelt bekennen oder nicht, ob wir uns zur Ökologie bekennen oder nicht, zum Beispiel wenn wir einkaufen gehen.

Abschließend bedanke ich mich recht herzlich für diesen Bericht, bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche uns, daß die Umweltpolitik in Österreich in Zukunft jenen Weg weiter fortsetzen möge, den sie schon in den letzten Jahren gegangen ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.06

Präsident Josef Pfeifer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Ing. Walter Grasberger. Ich bitte ihn, zu sprechen.

14.06

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn vor allem von den Vertretern der freiheitlichen Fraktion kein gutes Haar an Teilen des Umweltberichtes und damit an der Umweltpolitik unseres Herrn Bundesministers Martin Bartenstein gelassen wurde, ist festzustellen, daß Österreich nach wie vor ein Umweltmusterland ist, und zwar sowohl im internationalen Vergleich als auch im Vergleich mit den anderen Ländern in der Europäischen Union. Die Europäische Union weist ja bekanntlich generell höhere Umweltstandards auf, als sie im Durchschnitt die internationalen Staaten in diesem Bereich gesetzlich vorschreiben.

In meinen Ausführungen möchte ich mich auf Aspekte des Berichtskapitels Luft, mit dem, so meine ich, die vielleicht eindrucksvollsten Beweise für die erfolgreiche Umweltpolitik unseres Landes geliefert werden, beschränken. Die Umweltsituation, die Qualität unserer Umwelt – das


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möchte ich den ins Detail gehenden Ausführungen voranstellen – hat sich in den letzten Jahren und auch in dem etwas längeren Berichtszeitraum deutlich verbessert. Täglich können wir beispielsweise den Luftgütebericht des Umweltbundesamtes über die Medien abfragen, und dabei ist – das wurde heute hier auch schon angezogen – besonders in den Sommermonaten und insbesondere in den östlichen Teilen unseres Bundesstaates das Interesse an der Ozonbelastung besonders hoch. Seit 1990 hat das Bundesministerium als Verantwortungsträger damit, so glaube ich, einen äußerst wertvollen Beitrag geleistet, nämlich daß sich Familien und Einzelpersonen ein umfassendes Bild über die jeweilige Tagesluftgüte und im besonderen über die Ozonbelastung machen können.

Das ist ein ganz wertvoller Beitrag für ein neues Umweltbewußtsein, das unleugbar in großen Kreisen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger vorhanden ist. Steigende Ozonwerte machen uns allen bewußt, daß beispielsweise die Verwendung des eigenen Kraftfahrzeugs vermieden werden soll. Damit ist die Umweltpolitik für uns als Bürger einfach griffiger geworden. Eine Hilfe zur Wahrnehmung von mehr Eigenverantwortung ist – ich meine, daß das ein klares und schönes Beispiel für viele andere Bereiche in der Politik sein sollte –, daß wir als Politiker Hilfestellung zur Wahrnehmung von mehr Eigenverantwortung für den Bürger bieten sollen. Das ist damit eindeutig gelungen.

Meine Damen und Herren! Ich sagte es bereits: Gerade in Wien, in Niederösterreich und im Burgenland sind bei dem bodennahen, dem sogenannten schädlichen Ozon vergleichsweise hohe Werte über 10 bis 15 Tage im Jahr zu konstatieren. Ist die Luft mit bodennahem Ozon belastet oder sogar stark belastet, dann machen wir uns verstärkt Sorgen um unsere Gesundheit und vor allem um die Gesundheit unserer Kinder. Bewußt werden einem dann auch die vornehmlichen Ursachen der Ozonbelastung, wie der Individualverkehr oder die Emissionen von Kraftwerken.

Bemerkenswert erscheint mir der Hinweis im Umweltbericht, daß ein entschiedenes Vorgehen Österreichs im Rahmen der UN-ECE zielführend wäre, um durch eine weitere Senkung der Ozonvorläufersubstanzen ein großflächiges Sinken der Ozonbelastung erreichen zu können.

Es klingen also durchaus auch kritische Töne im Vierten Umweltkontrollbericht an, beispielsweise daß die Ozonbelastung seit 1991 in Wahrheit keinen Trend zur Abnahme verzeichnet.

Insgesamt ist aber das Kapitel Luft im zur Debatte stehenden Bericht eine Erfolgsstory; dem Herrn Bundesminister wurde zu Recht dazu gratuliert.

Minus 16 Prozent Schwefeldioxidemissionen wurden verzeichnet, und diese sind voraussichtlich im gleichen Ausmaß weiterhin rückläufig. Außerdem hat Kollege Tusek heute schon bemerkt, daß es in dem etwas langen Beobachtungszeitraum insgesamt einen Rückgang um 82 Prozent gegeben hat.

Auch die Staubkonzentration in der Luft zeigt abnehmende Tendenz. Die Stickoxidemissionen sind ebenfalls mit einem Minus von 16 Prozent gewaltig im Abnehmen.

Ganz wichtig ist – wieder zurückkommend auf die Gefahren durch Ozon –: Die Emissionen von flüchtigen organischen Verbindungen, die Ozonvorläufersubstanzen darstellen, gehen zurück, und zwar ist ein Minus von 7 Prozent ebenfalls sehr beachtenswert. Es kann aber aufgrund vermehrten Verkehrsaufkommens, wie oben schon erwähnt, die Ozonbelastung de facto nicht im großen vermindert werden.

Schließlich ist auch das giftige Kohlenmonoxid als Luftverunreiniger deutlich rückläufig, und zwar mit einem Minus von 12 Prozent im Beobachtungszeitraum.

Meine Damen und Herren! Noch deutlicher werden die Leistungen der österreichischen Umweltpolitik im Berichtszeitraum, wenn beispielsweise 1980 137 000 Tonnen Schwefeldioxid als Luftverunreiniger in der Luft vorhanden waren, während es heute nur mehr 71 000 Tonnen sind. Das entspricht – trotz Eintrages vornehmlich aus Ländern des ehemaligen Ostblocks – einer Reduktion auf ein Fünftel der Belastung des Jahres 1980.


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Beim Staubgehalt in der Luft können wir ebenfalls eine Reduktion in einem beachtenswerten Ausmaß, nämlich auf rund die Hälfte, feststellen.

Ich meine, daß auch bei den Stickoxiden die Absenkung von 246 000 Tonnen auf 182 000 Tonnen Anerkennung verdient.

Die Belastung mit flüchtigen organischen Verbindungen ist in etwa gleich hoch geblieben, während die Kohlenmonoxidbelastung – bekannt aus unseren Auspuffgasen der Kfz – ebenfalls um zirka ein Fünftel gesunken ist.

Alles in allem bedeutet das, daß die Luft, die wir heute in Österreich einatmen, eine wesentlich gesündere ist als die, die wir 1980 eingeatmet haben. Verstärkt gesagt: Als EU-Bürger atmen wir heute – zumindest was den Bereich Atmungsluft anlangt – eindeutig bessere Luftqualität ein, als das vor dem EU-Beitritt der Fall war, und ich meine, daß das auch ein Gegenbeweis für all diejenigen ist, die vor dem EU-Beitritt mit Unkenrufen immer wieder behauptet haben, daß wir unsere Umweltstandards nicht werden halten können.

Ich meine auch, daß zu Recht das Umweltzeichen Österreichs im Vergleich zum Umweltzeichen der Europäischen Union (der Redner zeigt diese vor) sowohl ein größeres Format als auch eine diffizilere Gestaltung aufweist, was, wie ich meine, auch im Zusammenhang mit unserer tatsächlich praktizierten Umweltpolitik zu sehen ist.

Nicht zufrieden sein können wir – das wurde heute hier auch schon deutlich gemacht – mit der Situation bei den Kohlendioxidemissionen, diesbezüglich gibt es das heute schon zitierte Toronto-Abkommen, dem Österreich beigetreten ist. Dieses Ziel können wir nur dann erreichen, wenn Verbrennungsvorgänge auf allen Ebenen reduziert werden. Das beginnt beim Hausbrand, führt über den Verbrennungsmotor unserer Kraftfahrzeuge und geht bis zur Verbrennung fossiler Energieträger zur Energiegewinnung: In all diesen Bereichen verlangt das – zugegebenermaßen hochgesteckte – Toronto-Ziel einen bewußteren Umgang mit unseren Ressourcen.

Der Einsatz alternativer Energieträger, wie zum Beispiel Sonnen-, Bio-, aber auch Windenergie, muß daher weiter vorangetrieben werden.

Erlauben Sie mir, daß ich ein bißchen auf die Windenergie eingehe, weil ich meine, daß die Windenergie eine nach wie vor relativ unbekannte alternative Energieform darstellt. Sie steckt noch in den Kinderschuhen, hat aber meiner Meinung nach auch in Österreich noch eine bedeutende Zukunft vor sich.

Besonders in Niederösterreich und in Oberösterreich sind bereits recht erfolgversprechende Anlagen gebaut worden beziehungsweise befindet sich eine ganze Menge im Planungsstadium. So hat das Land Niederösterreich mit unserem Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll nicht lange nach Gründen gesucht, warum solche Anlagen nicht errichtet werden können, sondern hat in zwei Straßenmeistereien, die dafür geeignet sind, die Anlagen stationiert. Eine davon befindet sich in St. Pölten, wo morgen die feierliche Landhaussegnung stattfinden wird. Diese weist übrigens meiner Auffassung nach in diesem Zusammenhang eine bemerkenswerte Parallele auf, wenn auch mit einer völlig anderen Dimension: Auch in dieser Frage hat die ÖVP-Niederösterreich nicht nach Argumenten gesucht, warum das größte Bundesland Österreichs keine eigene Landeshauptstadt benötigen soll, sondern hat nach einer Volksbefragung Taten gesetzt. Heute sind nicht nur die Bauarbeiter froh, daß es diese größte Baustelle in unserer Republik gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Zurück zur Windenergie: In St. Pölten rechnet sich die Anlage voraussichtlich in 15 Jahren bei einem zugegebenermaßen amikalen Einspeisetarif der EVN für die ersten drei Jahre. Erwähnt werden muß in diesem Zusammenhang auch die 30prozentige Investitionsförderung des Umweltministeriums für Windkraftanlagen. Einen herzlichen Dank für diese entsprechenden Vorstöße. Ich meine, daß damit auch ein entsprechender Motivationsschub für diese neue Form der Alternativenergien gegeben sein wird.


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Ich gebe schon zu, Windenergie in Österreich kann nicht mehr als ein kleines Segment der Energiewirtschaft darstellen. Durch die weitere Förderung dieser Alternativenergie können – so sagen es uns die Experten – in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich nur etwa 3 Prozent des Gesamtbedarfs an Strom abgedeckt werden, und doch ist auch die Nutzung dieser Energieform ein Baustein zur Erreichung des Toronto-Ziels, das vor allem deswegen formuliert wurde, um einen drohenden Klimakollaps vermeiden zu können.

Abschließend halte ich fest, daß Österreich unter der Federführung unseres Bundesministers für Umwelt seine führende Rolle als Umweltmusterland ausgebaut hat. Daran kann auch der Versuch einiger Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause, den Umweltbericht da und dort madig machen zu wollen, keinen Abbruch tun. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.19

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich bitte ihn, zu sprechen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Schambeck. )

14.19

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Das sind liebe Leute, natürlich! Selbstverständlich, Herr Präsident! – Herr Präsident! Herr Bundesminister! Lieber Herr steirischer Bundesminister! Damit ich dem Vorwurf meines Vorredners etwas an Schärfe nehme: Wir machen, Herr Kollege Ing. Grasberger, diesen Bericht nicht madig, und wir lassen auch einige gute Haare in der Suppe, wiewohl sie manchmal etwas fad schmeckt und ein bißchen versalzen ist. (Bundesrat Konečny: Lieber nicht in der Suppe!)

Herr Konečny! Wenn Sie Zwischenrufe machen, dann machen Sie sie so, daß ich sie hören kann. (Bundesrat Konečny: Wortbilder, die behaupten, es ist etwas Gutes, wenn man in der Suppe ein Haar läßt, sind ein bißchen verhatscht!) Ach so, na gut!

Ich werde versuchen, dieses Haar jetzt herauszuziehen, und beginne wie folgt: Ich zitiere Minister Bartenstein:

Der vorliegende Bericht macht jedenfalls deutlich, daß durch wirksame Umweltschutzmaßnahmen und gemeinsame Anstrengungen große Fortschritte erzielt werden können. Die laufende offizielle Beobachtung und Kontrolle der Umweltsituation, insbesondere auch der Funktionsfähigkeit von Ökosystemen durch die Fachleute des Umweltbundesamtes, fördern diese positive Entwicklung.

Ich kann diesen Satz unterstreichen und ziehe damit, Herr Kollege Konečny, das Haar aus der Suppe teilweise heraus. – Ganz wird es mir allerdings nicht gelingen, weil hier einige Bereiche angesprochen wurden und auch in Diskussion standen, bei denen es vielleicht weniger gut ist. Und diese Bereiche sind meiner Meinung nach dort, wo der Umweltminister beziehungsweise die Bundesregierung mit Maßnahmen hätte erreichen können, daß sich unser Umweltgeschehen verbessert.

Der Vorredner hat über die Leistungen der niederösterreichischen ÖVP etwa im Bereich des Umweltschutzes gesprochen: Ihre steirischen Parteifreunde sind hier ein bißchen anderer Meinung. Ich würde vorschlagen, Sie organisieren einmal ein Treffen im Waltraud-Stollen, im Semmering-Stollen. Vielleicht können Sie hier Ihre Umweltaktivitäten ein bißchen verbessern und koordinieren, denn das ist auch notwendig, und das geht mir auch ein wenig in diesem Bericht ab.

Sie haben einige Stichworte geliefert: Wir konnten unsere Umweltstandards im Bereich der EU bewahren. – Na Gott sei Dank haben wir sie bewahren können, meine Damen und Herren! Wir hätten allerdings erwartet – so ist es uns auch zugesagt worden –, daß sich die anderen unseren Umweltstandards anpassen. Das wäre ein europäischer Erfolg, und das wäre für uns alle sehr schön.


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Es wurde auch über die wertvollen Umweltgüter wie Wasser, Luft gesprochen. Zum "Wasser" folgendes: Im Sommer dieses Jahres hat das Europäische Parlament einen Beschluß gefaßt, daß die wasserreichen nordischen Länder verhalten werden sollen, ihre Wasserreserven – wir haben damals davor gewarnt – in den Süden zu liefern. Solch ein Beschluß ist gefaßt worden – Sie schütteln den Kopf, Herr Minister! Es ist eine Empfehlung. Ich weiß, es herrscht nach wie vor das Einstimmigkeitsprinzip. Aber warum faßt man dann diesen Beschluß, wenn das Einstimmigkeitsprinzip herrscht? – Hier ist eine gewisse Denkvorgabe gegeben. Bei diesem Beschluß fehlt mir etwa, daß die wasserarmen Länder, die ursprünglich auch sehr viel Wasser hatten, mit ihrem wertvollen Gut, Genuß- und Lebensmittel Wasser etwas besser umgehen sollten und daß man das, worauf wir in Österreich sehr stolz sein können, nämlich daß unsere Seen durchaus Trinkwasserqualität haben, auch von den anderen Ländern erwarten würde.

Das würden wir uns, meine Damen und Herren, in diesem Bereich wünschen, und hier sollte dieser Umweltbericht ein Fingerzeig sein. Das kurz zur Einleitung. Ich möchte mich aber mit der speziellen Situation in Graz befassen.

Dankenswerterweise haben Transmissionsmessungen von Stickoxiden in Graz stattgefunden. Es ist gemessen worden – machen mußte dann die Gemeinde etwas, das ist auch klar. Hier sollte es vielleicht eine Kardanwelle der Unterstützung geben. Ich habe schon in einem anderen Bereich gesagt, daß die Gemeinden als die Schwächsten im Bunde des Föderalismus manchmal sehr lange auf eine Unterstützung des Bundes warten müssen. Und hier wäre ebenso eine Maßnahme von seiten des Bundes zu setzen, und wenn es nur eine ganz bescheidene ist. Es ist ja nicht so ohne, daß Graz vor kurzem zur Umweltstadt Europas erklärt wurde. – Ich zitiere aus der Rathaus-Korrespondenz:

Neue und innovative Wege im Umweltbereich, die die Stadt Graz als eine der ersten europäischen Städte vor einigen Jahren eingeschlagen hat und die auch vor allem soziale und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen, haben einen ersten internationalen Erfolg gebracht: Graz wurde vom Rat der Gemeinden und Regionen Europas zur Umweltstadt Europas gekürt.

Insgesamt bewarben sich 94 europäische Städte, darunter so klingende Namen wie Zürich, Stockholm, Helsinki, Madrid, Bologna, Brüssel, München, Montpellier und Newcastle und auch einige österreichische Gemeinden, wie etwa Linz, Innsbruck, Friesach, Gurk et cetera.

Dieser Umweltpreis ist ein kleines Dankeschön für große Bemühungen, die auch in einem finanziell enormen Rahmen gemündet sind. Solche Bemühungen, Herr Bundesminister, wären es durchaus wert, auch innerösterreichisch seitens der Bundesregierung oder des Umweltbundesamtes belohnt zu werden, wenn bei uns etwa eine Energieagentur entsteht und wir darüber nachdenken, wie wir diese Ressourcen entsprechend einsetzen können. Das wäre ein Wunsch und eine Bitte, deren Erfüllung mir hier nicht ganz gegeben erscheint.

Ich nenne einen anderen Bereich, der Ungeheures zuwege gebracht hat: 95 Prozent der Grazer Wohnbevölkerung – das ist für eine Stadt wie Graz enorm – sind an das Kanalnetz angeschlossen. Pro Jahr folgen 900 Häuser. Die Kosten dafür müssen wir zum Großteil aus unseren eigenen Mitteln aufbringen. Auch hier wäre – ich weiß schon, daß der Kuchen des Finanzausgleiches gleich groß ist und nicht immer geteilt werden kann – mehr Verteilungsgerechtigkeit herzustellen, das wäre eine Notwendigkeit und sehr wünschenswert.

Dieser Side-step in Richtung Graz – er sei mir als Grazer gestattet – ist notwendig, um die verbleibenden Haare in der Suppe, die Mängel an diesem Umweltbericht aufzuzeigen.

Ich darf auch sagen, daß die Auflistung, die Aufzählung, die Darstellung dieses Umweltberichtes durchaus interessant und auch lesenswert ist. Das ist sehr gut, das ist vielleicht ein Vorteil, aber es sind eben nur Aufzählungen. Schauen wir uns beispielsweise die Lärmstörungen im Wohnbereich, aufgegliedert nach Lärmquelle und Tageszeit, an: Den weitaus größten Teil machen die Kraftfahrzeuge aus: tagsüber 60 Prozent, abends 53 Prozent und nachts 41 Prozent. Und klitzeklein mit 5 Prozent sind die Straßenbahnen angeführt. Das ist klar, denn es gibt nur in ein paar Ballungsgebieten Straßenbahnen. Hier fehlt also ein bißchen die Vergleichsmöglichkeit.


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Was den Straßenlärm betrifft, so stelle ich ebenso fest, daß es in Bereichen, die für uns Österreicher vital sind, an koordinierten Maßnahmen fehlt. Ich nenne nur den Brenner-Basistunnel – ein Projekt, das durchaus in der Lage gewesen wäre, die Umwelt in unseren westlichen Bundesländern deutlich zu entlasten. Wir wurden, meine Damen und Herren, mit falschen Vorstellungen "gefüttert". Das Ökopunkte-System ist zum Sterben verurteilt gewesen, wir mußten unsere Ökopunkte zurückgeben. Maßgebliche Vertreter der Bundesregierung haben gesagt: Na selbstverständlich erfolgt eine Mitfinanzierung des Brenner-Basistunnels. Neil Kinnock hat gesagt: Derjenige, der das glaubt ... (Vizekanzler Dr. Schüssel nimmt auf der Regierungsbank Platz.) – Herr Vizekanzler, ich verneige mich, weil Sie hier sind. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Es ist gut, wenn die Regierung einmal unsere Klagen hört, was da los ist und was alles versprochen und leider Gottes nicht eingehalten wurde.

Neil Kinnock hat bezüglich der Finanzierung des Brenner-Basistunnels gesagt: Jeder, der glaubt, daß hier die EU mitfinanziert – Klima hat vorher etwas anderes gesagt –, der ist ein Narr!

Das heißt also, Umweltprojekte wurden eigentlich nicht im entsprechenden Ausmaß gefördert, und auch diese Dinge hätte ich ganz gerne drinnen, denn diese wären der Umwelt förderlich und gehören ebenso in den Umweltbericht hinein.

Zuletzt noch ein Beispiel, das mittelbar überhaupt nichts mit den vorher gebrachten Beispielen zu tun hat.

Meine Damen und Herren! Ihnen allen ist kürzlich ein Befragungsbogen bezüglich des Bezügereformgesetzes der Parlamentsdirektion zugegangen, und Kollege Weiss hat diesen Befragungsbogen sehr ausführlich, richtig und korrekt beantwortet. Ich darf ihn zitieren, weil er diesen unserem Klub zukommen hat lassen. Da sieht man, selbst die höchsten Stellen in unserer Republik sind eigentlich nicht in der Lage, so koordinierend einzugreifen, daß der einzelne Abgeordnete umweltschonend hierherfährt. Das ist einfach nicht möglich, und es können auch die Plenarzeiten nicht so angesetzt werden. Heute mußte ich mit dem Auto herfahren, weil es ein bißchen länger dauern wird. Was war die Folge? – Als ich hierhergefahren bin, bin ich 20 Kilometer vor Wien in einem Stau steckengeblieben und leider Gottes deswegen ... (Bundesrätin Schicker: Wenn Sie mit dem Zug gefahren wären, wären Sie pünktlich gewesen!)

Frau Kollegin! Ich werde mit dem Zug nicht heimfahren können, weil ich wahrscheinlich den letzten Zug, der nach Graz fährt, nicht erreichen werde. Das ist schon einkalkuliert. (Bundesrätin Schicker: Dann bleiben Sie in Wien! Es ist so schön hier!)

Meine Damen und Herren! Was möchte ich damit sagen? – Ich möchte damit sagen, daß man in jedem Bereich ausgefächert tätig sein sollte, denn nur so können wir unsere Umwelt bewahren. Und bei uns sollten wir eigentlich beginnen können.

Das ist der Mangel, den ich diesem Umweltbericht vorwerfe. Er stellt das natürlich in seiner engen Kompetenzfacette durchaus richtig und klar dar, von hohen und hehren Zielen wird gesprochen, aber diejenigen, die etwas machen sollten, tun eben manchmal nicht. Und diejenigen, die ohnehin immer etwas machen und immer bezahlen, nämlich die Kleinen, die Gemeinden, denen geht langsam die Luft aus, die finanzielle Luft.

Das, meine Damen und Herren, ist die Generalrüge, die ich persönlich an diesem Umweltbericht habe, nämlich daß hier nur kleine Bereiche bedacht sind. Natürlich haben mit der Umwelt auch die Gewerbeordnung und viele andere Bereiche zu tun. Ich weiß, die Bauordnung ist ein Landesgesetz. All das sollte man bedenken. Heute sind manchmal der Bürgermeister und die Gemeinderäte überfordert, wenn sie ein großes Projekt genehmigen, auch im Umweltbereich. All das müßte hier seinen Niederschlag finden, was teilweise nicht der Fall ist.

Ich hoffe, daß diese Anregung, die ich gebe, die auch nicht vollständig ist, das ist klar, in den nächsten Bericht einfließen wird. Und wenn sie eingeflossen ist, dann wird es vielleicht auch


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möglich sein, daß wir dem nächsten Umweltbericht zustimmen. – Diesem können wir nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.34

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

14.34

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich kurz fassen und eingangs auch in Ihrer Gegenwart den Damen und Herren des Umweltbundesamtes recht herzlich für die Abfassung dieses umfassenden Vierten Umweltkontrollberichtes danken.

Es ist schon gesagt worden, daß dieser Umweltkontrollbericht das im wesentlichen bestätigt, was uns auch die OECD in ihrem ersten Länderbericht zum Thema Umwelt in Österreich bestätigt, nämlich daß wir ein Umweltmusterland sind und daß wir, wie das Frau Staatssekretärin Ederer einmal gesagt hat, in dieser Beziehung einen römischen Einser verdienen.

Ich möchte mich in aller Kürze mit einigen Aussagen der freiheitlichen Bundesräte Kapral und Tremmel auseinandersetzen. Herr Bundesrat Kapral! Es kann keine Rede davon sein, daß Österreichs Umweltpolitik ein Motiv dafür sein kann, wie Sie das formuliert haben, daß die letzten Industriebetriebe aus dem Land abwandern. (Bundesrat Dr. Kapral: Das habe ich nicht gesagt! Das hat jemand anderer gesagt!) Es ist vielmehr so, daß wir aber natürlich wissen, daß die primären Standortfaktoren die Lohnkosten und auch die Energiekosten sind, daß wir aber auch bemüht sind – gerade ich mit meinem Hintergrund –, Umweltpolitik so vernünftig wie möglich zu handhaben, aber gleichzeitig ohne auf die notwendigen Standards zu verzichten. Das ist man diesem Land und seinen Bürgern schuldig.

Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Bundesrat, dafür, daß Sie diesen sektorübergreifenden Ansatz, den Umweltpolitik an sich haben sollte und der im ganzen Rio-Prozeß enthalten ist, mittragen. Das ist nicht nur in Österreich, sondern auch anderswo noch nicht so weit. Wenn in diesem Hohen Haus in einem Unterausschuß des Umweltausschusses der nationale Umweltplan diskutiert wird, dann ist das die Grundlage des österreichischen Weges zu einer nachhaltigen Entwicklung und damit zu einem sektorübergreifenden Ansatz von Umweltpolitik.

Herr Bundesrat! Ich darf Ihnen berichten, daß Herr Professor Schleicher heute mitgeteilt hat, daß die Prognose 1991 des Wifo, die Sie zitiert haben, mit dem für 2005 prognostizierten CO2-Emissionswert von 66 Millionen Tonnen nicht mehr stimmt. Professor Schleicher hält es auf Basis der derzeit gegebenen Möglichkeiten und Maßnahmen für möglich, daß das Toronto-Ziel erreicht werden kann. – Worte, die heute in diesem Haus gefallen sind und die ich gerne zur Kenntnis nehme, weil die Erreichung des Toronto-Zieles ein Faktor ist, zu dem sich auch die Bundesregierung mehrfach bekannt hat.

Ich gebe Ihnen recht, daß wir natürlich in allen Bereichen immer mehr machen könnten. So wird es auch ein Schwerpunkt unserer Förderpolitik sein, gerade im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplungen mehr zu tun als bisher und unseren Ländern, die mit der Wohnbauförderung und den Wohnbauförderungsmitteln die Instrumente zur Hand haben, einiges an Know-how noch zusätzlich zu geben, vor allem was die thermische Gebäudesanierung anlangt.

Selbstverständlich ist eine Flottenverbrauchsreduktion für Österreich alleine, wie Sie das auch gesagt haben, mangels relevanter Automobilindustrie – wir haben eine sehr leistungsfähige Zulieferindustrie, aber keine Automobilindustrie im klassischen Sinn – nicht sinnvoll. Das ist natürlich ein Thema auf europäischer Ebene. Das ordnet sich nahtlos in die Reihe von Themen ein, bei denen Österreich auf EU-Ebene für eine fortschrittliche und zukunftsorientierte Umweltpolitik eintritt. Es schaut jetzt so aus, als ob die Kommission mit der europäischen Automobilindustrie vereinbaren könnte, daß die Flottenverbrauchswerte bis zum Jahr 2005 um 20 Prozent reduziert werden.


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Wir sagen in unserem nationalen Umweltplan, es wäre auch mehr möglich, wir werden auch darauf drängen, aber ich möchte Sie nicht darüber uninformiert lassen, was diesbezüglich auf europäischer Ebene zurzeit vor sich geht.

Eine letzte Bemerkung zu Herrn Bundesrat Tremmel: Ich danke Ihnen dafür, daß Sie fairerweise festgestellt haben, daß das eine Empfehlung des Europäischen Parlaments ist, aber ich möchte noch einmal verdeutlichen, daß Österreich mehrfach betont hat, daß ein Abgehen vom Einstimmigkeitsprinzip in bezug auf Artikel 130s Abs. 2 und damit unter anderem auf die Bewirtschaftung der Wasserressourcen nicht in Frage kommt. Das hat die Bundesregierung, das haben wir mehrfach festgehalten. Niemand anderer als wir Österreicher selbst werden über diese 93 Milliarden Kubikmeter an Trinkwasserreserven in Zukunft verfügen, die unser Land glücklicherweise hat und die theoretisch Trinkwasserreserven für fast eine halbe Milliarde Einwohner sein würden.

Eines möchte ich noch anfügen, gerade weil wir seit einigen Monaten diese Verhandlungen konkret führen: Herr Bundesrat! Wir sind hier nicht so wenig erfolgreich. Es ist uns schon gelungen, einige unserer höheren Umweltstandards in der Europäischen Union zu implementieren. Denken Sie zum Beispiel an den Benzolgehalt im Treibstoff: Österreichischer Standard sind 3 Prozent, das ist Bestandteil des Beitrittsvertrages, in der Europäischen Union sind es heute noch 5 Prozent. Der Richtlinienentwurf zur Treibstoffrichtlinie, der als Ergebnis des Auto-oil-Programmes seit einigen Monaten auf dem Tisch liegt und der uns nicht weit genug geht und zu sehr abgeschwächt ist, enthält bereits einen Benzolgrenzwert von nur mehr 2 Prozent. In diesem Fall ist uns das also schon gelungen, und ich bin zuversichtlich, daß wir in den allermeisten Fällen, wenn nicht in allen Fällen, die Europäische Union dazu bringen werden, bis zum 31. 12. 1998 unsere Werte über Richtlinien und ähnliches zu übernehmen. Wenn das in dem einen oder anderen Fall tatsächlich nicht gelingen sollte, dann werden wir schauen – diesbezüglich gibt es schon Äußerungen der Kommission an uns –, daß man uns mit entsprechenden weiteren Fristen entgegenkommt, damit in Österreich das vermieden werden kann, was wir nicht anstreben, nämlich zu irgendeinem Zeitpunkt unsere Umweltstandards senken zu müssen.

In diesem Sinne eine kurze Stellungnahme zu einem sehr umfassenden Umweltkontrollbericht. – Herr Präsident, ich danke für die Erteilung des Wortes. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.40

Präsident Josef Pfeifer: Danke, Herr Bundesminister.

In die Rednerliste hat sich noch Herr Bundesrat Alfred Gerstl eintragen lassen. Ich erteile ihm das Wort.

14.40

Bundesrat Alfred Gerstl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Diese Diskussion hat gezeigt, welche Priorität der Umweltschutz hier im Hause hat, und das auch ohne grüne Fraktion.

Ich möchte mich vor allem bei meinem Kollegen Tusek bedanken. Er hat unter anderem aufgezeigt, daß man eigentlich eine gesetzliche Bestimmung schaffen sollte, damit 10 Prozent Ethanol zum Benzin beigemischt werden muß, so wie in einigen Bundesstaaten Amerikas. Damit würde man nicht nur dem Umweltschutz einen großen Dienst erweisen, sondern letztendlich auch für die Maisbauern existenzsichernd wirken.

Das zweite, das ich besonders anregen möchte, wäre ein Verbot des Verbrennens von Altreifen in Zementfabriken, und zwar dort, wo keine Elektrofilter und keine Rauchgas-Naßwäsche für die Rauchgasreinigung eingebaut sind.

Parallel dazu könnte man vielleicht das Verfahren des Rohstoff-Recyclings aus Altreifen im Niedertemperaturverfahren – durch die öffentliche Hand – fördern – Eine Technologie, die man in Amerika entwickelt hat.


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Eine der wichtigsten Aufgaben ist aber sicherlich die energetisch-thermische Verwertung des Restmülls. Die müßte man in ganz Österreich rasch angehen, und zwar in Verbindung mit einer hoch technologischen Rauchgaswäsche, wie zum Beispiel in Winterthur in der Schweiz.

Übrigens sollte man dabei auch überlegen, ob es sinnvoll ist, zum Beispiel farbbedrucktes Papier wiederzuverwerten, anstelle diesen bereits bezahlten Brennstoff als solchen zu benützen. Parallel dazu sollte man der Forstwirtschaft mehr Wertschöpfung ermöglichen durch das Wälder-Putzen, damit hätten wir genügend Rohstoff für Papier, und den Waldbauern wäre auch gedient.

Das sind ein paar Dinge, die wir dringend angehen müssen. – Ich danke Ihnen im übrigen sehr herzlich dafür, daß heute ohne Emotionen und ohne gegenseitiges "Hackl-Schmeißen" Zielführendes für den Umweltschutz aufgezeigt wurde! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.42

Präsident Josef Pfeifer: Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

5. Punkt

Bericht des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit 1996 bis 1998 (III-151/BR sowie 5295/BR der Beilagen)

Präsident Josef Pfeifer: Wir kommen zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit 1996 bis 1998.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Gerhard Tusek übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Gerhard Tusek: Herr Präsident! Ich bringe den von Ihnen angesprochenen Bericht.

Die vorliegende Fortschreibung des Dreijahresprogrammes der Österreichischen Entwicklungshilfe 1996 bis 1998 ist – bedingt durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union – gegenüber dem Vorjahr unter veränderten Rahmenbedingungen entstanden. Als Mitglied der Europäischen Union nimmt Österreich voll und gleichberechtigt an den Gemeinschaftsaufgaben teil. Das bedeutet, daß Österreich auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit die Ziele und Programme der EU mitverantwortet und mitbestimmt.

Österreich bekennt sich voll inhaltlich zu der vorrangigen Zielsetzung des Entwicklungshilfeausschusses der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, eine auf lange Sicht tragfähige Entwicklung zu schaffen.

Der vorliegende Bericht geht zunächst auf Volumen und Qualität der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit ein und erläutert anschließend die geographische und sektorielle Konzen


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tration sowie die Leistungsformen der Entwicklungszusammenarbeit. Dem mittelfristigen Kernprogramm der Entwicklungszusammenarbeit 1996 bis 1998 ist ein eigenes Kapitel gewidmet. In einem weiteren Abschnitt werden die Folgen des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union dargestellt. Ein abschließendes Kapitel behandelt die Organisationsentwicklung und Koordination der Entwicklungszusammenarbeit.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 12. November 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag , den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Präsident Josef Pfeifer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Kapral. Ich erteile es ihm.

14.46

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Der vorliegende Bericht über das Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit ist natürlich ein Bericht, der die zukünftigen Aspekte der Entwicklungszusammenarbeit aufzeigt, wenn er auch gleichzeitig Rückblicke in die Vergangenheit gestattet und eine Art Rechenschaftsbericht darstellt.

Es liegt sicher nicht am Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten, daß dieser Bericht erst heute hier diskutiert wird, obwohl er seit 1995 im Parlament liegt, sondern wir müssen die Schuld bei uns selbst suchen und in Kauf nehmen, daß ein Jahr des Programmzeitraumes, nämlich das Jahr 1996, beinahe schon zu Ende ist.

Der Bericht verdient deshalb Aufmerksamkeit, weil er erstmals jene neuen Aspekte der Entwicklungszusammenarbeit aufzeigt beziehungsweise berücksichtigen muß, die sich aus der EU-Mitgliedschaft Österreichs ergeben. Unserer Meinung nach wird aber diesen Aspekten zu wenig Rechnung getragen.

Der Bericht trifft zwar eine gute Aufgliederung des Gesamtkomplexes der Entwicklungszusammenarbeit und zeigt auch den institutionellen Rahmen sowohl national als auch den EU-Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit auf, aber eben nicht in ausreichendem Maße. Ich darf das an einem Beispiel darlegen.

Es wird zum Beispiel festgehalten, daß es der politische Wille der Europäischen Union ist, mit den Ländern des Südens eine über die Handelspolitik hinausgehende partnerschaftliche Beziehung einzugehen.

In diesem Zusammenhang bleiben meiner Meinung nach zwei Fragen offen. Erstens: Was ist der Inhalt, und was ist das Ziel dieser partnerschaftlichen Beziehungen?, wobei ich jedenfalls nicht unterstellen möchte, daß es sich dabei um eine Art Neo-Kolonialismus handelt. Zweitens: Welche Konsequenzen ergeben sich für Österreich und die österreichische Entwicklungszusammenarbeit? Das heißt: Wie sieht Österreich jetzt von seinem Standpunkt aus beziehungsweise von der Zielsetzung seiner Projekte der Entwicklungszusammenarbeit aus den Begriff "partnerschaftliche Zusammenarbeit"?

Über diesen Aspekt wird im Programm keine konkrete Aussage getroffen. Das Programm spricht von Schlüsselregionen, es kennt die Institution sogenannter Schwerpunktländer oder Kooperationsländer, führt aber diesen aus unserem EU-Beitritt herrührenden Aspekt der partnerschaftlichen Zusammenarbeit nicht weiter aus.

Fünf Schlüsselregionen – das erscheint, wenn man von der Notwendigkeit einer konzentrierten Hilfe, einer Konzentration der Hilfe ausgeht, viel. Unserer Meinung nach sollte dem Gesichtspunkt der Konzentration, der Schwerpunktbildung, besser Rechnung getragen werden, als das im Augenblick im Programm der Fall ist, noch dazu, wo es auch noch eine Reihe zwar befristeter, aber doch regionaler Sonderprogramme gibt und darüber hinaus auch noch sachlich orientierte Sonderprogramme, die sich auf bestimmte materielle Schwerpunkte konzentrieren.


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Wir könnten uns jedenfalls eine noch stärkere Konzentration und Schwerpunktbildung vorstellen, die auch dazu dienen würde, die Schlagkraft und die Effizienz unserer Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen, aber letztlich natürlich auch – damit komme ich nochmals auf die EU-Zielsetzung zu sprechen – dem Partnerschaftsgedanken besser Rechnung tragen könnte.

Gerade dieser für die EU-Entwicklungszusammenarbeitspolitik maßgebliche Gedanke bedarf im Falle beschränkter Ressourcen – das ist leider der Fall; sowohl finanziell als auch personeller Art – einer Neuausrichtung der österreichischen Politik der Entwicklungszusammenarbeit, wobei im Rahmen einer solchen Partnerschaftsidee zweifelsohne dem Gedanken "trade, not aid" stärker zum Durchbruch verholfen werden könnte, als das heute der Fall ist.

Darüber hinaus darf man natürlich nicht übersehen, daß Österreich durch gewisse, vor allem vertragliche Verpflichtungen an die europäische Entwicklungszusammenarbeit, für die Österreich auch einen finanziellen Beitrag leistet, gebunden ist, aber natürlich auch im Rahmen weltweiter Aktionen, vor allem im Rahmen der UNO, in Entwicklungszusammenarbeitsprojekte eingebunden ist und dafür auch einen finanziellen Beitrag leistet.

In einem Anhang zum Programm werden auch Entwicklungspartnerschaften in einem neuen globalen Zusammenhang dargestellt, wobei diese Initiative wiederum von der OECD ausgeht, bei der Österreich auch Mitglied ist. Ich sehe darin eine sehr wesentliche Initiative. Im Programm fehlen aber Aussagen darüber, wie sich Österreich dazu stellt beziehungsweise welche Konsequenzen daraus für die österreichische Politik bei der EZA gezogen werden können. Vielleicht ist es in der heutigen Diskussion möglich, über dieses Programm auch einige Aufklärungen zu geben.

Abschließend darf ich noch ein Wort zu einem Thema sagen, das mich besonders bewegt. Ich glaube, es ist nicht möglich, über Entwicklungshilfezusammenarbeit zu sprechen, ohne der Opfer zu gedenken, die der neu aufgeflammte Konflikt im Grenzgebiet von Zaire und Ruanda, in Ost-Zaire, bisher schon gefordert hat und wahrscheinlich trotz der jetzt langsam anlaufenden internationalen Hilfe noch fordern wird.

Ich denke, dieses Beispiel zeigt wie kaum ein anderes die Notwendigkeit einer intensiven und nach neuen Gesichtspunkten verpflichtenden internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.55

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Karl Drochter. – Bitte.

14.55

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die parlamentarische Behandlung des sogenannten Dreijahresprogrammes der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit zählt zu den wenigen Gelegenheiten, die wir haben, uns auch im Bundesrat mit dem Themenkomplex "internationale Solidarität" zu beschäftigen.

Entgegen so manchen Kritikern von weit rechts, die in der Boulevardpresse Stimmung gegen ein entwicklungspolitisches Engagement Österreichs machen, halte ich unbedingt daran fest, daß sich Österreich seinen internationalen Verpflichtungen nicht entziehen soll und schon gar nicht entziehen darf! (Beifall bei der SPÖ.)

Internationale Solidarität ist nicht nur aus humanitären Gründen, sondern auch aus wohlverstandenem Eigeninteresse unseres Landes notwendig. Gerade in Zeiten, in denen der Prozeß der wirtschaftlichen, aber auch der ökologischen und sozialen Globalisierung endlich ins allgemeine Bewußtsein gedrungen ist, muß es uns gelingen, für eine Globalisierung der gemeinsamen Verantwortung und des gemeinsamen Engagements für eine menschengerechte Gestaltung unseres Planeten zu sorgen und auch diese zu erreichen.

Ich begrüße daher mit allem Nachdruck, daß das uns vorliegende Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit einen seiner Schwerpunkte auf die soziale Ent


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wicklung der Wirtschaft legt. Die österreichischen Programme der Entwicklungsförderung in den Ländern der dritten Welt sollen zweifelsohne den Grundsätzen eines qualifizierten und nachhaltigen Wachstum entsprechen.

Genau dazu bekennt sich – wie bereits bekannt – die Sozialdemokratie, aber auch die österreichische Gewerkschaftsbewegung. Wir halten unter allen Umständen eine sozial verträgliche Gestaltung von allenfalls notwendigen Strukturanpassungsmaßnahmen für unabdingbar, gleichgültig, ob in den Entwicklungs- oder in den Industrieländern.

Viel stärker als bisher sollten jedoch bei der Entwicklungszusammenarbeit die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer in den Partnerländern, also die Gewerkschaften, von den Regierungen in die österreichischen Kooperationsprogramme miteinbezogen werden. Erste Ansätze in diese Richtung sind zu erkennen und daher auch begrüßenswert.

Ich begrüße grundsätzlich die Absicht, die österreichische Entwicklungzusammenarbeit durch verstärkte Prioritätensetzung und Auswahl von Schwerpunktländern in der Zukunft effektiver zu machen. Diese Schwerpunktpolitik muß jedoch flexibel gehandhabt werden, und bei dem einen oder anderen wäre eine stärkere Abstimmung mit den Zielsetzungen der Außenpolitik sicherlich möglich und wünschenswert.

Bedauerlich ist, daß der hierzulande viel zu wenig zur Kenntnis genommene Übergangsprozeß Südafrikas zur Demokratie und zu einer antirassistischen Gesellschaft in der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit noch kaum einen nennenswerten Niederschlag gefunden hat.

Ich plädiere in diesem Zusammenhang für ein mehrjähriges, gut dotiertes Sonderprogramm für Südafrika, das sich vorrangig mit der Armutsbekämpfung und der Bewältigung der schrecklichen sozialen Folgen der Apartheid widmet.

Auch stellt sich die Frage, ob wir nicht Asien stärker in den Blickpunkt der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit rücken sollten. Projekte zur Eindämmung der Kinderarbeit und zur Verwirklichung von Menschen- und Gewerkschaftsrechten wären gerade im Hinblick auf die Globalisierung der Wirtschaft notwendig und auch vorstellbar.

Neben unserem Einsatz in den verschiedenen Schwerpunktländern ist aber auch der Einsatz für die Errichtung einer neuen, auf sozialer Grundlage stehenden Weltwirtschaftsordnung ganz besonders wichtig. Nach den für die Entwicklungspolitik – nach Meinung und Aussage der Weltbank – verlorenen achtziger Jahren können wir dabei vielfach an die Errungenschaften des Nord-Süd-Dialogs der siebziger Jahre anknüpfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nenne dazu einige Beispiele: Ein Schuldennachlaß Österreichs für die ärmsten Länder der Welt, zum Beispiel für Mosambik, wurde angekündigt. Wir sollten daher nun daran gehen, diesen auch raschest umzusetzen.

Ein weiteres Beispiel: Ein Verhaltenskodex für multinationale Konzerne beinhaltet, daß Auslandsinvestitionen auch an soziale und ökologische Mindeststandards gebunden sein sollen. Auf diesem Gebiet könnten wir Österreicher sicherlich eine Vorreiterrolle in internationalen Gremien einnehmen, etwa innerhalb der WTO beziehungsweise der UNIDO.

Auch wenn dies den internationalen Finanzinstituten in Washington nicht besonders paßt, müssen Strukturanpassungsmaßnahmen durch eine wirkungsvolle, soziale Dimension unbedingt und sehr rasch ergänzt werden.

Meine Damen und Herren! Wir können es nicht zulassen, daß es unter dem Druck der wirtschaftlichen und sozialen Krise in vielen Teilen der Welt zu verschärfter Kinderarbeit oder auch zu einer verschärften Ausbeutung von Frauen kommt. Es müssen sinnvolle sozialpolitische Strategien gefunden werden, die notwendige, wirtschaftliche Reformen mit den Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen verbinden.


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Was wir brauchen, ist eine strukturelle Anpassung der Wirtschaft an die Interessen der Menschen. Sicherlich darf es sich nicht umgekehrt verhalten. Und dazu soll auch die österreichische Entwicklungszusammenarbeit wie bisher beitragen, aber in der Zukunft noch einen verstärkten Beitrag leisten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.04

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Milan Linzer. – Er verzichtet jedoch darauf, das Wort zu ergreifen.

Daher bitte ich nun Herrn Dr. Manfred Mautner Markhof zu sprechen.

15.04

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Hoher Bundesrat! Auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit haben sich aufgrund des EU-Beitritts Österreichs geänderte Rahmenbedingungen ergeben. Unsere EU-Mitgliedschaft bedeutet nämlich, daß wir auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit die Ziele und Programme der EU mitverantworten und mitbestimmen. Betreffend die damit im Zusammenhang stehende finanzielle Seite ist zu sagen, daß wir erstens unseren jährlichen Beitrag zum allgemeinen EU-Haushalt, in dem unter anderem auch die Leistungen für die Entwicklungsländer integriert sind, zahlen. Zweitens werden wir uns künftig am Europäischen Entwicklungsfonds beteiligen und Einzahlungen zum Stammkapital der Europäischen Investitionsbank leisten.

Meine Damen und Herren! Österreichs Beteiligungen an der gemeinsamen Entwicklungszusammenarbeit der EU können und dürfen sich aber nicht auf einen Einsatz für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit Österreichs beschränken. Österreich darf nicht abseits stehen, wenn es darum geht, sich an der Bekämpfung von Not und Elend in dieser Welt – und ich meine jetzt: in aller Welt, wo immer es auch sei – zu beteiligen. Dies gilt für die Hilfe in Katastrophenfällen; dieser Begriff ist nicht nur im übertragenen Sinne als "Entwicklungshilfe" zu verstehen. – "Entwicklungshilfe" im wahren Sinne des Wortes bedeutet daher nicht nur die Bereitstellung entsprechend finanzieller Mittel, sondern "Entwicklungshilfe" bedeutet auch, daß in besonderem Maße entsprechendes Know-how zur Verfügung gestellt wird. Es muß Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden. Kurz gesagt: Entwicklungshilfe hat auch einen qualitativen Aspekt, der bei Diskussionen über die Bereitstellung finanzieller Mittel nicht übersehen werden darf.

Eines der Grundziele der österreichischen Entwicklungspolitik ist es, in den zu unterstützenden Ländern eine tragfähige Wirtschaftsentwicklung zu fördern, die die Grundbedürfnisse einer wachsenden Bevölkerung befriedigt und lebensfähige Volkswirtschaften aufbaut. Allerdings ist klar, daß wir in unseren Bemühungen nicht nach dem Gießkannenprinzip vorgehen können. Deshalb begrüße ich es, daß für den Bereich der im Außenministerium selbst zu gestaltenden Hilfe die Bemühungen um eine größere Effizienz des Mitteleinsatzes durch geographische und sachliche Schwerpunktbildung fortgesetzt werden.

Was die einzelnen Sektoren der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit betrifft, möchte ich über einen Bereich sprechen, der mir ein ganz besonderes Anliegen ist, nämlich über den Sektor Bildung und Ausbildung.

Meine Damen und Herren! Bildung beziehungsweise die Ausbildung von Menschen ist eine Grundvoraussetzung und Basis für die Entwicklung zukunftsweisender wirtschaftlicher, sozialer und politischer Strukturen. Deshalb möchte ich das im vorliegenden Dreijahresprogramm inkludierte Sonderprogramm "Bildungszusammenarbeit" besonders hervorheben. – Die österreichische Bildungszusammenarbeit konzentriert sich insbesondere auf folgende Bereiche: auf Maßnahmen der Berufsbildung sowie der wissenschaftlichen Berufsvorbildung.

Meine Damen und Herren! Österreich hat auf diesem Gebiet einen reichen Erfahrungsschatz und ein hohes Maß an Know-how anzubieten. Die Weitergabe dieses Know-hows, beispielsweise in Form der Förderung lokaler Berufsbildungssysteme, ist ein ganz wesentlicher Faktor im Rahmen der Entwicklungshilfe.


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Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, daß bei den Angeboten für Studierende, für wissenschaftliche Fachkräfte und für Facharbeiter den regionalen und sachlichen Prioritäten besondere Beachtung geschenkt wird. Denn mit den installierten Bildungseinrichtungen kann nur dann die größtmögliche Wirkung erzielt werden, wenn sie den spezifischen Anforderungen und Bedürfnissen der jeweiligen Partnerländer angepaßt sind.

Der Entwicklungshilfeausschuß DAC der OECD hat die Liste der Empfängerländer und -gebiete überarbeitet. Dieses Projekt wurde im Vorjahr finalisiert. Das neue Konzept spiegelt vor allem zwei Faktoren wider: erstens den Erfolg der Entwicklungsprozesse in einer wachsenden Anzahl von Entwicklungsländern und zweitens die Bedeutung der neuen Empfängerländer in Mittel- und Osteuropa, in den neuen, unabhängigen Staaten der ehemaligen Sowjetunion. In diesem Zusammenhang ist es außerordentlich interessant, daß die EU in ihrem diesbezüglichen Programm 50 Prozent ihrer Entwicklungshilfe für die Ostländer, die zentralasiatischen Staaten und den mediterranen Raum vorsieht.

Dazu eine persönliche Anmerkung: Ich meine, daß auch wir auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe darauf achten sollten, den Schwerpunkt unserer Aktivitäten in Gebieten zu setzen, die uns historisch, kulturell oder geographisch näher stehen als vielleicht andere. Als ein gutes Beispiel dafür möchte ich die österreichische Unterstützung beim Ausbau der Wasserversorgung der Stadt Mukachevo unweit von Lemberg nennen, eine Umgebung in der heutigen Ukraine, die uns Österreichern nicht ganz fremd sein soll. Der Grund hiefür ist nicht, daß wir anderen Staaten gleichgültig gegenüberstehen, sondern daß man meines Erachtens diejenigen besser unterstützen kann, die man besser kennt. Bestmögliche Hilfe bedeutet nämlich auch, daß man sich in die Gedankenwelt des anderen versetzen und ein Gespür für die andere Kultur und Mentalität entwickeln kann. Die Effektivität von Unterstützungsmaßnahmen und von Projekten ist nämlich umso größer, je besser sie an die lokalen Rahmenbedingungen angepaßt sind. Die zahlreichen erfolgreichen Projekte, an denen Österreich beteiligt ist, beweisen dies. Deshalb meine ich, daß es außerordentlich wichtig ist, die internationale Kooperation im Bereich der Entwicklungshilfe auch unter diesem Aspekt zu betrachten und abzustimmen.

Nehmen wir einmal die Europäische Union als Beispiel: Jeder EU-Mitgliedstaat hat seine eigenen traditionellen Verbindungen zu anderen Staaten, und diese jeweilige spezielle Kenntnis anderer Staaten und Völker sollte auch auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit noch viel stärker genützt werden, als dies ohnehin bereits der Fall ist.

Kooperation innerhalb der EU sollte in erster Linie bedeuten, daß jeder seine speziellen Stärken und sein Know-how einbringt. Eine Aufgabenteilung unter diesem Gesichtspunkt erscheint mir ein erfolgversprechender Weg zu sein, um wirklich Hilfestellung leisten zu können.

Meine Damen und Herren! Zum Abschluß meiner Ausführungen möchte ich nicht verabsäumen, darauf hinzuweisen, daß die Unterstützung von Entwicklungsmaßnahmen zu außergewöhnlichen Errungenschaften im Bereich des wirtschaftlichen und sozialen Wohlergehens beigetragen hat.

Wie aus dem vorliegenden Bericht hervorgeht, können weit über 2 Milliarden Menschen ihr Einkommen und ihre Lebenserwartungen erhöhen und ihre Ausbildung sowie ihren Zugang zu den wesentlichen Dienstleistungen verbessern. Darüber hinaus hat die Entwicklungszusammenarbeit auch zur Entstehung neuer wirtschaftlicher Partnerschaften geführt, die eine zunehmend dynamische Rolle spielen. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

All dies, meine Damen und Herren, sollten wir beachten, wenn wir über die Bereitstellung finanzieller Mittel für die Entwicklungshilfe diskutieren.

Im Sinne des vorliegenden Berichtes möchte ich meine persönlichen Präferenzen nochmals präzisieren: Erstens stelle ich die Hilfe für Katastrophenfälle einmal außer Streit. Ferner sollten wir bei der Berufsausbildung, bei welcher Österreich enorm viel zu bieten hat, den Ländern den Vorrang geben, die uns geographisch, kulturell und wirtschaftlich vielleicht noch etwas ferne stehen. Hingegen sollte direkte und substantielle Entwicklungshilfe – wie das Beispiel Mukachevo augenscheinlich zeigt – primär dort geleistet werden, wo es möglicherweise alte oder


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uralte Beziehungen aufzufrischen gilt. Auf diesem Gebiet sollten wir uns nicht schamhaft abwenden, sondern neue wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen knüpfen.

In diesem Sinne nimmt meine Fraktion diesen Bericht gerne zur Kenntnis. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.15

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Ing. Johann Penz. Ich erteile es ihm.

15.15

Bundesrat Ing. Johann Penz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anläßlich des Welternährungsgipfels, der derzeit in Rom stattfindet, wurde es uns wieder einmal drastisch vor Augen geführt: Nach Schätzungen der FAO gelten 800 Millionen Menschen auf dieser Welt als unterernährt: Etwa 15 Millionen Menschen, also zweimal die österreichische Bevölkerung, sterben jährlich an Hunger oder aus anderen armutsbezogenen Gründen. Vor allem handelt es sich hiebei um Kinder.

Wir diskutieren heute über das Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit für die Jahre 1996 bis 1998, und dabei ist natürlich das Thema "Ernährungssicherheit" eine ganz wesentliche Komponente. Die Schaffung von Ernährungssicherheit ist – ich glaube, das ist unbestritten – angesichts der von mir genannten Zahlen von ungebrochener Dringlichkeit, sowohl kurzfristig als auch langfristig.

Lassen Sie mich dazu auch anläßlich der derzeit stattfindenden FAO-Tagung einige Anmerkungen machen.

Betrachten wir die derzeit aktuelle Entwicklung, so müssen wir feststellen, daß die schlechten Getreideernten die Weltgetreidevorräte heute auf ein Niveau sinken haben lassen, das dem vor etwa 20 Jahren entspricht. Das tägliche Brot ist damit auch in Hinblick auf die inzwischen gestiegenen Weltmarktpreise für die Ärmsten der Armen noch unerschwinglicher geworden.

Diese Situation ist allerdings nicht nur derzeit dramatisch. Angesichts der globalen Bevölkerungsentwicklung müssen wir uns auch langfristig die Frage stellen, ob die Landwirtschaft etwa im Jahr 2020 noch in der Lage sein wird, die dann um etwas mehr als 50 Prozent größere Weltbevölkerung von etwa 8,8 Milliarden Menschen zu ernähren. – Im Klartext heißt das, daß vor allem auch auf die Agrarwissenschaft große Herausforderungen zukommen werden. Zwei Drittel der künftig notwendigen landwirtschaftlichen Mehrproduktion müßten aus höheren Erträgen kommen, ohne daß dabei die Umwelt geschädigt wird.

Angesichts dieser Zukunftsszenarien erscheint auch die in den letzten Jahren und Jahrzehnten in den westlichen Industrieländern geführte Diskussion über die landwirtschaftliche Überproduktion in einem völlig anderen Licht, wie im übrigen auch der Präsident des Washingtoner World Watch Institute Lester Brown bestätigt.

Laut Brown steht nämlich fest, daß die Überschußproduktion in den letzten Jahrzehnten ein historisches Unikum war und daß künftig Knappheiten mit steigenden Getreidepreisen dominieren werden.

Man kommt auch nicht um die Frage herum, warum noch immer Millionen Menschen hungern, obwohl gerade im asiatischen Raum die Getreideproduktion in den letzten Jahren um etwa 30 Prozent gestiegen ist. Anhand dieses Beispiels zeigt sich ganz deutlich, daß die Verantwortung für die Ernährungssicherheit nicht alleine bei der Landwirtschaft liegt, auch wenn diese dabei fraglos eine ganz wichtige Rolle spielt.

Wenn man über die Bekämpfung von Hunger und Armut und von einer gedeihlichen Entwicklung in allen Teilen dieser Welt spricht, dann sind jedoch auch Fragen nach der Ordnung der Wirtschaft und dem Entstehen von Einkommen zu beantworten.


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Der Hunger wird nicht zu beenden sein, wenn es den Armen an Geld fehlt, Nahrungsmittel zu kaufen. Vielmehr werden die Volkswirtschaften in der dritten Welt ohne stabile und demokratische politische Rahmenbedingungen niemals funktionieren können.

Was kann nun Österreich konkret für diese Entwicklungszusammenarbeit tun?

Neben der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit hat Österreich durch den Beitritt zur Europäischen Union auch in diesem Bereich seine Möglichkeiten entscheidend erweitert und verbessert. Denn die Entwicklungshilfe in diesem Rahmen, die der dritten Welt und den Mitgliedsländern jährlich zur Verfügung gestellt wird, ist durchaus beachtlich. Im Jahr 1995 waren es rund 32 Millionen Dollar. Das ist mehr als die Hälfte der auf der ganzen Welt vergebenen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Die Europäische Union hat erstmals im Vertrag von Maastricht ihre Kompetenz für die Entwicklungszusammenarbeit primär rechtlich festschreiben lassen und überdies auch unter dem Namen "Horizont 2000" ein eigenes Programm entwickelt, das einen Fahrplan für die Entwicklungspolitik der Union darstellt. Dieser Fahrplan sieht eine Reihe von Entschließungen und Verordnungen in Form eines entwicklungspolitischen Konzeptes dar.

Der Vorteil für Österreich liegt auch auf der Hand. Wir können bei der Formulierung der EU-Entwicklungspolitik und bei der Vergabe der Mittel mitsprechen. Überdies haben heimische Nicht-Regierungs-Organisationen und Unternehmungen die Möglichkeit, sich Teile der österreichischen Beitragsleistungen durch EU-Förderungen für bestimmte Projekte oder auch durch die Teilnahme an EU-Ausschreibungen zurückzuholen.

Mitsprache und Mitentscheidung, meine sehr geehrten Damen und Herren, bedeuten allerdings auch finanzielle Anstrengungen. 800 Millionen Schilling muß Österreich derzeit jährlich für die europäische Entwicklungszusammenarbeit aufbringen. Ab 1998 wird das nochmals 800 bis 900 Millionen Schilling an direkten Zahlungen an den europäischen Entwicklungsfonds bedeuten.

Noch etwas ist für mich wesentlich. Wer glaubt, daß sich Österreich mit der Teilnahme an der europäischen Entwicklungszusammenarbeit von der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit verabschieden könne, irrt gewaltig. Denn der Vertrag von Maastricht sieht an sich nicht vor, daß die Verantwortung für die Entwicklungszusammenarbeit auf die Kommission abgewälzt werden kann. Ganz im Gegenteil: Er schreibt sogar eine Verpflichtung zur Leistung bilateraler Kooperationen fest. Das bedeutet auch für uns: Wenn wir Österreicher im weltweit größten entwicklungspolitischen Gestaltungsforum, nämlich der Europäischen Union, unseren entsprechenden Platz einnehmen und überdies Ansehen und Glaubwürdigkeit in der dritten Welt haben wollen, muß es in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit weitere Fortschritte geben. Ansätze und Konzepte sind vorhanden, und diese sind durchaus vielversprechend. Österreich ist in den letzten Jahren darangegangen, seine Mittel geographisch auf fünf Schlüsselregionen, aber auch sachlich zu konzentrieren. Dies scheint mir noch erfolgversprechender zu sein als das sogenannte Gießkannenprinzip. Manfred Mautner Markhof hat davon ja schon einiges genannt.

Als Beispiel mag auch das 1993 vom Außenministerium entwickelte Konzept "Afrika 2000" gelten, das Hilfe für die Ärmsten der Armen in den Staaten südlich der Sahara bringen soll.

Dieses Konzept entspricht dem vorgenannten Prinzip, daß nämlich die Volkswirtschaft in den Ländern der dritten Welt, deren Funktionieren zur Bekämpfung von Hunger und Armut unerläßlich ist, ohne stabile demokratische und politische Rahmenbedingungen nicht lebensfähig sein wird. Besonderes Augenmerk wird bei "Afrika 2000" daher auf die Unterstützung des Aufbaus von demokratischen Systemen gelegt.

Mit diesem Konzept wird auch ein genereller Arbeitsschwerpunkt der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit unterstrichen, eben die Unterstützung des Aufbaus von demokratischen Systemen in Entwicklungsländern. Damit wird auch angezeigt, daß die Entwicklungszusammenarbeit in den letzten Jahren eine neue Qualität erhalten hat. War in den sechziger und siebziger Jahren die vertretene entwicklungspolitische Strategie jene des massiven Ressourcentransfers – eine Strategie, die nicht zuletzt wegen des Fehlens auch der erforderlichen personellen und


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institutionellen Infrastrukturen in den Entwicklungsländern scheitern mußte –, so hat man mittlerweile erkannt, daß Hilfe beim Aufbau einer nachhaltigen demokratischen Ordnung ein entscheidender Faktor und Aufgabenbereich der Entwicklungsarbeit sein muß.

Wie bereits erwähnt ist Österreich in den letzten Jahren darangegangen, die öffentlichen Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit sowohl geographisch als auch sachlich zu konzentrieren. Diese Konzentration der Mittel wird auch in Zukunft notwendig sein, weil nicht genügend Mittel zur Verfügung stehen werden, und auch aus Gründen der Effizienz.

Wir müssen also sowohl in der bilateralen als auch in der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit auf eine möglichst hohe Effizienz aufgrund der geringen vorhandenen Mittel drängen. Es hat manchmal, vor allem auch auf internationaler Ebene, den Anschein, als würde zuviel Geld in den Organisationen hängenbleiben. Wir müssen daher noch stärker als bisher unseren Partnern in den Entwicklungsländern verdeutlichen, daß Zusammenarbeit untrennbar auch mit der Beachtung von Menschen- und Bürgerrechten verbunden ist.

Wir sollten uns vor allem auch eines Themas annehmen, das auch beim FAO-Welternährungsgipfel eines der wesentlichen ist, und das ist die Frage des Schuldenerlasses, betrug doch die Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer im Jahre 1995 bereits die unvorstellbare Summe von 2 100 Milliarden US-Dollar! Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang, daß zumindest ein Teil der Entschuldungssumme zur Finanzierung von Sozial- und Umweltprojekten verwendet wird.

Anläßlich der gestrigen Eröffnung des Welternährungsgipfels in Rom fand Papst Johannes Paul II deutliche Worte. Er sagte, der Kontrast zwischen Arm und Reich, zwischen Hunger und Luxus könne nicht toleriert werden. Der Papst forderte eine neue Mentalität und solidarische Anstrengungen der Weltgemeinschaft sowie für Entwicklungsländer einen Schuldenerlag, denn die Ressourcen müßten gleichmäßig verteilt werden. Ich glaube, gerade für uns als Christen oder als eine politische Organisation, die sich zur abendländischen Kultur bekennt, ist das eine Verpflichtung und ein Auftrag zugleich, an dem wir weiter arbeiten wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

15.24

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht gegeben.

Wir gelangen daher zur Abstimmung .

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen .

6. Punkt

Bericht des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Südtirol (III-150/BR sowie 5296/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Südtirol.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.


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Berichterstatter Mag. Karl Wilfing:
Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Hoher Bundesrat! Der Bericht des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Südtirol schildert den Werdegang Südtirols von 1945 bis in die Gegenwart.

Neben einem geschichtlichen Rückblick wird auf aktuelle Themen Bezug genommen. Auf einzelne Fragen, wie beispielsweise der ethnische Ämterproporz, das italienische Wahlgesetz 1993 und das Problem der Zweisprachigkeit, wird in einem eigenen Kapitel näher eingegangen.

In einem weiteren Abschnitt wird die grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit in der "Europaregion Tirol" beschrieben.

Im letzten Kapitel werden universitäre Strukturen sowie die Anerkennung akademischer Grade zwischen Österreich und Italien behandelt.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 12. November 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile es ihm.

15.26

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Südtirol nimmt heute unter den europäischen Volksgruppen und Minderheiten sowie auch unter den autonomen Gebieten eine besondere Rolle ein, und zwar zum einem, weil das Land südlich des Brenners nicht wie andere Gebiete mit offenen nationalen Fragen dem allgemeinen öffentlichen Desinteresse anheimgefallen ist, und zum anderen, weil es den Südtirolern trotz aller Schwierigkeiten gelungen ist, sich einen beachtlichen Volksgruppenschutz zu erkämpfen, der zahlreichen anderen Minderheiten als Orientierungshilfe dienen kann.

Die Südtirol-Frage ist so alt wie der Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wurde das Land Tirol geteilt und der südliche Landesteil gegen den Willen und gegen die Proteste der Bevölkerung am 10. Oktober 1920, genau am Tag der Kärntner Volksabstimmung, offiziell in die Republik Italien eingegliedert und damit von Italien annektiert.

Daß die Frage Südtirol bis heute nicht befriedigend gelöst wurde, hängt mit zwei Aspekten zusammen: Zum einen waren die ethnischen Grenzen 1918 mit aller Deutlichkeit gezogen. In Südtirol lebten vor der Annexion 93 Prozent Deutsche, 4 Prozent Ladiner und nur 3 Prozent Italiener. Diese ethnische Homogenität konnte bis auf wenige Gemeinden im großen und ganzen bis heute beibehalten werden. Zum anderen ist Tirol seit dem Ende des Ersten Weltkrieges ein geteiltes Land. Der Umstand der Teilung gibt der Südtirol-Frage bis heute eine besondere Dynamik und Brisanz, die mit der deutschen Teilung bis 1990 in etwa vergleichbar ist.

Hinzu kommen natürlich noch besonders einprägsame historische Erfahrungen wie die 20jährige Unterdrückung der Südtiroler durch den Faschismus und die offen minderheitenfeindliche Politik des demokratischen Italien nach dem Zweiten Weltkrieg. Durch die lange Zeit der Konfrontation mit dem italienischen Staat zwischen 1957 und 1969 konnte schließlich ein Erfolg erzielt werden. Österreich brachte 1960 als völkerrechtlich anerkannte Schutzmacht der Südtiroler die Südtirol-Frage zum Mißfallen Italiens vor die Vereinten Nationen. Damit war das Problem endgültig internationalisiert.

Erst nach jahrelangen aufreibenden Verhandlungen, die von italienischer Seite ständig sabotiert wurden, konnten sich die beiden Verhandlungspartner Österreich und Italien auf ein sogenanntes Paket einigen. Das Paket stellte einen 137 Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog mit Minderheitenrechten und autonomen Befugnissen für Südtirol dar. Die Südtiroler Volkspartei, die SVP, die Sammlungspartei der deutschen Südtiroler, als Entscheidungsträger der deutschen


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und ladinischen Volksgruppe stimmte dem Verhandlungsergebnis auf ihrer Landesversammlung vom 22. November 1969 mit einer knappen Mehrheit von nur 52 Prozent zu.

Eine starke Minderheit in der Partei sah im Paket nicht das notwendige Instrumentarium, um das Überleben der Volksgruppe auch für die Zukunft zu sichern. Selbst die Mehrheit – und das ist für die heutige Diskussion entscheidend – bewertete das Paket nicht als endgültige Lösung, sondern nur als Übergangslösung der Südtirol-Frage. Zudem bekräftigte auch die Mehrheit den Anspruch auf das Selbstbestimmungsrecht, das den Südtirolern nach dem Ersten wie nach dem Zweiten Weltkrieg jeweils verweigert wurde.

Das Paket führte zu einem neuen Autonomiestatut, das im Jänner 1972 in Kraft getreten ist und eine Reihe von Neuerungen für die Volksgruppe gebracht hat. Tatsächlich trat in den siebziger Jahren mit der schrittweisen Umsetzung der neuen Autonomie eine Verbesserung der Lage auf minderheitenrechtlichem, politischem, sozialem und wirtschaftlichem Gebiet ein.

Nach den Jahrzehnten der faschistischen Unterdrückung und der seit 1946 allgegenwärtig spürbaren Diskriminierung, die die Südtiroler im eigenen Land zu Bürgern zweiter Klasse machte, führte dieser Aufschwung zu einer Stärkung des Selbstbewußtseins der Südtiroler. Starke psychologische Schäden mußten schrittweise behoben werden und sind teilweise bis heute noch nicht überwunden. Dazu zählt auch ein gewisser sprachlicher Minderwertigkeitskomplex im Umgang mit den Italienern, der erst langsam von der jüngeren Generation, die im Klima der "Fast-Gleichberechtigung" der deutschen und der italienischen Sprache aufwächst, abgebaut wird.

Die zentrale Grundfrage blieb jedoch trotz Paket ungelöst. Südtirol ist nach wie vor fester Bestandteil des italienischen Staatsverbandes und Tirol immer noch ein geteiltes Land. Man hat es sich mit dem Paket zwar erstmals seit 1918 im fremden Staat einigermaßen lebenswert einrichten können, mitten durch das Land zieht sich aber weiterhin diese 1919 durch den Staatsvertrag von St. Germain aufgezwungene Grenze.

Die Realität in Südtirol hatte sich zudem seit 1918 in einer besonderen Weise gewandelt. Durch eine massive Einwanderungspolitik lebt nun eine beachtliche italienische Minderheit im Land Südtirol, die 1972 beim Inkrafttreten des neuen Autonomiestatuts immerhin schon 33 Prozent der Gesamtbevölkerung ausgemacht hat – gegenüber 3 Prozent im Jahre 1918.

Anfang der achtziger Jahre veränderte sich die politische Landschaft in Südtirol nachhaltig. Eine immer stärker werdende Gruppe innerhalb der deutschen Volksgruppe brachte nach über zehn Jahren des Schweigens die Selbstbestimmungsfrage wieder aufs Tapet. Die jüngere Generation wurde mit einer ihr bisher unbekannten Möglichkeit zur Lösung der Südtirol-Frage konfrontiert.

Seit dem Freiheitskampf der sechziger Jahre war kaum mehr über das Menschenrecht der Selbstbestimmung in Südtirol selbst gesprochen worden. Die neue Diskussion fand ein auffallend gutes Echo in der Bevölkerung und ein positives Interesse vor allem bei der Jugend, die sich noch mit den letzten Regungen der neuen Linken und der Friedensbewegung auseinandersetzte.

War die Selbstbestimmungsdiskussion bis in die sechziger Jahre hinein vom Wunsch geprägt gewesen, wieder zum Vaterland Österreich zurückzukehren, so forderte nun der Wortführer des Selbstbestimmungsgedankens, der Südtiroler Heimatbund, einen Freistaat Südtirol. Diese Tatsache zeigt, wie sehr man sich in der Zwischenzeit in Tirol von Nord und Süd auch schon entfernt hatte. Dieser Umstand machte es notwendig, daß die Selbstbestimmungsbefürworter ihr Ziel einer Loslösung von Italien als Freistaat propagierten, um auch einen erhofften Anklang zu finden.

Die offizielle Politik in Südtirol hatte sich ausschließlich auf das konservierende Abschotten Richtung Süden konzentriert, gleichzeitig aber die Kontakte und Bindungen nach Österreich, durch die Kultur und Gesellschaft lebensnotwendige Impulse erhalten hätte sollen, bewußt oder unbewußt vernachlässigt und für zahlreiche Bevölkerungsgruppen überhaupt abbrechen lassen. Die aufkeimende Selbstbestimmungsdiskussion fand daher keineswegs nur Zustimmung.


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Während die italienische Öffentlichkeit gereizt reagierte, glaubte man in den Führungsgremien der Südtiroler Volkspartei darin eine Gefährdung der noch nicht abgeschlossenen Autonomieverwirklichung erkennen zu müssen. Mit der simplen Behauptung des Paketvaters Magnago, man könne nicht zweigleisig fahren, einerseits von Italien die Verwirklichung der Autonomie fordern und andererseits gleichzeitig die Anwendung des Selbstbestimmungsrechtes verlangen, versuchte die Führungsspitze der SVP, dem Seperationsgedanken entgegenzutreten.

Tatsächlich ist die Frage nicht so simpel, um sie mit einem solchen Satz beiseite schieben zu können. Ihre Wirkung verfehlte die Taktik der SVP aber nicht. Ein Teil der Selbstbestimmungsvertreter, im harmlosesten Fall als "Utopisten" betitelt, spaltete sich unter dem Druck Magnagos 1983 von der Partei ab und gründete eine eigene wahlwerbende Gruppe, die aber nur einen beschränkten Handlungsspielraum erreichte. De facto wurde damit aber die vielversprechende Selbstbestimmungsdiskussion noch im Jahre 1983 im Keim erstickt.

Die damalige Fehleinschätzung der Situation durch die SVP-Führung zeigt ihre Folgen bis zum heutigen Tag. Es wäre sinnvoll und angebracht gewesen, den Weg der Autonomieverwirklichung konsequent fortzusetzen, jedoch gleichzeitig einen grundsätzlichen Meinungsbildungsprozeß zur Südtirol-Frage und zum Selbstbestimmungsrecht in der SVP im besonderen und in der Südtiroler Gesellschaft im allgemeinen zu fördern.

Tatsächlich verhärteten sich die Fronten so weit, daß die Autonomiebefürworter und die Selbstbestimmungsbefürworter in der jeweilig anderen Seite den größten Widersacher sahen. Die Auseinandersetzung birgt seither tatsächlich die Symptome eines Bruderstreits um den besseren politischen Weg für die Volksgruppe.

Mit schuld an der Fehleinschätzung der damaligen SVP-Führung war die von den Selbstbestimmungsbefürwortern befürchtete und kritisierte Fehlinterpretation des Paketbeschlusses von 1969. Der von der Mehrheit der SVP 1969 gefaßte Beschluß, daß das Paket nur eine Übergangslösung sei, daß unter den damaligen Voraussetzungen kein besseres Verhandlungsergebnis möglich gewesen sei, trat nach 1972 immer mehr in den Hintergrund und wurde schließlich überhaupt vergessen.

Das Paket hingegen galt immer mehr als der Weisheit letzter Schluß und wurde damit von einer Übergangslösung immer mehr zur Endlösung in der Südtirol-Frage. Mahnend gegen diese Fehlinterpretation des Parteitagsbeschlusses von 1969 aufzutreten, wurde in den achtziger Jahren innerhalb der Südtiroler Volkspartei immer schwieriger.

In Österreich selbst lehnten die beiden großen Parteien SPÖ und ÖVP in Verbundenheit mit der Südtiroler Volkspartei die Selbstbestimmungsforderung ab. Jene Politiker in den Großparteien, die dennoch diese Forderung unterstützten, konnten sich allerdings aus verständlichen Gründen kaum für den damals vom Südtiroler Heimatbund vertretenen Freiheitsgedanken erwärmen.

Parallel zur aufkeimenden Selbstbestimmungsdiskussion fand aber noch eine zweite Entwicklung statt, die vielleicht noch stärker zur Veränderung der politischen Landschaft beitrug, die Radikalisierung der italienischen Volksgruppe nämlich.

Zu Beginn der achtziger Jahre wurden die Folgen des neuen Autonomiestatutes vor allem für die italienische Bevölkerung spürbar. Die erreichte Gerechtigkeit bei der Vergabe von öffentlichen Stellen und Sozialwohnungen sowie die amtliche Zweisprachigkeitspflicht wurden von den Italienern als spürbarer Verlust ihrer seit Jahrzehnten errichteten Privilegien empfunden. Konnten sie bis in die siebziger Jahre hinein als Bürger erster Klasse über fast 100 Prozent der öffentlichen Stellen und der Sozialwohnungen verfügen, wurde nun der italienischen Volksgruppe nur mehr ein ihrer tatsächlichen Stärke entsprechender Anteil zugewiesen. Weigerten sie sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bis weit in die siebziger Jahre hinein, Deutsch zu lernen, waren sie nun zum Erwerb einer öffentlichen Stelle gezwungen, auch Deutsch zu beherrschen.

Aus dem Gefühl heraus, nur allzu bequeme Privilegien zu verlieren, entwickelte sich ein Protestpotential, das von fast allen italienischen Parteien provoziert und geschürt wurde. Die Folge war


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nicht nur eine weitverbreitete Ablehnung der Autonomie durch die Italiener, sondern auch das Erstarken der neofaschistischen Partei MSI in Südtirol. Die nationalistischen Töne der demokratischen italienischen Parteien trieben die Wähler den Neofaschisten geradezu in die Hände. Der MSI wurde schließlich bei den Landtagswahlen vom 20. November 1988 zur stärksten italienischen Partei und konnte beinahe 35 Prozent der italienischen Wählerstimmen erringen. Begleitet wurde der rasante Aufstieg der Neofaschisten von einer bis heute ungeklärten und höchst mysteriösen Attentatswelle zwischen 1986 und 1988.

Die Radikalisierung der Italiener und die Attentate, die einen zu offensichtlichen – unter Anführungszeichen – "Südtiroler" Stempel trugen, zwangen die Südtiroler auf die Anklagebank der italienischen Medien und Öffentlichkeit. Die SVP hat unter diesem Druck 1988 politische Zugeständnisse gemacht und Kompromisse im Zuge der Paketverwirklichung akzeptiert, die sich heute teilweise als verhängnisvolle Fehler erweisen.

1989 war schließlich jeder innerparteiliche Dialog über die Zukunft des Landes oder die Nachpaketzeit vertrocknet. Das Paket wurde öffentlich zum erstrebten Endpunkt erklärt. Doch genau zu diesem Zeitpunkt vollzog sich eine historische Wende weltgeschichtlichen Ausmaßes. Im Herbst 1989 begann in den Staaten des Ostblocks die Revolution für Frieden, Demokratie und Menschenrechte. Für Südtirol ergaben sich daraus weitreichende Folgen, denn diese Welle des Umbruches veränderte die Landkarte Europas. Daß der Eiserne Vorhang einmal fallen, der kalte Krieg zu Ende gehen, das Selbstbestimmungsrecht sich durchsetzen und neue staatliche Einheiten entstehen würden, haben in Westeuropa nur noch Unverbesserliche zu hoffen gewagt. Und nun vollzog sich das Unmögliche!

Auf Südtirol mußte vor allem der Fall der Berliner Mauer und die Wiedervereinigung Deutschlands einen einschneidenden Eindruck hinterlassen. Diese Wiedervereinigung fand daher auch große Sympathien in Land. Die Zusammenhänge zwischen dem geteilten Deutschland einerseits und dem geteilten Tirol andererseits herzustellen, war nicht mehr schwierig. Sie lagen auf der Hand. Waren es in Deutschland nicht auch nur Utopisten gewesen, die vor dem Herbst 1989 auf die Wiedervereinigung gehofft hatten, wie in Südtirol die Utopisten die Landeseinheit Tirols gefordert hatten?

Diese aktuelle Diskussion zur Südtirol-Frage, die eben in diesem Jahr 1989 begann und 1991 ihren einstweiligen Höhepunkt erreichte – am 15. September 1991 fand am Brenner eine große Veranstaltung von Nord- und Südtirolern unter dem Motto "Nachdenken über Tirol" statt –, ebbte 1992 allerdings wieder ab und versiegte nach dem durch die SVP erfolgten Paketabschluß im Juni 1992 fast zur Gänze.

Durch den Paketabschluß lief für die Südtiroler Volkspartei jenes politische Ziel aus, das sie seit 1969 beschäftigte und das sie als Sammelpartei zusammenhielt. Das Wegfallen eines konkreten Zieles stürzte die SVP in ein politisches Vakuum, aus dem sie sich bis heute mangels neuer Zukunftsperspektiven nicht befreien konnte. Allerdings erwiesen sich auch die von Teilen der SVP 1991 vorgebrachten neuen Vorschläge zur Weiterentwicklung der Südtirol-Frage als Seifenblasen, die einmal mehr nur einer Vertröstung dienen sollten.

Die Ereignisse von 1991 haben gezeigt, daß die SVP – ebenso wie die in Nordtirol regierende ÖVP – unter dem Druck einer entschlossenen Gruppe von Selbstbestimmungsbefürwortern in Panik versetzt werden konnte. Im Herbst 1991 scheiterte jedoch der letzte Versuch auf der Landesversammlung, einen schlampigen Paketabschluß durch Magnago und Riz zu verhindern. Eine Abstimmungsniederlage für SVP-Obmann Riz lag in der Luft und konnte nur durch die Überredungskunst von Altobmann Magnago in letzter Sekunde abgewendet werden. Mit einem denkbar knappen Abstimmungsergebnis – ähnlich wie 1969 – erhielten die Selbstbestimmungsgegner Riz und Magnago grünes Licht für einen bedenklichen Paketabschluß, der schließlich im Juni 1992 erfolgte.

Unter den Gegnern dieser Preisgabe Südtiroler Rechte machte sich Resignation breit. Während sich ein Teil dem Mehrheitsvotum fügte, verließ der jüngere Teil die Südtiroler Volkspartei, die keine politische Heimat mehr sein konnte. Aus dieser Gruppe junger Aktivisten entstand im


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Herbst 1992 auch eine neue Partei in Südtirol, eine neue Partei mit dem Namen "Die Freiheitlichen".

In der politischen Diskussion wurde seit 1991 auch von der Führung der Südtiroler Volkspartei die Forderung nach einer Europaregion Tirol erhoben. Bis heute wurde dieser Begriff noch nicht mit Inhalt gefüllt. Es werden daher ganz unterschiedliche Vorstellungen damit verknüpft. Die SVP vermeidet es geflissentlich, eine politische Einheit zu fördern, und beschränkt sich – allen voran der seit 1989 amtierende Südtiroler Landeshauptmann Durnwalder – auf die Förderung einer verstärkten wirtschaftlichen, kulturellen und verkehrspolitischen Zusammenarbeit der Tiroler Landesteile.

Darin zeigt sich deutlich das politische Vakuum, in das die SVP nach dem Paketabschluß gestürzt ist. Ihr fehlt die Kraft und die Fähigkeit, ein neues politisches Ziel im Interesse Tirols und des Tiroler Volkes zu formulieren. Es wurde nach dem Abtritt von Magnago und Riz zwar ein biologischer, jedoch kein politischer Generationswechsel in der SVP vollzogen. Die jüngeren Politiker haben Angst vor der eigenen Courage, schließlich sind sie in der Ära Magnago politisch geformt worden. Ihnen wurde das Credo Magnagos von der Unmöglichkeit, das Selbstbestimmungsrecht durchzusetzen, eingeimpft. Allerdings hat Magnago seinem Nachwuchs keine Ratschläge für eine Zeit nach dem Paketabschluß auf den Weg mitgegeben. Daraus resultiert die Unfähigkeit, zu neuen Ufern aufzubrechen.

Bei den Südtiroler Landtagswahlen vom November 1993 fand in der italienischen Sprachgruppe eine weitere Verschiebung nach rechts statt. Von den zehn italienischen Landtagsabgeordneten gehören sechs dem rechten Spektrum an. Damit könnte dieser Block gemäß Autonomiestatut zum Schutz der Italiener eine Reihe von wichtigen Entscheidungen blockieren und dadurch den Landtag lahmlegen. Zudem war die SVP durch das Wahlergebnis gezwungen, die Reformkommunisten und die Grün-Alternativen in die Mehrheit und in die Regierung miteinzubinden.

Ein neuer Aspekt jedoch könnte die Südtirol-Frage wieder neu beleben und aufwerfen, nämlich der EU-Beitritt Österreichs. Zunächst ist Südtirol unter die Räder gekommen. Die von Südtiroler Seite geforderte und in Österreich allein von uns Freiheitlichen vertretene Verankerung der Südtiroler Autonomie im Beitrittsvertrag wurde von der österreichischen Koalitionsregierung fallengelassen. Für die im Eiltempo geführten Verhandlungen hätte diese Südtirol betreffende Forderung nur zu einer – vielleicht so empfundenen – lästigen Verzögerung geführt.

Dennoch kann der EU-Beitritt Österreichs ein Impuls für das geteilte Land Tirol werden. Die EU-Volksabstimmung hat in Nordtirol eine intensive Diskussion ausgelöst – bei Befürwortern wie Gegnern. Dabei geht es in erster Linie um die Frage, welche Rolle das Bundesland Tirol innerhalb der EU spielen wird, ob die spezifischen Landesinteressen weiter Berücksichtigung finden, welche wirtschaftlichen Veränderungen bevorstehen, ob der Landescharakter erhalten bleiben wird und vieles mehr.

Da Südtirol auch der EU angehört und sich verstärkt gleiche oder ähnliche Fragestellungen ergeben, gibt es in beiden Landesteilen nur noch Betroffene und Beteiligte. Bisher waren die Südtiroler Betroffene und die Nordtiroler mangels Interesse vielfach Unbeteiligte, was sich negativ auf die Umsetzung der Landeseinheit auswirkte. Jetzt stehen Nord- und Südtiroler vor gleichen Fragestellungen und müssen irgendwo auch ihre Antworten suchen. Damit wurde 1995 aus der Südtirol-Frage endlich eine Tirolfrage.

Viele aber erkennen die Entwicklung noch nicht und versuchen wie bereits in den letzten Jahren, jede grenzüberschreitende Diskussion, die sich nicht nur auf eine wirtschaftlich-kulturelle Ebene beschränkt, zu minimieren. Daher wird der EU-Beitritt Österreichs von den Status-quo-Politikern diesseits wie jenseits des Brenners in oft bewußt falscher Einschätzung gerne mit einer völligen Abschaffung der Brennergrenze verwechselt. Im gleichen Atemzug erklären die Vertreter dieses Standpunktes, daß damit die Anrufung des Selbstbestimmungsrechtes ohnehin überflüssig würde.

Einer solchen Behauptung muß natürlich mit Entschiedenheit widersprochen werden, da sie keineswegs den Tatsachen entspricht. Trotz der Überwindung mancher Barrieren bleiben die Ver


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waltungsgrenzen weiterhin bestehen, ist Südtirol ein Teil des italienischen Staates. Wer heute behauptet, daß sich die Südtirol-Frage durch den EU-Beitritt Österreichs von alleine regelt, betrügt sich selbst und wahrscheinlich auch andere.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der EU-Beitritt Österreichs erfordert eine Neudefinierung der Rolle, die Tirol in Zukunft einnehmen will, und diese Frage stellt sich Südtirol genauso wie Nordtirol. Gemeinsam hat Tirol rund 20 000 Quadratkilometer Fläche – ist also größer als das Bundesland Niederösterreich – und über 1 Million Einwohner. Gemeinsam wird sich Tirol in diesem Europa besser behaupten können, als wenn die einzelnen Landesteile getrennt marschieren.

Wir Freiheitlichen können uns als erste Gesamttiroler Partei bezeichnen, denn wir haben auch den Obmann der Südtiroler Freiheitlichen mit Sitz und Stimme in unseren Landesvorstand aufgenommen und damit einen zukunftsweisenden Schritt gesetzt, mit dem wir allen anderen politischen Gruppen, die nach wie vor dem Partikularismus anhängen, voraus sind.

Die Europaregion Tirol stellt die Zukunft unseres Landes dar. Sie muß durch eine breite Diskussion unter Einbeziehung aller Bevölkerungsgruppen vorbereitet und schließlich durch das Selbstbestimmungsrecht verwirklicht werden. Es eröffnet sich in den kommenden Jahren eine große Chance für unser Land, und diese Chance sollten wir alle in Tirol – im Süden und im Norden – nützen.

Meine Damen und Herren! Der hier vorliegende Südtirol-Bericht ist lediglich ein knapper und oberflächlicher Abriß der jüngeren Geschichte beziehungsweise eine dürre Darstellung der gegenwärtigen Situation. Er bestätigt die von mir kritisierte Haltung der Standpunktlosigkeit. Ich vermisse in dem Bericht jegliche Vision, jegliche Zielsetzung für die Zukunft, jegliche Maßnahme konkreter Art, die ein Zusammenwachsen des Landes auch im Rahmen der Europaregion ermöglichen würden.

Schlußendlich lese ich in diesem Bericht kein Wort über eine Menschenrechtsverletzung an der innertirolischen Grenze, wie sie in ganz Mitteleuropa beispiellos ist. Am 14. August 1994 wurde am Timmelsjoch Frau Karola Unterkircher von italienischen Agenten gekidnappt und nach Italien verschleppt, wo sie seither – also über zwei Jahre – in Kerkerhaft gehalten wird. Meine Damen und Herren! Dieser unwürdige Zustand, der jedem Menschenrecht zuwiderläuft, darf nicht unausgesprochen bleiben. Wenn es schon der Herr Bundesminister nicht für nötig hält, diesen Menschenrechtsskandal in seinem Bericht anzusprechen, so nehme ich hier und heute die Gelegenheit wahr, Sie, meine Damen und Herren, darüber zu informieren.

Solange eine österreichische Staatsbürgerin wegen dubioser Vorhaltungen und nach einer eindeutig rechtswidrig durchgeführten Verhaftung – ich bezeichne diese eben als Kidnapping – in einem italienischen Kerker festgehalten wird, so lange kann man nicht zur Tagesordnung übergehen. Ich fordere Sie daher auf, Herr Bundesminister, sich in dieser Angelegenheit eindeutig zu deklarieren und sich für eine sofortige Freilassung von Karola Unterkircher einzusetzen. Sie dürfen nicht zulassen, daß die Menschenrechte auf dem Altar der EU-Harmonie geopfert werden.

Wir Freiheitlichen werden jedenfalls diesem Bericht unsere Zustimmung nicht erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.53

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Irene Crepaz.

Ich möchte die Frau Bundesrätin darauf aufmerksam machen, daß ich sie um 16 Uhr zum Aufruf der dringlichen Anfrage – contre cœur – unterbrechen muß. – Das Wort hat Frau Bundesrätin Crepaz.

15.53

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Danke, Herr Präsident.


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Herr Bundesminister! Auch ich möchte einleitend den geschichtlichen Rückblick des Berichtes des Außenministers betreffend Südtirol kritisieren, denn er beginnt erst im Jahre 1945. Die Gründe und Ursachen, warum wir uns jedes Jahr an dieser Stelle ausführlich über das Problem Südtirol unterhalten, liegen aber in den Jahren 1918 und 1919. Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn das Außenministerium seinen geschichtlichen Rückblick mit dem Ende des Ersten Weltkrieges beginnen würde – auch im Hinblick auf jene Kolleginnen und Kollegen, die von dem Tiroler Problem Südtirol nicht allzuviel wissen, und vor allem im Hinblick auf die Fehler, die in bezug auf Südtirol vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges gemacht wurden. Es sind diese Fehler, die bis heute nachwirken, die bis heute bei vielen Nord-, Ost- und Südtirolern eine gewissen Unversöhnlichkeit verursachen. Diese Fehler werden nicht ungeschehen gemacht, indem man sie verschweigt.

Die Ursachen für die Staatsgrenze durch das Land Tirol liegen zum einen in dem für die österreich-ungarische Monarchie unrühmlichen Ausgang des Ersten Weltkrieges, zum anderen im Ausgang der Friedenskonferenz von Paris. Dort wurde den Italienern Tirol bis zum Reschenpaß und zum Brenner von den Vereinigten Staaten, Frankreich und dem Vereinigten Königreich als Kriegsbeute zugesprochen. Die gezogene Grenze war eine Unrechtsgrenze, eine Grenze, die klar der von den Amerikanern deklarierten Wilson-Doktrin mit ihrem Selbstbestimmungsrecht der Völker widersprach.

Die Folgen der Kolonialpolitik des italienischen Faschismus südlich des Brenners – Deutsch als Muttersprache wurde verboten, desgleichen die Verwendung deutscher Vornamen und Ortsnamen – sind bis heute noch zu spüren. Mussolini und Hitler stellten die Südtiroler vor die Option, sich als italienische Staatsbürger zu bekennen oder auszuwandern. – All dies waren für die deutschsprachige Bevölkerung Südtirols zum Teil dramatische Erlebnisse.

Die Tiroler Hoffnungen, die unsinnige Brennergrenze könnte nach dem Zweiten Weltkrieg korrigiert werden, erfüllten sich nicht. Italien gehörte seit 1943 wieder zu den Siegermächten. Von einer freiwilligen Rückgabe war und ist keine Rede. Was zustande kam, war das Gruber-De Gasperi-Abkommen. Dies bescherte den Südtirolern zwar nicht das Selbstbestimmungsrecht, aber es war der Grundstein für die spätere Autonomie im Rahmen einer mehrsprachigen Region. – Aber das alles können Sie ja wieder im Bericht des Außenministers nachlesen.

Wir können historische Ereignisse und Konstellationen nicht ungeschehen machen, wir dürfen uns mit ihren Auswirkungen aber nicht einfach abfinden. Gerade die besondere Situation der dreisprachigen Region Tirol bietet genügend Herausforderungen und Probleme, deren Bewältigung beispielgebend für das Zusammenleben der europäischen Völker sein kann. Auch wir in Österreich können im Umgang mit Minderheiten noch einiges lernen: Ich erinnere nur an die Probleme mit den zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten und die Ghettoisierung von ethnischen Minderheiten im Burgenland.

Da ist zum einen das Problem der Zwei- beziehungsweise Mehrsprachigkeit in Südtirol. Im gesamten öffentlichen Dienst in Südtirol besteht Zweisprachigkeit, wobei die Zweisprachigkeit zunehmend zum Problem für die italienische Bevölkerung wird. Heute ist die Frage der Deutschkenntnisse der Italiener in Südtirol für diese eine Existenzfrage. Wer nicht die beiden gängigsten Landessprachen beherrscht, muß abwandern, oder er befindet sich in einer Ghettosituation, die ihn radikalisiert und auch isoliert.

Die zunehmende Radikalisierung der italienischen Bevölkerung, die ihren Ausdruck auch in den Erfolgen der italienischen Neufaschisten bei den diversen Wahlen findet, ist ein gefährlicher Sprengsatz für das friedliche Zusammenleben in Südtirol-Trentino. Nur die Mehrsprachigkeit kann helfen, die unsichtbaren Grenzen des Alltags zwischen den Volksgruppen zu beseitigen. (Präsident Pfeifer übernimmt den Vorsitz.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine der Ideen, die versucht, die Brennergrenze weniger sichtbar zu machen, ist die Europaregion Tirol. Hinter diesem im politischen Diskurs vielstrapazierten Wort verbirgt sich noch recht wenig. Das Bundesland Tirol, Südtirol und Trentino suchen neue Wege der Zusammenarbeit, vor allem auch auf europäischer Ebene. Eines der


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sichtbarsten Zeichen der Europaregion Tirol ist das Tirol-Büro in Brüssel, das zum Großteil von den drei regionalen Wirtschaftskammern getragen wird. Soweit es sich bis jetzt beurteilen läßt, dürfte der wirtschaftliche Wert dieses Tirol-Büros relativ gering sein, es muß jedoch beträchtlichen symbolischen Wert besitzen, denn die Eröffnung des Büros wurde von italienischer Seite heftigst kritisiert. Die damalige italienische Außenministerin sah in dem Büro eine illegale diplomatische Vertretung eines wiedervereinten Tirols, wobei sich – wie ich mich selbst überzeugen konnte – einige lokale Politiker bei der Eröffnung recht ungeschickt benommen haben.

Die Institution, die die Brennergrenze bis zu einem hohen Grad beseitigen kann, ist die Europäische Union. Der Beitritt Österreichs zur EU ist für den Abbau der noch immer trennenden Grenze von unschätzbarer Bedeutung. Der Beitritt Italiens zum Schengener Abkommen wird die Grenze noch niederschwelliger erscheinen lassen. Deshalb ist aus Gesamttiroler Sicht dieser Beitritt nur zu begrüßen. Die Befürchtung, daß Italien nicht in der Lage sein wird, seine EU-Außengrenzen entsprechend zu kontrollieren, teile ich nicht. Ich sehe im Schengener Abkommen eine große Chance für Tirol.

Die mehr als 75jährige Trennung der Tiroler Landesteile wird von vielen noch als schmerzhaft empfunden. Man darf aber nicht vergessen, daß in den letzten Jahrzehnten gerade in Südtirol Grundlagen geschaffen wurden, die ein friedliches, gleichberechtigtes Zusammenleben der Volksgruppen in einem gemeinsamen Wohlstand ermöglichen. Das, was erreicht wurde, muß zum einen abgesichert, zum anderen ausgebaut werden. Es geht nicht an, daß die Errungenschaften von den instabilen politischen Verhältnissen in Italien gefährdet werden oder vom Wohlwollen der jeweiligen italienischen Regierung abhängig sind.

Ich glaube auch, daß manches Symbol der schmerzlichen Geschichte Südtirols keinen Platz in der Gegenwart besitzen sollte. Ich bin gegen die Existenz des faschistischen Siegesdenkmals inmitten von Bozen (Beifall bei Bundesräten der SPÖ und bei den Freiheitlichen), und ich verstehe auch nicht, warum die derzeitige Mitte-Links-Regierung Italiens noch immer Kranzniederlegungen durch das italienische Militär durchführen läßt. Das Denkmal und die Kranzniederlegungen sind eine ständige Provokation der deutschsprachigen Südtiroler.

Gleichzeitig verstehe ich auch nicht die derzeitige Diskussion um die öffentliche Aufstellung der sogenannten "Tiroler Dornenkrone" in Innsbruck. Diese Dornenkrone ist nun einmal für viele – nicht nur Italiener – ein Symbol des Tiroler Revanchismus. Auch sie verdient keine öffentliche Aufstellung, außer man will den italienischen Staat bewußt provozieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Chance, wirtschaftlich zusammenzuarbeiten, kulturell und menschlich wieder zusammenzuwachsen, erfordert eine vernünftige Politik, damit in allen Landesteilen dieser Europaregion ein friedliches Zusammenleben ermöglicht wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)


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16.01

Präsident Josef Pfeifer: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Peter Kapral, Mag. Dieter Langer, Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Bedrohung der Sicherheit der Wiener und der Bevölkerung anderer österreichischer Städte (1234/J-BR/96)

Präsident Josef Pfeifer: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Dr. Kapral, Mag. Langer, Dr. Riess-Passer, Dr. Tremmel und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Ihnen, Herr Bundesrat Dr. Kapral, als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort.

16.01

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich bedaure es an sich, daß wir uns heute im Rahmen einer dringlichen Anfrage mit dem Thema Sicherheit in Wien und in anderen Städten Österreichs befassen müssen, und zwar nicht aufgrund der Tatsache, daß überhaupt eine dringliche Anfrage zur Diskussion steht, sondern daß ich gehofft habe, daß dieses Thema nicht aktuell sein wird.

Dieses Thema wurde nicht nur von den Freiheitlichen, sondern auch von Vertretern, Politikern, die der Volkspartei, die den Sozialdemokraten nahestehen, nicht zuletzt auch vom Wiener Bürgermeister Häupl in den letzten Wochen und Tagen stark thematisiert und behandelt.

Bedauern ist darin zu suchen, daß ein Thema behandelt wird, in dem sich wie in einem Zerrspiegel ein negatives Bild der Politik zeigt. Vor dem 13. Oktober, dem Tag der Wiener Landtagswahl, also im Wahlkampf, spielte das Sicherheitsthema eine wesentliche Rolle. Es wurde nicht nur von den Freiheitlichen thematisiert, sondern auch vom sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Häupl. Es wurde von allen Angesprochenen in Abrede gestellt, daß überhaupt irgend etwas beabsichtigt sei, was das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, der Bürger und Bürgerinnen gefährden könnte.

Es wurde ein heiles Bild gezeichnet. Man sagte, es werde bei der Präsenz der Polizei im Straßenbild, bei den Patrouillengängen, beim Außendienst und so weiter bleiben. Es sei genügend Personal vorhanden, es werde letztendlich keine Veränderungen geben.

Kaum sind die Wiener Landtagswahlen vorbei, zeigt sich, was von uns Freiheitlichen immer wieder festgestellt wurde, was wir vorausgesehen haben, nämlich daß dem nicht so ist.

Ich darf auf eine Anfrage zu sprechen kommen, die wir Freiheitlichen schon vor längerer Zeit eingebracht haben und die sich mit der Aufnahme von Polizeischülern befaßte, der ganz eindeutig zu entnehmen war, auch der Beantwortung, daß sich in einem absehbaren Zeitraum, nämlich bis dieser Jahrgang in den Polizeidienst übernommen wird, eine Lücke ergeben werde, weil eben für diesen Jahrgang niemand aufgenommen wurde.

Die Front der Ablehnung der nun in breiter Öffentlichkeit diskutierten Maßnahmen ist, wie gesagt, nicht parteipolitisch geprägt, sondern sie geht quer durch die Parteienlandschaft.

Die größte Gefahr sehe ich aber in der dadurch entstandenen Unruhe und in der Ungewißheit. Diese Ungewißheit hat bei gewissen Politikern in den Wiener Bezirken eine Profilierungsneurose ausgelöst, die sie dazu veranlaßt, sich nach außenhin als diejenigen zu gebärden, die schon längst alles, was ihren Bezirk anlangt, unter Dach und Fach gebracht haben – es werde alles so bleiben, wie es ist –, aber letztlich natürlich eine Gesamtlösung gefährden. Zweifelsohne wird auch hier in der Beantwortung die Kriminalstatistik wieder eine Rolle spielen. Ich nehme vorweg, daß im ersten Halbjahr, jedenfalls was Wien anlangt, ein Rückgang der Straftaten um 8 Prozent ausgewiesen wird. Es stellt sich aber die Frage, ob diese Kriminalstatistik wirklich für alle Vorfälle repräsentativ ist, weil sich in der Bevölkerung doch schon eine gewisse Resignation breitgemacht hat, womit gar kein Werturteil über die Polizeiarbeit verbunden ist. Aber die Aufklärung ist aufgrund geänderter Verhältnisse – Bandenkriminalität, internationales Verbrecherunwesen und so weiter – schwieriger geworden. Die Aufklärungsquote ist geringer, geht zurück, und das führt natürlich dazu, daß möglicherweise nicht alle Straftaten auch tatsächlich angezeigt werden.

Ich habe hier schon einmal davon gesprochen, daß es das subjektive Gefühl der Bevölkerung ist, das den Eindruck, es werde genügend für die öffentliche Sicherheit getan, prägt. Und zu diesem subjektiven Gefühl der Bevölkerung gehört eine starke Präsenz der Polizei auch auf der Straße, im Straßenbild der Städte. Vor allem bei den älteren Mitbürgern steht dies im Vordergrund, was ihnen ein Gefühl der Sicherheit suggeriert.


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Herr Bundesminister, aber auch meine Damen und Herren Bundesräte von den Sozialdemokraten! Ich nehme an, daß Ihnen dieser Personenkreis besonders nahesteht und daß Sie für diesen Personenkreis großes Verständnis haben.

Ich darf auf einige Überschriften von Zeitungsmeldungen der letzten Tage zu sprechen kommen. So war am 31. Oktober im "Kurier" von einem "Polizeipallawatsch" zu lesen. Am 1. November hat der "Kurier" geschrieben "Werden Kommissariate nun ebenfalls aufgelöst?" Die "Presse" betitelte am 2. November einen Kommentar mit der Überschrift "Polizei im Machtvakuum". "Kronen Zeitung" vom 8. November: "Weiter Hickhack um Wiener Wachzimmer". "Kurier" vom 9. November: "Wie man es nicht macht". "Kurier" vom 11. November: "Nun hat auch die Grazer Sicherheitswache Ärger". 13. November: "Wachzimmerverwirrung".

Einen Kommentar möchte ich besonders hervorheben und daraus zitieren, nämlich jenen in der "Kronen Zeitung" vom 7. November, weil ich der Ansicht bin, daß darin sehr gut die Meinung breiter Kreise der Bevölkerung wiedergegeben wird. Ich zitiere:

"Natürlich: Heute braucht die Exekutive nicht so viele Stützpunkte, weil sie ja motorisiert zu Hilfe eilt und man sie per Funk alarmieren und dirigieren kann. Trotzdem verlangt die Bevölkerung die Präsenz der Exekutive auch im Nicht-Alarmfall. Als Fußstreife im Rayon, als Teil des Straßenbildes, als ,Sicherheitswache’, wie sie ja heißt. Und ebenso in Wachzimmern und Posten, Anlaufstellen für Bürger, die Auskunft brauchen, Hilfe oder etwas melden wollen.

Herr Einem, treiben Sie’s nicht zu arg! Sonst könnte der Ruf laut werden, statt unseren Wachzimmern lieber Ihr Ministerzimmer zuzusperren. Letzteres würde ich begrüßen, stets im Dienste der Menschlichkeit."

Die Konzeptlosigkeit, die sich in der österreichischen Sicherheitspolitik breitmacht, zeigt sich auch in folgendem Umstand. Allfällige Zusammenlegungen und Schließungen von Wachzimmern führen erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt tatsächlich – bitte das unter Anführungszeichen zu verstehen – zu einem "Rationalisierungseffekt". Vorerst schaffen solche Maßnahmen eine Art Personalreserve an Wachzimmerkommandanten, die kaum die Präsenz der Sicherheitswache auf der Straße verstärken. In Wirklichkeit geht es bei all diesen Maßnahmen – auch wenn das immer wieder geleugnet wird – um die Einsparung von Dienstposten, das heißt von Planstellen.

Herr Minister Einem! Sie haben ja selbst in einer Anfragebeantwortung vom 31. Juli auf eine Anfrage der Nationalratsabgeordneten Lafer und Kollegen im Nationalrat geantwortet, daß es eine Vorgabe in den Bundesfinanzgesetzen für die Jahre 1996 und 1997 für die Gruppe Bundespolizei gibt, insgesamt 518 Planstellen einzusparen. Entgegen allen Politikerzusagen, daß es Bereiche gibt, in denen im Zuge der Diskussion über das gesamte Einsparungspaket keine Personaleinsparungen vorgesehen sind, werden sehr wohl auch im Sicherheitsbereich Planstellen gestrichen.

Der Innenminister ist anscheinend nicht in der Lage, durch organisatorische Änderungen und entsprechende Einsparungen im Innendienst diese Vorgaben, diese Auflagen auch zu erfüllen, sondern er muß zu Maßnahmen greifen, die das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beeinträchtigen.

Ich darf auf eine Aussage des Wiener Bürgermeisters, die nach dem Wahltag in der an alle Haushalte zur Verteilung gelangten Zeitschrift "Unser Wien" abgedruckt ist, zu sprechen kommen, in der es heißt: "Bürgermeister Dr. Michael Häupl: Sparen ja, aber nicht auf Kosten unserer Sicherheit."

Dr. Häupl gibt damit nicht nur indirekt zu, daß die derzeitigen Pläne zur Einsparung im Sicherheitsbereich zu Lasten der Sicherheit vor allem der Wiener Bevölkerung gehen, sondern es wird sich auch zeigen, wie weit der Innenminister den Wiener Bürgermeister im Regen stehen läßt.

Was mich auch – das möchte ich abschließend noch sagen – mit einigem Befremden erfüllt, ist die Tatsache, daß all diese Überlegungen, Pläne und Reorganisationsmaßnahmen eigentlich


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unter Ausschluß der Betroffenen vorbereitet und geplant werden und daß der Kontakt zwischen der Spitze im Ministerium und den Betroffenen im Sicherheitsbereich – sei es die Sicherheitswache, sei es die Gendarmerie –, wie aus verschiedensten Anzeichen hervorgeht, nicht wirklich funktioniert, sondern es wird von den Betroffenen immer häufiger Klage darüber geführt, daß sie erst durch die Zeitungen selbst darüber informiert werden, was tatsächlich geschehen soll.

Herr Minister! Sie haben heute hier Gelegenheit, uns Ihre Vorstellungen über die Sicherheitspolitik, das Sicherheitskonzept darzulegen. Wir werden sehr genau darauf achten, wie dann in der Praxis tatsächlich gehandelt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.16

Präsident Josef Pfeifer: Zur Beantwortung hat sich Herr Bundesminister für Inneres Dr. Einem zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

16.16

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich darf vor Eingang in die Behandlung der dringlichen Anfrage eine kurze Anmerkung zu einem Vorfall machen, der allenfalls meine Anwesenheit an anderem Ort erforderlich machen kann.

Heute vormittag um 9.50 Uhr kam es in der Strafvollzugsanstalt Graz-Karlau zu einer Geiselnahme an drei Frauen, begangen durch drei Häftlinge dieser Strafvollzugsanstalt. Die Geiselnehmer haben ein Ultimatum gestellt. Es finden Verhandlungen statt. Es wird alles Menschenmögliche unternommen, um das Leben der Geiseln und sonstiger unbeteiligter Personen zu schützen beziehungsweise zu retten.

Ich bitte daher um Verständnis, wenn ich Sie ersuche, die Verhandlungen in allenfalls möglicher Kürze durchzuführen, weil ich mich verpflichtet fühle, auch den Beamten meines Ressorts in dieser Phase zur Verfügung zu stehen.

Ich komme nunmehr zur Beantwortung der an mich gerichteten Fragen.

Eingangs sehe ich mich verpflichtet, den in der vorliegenden dringlichen Anfrage enthaltenen Vorwurf, daß der Bundesminister für Inneres und Polizeipräsident Stiedl einen – unter Anführungszeichen – "Anschlag auf die Sicherheit Wiens planen", mit Entschiedenheit zurückzuweisen.

Was die Sache selbst betrifft, so muß festgehalten werden, daß auch die Struktur der Exekutive den jeweiligen Verhältnissen und Rahmenbedingungen angepaßt werden muß. Mein Bemühen ist insbesondere darauf gerichtet, die Qualität des Sicherheitsdienstes aufrechtzuerhalten und mit den vorhandenen Mitteln ein Optimum an Exekutivdienst zu gewährleisten. Naturgemäß führt dies zur Prüfung und erforderlichenfalls Anpassung interner Gepflogenheiten und Strukturen. Diese Maßnahmen sind mit dem Freisetzen von Innendienstkapazitäten für den Außendienst verbunden und somit durch die verbesserte Möglichkeit zu präventivem Tätigwerden weit eher geeignet, Sicherheit zu vermitteln, als Wartedienste auf der Dienststelle zur Entgegennahme von Anzeigen über bereits im Gang befindliche oder überhaupt schon abgelaufene Vorfälle.

Herr Bundesrat Dr. Kapral! Zur Behauptung, es entstünde bloß eine Personalreserve an ehemaligen Wachkommandanten, ist zu bemerken, daß die Strukturmaßnahmen deshalb durchaus einen Einsparungseffekt zeitigen, weil wir uns weitgehend verpflichtet haben, natürlichen Abgang nicht zu ersetzen. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß eher ältere Beamte in Pension gehen und daß diese im Laufe ihrer Karriere gelegentlich auch schon bis zum Wachkommandanten vorgedrungen sind. Eine Personalreserve an Wachkommandanten ist daher nicht zu erwarten.

Darüber hinaus steht fest, daß, wie bei der Bundesgendarmerie bereits erfolgt, auch bei der Bundespolizei Strukturmaßnahmen unerläßlich sind. Ich habe daher den Auftrag erteilt, daß bei allen Bundespolizeidirektionen die innerbetriebliche Struktur durchleuchtet und entsprechende Reformen beziehungsweise Strukturkonzepte zu erarbeiten sind. Hauptziel dieser Bemühungen


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ist es, die Außendienstpräsenz zu erhöhen und damit auch dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung Rechnung zu tragen.

Diese Maßnahmen dürfen naturgemäß nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind vielmehr in Verbindung mit einer Vielzahl begleitender Maßnahmen wie insbesondere Einbringung von Novellierungsinitiativen bezüglich verschiedenster Rechtsvorschriften, Strukturbereinigungen im organisatorischen Bereich, rationellere Gestaltung von Arbeitsabläufen, ständige Überprüfung des optimalen Einsatzes der personellen Ressourcen, Forcierung der technischen Ausrüstung auf den Gebieten der Kriminaltechnik und Fahndung, der EDV, dem Kfz- und Fernmeldesektor sowie Verbesserung der baulichen Infrastruktur zu setzen.

Weiters möchte ich ausdrücklich betonen, daß die von den einzelnen Behörden vorzulegenden Strukturkonzepte im Zusammenwirken mit den Gemeindeverwaltungen sowie den Organen der Personalvertretungen zu erstellen sind. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich komme damit zur Beantwortung der einzelnen an mich gestellten Fragen.

Zur Frage 1:

Nein. Im einzelnen verweise ich auf die bereits zuvor getätigten Ausführungen.

Zu den Fragen 2 und 3:

Wie bereits ausgeführt, sind die einzelnen Strukturkonzepte derzeit in Ausarbeitung. Konkrete Aussagen über die aus ihnen zu ziehenden Konsequenzen sind daher – jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt – nicht möglich.

Zur Frage 4:

Bei der Erstellung der erwähnten Konzepte stehen in bezug auf die Wachzimmer primär folgende Fragen im Vordergrund – es ist dies keine vollständige Aufzählung, allerdings eine demonstrative Aufzählung –:

Sind die Umstände, die zur seinerzeitigen Einrichtung dieses Wachzimmers führten, noch aufrecht?

Stimmt die Situierung mit der Bezirks- beziehungsweise Stadtteilentwicklung überein, oder ist eine Schwerpunktverlagerung eingetreten?

Sind Entwicklungen und beziehungsweise oder Tendenzen absehbar, die eine Schwerpunktverlagerung erwarten lassen?

Von welchen Wachzimmern aus lassen sich die strategischen Straßenstücke und schützenswerten Objekte unter Vernachlässigung bisheriger Bezirks- oder Rayonsgrenzen bestmöglich betreuen?

Welche Größe und Raumaufteilung weisen die Wachzimmer auf, zumal diese über ein Minimum an Nutzfläche verfügen müssen, um die für die Zuteilung allenfalls zusätzlicher Sicherheitswachebeamter notwendige Infrastruktur, insbesondere auch Kleiderschränke, Sanitäreinrichtungen und ähnliches, sicherzustellen?

Welche Wachzimmer haben de facto keine Außenwirkung, also beispielsweise Haus- beziehungsweise reine Portierwachzimmer?

Welche Wachzimmer weisen ein unzureichendes Raumangebot und mangelnde Erweiterungsmöglichkeiten auf?

Welche Wachzimmer weisen einen mangelhaften Zustand der baulichen Substanz auf, der nur durch einen unverhältnismäßig hohen Instandsetzungsaufwand verbessert werden kann?


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618. Sitzung / Seite 104

Welche Wachzimmer weisen mangelhafte Sicherheitsstandards, zum Beispiel keine Schleuse, weil baulich nicht möglich, auf?

Welche Wachzimmer weisen keine oder eine mangelhafte behindertengerechte Erreichbarkeit auf?

Handelt es sich um bundeseigene Objekte oder um angemietete Räumlichkeiten?

Und schließlich: Wie hoch ist der gegenwärtige Aufwand für Miet- und Mietnebenkosten?

Zur Frage 5:

Die Sicherheit der Bevölkerung steht selbstverständlich bei all diesen Maßnahmen im Vordergrund. Ich habe daher anläßlich der Behördenleiterkonferenz am 25. Oktober dieses Jahres Anweisung gegeben, daß in jedem Falle vor der Entscheidung mit dem jeweiligen Bürgermeister und den betreffenden Personalvertretern eine möglichst vollständige Abstimmung gesucht wird, um sowohl die Interessen der Bevölkerung der jeweils betroffenen Stadt als auch die Interessen der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Ressorts optimal zu wahren.

Zu den Fragen 6 und 7:

Zur Erstellung des Wiener Strukturkonzeptes wurde über Weisung des Polizeipräsidenten eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese Arbeitsgruppe besteht aus Experten des Generalinspektorates der Sicherheitswache der Bundespolizeidirektion Wien. Die Notwendigkeit der Einsetzung einer speziellen Arbeitsgruppe ergibt sich aus der komplexen Vorgabe.

Zu den Fragen 8 und 9:

Das Gesamtkonzept über die künftige Struktur der Wachzimmer in Wien liegt noch nicht vor. Daher können auch keine Stellungnahmen der Gemeindevertreter zu diesem Gesamtkonzept vorliegen.

Zur Frage 10:

Die letzte Entscheidung über die Umsetzung der Strukturkonzepte obliegt dem Bundesminister für Inneres, also mir.

Zu den Fragen 11 und 12:

In den Jahren 1995 und 1996 wurden folgende Wachzimmer saniert und zweckadaptiert. Ich trage Ihnen nunmehr die Liste der Wachzimmer, das Jahr der Renovierung und Adaptierung und den Betrag, der dafür aufgewendet worden ist, wunschgemäß vor:

Wachzimmer 1, Goethegasse, 1995, 367 088,86 S,

Wachzimmer 2, Praterstern, in den Jahren 1994 und 1995, 686 940,60 S,

Wachzimmer 2, Ausstellungsstraße 44, 1994, 547 365,23 S,

Wachzimmer 2, Handelskai 394, in den Jahren 1995 und 1996, 783 472,55 S,

Wachzimmer Wien 3, Fasangasse 27, in den Jahren 1995 und 1996, 342 698,10 S,

Wachzimmer im 7. Bezirk, Kandlgasse 4, in den Jahren 1994 und 1995, 486 729,08 S,

Wachzimmer Wien 9, Julius-Tandler-Platz 3, 1994 bis 1996, 552 995, 52 S,

Wachzimmer Wien 9, Lichtentaler Gasse 4, 1994 und 1995, 466 533 S,

Wachzimmer Wien 9, Otto-Wagner-Platz 4, in den Jahren 1995 und 1996, 500 274,38 S,


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618. Sitzung / Seite 105

Wachzimmer Wien 10, Sibeliusstraße 8, 1994 und 1995, 370 933,01 S,

Wachzimmer im 10. Bezirk, Holbeingasse 12, 1994 und 1995, 474 307,11 S,

Wachzimmer Wien 10, Van-der-Nüll-Gasse 11, in den Jahren 1994 und 1995, 1 312 974,62 S,

Wachzimmer Wien 12, Am Schöpfwerk 29, in den Jahren 1994 und 1995, 437 469,35 S,

Wachzimmer 12. Bezirk, Hufelandgasse 2 – 4, in den Jahren 1994 und 1995, 734 961,15 S,

Wachzimmer Wien 13, Preindlgasse 21, 1995 und 1996, 333 258,81 S,

Wachzimmer Wien 14, Hadersdorfer Hauptstraße 77, in den Jahren 1994 und 1995, 768 963,96 S,

Wachzimmer Wien 14, Leyserstraße 2, in den Jahren 1994 und 1995, 394 821,70 S,

Wachzimmer 15, Tannengasse 6 – 10, in den Jahren 1994 und 1995, 658 905,29 S,

Wachzimmer 17. Bezirk, Neuwaldegger Straße 3 – 9, in den Jahren 1995 und 1996, 367 600,99 S,

Wachzimmer 20. Bezirk, Bäuerlegasse 31 – 35, in den Jahren 1995 und 1996, 738 016,27 S,

21. Bezirk, Dopschstraße 29, im Jahr 1995, 486 513,19 S,

21, Baumergasse 25, im Jahr 1995, um 542 868,50 S,

21, Berlagasse 1, 1995, um 500 671,16 S,

Wachzimmer 22. Bezirk, Rennbahnweg 27, im Jahr 1994, 402 368,04 S,

Wachzimmer 23. Bezirk, Putzendoplergasse 4, im Jahr 1995, um 214 343,32 S,

Wachzimmer 23, Zeleznygasse 11, 1995, 317 391,70 S,

Wachzimmer 23, Lehmanngasse 3a, ebenfalls im Jahr 1995, um 316 317,99 S,

Wachzimmer 23. Bezirk, Dr.-Barilits-Gasse 4, 1995, um 284 164,80 S.

Gesamtsumme daher für den Zweck der Sicherheitsschleusen: 14 390 948,28 S.

Es folgt nun die von Ihnen gewünschte Auflistung der Kosten für Adaptierung für weibliche Sicherheitswachebeamtinnen und die Auflistung der Wachzimmer, die das betroffen hat:

Wachzimmer Wien 1, Bräunerstraße 5, in den Jahren 1993 und 1994, um 1 653 444,22 S,

Wachzimmer Wien 2, Ausstellungsstraße 44, im Jahr 1995, um 726 256,03 S,

Wachzimmer Wien 6, Kopernikusgasse 1, in den Jahren 1994 und 1995, um 1 295 687,57 S,

Wachzimmer 7. Bezirk, Kandlgasse 4, in den Jahren 1994 und 1995, um 662 005,33 S,

Wachzimmer Wien 11, Enkplatz 3, in den Jahren 1994 und 1995, um 656 241,87 S,

Wachzimmer Wien 12, Arndtgasse 40, in den Jahren 1995 und 1996, um 363 103,12 S,

Wachzimmer Wien 12, Am Schöpfwerk 29, in den Jahren 1995 und 1996, um 940 838,08 S,

Wachzimmer Wien 17, Neuwaldeggerstraße 3 – 9, in den Jahren 1995 und 1996, um 2 077 180,06 S,


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618. Sitzung / Seite 106

Wachzimmer Wien 20, Vorgartenstraße 27 – 29, in den Jahren 1995 und 1996, um 184 727,45 S,

Wachzimmer Wien 22, Am Hubertusdamm, in den Jahren 1994 und 1995, um 136 532,15 S,

Wachzimmer Wien 22, Quadenstraße 8, 1994, um 544 344,29 S, sodaß die Gesamtsumme für Adaptierung für weibliche Sicherheitswachebeamtinnen im genannten Zeitraum 9 239 760,17 S ausgemacht hat.

Sie haben weiters die Frage gestellt, welcher Aufwand für Sicherheitsschleusen und Adaptierung für weibliche Sicherheitswachebeamtinnen getroffen wurde und in welchen Wachzimmern dies der Fall war.

Es war dies im:

Wachzimmer Wien 18, Staudgasse 2, in den Jahren 1993 bis 1994 um 570 871,71 S,

Wachzimmer Wien 20, Vorgartenstraße 27 – 29, auch in den Jahren 1993 bis 1994 um 803 966,50 S. Das ergibt eine Gesamtsumme von 1 374 838,21 S.

Sie haben dann weiters weitere Aufwendungen für Adaptierungsarbeiten gefragt:

Es wurden für Zwecke der Beleuchtung in den Jahren 1994 und 1995 2,6 Millionen Schilling aufgewendet, und zwar insbesondere in den Bezirkspolizeikommissariaten Wieden und Meidling und in verschiedenen Wachzimmern.

Die Generalsanierung des Wachzimmers Wien 1, Am Hof, hat 3,3 Millionen Schilling erfordert.

Die Neuerrichtung des Wachzimmers Wien 7, Urban-Loritz-Platz 7, hat einen Aufwand von 5,6 Millionen Schilling gefordert, das Bezirkspolizeikommissariat Josefstadt, Ersatzwachzimmer Strozzigasse 1,2 Millionen Schilling und das Wachzimmer im 10. Bezirk, Ada-Christen-Gasse, erfuhr eine Vergrößerung um 0,5 Millionen Schilling.

Es sind weiters Verlegungs- und Adaptierungskosten angefallen, um die Sie ebenfalls zu wissen begehrt haben. Ich gebe sie wie folgt bekannt:

Das Wachzimmer Wien 15, Meiselmarkt, ist in den Jahren 1993/94 für einen Betrag von 7 219 031,02 S verlegt beziehungsweise adaptiert worden. Die folgenden Zahlen beziehen sich auf folgende Wachzimmer:

Wachzimmer Wien 1, Kärtnertorpassage, im Jahr 1994, 926 824,67 S,

Wachzimmer Wien 21, Kummergasse 7, im Jahr 1995, 2 192 400 S,

Wachzimmer Wien 22, Wimpffengasse 6, im Jahr 1995, 1 746 800 S,

Wachzimmer Wien 13, Montevideogasse 30, im Jahr 1995, 1 754 896,90 S,

Wachzimmer Wien 20, Burghardtgasse 22, im Jahr 1995, 1 481 685 S,

Wachzimmer Wien 13, Am Platz, in den Jahren 1995 und 1996, 5 597 714 S,

Wachzimmer Wien 5, Schönbrunner Straße 34, im Jahr 1996, 5 027 571,55 S,

Wachzimmer Wien 22, Langobardenstraße 164, im Jahr 1996, 2 Millionen Schilling.

Die Gesamtsumme betrug sohin 27 946 923,32 S.

Darüber hinaus wurden durch die Bundesbaudirektion Wien zur Bedeckung von Baumaßnahmen für die Bundespolizeidirektion Wien im Jahr 1995 130 Millionen Schilling und im Jahr 1996 114 Millionen Schilling aufgewendet.


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618. Sitzung / Seite 107

Zur Frage 13:

In den Jahren 1995 und 1996 wurden nachstehende Wachzimmer neu eröffnet: Wachzimmer Wien 15, Wurmsergasse 9, nach Wien 15, Wurmsergasse 35, Eröffnung am 25. 11. 1995,

Wachzimmer Wien 13, Montevideogasse nach Speisinger Straße 44 am 28. 11. 1995,

Wachzimmer Wien 22, Wimpffengasse nach Rosenbergstraße 37 am 6. 12. 1995,

Wachzimmer Wien 20, Burghardtgasse nach Pasettistraße 81 am 14. 12. 1995,

Wachzimmer Wien 21, Stammersdorfer Straße 133 nach Kummergasse 7 am 1. 11. 1995,

Wachzimmer Wien 5, Schönbrunner Straße 54 nach Schönbrunner Straße 34 am 2. 7. 1996,

Wachzimmer Wien 5, Spengergasse 18 nach Wien 5, Siebenbrunnenfeldgasse 7 am 24. 9. 1996,

Wachzimmer Langobardenstraße 25 im 22. Bezirk nach Langobardenstraße 128 am 30. 9. 1996.

Für 1997 ist die Verlagerung folgender Wachzimmer beabsichtigt:

Wachzimmer Wien 16, Koppstraße 17 nach Koppstraße 11 oder Ludo-Hartmann-Platz,

Wachzimmer Wien 1, Bräunerstraße 5, nach Wien 1, Fleischmarkt/Laurenzerberg. Damit sind die Absichten für 1997 beschrieben.

Zur Frage 14:

Der Ist-Personalstand der Wiener Exekutive und der Exekutive in den einzelnen Bundesländern gliedert sich zum Stichtag 1. November 1996 wie folgt: Wien 7 128, Burgenland 843, Kärnten 1 845, Niederösterreich 4 016, Oberösterreich 3 041, Salzburg 1 623, Steiermark 3 259, Tirol 1 903 und Vorarlberg 722. Die Entwicklung des Personalstandes für die nächsten beiden Jahre wird von den künftigen Bundesfinanzgesetzen respektive Stellenplänen abhängig sein.

Zu Frage 14a:

Im Jahr 1996 wurden bereits 200 Zollwachebeamte in den Gendarmeriedienst übernommen. Weitere Übernahmen sind in diesem Jahr nicht mehr vorgesehen.

Für das Jahr 1997 ist die Übernahme von 555 Zollwachebeamten vorgesehen, die nach derzeitigem Stand wie folgt eingeteilt werden sollen: 135 an der EU-Außengrenze in den Bundesländern Oberösterreich, Niederösterreich, Steiermark, Burgenland und Kärnten, 420 in Tirol, Salzburg und Oberösterreich. Die Landesgendarmeriekommandobereiche Oberösterreich, Salzburg und Tirol werden dadurch vorübergehend einen Überstand aufweisen.

Zu den Fragen 14b und 14c:

Ja, ein Teil der Beamten wird vorerst weiter die Grenzkontrolle zu Deutschland und Italien durchführen, ein weiterer Teil die Einführungsausbildung absolvieren. Nach Inkrafttreten des Schengener Abkommens werden die übernommenen Zollwachebeamten einen Teil der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Ausgleichsmaßnahmen abdecken. Bei Bedarf werden sie auch vorübergehend zur Unterstützung des Grenzdienstes im Bereich der EU-Außengrenzen im Osten Österreichs, und zwar im Zuteilungswege, herangezogen.

Ich stelle daher mit aller Deutlichkeit klar: Eine Versetzung gegen ihren Willen in andere Bundesländer ist nicht vorgesehen. Das ist ihnen auch so versprochen worden.


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618. Sitzung / Seite 108

Zu Frage 14d:

Polemische Aussagen dieser Art kommentiere ich nicht. Der Stil, daß deutsche Gewerkschafter in Österreich politische Erklärungen zur österreichischen Innenpolitik abgeben, richtet sich selbst.

Zu Frage 15:

Der Ist-Personalstand des übrigen Personals der Bundespolizeidirektion Wien und der in den einzelnen Bundesländern gliedert sich zum Stichtag 1. November 1996 wie folgt: Wien 2 135, Burgenland 42, Kärnten 204, Niederösterreich 207, Oberösterreich 350, Salzburg 152, Steiermark 304, Tirol 147, Vorarlberg 13.

Die Entwicklung des Personalstandes für die nächsten beiden Jahre wird von den künftigen Bundesfinanzgesetzen respektive Stellenplänen abhängig sein.

Zu Frage 16:

Ja, und im übrigen verweise ich auf meine bisherigen Ausführungen.

Zu Frage 17:

Ich bin mit Polizeipräsident Dr. Stiedl einer Meinung, daß bei allen Überlegungen die Stärkung der Außendienstpräsenz im Vordergrund steht.

Zu den Fragen 18 und 19:

Auch bezüglich dieser Fragen verweise ich auf meine bisherigen Ausführungen.

Zu den Fragen 20 und 21:

Derzeit ist lediglich die Verlegung des Wachzimmers Bräunerstraße auf den Standort Fleischmarkt/Laurenzerberg feststehend.

Zu Frage 22:

Der angesprochene Erlaß hat folgenden Wortlaut – ich zitiere –:

Unter Bezugnahme auf den obzitierten Bericht wird die dortige Behörde antragsgemäß ermächtigt, den Mietvertrag für ein künftiges Wachzimmer in Wien 18, Martinstraße 40, mit der ALG Liegenschaft- und GebäudeverwaltungsGmbH. nach entsprechender Korrektur des Mietvertrages abzuschließen und die bisherigen Wachzimmer Wien 18, Gersthofer Straße 135 und Staudgasse 2 zu schließen. Die hiedurch entstehenden Miet- und Mietnebenkosten sind aus dortigen Krediten zu bedecken.

Die Kosten für die Zweckadaptierung in Höhe von 4 987 174,80 S, inklusive Mehrwertsteuer, können unter der Voraussetzung, daß die Abrechnung bis längstens 9. Dezember 1996 erfolgt, zu Lasten hierortiger Zentralkredite übernommen werden.

Der Mietvertrag sowie ein Erstanlageblatt über die Evidenz von Anmietungen im Bereich der Bundesverwaltung sind nach Abschluß des Mietvertrages in jeweils vierfacher Ausfertigung zwecks Übernahme der neuen Wachzimmerfläche in die bautechnische Betreuung durch die Bundesbaudirektion Wien zu übermitteln. Nach erfolgter Aufkündigung und Auflassung der derzeit benutzten Wachzimmerräumlichkeiten in Wien 18, Gersthofer Straße 135 und Staudgasse 2, sind entsprechende Änderungsmitteilungen ebenfalls in vierfacher Ausfertigung in Vorlage zu bringen.

Weiters darf darauf hingewiesen werden, daß bei Geschäften, die von zwei Teilen geschlossen werden, von denen der eine Teil – gemäß § 2 Abs. 1 Gebührengesetz 1967 der Bund – von der Gebührenentrichtung befreit ist, dem anderen Teil aber diese Befreiung nicht zukommt, die Gebühren von dem nicht-befreiten Teil zur Gänze zu entrichten sind. Demnach kommt die Ver


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618. Sitzung / Seite 109

gebührung des Mietvertrages der ALG zu und ist der Punkt XVI-II/a ebenfalls aus dem Vertragsentwurf herauszunehmen. – Ende des Zitats.

Der Erlaß ist noch aufrecht. Sein Vollzug erfolgt nach Maßgabe des zu erstellenden Strukturkonzeptes.

Zur Frage 23: Nein.

Zu den Fragen 24 bis 26:

Die Gewährleistung der Sicherheit in Wien erfolgt durch eine Vielzahl entsprechender Maßnahmen, auf die ich in meinen allgemeinen Ausführungen bereits eingegangen bin. Ein Kernelement dieser Maßnahmen ist das in Ausarbeitung befindliche Konzept über den Personal- und Mitteleinsatz der Wiener Sicherheitswache.

Zu den Fragen 27 und 28:

Hinsichtlich des sachlichen Substrates der beiden Fragen verweise ich auf meine bisherigen Ausführungen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Langer. Ich erteile es ihm.

16.43

Bundesrat Mag. Dieter Langer (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich danke Ihnen für die penible und ausführliche Aufzählung in der Beantwortung der Fragen 11, 12 und 13 und bemerke hiezu, daß es sich bei der Frage 13, welche Wachzimmer in Wien neu eröffnet worden sind, um Wachzimmer handelt, die als Ersatzwachzimmer für bestehende Wachzimmer errichtet wurden, das heißt, daß es eine Vermehrung der Anzahl der Wachzimmer nicht gegeben hat.

Ich habe Ihren weiteren Ausführungen die hier vorliegende Genauigkeit und Prägnanz allerdings nicht entnehmen können, denn in den wesentlichen Dingen, die gefragt wurden, gab es aufgrund Ihrer Ausführungen keine Klarheit. (Ruf bei der SPÖ: Zuhören!) Die Verwirrung, die Halbwahrheiten, Fehlinformationen, Dementis, Vorstöße, Rückzüge sind dadurch nicht geringer geworden. Die Verunsicherung, Herr Bundesminister, bleibt.

Sie flüchten sich in Ihrer Presseaussendung des heutigen Tages in den Vorwurf der Panikmache, haben aber kein Argument, das klarlegt, warum die Verunsicherung jetzt plötzlich ein Ende haben soll, vor allem wenn die Schließung von Wachzimmern in Wien kurz bevorsteht.

Die von Ihnen behauptete Mitbestimmung der betroffenen Polizisten, Personalvertreter und regionalen Politiker kann, wenn überhaupt, erst seit dem Sturm der Entrüstung, den das Bekanntwerden der Schließungspläne hervorgerufen hat, zutreffen. Ihre Behauptung, glaube ich, ist aber nur eine solche, denn die Tatsachen – wir werden darauf zurückkommen – sprechen eine andere Sprache. Sicher ist offenbar nur, daß ein Abbau von Planstellen stattfindet, denn das ist mit der Zahl 518 österreichweit festgelegt. Unsicher ist, wo, wie und wann diese stattfinden und welche Auswirkungen sie haben.

Den Vorwurf, wir Freiheitlichen würden durch unsere dringliche Anfrage und auch durch unsere Äußerungen zu den geplanten Schließungen die Bevölkerung verunsichern, müssen wir zurückweisen. Diesen Vorwurf müssen sich diejenigen gefallen lassen, die der Bevölkerung nicht reinen Wein einschenken, und diejenigen, die vor den Wahlen etwas versprechen, was sie


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nachher nicht halten. Dazu zählen Sie, Herr Innenminister, Polizeipräsident Stiedl und auch Bürgermeister Häupl. Eine vorgesehene oder in Frage kommende Sperre eines Wachzimmers betrifft sogar eines, von dem Häupl behauptet hat, daß es bleiben wird.

Bürgermeister Häupl macht in dieser Angelegenheit eine eher unglückliche Figur. Entweder hat er bewußt vor den Wahlen die Unwahrheit gesagt, oder – wir werden darauf zurückkommen – er war nicht informiert. Aber dann haben Sie, Herr Innenminister, bewußt in Kauf genommen, daß die Bevölkerung und die Bürger falsch informiert werden, und zwar diesmal im Wege des Herrn Bürgermeisters, und das ist auch um nichts besser.

Sogar der "Standard" – sicher kein freiheitliches Blatt – schreibt: Das Timing ist jedenfalls verheerend. Vor der Wahl aufsperren, nach der Wahl zusperren – das ist unehrlich und politisch gesehen auch nicht sehr geschickt. Die Bevölkerung wird sich wohl denken, hier versuche sie einer für dumm zu verkaufen. Diese Meinung ist noch sehr glimpflich im Gegensatz zu dem, was man in der Bevölkerung so hört. In Mariahilf soll just jenes Wachzimmer gesperrt werden, das Bürgermeister Häupl auf Wahlplakaten zu retten versprochen hat.

Herr Innenminister! Im heutigen "News" sind die zehn Todsünden der großen Koalition aufgezählt, in denen klargelegt werden soll, warum die Regierung immer mehr an Kredit in der Bevölkerung verspielt. – Ein Chaosmanagement, ein Chaosmarketing, Sensibilitätsmangel, das Treten in Fettnäpfchen, Bumerangs, die zurückkommen, der Reformstau – die große Koalition regiert seit zehn Jahren. Daß sie erst jetzt draufkommt, daß von Liberalisierung bis Umweltschutz alle Probleme aufgeschoben werden, ist blamabel.

Herr Innenminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe diesen zehn Todsünden, so wie der heutige Fall zeigt, eine elfte hinzuzufügen, und zwar die wichtigste. Das ist der Verlust an Glaubwürdigkeit, den diese Regierung bei der Bevölkerung gewonnen hat: durch Informationen, die sich nachher als falsch herausgestellt haben und unglaubwürdig waren. Das Versprechen, 1995 keine Steuererhöhungen zu machen, war falsch. Der Tausender von Gitti Ederer, der versprochen wurde, ist falsch. Der Brief von Vranitzky an die Pensionisten hat eine falsche Behauptung enthalten. Und beim Schließen der Wachzimmer hat man den Wählern vor der Wahl versprochen, die Wachzimmer aufrechtzuerhalten, die Sicherheit nicht zu gefährden. Nach den Wahlen kommt heraus, man hält sich nicht daran. Doch der Wähler hat das eindrucksvoll am 13. Oktober quittiert. Ich glaube aber, man hat trotz alledem nichts daraus gelernt.

Denn der sogenannte Turbo der Regierungsklausur war eine Flaute. Der Reformanstoß, der gegeben werden sollte, war ein Flop, und der große Sprung vorwärts wurde zu einer Bauchlandung. – Soweit zur Problemänderungskompetenz Ihrer Regierung.

Doch zurückkehrend zu den Wachzimmern. – In dieser Angelegenheit, und um sie in ihrer ganzen Ungeheuerlichkeit zu erkennen, darf ich Ihnen die Abfolge bekanntgeben.

Noch vor der Wahl, am 8. Oktober, kommt Bezirksvorsteher Pint, seines Zeichens von der ÖVP, und behauptet, daß in der Stumpergasse die Schließung des Wachzimmers bevorsteht. Sofort kommt seine Stellvertreterin, SPÖ-Bezirksvorsteher-Stellvertreterin Renate Kaufmann, und wirft ihm Verdrehungen und Halbwahrheiten, Verunsicherung und Panikmache vor. Dann gibt Herr Polizeipräsident Stiedl ein Interview im "Standard" und behauptet: Wir brauchen in Wien nicht mehr Beamte, sondern wir brauchen weniger Wachzimmer. – Und das vor dem Hintergrund des Versprechens des Bundeskanzlers Vranitzky aus dem Jahr 1991, für Wien 1 200 Beamte mehr einzusetzen. (Bundesrat Rauchenberger: Kein Widerspruch!) – Doch, das ist ein Widerspruch, denn im Jahre 1991 hatten wir 7 297 Exekutivbeamte. (Ruf von der ÖVP: Sicherheitswachebeamte!) – Sicherheitswachebeamte, bitte sehr.

Wir haben vom Herrn Innenminister gehört, wir haben derzeit 7 128. Das sind also um 170 weniger und nicht um 1 200 mehr, wie versprochen worden ist. (Bundesrat Rauchenberger: Herr Kollege Langer! Was hat das mit dem Wachzimmerbereich zu tun? – Sie verwechseln immer Äpfel mit Birnen!) – Das hat mit dem Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung und mit der Sicherheit der Bevölkerung zu tun.


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618. Sitzung / Seite 111

Es ist ja auch so, daß in Wien Sicherheitswachebeamte abgebaut werden sollen. Auch das ist ein Beschluß der Bundesregierung.

Ein blankes Entsetzen herrscht in den Bezirken über die bevorstehende Sperre der Wachzimmer. Währing, Gersthofer Straße, soll ersatzlos gestrichen werden.

Bezirkschef Homole von der Volkspartei entschloß sich, Unterschriften zu sammeln. Tausende Unterschriften kommen in kürzester Zeit zustande. Das ist ein Zeichen für das mangelnde Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.

Inzwischen sind auch die Gewerkschaften aufgewacht. Man schreibt den 19. Oktober 1996. Der Vorsitzende der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter antwortet am Freitag: "So nicht, Herr Polizeipräsident!" – Herr Franz Peil, dieser Vorsitzende, ist verärgert, die diensthabenden Kolleginnen und Kollegen sind verunsichert.

Noch vertraut Bürgermeister Häupl auf die Fachkompetenz von Polizeipräsident Stiedl. Doch es mehren sich die Stimmen, die sagen, daß hier Wahlversprechen nicht eingehalten werden. Aufregung herrscht darüber, daß vor den Wahlen Wachzimmer eröffnet werden – wir haben gesehen, es waren nicht zusätzliche, sondern Ersatzwachzimmer –, daß die Wachzimmer als Serviceeinrichtungen für die Bevölkerung ein Sicherheitsgefühl demonstrieren und dann leider reduziert werden.

Offenbar verärgert ist dann Bürgermeister Häupl am 23. Oktober. Er sagt: Ich habe nach wie vor keine Information, wie viele und welche Wachzimmer betroffen sind. – Er sagt auch: Eine Sparpolitik auf Kosten der Sicherheit der Wienerinnen und Wiener werde ich nicht akzeptieren. – Dann kommt der Eisberg zum Vorschein, denn bisher war es nur die Spitze.

18 Wachzimmer kommen für die Schließung in Frage. Das steht am 29. Oktober im "Standard". Dann war es Bürgermeister Häupl offenbar zuviel. Häupl pfeift Stiedl zurück, er hat mit ihm vereinbart, daß es vorerst zu keiner Sperre von Wachzimmern in einzelnen Bezirken kommen soll, und zwar bis Ende des Jahres.

Es ist schon klar, daß der Herr Bürgermeister wenig erfreut ist über das, was man ihm vorgesetzt hat und worüber man ihn offenbar auch nicht vorher informiert hat. – Das soweit zu Ihrer Behauptung, Herr Innenminister, daß alles in Absprache mit den lokalen Politikern geschehen möge.

Es ist aber auch erfreulich, daß Häupl umgeschwenkt ist und offenbar die freiheitliche Linie vertritt, daß Wachzimmerschließungen abgelehnt werden. (Bundesrat Prähauser: Wo ist Ihre Linie?)

In der Zwischenzeit war auch die Rede von 31 Wachzimmern, die gesperrt werden sollen. Doch es kommt noch ärger!

Am 1. November heißt es: Werden Kommissariate nun ebenfalls aufgelöst? – Die Zusammenlegung des Kommissariats Mariahilf und Fünfhaus wird angekündigt. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Herr Bruno Splichal, spricht von Angst und Verunsicherung unter den Beamten.

Während die Erregung immer höhere Wogen schlägt, versucht der Sicherheitssprecher der Sozialistischen Partei Österreichs in Wien, Herr Schuster, "abzuwiegeln" und versichert den Weiterbestand eines Wachzimmers, welches gar nicht existiert, nämlich das in der Gumpendorfer Straße.

Um noch einmal zur Verwirrung beizutragen, sagt er plötzlich, daß das Wachzimmer Gersthof nicht nur bestehenbleibt, sondern auch vergrößert und saniert wird.


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Wir haben von Ihnen, Herr Innenminister, gehört, daß mit diesem zitierten Erlaß die Ermächtigung bestanden hat, die zwei Wachzimmer Gersthofer Straße und Staudgasse zusammenzulegen. Das bedeutet aber, daß eines davon gestrichen wird.

Wer hat nun recht, der SPÖ-Sicherheitssprecher Wiens oder der Herr Innenminister? – Jetzt ist guter Rat teuer. Auch das entnehme ich der Zeitung, damit man nicht sagen kann, daß nur wir es sind, die in dieser Angelegenheit ihre Stimme erheben.

Der erboste Bürgermeister verbietet dem Polizeichef jegliche Wachzimmerschließung. – Der Innenminister schreibt sie ihm vor, dazwischen ein Polizeipräsident, der weder mit den Politikern, den Bezirken noch den Gewerkschaftern redet. Eine gewisse Sprachlosigkeit macht sich in ihm breit.

Zum Abschluß noch das eher Unerhörte: Diese Wachzimmersperre ist eigentlich schon seit Monaten fix. Denn in einem undatierten Schreiben aus dem Innenministerium heißt es sinngemäß, daß die Wachzimmer Gersthofer Straße und Staudgasse – wir haben es vom Herrn Innenminister gehört – zusammengelegt werden sollen.

Dieses Schreiben des Innenministeriums stammt aber aus dem August dieses Jahres, also weit vor der Wahl.

Ein hochrangiger Funktionär meint dazu – nachdem zugegeben wird, daß dieses Schreiben Wochen vor der Wahl eingelangt sei –, man habe es jedoch unter Verschluß gehalten, um nach dem Wahlkampf auf sachlicher Ebene diskutieren zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kein Wunder, daß man hier von einem Pallawatsch spricht, kein Wunder, daß die Bevölkerung verunsichert ist, kein Wunder, daß die betroffenen Beamten verunsichert sind!

Was der Bürger einer Stadt braucht, ist subjektive Sicherheit, das Gefühl, es sind genug Polizisten auf der Straße, um seinen Schutz zu gewährleisten.

Genau dieses Gefühl aber haben diese jetzt nicht mehr. Tausende Unterschriften wurden in Wien innerhalb weniger Tage gegen die Schließung von Wachzimmern gesammelt. Es geistert eine Liste herum, von der weder Häupl noch Stiedl noch der oberste Sicherheitschef Sika behaupten, daß sie so stimmen könne.

Diese müßten es aber wissen – wer denn sonst wohl, als unsere obersten Sicherheitschefs?!

Doch diese Liste ist offenbar auch hinter dem Rücken der SP-Personalvertreter, also der stärksten Fraktion, erstellt worden, und wenn das so ist, so ist das ein gewaltiger Skandal. – Robert Sterk in der "Wiener Woche". (Bundesrat Prähauser: Ich habe den Eindruck, Populismus ist Ihnen wichtiger als die Geiselnahme in Graz!)

Ich komme zum Ende meiner Ausführungen: Im Lichte der genannten Fakten erscheint Ihre Rechtfertigung, Herr Minister, daß nichts ohne Einbindung der betroffenen Polizisten, Personalvertreter und regionalen Politiker geschehe, gelinde gesagt, in schiefer Optik. Offenbar war nicht einmal Bürgermeister Häupl von den Plänen informiert.

Herr Bundesminister! Sie sind derjenige, der Unsicherheit verbreitet und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung torpediert!

Ich möchte noch einmal Professor Hübl zitieren. Da er festgestellt hat, daß in Döbling, nicht im inkriminierten Währing, im Laufe der Zeit die Zahl der Wachzimmer von zehn auf fünf reduziert worden ist und von diesen fünf auch das Wachzimmer Sickenberggasse wackelt, schreibt er: Es wackeln Wachzimmer überall in Wien und in anderen Städten sowie Gendarmerieposten in ganz Österreich. Es wackelt das Wachzimmer Österreich.


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Herr Bundesminister! Ich möchte mich der Meinung Professor Hübls, die er am Schluß seines Artikels äußert, anschließen: Statt der Wachzimmer sollte man Ihr Ministerbüro zusperren! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Das ist eine Frechheit! Das ist beschämend!)

17.01

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Himmer. – Bitte, Herr Mag. Himmer.

17.01

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Da sich unser Kollege Langer bei der letzten Bundesratssitzung schon förmlich und höflich von uns verabschiedet und uns alles Gute gewünscht hat, hat er uns heute noch einmal mit seiner Polemik erfrischt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kapral. )

Auch die Länge der Koalitionsverhandlungen hätten Sie bei Ihrer Weitsichtigkeit und Fähigkeit zur Prognose ja bereits in Ihre Terminplanung mit einbeziehen können.

Aber wie auch immer: Ich meine, daß das Thema Sicherheit zu ernsthaft ist, um darüber nur zu polemisieren. Ich möchte auch überhaupt nicht die Meinung vertreten ..., (Bundesrat Dr. Tremmel: Ist es polemisch, wenn man feststellt, daß Wachzimmer zugesperrt werden?) Ich möchte Sie bitten, daß Sie sich nachher zu Wort melden! Dann können Sie sich völlig frei äußern. Seien Sie aber jetzt bitte so nett, und lassen Sie mich ganz knapp meine Überlegungen artikulieren! (Bundesrat Dr. Kapral: Aber ganz knapp!) Danke schön!

Dabei wollte ich gerade sagen, daß einiges von dem, was Kollege Langer gesagt hat, seine Richtigkeit hat und wir ernsthaft darüber diskutieren sollten. (Beifall des Bundesrates DDr. Königshofer. ) Sehen Sie, wegen dieser Feststellung wollten Sie mich die ganze Zeit unterbrechen! Lassen Sie mich also weiter ausführen, dann können Sie auch spontan mit Applaus einsetzen! Das steht Ihnen ebenfalls frei!

Ich möchte diese Diskussion jetzt zum Anlaß nehmen, darauf hinzuweisen, daß die Sicherheit der Wiener Bevölkerung eines unserer wichtigsten politischen Anliegen ist. Daher muß es natürlich auch ein Anliegen sein, daß wir ausreichend Sicherheitskräfte zur Verfügung haben. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß die Drogenproblematik in Wien, insbesondere was Jugendliche betrifft, mitunter dramatische Entwicklungen nimmt. Denn nicht nur vor Schulen, sondern sogar in den Straßenbahnen werden Jugendliche ungeniert zum Drogenkonsum animiert.

Ich glaube, wir brauchen in diesem Bereich nicht nur mehr Aufklärung, sondern wir brauchen auch mehr Sicherheitskräfte. Dabei möchte ich feststellen, daß das Schließen von Wachzimmern nicht denklogisch zum Vorhandensein von weniger Sicherheitskräften führt. Es stimmt aber auch – wie schon ausgeführt worden ist –, daß das nicht unbedingt ein Signal dafür ist, daß die Ankündigungen des Wiener Bürgermeisters, daß 1 200 Polizisten mehr in Wien für Sicherheit sorgen werden, auch tatsächlich umgesetzt werden.

Für mich stellen sich daher in diesem Zusammenhang einige Fragen, etwa die Frage: Wie koordiniert ist Herr Bürgermeister Häupl mit seinem Parteikollegen Bundesminister Einem, wenn er im Wahlkampf diese Forderung – beziehungsweise klang diese Forderung wie ein Versprechen – nach 1 200 Polizisten mehr geäußert hat, wenn gleichzeitig die Schließung von Wachzimmern diskutiert wird? Ich möchte in diesem Fall aber betonen, daß ich glaube, daß man jeden einzelnen Fall genau ansehen muß.

Ich möchte nicht, daß man daraus quasi ein Naturgesetz macht, indem man sagt: Jede Schließung jedes einzelnen Wachzimmers ist grundsätzlich böse. Es kann vorkommen, daß in einem Fall, in dem zwei Wachzimmer nahe beisammen liegen und sich eines gar nicht mehr für einen weiteren Ausbau eignet, eine Zusammenlegung auch von der ganzen Infrastruktur her Sinn macht. Man sollte also nicht sagen, daß so etwas grundsätzlich nicht passieren darf. Man sollte aber natürlich auch bedenken, daß das Vorhandensein eines Wachzimmers gerade der An


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rainerbevölkerung ein Gefühl der Sicherheit gibt. Denn schließlich ist ein Wachzimmer, das man kennt und von dem man weiß, wo es liegt, letztendlich auch eine Anlaufstelle in einer Situation, in der man die Polizei braucht.

Es stellt sich für mich auch die Frage, welchen Einfluß es auf die Sicherheitssituation in Wien hat, daß 200 Planstellen an die EU-Außengrenze verlegt worden sind, die erst 1998 nachbesetzt werden. Sind in diese Debatte, die ja offensichtlich noch weitergehen wird, die Bezirksvorsteher und auch die Bezirksvertretung als Ganzes bereits eingebunden worden?

Ich möchte jetzt dem Herrn Bundesminister nicht weise Ratschläge geben, wie man Tausende von neuen Planstellen schafft. Denn darauf würde er sehr nüchtern mit dem Vortrag von Budgetzahlen antworten, durch die Grenzen gesetzt sind. Aber ich meine, daß es im Interesse der Ehrlichkeit in der Politik doch eine glaubhaftere Koordination zwischen dem Wiener Bürgermeister und dem Bundesminister geben sollte. Ich glaube, daß Irritationen bei der Bevölkerung gerechtfertigt sind, die in dieser Darstellung ihre Ursache haben.

Der Herr Bundesminister hat gesagt, daß die Phase der Konzeptionierung des Sicherheitskonzeptes noch nicht abgeschlossen ist. Daher möchte ich hier noch einmal etwas betonen: In Gesprächen mit Sicherheitswachebeamten und Kollegen, die sich in diesen Fragen auskennen, und durch eigenen Augenschein in Wachzimmern konnte ich immer wieder feststellen, daß dort noch nicht das vorzufinden ist, was man eine moderne Büroinfrastruktur nennen könnte. Man kann dort etwa Sicherheitswachebeamte sehen, die im Adler-System auf die Schreibmaschine einhämmern. Insgesamt ist die diesbezügliche Bürokommunikations-Infrastruktur sehr rückständig. – Ich glaube nicht, daß es langfristig eine ökonomische Lösung sein kann, wenn hochqualifizierte Sicherheitswachebeamte einen Großteil ihrer Zeit mit Verwaltungstätigkeiten verbringen müssen. Es wäre langfristig sozusagen eine Vergeudung von Humanressourcen, wenn man nicht umgehend eine umfassende Modernisierung der notwendigen Infrastrukturen vornimmt. Das möchte ich hier, nachdem dieses Konzept noch nicht gänzlich abgeschlossen ist, noch einmal als Anregung mitgeben. (Beifall bei der ÖVP.)

17.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rauchenberger. – Bitte.

17.10

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich bin sehr betroffen darüber, daß die Freiheitlichen nach dem Bericht des Herrn Bundesministers über die Geiselnahme die dringliche Anfrage weiter verhandeln wollen, obwohl der Herr Minister seine Sorge und sein Interesse an einer unblutigen ... (Unruhe und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es mag vielleicht mancher von Ihnen einem Redner, der gerade spricht, nicht zuhören. Das kann ich mir schon vorstellen. Aber dafür, daß ein Redner nicht mehr zu hören ist und nicht verstanden werden kann, weil Sie so laut sind, habe ich kein Verständnis. Ich muß Sie daher bitten, den Sitzungssaal zu verlassen, wenn Sie Dinge zu beplaudern haben. Sie können vor dem Sitzungssaal miteinander diskutieren, aber nicht im Sitzungssaal, denn jeder Redner hat das Recht, gehört zu werden. Herr Kollege Rauchenberger! Ich bitte Sie, fortzusetzen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Bundesrat Josef Rauchenberger (fortsetzend): Kollege Dr. Tremmel hat gesagt, er habe, als die Anfrage gestellt wurde, von dem Geiseldrama nichts gewußt. – Ich habe es auch nicht gewußt. Ich habe es auch hier und heute durch den Bundesminister erfahren. Sie haben jedoch bereits des öfteren eine Dringliche zurückgezogen, und ich glaube, daß diese Situation für Sie ein Anlaß sein hätte können, Ihr staatsmännisches Profil zu zeigen und mit Ihrer Polemik nicht weiterzumachen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Kapral: Wir haben die Anfrage schon eingebracht gehabt! Erst in der Antwort des Herrn Bundesministers haben wir von dem Vorfall erfahren! Sie könnten auch auf Ihre Wortmeldung verzichten!)


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Die Debatte geht weiter. Zur Sache selbst, Herr Dr. Kapral, möchte ich Ihnen folgendes sagen (Bundesrat Dr. Kapral: Das ist eine völlig überflüssige polemische Äußerung!): Ich bin nicht unglücklich darüber, daß wir heute aus Anlaß einer dringlichen Anfrage betreffend Bedrohung der Sicherheit der Wiener und der Bevölkerung anderer österreichischer Städte diese Debatte führen. Dadurch kommen wir nämlich in die Lage, einerseits anläßlich der Beantwortung durch den Bundesminister konkrete Antworten auf sehr umfangreiche Fragen zu erhalten und andererseits von seiten der Freiheitlichen immer und immer wieder vorgebrachte Falschmeldungen richtigstellen zu können. Deshalb habe ich meine Wortmeldung nicht zurückgezogen. (Beifall bei der SPÖ.)

Viele Feststellungen, die heute in der als dringlich dargestellten Anfrage getroffen werden, sind bereits im vorangegangenen Wiener Gemeinderatswahlkampf von den Freiheitlichen geäußert worden. Auch in der an alle Wiener Haushalte versendeten Wahlwerbebroschüre der Freiheitlichen wurden die viel zu hohe Kriminalität in Wien und die unerträglich hohe Anzahl der Ausländer in Wien als zentrale Themen transportiert, und zwar zugegebenermaßen mit nicht geringem Erfolg. Was mich dabei umso mehr schmerzt, ist, daß es sich bei diesen Feststellungen schlichtweg um Unwahrheiten und Panikmache handelte. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. )

Bedauerlich finde ich es auch, daß Sie von den Freiheitlichen dabei wider besseres Wissen der Bevölkerung vorgaukeln, daß die Menschen bei uns ohne ausreichenden Schutz von Leib und Leben sich selbst überlassen sind. Ständig operieren Sie dabei mit falschen Zahlen und versuchen, eine generelle Verunsicherung zu erreichen, damit das subjektive Empfinden der Bevölkerung dem entspricht, was Sie ständig predigen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Rockenschaub. )

Lassen Sie mich nur einige wenige Feststellungen treffen. Zum einen – in diesem Fall ist nicht der hier anwesende Bundesminister gemeint –: Die Sozialdemokratische Partei in Wien und deren Vorsitzender Herr Bürgermeister Dr. Michael Häupl räumen der Sicherheit seit Jahren höchsten Stellenwert ein, und zwar nicht erst seit dem Wahlkampf. (Beifall bei der SPÖ.)

Bürgermeister Dr. Michael Häupl hat bereits 1995, kurz nach seinem Amtsantritt, ein eigenes Sicherheitspaket geschnürt, gemäß welchem die Stadt Wien 10 Millionen Schilling aufwendet. Damit werden zusätzlich zu den Ausgaben – diese wurden uns heute vom Herrn Bundesminister ausführlich vorgetragen –, die der Bund dafür trägt, Ausstattung und Ausrüstung für die Sicherheit und den Kriminaldienst der Wiener Polizei wesentlich verbessert.

Die Stadt Wien wird darüber hinaus in den nächsten drei Jahren 500 Wohnungen für die Absolventen der Polizeischule zur Verfügung stellen. Denn eines dürfen wir nicht übersehen: Um Kriminalität zu vermeiden bedarf es mehr als gut ausgebildeter Polizisten.

Durch eine gesicherte Ausbildung, einen sicheren Arbeitsplatz und ein sicheres Dach über dem Kopf werden für die Menschen in einer Gesellschaft erst die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß sich niemand an den Rand gedrängt fühlen muß.

Für uns Sozialdemokraten in Wien bedeutet Sicherheit mehr, und deshalb ist uns Sicherheit auch mehr wert. Damit in der Stadt Wien Sicherheit, Geborgenheit und Schutz rund um die Uhr geboten werden können, machen wir beim Sparen in diesem Bereich nicht mit. Im Gegenteil: Die Wiener Polizei soll noch besser organisiert und eingesetzt werden, um auch in Zukunft weiter so wirksam eingreifen zu können.

Wir werden dafür sorgen, daß es genügend Personal für die neuen Wachzimmer in den Stadterweiterungsgebieten gibt, denn bei der Sicherheit kann es für uns keinen Unterschied zwischen Zentrum oder Stadtrand geben. Wien muß insgesamt sicher bleiben.

Wien ist heute die sicherste Großstadt der Welt, und die jüngste Sicherheitsbilanz weist einmal mehr beruhigende Werte auf. Es gibt weniger Diebstähle, weniger Gewalt, weniger Betrug und dafür mehr aufgeklärte Verbrechen als in den vorangegangenen Jahren. Wenn Sie von den Freiheitlichen ständig behaupten, es gäbe um 93,4 Prozent mehr Verbrechensdelikte, wobei


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65 Prozent unaufgeklärt bleiben, und dabei als Betrachtungszeitraum die letzten 20 Jahre heranziehen, dann ist dies schlichtweg Täuschung.

Ich darf Ihnen, obwohl Sie die Zahlen so gut kennen wie ich, nur auszugsweise aus der polizeilichen Kriminalstatistik Österreichs die Wiener Zahlen im Halbjahresvergleich 1994 bis 1996 zitieren: Strafbare Handlungen: minus 10,2 Prozent; davon Verbrechen: minus 11,1 Prozent; Vergehen: minus 10,2 Prozent – ich könnte Ihnen die ganze Liste vorlesen –; Mord: minus 46,3 Prozent; Körperverletzung: minus 12 Prozent; schwere Sachbeschädigung: minus 25,2 Prozent; Betrug: minus 30,34 Prozent. Das geht so weiter.

Bei den Aufklärungsquoten haben wir Prozentergebnisse zwischen 80 und 94,4 Prozent, und zwar 94,4 Prozent bei den Verbrechen.

Das heißt: Ihre Darstellung, die Sie den Wiener Wähler gegeben haben, ist schlichtweg eine Täuschung. Die jetzt von mir zitierten Zahlen liegen seit 10. September dieses Jahres offiziell vor, und trotzdem werden Sie nicht müde, Gegenteiliges zu behaupten.

Zum zweiten. Es ist richtig, daß die Frage der Schließung von Wachzimmern seit Wochen durch die Medien Beachtung findet. Auch dazu hat der Wiener Bürgermeister Dr. Häupl schon vor der Wahl und auch nachher eindeutig seinen Standpunkt bezogen, und dieser Standpunkt ist sowohl mit dem Bundesminister als auch mit dem Wiener Polizeipräsidenten akkordiert. Demnach ist bis Jänner 1997 seitens der Polizei ein Konzept betreffend den Personal- und Mitteleinsatz der Wiener Sicherheitswache vorzulegen. Es wurde eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet, die dieses Gesamtkonzept erarbeiten wird. Dabei mögen durchaus Vorschläge für Schließungen und Zusammenlegungen, aber auch zur Einrichtung zusätzlicher Wachzimmer an besseren oder zusätzlichen Standorten diskutiert werden.

Wesentlich ist allerdings, daß vor einer Realisierung konkreter Maßnahmen die Betroffenen eingebunden und gehört werden. Das heißt: Nicht nur die zuständigen Bezirksvorsteher, sondern auch die jeweiligen Personalvertretungen müssen in die endgültige Entscheidung eingebunden werden. (Bundesrat Mag. Langer: In Gersthof war das aber zum Beispiel nicht der Fall!) Herr Kollege Langer! Horchen Sie bitte weiter zu, dann werden Sie auch darauf noch eine Antwort bekommen!

Unser vorrangiges Ziel ist es, bei allen nach diesem Konzept zu realisierenden Vorschlägen einen Konsens zu erreichen. Dabei steht für uns die Sicherheit der Wiener Bevölkerung im Vordergrund. (Bundesrat Mag. Langer: Uns auch!) Ob und wie viele Wachzimmer in Wien tatsächlich geschlossen werden, wird sich also erst am Ende der Beratungen eines Arbeitskreises von Sicherheitsexperten der Bundespolizeidirektion Wien herausstellen. Zum gegebenen Zeitpunkt wäre daher jede Mutmaßung ein Vorgriff auf Entscheidungen, die erst nach Vorliegen dieses endgültigen Beratungsergebnisses getroffen werden.

Zum dritten: Selbst in Ihrer dringlichen Anfrage ist der Widerspruch Ihrer Argumentation nachvollziehbar. Herr Kollege Langer! Auf der ersten Seite der Begründung stellen Sie fest: "Die beiden Wachzimmer in Mariahilf sollen zusammengelegt werden", auf Seite zwei im dritten Absatz wiederum stellen Sie fest, daß Mariahilfs Bezirksvorsteher Pint "bereits ,mit Brief und Siegel‘ erreicht" habe, daß das Wachzimmer Stumpergasse nicht geschlossen wird.

Auch dazu möchte ich eine Klärung herbeiführen: Nicht der ÖVP-Bezirksvorsteher Pint, sondern der Sicherheitssprecher der Wiener SPÖ, Landtagsabgeordneter Godwin Schuster, den Sie zitiert haben, hat sich dafür eingesetzt, daß dieses Wachzimmer definitiv nicht geschlossen wird. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kapral. ) Vielmehr soll es sogar erweitert werden, wozu sich eine im ersten Stock gelegene Gemeindewohnung anbietet.

Das Konzept wird ausgearbeitet, und ein bißchen Geduld brauchen Sie auch. Sie sind ja noch nicht so alt. Sie erleben es schon noch. (Bundesrat Dr. Tremmel: Konzept zur Reduzierung!)

Der Währinger Bezirksvorsteher, welcher ebenfalls in der dringlichen Anfrage angesprochen wird, hat im übrigen dem Vernehmen nach seine Unterschriftenaktion betreffend die Schließung


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von Wachzimmern bereits eingestellt. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Langer. ) – Schauen Sie, der eine macht es auf diese Art, Vorzugsstimmen zu bekommen, der andere macht es auf eine andere Art. Das müssen Sie Bezirksvorsteher Homole überlassen, was er für richtig hält.

Wichtig ist, daß er nach einer Information mit den zuständigen Verantwortlichen diese Unterschriftenaktion zurückgenommen hat, und in diesem Zusammenhang darf ich auf die konkrete Beantwortung des Bundesministers verweisen.

Faktum ist also, daß es durchaus Sinn macht, generelle Überlegungen anzustellen, um den Einsatz der Polizei effizienter zu gestalten. Dabei muß aus Sicht der Wiener SPÖ allerdings ein Grundsatz eindeutig sichergestellt bleiben, und dieser Grundsatz lautet: Kein Polizist weniger auf Wiens Straßen! – Und sollte es dabei einen Stubenhocker geben, der künftig ein bißchen mehr Frischluft genießen kann, so soll es mir jedenfalls recht sein.

Es bleibt also abzuwarten, in welcher Form die noch zu erarbeitenden Maßnahmen eingeleitet und umgesetzt werden können. Eine Beurteilung zu diesem Zeitpunkt halte ich jedenfalls für wesentlich sinnvoller als die heutige dringliche Zitierung von Zeitungsartikeln und die weitere Panikmache. (Beifall bei der SPÖ.)

17.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Tremmel. – Bitte.

17.22

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich stehe nicht an, namens meiner Fraktion mitzuteilen – auch im Namen des Erstunterzeichners –: Herr Bundesminister, wenn es Ihr Dienst und Ihre Pflicht bezüglich der Geiselnahme in der Karlau erfordern, in Ihrem Amt zu sein, dann werden wir selbstverständlich von einer weiteren Debatte Abstand nehmen, aber das können Sie selbst beurteilen.

Nun zu den einzelnen Bereichen, die hier angesprochen wurden.

Ihre Antwort, Herr Minister, war eine lange. Für eine Nichtantwort war sie mir zu lang. Es wurde aber ein Kernpunkt ausgesprochen, und das konnten auch die Debattenredner, die vor mir gesprochen haben, nicht zu meiner Zufriedenheit klären. Sie haben gesagt, Sie werden ein Konzept erstellen. Wie dieses Konzept allerdings ausschaut, wie die Sicherheit der Bevölkerung in Zukunft ausschaut, wie es mit dem Verbleiben der Wachzimmer ausschaut, wie es mit dem Zusperren der Wachzimmer ausschaut – darauf, Herr Minister, haben Sie keine Antwort gegeben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn heute gesagt wird, Sicherheit ist ein wichtiges Thema, so ist es das nicht nur hier im Haus. Ihr Beiseite-Schieben der Bemerkung des Vorsitzenden der deutschen Polizeigewerkschaft Berend spricht nicht für Sie. Der andere mußte eben diese Äußerung machen, und er hat sie nicht aus Jux und Tollerei gemacht. Er hat sie als Mitglied eines EU-Landes gemacht, das sich um die Sicherung der Grenzen und um die Sicherheit der Bürger Sorgen macht.

Meine Herren! Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen! Sie zitieren sonst immer ausländische Politiker. Wenn es Ihnen in den Kram paßt, wenn jemand einmal etwas sagt, das noch dazu der Wahrheit entspricht, dann, meine Damen und Herren, sind Sie entweder beleidigt oder ziehen die Köpfe ein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Weil Herr Kollege Rauchenberger über die Sicherheit in Wien gesprochen hat, nehme ich einen Bericht her und nenne eine Wortmeldung, die ich seinerzeit gemacht habe. Ich habe damals "Focus", eine deutsche Zeitschrift, vom 6. Mai 1996 zitiert. Auf dem Titelblatt heißt es: Berlin – Hauptstadt des Verbrechens!


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In diesem Artikel werden einzelne Taten aufgezählt. (Bundesrat Prähauser: Warum nicht Chicago?) – Warten Sie ein bißchen, Herr Kollege! (Bundesrat Prähauser: Chicago wäre besser! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Im Jahr 1995 hat es in Berlin über eine halbe Million Kriminaltaten gegeben. Man stellt das Österreich gegenüber, man stellt das Wien gegenüber mit 172 000 Delikten pro 1,2 Millionen Einwohner. Und siehe da, Berlin hat bezogen auf 1 000 Einwohner 166 Delikte, und in Wien sind das – Sekunde (Zwischenrufe bei der SPÖ) – 143 Delikte pro 1 000 Einwohner.

Das ist die Hauptstadt mit der zweitgrößten Verbrechensanzahl in Europa! – Das ist nicht von uns. Das ist von einer deutschen Zeitschrift, die das sehr genau recherchiert hat. Wenn Sie Ihren eigenen Sicherheitsbericht und darin die Angaben über die Straftaten der Ausländer lesen, dann stellen Sie fest, daß in gewissen Bereichen, in denen sich die Menschen wirklich bedroht fühlen, diese Rate enorm in die Höhe gegangen ist. (Zwischenruf des Bundesrates Richau .) – Herr Kollege! Anzeigen und Verbrechen – das ist ein kleiner Unterschied. Sie werden mir hier recht geben, nicht? (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Richau .)

Wenn Sie die wirklich gravierenden Bereiche, den Bandendiebstahl oder den Diebstahl an Kraftfahrzeugen etwa, hernehmen, dann stellen Sie fest, die Rate der ausländischen Straftäter liegt jeweils über 50 Prozent. Meine Damen und Herren! Das muß ja besorgniserregend sein!

Ich als Grazer habe natürlich auch Sorgen, weil herumgeistert, daß es in Graz zu einer Sperre von Wachzimmern kommen könnte. Ich frage Sie, Herr Minister: Stimmt es, daß Sie oder Ihre Beamten schon mit dem Herrn Polizeidirektor gesprochen haben? Stimmt es, daß Sie mit dem Grazer Bürgermeister schon darüber gesprochen haben, daß auch in Graz einige Wachstuben vor der Auflösung stehen? – Das würde mich interessieren. Wenn ich der Bevölkerung mitteilen kann, wenn ich den Grazerinnen und Grazern mitteilen kann, daß dem nicht so ist, dann wäre ich sehr froh. Hingegen wenn ich wieder die Antwort bekomme, es werde ein Strukturkonzept erarbeitet – hinter diesem Strukturkonzept versteckt sich dann das Zusperren der Wachzimmer –, dann ist das eine ungenügende Antwort.

Sie alle, wir alle, meine Damen und Herren, haben auch dafür zu sorgen, daß der emotionale Bereich der Bevölkerung bedacht wird und daß das Schutzbedürfnis der Bevölkerung – dazu gehören nun einmal Wachzimmer – aufrechterhalten wird. Denn wenn ich in Ihrer Argumentation und in Ihren Schlußfolgerungen fortsetze, dann müßte die Konzentrierung letztlich das Nonplusultra sein. Das kann es doch nicht sein. Einsatzdienste, die Dienste draußen auf der Straße, kann ich auch von einzelnen Bereichen aus koordinieren. Das muß doch möglich sein.

Meine Damen und Herren! Wenn schon – Sie selbst haben es ja auch getan – die Zollbeamten, die in anderen Bereichen, nämlich beim Grenzschutz, eingesetzt werden, in die Debatte gebracht wurden, dann frage ich Sie, Herr Minister: Wie ist es nunmehr mit unserem Abkommen mit Schengen, das wir vor kurzem laut Ministerrat ratifiziert haben? Sind hier alle Dinge erfüllt?

Hier heißt es in einer Pressemeldung etwa: Grenztruppe wird verstärkt. – Ein Ausfluß aus Ihrer Regierungsklausur lautet etwa: 300 Zollwachebeamte werden die Gendarmerie verstärken. – Noch vor einiger Zeit wurde gesagt, das sei in Niederösterreich gar nicht notwendig. In einer anderen Gazette – möglicherweise ist das wirklich nur eine Geistermeldung – liest man, daß diese Grenze mit Flugzeugen überwacht werden soll.

Unsere Hinweise, die wir immer wieder gebracht haben, sind also durchaus berechtigt, wenn Sie jetzt diese Maßnahmen setzen.

Ich muß noch etwas zitieren. Diese Kritik kommt nicht nur von uns. Sie kommt aus Ihren innersten Reihen. Sie kennen sicherlich das Buch mit dem Titel "Verrat an Österreich", in dem ein Beamter beschreibt, wie es tatsächlich um den inneren Bereich der Sicherheit bestellt ist.

Nur 1 Prozent der vom Staatsschutz erarbeiteten Informationspapiere erreichen das Ministerkabinett. Wenn diese Behauptung nicht stimmt, dann ist dieser zur Rechenschaft zu ziehen. Die


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Demotivation der Beamten, die in diesem Bereich tätig sind, ist offensichtlich eine ungeheure. Es wird in einzelnen Polizeiwachstuben mit den Personen wie mit Schachfiguren agiert.

Sie machen sich diesbezüglich auch Gedanken, denn sie sind ja nicht nur für unsere Sicherheit verantwortlich, sondern das ist für sie ja auch ein Brotberuf. Ich bin der Meinung, etwas mehr an Information würde auch dem Sicherheitsbedürfnis der Polizeibeamten dienen.

Abschließend, Herr Minister – weil Sie auf eine Aufgabe hingewiesen haben, die Sie zu erfüllen haben, und ich respektiere es, daß Sie das hier gesagt haben, und ich meine das gar nicht polemisch –, frage ich Sie nochmals: Wie viele Wachzimmer werden tatsächlich aufgelöst – das ist ja nur ein Kernpunkt des Problems – , und wie wollen Sie vorgehen, um das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung auch tatsächlich zu erhöhen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.31

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

17.31

Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Zunächst darf auch ich dafür danken, daß Sie sich dazu finden konnten, die Diskussion zu dieser dringlichen Anfrage kurz zu halten.

Zu der letzten, noch konkret an mich gestellten Frage des Herrn Dr. Tremmel darf ich folgendes sagen: Ich habe am 11. November, also Montag dieser Woche, mit dem Herrn Polizeidirektor von Graz und dem Herrn Bürgermeister von Graz eine Vereinbarung dahin gehend getroffen, daß eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern des Magistrats Graz, der Bundespolizeidirektion Graz und der Personalvertretung der dort beschäftigten Sicherheitswachebeamten und Sicherheitsverwaltungsbediensteten, ein gemeinsames Sicherheitskonzept für Graz entwickeln. Sobald dieses vorliegt, wird mir darüber berichtet werden, und dann werden weitere Maßnahmen zu setzen sein.

Generell darf ich vielleicht noch eine Bitte anschließen, und zwar insbesondere an Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen: Wenn Sie eine dringliche Anfrage an mich richten, die primär auf Berichte gestützt ist – und zwar im wesentlichen auf Berichte in Zeitungen über Gerüchte –, würde ich Sie ersuchen, meine Antwort ernst zu nehmen, sonst ist es nämlich wirklich sinnvoller, einen Leserbrief zu schreiben.

Ich habe erklärt, daß derzeit Beschlüsse über die Schließung von Wachzimmern nicht existieren – da können Sie mich beim Wort nehmen –, und ich habe weiters erklärt, daß beispielsweise in Wien eine Arbeitsgruppe eingesetzt ist, die über die Frage einer Restrukturierung auch der logistischen Einzelheiten zu reden haben wird. Ergebnisse liegen noch nicht vor, aber sobald welche vorliegen, werden sie sowohl mit Vertretern der Stadt Wien als auch mit den Betroffenen – nämlich den Personalvertretern – zu besprechen sein, und dann werden sie mir zur Entscheidung vorzulegen sein, weil ich letztendlich die Verantwortung für die Entscheidungen zu tragen habe.

Dies habe ich gesagt, und ich wiederhole es, und ich würde Sie ersuchen, es zur Kenntnis zu nehmen und nicht weiter zu behaupten, es gäbe konkrete Absichten, bestimmte Wachzimmer zuzusperren. Dies entbehrt nämlich der realen und wahrhaftigen Grundlage. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Dr. Rockenschaub.

17.33

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ihre letzte Aufforderung an uns nehmen wir


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ernst. Wir nehmen das ernst und zur Kenntnis, wenn Sie uns mitteilen, wie der Beschlußstand ist, ich glaube aber, daß die Adressaten dieser Aufforderung auch in Ihrer eigenen Partei sehr stark vertreten sind.

Wir haben hier die Realität wiedergegeben, denn in Ihrer eigenen Partei haben sich hohe und höchste Funktionäre anders artikuliert als Sie – nämlich der Bürgermeister, ein sozialdemokratischer Wiener Landtags-Sicherheitssprecher, der sich wieder anders artikuliert, sozialdemokratische Bezirksvorsteher, die sich wieder anders artikulieren als sozialdemokratische Polizei-Personalvertreter oder der sozialdemokratische Polizeipräsident. Und wenn das der Fall ist – diesen Eindruck haben nicht nur wir gehabt, sondern den hat geschlossen die Medienlandschaft gehabt –, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn es zu derartigen dringlichen Anfragen kommt.

Ich gebe Ihnen daher den Ball zurück: Sorgen Sie in der eigenen Partei für Ordnung, dann werden Ihnen als Minister derartige Dringliche erspart bleiben.

In diesem Sinne möchte ich auch die Anschuldigungen zurückweisen, daß wir hier polemisiert hätten, daß wir hier Panikmache betreiben – das Gegenteil ist der Fall, und was Falschmeldungen angeht, die wir angeblich verbreiten, wie Kollege Rauchenberger gemeint hat, habe ich überhaupt kein einziges Beispiel gehört. Andere interpretieren Zahlen anders, aber bis dato habe ich keine einzige Falschmeldung oder sogenannte Falschmeldung gehört, die angeblich die bösen Freiheitlichen ständig verbreiten. Das wollte ich zum Schluß noch einmal klargestellt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Gibt es eine weitere Wortmeldung? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte zur dringlichen Anfrage ist somit geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir setzen die Verhandlungen über den Tagesordnungspunkt 6 fort, und zu Wort kommt Frau Bundesrätin Therese Lukasser. – Bitte.

17.36

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf in Erinnerung bringen, daß wir beim Bericht des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten betreffend Südtirol sind.

Zu Ihrer Erinnerung: Der vorliegende Bericht umfaßt sieben Abschnitte – einen geschichtlichen Rückblick, die Streitbeilegung, drittens österreichisch-italienische Beziehungen, viertens Entwicklungen im inneritalienischen Umfeld Südtirols, fünftens Einzelfragen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Autonomie seit 1992, sechstens grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit Europaregion Tirol und siebentens universitäre Strukturen. Jedes Kapitel per se würde eine ausführliche Behandlung verdienen.

Ich darf meine persönliche Betroffenheit erwähnen: Osttirol, mein Heimatbezirk, ist der Teil Südtirols, der nach der Abtrennung bei Österreich verblieben ist. Auch Nationalratsabgeordneter Kranebitter, der sich als ÖVP-Abgeordneter immer für Südtirol und für das Selbstbestimmungsrecht eingesetzt hat, stammte aus Osttirol. Meine Vorfahren waren in Trient ansässig, sie zogen sich mit Ende des Ersten Weltkrieges ins heimatliche Defreggental zurück. Aus diesem Blickwinkel bekommt der geschichtliche Rückblick, das Fehlschlagen der Versuche zur Rückgliederung Südtirols an Österreich nach Kriegsende 1945 und der Abschluß des Pariser Vertrages vor 50 Jahren für mich eine besondere Bedeutung.

Mehr als 40 Jahre wurde um die Autonomie Südtirols gerungen. Im Bericht geht es in erster Linie, wie uns im Ausschuß gesagt wurde, um die Entwicklung der Autonomie. Ausgangspunkt war das Gruber-De-Gasperi-Abkommen, das am 5. September 1945 in Paris unterzeichnet


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wurde. Ein weiterer Höhepunkt war die Einigung über das Paket – das Wort "Paket" als Bezeichnung für das Gesamtangebot Italiens fiel erstmals bei Expertengesprächen in der Schweiz Ende 1966 – , über diese zweite, sozusagen neue Autonomie. Diese neue Autonomie hat über die rein rechtliche Abgrenzung hinaus das Leben in Südtirol tiefgreifend mitbestimmt. Die Entscheidung fiel nach langwierigen, oft vom Scheitern bedrohten Verhandlungen gegen Ende des genannten Jahrzehnts. Insbesondere sind es drei Termine, die als Marksteine angesehen werden können: der 22. und 23. November 1969 mit dem Ja der SVP zu Paket und Operationskalender, der 3. und 4. Dezember 1969 mit der Debatte und der Zustimmung in der italienischen Abgeordnetenkammer und schließlich der 15. und 16. Dezember 1969 mit der Annahme des Verhandlungsergebnisses im österreichischen Nationalrat.

Ich darf den damaligen Abgeordneten zum Nationalrat Kranebitter zitieren, der an diesem Tag unter anderem ausgeführt hat: Nun hat die Mehrheit der Vertreter des Südtiroler Volkes am denkwürdigen 22. November dem Paket und dem Operationskalender die Zustimmung gegeben. Im römischen Parlament haben die Vertreter der Opposition in der Südtiroler Volkspartei auch das Ja zu dieser Lösung gesagt. Die Grundsätze der Demokratie verpflichten nun auch mich, die Entscheidung der Südtiroler zu respektieren. So, wie sich die Führer der Opposition in der Südtiroler Volkspartei als Demokraten dem Mehrheitswillen gebeugt haben, so gebe auch ich dem Lösungsversuch meine Zustimmung. – Zitat Kranebitter.

Außenminister Karl Gruber bezeichnete den Vertrag bereits damals als einen Schritt in das neue Europa. Das alte Europa, sagte er, oder sollen wir sagen, das neue Europa ist über die alten Konflikte hinausgewachsen.

Am 20. Jänner 1972 – Kollege Königshofer hat es bereits erwähnt – ist das neue Autonomiestatut in Kraft getreten, von dem Landeshauptmann Durnwalder sagt, es sei die wichtigste Errungenschaft für das Land in politischer, kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich zu einem weiteren Kapitel Stellung nehmen, nämlich zu Punkt 6: grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit. Am 31. Mai dieses Jahres fand in Riva am Gardasee die dritte Sitzung des sogenannten Vierer-Landtags statt; wir Tiroler Bundesräte waren auch dabei. Nach dem Treffen in Meran 1991 und in Innsbruck 1993 fanden sich die Landtage von Südtirol, Tirol und der autonomen Provinz Trentino – Vorarlberg hat heuer Beobachterstatus gehabt – zusammen, um die Basis für eine konkrete Zusammenarbeit zu legen. Der Bericht liegt vor – ich könnte ihn natürlich auch vorlesen, möchte es Ihnen aber ersparen.

Das Treffen der Vertreter jener drei Landesteile, die das historische Tirol waren, stand unter der Zielsetzung "Einem Europa der Regionen entgegen". Der Präsident des Tiroler Landtags, Ing. Helmut Mader, sagte in seiner Begrüßungsansprache, es gehe nicht um eine Rückkehr zur Vergangenheit, sondern um eine Neubelebung dieses großen, einst zusammengehörenden Wirtschafts- und Kulturraumes. Im Laufe der Tagung wurden 23 Entschließungen angenommen, durch die sich die jeweiligen Regierungen dazu verpflichten, konkrete Fragen anzugehen. Diese wurden in Großgebiete zusammengefaßt, wie etwa Transport und Verkehr, Gesundheit, kultureller Austausch, Handel, Bildung, Kooperation zwischen den Institutionen, Umweltschutz und so weiter.

Ich möchte nur einige Beispiele anführen. Im Beschluß Nr. 12 – dieser Beschluß betrifft wieder besonders meinen Bezirk, deswegen erwähne ich ihn – heißt es wieder wörtlich: Die Landtage von Tirol, Südtirol und Trentino sprechen sich vehement gegen den Weiterbau der Alemagna sowie gegen die Errichtung des Cavallino-Tunnels aus. – Der Cavallino-Tunnel würde ein Bergmassiv queren, und diese Straße würde im Osttiroler Pustertal herauskommen. – Die Belastung des Alpenraumes durch den Transitverkehr, heißt es weiter wörtlich, hat bereits jetzt die Grenzen der Zumutbarkeit für die Bevölkerung und die Natur überschritten.

Neue Transitrouten bringen neue Umweltbelastungen und werden daher vom Dreier-Landtag abgelehnt. Es wird bekundet, daß die Landtage von Südtirol, Tirol und der autonomen Provinz


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Trient diesen Beschluß in der gemeinsamen Sitzung am 31. Mai 1996 in Riva del Garda einstimmig gefaßt haben. – Zitatende.

Ein weiteres Beispiel zu einem hochaktuellen Thema: Es beschäftigte sich der Dreier-Landtag mit der Beschäftigungslage und der Arbeitsmarktpolitik. Ich kürze jetzt den wörtlichen Beschluß, aber jedenfalls sah der Dreier-Landtag im Problem der Beschäftigungslage und der Arbeitsmarktpolitik eines der Kernthemen unserer Epoche – auch für den Alpenraum. Der Dreier-Landtag verpflichtete die einzelnen Landtage zu einer Reihe von Maßnahmen: zur Einsetzung einer internationalen Arbeitsgruppe, zum Erfahrungsaustausch, zur Entwicklung verschiedener für die Arbeitsmarktpolitik relevanter Modelle, Modelle auch für die Mobilität der Arbeitnehmer und so weiter.

Ich kann dazu berichten, daß gerade in diesen Tagen – gestern hat sie begonnen – eine Tagung des Landes Tirol mit der ARGE Alp zum Thema "Grenzüberschreitende Strategie gegen die Arbeitslosigkeit" stattfindet.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich halte dieses Bemühen einer Region für einen ganz wichtigen Schritt, für ein Gegensteuern, für eine der Möglichkeiten, der "Globalisierungsfalle" zu entgehen.

Nun zur Europaregion Tirol. Frau Kollegin Crepaz hat davon gesprochen, Herr Kollege Königshofer hat davon gesprochen, ich möchte aus meiner Sicht etwas dazu sagen. Für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern und Provinzen in Nachbarstaaten gibt es in Österreich bereits eine verfassungsrechtliche Grundlage. In Artikel 16 Abs. 1 der Bundesverfassungsgesetz-Novelle 1988 heißt es wörtlich: Die Länder können in Angelegenheiten, die in ihren selbständigen Wirkungsbereich fallen, Staatsverträge mit an Österreich angrenzenden Staaten oder dessen Teilstaaten schließen. – Zitatende.

Wenn man bereit ist, die Möglichkeiten der bereits in Geltung stehenden und der noch in Kraft zu setzenden Vertragsinstrumente durch konkrete Taten in die Praxis umzusetzen, hätte man bereits heute eine solide Substanz für die Zusammenarbeit einer Region über Staatsgrenzen hinweg, die auch für die Menschen erlebbar ist. Es mag schon sein, daß es bisher vor allem Absichtserklärungen gegeben hat. Auch dies ist notwendig, um gedanklich auf diese neue Perspektive vorzubereiten.

Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es geht um das Zusammenleben mehrerer Sprachgruppen, das unsere Vorfahren zwar schon als Selbstverständlichkeit erlebt haben, in das sich aber unsere Generation nach sieben oder acht Jahrzehnten getrennter Entwicklung erst wieder wird einleben müssen.

Die Idee der Europaregion Tirol muß in die Köpfe und in die Herzen der Bewohner Eingang finden. Dann wird die Vergangenheit zeigen, was die Zukunft gewesen ist. – Mit dieser Aussage von Günther Grass nimmt meine Fraktion den Bericht des Bundesministeriums dankend zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zur Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jaud. – Bitte.

17.48

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Die politische Situation in Südtirol ist und bleibt sensibel. Die jüngsten Gedenkfeiern am Tag der italienischen Einheit rund um das Bozener Siegesdenkmal zeigten einmal mehr diese sensible Situation sehr deutlich auf.

Zur Kritik an der österreichischen Südtirol-Politik möchte ich feststellen, die Aufgabe des Schutzstaates Österreich – ich betone: Schutzstaat, ich höre das lieber als das Wort "Schutzmacht" – ist es, Südtirol schützend und helfend zur Seite zu stehen. Die Aufgabe Österreichs besteht


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nicht darin, uns in die selbständigen Angelegenheiten Südtirols einzumischen, und schon gar nicht darin, Unruhe von außen in das Land zu tragen.

Die SVP als Sammelbewegung in Südtirol hat in enger Zusammenarbeit mit Österreich die heutige Autonomie erreicht. Dabei spielte es keine Rolle, welche Partei in Österreich gerade die Regierung stellte, denn es wurde ohne Ansehen der Parteigrenzen im Interesse Südtirols gehandelt.

Ohne eine so starke und einige Sammelbewegung, wie sie die SVP darstellte, wäre die heutige Autonomie wohl kaum erreicht worden. Die SVP ist derzeit mit einer 70prozentigen Mehrheit ausgestattet, und sie kann mit dieser Mehrheit die Interessen Südtirols gegenüber Italien gut und wirkungsvoll vertreten. Es wird wohl immer eine besondere Aufgabe der österreichischen Außenpolitik bleiben, die Interessen Südtirols gegenüber Italien und innerhalb Europas zu vertreten.

Die Zusammenarbeit zwischen Österreich beziehungsweise Tirol und Südtirol ist durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wesentlich erleichtert worden. Ein sichtbarer Ausdruck der intensiven Zusammenarbeit für die Zukunft ist das gemeinsame Haus der drei Länder Tirol, Südtirol und Trentino in Brüssel. Diese gemeinsame Aktivität hat Italien am Beginn zu vereiteln versucht – letztlich konnte sich aber die Region Tirol durchsetzen.

Auch der Bundesrat hat einen Beitrag zur Entwicklung der Region Tirol geleistet. Eine Bundesratsdelegation, bestehend aus Präsident, Vizepräsident – auch die Frau Vizepräsidentin ist, glaube ich, in Trient mitgewesen – und den Bundesräten von Tirol, besuchte im Herbst 1994 die Region Tirol, das heißt, die Landesregierungen von Tirol, Trentino und Südtirol. Dabei ist besonders der Besuch des Trentino hervorzuheben. Wir waren damals – hören Sie! – und sind vermutlich auch noch bis heute die erste offizielle Delegation Österreichs – das war der Bundesrat –, die der Landesregierung des Trentino einen Besuch abstattete. Wir wurden natürlich auch entsprechend empfangen. Uns ist das noch sehr gut in Erinnerung. Wir haben damit sicherlich einen Beitrag zur harmonischen Entwicklung der Region Tirol geleistet, denn ich beobachte seit dieser Zeit, daß sich Trient wesentlich stärker als in der Vergangenheit innerhalb Tirols artikuliert.

Hoher Bundesrat! Die Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck ist die Universität für Gesamttirol. Der Entwicklung dieser Universität in Richtung Erweiterung nach Südtirol ist in der Zukunft besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Ich glaube, daß der Weg, der in dem Bericht aufgezeigt wird, nämlich daß an der Möglichkeit einer Vertretung Südtirols in den Gremien der Universität Innsbruck gearbeitet wird, ein richtiger Weg ist. So sollten auch die laufenden Anpassungserfordernisse für die Anerkennung akademischer Grade, die in Österreich erlangt wurden, in Italien mit besonderer Intensität und rasch gelöst werden. Hier stehen ja überall persönliche Schicksale dahinter.

Ein besonderes Problem in der Zukunft wird sicherlich die Brennergrenze darstellen. Auf der einen Seite begrüßen wir Tiroler die Öffnung der Brennergrenze, wenn Österreich und Italien die Sicherheitsvorschriften des Schengener Abkommens erfüllt haben werden. Der Wegfall der Brennergrenze ist ja ein ganz besonderes Anliegen von Tirol. Dadurch kann sich in Zukunft die Region Tirol besser und leichter entwickeln. Ich teile allerdings nicht die Ansicht meiner Kollegin Crepaz, die glaubt, daß die Aufhebung der Grenzkontrollen am Brenner unproblematisch wäre. Es bestehen auch in der Tiroler Bevölkerung große Bedenken wegen unkontrollierten Drogentransfers beziehungsweise der Ausweitung des Schlepperunwesens und so weiter. Dazu ist es sicherlich notwendig, daß Österreich in der Zukunft entsprechende Sicherheitsmaßnahmen trifft, damit diese Gefahren abgewendet werden können.

Eine Region Tirol wird sicherlich nicht von heute auf morgen entstehen und wachsen. Viele Kontakte, vor allem der drei Landtage von Nordtirol, Südtirol und dem Trentino, werden aber sicher dazu beitragen, daß die Region Tirol in der Zukunft innerhalb der Europäischen Union ihren Platz einnehmen wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.56


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Dr. Königshofer.

17.56

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Tiroler Abgeordneter halte ich es schon für beschämend, daß der Außenminister, auch wenn die Sitzung durch eine Dringliche unterbrochen war, den Sitzungssaal verläßt und nicht mehr hierher zurückkommt, wenn über Südtirol debattiert wird.

Es hat früher schon andere Außenminister gegeben, wie Kreisky, Ton#i# oder Waldheim, denen Südtirol ein größeres Anliegen war. Darauf wollte ich hinweisen, und ich hoffe, daß es auch in Zukunft wieder so sein wird. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Ing. Penz: Er hat sich Ihre Rede angehört!)

17.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Professor Schambeck, bitte.

17.57

Bundesrat Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck (ÖVP; Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß sich der Herr Vizekanzler und Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Schüssel dafür entschuldigt hat, daß er schon längerfristig Termine übernommen hat, die er einzuhalten hat, und daher konnte er nicht mehr abwarten. Er hat nicht gewußt, daß eine dringliche Anfrage gestellt werden wird, was ja eine spontane parlamentarische Aktion ist, wie es in der Geschäftsordnung vorgesehen ist. Er konnte daher nicht so lange hierbleiben, wie er es gerne gewesen wäre.

Hohes Haus! Sie haben gesehen, daß der Herr Vizekanzler aufmerksamst lange bei uns gewesen ist, was er schon oft getan hat. Diese Polemik ist aus der Sicht der Opposition sicherlich verständlich – ich habe unsere Oppositionsrolle auch nicht vergessen –, nur haben wir sie nie so weit getrieben, daß wir falsche Anschuldigungen in den Raum gestellt haben. (Bundesrat DDr. Königshofer: Er hätte sich entschuldigen können!)

Er hat sich entschuldigt, Herr Kollege, aber nicht bei Ihnen, sondern bei mir, weil ich der Vizepräsident des Bundesrates bin und nicht Sie. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Der Herr Vizekanzler hat sich ausdrücklich entschuldigt, und das habe ich jetzt noch einmal in den Raum gestellt.

Bei Ihnen braucht er sich nicht zu entschuldigen. Er hat diese Entschuldigung mir als einem Mitglied des Bundesratspräsidiums mitgeteilt. Das entspricht unseren Umgangsformen. (Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl. ) Herr Kollege Waldhäusl! Sollten Sie eines Tages ins Präsidium des Bundesrates gewählt werden, dann wird das ein Regierungsmitglied Ihnen sagen. Ich teile mit, daß das erfolgt ist, und ich sage Ihnen: Es ist ja schon öfters vorgekommen, daß es Terminschwierigkeiten gegeben hat und daß dann ein Regierungsmitglied nicht vorhanden war. Daher teile ich das jetzt mit, nachdem Herr Bundesrat Königshofer diese Frage in den Raum gestellt hat – was sein Recht ist, gar keine Frage.

Eine Säumigkeit wäre es gewesen, wenn der Vizekanzler und Außenminister von Haus aus nicht gekommen wäre. Aber, meine Damen und Herren, er war ja hier! Er wäre auch bis zum Ende der Behandlung des Südtirolberichtes im Raum geblieben, wenn er nicht schon andere Termine übernommen hätte, nachdem er sich vorher erkundigt hat, wie lange die Debatte im Bundesrat beiläufig dauern wird. Und da diese Anfrage von euch gestellt worden ist, ist diese Verschiebung eingetreten. – Ich habe mir erlaubt, diese Aufklärung zu geben, denn auch ein Abwesender hat ein Recht darauf, anständig behandelt zu werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.59

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Klarstellung, Professor Schambeck. Ich darf hinzufügen, daß wir – ich nehme an, Sie werden sich daran erinnern – ein erstes


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und dann ein zweites Aviso bekommen haben, da der Herr Vizekanzler ersucht hat, auf seine Termine, die er wahrzunehmen hat, Rücksicht zu nehmen. Wir haben daher auch die Tagesordnung leicht verändert. Der Wunsch des Herrn Vizekanzlers war, während der Debatten, die sein Ressort betreffen, bei uns zu sein. Daß die zeitliche Einteilung dann anders gekommen ist, konnte niemand voraussehen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Kapral.

18.00

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Vizepräsident Schambeck! Wir nehmen gerne zur Kenntnis, daß wir aufgrund unserer dringlichen Anfrage daran schuld sind, daß der Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten verhindert ist, weiter an der Sitzung teilzunehmen. Aber ich kann mich an Fälle erinnern, bei denen das auch in der Vergangenheit der Fall war.

Es war immer eine Geste, auch die freiheitliche Opposition davon in Kenntnis zu setzen, und ich bedaure es sehr, daß dies heute nicht der Fall war. Hätte man mich gefragt, so hätte ich – ich glaube, Sie kennen mich gut genug –, dafür Verständnis gezeigt, und wir hätten uns diese peinliche Auseinandersetzung durch eine verspätete Mitteilung, daß sich der Herr Bundesminister entschuldigen hat lassen, ersparen können. Das wollte ich nur der Ordnung halber sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.01

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist mit Stimmenmehrheit so zur Kenntnis genommen.

7. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1995 (Grüner Bericht 1995) (III – 152/BR sowie 5289/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1995, kurz der Grüne Bericht 1995.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Ing. Walter Grasberger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft betreffend den Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 1995, den Grünen Bericht, zur Kenntnis bringen.

Der gegenständliche Bericht gibt Aufschluß über die wirtschaftliche und soziale Situation der bäuerlichen Familien im Europäischen Binnenmarkt.

Der Bericht beinhaltet die Abschnitte Gesamtwirtschaft und Agrarsektor 1995, Landwirtschaft und Umwelt, Agrarstruktur sowie vor- und nachgelagerte Wirtschaftsbereiche, Agrarproduktion und Märkte 1995, Auswertungsergebnisse von Buchführungsunterlagen land- und forstwirt


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schaftlicher Betriebe, Empfehlungen der § 7-Kommission an den Bundesminister, Förderungen für die Land-, Forst- und Wasserwirtschaft und soziale Sicherheit in der Landwirtschaft. Weiters enthält der Bericht ein Tabellenverzeichnis mit Tabellenteil sowie ein Verzeichnis von wesentlichen Gesetzen und Verordnungen im Agrarbereich.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung vom 12. November 1996 in Verhandlung genommen und mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Hohen Haus die Kenntnisnahme des Berichtes zu empfehlen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Eisl. – Bitte.

18.04

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Hohes Haus! Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Grüne Bericht 1995 weist schon im Vorwort des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Willi Molterer, den Dank und die Anerkennung des Ministeriums und der § 7-Kommission aus. Der Bericht weist einen Einnahmenzuwachs von 22 Prozent auf. Darauf ist meines Erachtens das Lob des Bundesministers zurückzuführen.

Wenn man aber die Ausgleichszahlungen abzieht, kommt nur ein Zuwachs von 2,1 Prozent heraus. Auf Seite 101 nachlesbar beträgt das Familieneinkommen 141 667 S und liegt damit natürlich weit über dem, was in den vorangegangenen Jahren in den Berichten festgestellt wurde.

Der Präsident des Bauernbundes, Schwarzenberger, hat natürlich eine Welle der Verärgerung ausgelöst, als er in Bischofshofen bei einer Veranstaltung diese Zahl genannt hat. Denn die Realität sieht anders aus. Auch Bundesobmann und Vizekanzler Schüssel hat diese Zahl als relevant in den Raum gestellt. Ich kann nur sagen, das ist natürlich eine statistische Zahl. Wie wir wissen, nehmen Politiker Statistiken zum Anlaß, um sich daran festzuhalten wie ein Betrunkener an einer Laterne, wenn er nicht mehr weiterfindet.

Meine Damen und Herren! Die Österreichische Volkspartei forderte aber gleich darauf im Parlament eine Kürzung der Ausgleichszahlungen von 65 Prozent auf 50 Prozent. Weiters wurde das ÖPUL-Programm gekürzt. Die Elementarförderungen wurden gekürzt. Die Fruchtfolgestabilisierung wurde gekürzt. – Das ist Ihre Agrarpolitik, meine Damen und Herren! Die Bauern haben aber mit diesen Einnahmen gerechnet.

Schauen Sie sich die Situation Ihrer eigenen Betriebe im Jahr 1995 an, die Landwirtschaftsschulen zum Beispiel, die noch selbst betrieben werden – die meisten sind verpachtet. Oder nehmen Sie die Lage der größten Landwirtschaft in Wien her, der Stadt Wien, mit einem Minus von 15 Millionen Schilling. Wenn man das dem Zuwachs von 22 Millionen gegenüberstellt, spricht das schon Bände. Deshalb sind diese 22 Prozent eine rein statistische Angelegenheit.

Ein weiterer Punkt ist, daß im Jahr des EU-Beitrittes die Investitionen weit zurückgeblieben sind. Alle waren vorsichtig, jeder war auf Abwartehaltung, und damit sind die Investitionen um 1,7 Prozent rückläufig gewesen. Das wirkt sich natürlich auch auf der anderen Seite bei den Einnahmen aus. Unter Einschluß der Wirtschaftsgüter wurden 0,19 Milliarden Schilling weniger ausgegeben. Das wirkt sich auf die Wirtschaft und auf den Arbeitsmarkt entsprechend aus.

Ein weiterer Rückgang ist auch bei den Wirtschaftsbauten zu verzeichnen: ein Minus von 15 Prozent. Einen leichten Zuwachs – plus 2 Prozent – gibt es bei den Wohnbauten. Dies ist auch ein Ausfluß dessen, daß man sich in diesem Jahr zurückgehalten und in die Wirtschaft nichts investiert hat, um weiterzusehen.

Die § 7-Kommission empfiehlt, für erneuerbare Energie steuerliche Entlastungen herbeizuführen. Die Reduktion des CO2-Ausstoßes ist eine Forderung.


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Die dritte Forderung – ich bin überrascht, daß es nur drei gibt – ist die Anhebung der Mehrwertsteuer von 10 auf 12 Prozent. Mehr ist der § 7-Kommission leider nicht eingefallen.

Die Landwirtschaft hatte aber im letzten Jahr auch den Rinderwahn, die BSE-Seuche, zu überwinden. Daraus ergab sich ein Minus von 3 000 bis 4 000 S pro Stück – das behauptet Schwarzböck, nicht die Freiheitlichen, damit da kein falscher Eindruck entsteht. Dazu ist zu sagen, daß die Entschädigung pro Stück nur 700 S betrug. Ich möchte in Erinnerung rufen, daß die Bundesregierung in den siebziger Jahren in Österreich die TBC- und Bang-Befreiung mit großem finanziellen Aufwand der Landwirtschaft und mit Unterstützung der öffentlichen Hand durchgeführt und damit zumindest bis zur heutigen Zeit einen gesunden Viehstand erreicht hat. Das wäre auch Aufgabe der Briten gewesen, aber nicht Aufgabe der Europäischen Gemeinschaft.

Das ist eine nationale Aufgabe – damit man mit reduzierten Schulden in die Währungsunion geht, aber auch mit gesunden Viehständen in die EU eingegliedert wird. Wenn aber die Briten dies schon Jahre vor sich herschieben und heute die Kommission verpflichten, diese Auswärtsprämien mehr oder weniger zu finanzieren, so bin ich schon überrascht, daß gerade der ehemalige Landwirtschaftsminister Fischler als Vorsitzender dieser Kommission dies als in Ordnung hingenommen hat. (Bundesrat Ing. Penz: Er heißt Kommissar und nicht Vorsitzender der Kommission!) – Ja, Kommissar. Danke, Herr Penz! Ich habe schon auf Ihren Zwischenruf gewartet. Wenn ich gar keinen Fehler in diesem Referat gemacht hätte, hätte mich das schon verblendet. (Bundesrat Prähauser: Uns auch, Herr Kollege! – Heiterkeit.)

Um das Ärgste zu verhindern, wurden Interventionskäufe getätigt, das heißt, Aufkäufe getätigt, um sie einzufrieren. Das ist natürlich keine gute Lösung, denn das wird, sollten sich die Viehpreise erhöhen, wieder ausgelagert, und dann sind wir wieder auf demselben Stand. (Präsident Pfeifer übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt keine Marktstrategie, sondern es gibt bei der AMA nur eine Werbung auf dem Sektor des Schweinefleisches, aber es wäre notwendig gewesen, gerade auf dem Sektor des Rindfleisches wirksam zu werben, weil gerade Österreich einen sauberen und reinen Rinderbestand aufzuweisen hat. Da wäre natürlich der Bundesminister am Zug gewesen, er hätte sich darum kümmern müssen, damit die Rinderbauern nicht unter die Räder kommen.

Wir Freiheitlichen haben immer, wenn es um die Sache gegangen ist, für Bauernprobleme ein offenes Ohr gehabt. Das ist bis heute so geblieben.

Ich erinnere an die Umfaller der Sozialdemokraten im Parlament bei den EU-Geldern, da haben es auch zwei Bauernbündler vorgezogen, nicht anwesend zu sein. (Ruf bei der ÖVP: Eine solche Polemik! – Bundesrat Dr. Prasch: Was wahr ist, ist wahr!)

Was wahr ist, muß man vertragen, Herr Kollege! Die Wahrheit muß man vertragen, auch wenn sie noch so bitter ist.

Obwohl wir keinen Pakt mit der Österreichischen Volkspartei gehabt haben – auch heute haben wir keinen –, haben wir im Interesse der Landwirtschaft der Österreichischen Volkspartei aus dieser mißlichen Lage herausgeholfen. – Das ist die Wahrheit, Herr Kollege! (Bundesrat Hüttmayr: Eine solche Polemik! Das glauben Sie doch selber nicht! – Bundesrat Mag. Langer, in Richtung ÖVP: Hat er etwas Falsches gesagt oder nicht?)

Das möchte ich jetzt schon ganz klar sagen: Der Bauernbündler Auer und Herr Freund haben es nicht der Mühe wert gefunden, bei dieser Abstimmung dabeizusein. (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege! Sie haben die Antwort bei der EU-Wahl bekommen. Und dem ist nichts hinzuzufügen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Was ist das für eine Ehre, Herr Kollege Penz, was ist das für eine Bauernehre, wenn man das Umweltprogramm, bei dem man zuerst den Bauern versprochen hat, sie können auch ein Jahr


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später noch einsteigen, kürzt und den Einstieg nicht mehr ermöglicht? (Bundesrat Ing. Penz : Um eine Milliarde ausgeweitet!) Ja, gekürzt ist gekürzt. Was soll ich dazu noch sagen? Jedenfalls wurde der Einstieg verhindert. Jene Bauern, die nicht sofort eingestiegen sind, haben das nicht mehr nachholen können.

Darüber hinaus haben die Bauern im abgelaufenen Jahr trotz der guten Bilanz, die im Grünen Bericht festgestellt wurde ... (Bundesrat Ing. Penz: Von Ihnen!) Das steht im Bericht, das sind nicht unsere Zahlen, Herr Kollege Penz. Das sind Zahlen, die eindeutig nachlesbar sind. Diese Zahlen verwirren. Denn umsonst mußte nicht Herr Kollege Schwarzenberger mit Polizeischutz auf eine Bauernversammlung fahren (Zwischenruf bei der ÖVP) – das ist eine Tatsache! –, weil er eine Äußerung gemacht hat, die natürlich jeden Bauern verärgert hat. Das ist eindeutig und klar sichergestellt.

Auch bei der Flächenvermessung des EU-Programmes und bei der Ausfüllung der Formulare haben die Bauern eine große Bürde auferlegt bekommen. Und wenn es dem einen oder anderen vielleicht passiert ist, daß er sich vermessen hat, mußte er den erhaltenen Betrag zurückzahlen. Es gab einige Fälle, bei denen das vorgekommen ist.

Durch diese Agrarpolitik sind im Jahre 1995 laut Bericht 5 Prozent der Beschäftigen in der Landwirtschaft abgewandert, das sind um 10 000 Arbeitslose mehr. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Ich stelle Ihnen hier folgende Fragen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wie wird es mit der Landwirtschaft weitergehen, wenn die Ausgleichszahlungen nach diesen drei Jahren ausfallen? – Ich sehe weit und breit kein Konzept. Welches Konzept wird Platz greifen, und wie werden Sie in Zukunft den Arbeitsplatz Landwirtschaft sichern? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.16

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile es ihm.

18.16

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des geschätzten Bundesrates! Mit dem heute vorliegenden Grünen Bericht wird meiner Meinung nach die Art und Weise der Erstellung der Grünen Berichte der letzten Jahre fortgesetzt. Sie wurden von Jahr zu Jahr vom Inhalt her interessanter, sie hatten von Jahr zu Jahr mehr Informationsgehalt und gingen in der Analyse immer tiefer.

Der Grüne Bericht 1995 paßt in diese in den letzten Jahren geübte Gepflogenheit und stellt mit seinen Angaben und Tabellen wieder ein gutes Nachschlagewerk und eine gute Grundlage für all jene, die sich mit der Agrarpolitik in Österreich beschäftigen, dar.

Herr Kollege Eisl! Ich habe deinen Ausführungen entnommen, daß du mit den Statistiken ein bißchen auf Kriegsfuß stehst. Du erinnerst mich an ein Kabarett, das ich gesehen habe – Ossy Kollmann war einer der Partner –, und da ging es um folgendes: Es gingen zwei Männer in ein Restaurant und bestellten sich ein Huhn – ein gebackenes natürlich. Einer hat das ganze Huhn gegessen. Letztendlich hat man dann festgestellt, statistisch gesehen haben zwei Personen ein Huhn gegessen, auch der zweite Mann ein halbes. Daher kann ich deinen Frust verstehen, wenn du meinst, die Statistik lügt manchmal. Das ist bittere Wahrheit. Aber das sollte man nicht so eng sehen.

Ich meine jedoch, daß ein Sample von 2 Prozent der Betroffenen etwas zu klein ist. Das sollte man überdenken. Ich weiß, daß das mit immensen Kosten verbunden sein kann, aber letztendlich kommt das jenen, deren Bewirtschaftungen da analysiert werden, zugute.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf einleitend im Namen meiner Fraktion den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landwirtschaftsressorts, die sich wieder bemüht haben, im Grünen Bericht sehr informative und interessante Daten zusammenzustellen, herzlich für ihre


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Arbeit danken. Diese Daten werden uns in der weiteren Behandlung der Agrarpolitik sehr dienlich sein. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Grüne Bericht 1995 hat, wie Herr Bundesminister Molterer in seinem Vorwort festgestellt hat, einen zentralen Teil. Ich darf zitieren: "Zentraler Teil des Grünen Berichts ist die Analyse der Einkommensverhältnisse, die sich nicht zuletzt durch die Bereitstellung von mehr Direktzahlungen im Jahre 1995 sehr positiv gestalteten." – Zitatende.

Wie Sie aus den Diskussionen des Vorjahres – auch seitens meiner Fraktion – wissen, ist das ein Bereich, mit dem wir uns sehr intensiv beschäftigt haben. Mit dem Grünen Bericht 1995 sind wir erstmals in die Lage versetzt worden, aufgrund von amtlichen Daten, Fakten und Zahlen diese Diskussion nicht wie im Vorjahr sehr hitzig, sondern auf sachlicher Ebene, untermauert und unterlegt mit Fakten und Zahlen, die von den bäuerlichen Buchführungsbetrieben erarbeitet und vom Ministerium zusammengestellt wurden, zu führen.

Meine Damen und Herren! Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Ich darf aus der Analyse der Einkommensentwicklung im Jahre 1995 einige Punkte herausgreifen. Ich nehme an, Sie verstehen, daß ich gerade an die kleinen Bauern und an die Bergbauern denke und deren Situation hier ein bißchen beleuchten möchte, vor allem die Entwicklung der Bergbauerneinkommen.

Zur medialen Jubelmeldung von Bundesminister Molterer, daß die Bergbauernbetriebe 1995 in der Einkommensentwicklung aufgeholt haben, ist anzumerken:

Erstens: Der höhere Einkommenszuwachs der Bergbauernbetriebe von 2 Prozent gegenüber dem Bundesmittel beziehungsweise von 4 Prozent gegenüber den Nichtbergbauern ist relativ bescheiden, insbesondere dann, wenn man ins Kalkül zieht, daß die Bergbauernbetriebe 1994 in der Einkommensentwicklung deutlich zurückgeblieben sind. Die Tabelle im Grünen Bericht beweist das nachdrücklich.

Zweitens: Mit dieser Meldung wird auch davon abgelenkt, daß 1995 für alle Betriebe ein gutes Jahr mit überdurchschnittlichen Einkommenszuwächsen war. Die Gunstlagenbetriebe, vor allem die Marktfruchtbetriebe, erzielten einen überdurchschnittlichen Einkommenszuwachs, und zwar nicht nur im Jahre 1995, sondern auch bereits im Jahre 1994.

Der Tabelle 1 kann man auch die Einkommensentwicklung in der Land- und Forstwirtschaft im Zeitraum von 1993 bis 1995 je Familienarbeitskraft entnehmen. Das Bundesmittel ist von 1993 auf 1994 um 11 Prozent und von 1994 auf 1995 um 22 Prozent gestiegen. Das hört sich sehr gut an, ist auch anders zu beurteilen als die Statistik, die ich eingangs erwähnt habe, es ist doch um einige Spuren gerechter. Allerdings ist, wenn man es genau betrachtet, doch eine Unausgewogenheit nicht zu leugnen: Bauernbetriebe im Hochalpengebiet plus 21 Prozent, Bergbauernbetriebe plus 24 Prozent, Nichtbergbauernbetriebe plus 20 Prozent, ein Jahr vorher allerdings nur 13 Prozent. Auch bei den Bergbauernbetrieben und bei den Bauernbetrieben im Hochalpengebiet betrug der Einkommenszuwachs im Jahre 1993 weniger, und zwar zwischen 5 und 9 Prozent. Daran kann man erkennen, daß die Entwicklung nicht einheitlich vor sich gegangen ist. Bei den Bewirtschaftern im nordöstlichen Flachhügelland betrug der Einkommenszuwachs im Jahre 1994 30 Prozent, während im Jahre 1995 ein Plus von nur 15 Prozent zu verzeichnen war. Bei den Marktfruchtbetrieben gab es 1993/1994 19 Prozent und 1994/1995 26 Prozent Einkommenszuwachs.

Der Tabelle 2 kann man entnehmen, daß der Abstand des Einkommens der Bergbauernbetriebe zu jenem anderer ausgewählter Betriebstypen auch größer geworden ist. Die Differenz zu den Bundesmitteln betrug 1994 25 000 S und 1995 27 081 S. Bei den Nichtbergbauern betrug die Differenz 1994 49 700 S und 1995 54 428 S.

Die Analyse der Verteilung der öffentlichen Gelder im Jahre 1995 zeigt ein klares Ergebnis: Generell gilt, je höher die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft sind, umso höher ist der Anteil der öffentlichen Gelder daran. Die Betriebe in den Gunstlagen haben nicht nur die weitaus


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höheren Einkommen, sondern bei ihnen kommt auch der höchste Anteil aus den öffentlichen Geldern.

Ich glaube, wenn man weiß, mit welcher Energie Landwirtschaft heutzutage betrieben werden muß, um das herauszubekommen, was man braucht, um lebensfähig zu sein, dann ist es besonders wichtig, daß auf die Ausgewogenheit besonderes Augenmerk gelegt wird. Ich erinnere daran, daß wir Sozialdemokraten seit Jahren für eine soziale Staffelung der Förderungen kämpfen. Ich darf feststellen, daß wir in der Umsetzung dieses Vorhabens nahe am Ziel sind. Ich glaube, es ist höchste Zeit, da gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Auch die Opposition ist dazu herzlich eingeladen, und wir fordern Sie auf, Ihr Wissen einzubringen und gemeinsam mit uns für die betroffene landwirtschaftliche Bevölkerung zu arbeiten.

Es ist in diesem Bericht auch eine Analyse der Ertragslage der Spezialbetriebe enthalten. Biologische Betriebe weisen eine gute Einkommenslage auf, weil sie einen deutlich geringeren Unternehmensaufwand haben. Die Einkünfte in diesem Bereich betragen pro Familienarbeitskraft 179 000 S. Es ist ein Plus von 29 Prozent zu verzeichnen. Das hört sich sehr gut an. Der Anteil der öffentlichen Gelder macht 61,2 Prozent aus.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß die Argumentation, daß die Biobetriebe mit den konventionell wirtschaftenden Betriebe nur durch die bessere Förderung mithalten können, schlichtweg falsch ist, da der Anteil der öffentlichen Gelder bei den Biobetrieben unterdurchschnittlich ist.

Die Marktfruchtspezialbetriebe gehören zur Betriebsgruppe mit dem höchsten Einkommen und dem höchsten Anteil der öffentlichen Gelder am Einkommen. In diesem Bereich betragen die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft je Familienarbeitskraft 341 000 S. Das bedeutet ein Plus von 20 Prozent. Der Anteil der öffentlichen Gelder beträgt 85,6 Prozent.

Eine kurze Anmerkung dazu: Die Marktfruchtspezialbetriebe weisen das höchste Einkommen von allen Betriebskategorien und den höchsten Anteil an öffentlichen Geldern auf. Sie hatten nicht nur im Jahre 1995 eine gute Einkommensentwicklung, sondern auch bereits im Jahre 1994, und zwar ein Plus von 21 Prozent.

Entgegen vorheriger massiver Öffentlichkeitsarbeit, in der die intensiven Milchwirtschaftsspezialbetriebe zu den Verlierern des EU-Beitritts hochstilisiert wurden, lag ihre Einkommensentwicklung mit plus 20 Prozent im österreichischen Durchschnitt.

Die höchste Einkommenssteigerung mit 38 Prozent – ich entnehme das dem Bericht – hatten 1995 die Rinderhaltungsspezialbetriebe. Obstbauspezialbetriebe verzeichneten ein Plus von 42 Prozent. Aber im Jahre 1994 hatten sie einen Einkommensverlust von minus 9 Prozent. Sie wiesen aber bereits im Jahre 1994 einen Einkommenszuwachs von 33 Prozent auf. Dazu muß man anmerken, daß für das Jahr 1996 ein massiver Einkommenseinbruch zu erwarten ist.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch anmerken, daß gerade der BSE-Skandal bewiesen hat, daß Unternehmungen, daß landwirtschaftliche Betriebe, wenn sie bei der Vermarktung professionell arbeiten, aus dem größten Nachteil, aus dem größten Chaos wirtschaftlichen Nutzen ziehen können. Ich gratuliere der Landwirtschaft und auch den anderen österreichischen Betrieben, Gastwirten und so weiter, die in kürzester Zeit darauf reagiert und auf heimische Produkte glaubwürdig umgestellt haben. Letztendlich konnten daraus auch unsere Fleischerzeuger Nutzen ziehen.

Ich meine, auch das sollte man sehr hoch bewerten, allerdings auch dazu nutzen, nicht in Griesgrämigkeit zu verfallen, sondern zusammenzuhalten und das Beste daraus zu machen, auch wenn es bei Nachbarn oder, wie in dem Fall, in einem etwas weiter entfernten Land zu Skandalen kommt.

Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß auch wir einmal einen Skandal, und zwar den Weinskandal, hatten, der letztendlich der Anstoß für eine hervorragende Verbesserung der Qualität unseres Weines war. Ich meine, Flexibilität und Klugheit sind allemal die


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beste Grundvoraussetzung eines Staates, der zusammenhält, wenn es gilt, wirtschaftliche Probleme zu bewältigen.

Nun zurück zum Grünen Bericht: Die Schweinehaltungsspezialbetriebe, die Gartenbaubetriebe und die Weinbauspezialbetriebe hatten im Jahre 1995 einen leichten Einkommensrückgang zu verzeichnen.

Zu den Gartenbaubetrieben gestatten Sie mir eine Anmerkung. In Salzburg ist gerade in Diskussion, einen großen deutschen Vermarkter im Nahbereich Salzburg anzusiedeln. Auf den ersten Blick ein hervorragendes Angebot: 120 Arbeitsplätze werden versprochen, möglicherweise auch geschaffen; das wage ich auch gar nicht anzuzweifeln. Wenn man jedoch weiß, wer dieser Großunternehmer ist, wie diese Unternehmungen geführt werden, dann muß man, wenn man das Auftragsvolumen in dieser Region kennt, sagen, daß man dieses Angebot mit Vorsicht genießen muß. Das Unternehmen Gardena, von dem ich jetzt spreche, ist ein Betrieb, das mit hervorragenden Fachleuten ausgezeichnete Qualität anbietet, was natürlich zu einigen Ungereimtheiten bei der normalen wirtschaftlichen Entwicklung unserer Erwerbsgärtner führen kann.

Zum einen beschäftigt dieses Unternehmen ausschließlich Fachpersonal. Wo bekommt man in dieser Region das Fachpersonal? – Bei den einschlägigen Betrieben, das ist keine Frage. Gardena bildet aber keine Lehrlinge aus. Wer bildet Lehrlinge aus? – Die kleineren Fachbetriebe.

Zum zweiten saugt dieser Betrieb 150 Millionen Schilling Umsatzvolumen ab. Wenn man weiß, daß in der Region Salzburg der Bedarf an Blumen, in welcher Form auch immer, gedeckt ist, kann man nur davon ausgehen, daß diese 150 Millionen Schilling den kleineren Betrieben abgehen werden. Wenn man aber auch weiß, daß auch dort 500 Arbeitsplätze bestehen, gute Arbeitsplätze bestehen, dann fragt man sich, ob es sehr lohnend ist, dort 150 Fachleute abzuziehen, den Umsatz dort zu schmälern und letztendlich die weitere Ausbildung von Lehrlingen zu verhindern, eigentlich unmöglich zu machen.

Ich glaube, da sind die Politiker gefordert, nachzudenken, gemeinsam zu entscheiden, was dieser Region guttut, und dann den Unternehmungen dort die Kraft der Politik angedeihen zu lassen, ihnen in dieser schwierigen Situation zu helfen, das heißt, sie zu beraten und mit ihnen nach Lösungen zu suchen.

Generell kann man natürlich Ansiedlungen von größeren Unternehmen nicht verneinen. Wenn der Nutzen größer als die Kosten ist, ist es zu befürworten. Im umgekehrten Fall sollte man das sehr kritisch beurteilen.

Meine Damen und Herren! Zum Schluß eine ganz kurze Anmerkung an die Kollegen und Kolleginnen der FPÖ. Wir haben heute relativ oft gehört, und zwar auch in Form von Statistiken, daß die öffentlichen Gelder als Unterstützung für die Landwirtschaft eine große Rolle spielen. Ich erinnere daran, daß Jörg Haider vor nicht allzu langer Zeit als Sanierungsmaßnahme vorgeschlagen hat, sämtliche Subventionen um 50 Prozent zu kürzen. (Bundesrat Dr. Prasch: Mit Ausnahme der Subventionen für die Landwirtschaft!) Was das, meine Damen und Herren, für die Landwirtschaft bedeuten würde, wage ich mir gar nicht auszumalen.

Meine Fraktion wird der Kenntnisnahme des Grünen Berichtes zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

18.30

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Hermann Pramendorfer. Ich erteile es ihm.

18.30

Bundesrat Hermann Pramendorfer (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Mit Statistik wird immer wieder versucht, fast alles zu beweisen. Herr Kollege Eisl hat gemeint, statistische Zahlen wären dazu


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da, daß sich Politiker daran festhalten können wie Betrunkene an einer Laternensäule. Das ist eine Feststellung (Bundesrat Eisl: Die jeder versteht, Herr Kollege!), die man nicht versteht.

Das gelingt am leichtesten, wenn oft bewußt nur Teile verwendet und hochgespielt werden. Mit der agrarischen Einkommensstatistik wird dieses Spiel immer dann betrieben, wenn mit Fingern auf die wohlhabenden Bauern gezeigt wird. Was dabei bleibt, sind eine markante Zahl und ein gewisser Neidkomplex, der beliebig angefacht werden kann. Die 22 Prozent Einkommenssteigerung in der österreichischen Landwirtschaft im Jahre 1995 kennt fast jeder. Es gab auch ein sogenanntes Sommertheater um diese 22 Prozent. Große Medien sind in unserer schnellebigen Zeit oft um Vorveröffentlichungen bemüht, Gesamtzusammenhänge müssen da zwangsläufig zurückstehen. So verursachte auch die offensichtlich gezielte Vorwegnahme der Agrareinkommensentwicklung des Jahres 1995 im vergangenen Sommer rundum Entrüstung – bei den Lohnempfängern, die das mit ihren Gehaltssteigerungen vergleichen, und bei den Bauern, die sich alles andere als reich fühlen.

Jetzt sind die authentischen Buchführungsergebnisse aus der österreichischen Landwirtschaft für 1995 erschienen, die 22 Prozent Einkommenssteigerung bleiben, aber sie werden relativiert. Nicht die Einkommen sind so stark gestiegen, sondern der Aufwand ist um 14 Prozent gesunken, weil man im Jahre 1995 doch etwas vorsichtig mit den Investitionen war. Auch die Propaganda der Opposition – ihr werdet schon sehen, die Gelder werden nicht ausbezahlt! – hat dazu beigetragen, daß die Bauern etwas vorsichtiger geworden sind.

Außerdem sind die Flächen je Betrieb durch die Abwanderung um 2,6 Prozent größer geworden, und die Beschäftigtenzahl war um 2 Prozent rückläufig. Es ist falsch, es so darzustellen, als wenn es nur ein Jahr nach dem EU-Beitritt eine 2- oder 3prozentige Abwanderung aus der Landwirtschaft gegeben hätte. In all den zurückliegenden Jahren war immer eine Abwanderung aus unserem Berufsstand zu verzeichnen.

Der Wert der Agrarproduktion ist um 16 Milliarden gesunken – eine Folge der niedrigeren Preise in der EU. Die Ausgleichszahlungen dagegen sind aber um 15 Milliarden Schilling gestiegen.

Die Ergebnisse kommen aus 2 428 land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in Österreich. Ich glaube, Herr Kollege Prähauser, Sie haben gemeint, daß es heuer erstmals bessere, verläßlichere Daten gäbe als zuvor. Dem kann ich nicht beipflichten. Sie wissen, ich bin nicht mehr Besitzer – ich sage das dazu –, aber mein Betrieb ist seit 1978 ein freiwillig buchführender Betrieb für den Grünen Bericht. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es heute andere Voraussetzungen gibt als damals.

Die Spannweite der Standarddeckungsbeiträge – ich bitte Sie, das wirklich im Grünen Bericht nachzulesen und sich zu Gemüte zu führen –, das ist jener Betrag, der für die Abdeckung der Fixkosten und des Lohnanspruches übrigbleibt, reicht von 90 000 S bis zu 1,5 Millionen Schilling, wodurch die großen Strukturunterschiede der österreichischen Landwirtschaft zum Ausdruck kommen. Und das ist eigentlich das Hauptproblem der Landwirtschaft insgesamt.

Wenn es machbar wäre, meine sehr geehrten Damen und Herren, nichts wäre einfacher als eine Bodenreform. Aber wir alle wissen, das ginge unter gar keinen Umständen, denn es würde nicht in die Ideologie unserer Demokratie passen.

Eine Vielzahl der Bauern, insbesondere die Rinderbetriebe, beurteilt die Einkommenssituation 1995 aus der gegenwärtigen Sicht und fühlt sich getäuscht bis verhöhnt. – Besonders die Rinderbetriebe, denn seit Bekanntwerden der BSE-Fälle in Westeuropa sind die Rinderpreise nach dem Verfall der Preise nach dem EU-Beitritt noch einmal um 15 Prozent gesunken.

Die Absatzmöglichkeiten auf den Rindermärkten sind schlecht bis katastrophal, es gibt Rinder verschiedener Kategorien, die beinahe unverkäuflich sind. Nicht umsonst hat man sich in Westeuropa über diese Herodes-Prämie Gedanken gemacht, und sie wird auch eingeführt. In Österreich gehen wir Gott sei Dank einen anderen Weg: eine Prämienleistung für die Schlachtung jüngerer Kälber. Damit kommen wir wieder zu einer besseren Kalbfleischqualität.


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Es war nicht richtig, daß man die Kälber auf 140, 150, 160 Kilogramm Lebendgewicht gemästet hat, das war nicht mehr das Spezialkalbfleisch.

Es ist verständlich, daß die Denkweise der Bauern über diese Einkommenssteigerung aus der Sicht der gegenwärtigen Situation so ist.

Wie die gesamte EU die BSE-Krise überwinden wird, darüber werden wir, so glaube ich, noch öfter diskutieren. Wir können froh sein, daß wir in Österreich keinen einzigen BSE-Fall haben. Heute habe ich in einer Tageszeitung gelesen, daß die Italiener die Grenze für Schweizer Rindfleisch total zugemacht haben, weil auch in der Schweiz BSE-Fälle aufgetreten sind.

Herr Kollege Eisl hat gemeint, die Engländer müßten das alleine erledigen: Es muß hier schon in der Gemeinschaft insgesamt geholfen werden. Es ist zu verurteilen, was sich die Engländer im Hinblick auf die Fütterung geleistet haben. Aber wir leiden alle miteinander unter dieser Katastrophe, daher muß sie so rasch wie möglich gesamteuropäisch aus der Welt geschafft werden. Und da muß den Engländern unter großen eigenen Opfern geholfen werden, daß die Rinder gekeult und aus dem Markt gezogen werden.

Das Institut für Wirtschaftsforschung, das jetzt die objektiven Zahlen veröffentlichte, warnte vor einer Verallgemeinerung, denn ein Teil der Ausgleichszahlungen für die Bauern ist degressiv. Das Jahr 1995 war ein Spitzenjahr und ist nicht wiederholbar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir nächstes Jahr den Grünen Bericht behandeln und beraten, dann wird die Einkommenssituation der Landwirtschaft mit Sicherheit nicht mehr diese Einkommenszuwächse ausweisen.

Die Ausgleichszahlungen sind ein Ausgleich für die niedrigen Agrarpreise in der EU, die wir zum Zeitpunkt des Beitrittes voll übernehmen mußten. Daraus mag man ersehen, daß die Verhandlungen, die Österreich mit der EU geführt hat, die unsere agrarischen Vertreter mit der Regierung geführt haben, nicht so schlecht waren, wie sie manchmal von der Opposition dargestellt werden. Natürlich wäre es wünschenswert, wären die Ausgleichszahlungen noch höher ausgefallen. Aber Politik ist die Kunst des Möglichen.

Es ist dies der erste Grüne Bericht, der nach dem Beitritt zur EU vorliegt. Die Rahmenbedingungen haben sich für die Landwirtschaft entscheidend geändert. Vor dem Beitritt konnten wir eine nationale Agrarpolitik gestalten, die es zum Teil ermöglichte, in die Agrarmärkte gestaltend einzugreifen. Mit dem Beitritt mußten wir die Gemeinsame Agrarpolitik der EU übernehmen. Die auf den europäischen Märkten geltenden niedrigeren Agrarpreise bedeuten eine drückende Last, doch die Exporte österreichischer Agrarprodukte nahmen im ersten Jahr der Mitgliedschaft beachtlich zu. Allein mit dem Handelspartner Italien nahmen sie seit dem EU-Beitritt bis zum heutigen Zeitpunkt um 83 Prozent zu.

Nicht umsonst, meine sehr Geehrten, hat man uns doch als Hoffnungsschimmer immer gesagt: Österreich liegt vor der Haustüre der Italiener. Die Italiener brauchen die Produkte – wir haben sie. Es müßte sich doch daraus eine Chance ergeben. – Sie hat sich Gott sei Dank mengenmäßig eingestellt. Ich weiß schon, man könnte jetzt sagen: Ja, und was hat man verdient in Italien? – In der heutigen Zeit ist es viel leichter zu produzieren und viel schwieriger, die Produkte auf den übervollen Märkten abzusetzen. (Beifall bei der ÖVP.)

Im Zusammenhang mit den Exporten nach Italien erinnere ich mich an eine Aussage, die vom damaligen bayrischen Minister für Landwirtschaft und Forste, Eisenmann, vor ein paar Jahren in Graz gemacht wurde. Das liegt einige Jahre zurück, dies war vor unserem Beitritt zur EU. Ich zitiere – in den einfachen Worten liegt die Sinnhaftigkeit –: Das könnt ihr euch nicht einbilden, ihr Österreicher, nicht zur EU zu wollen, aber zu glauben, daß die Rinderexporte wie bisher über die österreichisch-italienische Grenze rollen! Und viele Aussagen bayrischer Bauernvertreter lauteten doch vor unserem EU-Beitritt so: Geht doch nicht zur EU, ihr habt es ja noch viel besser!

Meine Damen und Herren! Glauben Sie nicht, daß das auch ein wenig Abwehrmanöver war, um einen neuen Konkurrenten zu verhindern? Ich bin davon fest überzeugt!


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In dieser Aussage dieses bayrischen Ministers liegt doch die ganze Wahrheit, die einen Beitritt zur EU notwendig machte, obwohl er für die Bauern, für die Landwirtschaft im ersten Augenblick nicht gerade einen Vorteil brachte.

Erinnern wir uns auch an so manche Umstände, die gegeben waren, wenn die Grenzbahnhöfe zu Italien – ich weiß es, einmal war das ganz konkret in Pontebba der Fall – voll mit österreichischem Vieh waren und die Italiener keine Abfertigung vornahmen. Das war vor unserem EU-Beitritt. Das war doch eine Folge davon, daß die übrigen EU-Mitglieder, insbesondere die Deutschen und die Franzosen, die italienischen Behörden angehalten haben, die Einfuhrrichtlinien und Bestimmungen rigoroser zu handhaben, nur um uns Schwierigkeiten zu bereiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Würden wir anders handeln, wenn wir in der EU wären, gegenüber einem Partner, der außerhalb der EU ist? – Doch genauso.

Es war zu erwarten, daß im Falle einer Beitrittsablehnung die Exporte jener Güter, von denen die EU selbst genug hat, besonders erschwert worden wären.

Ich denke in der Agrarpolitik etwa 25 Jahre zurück: Nie vorher konnten wir nach Italien Getreide exportieren. Das lieferten die EU-Länder. Wir waren und sind seit dem Jahre 1978/79 angewiesen, jährlich eine Million Tonnen Getreide zu exportieren. Es waren die Länder des Ostblocks, die uns diese Überschüsse zu billigsten Weltmarktpreisen abgenommen haben. Heute, seit dem EU-Beitritt, können wir nach Italien bedeutende Getreideexporte tätigen. Die Agrarausfuhren nach Italien sind im ersten Halbjahr 1996 – ich sagte: seit dem EU-Beitritt – um 83 Prozent gestiegen. Im ersten Halbjahr 1996 sind sie gegenüber dem Vergleichszeitraum erstes Halbjahr 1995 neuerlich um 45 Prozent gestiegen. (Bundesrat Dr. Prasch: Wieviel Tonnen Getreide werden jetzt nach Italien exportiert von österreichischer Seite?) – Da bin ich überfragt, das kann ich Ihnen nicht sagen.

Neben Milch und Fleisch hatte das Getreide einen erheblichen Anteil, und der Wert dieser Ausfuhren im ersten Halbjahr 1996 nach Italien betrug 2,51 Milliarden Schilling.

Ein Dank gebührt in diesem Zusammenhang den zuständigen Ministerien – ich nehme an, daß mehrere daran beteiligt sind –, die am vergangenen Freitag voriger Woche in Padua eine zusätzliche Außenhandelsstelle eröffnet haben. Ich glaube, das betrifft das Wirtschaftsministerium und das Landwirtschaftsministerium. Diese Außenhandelsstelle wird einen wesentlichen Beitrag leisten können, damit unsere Exporte nach Italien aufrechterhalten bleiben und sich die Handelsbeziehungen vertiefen können.

Auch das ist eine Folge des EU-Beitritts: Österreich konnte 1995 erstmals eine ausgeglichene agrarische Außenhandelsbilanz erstellen. Wir können debattieren, ob das gescheit ist, ob das preislich in Ordnung oder nicht in Ordnung ist, aber das ist, so denke ich, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht einmal das Um und Auf, sondern die Ware außer Land zu bringen, das ist die weitaus größere Schwierigkeit.

Es ist begrüßenswert, daß man mit der Agrarpolitik der EU den ökosozialen Weg, der in Österreich vor zehn Jahren unter dem damaligen Landwirtschaftsminister Dipl.-Ing. Josef Riegler begonnen wurde und heute von Landwirtschaftsminister Mag. Wilhelm Molterer fortgesetzt wird, europaweit beschreitet und damit Flächen aus der Produktion herausnimmt. Die Zahlungen an die Bauern dafür sind keine Geschenke, sondern ersetzen nur zum Teil den Einkommensentgang. Da müssen wir schon bei der Wahrheit bleiben!

Ich stehe nicht an, dem Bund, den Ländern, allen voran aber persönlich unserem Landwirtschaftsminister für seinen Einsatz um die gesamteuropäische Weiterentwicklung dieses Weges sehr herzlich zu danken. Das wird ein Meilenstein in der österreichischen und europäischen Agrarpolitik sein.

Es erhebt sich die Frage, wie wir überhaupt die BSE-Krise ohne Mitgliedschaft bei der EU bewältigt hätten. Abgesehen von den Schwierigkeiten im Export, bedeutet der Rückgang des Rind


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fleischkonsums um 11 Prozent im eigenen Lande – ohne einen einzigen BSE-Fall in Österreich! – erhebliche Preiseinbußen für die Bauern. (Bundesrat Weilharter: Marketingfehler!)

Ich höre es mit Genugtuung – ich glaube, Kollege Prähauser hat das Marketing gelobt –, daß wir auf diesen Zug aufgesprungen sind. Aber wir dürfen nicht vergessen, daß das ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Ein allgemeiner Konsumrückgang von 11 Prozent bei einem Produkt ist eine gewaltige Marktstörung. – Auch das ist ein Beispiel dafür, daß derart tiefgreifende und einschneidende Marktstörungen in einer größeren Gemeinschaft leichter bewältigt werden können.

Ich habe am Anfang meiner Ausführungen vom Deckungsbeitrag, der von 90 000 S bis zu 1,5 Millionen Schilling reicht, gesprochen. Die große Spannweite der Deckungsbeiträge macht die unterschiedliche Besitzstruktur unserer Landwirtschaft deutlich. Zu diesem Umstand kommen noch die topographisch und klimatisch unterschiedlichen Produktionsbedingungen hinzu. Und gerade die Nebenerwerbsbetriebe liegen oft in den Ungunstlagen. Dies führte im Laufe der Zeit zur Entwicklung der Nebenerwerbsbetriebe, und dazu kommen heute die Betriebe mit einer Erwerbskombination. Dazu gehören jene bäuerlichen Familien, die sich durch Erbringen einer Dienstleistung – eventuell auch für den öffentlichen Bereich – oder durch Direktvermarktung der am Hof erzeugten Lebensmittel zusätzliches Einkommen verschaffen.

Die Erwerbskombination und die Nebenerwerbslandwirtschaft halte ich für die Aufrechterhaltung der Besiedelung des ländlichen Raumes für äußerst wichtig und förderungswürdig. Dort müssen Gelder in verstärktem Maße hinfließen. Dazu kommt, daß diese Betriebe zumeist in den benachteiligten Berggebieten liegen. Das Instrument der Förderung ist im besonderen dort anzuwenden, wo eine Abwanderung droht, wo das Bleiben der nachfolgenden Generation weitgehend vom Gefühl der Verbundenheit mit der ererbten Scholle bestimmt wird.

Unternehmerische Überlegungen, die die Weiterführung des Hofes garantieren, können bei der Einkommenssituation der Landwirtschaft und der damit verbundenen Anlageverzinsung keine entscheidende Rolle spielen und keine Garantie für die Weiterführung sein.

Einer meiner Vorredner hat die § 7-Kommission zitiert, und zwar welche Empfehlungen diese in ihrer Sitzung am 17. Juli dieses Jahres gegeben hat. Es ist richtig, es waren drei Empfehlungen. Zwei davon stellen übereinstimmend fest, daß die Förderung von Biomasse und die Förderung von Bioenergie viele Probleme hinsichtlich der Produktion lösen würden.

Der Biomasseverband Österreichs unternimmt große Anstrengungen, um auf dem energetischen Verwertungssektor Erfolge zu erzielen. Schon heute ist Biodiesel billiger als Diesel aus fossiler Energie. Das ist beachtlich! Vielleicht ist das ein Silberstreif am Horizont: die Möglichkeit, daß Biodiesel als Beimischung stärker zum Einsatz kommt.

Eine weitere Forderung ist: Der Mehrwertsteuersatz müßte bei den nicht buchführenden Landwirten, bei den pauschalierten Betrieben, von 10 auf 12 Prozent erhöht werden. Das heißt: Die Summe der derzeit von der Landwirtschaft ausgegebenen Vorsteuer ist höher als jener Betrag, der durch die 10 Prozent pauschalierte Mehrwertsteuer beim Verkauf der Produkte wieder zurückfließt. Um aufkommensneutral zu bleiben, müßte man diesen Satz auf 12 Prozent erhöhen.

Meine Damen und Herren! Der Grüne Bericht stellt in der vorliegenden Form eine Fundgrube für an der Landwirtschaft interessierte Personen dar. Er kommt für meine Begriffe einem wissenschaftlichen Werk gleich, das auch hervorragende Einblicke in die Einkommenssituation der österreichischen Landwirtschaft gewährt. Dafür – ich stelle dies an den Schluß – gebührt den freiwilligen Buchführern sowie den Mitarbeitern der landwirtschaftlichen Buchführungsgesellschaft, im besonderen Maße aber dem Ministerium und dem Minister unser besonderer Dank! (Beifall bei der ÖVP.)


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18.53

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Waldhäusl. Ich erteile es ihm.

18.53

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Bevor ich mit meinen Ausführungen zum Grünen Bericht beginne, möchte ich noch kurz auf ein paar Vorredner eingehen. Herr Kollege Prähauser hat es nicht lassen können, bei der heutigen Debatte über den Grünen Bericht Herrn Dr. Haider zu zitieren. – Ich habe gar nicht gewußt, daß Herr Dr. Haider auch dafür verantwortlich ist, möchte aber trotzdem kurz auf diese Aussage eingehen.

Herr Dr. Haider hat angeblich gefordert, daß die Subventionen um 50 Prozent gekürzt werden. Kollege Prähauser hat sich zwar bei Schüssel beschwert, daß etwas falsch ausgelegt werden kann, wenn es aus dem Zusammenhang gerissen wird, aber er hat genau dasselbe getan, indem er behauptet hat, daß Dr. Haider diese 50prozentige Kürzung gefordert hätte. Dabei sind es jetzt die ÖVP und die SPÖ, den Bauern etwas wegnehmen! Dazu, glaube ich, braucht man gar nicht mehr zu sagen.

Schüssel selbst hat einen Einkommenszuwachs von 22 Prozent angekündigt. (Bundesrat Ing. Penz: Es ist mehr geworden!) – Herr Kollege Penz! Ich verspreche Ihnen, daß ich Ihnen heute, wenn Sie sprechen, nicht ins Wort falle. Ich verspreche es Ihnen! Ich nehme an, daß Sie das aufgrund dessen, daß ich es jetzt gesagt habe, auch nicht mehr tun werden. Beschränken Sie sich heute auf Zwischenrufe, Herr Kollege, die wirklich Niveau haben, nämlich das Niveau, das ich sonst an Ihnen schätze! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe und Heiterkeit bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß die Lage der Landwirtschaft und die Lage der Bauern viel zu ernst sind, als daß man sich hier in Streitereien zwischen zwei Personen ergehen dürfte, wovon einer es nicht ertragen kann, daß der andere recht hat – vielleicht deshalb, Herr Kollege Penz, weil Sie selbst nicht sehr viel davon verstehen, obwohl Sie schon so lange tätig sind. Ich weiß es nicht. Jedenfalls möchte ich, daß wir das hiemit beenden. Zu den Ausführungen meiner Vorredner möchte ich nur noch zwei Dinge sagen.

Kollege Pramendorfer hat richtig erwähnt, daß dieser Einkommenszuwachs in Höhe von 22 Prozent aufgrund verschiedener Äußerungen in den Medien und anderen Bereichen de facto im Raum gestanden ist, und plötzlich jeder gesagt hat, den Bauern gehe es so gut. Dazu muß ich leider feststellen, daß diese 22 Prozent auch in einem TV-Interview von Herrn Vizekanzler Schüssel selbst erwähnt worden sind. Der Bauernbund hat sich ohnehin fast distanziert davon. Gruber hat in einer Glosse geschrieben, es war unglücklich und aus dem Zusammenhang gerissen. Besser wäre es gewesen, wenn Schüssel das nicht gesagt hätte.

Auch ich bin der Meinung, das wäre im Sinne der Bauern wirklich besser gewesen. Schüssel sollte nur mehr über Dinge sprechen, bei denen er sich auskennt. Wenn er dann vielleicht nur mehr schweigt, dann kann ich auch nichts dafür, das ist dann sein Problem. Ich glaube, daß hier ausschließlich Sachpolitik gefordert ist.

Kollege Pramendorfer hat weiters gemeint, daß den Engländern unbedingt geholfen werden muß, weil das BSE-Problem dermaßen groß ist, daß man es nur gemeinsam bewältigen kann und zusammenhelfen muß. Dazu möchte ich sagen: Es ist richtig, es kann nur miteinander gehen, aber dabei denke ich an die österreichischen Bauern. Ich stehe in erster Linie auf Seite der österreichischen Bauern!

Ich bin schon der Meinung, man sollte nicht denjenigen helfen, die das Problem verursacht haben, sondern denjenigen, die unschuldig zum Handkuß gekommen und bestraft worden sind, nämlich den unglücklichen österreichischen Bauern. Ich helfe zuerst den Österreichern, Sie helfen zuerst den Engländern. – Das unterscheidet uns beide in der Politik voneinander, aber dafür kann ich nichts. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: "Österreich zuerst!")

Zur Erwerbskombination beziehungsweise zum Nebenerwerb in der Erwerbskombination noch ein paar Worte. Ich hoffe, daß nicht irgendwann einmal im Programm des Bauernbundes oder


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der ÖVP steht, daß man stolz darauf ist, daß es das gibt. Ich meine, es ist traurig genug, daß Bauern von ihrem Hof, von dem, was sie dort verdienen, nicht mehr leben können, daß sie zusätzlich arbeiten müssen, und meistens betrifft das die Frauen (Bundesrat Pramendorfer: Sie kennen sich anscheinend wirklich nicht aus!), und das wissen Sie, werter Kollege, genausogut wie ich! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Sie haben die Möglichkeit gehabt, hier glaubwürdig zu wirken. Sie haben es aber bei mir nicht geschafft.

Zur Erwerbskombination: Das Traurige an der Situation ist, daß diese Bauern die letzten zehn Jahre hindurch von ihrem Betrieb leben konnten, aber jetzt gezwungen sind, ein zweites Standbein zu suchen und noch zusätzlich arbeiten zu müssen. Und meistens sind es die Frauen, die dabei draufzahlen. Die Bäuerinnen sind bei der Erwerbskombination in Wahrheit die Gestraften. Denn wenn der Landwirt einem zweiten Beruf nachgehen muß, bleibt die Hauptarbeit immer an der Bäuerin hängen. Ich glaube, daß für die Bäuerinnen angesichts dieser verfehlten Politik einmal die Lanze gebrochen werden muß, und ich stehe hier voll auf der Seite der Bauern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zum Grünen Bericht. Es ist schon einiges darüber gesagt worden, ich kann daher auf einige Aussagen verzichten. Es ist über die Aussagekraft des Grünen Berichtes im allgemeinen gesprochen worden, ich möchte aber einige Zahlen noch kurz streifen, nämlich den Bundesdurchschnitt in Höhe von 306 149 S, plus 19 Prozent pro Betrieb, oder 175 891 S, die berühmten 22 Prozent, je Familienarbeitskraft. (Ruf bei der ÖVP: Das hat nicht gestimmt?)

Von diesen 306 144 S beziehen die Betriebe 208 578 S aus öffentlichen Geldern. Ich möchte das deswegen noch einmal streifen, um plausibel darzustellen, wie man aufgrund dieser Aussage des Grünen Berichtes über 22 Prozent Einkommenssteigerung auf die gesamte Landwirtschaft schließen möchte. (Bundesrat Payer: Die anderen Sätze auch lesen, die dabei stehen!) Ich möchte das deswegen tun, und zwar auch für Sie, Herr Kollege, um einmal die Glaubwürdigkeit dieses Berichtes aufzuzeigen.

Die Glaubwürdigkeit dieses Berichtes wird dadurch erschüttert, daß er leider Gottes an den Tatsachen vorbeigeht. Im Gegensatz zu vielen Kollegen der SPÖ und ÖVP, die Bauernpolitik nur mit dem Lesen des Grünen Berichts und Beweihräucherung betreiben, bin ich Gott sei Dank sehr oft bei meinen Berufskollegen. Es ist wirklich traurig, wenn man nach jenen Bauern sucht, die diesen angeblichen Einkommenszuwachs von 22 Prozent haben sollen: Man findet sie nämlich nicht! (Bundesrat Prähauser: Das ist die Statistik!) Eben. Man findet sie nicht. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Pfeifer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Daher meine ich, daß der Vorwurf der Fragwürdigkeit gegenüber diesem Bericht sicherlich berechtigt ist. Ich habe sogar hinterfragt und bin dabei zu folgender Feststellung gekommen: Ein Grund, warum die Einkommenszahlen in diesem Bericht offensichtlich höher sind als in der gesamten Landwirtschaft, ist wahrscheinlich der, daß die Inanspruchnahme der generellen Förderung bei den buchführungspflichtigen Betrieben nachweislich prozentmäßig höher ist als in der gesamten Landwirtschaft. Es gibt Unterschiede in der Art der Abwicklung und bei der Höhe der Inanspruchnahme. Daraus resultiert für mich, daß diese Zahlen falsch und gelenkt sind. (Bundesrat Pramendorfer: Das ist Blödsinn!)

Ich möchte auch einen Beweis dafür erbringen. Angesichts der Tatsache, daß jährlich rund 10 000 Bauern ihre Betriebe verlassen müssen und bis zum Jahr 2000 wahrscheinlich noch 50 000 weitere ihre Höfe zusperren, kann doch niemand behaupten, daß die Agrarpolitik 22 Prozent Einkommenszuwachs in der Landwirtschaft bewirkt und so großartig und erfolgreich ist, daß die Bauern die Höfe verlassen. Warum verlassen sie denn die Höfe, wenn sie eh immer mehr Geld bekommen? – Das widerspricht sich doch! Die Regierung geht an der Realität vorbei, und die Bauern werden immer weniger.

Kollege Pramendorfer hat gesagt, daß er seit 25 Jahren Landwirtschaftspolitik betreibt. In dieser Zeit hat sich die Anzahl der Bauern um die Hälfte reduziert, sogar noch um etwas mehr. Und da spricht man ständig davon, daß es den Bauern immer besser geht! Also ich finde, die Zahlen


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sprechen eine eindeutige Sprache! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Pramendorfer: Herr Kollege, ich bin Real politiker!)

Weil das mit den 22 Prozent aber noch nicht gereicht hat, bin ich im Waldviertel, wo ich zu Hause bin, mit dem angeblichen Einkommenszuwachs in der Höhe von 35 Prozent von Bauer zu Bauer gegangen. Im Bericht wird nämlich ausgewiesen, daß die Waldviertler und die Mühlviertler Bauern sogar 35 Prozent Einkommenszuwachs haben. – Ich weiß zwar nicht, wie es im Mühlviertel ist, im Waldviertel jedenfalls habe ich keinen einzigen Bauern gefunden, der bestätigt hat, daß er 35 Prozent Einkommenszuwachs hat. Die Worte, die ein Bauer mir zur Antwort gegeben hat, sind dieses Hauses nicht würdig. Ich werde nicht wiederholen, wie ein Bauer jene Leute genannt hat, die so etwas behaupten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Generell ist noch aufgefallen, daß es große Unterschiede zwischen den verschiedenen Betriebsarten gibt, etwa zwischen Futterbaubetrieben und Betrieben mit Gemischtwirtschaft. Das wurde aber bereits gesagt.

Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, den auch Kollege Pramendorfer schon erwähnt hat und der wichtig ist. Kollege Eisl hat diese Frage auch schon angeschnitten, nämlich: Wie schaut es mit den Einkünften der Landwirtschaft ohne degressive Ausgleichszahlungen aus? – Dadurch reduziert sich das Einkommen pro Familienarbeitskraft auf 141 687 S. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 2,1 Prozent.

Im Grünen Bericht steht es ja: Die Situation 1995 darf somit nicht überbewertet werden, da im Falle gleichbleibender Marktverhältnisse mit den abnehmenden Ausgleichszahlungen in den nächsten Jahren eine fallende Einkommensentwicklung einhergehen wird. – Da hat man also bereits erkannt, daß vieles doch nicht so großartig ist. Ein bißchen Kritik, speziell von seiten der Opposition – dazu ist sie ja da –, ist hier also sicherlich angebracht.

Soviel zum Grünen Bericht. – Es haben schon sehr viele Leute versucht, ihn positiv darzustellen. Ich sage nur abschließend: Den Bauern draußen geht es wirklich nicht gut, und ich finde die Betriebe nicht, die diese Mehrleistungen und dieses Mehreinkommen haben.

Den nächsten Schwerpunkt meiner Rede möchte ich der Zukunft widmen, und zwar der Zukunft der Bauern. Ich glaube, daß die Weichenstellungen der Zukunft – und ich meine damit die Osterweiterung der Europäischen Union – ganz wesentlich über Zukunft und Überleben unserer Bauern entscheiden werden. Im Gegensatz zu denjenigen, die davon sprechen und träumen, wie es vor 25 Jahren war, als sie Landwirtschaftspolitik gemacht haben, denke ich ein bißchen nach vorne. Es ist immer wichtig, nach vorne zu denken.

Eingangs möchte ich kurz die Lage skizzieren. Die Bestrebungen der mittel- und osteuropäischen Länder gehen dahin, bald eine Integration in die EU zu erreichen. Einige dieser Länder haben ihre Beitrittsansuchen schon eingereicht. Insgesamt handelt es sich um zehn Länder mit einer Fläche von insgesamt rund 1,1 Millionen Quadratkilometern, das sind zirka 33 Prozent der gesamten Fläche der derzeitigen Europäischen Union. 106 Millionen Einwohner erwarten uns dort, das sind zirka 29 Prozent der Bevölkerung der derzeitigen Europäischen Union.

Beim momentanen Stand dieser Oststaaten und einer Integration in die Europäische Union müßten aus dem Bereich der produzierenden Landwirtschaft ein Drittel der Betriebe die Landwirtschaft verlassen, um hinsichtlich der Arbeitsproduktionsintensität mit den EU-Staaten mithalten zu können. Damit ist einmal kurz skizziert, wie sich die Probleme auch in den EU-Staaten weiterentwickeln würden, wenn es zu einer solchen Integration käme. (Zwischenbemerkung des Bundesrates Ing. Penz. ) – Herr Kollege Penz! Vielleicht haben Sie einmal Zeit und lesen den Grünen Bericht, anstatt ihn von irgendeinem Beamten lesen zu lassen, dann werden Sie draufkommen, daß das stimmt, was ich Ihnen jetzt gesagt habe. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Das war "eine Spur" zu polemisch! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Es ist ein Irrsinn! Es freut mich, daß die ÖVP von der SPÖ verteidigt wird und umgekehrt. Ich hoffe, ihr beide seid nicht enttäuscht, wenn wir Freiheitlichen bei diesen Umklammerungen nicht


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mitmachen. Wir stehen auf der Seite der Bürger, und ihr dürft euch weiter umarmen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Sie stehen auf Seite der Bauern! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) So ist es! Bauern sind auch Bürger, Herr Kollege Prähauser! Ich hoffe, Sie haben das noch nicht vergessen!

Ich möchte jetzt mit der EU-Osterweiterung ausgehend vom momentanen Stand der Dinge fortfahren. Wo liegen derzeit die Probleme in den Oststaaten? – Es gibt Probleme bei der Qualitätsverarbeitung: Die Qualität entspricht noch immer nicht dem hohen Standard der Europäischen Union. Es gibt auch Probleme hinsichtlich des Wirtschaftswachstums: Wenn es sich steigert, wird sicherlich auch eine Steigerung in der Agrarpoduktion notwendig sein, und dann kommt eben das Problem, daß ein Drittel der Bauern dort weichen müssen wird.

Wie wird es sich auswirken, wenn die EU-Osterweiterung hinsichtlich der zehn wichtigsten mittel- und osteuropäischen Länder bis zum Jahr 2000 durchgeführt wird? Wie wird das aussehen? – Es wird geschätzt, daß diese zehn Staaten etwa 85 Millionen Tonnen Getreide produzieren werden. Das wird einen Überschuß von zirka 6 Millionen Tonnen ergeben, damit werden wir in der Europäischen Union leben müssen.

Im Ölsaatenbereich werden sie zirka 5,1 Millionen Tonnen produzieren – das ist ein Überschuß von 1 Million Tonnen. (Bundesrat Prähauser: Ein bißchen was verbrauchen sie schon auch selbst!) – Kollege Prähauser! Der Eigenbedarf ist in diesen Zahlen bereits berücksichtigt. Ich kritisiere zwar den Grünen Bericht, aber keineswegs die Intelligenz der Personen, die den Bericht machen. Da diese Zahlen dem Bericht entnommen sind, denke ich, daß sie sehr wohl auf richtigen Annahmen basieren. Jenen Personen, die den Bericht machen, spreche ich die Qualifikation nicht ab! Wenn Sie das tun wollen, Herr Kollege Prähauser, dann ist das Ihre Sache. (Bundesrat Prähauser: Der wirtschaftliche Aufschwung bewirkt eine Steigerung des Eigenbedarfs! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Der politische Aufschwung ist miteingerechnet. Meine Damen und Herren! Sie haben alle noch die Gelegenheit, hier zu sprechen. Wenn das Thema so wichtig ist, dann hätten auch meine Vorredner schon darüber reden können, es waren ja schon einige hier heraußen. Das ist kein Problem.

Im Milchbereich gibt es ebenfalls Überschußgebiete: Polen, Slowakei und Tschechien. Bei den Kartoffeln beträgt die Produktion 40 Millionen Tonnen, das ist so viel wie die Produktion der gesamten Europäischen Union. Bei Obst und Gemüse beträgt die Produktion etwa ein Drittel der gesamten EU-Produktion. – Mit Marktstörungen ist also sicherlich zu rechnen!

Beim Wein wäre besonders Rumänien zu erwähnen. Das ist schon jetzt einer der wichtigsten Weinproduzenten in Europa.

Beim Holz und bei der Forstproduktion haben wir es teilweise bereits erlebt: Tschechien, Slowenien und Rumänien sind in diesem Bereich stark führend und werden bei einem EU-Beitritt unseren Holzmarkt sicherlich noch stärker negativ beeinflussen.

Hiezu gibt es eine Problemanalyse des Agrarministerrates, an der Herr Fischler auch ein bißchen mitgearbeitet hat. Ich möchte ganz kurz darauf eingehen, warum ich eigentlich von dieser EU-Osterweiterung spreche und warum das solch ein Problem ist: Vielleicht kommt das sowieso nie, oder was ist da eigentlich geplant? – Der Grund, warum ich auf dieses Thema eingehe, ist nicht nur, weil mir die Zukunft der Bauern sehr am Herzen liegt, sondern auch, weil es dann um wirklich einschneidende Sanktionen gegen die Bauern gehen wird, denn wir werden uns diese EU-Osterweiterung nicht leisten können.

Es sagt schon der Ministerrat, daß die Eingliederung der zehn führenden Ostblockstaaten in die marktwirtschaftlich orientierten Demokratien des Westens nicht von heute auf morgen erfolgen kann, sondern lange Übergangsfristen benötigt. – Na ja, das ist schon gut.

Und so sagt denn auch Kommissär Fischler, daß es Alternativen und Strategien gibt. Drei mögliche Alternativen stehen zur Auswahl. Erstens: daß man gar keine Veränderungen vornimmt,


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daß man bei der bisherigen gemeinsamen Agrarpolitik bleibt. Das ist aber sicherlich die schlechteste Lösung. Zweitens: eine radikale Reform. Sie glauben, daß diese nicht so gut ist. Es wird daher – drittens – eine gemäßigte Reform der gemeinsamen Agrarpolitik von 1992 geben, wobei aber jetzt schon zugegeben wird, daß auch bei der gemäßigten Reform auf alle Fälle mit sinkenden Preisen zu rechnen ist. Also man weiß schon einmal, daß zugegeben wurde, daß diese Probleme kommen werden.

Und jetzt wird es erst interessant: Wie ist die österreichische Haltung zu dieser EU-Osterweiterung? Denn letztendlich haben sich ja die österreichischen Politiker schon Gedanken darüber gemacht, speziell im bäuerlichen Bereich, wie ... (Bundesrat Payer: Sie sollen ja in die Zukunft denken!) – Ja, darum zitiere ich das: Gemäß dem Arbeitsübereinkommen der Regierungsparteien vom 11. März 1996 stimmten die Regierungsparteien darin überein, daß die Einbeziehung der mittel- und osteuropäischen Länder in die EU einen Schwerpunkt der österreichischen Europapolitik bilden wird. Eine baldige Aufnahme und Beitrittsverhandlungen sind anzustreben.

Hiermit sagt die österreichische Regierung eindeutig, daß sie unbedingt eine EU-Osterweiterung unterstützen möchte. Sie sagt natürlich auch dazu, daß das Instrument einer allmählichen Preisangleichung und einer schrittweisen Marktöffnung erfahrungsgemäß administrativ aufwendig ist, jedoch aus heutiger Sicht das bestmögliche Konzept darstellt. Da frage ich mich natürlich, wieso wir, wenn wir jetzt wissen, daß diese schrittweise Marktöffnung so gut ist, diese nicht schon beim Beitritt des österreichischen Staates praktiziert haben. Wenn wir Österreicher wissen, daß dies bei den anderen Staaten, bei den Oststaaten, gut wäre, wieso haben wir das dann nicht bei Österreich selbst gemacht? Sind uns die Österreicher nicht gut genug? Sind uns die Oststaaten mehr wert? – "Das bestmögliche Konzept" – so steht es da.

Dann heißt es weiter, daß sich all diese Überlegungen für die Landwirtschaft auch auf andere Bereiche übertragen lassen, aber speziell in der Landwirtschaft müsse den Staaten eine gewisse Übergangsfrist eingeräumt werden.

Das ist jene Übergangsfrist, meine Damen und Herren, die wir – und am Anfang auch die Kollegen von der ÖVP – beim Beitritt zur EU gefordert haben, nur hat Österreich diese Übergangsfrist nicht bekommen. Jetzt fordert die österreichische Regierung in einer Erklärung, daß den Oststaaten eine Übergangsfrist zukommen solle. Also unserer Regierung sind die Oststaaten mehr wert als die eigenen Bauern! Das ist das haarsträubende Fazit. (Zwischenruf.) – Das ist hier nachzulesen! Was wir für Österreich nicht zustande gebracht haben, fordern wir für die Oststaaten!

Noch einmal gesagt: Ich stelle mich auf die Seite der österreichischen Bauern und nicht auf die Seite der Bauern in den Oststaaten! (Bundesrat Pramendorfer: Die stufenweise Eingliederung, lieber Freund, hat den Sinn...! – Bundesrat Prähauser: Ihre Partei fordert auch die Osterweiterung!)

Zuerst fragt ihr mich etwas, und dann redet ihr so viel und könnt mir nicht zuhören. Ihr müßt euch einmal überlegen: Wollt ihr fragen, oder wollt ihr zuhören? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich kann euch alles erklären! Ich kann euch auch ein Konzept mitgeben, nämlich das freiheitliche Agrarkonzept! Das ist kein Problem! (Bundesrat Prähauser: Bitte bringen Sie es gleich her!) Auf dieses Agrarmodell der Freiheitlichen können wir ruhig warten! (Bundesrat Prähauser: Die Finanzkonzepte der Freiheitlichen sind ruinös für den Staat Österreich, und bei Ihren Landwirtschaftskonzepten ist es genauso!)

Meine lieben Kollegen! Wir werden es erwarten! Die Zeit wird kommen! Wir werden Grund genug haben, über diese Konzepte in diesem Haus zu diskutieren, denn dank eurer Politik werden wir bald in der Regierung sein. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Wunschtraum! – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Früher hat die SPÖ noch viel mehr geschrien, aber nach der letzten Wahl ist sie ziemlich ruhig geworden. (Bundesrat Prähauser: Molterer hat mitgeteilt, er wartet auf Sie!) Im Gegensatz zu vielen anderen kann man mit Minister Molterer ziemlich gut zusammenarbeiten. (Bundesrat Prähauser: Darum ist er ja einverstanden mit Ihnen als Mitarbeiter!) Ja, das ist kein Problem! Minister Molterer versucht ohnehin,


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den Bauern zu helfen, nur hängen ihm die Regierungskollegen wie ein Klotz am Bein und verhindern das leider Gottes.

Der dritte Schwerpunkt meiner Ausführungen ... (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Prähauser. ) – Die kommen immer zum Schluß. Wissen Sie nicht, wie so etwas funktioniert?

Meine Damen und Herren! Der dritte Schwerpunkt meiner Rede befaßt sich ... (Neuerliche Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Präsident Pfeifer gibt das Glockenzeichen.)

Wir können auch eine Fragestunde abhalten, dann haben Sie die Möglichkeit, mit zwei Zusatzfragen an mich heranzutreten. Aber das muß der Vorsitzende bestimmen. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenrufe.) – Momentan bin ich am Wort.

Präsident Josef Pfeifer (das Glockenzeichen gebend) : Herr Kollege Waldhäusl! Wie die Sitzung hier abläuft, und wer Fragen stellt und wer antwortet, das wird wahrscheinlich noch der Präsident mit entscheiden.

Ich bitte Sie, Herr Kollege Waldhäusl, mit Ihren Ausführungen fortzufahren.

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (fortsetzend): Ich möchte mich jetzt dem Problem der nachwachsenden Rohstoffe zuwenden. Da der Präsident nicht für Ruhe und Ordnung hat sorgen können (Bundesrat Prähauser: Das hat er doch!) , war es mir nicht möglich, mich hier verständlich zu artikulieren. (Heftige Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Prähauser: Da ist nicht der Präsident schuld! Es ist Ihre Ausdrucksweise, die wir nicht verstehen! – Ruf bei der SPÖ: Wo sind wir denn?)

Präsident Josef Pfeifer: Herr Kollege Waldhäusl! Ich habe mir eigentlich fest vorgenommen, überhaupt nichts dazu zu sagen. Das war auch der Tenor der heutigen Präsidiale. Sie können sagen, was Sie wollen, nur keine Beleidigungen machen, die eben zu Ordnungsrufen führen müssen. Aber wenn Sie jetzt versuchen, uns und auch mich als Präsidenten zu provozieren, dann haben wir schon Maßnahmen, um Sie hier zur Ordnung zu rufen.

Ich bitte Sie jetzt allen Ernstes, Ihre Rede zu halten.

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (fortsetzend): Ich danke der Vorsitzführung, daß ich jetzt wieder Gelegenheit habe, in meiner Rede fortzufahren, und ich möchte auf das Kernproblem der nachwachsenden Rohstoffe eingehen.

Die nachwachsenden Rohstoffe, sprich erneuerbare Energie, sind heute anläßlich des Umweltberichtes schon aus verschiedenster Sicht diskutiert worden, und ich möchte es hier nicht verabsäumen, aus der Sicht der Landwirtschaft einige Punkte aufzuzeigen.

Die Deckung des Energieaufwandes insgesamt gesehen erfolgt zu 64,3 Prozent aus Importen, zu 34,2 Prozent aus Inlandsaufbringung und zu 1,5 Prozent aus sogenannten Vorräten. Die Inlandsaufbringung wiederum gliedert sich in 14,3 Prozent Wasserkraft, in 12,2 Prozent erneuerbare Energie – hier ist die Energie gemeint, die vom Acker kommen kann, plus die Windenergie –, und der Hauptteil, 81 Prozent, kommt aus dem Bereich Brennholz, Hackschnitzel und Rinde.

Mir geht es hier um die 12,2 Prozent Energie vom Acker. Im Bereich von Pflanzenölen, Stärke, Faserpflanzen, wie Hanf, Flachs und auch RME – Rapsmethylester, also Biodiesel – , gäbe es sehr wohl die Möglichkeit, diesen Anteil von 12,2 Prozent zu erhöhen.

Lösungsansätze, wie wir hier einen Durchbruch im Interesse der Landwirtschaft erreichen können, wären sicherlich ein bundeseinheitlicher Einspeisetarif bei der Stromerzeugung einerseits, um endlich diese Möglichkeit der Stromgewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen zu gewährleisten – über Kraft-Wärme-Kopplung oder andere Arten von Betrieben –, und natürlich auch eine steuerliche Entlastung andererseits.


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Ein EU-Versäumnis ist sicherlich, daß für Energiewald keine Förderung ausverhandelt wurde. In Schweden, England und in der Bundesrepublik Deutschland gibt es Förderungen. Von der BRD habe ich auch die Zahl hier: Es sind zirka 72 000 S, die man auf zwölf Jahre bekommt, wenn man Energiewald aussetzt. Österreich bekommt leider keine Förderung und kann sich mit der Art der Brachenutzung zu einem kleinen Teil sein Geld holen.

Diese Forderungen wurden schon am Biomasse-Tag in Güssing sehr stark vertreten, und ich glaube, daß es im Interesse der Landwirtschaft liegt, daß die erneuerbare Energie, speziell jene vom Acker, zum Durchbruch kommt, sodaß den Bauern eine Einnahmemöglichkeit über die Energieproduktion gewährleistet ist.

Es deckt sich dies auch mit den Empfehlungen der § 7-Kommission nach dem Landwirtschaftsgesetz 1992, von denen ja zwei Anträge, wie wir heute schon gehört haben, auf steuerliche Begünstigungen, Investitionsförderungen und einen einheitlichen Einspeisetarif, der von mir hier schon erwähnt worden ist, abzielen.

Ein interessanter dritter Antrag, der heute auch schon erwähnt wurde – ich habe gerade das Papier von der § 7-Kommission nach dem Landwirtschaftsgesetz –, zielt auf die Anpassung des pauschalierten Mehrwertsteuersatzes von 10 auf 12 Prozent ab. Er ist deswegen so interessant, weil das eine Forderung der Freiheitlichen ist. Ich habe selbst als Vorsitzender der freiheitlichen Kammerräte von Niederösterreich diesen Antrag in der Kammer-Vollversammlung eingebracht. Die ÖVP und die SPÖ haben dort diese Forderung abgelehnt. Jetzt wird das von der § 7-Kommission gefordert. Heute haben wir vom Kollegen Pramendorfer schon gehört, daß das gut ist. Also ein bissel verspätet, aber doch setzt sich die Forderung von Waldhäusl – in der Kammer ist sie abgelehnt worden – durch. (Ruf bei der SPÖ: Wer setzt sich durch?) Der Waldhäusl hat sich durchgesetzt, denn diese Forderung – das ist nachzulesen, Herr Kollege – ist ursprünglich abgelehnt worden.

Ich habe in der Kammer-Vollversammlung noch gesagt, daß das bauernfeindlich ist. Ich begrüße die jetzige Vorgangsweise sehr. Im Gegensatz zu meinen Kollegen bin ich äußerst froh, daß die Kommission den Minister auffordert, und ich nehme an, daß der Minister jetzt wirklich beim Finanzminister vorstellig werden wird, und ich hoffe, daß auch Sie, werter Kollege, beim Finanzminister Ihren Einfluß geltend machen werden. (Bundesrat Prähauser: Er ist gar nicht so klein! Da können wir etwas machen!) – Eben. Darum rede ich ja mit Ihnen, sonst hätte ich mit irgend jemand anderem auch sprechen können. Da ich annehme, daß Sie so ziemlich den größten Einfluß haben werden, hoffe ich, daß Sie hier auch auf ihn im Interesse der Bauern einwirken werden und vergessen, daß Ihre Kollegen diese Forderung in der Kammer bereits abgelehnt haben. (Bundesrat Prähauser: Wenn Sie versprechen, daß Sie sich ordentlich benehmen werden, nehme ich Sie mit!) Ich werde mich immer ordentlich benehmen. (Bundesrat Prähauser: Dann paßt es!)

Herr Kollege! Ich habe das auch heute vorgehabt (Bundesrat Pramendorfer: ... mich ordentlich zu benehmen!) , jedoch war es nicht möglich, auf die Zwischenrufe nicht einzugehen, weil sie so unqualifiziert waren, daß man einfach ein bißchen entgegnen mußte. (Bundesrat Prähauser: ... aufklären müssen!) – Aufklärung? Wir haben hier keine Fragestunde, hat der Präsident gesagt, also kann ich nicht aufklären. Das ist nicht möglich. (Bundesrat Prähauser: Weil Sie nicht wissen, was Sie sagen! – Präsident Pfeifer gibt das Glockenzeichen.)

Ich möchte abschließend noch zwei Punkte anführen, die die Bauern, aber auch einige andere Bürger betreffen. Es ist schade, daß der Herr Minister heute nicht hier ist, aber ich hoffe, Sie, Herr Minister Fasslabend, in seiner Vertretung werden ihm das übermitteln.

Es geht um den Bereich Wasserwirtschaft, Gewässerschutz. Hier ergibt sich folgender Stand: Da gibt es Anlagen bis zu zehn Einwohnergleichwerten, die sogenannten Drei-Kammer-Kläranlagen. Wenn diese bewilligt werden, dann sind sie per Gesetz bis 31. 12. 1996 noch rechtsgültig.


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Es steht nun im Gesetz: Wenn der Anschluß an eine in erster Instanz bewilligte öffentliche Anlage möglich ist, dann hat der Landeshauptmann die Möglichkeit, diese Frist auf fünf Jahre zu erstrecken.

Jetzt gibt es leider Gottes im Waldviertel viele Orte – einem davon gehöre auch ich an –, in denen die Gemeinde noch kein wasserrechtlich bewilligtes Projekt hat. So sind die betroffenen Bürger in folgender Situation: Es gibt keine Genehmigung, also ist der Landeshauptmann nicht berechtigt, diese Frist um fünf Jahre zu verlängern. Daher müßte von seiten der Regierung, von seiten des Ministers dem Landeshauptmann in irgendeiner Weise dazu die Möglichkeit gegeben werden. Das wird aber wahrscheinlich vom Gesetz her nicht gehen. Also bleibt nichts anderes übrig, als das Gesetz auf ein Jahr Aufschub zu ändern, damit man die Möglichkeit hat, den Bauern und den anderen betroffenen Bürgern zu helfen.

Die Gemeinden würden das gerne tun, aber Sie wissen genauso wie ich, da Sie auch in Niederösterreich beheimatet sind, daß die Gemeinden in Niederösterreich, speziell im Waldviertel, finanziell sehr überlastet sind. Der Grund ist nicht, daß die Gemeinden zu faul dazu sind, sondern es ist die finanzielle Hilfestellung leider Gottes nicht in dem Ausmaß möglich, wie wir das bräuchten.

Ich möchte hier für all diese Gemeinden und vor allem auch für deren Bürgermeister eine Lanze brechen. Daran erkennen Sie, wie ernst dieses Thema wirklich ist. Ich stehe hier nicht an, die Bürgermeister in Schutz zu nehmen, die, sollte dieses Gesetz so in Kraft treten, teilweise schon mit dem Staatsanwalt in Konflikt sind, wenn da nicht eingegriffen wird.

Im Interesse der Bürgermeister der betroffenen Gemeinden und vor allem im Interesse der betroffenen Bürger ersuche ich Sie, hier wirklich etwas zu unternehmen. (Beifall des Bundesrates Dr. Kapral. )

Bevor ich meine Ausführungen schließe, möchte ich ein Thema noch kurz streifen – Kollege Pramendorfer hat das auch gemacht –, nämlich die Herodes-Prämie. Es ist schon einige Male darüber diskutiert worden. Es hat geheißen, Minister Molterer habe zugestimmt, aber er werde es in Österreich ein bißchen anders machen, denn bei uns seien die Kälber nicht so alt. Aber er hat zugestimmt. Dann hat es wieder geheißen, er habe es nicht so gemeint.

Ich glaube, daß in Zeiten wie diesen das Problem sicherlich nicht zu lösen ist, indem man neugeborene Kälber schlachtet, liquidiert, zu Tiermehl verarbeitet, nur um einen wirtschaftlichen Vorteil, und zwar nicht für die Bauern, sondern für einige, die an der Landwirtschaft verdienen wollen, zu erzielen. Ich trete hier entschieden gegen diese Art der angeblichen Bewältigung dieses Problems auf, denn sie ist moralisch und ethisch unverantwortlich.

Wenn hier einige Vertreter der ÖVP viel zu spät reagiert und gesagt haben, es werde dann schon etwas anders sein, dann bitte ich sie, sich schleunigst von dieser Unverantwortlichkeit zurückzuziehen und mit ein bißchen mehr Moral und Ethik zu regieren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Pramendorfer. )

19.28

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Payer. Ich bitte ihn, zu sprechen.

19.28

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es würde mir großes Vergnügen bereiten, auf einige Punkte, die Herr Kollege Waldhäusl angesprochen hat, zu replizieren. Ich habe aber heute als Erstredner zu Beginn des Plenums um eine persönliche Zeitbeschränkung gebeten. Ich gönne mir daher dieses Vergnügen nicht, obwohl ich sagen muß, daß ich in einigen Punkten auch mit Kollegen Waldhäusl übereinstimme.

Ich stimme auch mit Herrn Bundesminister Molterer überein, wenn er im Vorwort zum Grünen Bericht meint, daß mit diesem Bericht eine neue Ära der Agrarberichterstattung beginnt. Der Informationsgehalt ist größer geworden, die Analyse wird besser untermauert, die Daten sind sehr


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übersichtlich dargestellt. Hervorzuheben ist auch, daß sowohl die nationale wie auch die europäische Agrarpolitik ausführlich analysiert und dargestellt wird. Diese Fülle von Daten zusammenzutragen, war eine ausgezeichnete Arbeit, und der Grüne Bericht 1995 ist ein hervorragendes Nachschlagewerk für all jene Personen, die politische Verantwortung im Agrarbereich tragen.

Die Darstellung der Einkommensverhältnisse beweist meiner Meinung nach sehr treffend, daß die soziale Staffelung bei Landwirtschaftsförderungen eine unabdingbare Notwendigkeit ist.

Nur sehr ungern erinnere ich mich an die heftigen Auseinandersetzungen während des vergangenen Nationalratswahlkampfes, als wir Sozialdemokraten diese soziale Staffelung forderten und Förderobergrenzen für Großbetriebe festschreiben wollten. Ich werte es aber als ein hervorragendes Zeichen der österreichischen Politik und als Zeichen großer demokratischer Reife und Kompromißfähigkeit, daß es in der Folge gelungen ist, sowohl die Einführung von Sockelbeträgen für Kleinbetriebe als auch Förderobergrenzen für Großbetriebe im Arbeitsprogramm der Bundesregierung festzuschreiben.

Die Ergebnisse des Grünen Berichts bestätigen eindrucksvoll, wie wichtig und notwendig es ist, Agrarförderungen stärker nach sozialen Kriterien zu vergeben. Rätselhaft bleibt es aber, daß im Nationalratsausschuß für Land- und Forstwirtschaft ein diesbezüglicher SPÖ-Antrag nicht die Zustimmung aller Fraktionen erhielt. Der freiheitlichen Fraktion blieb es als einziger Fraktion vorbehalten, diesen Antrag nicht zu unterstützen.

Sehr fortschrittlich dagegen argumentiert Anton Steixner – ich zitiere hier absichtlich den Tiroler Bauernbundobmann –, der am 11. September in der "Presse" sagt: Es geht nicht unbedingt darum, mehr Geld zu bekommen, sondern um die gerechtere Verteilung der vorhandenen Mittel. Bei der Agrarförderung verlangt der Bauernbund einen Sockelbetrag, unabhängig von der Betriebsgröße. So könnte die Benachteiligung von Kleinbetrieben, resultierend aus der Flächen- und Tierbezogenheit der EU-Förderung, verringert werden.

Und weiter führt er in der "Tiroler Tageszeitung" aus: Völlig unverständlich sei es, wenn die Großbetriebe Millionenbeträge an Flächenprämie lukrieren, Kleinbetriebe aber nur denselben Satz pro Hektar und Betriebe unter drei Hektar gar kein EU-Geld bekommen. Für Kleinbetriebe müsse es einen Sockelbetrag geben, während die Förderung für die Agrarriesen reduziert werden sollte.

Auch EU-Kommissär Fischler zeigt sich gegenüber der APA für die Flächengrenze bei Förderungen sehr offen. In einer Meldung vom 13. September heißt es: Ich bin bereit, über die sogenannte Modulation, das heißt eine Begrenzung der EU-Ackerbauprämien ab einem bestimmten Flächenmaß pro Betrieb, zu sprechen, sagte heute EU-Agrarminister Franz Fischler.

Der Ex-Agrarkommissär Mac Sharry sagte gegenüber der APA, daß der Reformplan 1992 die Förderflächengrenze enthalten habe, und er erinnerte angesichts der aktuellen Umverteilungsdebatte in der EU-Agrarpolitik an die absoluten Förderungslimits je Betrieb. Im Kommissionsvorschlag 1991 hat sich immerhin noch eine Deckelung der Flächenstillegungsprämie für Betriebe über 50 Hektar gefunden.

Meine Damen und Herren! All diese Aussagen des politischen Partners, die ich hier zitiert habe, können durch den Grünen Bericht ganz ausgezeichnet unterstützt werden.

Vielleicht noch ein Aspekt dazu: Durch die globalen Liberalisierungstendenzen ist eine verstärkte und rasant zunehmende Auseinanderentwicklung unserer Gesellschaft zu beobachten. Die Landwirtschaft ist von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Daher wird ganz allgemein die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit in allen Bereichen wieder mehr an Bedeutung gewinnen. Durch die zunehmende Budgetknappheit und die zu beobachtende Einengung des Budgetspielraumes verschärft sich diese Verteilungsfrage noch zusätzlich.

Durch die mit der EU-Integration Österreichs erfolgte Änderung der Agrarpolitik in Richtung verstärkte Direktzahlungen wird der Zufluß öffentlicher Mittel in die Landwirtschaft transparenter,


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und die fehlende soziale Ausgewogenheit der Verteilung öffentlicher Mittel wird offensichtlicher. Meine Damen und Herren! Ohne soziale Orientierung bei der Vergabe von Direktzahlungen ist die Akzeptanz der öffentlichen Mittel für die Landwirtschaft bei der übrigen Bevölkerung auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten. Daher wird in Zukunft die Frage der Verteilungsgerechtigkeit öffentlicher Mittel in der Agrarpolitik eine wesentliche Rolle spielen.

Zu einem anderen Kapitel: EU-Landwirtschaft und Osterweiterung. Hier muß ich im Gegensatz zu Kollegen Waldhäusl den Autoren wirklich großes Lob zollen. Sie haben sehr klar die einzelnen Länderanalysen und deren Probleme aufgezeigt. Die Erfüllung der Beitrittskriterien wird für viele dieser Staaten meiner Meinung nach aus zwei Gründen nicht leicht sein: Einerseits besteht ein großes Wohlstandsgefälle zwischen den Ländern der EU und den zukünftigen Beitrittskandidaten, andererseits befinden sich diese Staaten noch mitten im Übergang von der alten kommunistischen Planwirtschaft zu einer funktionierenden Marktwirtschaft. Jedes voreilige Hurra zur angestrebten Osterweiterung ist derzeit, in der momentanen Situation – das sage ich als Burgenländer, der sehr lange am Eisernen Vorhang gelebt hat, der sehr lange die Nachteile des Eisernen Vorhangs gespürt hat –, sicher nicht angebracht. Kollege Pramendorfer hat in einem Zwischenruf – ich glaube, ich habe ihn richtig verstanden – von "stufenweise" gesprochen. Das würde mir ganz gut gefallen. Diesem euphorischen Hurra, das von manchen Seiten kommt, kann ich nichts abgewinnen.

Für mich als Burgenländer ist es natürlich notwendig, auch zum Weinbau einige Anmerkungen zu machen. Das erste Jahr nach dem Beitritt hat für den Weinbau durchaus positive Aspekte gebracht. Es gab steigende Preise, es gab einen erfolgreich verteidigten Heimmarkt, es gab gestiegene Exportzahlen, und die entspannte Marktlage – das muß ich der Vollständigkeit halber hier wirklich anmerken – war und ist auf witterungsbedingte geringere Erntemengen zurückzuführen.

Zur positiven Situation haben natürlich auch die Exportstützungen seitens der EU beigetragen. Noch wichtiger erscheint mir aber der Qualitätsweinexport zu sein, und auch hier ist eine Steigerung feststellbar. Ich möchte diese Zahlen wirklich noch anführen, zum Beispiel den Export nach Deutschland: 1994 waren es 91 000 Hektoliter, 1995 110 000 Hektoliter; Export nach Schweden: im Jahre 1994 5 700 Hektoliter, 1995 10 000 Hektoliter, also beinahe eine Verdopplung des Exports an unseren EU-Partner; Export nach Japan: immerhin eine Steigerung um 6 Prozent; ebenfalls Steigerungsraten gab es bei den Exporten nach Finnland, in die USA, nach Großbritannien.

Vor dem EU-Beitritt hat es gerade für den Bereich des Weinbaus viele Unkenrufe gegeben, diese Unkenrufe haben sich aber Gott sei Dank als unwahr erwiesen. Es wurde da von einer Überschwemmung mit Billigwein aus Italien und Spanien gesprochen; diese Überschwemmung ist wirklich nicht eingetreten. Und die vielzitierte und vieldiskutierte Rodungsaktion wurde ebenfalls – jedenfalls meiner Meinung nach – eher zurückhaltend aufgenommen.

Für wichtig halte ich auch, daß im vorliegenden Bericht angeregt wird, das Angebot an freiem Faßwein zu reduzieren. Das ist eine richtige Maßnahme. Nur durch Qualität – wir haben in Österreich bereits sehr gute Qualität, wir können diese aber auch noch steigern – wird der Weinbau in Österreich auch in Zukunft erfolgreich sein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich sehe im vorliegenden Grünen Bericht eine ausgezeichnete Arbeitsgrundlage, um in Zukunft für unsere Bäuerinnen und Bauern in einem sachlichen und konstruktiven Klima weiterzuarbeiten. Die sozialdemokratische Fraktion nimmt diesen Bericht zustimmend zur Kenntnis. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.41

Präsident Josef Pfeifer: Danke. – Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Aloisia Fischer. Ich erteile es ihr.

19.41

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Bundesräte! Der Grüne Bericht ist ein sehr wesentliches Dokument zur Darstellung der


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Entwicklung und Situation der österreichischen Landwirtschaft. Ein ganz wesentlicher Bestandteil ist die Auswertung der Buchführungsunterlagen von 2 428 bäuerlichen Betrieben und 11 Gartenbaubetrieben.

Ich sehe schon ein, daß es für die Oppositionspartei viel einfacher zu diskutieren wäre, wenn dieser Grüne Bericht 1995 ein negatives Einkommen ausweisen würde. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Ich stimme meinen Vorrednern zu, denn es ist unbestritten, daß nicht alles nach statistischen Werten gesehen werden kann. Dieser Bericht zeigt aber sehr deutlich, daß die betrieblichen Einkünfte stark zurückgefallen sind und nur durch massiven Einsatz öffentlicher Mittel im Durchschnitt eine positive Einkommensentwicklung der Testbetriebe möglich war.

Gerade diese öffentlichen Mittel führen aber manchmal auch bei unseren Bauern zu Unsicherheit, und sie führen auch zu Diskussionen am Stammtisch. Es ist aber ein klares Bekenntnis zu den Ausgleichszahlungen erforderlich, die für unsere Bauernfamilien kein Geschenk sind, sondern der Lohn für sehr wohl erbrachte Leistungen, die sie zu unser aller Nutzen erbringen. Sie sind es, die unsere Lebensgrundlagen und unseren Kulturraum gestalten und erhalten. Unsere Bäuerinnen und Bauern arbeiten hart und wollen hiefür ihren gerechten Lohn. Sie wollen den Anteil am Wohlstand dieses Landes.

Im Jahr 1955 hat die durchschnittliche österreichische Familie noch die Hälfte ihres Einkommens für Ernährung ausgegeben. 1995 waren es nur noch 16 Prozent. Auch dieser Umstand macht den Bauern gewaltige Schwierigkeiten. Nicht alle Betriebe können eine positive Bilanz ziehen. So konnten zum Beispiel leistungsstarke Milchviehbetriebe auf kleinen Flächen, welche den Preisverfall bei Milch, Kälbern und Schlachtvieh voll zu spüren bekamen, die Einkommensdifferenz über die Prämie für diese Betriebskategorie nicht ausgleichen. Das Einkommensplus war nur erreichbar, weil wir bereits im ersten Jahr die europäischen Förderungen im vollen Maße ausgeschöpft haben, und zwar dank unseres guten Interessenvertretungssystems, dank unserer Kammer, bis hin zu den Bezirksbauernkammern, die sehr nahe bei den Bauernfamilien sind und eine entsprechende Beratung und Information vornehmen können.

Es ist bedauerlich – da stimme ich dir, Herr Bundesrat Eisl, zu –, wenn Gelder zurückbezahlt werden müssen. Ich darf aber auch in Erinnerung rufen, daß Herr Abgeordneter Krüger von der Freiheitlichen Partei einen Antrag vorbereitet hatte, der bei falschen Angaben eine strafrechtliche Verfolgung der Bauern verlangt hatte. Ich gestehe auch ein, daß dieser Antrag wiederum zurückgezogen wurde, aber allein die Idee spricht für die Einstellung und spricht für das Denken. (Bundesrat Dr. Bösch: Wo hat er den gestellt, Frau Kollegin?) Im Nationalratsausschuß. (Bundesrat Dr. Bösch: In welchem Ausschuß?) Im Landwirtschaftsausschuß des Nationalrates. (Bundesrat Dr. Bösch: Und gleich wieder zurückgezogen?) Das können Sie sicher ausheben, oder es kann Ihnen besorgt werden.

Der Dank gebührt auch den Konsumenten, die uns die Treue gehalten haben. Dieses Vertrauen brauchen wir auch in Zukunft. Das Hauptaugenmerk muß daher auf eine funktionierende Ursprungs- und Herkunftsbezeichnung gelegt werden. Gerade unsere Bäuerinnenorganisation setzt sich hier massiv ein und arbeitet in allen Bundesländern intensiv mit Erzeuger- und Verarbeitungsbetrieben sowie mit den Konsumenten zusammen.

Von den 2 428 Testbetrieben entfallen 1 074 auf Bergbauernbetriebe der Zone 1 bis 4. In Österreich gab es mit dem Stand 1995 knapp unter 100 000 Bergbauernbetriebe. Durch den Beitritt zur Europäischen Union wurden 1995 benachteiligte landwirtschaftliche Gebiete ausgewiesen. Anspruchsberechtigt für die Ausgleichszulage und die nationale Beihilfe waren rund 126 000 Betriebe. Von den 2 428 Buchführungsbetrieben lagen 1 167 im Berggebiet, 175 im kleinen Gebiet und 167 Betriebe im sonstigen benachteiligten Gebiet.

Die Haupterzeugnisse der Bergbauern sind Milch, Vieh und forstwirtschaftliche Produkte. Obwohl die Einkommensentwicklung günstiger war als bei den Nicht-Bergbauern, erhöhte sich der Einkommensabstand der bergbäuerlichen Betriebe zum Bundesmittel von 25 494 S im Jahre 1994 auf 27 981 S im Jahre 1995. Durch die Zuerwerbstätigkeit konnten das Erwerbseinkommen und das Gesamteinkommen pro Arbeitskraft im Betrieb wieder verbessert werden.


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Neben dieser Einkommensdifferenz innerhalb der Landwirtschaft gibt es trotz der Einkommenssteigerung 1995 noch deutliche Unterschiede zu nicht-landwirtschaftlich Beschäftigten. Als Beispiel wurden im Grünen Bericht Industriearbeiter im Vergleich zum durchschnittliche Erwerbseinkommen herangezogen.

Das Ziel der Einkommenspolitik muß darin liegen, die Verdienstmöglichkeit der Bergbauern an außerlandwirtschaftliche Tätigkeiten heranzuführen; dies auch deshalb, um die Abwanderung der jüngeren Generation zu stoppen. Die österreichischen Bauern haben sehr viele Ideen und Initiativen selbst entwickelt, um Kosten zu sparen und Einkommen zu sichern, das heißt, aus eigener Kraft mit neuen Mitteln die Existenz zu sichern, und es war immer Brauch, es war immer gang und gäbe, daß wir Nebenerwerbs- und Zuerwerbsbetriebe hatten. Dies ist keine Erscheinung aus dem ersten Mitgliedsjahr zur Europäischen Union. (Beifall des Bundesrates Pramendorfer. )

Ausgaben wurden durch den Ausbau von Maschinen- und Betriebshilferingen gespart. Einkommen wurden durch die verstärkte Aufnahme der Direktvermarktung, durch Urlaub am Bauernhof und vieles andere zusätzlich erworben. Es stimmt schon, es sind im wesentlichen die Bäuerinnen, die versuchen, in Eigenverantwortung die Arbeits- und Einkommenssituation zu verbessern, aber es sind auch die Bäuerinnen, die in Eigenverantwortung und in partnerschaftlichem Miteinander den Bauernhof zum Unternehmen erklären und den Bauernhof im unternehmerischen Denken führen.

Die Landwirtschaft in den Berggebieten ist aufgrund der topographischen und klimatischen Verhältnisse von erschwerten und teureren Lebens- und Produktionsbedingungen geprägt. Sie wird von der geringeren Ertragsfähigkeit der Böden und kürzeren Vegetationszeiten eingeschränkt. Generell hat der Bergbauer höhere Produktions- und Infrastrukturkosten, die nicht durch höhere Erlöse ausgeglichen werden können. Es ist jedoch strukturpolitisch wichtig, den Arbeitsplatz Bauernhof zu erhalten. Damit dies geschieht, sind einige Zielsetzungen besonders aktuell, zum Beispiel die Aufrechterhaltung des Quotensystems zum Schutz der bäuerlichen Produktion auch nach dem Jahr 2000.

Der Ausgleichszulagenhöchstbetrag von derzeit 2 412 S pro Hektar soll angehoben werden, um den extremen Verhältnissen in den höheren Zonen mehr entsprechen zu können. Außerdem soll die Ausgleichszulage laufend der Geldentwertung angepaßt werden.

Ein nächster Punkt wäre: Seit 1976 wird die Zonierung in der Förderung angewendet. Zur Verbesserung dieses Systems wurde das Konzept des neuen Berghöfekatasters in Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaftsministerium, Vermessungsamt und Landwirtschaftskammern entwickelt. Es ist zu hoffen, daß die Hangneigungsergebniserhebung für das zweite ÖPUL-Programm ab dem Jahr 2000 zur Verfügung steht und ebenso der darauf wesentlich aufbauende neue Berghöfekataster.

Ein nächster Punkt: Obwohl fast 70 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ins benachteiligte Gebiet einbezogen wurden, blieben in Österreich zirka 2 200 Bergbauernverordnungsbetriebe auf der Strecke. Diese bekommen nur die nationale Beihilfe, nicht aber die Ausgleichszulage. Im Zuge der laufenden Nachjustierung ist zu hoffen, daß vor der Förderungsabwicklung 1997 entsprechende Entscheidungen fallen und daß die österreichischen Vorschläge dabei weitgehend Berücksichtigung finden.

Die Agrarpolitik setzt Rahmenbedingungen, und es müssen in diesen Rahmenbedingungen viele Schienen und vielfältiges Bewirtschaften des Bauernhofes möglich sein. Die Einkommenskombination war im Berggebiet immer schon stark verbreitet und ist für viele Bergbauern zur Existenzsicherung notwendig. Es ist daher notwendig, diese Tätigkeiten im Raumordnungs-, Bau- und Gewerberecht zu erleichtern und nicht zu erschweren.

Es sind auch die Art und der Umfang der Formulare zu überdenken. Und es ist auch der Auszahlungstermin der Förderungen zu überdenken, denn es bereitet unseren bäuerlichen Familien große Sorgen, daß sie während des Jahres wohl die laufenden Zahlungen zu tätigen haben, die


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Förderungsauszahlungen aber sehr spät zu den Bauernfamilien kommen. (Beifall des Bundesrates Eisl. )

Der Grüne Bericht des Herrn Bundesministers ist ein sehr wertvolles Dokument, und er stellt dem Herrn Bundesminister und den Verhandlern anläßlich des Beitrittes zur Europäischen Union – ich darf hier stellvertretend für alle Herrn Präsidenten Schwarzenberger nennen – ein sehr positives Zeugnis aus. Ich bedanke mich im Namen der Bauernfamilien dafür.

Dafür, daß auch in Zukunft die Rahmenbedingungen stimmen, sind unser Herr Bundesminister Molterer und der Bauernbund in der ÖVP die besten Garanten. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP.)

19.53

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gelangt Herr Engelbert Weilharter. – Herr Bundesrat, bitte.

19.53

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich darf auf zwei Punkte, die Kollege Prähauser genannt hat, kurz Bezug nehmen.

Zunächst zu seiner Aussage, daß von meinem Bundesparteiobmann vorgeschlagen worden wäre, die Mittel für die Landwirtschaft um 50 Prozent zu kürzen. Ich darf der sozialdemokratischen Fraktion und im besonderen Kollegen Prähauser mitteilen, daß es selbstverständlich ein Weg wäre, wenn die Rahmenbedingungen stimmten, das heißt, wenn wir eine Budgetwahrheit hätten und nicht öffentliche Interessen, wie Lawinenverbau, Flußverbau, Hofreitschule und vieles mehr, dem Agrarbudget zugezählt würden.

Diese Reduzierung könnte auch vorgenommen werden, wenn die Mittel gerechter und effizienter eingesetzt würden und eine offensive Agrarpolitik gemacht werden würde.

Zweiter Punkt – noch einmal replizierend auf die Ausführungen von Kollegen Prähauser –: Ich bin es gewohnt, daß die Argumentation seiner Fraktion immer dahin geht, daß sie für die Schwachen, für die Kleineren in dieser Gesellschaft eintritt. Ich bin aber recht verwundert darüber, daß er diesen Bericht in seinen Ausführungen, ohne zu differenzieren, generell positiv hingestellt hat. Es ist in diesem Bericht sehr deutlich dokumentiert, daß im Bezirk Flachgau in Salzburg die Bauern das geringste Einkommen haben. Es wird hier graphisch ein Einkommen bis maximal 150 000 S ausgewiesen. Gerade in diesem Bezirk Flachgau sind die öffentlichen Mittel am dünnsten gesät, das heißt, die öffentlichen Mittel sind dort am niedrigsten und liegen in einer Größenordnung von 100 000 S bis maximal 200 000 S. Und dem gegenüber weist diese Graphik in diesem Grünen Bericht aus, daß es sehr wohl landwirtschaftliche Strukturen in Österreich gibt, in denen das jährliche landwirtschaftliche Einkommen in einer Größenordnung von 600 000 S und darüber liegt und daß gerade in diesem Gebiet, meine Damen und Herren, die Förderungsmittel auch eine Größenordnung von bis zu einer halben Million Schilling, bis zu 500 000 S, jährlich erreichen. Meine Damen und Herren! Man sollte sehr wohl bei Durchsicht dieses Grünen Berichtes differenzieren. Und das war von meinem Bundesobmann und von mir gemeint, wenn wir von einer gerechteren Verteilung dieser Förderungsmittel sprechen.

Meine Damen und Herren! Damit bin ich auch schon beim Inhalt dieses Berichtes. Ich kann Ihnen versichern, ich habe diesen Bericht einige Male sehr genau gelesen, und ich habe diesen Bericht auch von Bekannten und Freunden sehr genau lesen lassen. Es ist mir, aber auch jenen Damen und Herren, denen ich den Bericht zur Verfügung gestellt habe, nicht gelungen, in diesem Bericht die von Vizekanzler Dr. Schüssel genannten Einkommenssteigerungen in der Höhe von 22,5 Prozent zu finden.

Das Gegenteil, meine Damen und Herren, ist laut diesem Bericht der Fall. Der Bericht spricht nämlich von einem Einkommensrückgang in einer Größenordnung zwischen 17 und 46 Prozent, je nach Betriebsstruktur und unter Berücksichtigung des Forstanteiles bei den jeweiligen Betrieben. – Das ist die Realität in diesem Bericht, meine Damen und Herren!


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Wenn man das Steuergeld, die sogenannten öffentlichen Förderungsmittel und Zuschüsse, abzieht oder – umgekehrt betrachtet – wenn man die öffentlichen Förderungsmittel, die Zuschüsse, die den Bauern gewährt werden, nicht hinzurechnet, dann, meine Damen und Herren, ist das das tatsächliche Einkommen in der Landwirtschaft. Das ist nichts anderes als eine Bestätigung der verfehlten Agrarpolitik insgesamt, weil der Bedarf in diesem Bereich so hoch ist.

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei und vom Bauernbund! Ich habe Ihre Aussagen sehr wohl noch im Ohr, ich erwähne nur Schlagworte. Sie haben propagiert: weitere Standbeine innerhalb der Landwirtschaft. Sie haben propagiert, es sollten Alternativen in der Landwirtschaft gesucht werden. Sie haben propagiert: Österreich wird im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft der Spezialitätengarten, Österreich wird der Feinkostladen, und vieles mehr an Schlagworten haben Sie propagiert, meine Damen und Herren! Leider ist es in diesem Bereich nur bei Schlagworten geblieben.

Wieder ein Kapitel, eine Facette aus diesem Bericht. Ich nehme das Kapitel "Landwirtschaft und Tourismus" heraus. Es geht sehr deutlich aus diesem Bericht hervor, daß ein permanenter Rückgang der Nächtigungszahlen zu verzeichnen ist: 1994 minus 3,7 Prozent bei den landwirtschaftlichen Beherbergungen, 1995 minus 4,3 Prozent bei den Beherbergungen im landwirtschaftlichen Bereich.

Wenn, meine Damen und Herren, wie hier in diesem Bericht vermerkt, die Aktivität und die Reaktion des Ministers nur darin bestehen, daß als Ursache dafür genannt wird, daß für diese negative Entwicklung im landwirtschaftlichen Tourismus die Kategorie, die Ausstattung der Bauernhöfe eine Rolle spielt, daß der Standort mit schuld ist an dieser negativen Entwicklung, daß der Zustand der Bausubstanz der Bauernhöfe eine wesentliche Rolle spielt, und wenn darin auch vermerkt wird, daß das Angebot, daß die Erlebnisqualität und vieles mehr für diese negative Entwicklung entscheidend sind, dann, meine Damen und Herren, muß ich Ihnen sagen, es ist eigentlich das Eingeständnis dafür, daß man sehr wohl die Situation vor Ort am Hof erkennt, aber es ist in diesem Bericht keine Alternative und keine Gegenmaßnahme zu finden.

Ich hätte mir aufgrund dieser Tatsachen im landwirtschaftlichen Tourismus erwartet, daß in diesem Bericht von seiten des Ministers zum Beispiel darüber Aussagen getroffen werden, wo die künftigen Märkte für Urlaub am Bauernhof zu finden sind. Ich hätte mir erwartet, daß in diesem Bericht eine Aussage getroffen wird, wie das landwirtschaftliche Tourismus-Marketing künftighin aussehen soll. Ich hätte mir erwartet, daß darin Aussagen getroffen werden, wo die Zukunft des Tourismus in der Landwirtschaft liegt. Dem ist nicht so, sondern das Gegenteil ist, wie schon erwähnt, der Fall. Es sind nur lapidare Feststellungen enthalten, mit denen man der Landwirtschaft nicht dienen kann.

Meine Damen und Herren! Nur diese kleine Facette und vieles mehr wurden schon ausgeführt. Das ist sicherlich Anlaß genug, daß meine Fraktion diesem Bericht ihre Zustimmung nicht geben wird.

Wenn nur am Titelblatt dieses Berichtes die Bezeichnung "Lebensministerium" zu finden ist, dann, so meine ich, ist das zu wenig, um das Überleben der Bauern zu sichern. Wenn die Entwicklung der Einkommenssituation der Landwirtschaft so dramatisch weitergeht, das heißt, daß täglich Menschen von den Bauernhöfen abwandern, dann wird über kurz oder lang jener Tag, den wir alle hoffentlich nicht wollen, kommen, nämlich daß es nur mehr einen Überlebenden in der Landwirtschaft gibt, nämlich das Ministerium. Dieser Entwicklung sollten wir gegensteuern und diesen Bericht ablehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.02

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner. Ich bitte ihn, zu sprechen.

20.02

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wie die Kolleginnen und Kollegen in ihren Beiträgen ausgeführt haben, ist


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dieser Grüne Bericht sehr informativ, übersichtlich und aussagekräftig. Ich kann mich dem nur anschließen.

Als wichtigstes Ergebnis ist zu vermerken, daß das Jahr 1995 ein gutes Jahr gewesen ist. Bei allen Betrieben waren überdurchschnittliche Einkommenszuwächse zu verzeichnen. Festgehalten muß auch werden, daß Gunstlagebetriebe, vor allem Marktfruchtbetriebe, 1994 und auch 1995 die höchsten Zuwächse hatten.

Grundsätzlich stellen die SPÖ-Bauern Oberösterreichs fest: Je höher die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft sind, umso höher sind auch die Anteile der öffentlichen Gelder. Gerade in diesem Falle ist die Einführung eines Sockelbetrages unabhängig von der Betriebsgröße erforderlich, um die hohen Fixkosten einigermaßen auszugleichen und damit eine gerechtere Verteilung der vorhandenen Mittel zu gewährleisten.

Die Ergebnisse des Grünen Berichtes 1995 bestätigen die Bemühungen, die Agrarförderungen stärker nach sozialen und regionalen Kriterien zu vergeben. Bei der Einführung von Sockelbeträgen ist darauf Bedacht zu nehmen, daß eine Umschichtung der Fördergelder von Gutsbetrieben zu den bäuerlichen Kleinbetrieben innerhalb des Agrarbudgets erfolgt. Diese Feststellung wird von den SPÖ-Bauern immer wieder gemacht und nach einem Vergleich, den ich hier anführen darf, auch untermauert.

Die durchschnittlichen ermittelten Einkommen im Marktfruchtbetrieb betragen 289 933 S mit einem Anteil von 81 Prozent an öffentlichen Geldern. Bei Bergbauern sind es 147 890 S mit einem Anteil von 66 Prozent und bei den Hochalpengebieten 144 114 S mit 59 Prozent.

Die Bauern Oberösterreichs stellen, wie ich schon sagte, fest – ich darf hier zitieren –: Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die höchsten Summen der Förderungen zu den großen Ackerbauern transferiert wurden. Während 80 295 landwirtschaftliche Betriebe in der Förderungskategorie zwischen 0 und 50 000 S liegen und somit im Durchschnitt 22 069 S erhielten, bekamen 469 landwirtschaftliche Betriebe, die über 1 Million Förderung liegen, im Durchschnitt 2,044 Millionen pro Betrieb und Jahr.

Abschließend stellen sie fest: Diese Zahlen bestätigen, daß Obergrenzen und soziale Staffelungen, wie immer gefordert, dringendst notwendig sind – ein durchaus erreichbares Ziel. Es sollte in absehbarer Zeit für die Bauern in den schwierigen Produktionslagen, Bergbauern und benachteiligten Betriebe, zumindest eine Gleichstellung erreicht werden.

Weitere Ziele werden von den SPÖ-Bauern Oberösterreichs genannt: Mehr Gerechtigkeit bei den Agrarförderungen, eine Reform der EU-Ausgleichszulage mit dem Ziel, die Bergbauernbetriebe besonders in den höheren Zonen beispielsweise mit Sockelbeträgen finanziell besserzustellen, eine Gleichstellung der Grünlandbauern mit den Ackerbaubetrieben bei den Förderungsmöglichkeiten, eine Gleichbehandlung der Nebenerwerbsbauern mit den Vollerwerbsbetrieben im agrarischen Investitionsförderungsprogramm, mehr Gerechtigkeit in der bäuerlichen Sozialpolitik bei der Beitragsaufbringung und die Abschaffung des fiktiven Ausgedinges bei Ausgleichszulagenempfängern in der bäuerlichen Pensionsversicherung.

Für den wirklich übersichtlichen und aussagekräftigen Grünen Bericht gilt es, danke zu sagen. Es ist das eine wertvolle Arbeitsgrundlage.

Mit der Feststellung, daß die Sorgen und Probleme der Bauern ernstzunehmen und von uns allen mit größter Vorsicht und Umsicht zu betrachten sind, und wir uns gemeinsam um Lösungen bemühen müssen, darf ich schließen und Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit danken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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20.07

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Weiters zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Grete Pirchegger. Ich bitte sie, zu sprechen.

20.07

Bundesrätin Grete Pirchegger (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Plenum wird heute der Grüne Bericht 1995 – es ist dies der erste Grüne Bericht seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union – behandelt.

Ich möchte hier allen Bäuerinnen und Bauern für die Aufzeichnungen, die sie gemacht haben, danken. Es ist viel Arbeit, und ich weiß es genau, denn ich habe selbst 27 Jahre lang Aufzeichnungen für den Grünen Bericht gemacht. Aber es ist für uns ein wertvolles Nachschlagewerk, und hier gebührt auch den Beamten des Landwirtschaftsministeriums ein großes Dankeschön. (Beifall bei der ÖVP.)

Der vorliegende Grüne Bericht vermittelt wiederum einen wertvollen Einblick in die wirtschaftliche, soziale und ökologische Lage unserer Bauern. Er stellt insbesondere auch die Auswirkungen des EU-Beitrittes auf die heimische Agrarwirtschaft umfassend dar. Die neuen GATT- und WTO-Regelungen einerseits und der EU-Beitritt Österreichs brachten für die österreichische Agrarwirtschaft einschneidende Änderungen der Markt- und Preissituation sowie auch des gesamten agrarischen Förderungssystems mit sich.

Durch den Wegfall des hohen Grenzschutzes seit dem 1. Jänner 1995 ist die österreichische Land- und Forstwirtschaft dem vollen Wettbewerb des EU-Binnenmarktes ausgesetzt. Sie hat damit gleichzeitig auch den freien Zugang zum weltweit größten und kaufkräftigsten Markt erreicht. Der Grüne Bericht zeigt deutlich, daß die Öffnung der Märkte für Österreich nicht jene Konsequenzen gebracht hat, die man vor dem Beitritt befürchtet hat, nämlich daß eine große Überschwemmung mit Produkten aus den mit uns in Wettbewerb befindlichen Ländern erfolgen werde.

Hier muß man ein herzliches Danke an unsere Konsumenten richten. Sie haben uns die Treue gehalten, sie haben hochqualitative Produkte von unseren österreichischen Bauern gekauft. Ich bitte die Konsumenten, uns auch in Zukunft das Vertrauen zu schenken und unsere Produkte zu kaufen.

Wir Bäuerinnen haben in der Vergangenheit an dieser Qualitätsschiene gearbeitet und werden dies auch in Zukunft tun. Ich möchte hier die Aktion "Land und Wirt" erwähnen. In unserer Nachbargemeinde St. Lorenzen hat Herr Reitbauer das Wirtshaus "Steirereck", wo die Zusammenarbeit zwischen Bauer und Wirt ausgezeichnet funktioniert. Es müßten mehrere Wirte bei der aktion "Land und Wirt" mitmachen. Solche Aktionen werden uns auch in Zukunft helfen, unsere Produkte an den Mann zu bringen.

Das durch die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik neu gestaltete EU-Förderungssystem, bei dem die teilweise enormen Erzeugerpreissenkungen durch Direktzahlungen und flankierende Maßnahmen weitgehendst ausgeglichen werden, bedingt eine wesentliche Ausweitung der öffentlichen Gelder für die Bauernschaft. Diese Umstellung des agrarischen Förderungssystems stellte sehr wohl für die Bauern als auch für die Förderungsstellen des Bundes und des Landes sowie an die bäuerlichen Interessenvertretung eine gewaltige Herausforderung dar. Der verwaltungstechnische Aufwand war enorm.

Ich möchte den Dank an die Mitarbeiter der Landwirtschaftskammern aussprechen, so wie es auch unsere Bundesbäuerin schon gemacht hat, denn unsere Bauern haben sie bei dieser Antragsbewältigung sehr unterstützt.

Durch die Ausgleichszahlungen konnten die bäuerlichen Einkommenseinbußen ausgeglichen werden. Maßnahmen zur Produktionsbeschränkung sowie ökologische Akzente wurden gesetzt. Das mit dem EU-Beitritt in Österreich eingeführte ÖPUL-Programm motiviert die Bauern, verstärkt ökologisch zu wirtschaften. 1995 haben 35 000 steirische Betriebe daran teilgenommen. Dazu kommt, daß die steirischen Biobauern stark unterstützt werden. Die Steiermark hat bereits 3 200 Biobauern. 1990 waren es 300. Eine Ausweitung auf 5 000 bis 8 000 Biobetriebe in den nächsten fünf Jahren ist realistisch.


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Schlimm ist die Situation auf dem Rindermarkt. Die englische Rinderseuche hat die Situation zusätzlich verschärft. Insgesamt hat die steirische Rinderwirtschaft seit Ausbruch der BSE-Seuche bereits 69 Millionen Schilling verloren. Dabei sage ich immer wieder: Unser Rindfleisch von den steirischen Almen müßte eigentlich teurer sein und nicht billiger werden. Das ist etwas, was ich überhaupt nicht verstehe. Ich möchte hier auch erwähnen, daß wir sehr dankbar sind, daß unser Bundesminister diesbezüglich auch viele Aktionen setzt (Beifall bei der ÖVP) , unter anderem auch eine Kalbfleischaktion. Wir Bäuerinnen werden den Bundesminister diesbezüglich nach dem Modell von Vorarlberg besonders unterstützen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Dr. Tremmel: ... das verstehe ich nicht!)

Das glaube ich, daß Sie das nicht verstehen, weil Sie ja von den Bauern wirklich – so glaube ich – nicht viel verstehen!

Steiermarkweit werden im Jahr 1996 1 500 Betriebe die Rinderhaltung aufgeben. Was das für unsere Landschaft und für unseren Fremdenverkehr bedeutet, davon kann sich jeder ein Bild machen. Grundsätzlich konnten laut Grünem Bericht die Einkommenseinbußen im Jahr 1995 durch die Ausgleichszahlungen ausgeglichen werden. An die steirischen Bauern wurden 4,1 Milliarden Schilling ausbezahlt. 1 Milliarde davon kommt vom Land Steiermark. Ein paar steirische Betriebsbeispiele:

Ein kleiner Bergbauernbetrieb, 11,2 Hektar Nutzfläche, 10 Kühe, hat 1995 einen Einkommenszuwachs von 4 Prozent erwirtschaften können. (Ruf bei den Freiheitlichen: Mit Zuschüssen!) Ohne Ausgleichszahlung, Herr Kollege, wäre das Einkommen um 18 Prozent gesunken. (Ruf bei den Freiheitlichen: Daher ist es kein echtes Einkommen!)

Herr Kollege! Man muß auch die Ausgleichszahlungen zum Einkommen rechnen. Ich glaube, das wissen wir alle, nur Sie vielleicht nicht!

Bei einem Ferkelerzeugerbetrieb mit 5,7 Hektar und 17 Zuchtschweinen ist das Einkommen um 7 Prozent gestiegen. Von 10 900 S auf 11 600 S! Ohne Ausgleichszahlung wäre das Einkommen um 24 Prozent gesunken. Solche Beispiele könnte man mehrere erwähnen.

Erfreulich ist noch, daß zu dem Einkommensfluß bestimmt auch kommt, daß die Bauern im vergangenen Jahr einen geringen Aufwand an Betriebsmitteln hatten, zum Beispiel einen geringen Anteil von Kraftfutter und Düngemittel.

Ich möchte betonen: Ohne diese Ausgleichszahlungen wäre eine funktionierende Landwirtschaft nicht möglich. Es ist ein Verdienst der Agrarpolitik dieser Bundesregierung, an der Spitze unseres Herrn Bundesministers Molterer. Auch wirkt sich die gute Zusammenarbeit unseres Bundesparteiobmanns Vizekanzler Schüssel mit unserem Bundesminister Molterer besonders gut aus, und das kommt uns Bauern zugute.

Möge der Grüne Bericht 1995 bei allen Interessierten und Verantwortungsträgern für die Sorgen und Probleme der Bauern und der gesamten Land- und Forstwirtschaft Verständnis wecken. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.17

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Johann Penz. – Bitte.

20.17

Bundesrat Ing. Johann Penz (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Grüne Bericht des Jahres 1995 stand natürlich im Zeichen des Beitrittes der Land- und Forstwirtschaft zur Europäischen Union und der Übernahme der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union. (Bundesrat Konečny: Nur für Sie, Kollege!) Das bedeutete natürlich auch für die österreichischen Bauern einen Wechsel im Agrarregime, das bedeutete tiefgreifende Änderungen in den Organisationen der Märkte. Das bedeutete tiefgreifende Änderungen in der Preispolitik, in der Agrarförderung und natürlich auch in den Wettbewerbsverhältnissen.


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Die österreichischen Bauern haben diese Herausforderung, diese Probleme in großartiger Weise bewältigt. Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat zum Einkommen des Jahres 1995, über das wir heute diskutieren, folgendes festgestellt – ich darf zitieren –:

"Vor dem Hintergrund des guten Ergebnisses im Vorjahr 1994 und angesichts des schwierigen Überganges in den EU-Binnenmarkt ist das nominelle und reale Einkommen je Beschäftigtem im Agrarsektor im ersten Jahr 1995 gewachsen und ein bemerkenswerter agrarpolitischer Erfolg."

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Polemik, die hier von der Opposition gemacht wurde, läßt sich einfach mit diesem zusammenfassenden Beurteilungsergebnis des Wirtschaftsforschungsinstitutes aus der Welt schaffen. Ich möchte daher auf all die Diskussionen und auf die Details gar nicht eingehen, sondern nur die Frage stellen, die Kollegin Fischer bereits auch gestellt hat: Was will denn dieser Grüne Bericht überhaupt? – Dieser Grüne Bericht ist ein Dokument und möchte langfristig feststellen, wie die Einkommensentwicklung in der Land- und Forstwirtschaft ausschaut.

Es ist erfreulich, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß wir 1995 diese Probleme des EU-Beitrittes großartig bewältigt haben. Ich wundere mich jedoch, daß Redner, die vorgeben, von der Landwirtschaft etwas zu verstehen, herausgehen und sagen, das Jahr 1995 sei ein außergewöhnliches Jahr. Wir wissen doch, daß in der Landwirtschaft die Einkommenssituation sehr wesentlich von den Witterungsverhältnissen abhängt. Wir haben schon Jahre gehabt, in denen aufgrund von Naturkatastrophen Einkommenszuwächse zu verzeichnen waren. Ich erinnere an den Windwurf in der Forstwirtschaft, der einen enormen Holzeinschlag zur Folge hatte und aufgrund dessen auf einmal die Einkommenssituation in einem Jahr völlig anders ausgeschaut hat.

Daher bin ich sehr dankbar für das, was Frau Kollegin Fischer gesagt hat, daß nämlich die Beurteilung in der Landwirtschaft eine längerfristige sein muß, und wir auch aufgrund der Längerfristigkeit die jeweiligen Maßnahmen zu setzen haben.

Meine Damen und Herren! Wenn von einem meiner Vorredner behauptet wurde, daß die Glaubwürdigkeit des Grünen Berichtes – wortwörtlich – an der Realität vorbeigeht – er hat diesen Bericht in Frage gestellt –, dann heißt das nichts anderes, als die Arbeit aller buchführenden Betriebe in Frage zu stellen. Das heißt mit anderen Worten, denen zu unterstellen, daß sie bewußt falsche Zahlen liefern, um diesen Bericht zu manipulieren. Meine Damen und Herren! Das ist eine Unterstellung, die ich im Interesse der Bauern auch auf das schärfste zurückzuweisen habe. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube auch, daß – um nur stichwortartig auf einige Einwendungen meiner Vorredner einzugehen – der Vorschlag, die Erwerbskombinationen abzulehnen, an der Realität der österreichischen Agrarpolitik vorbeigeht. Wenn man schon behauptet, man habe den Grünen Bericht gelesen, dann bitte ich, auch die Agrarstatistik nachzulesen, wo nämlich steht, daß es im Jahre 1993 267 000 bäuerliche Betriebe gegeben hat, von denen 90 000 eine Flächenausstattung haben, die kleiner ist als fünf Hektar.

Was heißt denn das mit der Ausnahme einiger wirklich intensiv wirtschaftender Gemüsebetriebe, Gartenbaubetriebe? – Das heißt, daß diese Betriebe aufgrund der Flächenausstattung ja gar keine Möglichkeit haben, in der Land- und Forstwirtschaft das Erwerbseinkommen für eine ganz Familie zu sichern.

Es ist auch zu beachten, daß es in Österreich etwa 90 000 weitere bäuerliche Betriebe gibt, deren Flächenausstattung zwischen 5 und 20 Hektar beträgt. Daher ist es richtig, daß wir in der Agrarpolitik nicht Voll- und Nebenerwerbsbauern getrennt haben, da es uns gelungen ist, diese Einheit aufrechtzuerhalten und auch vielen bäuerlichen Betrieben aufzuzeigen, daß sie in der Landwirtschaft alleine nicht ihr Einkommen sichern können, sondern daß im Rahmen der Weiterbildung, im Rahmen der Schulausbildung, im Rahmen von Kammerveranstaltungen die Möglichkeit geboten werden soll, daß sich diese Leute ein zusätzliches finanzielles Standbein


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schaffen können, um am allgemeinen Wohlstand auch teilhaben zu können. Das ist ja das Ziel einer vernünftigen Agrarpolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es ist auch eine Diskriminierung zu sagen, auf diese Nebenerwerbsbauern brauche man nicht stolz zu sein. Immerhin haben wir 149 000 bäuerliche Betriebe, die auf ein zusätzliches Einkommen angewiesen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dann sage ich Ihnen noch etwas, weil immer wieder von dem Strukturwandel gesprochen wird: Diesen Strukturwandel erlebten wir vor dem Beitritt zur Europäischen Union, den werden wir auch weiter haben – ich habe das ja schon gesagt – aufgrund dieser Flächenausstattung, natürlich auch aufgrund des Interesses. Es ist ja nicht so, daß heute jemand, der in einen bäuerlichen Betrieb hineingeboren wird, auch diese Interessenlage mitbringt und bereit ist, diesen Betrieb auch weiterzuführen. Wir haben das auch zu akzeptieren, wenn der eine oder andere sagt, er möchte in einem anderen Beruf sein Einkommen erwirtschaften.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Eisl hat gesagt, die Freiheitliche Partei hätte ein offenes Ohr, sie höre immer zu, was die Bauern sagen. Ich darf das ergänzen: Ich bin überzeugt davon, daß die Freiheitliche Partei zwei offene Ohren hat: Bei einem geht es hinein und beim anderen wieder hinaus. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.) Denn anders wäre es nicht denkbar, daß man die schwierige Situation, die es derzeit in der Landwirtschaft zugegebenermaßen gibt, so verniedlicht.

Meine Damen und Herren! Wir haben im Jahre 1996 ja natürlich eine völlig andere Situation. Aber ich bitte auch zu sehen, daß es gerade in dem schwierigen Bereich, der angesprochen wurde, der Rinderwirtschaft, eine Reihe von Erleichterungen gegeben hat, um dieses Los einigermaßen in den Griff zu bekommen.

Das war nicht nur die Frage der Auszahlung des Hartwährungsausgleiches, weil es ja aufgrund unserer intensiven Exportbemühungen mit Italien diesbezüglich Einbußen gegeben hat. Wir haben bereits 340 Millionen Schilling für einen BSE-Ausgleich erhalten. Es wurden beim letzten Agrarministerrat weitere 140 Millionen Schilling für Österreich vereinbart.

Wer genau hingehört hat, der wird auch mitbekommen haben, daß der Präsident der Landwirtschaftskammer, Schwarzböck, gesagt hat, wir wollen eine nationale Ergänzung dieser BSE-Ausgleichszahlungen, wie es andere Länder auch haben. Ich hoffe, daß auch im Rahmen von Finanzverhandlungen eine Möglichkeit besteht, diese Zahlungen auch noch national zu erreichen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Es wurde weiters erreicht, daß die Rinderprämie auf 1 850 S, also um 24 Prozent gegenüber dem Jahre 1995 aufgestockt wurde. Es gibt eine Extensivierungsprämie von 750 S, gerade für Betriebe, die jetzt aufgrund der schwierigen Situation den Rinderbestand abstocken und nur mehr eine Großvieheinheit halten werden. Es gibt darüber hinaus eine Rindfleischintervention, die insgesamt 550 000 Tonnen ausmachen wird.

Ich glaube, es sind in diesen Bereichen eine Reihe von Maßnahmen gesetzt worden, wodurch man erkennen kann, daß die Bauern nicht im Stich gelassen werden, sondern man bereit ist, ihnen auch zu helfen.

Wenn immer wieder behauptet wird, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, daß es 1996 eine Kürzung bei den Auszahlungen gegeben hat, dann bitte ich wirklich, zu sehen und nachzulesen, daß wir 1 Milliarde Schilling mehr alleine im ÖPUL-Programm zur Auszahlung gebracht haben.

Herr Kollege Waldhäusl! Damit Sie das auch wissen: Es konnten in Brüssel auch 2,3 Milliarden Schilling zusätzlich an ÖPUL-Maßnahmen für Österreich herausverhandelt werden, rückwirkend für die Jahre 1995 und 1996. Wir sind zuversichtlich, daß auch in den kommenden Jahren eine Aufstockung seitens der Europäischen Union in diesem Bereich denkbar ist. Diesbezüglich von


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einer Kürzung zu reden beziehungsweise zu behaupten, daß die bäuerlichen Interessen nicht wahrgenommen werden, ist ein sehr starkes Stück.

Genauso ist es ein starkes Stück und grenzt eigentlich an Hybris, wenn heute gesagt wird, Kollege Waldhäusl war der Erfinder, daß der Mehrwertsteuersatz von 10 auf 12 Prozent angehoben wird. Herr Kollege Waldhäusl! Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, denn diese Forderung ist schon bei den Beitrittsverhandlungen im Jahre 1994 diskutiert und festgeschrieben worden, als gesagt wurde, man muß auch diese Ergebnisse abwarten, wie sich das insgesamt auf die Landwirtschaft auswirkt. Wir sehen in der Zwischenzeit, daß eine reale Auswirkung vorhanden ist, daß die Bauern mehr Betriebsmittel zukaufen, als sie Produkte verkaufen. (Bundesrat Waldhäusl: Warum ist es bisher nicht geschehen?) Daher kann man sagen, es hat sich zuungunsten der Landwirtschaft verändert. Es geht jetzt darum, diese Sache auch zu erledigen.

Ich bin froh, Herr Kollege Waldhäusl, daß manche Dinge nicht so schnell geschehen, wie Sie das fordern. Denn wäre beispielsweise die Überlegung Ihres Parteiobmannes Dr. Haider Realität geworden, dann hieße das auch, daß die Bauern 50 Prozent weniger an Direktzahlungen erhalten hätten. (Zwischenruf.)

Das ist lange her, das ist richtig. (Bundesrat Prähauser: So lange ist es nicht her, ein Jahr ist es her!) Wir haben im Jahre 1995 – das können Sie ja nachlesen, Kollege Waldhäusl, Sie sind ja so belesen! – mehr als 24 Milliarden Schilling ausbezahlt, und hätte man gekürzt, hätten die Bauern um 12 Milliarden Schilling weniger bekommen. So einfach ist die Rechnung. Und dann wäre die Einkommenssituation natürlich eine völlig andere.

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen, weil Sie das freiheitliche Agrarprogramm zitiert haben: Ich habe bis jetzt kein wirkliches freiheitliches Agrarprogramm gesehen. Im Gegenteil: Es gibt nur sehr fragmentarische und zum Teil stümperhafte Überlegungen, wie man die Bauernexistenzen absichern kann. Ich denke etwa nur an die Überlegungen eines Herrn Huber oder eines Herrn Reichhold, welcher von einem Grundeinkommen in der Größenordnung von 100 000 S spricht, egal wie groß der Betrieb ist: Man fährt also mit dem Hobel ganz einfach drüber. Das heißt, daß aufgrund des Grundeinkommens ein Großteil der Direktzahlungen gebunden wird und gar keine Möglichkeit mehr besteht, gerade für jene Bereiche, die heute in der Europäischen Union eine wichtige Rolle spielen und die auch bei der Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik sehr wichtig sein werden, nämlich bei den Umweltmaßnahmen, bei den Investitionsförderungen steuernd einzugreifen.

Ferner hat Herr Kollege Dr. Kapral unseren Kollegen Rodek betreffend die Verschmutzung des Wassers seitens der Landwirtschaft völlig falsch zitiert. Es ist also im Protokoll nachlesbar, was ich auch in einem Zwischenruf gesagt habe: Kollege Rodek hat das ganz anders gesagt. (Bundesrat Waldhäusl: Das ist Ihr Standpunkt!)

Sie sagen, daß Sie für die Landwirtschaft so viel über haben. Im freiheitlichen Manifest zum Schutz des österreichischen Wassers steht hingegen, daß Hauptquellen der Gewässerverunreinigung die Einwirkungen aus der Landwirtschaft darstellen. – Das ist die freiheitliche Politik! Jedem sagen Sie das, was er hören will. Bei jeder Veranstaltung und bei jedem Tagesordnungspunkt sagen Sie etwas anderes. Wenn es um die Bauern geht, sind Sie für die Bauern da, wenn es um den Gewässerschutz geht, sind Sie jedoch gegen die Bauern. – Das ist freiheitliche Politik, die ich ablehne! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Waldhäusl: Ihr seid nur für euch selbst da! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind unqualifizierte Zwischenrufe! Nachdem ich weiß, woher sie kommen, gehe ich aus bestimmten Gründen gar nicht darauf ein!

Ich glaube jedoch, daß es schade ist, wenn bei dieser Diskussion des Grünen Berichtes verschiedene Probleme, die die Landwirtschaft heute hat, nicht aufgezeigt werden. Auch wenn er sich auf das Vorjahr bezieht, sollte bei der Debatte des Grünen Berichtes, wenn wir die Einkommenssituation weitergehend beurteilen wollen, doch aufgezeigt werden, daß wir uns heute einer Zerreißprobe unterziehen müssen: Denn einerseits verlangen der Gesetzgeber und auch die Konsumenten von den Bauern, daß sie höhere Qualität produzieren, zugleich bekommen sie


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mehr Auflagen hinsichtlich Tierschutz und müssen auf den Boden mehr Rücksicht nehmen. Auf der anderen Seite werden die Bauern in einen Wettbewerb gedrängt, der auf ihrem Rücken ausgetragen wird. Einerseits besteht die Forderung der Konsumenten, natürliche Produktionsweisen vorzunehmen, einerseits, andererseits spielen der Einsatz von Hormonen in der Landwirtschaft und die Gentechnik heute eine sehr wichtige Rolle in der Diskussion. Einerseits wollen Handelsketten mit naturbelassenen Produkten, die gleich hinter dem Bauernhof auf der grünen Wiese produziert werden, beliefert werden, andererseits gibt es die Kennzeichnungspflicht, die wir dringend brauchen, in der Europäischen Union noch immer nicht.

Das sind selbstverständlich Schwierigkeiten, mit denen wir uns auseinandersetzen sollen. Wenn man den Mut hat und sagt, daß man über die Zukunft der österreichischen Landwirtschaft reden will, dann muß man auch entsprechende Prioritäten setzen. Wenn man nämlich heute die Osterweiterung als das Hauptproblem der österreichischen Landwirtschaft bezeichnet, dann geht das an der Realität vorbei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer nur einigermaßen die Beschlüsse der Regierungskonferenzen verfolgt, wird wissen, daß gesagt wurde, daß nach Ende der Regierungskonferenz die Verhandlungen über den Beitritt von Malta und Zypern eröffnet werden sollen. Und erst wenn die Verhandlungen dieser beiden Länder abgeschlossen sind, wird es Beitrittsverhandlungen mit den mittel- und osteuropäischen Ländern geben.

Herr Kollege Waldhäusl! Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang auf den Beitrag im Grünen Bericht auf den Seiten 22 bis 29 aufmerksam machen, denn dort geht es ausdrücklich um eine Studie der Europäischen Union über mögliche Auswirkungen eines Beitrittes der mittel- und osteuropäischen Länder. Es kann sich notwendigerweise nur um eine Erhebung zum derzeitigen Zeitpunkt handeln, zu dem die weiteren Entwicklungen noch gar nicht vorhergesehen werden können. In diesem Beitrag finden Sie auch ausdrücklich die österreichische Position. Es ist klar festgeschrieben, daß nach dem derzeitigen Stand ein Beitritt dieser Länder eigentlich gar nicht in Frage kommen kann.

Herr Kollege Waldhäusl! Wenn Ihnen die Probleme der Bauernschaft wirklich ein Anliegen sind, dann sollten Sie mit uns vielmehr darüber diskutieren, wie sich die gemeinsame Agrarpolitik, wenn sie im Jahre 1999 ausläuft, weiterentwickeln wird. Dann geht es nämlich auch um die Frage einer weiteren Liberalisierung. Wir sollten auch heute schon darüber reden, was eine Liberalisierung insgesamt bedeuten würde – die GATT-Uruguay-Runde soll ja in der Singapur-Runde weitergeführt werden.

Ich glaube, in diesem Bereich haben wir alle ein gemeinsames Interesse, die Arbeitnehmerschaft ebenso wie die Selbständigen. Eine weitere Liberalisierung würde nicht nur vermehrt Weltmarktpreise für die österreichische Bauernschaft bringen, verbunden mit der Frage, wie sich dann der Preisausgleich gestaltet, sondern es würde natürlich auch im Arbeitnehmerbereich eine weitgehende Liberalisierung geben. Daher wäre es unsere gemeinsame Aufgabe, der Europäischen Union gewisse Richtlinien vorzugeben und zu überlegen, in welchen Bereichen in der nächsten WTO-Runde Schwerpunkte gesetzt werden können. (Beifall des Bundesrates Dr. Prasch. ) Ich bin Applaus gewohnt, daher macht mir das gar nichts. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Tremmel! Warum ich von Ihnen keinen Applaus bekomme, ist mir auch klar. (Beifall und Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Großartig! Das habe ich leider übersehen! Vielen Dank! Es steht wenigstens im Protokoll. (Beifall des Bundesrates Dr. Schambeck. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bundesminister Molterer hat mit dem Grünen Bericht des Jahres 1995 dokumentiert, daß die Agrarpolitik, die er gemeinsam mit Persönlichkeiten wie Rudolf Schwarzböck und Georg Schwarzenberger auch im Einverständnis mit dem Koalitionspartner gemacht hat, richtig war. Dieses Fundament ist in Ordnung. Es sollte anhand dieses Fundamentes zu erkennen sein, wie wir den Bauern dieses Haus in Europa weiterbauen wollen. Wenn uns die Probleme der Bauern ein Anliegen sind, dann dürfen wir uns nicht in Kleinigkeiten verlieren, sondern müssen die Zukunft im Auge behalten. In dieser Zukunft wird es nicht nur um die eine oder andere Förderung gehen, sondern um weltweite Agrarabkommen, und bei diesem Agrarabkommen könnten wir viel mehr verspielen als unter Umständen in anderen Bereichen.


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Ich bin überzeugt, daß die österreichische Agrarpolitik bei Wilhelm Molterer in besten Händen ist, und daher bin ich zuversichtlich, daß die Bauern ihre Existenzen auch in Zukunft erhalten und sichern werden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.40

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Eisl.

20.40

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich möchte nur einige Sätze sagen.

Herr Kollege Penz! Ich gestehe Ihnen zu, daß Sie im Agrarsektor sehr viel, vielleicht auch alles verstehen. Sie sind jeden Tag damit befaßt. Ich mache Ihnen das sicher nicht streitig! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte Ihnen dennoch etwas sagen: Sie genehmigen in Ihrer Wortmeldung einem anderen nicht einmal einen Satz, und Sie nehmen sich heraus, zu behaupten, daß weder ein Huber noch ein Reichhold in der Lage sind, Agrarpolitik zu machen. – Das ist für mich Überheblichkeit, und das lehne ich ab. Das muß ich Ihnen ehrlich sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Bericht wurde also mit Stimmenmehrheit zur Kenntnis genommen.

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird (288/A und 347/NR sowie 5284 und 5290/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zum 8. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Mag. Himmer übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Mag. Harald Himmer: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Bevor ich mit der Berichterstattung beginne, habe ich eine Druckfehlerberichtigung anzubringen.

Der schriftlich vorliegende Bericht 5290 der Beilagen weist Herrn Bundesrat Anton Hüttmayr als Berichterstatter aus. Bundesrat Hüttmayr hat gegenüber dem Wirtschaftsausschuß den Bericht erstattet. Für die Berichterstattung im Plenum wurde aber ich vom Ausschuß gewählt. Der Name des Berichterstatters auf dem gegenständlichen Ausschußbericht müßte daher richtig lauten: Harald Himmer. (Bundesrat Dr. Tremmel: Na so was!) – Um einen Wahlerfolg gebracht!

Betreffend den Bericht des Wirtschaftsauschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert wird, verweise ich auf die genaueren schriftlichen Ausführungen im Bericht,


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dem Sie auch den Inhalt des Initiativantrages der Kollegen Abgeordneten Dr. Schwimmer und Ing. Kaipel sowie die Ergänzungen des Ausschusses entnehmen können.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 12. November 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke Herrn Mag. Himmer für den Bericht beziehungsweise für den Hinweis auf den schriftlich vorliegenden Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Mag. Langer. Ich darf ihn bitten, das Wort zu nehmen.

20.44

Bundesrat Mag. Dieter Langer (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Einleitend möchte ich Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß die Geiselnahme in der Haftanstalt Graz-Karlau unblutig beendet werden konnte. (Beifall des Bundesrates Eisl. ) Ein Eingreifen des Herrn Bundesministers Einem war meines Wissens nicht erforderlich.

Zweitens: Ich bedauere natürlich, Kollegen Himmer enttäuschen zu müssen, indem ich schon wieder hier bin und rede. Wenn sich er beziehungsweise seine Wiener Parteikollegen bei den Koalitionsverhandlungen mehr beeilt und nicht so sehr um die Posten gestritten hätten, hätte er vielleicht das Vergnügen gehabt, mich nicht mehr hier im Bundesrat auftreten zu sehen.

Nun zur vorliegenden Novelle: Das Bundesstraßengesetz, das wir erst vor einem halben Jahr beschlossen haben, wird zwecks Einführung einer Wochenvignette schon wieder novelliert, und zwar in Berücksichtigung der Einwände der Europäischen Union aufgrund des Konsultationsverfahrens.

Es ist bezeichnend, daß die berechtigten Einwände der Österreicher, die von den Autofahrerklubs, von der Wirtschaft und sogar von Bürgermeister Häupl und der Linzer Stadtregierung gekommen sind, keine Berücksichtigung gefunden haben, während hingegen die EU-Einwände naturgemäß berücksichtigt werden müssen. Das ist wohl ein klares Zeichen für die Wertigkeit, die diese Bundesregierung den Interessen der Österreicher einerseits und den Interessen der Europäischen Union andererseits einräumt.

Die Maut ist klar deklariert, und ich glaube, das war sie auch von Anfang an – das möchte ich nochmals betonen –, als eine reine Geldbeschaffungs- und Schröpfaktion, eine besondere Form der Wegelagerei. Man beklagt den Einnahmenentfall, der durch die Wochenvignette eintritt: Im Ausschuß haben wir jedoch gehört, daß mit Einnahmen in der Höhe von ungefähr 2,5 Milliarden Schilling gerechnet wird, wovon dann knapp die Hälfte für die Zweckbindung übrigbleibt. Interessanterweise rechnet man nämlich mit Einnahmen von 2 Milliarden aus dem PKW-Verkehr und ungefähr 0,4 Milliarden aus dem LKW-Verkehr, wobei pikanterweise die Einnahmen aus dem LKW-Verkehr ins Budget fließen, während die 2 Milliarden aus dem PKW-Verkehr für die Zweckbindung abzüglich der Ausgaben gewidmet sind. – Allein diese völlig unnötige Zweiteilung offenbart die Zwiespältigkeit dieser Bestimmungen.

Mit dieser Schröpfaktion bezahlen wir die Straßen jetzt bereits ein drittes Mal. Das erste Mal wurden sie aus den allgemeinen Steuern finanziert, als sie gebaut wurden. Dann kam der Zuschlag zur Mineralölsteuer für die Erhaltung des hochrangigen Straßennetzes. Und jetzt kommt das Mautpickerl. – Das ist ein kleiner Vorgeschmack auf das, was den Österreichern noch bevorsteht, wenn das Road-pricing-System eingeführt werden wird, das wesentlich höhere Einnahmen und daher auch wesentlich höhere Belastungen für die Österreicher bringen wird.

Bisher hat man das immer sehr diskretionär behandelt. Man hat gesagt, daß man nicht genau weiß, wie hoch die Belastung sein und wie dann der Kilometer berechnet werden wird. – Ich habe der heutigen "Presse" entnommen, daß der Herr Finanzminister schon seine Pläne betreffend die Einnahmen aus dem Road-pricing, aber auch für die Verwendung der jetzt einlangenden Mautgelder hat. Er zieht nämlich in Erwägung, die Sonderstraßenfinanzierungsgesell


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schaft ASFINAG, die ungefähr 80 Milliarden Schulden hat, auszugliedern. Das ist nämlich notwendig, damit er die Maastricht-Kriterien erfüllen kann.

Damit diese aber ausgegliedert werden kann, muß sie privatisiert werden. Und privatisiert werden kann sie nur, wenn entsprechende Einnahmen zur Verfügung stehen. Er rechnet mit 50 Prozent. Diese Rechnung geht aber nicht auf, wenn man bedenkt, daß allein 5 Milliarden Zinsendienst jährlich bei der ASFINAG anfallen. 50 Prozent können mit dem Mautpickerl geschaffen werden. Aber im Hinblick auf das Road-pricing-System spricht er von voller Kostendeckung. – Das heißt jedoch im Klartext: Statt der 1,3 Milliarden, die jetzt übrigbleiben, müßten 5 Milliarden aus dem Road-pricing allein zur Abdeckung der Zinsen aus der ASFINAG übrigbleiben. Dabei sind noch immer keine Mittel übrig, um die Schuldentilgung einzuleiten.

Es fallen also jetzt der Bundesregierung mit diesem Problem der ASFINAG die von den Freiheitlichen immer wieder kritisierten Budgettricks mit den Sonderfinanzierungsgesellschaften auf den Kopf, weil sich die Europäische Union mit solchen Tricks nicht zufriedengibt.

Auch an den übrigen Kritikpunkten hat sich nichts Wesentliches geändert. Es verhält sich nach wie vor so, daß die Autofahrer 54 Milliarden Schilling in den allgemeinen Topf einzahlen, wovon gerade 18 Milliarden für den Straßenbau verwendet werden. Die Nachbarländer werden verärgert. Der Tourismus wird dadurch weiter belastet. Denn um konkurrenzfähig zu bleiben und um es für die Touristen attraktiver zu machen, nach Österreich zu kommen, gibt es schon viele Wirte, die in Betracht ziehen, die Kosten für das Mautpickerl zu übernehmen. (Bundesrat Prähauser: Die ungleich geringer sind als in den Umländern Österreichs! Das haben wir letztes Mal schon festgestellt!) Wenn Sie von den "Umländern Österreichs" sprechen, dann möchte ich Ihnen sagen: Sie können nur in der Einzahl sprechen, denn eine allgemeine Mautvignette gibt es nur in der Schweiz, und die ist billiger als bei uns.

Die Autofahrer werden auf die Bundes- und Landesstraßen ausweichen. Die Verteuerung der Wegekosten für die Wirtschaft im Zeichen der jetzigen Rezession und der Belastung durch das Belastungspaket ist nicht zu vernachlässigen.

Und auch am Problem der Benützung der Stadtautobahnen, die nach wie vor nicht von der Mautpflicht ausgenommen sind, hat sich nichts geändert.

Man muß den berechtigten Protest einfach wiederholen, ob er jetzt aus Wien oder aus Linz kommt. Auf die unglaubwürdige Haltung Bürgermeister Häupls möchte ich jetzt nicht näher eingehen, der im Vorstand dieser Regelung zugestimmt hat, um sie dann nachher zu bekämpfen und medienwirksam oberstgerichtlich gegen sie vorzugehen. Auf diese zwiespältige Haltung hat der Wiener Wähler am 13. Oktober ohnedies schon die richtige Antwort gegeben. Aber an der Sachkritik hat sich auch nichts geändert.

Wie kommt der Autofahrer dazu, der das Auto beruflich oder für die Zufahrt zu seiner Arbeitsstätte innerhalb Wiens notwendig braucht, der also nicht die Autobahnen oder das hochrangige Straßennetz, wie es so schön heißt, außerhalb benützt, sondern innerhalb Wiens mangels Attraktivität des öffentlichen Verkehrs das Auto benützen muß, daß er gezwungen wird, wenn er die Stadtautobahn benützt, eine Mautvignette zu lösen? – Das wird Folgen haben. Man wird ausweichen, Umwege werden gemacht werden, die Verkehrsstaus und die Umweltbelastung werden größer werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf diese Weise werden Sie eine "Umwegrentabilität" ganz besonderer Güte verursachen!

Auf den anderen Straßen sollen für Kontrollen – wie heißt es so schön? – Kontrollbuchten geschaffen werden. Da frage ich Sie: Wie werden Sie das Problem im Wiener Stadtautobahnnetz, etwa auf der Süd-Ost-Tangente, oder in Linz bei der Einfahrt lösen, wo Sie jetzt schon täglich mit Staus konfrontiert sind, wenn dort plötzlich Polizisten auftauchen und die Autos auf die Seite winken, um Fahrzeugkontrollen plus Pickerlkontrollen durchzuführen? – Das möchte ich mir vergönnen!

Wie kommt aber vor allem auch die Wirtschaft dazu, Unternehmer, die mit ihrem Fahrzeug nur in Wien bleiben, etwa Reinigungsfirmen, Installateure oder Lieferanten, die sich nur innerhalb


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Wiens bewegen, aber aus Konkurrenzgründen, um schnell liefern oder zur Stelle sein zu können, die Stadtautobahn benützen müssen und daher auf diese Straßen angewiesen und gezwungen sind, das Pickerl zu bezahlen? – Das ist ein weiteres Beispiel für die eindeutige Wirtschaftsfeindlichkeit dieser rot-schwarzen Koalitionsregierung und für die Phantasielosigkeit beim Bewältigen der Probleme Österreichs. Denn Abkassieren ist immer am einfachsten, wenn es gilt, Budgetlöcher zu stopfen.

Aber nicht genug damit, es kommt noch besser: Das Mautpickerl für Wien ist nur ein Vorgeschmack. Denn der Herr Wirtschaftsminister hält im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern am Road-pricing-System fest. Zwischen 30 und 50 Groschen pro Kilometer würde es den einzelnen Autofahrer kosten. Es gibt eine Untersuchung des ÖAMTC: 35 Prozent der Autofahrer würden diesen elektronischen Mautstellen, die installiert werden müßten, ausweichen. Man kann sich also vorstellen, welchen Megastau es dann zum Beispiel auf der Triester Straße geben würde! Wenn Sie die Einfahrt in Wien kennen und heute in der Früh gesehen haben, wie dort der Verkehr fast gänzlich zusammengebrochen ist, dann können Sie ungefähr ahnen, welche Schikanen auf die Wiener Autofahrer zukommen!

Doch auch mit der nunmehrigen Regelung der Wochenvignette kann man nicht einverstanden sein. Angeblich aus Akzeptanz beziehungsweise als Vorleistung für den Tourismus ... (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Ich werde Ihnen gleich sagen, Kollege, daß in Ihren eigenen Reihen diese Akzeptanz nicht vorhanden ist!

Die Wochenvignette gilt von Freitag bis zum übernächsten Sonntag. Sie haben sich völlig unflexibel gezeigt und Unwillen im Ausschuß hervorgerufen. Herr Kollege Hüttmayr hätte beinahe einen Abänderungsantrag eingebracht. (Bundesrat Richau: Das stimmt doch nicht! – Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Das ist schon richtig. Aber er hat gesagt, daß er einen Abänderungsantrag einbringen möchte, weil er der Meinung war, daß das nicht geht. Daraufhin wurde die Sitzung unterbrochen, damit Ihre Fraktion, die offenbar in dieser Angelegenheit uneins war, Gelegenheit hatte, sich zu besprechen. Dann hat man gesagt: Jawohl, es ist alles in Ordnung, wir werden dem zustimmen.

Aber ich lade Kollegen Hüttmayr ein, wenn er mit dieser Regelung der Wochenvignette nicht einverstanden ist – was ich durchaus einsehe –, seine Zustimmung zu dieser Novelle zu verweigern. Es ist wirklich nicht einzusehen, warum der Kurzurlauber, der vom Mittwoch bis Sonntag bei uns ist, zweimal eine Vignette kaufen muß, während derjenige, der von Freitag bis zum Sonntag der darauffolgenden Woche bleibt, nur einmal zahlen muß. Ich verstehe nicht, warum es unmöglich sein soll, eine Vorrichtung zu finden, mit deren Hilfe man die Vignette genau eine Woche oder zehn Tage ab Ausstellungsdatum gültig machen kann. Bei jedem Schilift in Österreich ist das möglich, nur die österreichische Bundesverwaltung kann das nicht!

Das ist wirklich eine Frage der Sinnhaftigkeit. – Dazu kommt noch: Wenn man eine Vignette, deren Gestehungskosten 60 S ausmachen, um 70 S verkauft, dann sollte man es doch eigentlich überhaupt bleiben lassen!

Ich gebe Kollegen Hüttmayr daher recht: Diese Regelung ist absurd und abstrus, und auch die vorliegende Novelle kann an der grundlegenden Kritik nichts ändern: Wir werden daher sowohl diese Novelle als auch das gesamte Mautpickerl- und Road-pricing-System ablehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

20.58

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn sich Kollege Mag. Langer dermaßen bemüht, dann kann diese Novellierung ja gar nicht so schlecht sein.

Meine Damen und Herren! Mit der vorliegenden Novelle des Bundesstraßen-Finanzierungsgesetzes werden im wesentlichen die Vorstellungen der Europäischen Kommission betreffend


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hohe und höhere Benützungsfreundlichkeit berücksichtigt. Die Reform der Bewirtschaftung des hochrangigen Straßennetzes in Österreich steht bereits seit einigen Jahren in Diskussion. Mit der Vignette tun wir jetzt einen ersten Schritt, welcher, wenn wir von der Kostenwahrheit ausgehen, noch nicht zufriedenstellend ist. Als weiterer Schritt steht das Road-pricing an, das die Kosten fahrleistungsabhängig verteilt. Als Einführungstermin hiefür sind für LKW das Jahr 1998 und für PKW das Jahr 2001 im Gesetz festgeschrieben.

Meine Damen und Herren! Die Vignette hat den Vorteil, daß sie rasch zu Einnahmen führt. Von den geschätzten Einnahmen in der Höhe von zirka 2,4 Milliarden Schilling gehen 2 Milliarden in den Straßenbau und etwa 400 Millionen – nämlich die Einnahmen für die LKW-Vignette – an das Budget.

Vorrangig geht es darum, einmal den Lückenschluß im Autobahn- und Schnellstraßennetz herzustellen. So weist zum Beispiel in Oberösterreich die Pyhrn Autobahn eine Lücke von über 40 Kilometern auf, und in den letzten Jahren wurde gerade für dieses Teilstück die Verantwortung vom Land zum Bund und umgekehrt hin- und hergeschoben.

In der Zwischenzeit donnern täglich Kolonnen von Autos durch die betroffenen Ortsgebiete, belasten und beeinträchtigen die Lebensqualität der dort Wohnenden. Die Milliarden, die in den nächsten Jahren in den Straßenbau fließen werden – das muß man auch einmal sagen –, werden natürlich auch die Konjunktur beleben und damit Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft sichern.

Meine Damen und Herren! Es hat im Laufe der letzten Wochen eine ganze Reihe von Presseberichten zur Einführung dieser Vignette gegeben. So wie immer gehen die Meinungen natürlich auch auseinander. Die Lösung, neben der Jahresvignette auch eine Wochenvignette einzuführen, halte ich für eine akzeptable Lösung. Gerade mit dieser Wochenvignette, die ja zehn Tage gültig ist, kommt man dem Fremdenverkehr mit Sicherheit entgegen. Die Wünsche waren ursprünglich vielfältiger, waren aber in einer größeren Breite aus organisatorischen Gründen nicht durchführbar.

Meine Damen und Herren! Zirka 77 Millionen PKWs und LKWs, die im Transit Österreich queren und unser Straßennetz dadurch enorm belasten, müssen jetzt auch ihren Beitrag leisten. Ich bin mir sicher, daß die Bemautung der Autobahnen und Schnellstraßen auch bei uns in einigen Jahren kein Thema mehr sein wird. Für jeden, der heute in der Schweiz oder in Italien unterwegs ist, ist Maut-Zahlen einfach eine Selbstverständlichkeit. Dafür sind in den genannten Ländern die Autobahnen in einem wesentlich besseren Zustand, als das zum Beispiel bei uns der Fall ist.

Ein typisches Beispiel ist die West Autobahn. Die Verkehrsbelastung stieg auf der West Autobahn in den letzten Jahren um bis zu 80 Prozent, und der Ausbau müßte auf drei Spuren erfolgen. Die Generalsanierung wird bis weit in das Jahr 2000 hineinreichen und jährlich etwa an die 900 Millionen Schilling kosten.

Meine Damen und Herren! Die Kontrolle der Vignette wird der Gendarmerie und den Zollbehörden obliegen. Eine alleinige Vignettenkontrolle ist, wie wir im Ausschuß gehört haben, nicht möglich. Sie kann daher immer nur im Zuge von allgemeinen Kontrollen stattfinden. Das Strafausmaß ist ebenfalls geregelt. Jedem Kfz-Lenker, der, wie es so schön heißt, die Maut hinterzogen hat, wird zunächst einmal die Möglichkeit geboten, die Maut und einen in der Mautordnung festgelegten Betrag zu entrichten. Der Lenker hat sogar die Möglichkeit, die Autobahn noch weitere 24 Stunden zu benützen.

Meine Damen und Herren! Einsatzfahrzeuge wie Feuerwehr und Rettung oder Heeresfahrzeuge sind von der Maut ausgenommen. Die Ausnahmeregelung ist im Sinne des allgemeinen öffentlichen Interesses und ist zweifelsfrei sachlich gerechtfertigt.

Meine Damen und Herren! Ich meine, daß die Novelle einerseits eine gerechte Benützungsregelung und andererseits eine wirtschaftlichere Administration ermöglicht. Sie bringt mehr Kostenwahrheit – von der muß man auch einmal sprechen, wenn man die Straßen benützt – in den


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Straßenverkehr und ist insgesamt eine sinnvolle Übergangslösung zum Road-pricing, weil, wie gesagt, allein die fahrleistungsabhängig gerechneten Kosten die gerechtesten Kosten sind.

Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wird daher gegen die vorliegende Novelle keinen Einspruch erheben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.04

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hüttmayr. – Bitte.

21.04

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Geschätzte Damen und Herren! So wie bei meiner ersten Rede sage ich auch jetzt wieder, Sie werden sicher nichts dagegen haben, wenn ich meine Ausführungen verkürze. Wir machen das in der ÖVP arbeitsteilig und werden uns die Berichte aufteilen. Manches wurde schon gesagt.

Zum Bundesstraßenfinanzierungsgesetz. Martin Buber hat gesagt: Alles Leben ist Begegnung. – Wenn man sich begegnet, braucht man auch Verbindung, und Verbindungen sind eben auf der Straße, sind eben die Verkehrswege. (Bundesrat Dr. Tremmel: Die Begegnung mit dem Finanzminister ist nicht immer angenehm!)

Wir wissen, daß die Wirtschaft und wir alle Mobilität verlangen und wir der heutigen Zeit diesbezüglich Rechnung tragen müssen. Die Verkehrspolitik, so glaube ich, muß nachhaltig sein, muß vor allem weitreichend genug sein und muß dort ansetzen, wo man den Verkehr ersetzen, minimieren und überhaupt Wege einsparen kann. Wichtig erscheint mir dabei, daß man das Ökologische mit dem Ökonomischen in Verbindung bringen kann. So ist aus meiner Sicht ein klares Bekenntnis zum öffentlichen Verkehr unabdingbar.

Wenn wir uns im öffentlichen Verkehr nicht anstrengen, dann werden wir uns auf der Straße über kurz oder lang an gewissen Orten und zu gewissen Zeiten nicht mehr bewegen können, sondern werden dort stehen. Ich weiß, wovon ich rede, und könnte hier einige Beispiele bringen.

Ich denke, beim öffentlichen Verkehr, der natürlich leistungsfähig gestaltet werden muß, können wir auch noch das eine oder andere dazu beitragen, daß er mehr angenommen wird. Ich habe einen Vorschlag, den ich schon einmal gemacht habe. Wir müßten die Bahnhöfe zu Knotenpunkten ausbauen. Wir könnten zum Beispiel direkt am Bahnhof Verschiedenes errichten, wir könnten über den Gleisanlagen Parkdecks machen, wir könnten über den Gleisanlagen unsere Kaufhäuser integrieren, wir könnten dort Bürohäuser bauen, und die Leute müßten sich dann nicht von diesem Ort wegbewegen.

Das wäre ein enormer Vorteil und würde viele Fahrten ersparen. Es wäre auch der Grund und Boden enorm günstig vorhanden, für die Bewohner rund um den Bahnhof ist die Lärmbelästigung eine andere. Durch ein architektonisch anspruchsvolles Bauen ist aber ein entsprechendes Bahnhofsbild vorhanden. Ich denke, in diese Richtung müssen wir in der Verkehrspolitik unsere Überlegungen anstellen, daß wir dort, wo wir können, Verkehr verhindern, ihn ersatzlos streichen.

Geschätzte Damen und Herren! Trotzdem werden wir um den Individualverkehr auf der Straße nicht umhinkommen, und wir müssen auch die Realität zur Kenntnis nehmen. Es ist ein Unterschied, ob wir von der Stadt oder ob wir vom Land reden, und hier sind die Verbindungen dementsprechend notwendig. Diese Verbindungen müssen zügig, müssen zweckmäßig sein, müssen aber auch der Sicherheit der Teilnehmer – Teilnehmer sind ja mehrere, es sind nicht nur die Autofahrer, sondern es sind ja auch betroffene Anrainer – Rechnung tragen. Und hier stoßen wir an die Grenze der Zumutbarkeit.

Viele reden von der Kostenwahrheit, von der Kostentransparenz und sagen, wir müssen mehr zum Verursacher kommen, der zahlen muß. Heute diskutieren wir eine Materie, die dem eigentlich Rechnung trägt und deren Ziele nachvollziehbar sind. Daß Herr Mag. Langer gesagt hat, er ist aus diesem und jenem Grund nicht dafür, muß ich sagen, das hat mich natürlich nicht überrascht. Es entspricht dem Motto der Freiheitlichen Partei: Wasch mir den Pelz, aber mach mich


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nicht naß! – In diesem Sinne, so glaube ich, ist aber auf Sicht keine Politik zu machen. Ich bin schon der Meinung, daß man sich zu klaren Maßnahmen durchringen muß.

Gerade auch die oberösterreichische Haltung war, was die Bemautung anlangt, immer eine klare und war daran festgemacht, daß man an eine Zweckbindung appelliert hat. Die Verhältnismäßigkeit paßt aus meiner Sicht. Wir haben gehört, daß wir in etwa Bruttoeinnahmen in der Höhe von 2,5 Milliarden Schilling erwarten dürfen, die Zahlen sind schon aufgegliedert worden. Ich glaube auch, die Verhältnismäßigkeit, was die Administration anlangt, ist auch eine richtige.

Der Befürchtung, daß die Autofahrer, daß die PKWs auf die Bundesstraße ausweichen werden, kann ich nicht zustimmen. Was die Konkurrenzfähigkeit der Wiener Reinigungsfirmen anlangt, Herr Mag. Langer, so muß ich sagen, dazu habe ich keine Idee, diese müßten Sie selbst durchdenken. Ich glaube, da haben Sie sich ein wenig verlaufen.

Was ich kritisch anmerke und im Ausschuß schon erwähnt habe, ist die Einführung der Wochenvignette. Grundsätzlich bekenne ich mich natürlich zu dieser Einführung, nur ich finde, es müßte in der heutigen Zeit schon möglich sein, diese zehn Tage individuell regeln zu können. Natürlich sind die 60 S, die Herr Mag. Langer angezogen hat, keine richtige Zahl, aber da kann man sich ja informieren. Ich will darauf nicht näher eingehen. Zu diesem Punkt wird auch mein "Nachredner" noch Stellung nehmen. Insgesamt gesehen bin ich davon überzeugt, daß das Gesetz in die richtige Richtung weist. Ich appelliere schon an die Politik, daß wir nicht nur reden und Ideen bringen, sondern daß wir auch den Mut haben, diese Ideen umzusetzen. Natürlich kostet es Geld, aber wenn man von Schröpfaktionen spricht, dann muß ich sagen, ich bin schon davon überzeugt, daß es dementsprechend überzogen ist und jeder Wahrheit entbehrt.

Road-pricing – ich habe ein Fragezeichen und ein Rufzeichen hier stehen. Ja, wir bekennen uns dazu. Wir müssen aber auch wissen, daß es sicherlich zu einer Verteuerung für den Autofahrer kommen wird.

Wichtig für meine Fraktion und für mich ist die Zweckbindung. Die Zweckbindung beim PKW zu 100 Prozent ermöglicht uns, daß wir bei Lückenschlüssen im hochrangigen Straßenverkehr die Qualität verbessern und natürlich – das soll auch erwähnt werden – dabei Arbeitsplätze sichern. Insgesamt finde ich, wie gesagt, daß dieses Gesetz in die richtige Richtung geht. Wir sollten uns den Mut nehmen, es auch in der Bevölkerung verständlich zu machen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

21.11

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Die vorliegende Änderung des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes stellt schlicht und einfach eine Mehrbelastung für die Straßenbenützer dar. Erstens steht außer Zweifel, daß es sich dabei um eine Doppelbemautung handelt, einerseits in der Form der Autobahnmaut und andererseits eben in der Form der vorliegenden Vignette. Beides wird in Hinkunft von den Autofahrern zu bezahlen sein.

Zweiter Punkt in aller Kürze: Bei Wechselkennzeichen ist die Vignette für beide Kfz zu entrichten, obwohl nur mit einem Kfz gefahren werden kann, da ja nur eine Zulassung, sprich nur ein Kennzeichen, vorhanden ist. Außerdem ist im Kfz-Steuerrecht nur für ein Fahrzeug die Kfz-Steuer zu entrichten. Analog dazu verhält sich auch die Versicherungswirtschaft und die sich daraus ergebende Versicherungssteuer. Daher ist es unlogisch, daß es zu einer Doppelbezahlung kommen wird.

Dritter Punkt: Bei Kfz-Wechsel kann die Vignette trotz Kennzeichenbeibehaltung nicht übertragen werden, obwohl das in anderen Bereichen – wiederum beim Mautpickerl – möglich ist.


Bundesrat
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618. Sitzung / Seite 164

Vierter Punkt: Bei Kfz-Beschädigung und wenn die Vignette in Mitleidenschaft gezogen wird, genügt nicht der Nachweis, daß die Vignettengebühr bereits entrichtet worden ist, sondern es ist eine neue Vignette zu kaufen. Das entbehrt auch jeder Logik, denn entrichtete Gebühren, bezahlte Kosten, deren Beleg man in der Hand hat, sind nur in diesem Fall ein zweites Mal zu entrichten.

Letzter Punkt, warum wir diese Vignette ablehnen: Es ist auch aufgrund der 15 verschiedenen Arten von Vignetten die Durchschaubarkeit und Transparenz nicht gegeben, sodaß man in einem Satz zusammenfassend sagen kann: Bei dieser Aktion handelt es sich um eine reine Geldbeschaffungsaktion der Regierung. Wir haben gehört, daß die Einnahmen 2,4 Milliarden ausmachen sollen, und dafür wird von seiten der Regierung dem Autofahrer keine Gegenleistung geboten. Dieser Vorgangsweise können wir unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.13


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
618. Sitzung / Seite 165

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Markowitsch. – Bitte.

21.13

Bundesrätin Helga Markowitsch (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem die Zweckbindung des Bundesanteils der Mineralölsteuer für den Straßenbau 1987 aufgehoben wurde, haben sich die Mittel für den Straßenbau und die Erhaltung beträchtlich verringert.

Um den dringend notwendigen Lückenschluß des hochrangigen Straßennetzes sicherzustellen, wird als Vorstufe des Road-pricings ab 1. 1. 1997 das Mautpickerl eingeführt. Damit sollen dem Straßenbau jährlich zirka 2 Milliarden Schilling zugeführt werden. Diese Mittel sollen auch dem Schuldenabbau der Sondergesellschaften dienen. Da die damit aufgebrachten Mittel für den Ausbau und die Schuldenabdeckung mit Sicherheit nicht ausreichen, kann die Mautvignette nur eine Übergangslösung zum Road-pricing darstellen, das noch in diesem Jahrtausend für den LKW-Verkehr eingeführt werden sollte. Nur damit ist eine der Benützerhäufigkeit angepaßte Abgabe möglich.

Mit der Mautvignette wird der Sonntagsfahrer, der jährlich nur 2 000 bis 3 000 Kilometer fährt, genauso zur Kasse gebeten wie der Geschäftsmann, der 30 000 oder mehr Kilometer zurücklegt – sicher keine gerechte Lösung.

Durch die Maut wird es sicher auch zu einer Verlagerung des Verkehrs auf die Bundesstraße kommen. Dies wird vor allem bei Ungarn und Slowaken der Fall sein, die statt auf der A 4 wieder auf der Bundesstraße nach Wien fahren werden. Damit wird nicht nur die Unfallgefahr deutlich zunehmen, auch die Anrainer an der Bundesstraße in Parndorf, Bruck, Zurndorf und Nickelsdorf werden wieder unter den Fahrzeugmassen leiden und in ihrer Lebensqualität stark beeinträchtigt werden.

Probleme gibt es auch bei den Ausnahmen von der Mautpflicht. So wurde ursprünglich zugesagt, körperbehinderte Kraftfahrer von der Maut zu befreien. Der nun vorliegende Verordnungstext wird nur für eine verschwindende Minderheit der Körperbehinderten Vorteile bringen. Der ARBÖ hat erst gestern in einem Appell den Wirtschaftsminister aufgefordert, bei der Mautbefreiung die gleichen Kriterien wie bei der Befreiung von der motorbezogenen Versicherungssteuer einzuführen.

Auch die derzeitige Lösung für Fahrzeuge mit Wechselkennzeichen – die Vignette muß auf beiden Fahrzeugen angebracht werden, obwohl immer nur eines verwendet werden kann – ist unbefriedigend. Das gleiche gilt nach Unfällen, bei denen nach Bruch der Scheibe ebenfalls eine neue Mautvignette bezahlt werden muß. Gerade solche Ungerechtigkeiten erwecken bei den österreichischen Kraftfahrern heftigen Unmut und führen zu berechtigten Protesten der Autofahrerorganisationen. Meine Bitte geht dahin, diese von mir angeführten Punkte noch einmal zu überdenken. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pischl. – Bitte.

21.16

Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der vorliegenden Novelle des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes 1996 fällt die Entscheidung für eine österreichweite Generalmaut, die auch im wesentlichen mit den Überlegungen der Europäischen Union konform geht. Als die Diskussion über diese Generalmaut begonnen hat, haben sich jene Bundesländer, welche durch Sondergesellschaften bereits eine Bemautung zu tragen haben, vehement gegen eine Doppelbemautung ihrer Bürger ausgesprochen, so auch das Land Tirol.

In Tirol bestanden – sie bestehen heute noch – die Befürchtungen, daß gerade die ausländischen PKWs, die durch das Bundesland fahren, Ausweichrouten auf Bundes- und Landstraßen finden werden, um der Mautpflicht zu entgehen. Ich erwarte mir deshalb von der Begleituntersuchung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten ein schnelles Handeln, wenn solche Entwicklungen der Mautflucht registriert werden.

Ansonsten, meine Damen und Herren, hat sich das Wirtschaftsministerium meines Erachtens sehr flexibel gezeigt, was die Doppelbemautung anlangt, denn es ist gelungen, die Vignette in die bisher bestehende Jahresmaut einfließen zu lassen. Das heißt, daß beim Kauf einer Jahresmautkarte bei einer Straßensondergesellschaft wie zum Beispiel der Brenner Autobahn Gesellschaft dieser Betrag dann zur Gänze in den Jahresbeitrag eingerechnet beziehungsweise dort abgezogen wird.

Auch wenn die Diskussion um eine Generalmaut seit Jahren geführt wurde, muß man doch sagen, es gab immer wieder ein Zurückschrecken vor einer solchen letzten Entscheidung. Nun, so glaube ich, ist die Stunde der Wahrheit gekommen. Wir müssen die offenen Lücken in unserem hochrangigen Straßennetz schließen, und das kostet Geld, wahrscheinlich sehr viel Geld. Darüber hinaus ist es dringend notwendig, daß Bundesstraßen ausgebaut und Ortsumfahrungen errichtet werden. Dazu kommen die großen finanziellen Belastungen der Erhaltung und Instandhaltung unseres Autobahn- und Bundesstraßennetzes. Auch die Kreditschulden der ASFINAG müssen zurückgezahlt werden, und aus dem Budget ist das alles nicht mehr zu bezahlen. Weitere Finanzierungen von notwendigen Straßenbauten über den Kreditweg sind praktisch auszuschließen.

Aufgrund der heutigen Stimmung kann man sagen, daß die Mehrheit der Bevölkerung ein solches Finanzierungsinstrument der Generalmaut akzeptiert, sofern das System als gerecht anzusehen ist.

Dies setzt zweierlei voraus: daß sich ein solches Mautsystem am Prinzip der Kostenwahrheit orientiert und dadurch keine Verlagerung des Verkehrs auf Bundes- und Landstraßen und somit keine zusätzliche Verkehrsbelastung für die jeweilige Bevölkerung auslöst. Weiters müssen die Einnahmen wirklich dem Straßenbau zufließen und auch den Abbau der ASFINAG-Schulden mit sich bringen. Wir können unseren zukünftigen Generationen keinen Schuldenberg aus diesen Bereichen hinterlassen.

Hohes Haus! In Tirol hat sich in den letzten Monaten der Tiroler Landtag einige Male mit der Frage Maut auseinandergesetzt und verschiedene Entschließungen gefaßt. Ich glaube, man kann heute sagen, auch wenn nicht jeder Wunsch beziehungsweise Beschluß mit Punkt und Beistrich erfüllt werden konnte, daß im großen und ganzen ein System entwickelt wurde, das dem einheimischen Autofahrer wie aber auch den Gästen entgegenkommt, wobei die weitere Mautbelastung auf den Sonderstrecken, wie eben zum Beispiel auf der Brenner Autobahn, weiterhin ein Diskussionsthema bleiben wird.

In der vorliegenden Novelle zum Bundesstraßenfinanzierungsgesetz sind aus Tiroler Sicht zwei wesentliche Fakten nicht enthalten beziehungsweise nicht behandelt.


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Erstens: eine Regelung für den Grenzbereich, in Tirol für den Raum Kufstein. Für Kufstein besteht anscheinend die politische Zusage, den Autobahnabschnitt zwischen der Staatsgrenze und der Anschlußstelle Kufstein-Süd mautfrei zu stellen, damit der Ausweichverkehr nicht durch die Stadt Kufstein läuft. Im Zuge der verschiedenen Gespräche mit den Bundesdienststellen für die nun vorliegende Novelle wurden diese Probleme immer wieder angesprochen. Von Bundesseite wurden dafür zwei Lösungsmöglichkeiten gesehen, wobei in der vorliegenden Novelle jedoch gar nichts mehr ausgesagt wird. Diese Lösungsmöglichkeiten könnten sein: generelle österreichweite Mautfreistellung aller Autobahnabschnitte zwischen der Staatsgrenze und der ersten Anschlußstelle auf österreichischem Hoheitsgebiet oder generell eine bestimmte Streckenlänge – man hat einmal davon gesprochen, 8 Kilometer ab der Staatsgrenze mautfrei zu stellen.

Zweitens: das Anhalterecht der Exekutive zur alleinigen Maut- und Vignettenkontrolle. Wir hatten dieses Thema schon im Ausschuß besprochen, und wie uns von Beamtenseite mitgeteilt wurde, ist das anscheinend rechtlich nicht möglich. Das heißt, die Situation ist so, daß die Gendarmerie eine Vignettenkontrolle nur im Zusammenhang mit einer allgemeinen Verkehrskontrolle durchführen darf. Eine reine Vignettenprüfung, die wesentlich weniger Zeit in Anspruch nehmen würde, ist somit nicht möglich. Dabei hat anscheinend das Innenministerium in der Stellungnahme zum Bundesstraßenfinanzierungsgesetz verlangt, daß nur die Gendarmerie diese Vignettenkontrolle durchführen darf, denn ursprünglich war vorgesehen, daß eine Kontrolle über die Mauteinhebungsgesellschaften möglich sein soll.

In diesem Zusammenhang wurde in der zweiten Lesung im Nationalrat ein Zusatzantrag eingebracht, daß auch die Organe der Zollwache eine Vignettenüberprüfung bei der Einreise durchführen können. Nur fehlt mir bei diesem Antrag die Vollzugsklausel, und ich hoffe, daß diese Entscheidung noch bis zum 1. Jänner mit Weisung oder wie immer getroffen wird. Die Gendarmeriedienststellen in Tirol sehen dies etwas anders, vor allem werden die Probleme einer laufenden, das heißt, über eine längere Zeit dauernden Kontrolle der inländischen Fahrzeuge und die Probleme bei der Kontrolle der durchfahrenden transitierenden Fahrzeuge gesehen, da kein zusätzliches Personal dafür zur Verfügung steht.

Hohes Haus! Aus Tiroler Sicht würden wir uns eine Verbesserung und Klarheit in diesen Problembereichen von seiten des Ministeriums wünschen. Zusammenfassend möchte ich festhalten, daß eine solche Mautdiskussion immer Emotionen hochschaukelt. Ich hoffe aber, daß wir einen Weg gefunden haben, der für den inländischen wie ausländischen Autofahrer zumutbar ist und gleichzeitig die Finanzierungsgrundlage schafft, um notwendige Maßnahmen im Straßenbaubereich in nächster Zeit zu verwirklichen.

Wenn ich die Emotionen anspreche, müssen wir auch die Situation im Ausland beachten, und deshalb ersuche ich den Herrn Bundesminister als Wirtschaftsminister – in dieser Funktion ist er auch Tourismusminister –, alles für eine positive Öffentlichkeitsarbeit im Ausland zu unternehmen. Wir brauchen Verständnis für diese unsere notwendige Entscheidung. Es wurde eine moderate Lösung gefunden, und für diese muß auch entsprechend geworben werden.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen eine positive Einstellung, vor allem den ausländischen Gästen gegenüber, sodaß Österreich auch weiterhin als Tourismus- und Erholungsland attraktiv bleiben kann, und andererseits um die Mautflucht auf Bundes- und Landstraßen zu verhindern. In diesem Sinne stimmen wir der Novelle zum Bundesstraßenfinanzierungsgesetz zu. (Beifall bei der ÖVP.)

21.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Bösch. – Bitte.

21.27

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die Zielsetzung dieses Gesetzes – einige Redner der Regierungsfraktionen haben das schon gesagt – war es ursprünglich, die Finanzierung des hochrangigen Straßennetzes in Form einer Selbstfinanzierung sicherzustellen. Genau hier,


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618. Sitzung / Seite 167

meine Damen und Herren, ist die Skepsis angebracht. Denn die Schritte, die jetzt gesetzt wurden, sind nach unserem Dafürhalten von diesem Ziel weiter entfernt als je zuvor. Die Mittel, die jetzt aufgebracht werden, dienen, entgegen allen Beteuerungen, in weiterer Folge eher dem Schuldendienst der ASFINAG als dem Straßenbau. Die Ankündigung der Bundesregierung, mit der ASFINAG und den Sondermautgesellschaften an die Börse zu gehen, wird sich auf das Budget kosmetisch günstig auswirken, aber auf den Steuerzahler sicherlich nicht.

Meine Damen und Herren! Fest steht, daß schon bisher ein Zuschlag auf die Mineralölsteuer zur Errichtung und Erhaltung des hochrangigen Straßennetzes eingehoben worden ist, wobei die Verwendung dieser Gelder unklar ist und die Zweckgebundenheit schon längst aufgehoben wurde. Fest steht weiter, daß die Österreicher die Autobahnen und Schnellstraßen mit ihren Steuergeldern schon einmal bezahlt haben. Fest steht, daß die EU-Konformität nach wie vor unsicher ist und die Sinnhaftigkeit im Rahmen der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Unternehmen im europäischen Raum durch diese Maßnahme gefährdet ist. Und fest steht auch – einige Kollegen von meiner Fraktion haben das schon gesagt –, daß die Autofahrer auf Bundes- und Landstraßen ausweichen und daher Nachteile für Umwelt und Verkehrssicherheit entstehen werden.

Meine Damen und Herren! Durch die Pickerlmaut kommt es, weil die bestehenden Streckenmauten großteils nicht ersetzt werden, zu gravierenden Benachteiligungen, vor allem der südlichen und der westlichen Bundesländer. Denn gerade diese Länder sind von der abschreckenden Wirkung auf den Tourismus stark betroffen. Sie, meine Damen und Herren der Bundesregierung, sollten sich dafür einsetzen, daß es zu keiner doppelten Bemautung auf österreichischen Autobahnen kommt, um dadurch die Benachteiligung von Tourismusregionen und das Abdrängen des Verkehrs auf die Bundesstraßen zu verhindern.

Die geplante Maut bringt neben anderen Härten vor allem große Nachteile für die Benützer von Stadtautobahnen und ähnlichen Verkehrswegen. Auch die A 14 im Vorarlberger Rheintal ist eine solche, und es haben die Landesregierung und die betroffenen Gemeinden schon auf diesen Umstand hingewiesen und im Interesse der städtischen Wohn- und Lebensqualität sowie im besonderen aus ökologischen Erwägungen und mit Rücksicht auf die soziale Verträglichkeit der urbanen Verkehrsentwicklung dringend ersucht, diese Autobahnabschnitte nicht in die geplante Mautpflicht miteinzubeziehen. Sie hätten, meine Damen und Herren der Regierung, positiv auf diese Anregungen reagieren sollen, weil die Ankündigung, daß Sie das eingenommene Geld für den Straßenbau im Ländle verwenden werden, von uns – ich sage es Ihnen ehrlich – noch nicht ganz ernstgenommen wird.

Neben dem Mautgeld, meine Damen und Herren der Regierung, haben Sie auch mit Strafen von 1 000 bis 60 000 S für die notwendigen Einnahmen gesorgt. Um aber der Exekutive – und das ist wirklich ein ungeheures Aufwiehern in den Reihen unserer Regierung – das Aufpassen erst zu ermöglichen, werden jetzt an den Autobahnauffahrten um 25 Millionen Schilling Kontrollbuchten errichtet. An jeder Autobahnauffahrt sollen große Hinweistafeln angebracht werden. – In der Schweiz wird Information zur Bemautung hingegen nur einmal gegeben, nämlich an der Staatsgrenze.

Ich fasse zusammen: Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Diese Regelung ist nicht zukunftsorientiert, nicht gerecht und auch nicht rentabel. Wir werden deshalb Einspruch erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.31

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Richau. – Bitte.

21.31

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Herren aus dem Wirtschaftsministerium! Hoher Bundesrat! Ich möchte anfangs einen Antrag zur Geschäftsordnung bringen, weil ich meine, daß im Bericht des Wirtschaftsausschusses die Änderung zum Gesetzesentwurf Nr. 347: "mit der Ausnahme der Exekutive, Benützung durch


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die Exekutive beziehungsweise Kontrolle durch die Organe der Straßenaufsicht" fehlt. Ich bitte, das in den Bericht aufzunehmen. Das wurde im Ausschuß nur teilweise behandelt.

Geschätzte Damen und Herren! Die Autobahnvignette, die jetzt eingeführt wird, ist nicht, wie von der Opposition behauptet wird, eine aktuelle Geldeintreibungsmaschinerie. Diese wurde nämlich bereits 1965 vom damaligen Staatssekretär im Handelsministerium Dr. Vinzenz Kotzina vorgeschlagen. Damals war der beabsichtigte Preis für ein Jahrespickerl zirka 1 000 S und für eine Monatsvignette 250 S. In den Jahren danach ist mit mehr oder weniger Elan immer wieder versucht worden, diese Autobahnvignette einzuführen.

Ich beginne bewußt mit diesem geschichtlichen Rückblick, weil ich damit der immer wieder propagierten Meinung der Opposition entgegentreten will, daß die jetzige Regierung die Vignette zur Geldbeschaffung einführt. Es wird sicherlich über dieses Gesetz Diskussionen geben. Faktum ist jedoch, daß für den weiteren Ausbau des Straßennetzes die Einnahmen aus diesem Bereich unbedingt notwendig und erforderlich sind.

Gerade als Kärntner Vertreter sei mir erlaubt, darauf hinzuweisen, daß wir bei zwei Teilstücken – einerseits beim Lückenschluß im Bereich der A 2, andererseits beim Gailtalzubringer – im Nachteil sind und diese Finanzierung dringend brauchen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Politik der Opposition hinweisen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landeshauptmann-Stellvertreter von Kärnten Dr. Grasser hat immer wieder darauf hingewiesen, daß kein Geld für den Straßenbau vorhanden ist. Nun bestünde die Möglichkeit, solches zu lukrieren, doch leider wird dies durch die gegenwärtige Nichtzustimmung in Abrede gestellt. Ich möchte darauf hinweisen, daß gerade wir in Kärnten durch diese Autobahnmaut einen Vorteil erringen können: Wir könnten die Sicherheit des Fahrzeugverkehrs für die Bevölkerung stark heben, indem wir einen weiteren Lückenschluß finanzieren. Mit der Zweckbindung der Mittel aus dem Erlös der PKW-Einnahmen aus diesem Gesetz ist nämlich der Ausbau der genannten Straßenstücke gesichert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auch Stellung zur Kritik an diesem Gesetz nehmen. Erstens: die Unflexibilität der Wochenvignette. Dazu stelle ich fest, daß es auch eine Forderung des Landeshauptmann-Stellvertreters Grasser war, ein urlauberfreundliches Instrument zu schaffen. Das alte Gesetz hat diese Wochenvignette nicht beinhaltet, und ich glaube, daß durch diesen Zusatz, nämlich die Einführung dieser Wochenvignette, einer weiteren Forderung der F nachgekommen wurde.

Meine Kritik an der Wochenvignette besteht in ihrer mangelnden Flexibilität. Es ist mir nicht verständlich, warum diese Wochenvignette nicht an Wochentagen für die Dauer von zehn Tagen ausgestellt werden kann. Ich meine daher, daß wir zu diesem Gesetz zwar die Zustimmung geben können, aber sehr wohl beobachten müssen, wie sich die Dinge weiterentwickeln, damit wir in Zukunft gegebenenfalls eine Reparatur ins Auge fassen können.

Ein zweiter Bereich ist für mich wesentlich: Bei Unfällen ist die Vignette, wenn sie zu Bruch geht, neu anzukaufen. Auch hier scheint mir eine Erneuerung und Verbesserung möglich zu sein.

Abschließend glaube ich aber auch, daß mit diesem Gesetz nun die Möglichkeit der Straßenfinanzierung nicht nur durch den inländischen Straßenbenützer, sondern vielmehr auch durch den durchreisenden Gast, der bei uns außer Dreck an den Raststätten nichts läßt, gesichert ist. Ich meine, daß ein nicht unwesentlicher Teil des internationalen Verkehrs durch diese Abgabe die Benützung der Straße in der Zukunft und auch weitere Maßnahmen für deren Verbesserung sichert.

Abschließend sei mir eines erlaubt: Meine werten Kollegen der Freiheitlichen Partei! Sie haben immer wieder auf Verbesserungsmaßnahmen hingewiesen und weisen auch immer wieder darauf hin. Sie führen aber gleichzeitig in den verschiedenen Ländern bei Regierungsbeschlüssen durch die Nichtzustimmung zum Budget die Möglichkeit der internen Lösung in den Ländern und die Mitfinanzierung durch die Länder ad absurdum.


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Noch etwas möchte ich erwähnen, nachdem heute auch in dieser Hinsicht hier in sehr polemischer Weise argumentiert wurde: Ich nehme sehr gerne Kritik an der Partei zur Kenntnis. Nehmen Sie aber auch zur Kenntnis, daß auch unter der Führung von Referenten der Freiheitlichen Partei gerade in Kärnten nicht immer alles zum besten gestanden ist. Ich mache darauf aufmerksam, daß wir in Kärnten im Zuge des Karawanken-Autobahn-Baues ein sehr großes Problem haben. Zirka eine halbe Milliarde Schilling wurde falsch oder nicht richtig verrechnet oder ist in dunklen Kanälen versunken. Daher sage ich an die Adresse meiner Kärntner Kollegen: Gerade in der fraglichen Zeit war Ihr heutiger Obmann Landeshauptmann und Landesstraßenreferent und hat seine Aufsichtspflicht, die er als Landeshauptmann oder als Referent hatte, gröblichst vernachlässigt. – Ich glaube, Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, daß man nicht immer nur Dreck werfen soll, sondern zuerst in den eigenen Reihen kehren muß! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Bei wichtigen Gesetzesbeschlüssen soll man nicht immer nur fordern, sondern auch mit konkreten Konzepten seinen Mann stehen. In diesem Sinne gebe ich diesem Gesetz die Zustimmung, auch wenn es in der Zukunft überprüfbarer sein und vielleicht auch repariert werden muß. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Richau! Sie haben bemängelt, daß die Änderung, die im Nationalrat gegenüber der Gesetzesvorlage beschlossen wurde, nicht in unserem Bericht steht. Ich möchte Ihnen dazu sagen: Der Gesetzestext liegt ja auf, während der Bericht natürlich den Gesetzestext nicht noch einmal abdruckt. Es ist also kein Formfehler, daß das nicht im Bericht aufscheint. (Bundesrat Richau: Es war im Gesetzestext auch nicht eingefügt!) Darum haben wir es ja jetzt da. Das ergänzt den Gesetzestext.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Kollege Prasch. – Bitte.

21.37

Bundesrat Dr. Helmut Prasch (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich möchte in der gebotenen Kürze auf die von Kollegen Richau geäußerte Kritik an den Freiheitlichen beziehungsweise an dem freiheitlichen Referenten im Bundesland Kärnten eingehen.

Zunächst möchte ich, Kollege Richau, auf Ihren geschichtlichen Rückblick zurückkommen. Sie haben gesagt, die Idee des Mautsystems in dieser Form, wie wir sie heute zu beschließen haben – oder nicht –, stamme aus dem Jahr 1965. – Ich kann darauf nur antworten: Nur weil eine Idee alt ist, wird sie nicht besser. Ich glaube, daß in den vergangenen 30 Jahren die Steuerzahler und die Autofahrer auf verschiedenste Art und Weise für die Finanzierung des Straßensystems in Österreich zur Kasse gebeten worden sind. Ich erinnere nur an die Mineralölsteuer, über die jährlich Millionenbeträge für die Finanzierung des Straßenbaues zweckgebunden eingehoben werden. Die Autobahnlücken bestehen jedoch nach wie vor.

Sie haben auch davon gesprochen, daß unser Kärntner Straßenbaureferent Grasser immer wieder mehr Geld für den Straßenbau einfordert. Das ist richtig. Das ist auch seine Aufgabe, und deswegen ist auch energisches Auftreten vor den Bundesstellen in dieser Frage höchst wichtig. Das hat letztlich auch zum Erfolg geführt, denn wir haben schließlich und endlich die Zusage von seiten des Verkehrsministeriums und von seiten des Wirtschaftsministeriums erhalten, daß die letzten Autobahnlücken im Bundesland Kärnten – ohne Maut im übrigen, denn diese Einigung wurde schon vorher erzielt – geschlossen werden. Wir können also in dieser Frage zuversichtlich sein.

Sie haben auch den Namen Grasser erwähnt: Sie dürfen nicht vergessen, daß der Fremdenverkehrsreferent in Kärnten auch Grasser heißt. Und gerade ihm liegt natürlich die Tourismuswirtschaft in Kärnten besonders am Herzen. Wenn Sie sich in Erinnerung rufen, welchen Medienwirbel die geplante Einführung einer Mautvignette in Österreich gerade in Deutschland hervorgerufen hat, dann werden Sie sich die Auswirkungen auf die Kärntner Fremdenverkehrswirtschaft vorstellen können. Da die Touristen oft nicht nur eine, sondern meistens zwei oder mehr Wochen in Kärnten Urlaub machen wollen und dann eine erheblich höhere Belastung in


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Kauf nehmen müssen als bisher, werden Sie sich vorstellen können, daß sich unser Fremdenverkehrsreferent Sorgen macht. (Präsident Pfeifer übernimmt den Vorsitz.)

Zu der von Ihnen geäußerten Kritik, daß in der Zeit des freiheitlichen Straßenbaureferenten Haider im Zusammenhang mit der Karawanken Autobahn die Aufsicht von seiten des Landes schlecht geführt worden sei und deshalb Millionenbeträge verschwunden seien, kann ich Ihnen nur sagen: Die Karawanken Autobahn wurde von der Tauern-Autobahn AG errichtet, die der Aufsichtspflicht des Wirtschaftsministeriums untersteht. (Bundesrat Richau: Sie haben den Rechnungshofbericht nicht gelesen!) Gerade in dem Zeitpunkt, den Sie vermutlich meinen, ist dem Wirtschaftsministerium der jetzige ÖVP-Bundesparteiobmann Dr. Wolfgang Schüssel vorgestanden. Den können Sie natürlich mit dieser Kritik konfrontieren!

Insgesamt und abschließend möchte ich für das Bundesland Kärnten aus meiner Sicht festhalten, daß ich die vorliegende Straßenfinanzierungsgesetzgebung schlichtweg für eine noch nie dagewesene Schikane des Wirtschaftsministeriums gegenüber dem Fremdenverkehrsland Nummer eins in Österreich, nämlich Kärnten, bezeichnen möchte. Die Doppelmaut wird zu massiven weiteren Einbrüchen in der Tourismuswirtschaft führen, und deshalb ist dieses Gesetz aus unserer Sicht entschieden abzulehnen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.42

Präsident Josef Pfeifer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Andreas Eisl. Ich erteile es ihm.

21.42

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Das Rätselwort heißt Road-pricing, und die Vorgabe für die Eingewöhnung ist die Vignette. Unter diesem Motto wird eine neue Steuer für die Österreicher eingeführt. Wenn Sie aber glauben, so könne eine Finanzierung stattfinden, dann täuschen Sie sich! Allein das gesamte Mauteinkommen auf Österreichs Straßen beträgt 2 Milliarden Schilling. Man erwartet 2,5 Milliarden aufgrund der Einnahmen durch das Pickerl. – Dazu nur ein Beispiel: Auf der Tauern-Autobahn in Salzburg betragen die Einnahmen jährlich 700 Millionen. 350 Millionen kosten Verwaltung, Schneeräumung und die Erhaltung. 350 Millionen bleiben für die Rückzahlung. Da die Baukosten jedoch 12 Milliarden betragen haben, sind Sie nicht einmal in der Lage, den Zinsendienst abzudecken. Somit ist klargestellt, daß mit dieser Einrichtung eine Straße nicht einmal erhalten, geschweige denn gebaut werden kann. (Bundesrat Konečny: Und deshalb sollen wir nichts verlangen? – Die Logik ist umwerfend!)

Man fängt mit einem niedrigeren Satz an, und dieser wird alle Jahre erhöht, das ist völlig klar. Denn anders kommt man an das Geld nicht heran. – Wenn allein die Straßenerhaltung in Österreich zwischen 16 und 18 Milliarden Schilling kostet, was sind da 2 Milliarden Schilling, meine Damen und Herren?

Allein über die Mineralölsteuer werden 28 Milliarden aufgebracht, und wie Sie heute schon gehört haben, ist für diese Mineralölsteuer die Zweckbindung im Jahre 1987 abgeschafft worden, weil man das Geld für andere Zwecke verwendet hat. Der österreichische Autofahrer bezahlt im Jahr insgesamt 55 Milliarden Schilling für den Straßenerhalt und Straßenbau. Dieses Geld wird jedoch für alles andere verwendet, nur nicht für den Straßenbau! Es ist klar, daß das für den Fremdenverkehr Nachteile nach sich zieht. Der Fremdenverkehr wird weitere Belastungen nicht mehr verkraften, und der Einnahmenausfall für den Fremdenverkehr wird größer sein, als durch Einnahmen über die Maut überhaupt hereingebracht werden kann. Deswegen werden wir diesem Antrag auch nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.45

Präsident Josef Pfeifer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Langer.

21.45

Bundesrat Mag. Dieter Langer (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich kann die Vorwürfe des Kollegen Richau, der jetzt nicht mehr im Saal ist, betreffend meine Vorsitzführung


Bundesrat
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618. Sitzung / Seite 171

im Ausschuß nicht unwidersprochen hinnehmen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es gehört sich nicht, die Kritik zu üben und dann den Saal zu verlassen. So etwas gehört sich einfach nicht. (Bundesrat Ing. Penz: Er hat Sie gar nicht kritisiert, Herr Kollege!) Er hat mich bei meiner Rede apostrophiert und hat gesagt, daß der Ausschußbericht unvollständig ist. Er hat das völlig zu Unrecht behauptet, wie auch die Frau Präsidentin festgestellt hat.

Ich möchte nur betonen, daß ich durchaus erkannt habe, daß die ursprüngliche Vorlage, die er offenbar gehabt hat, unvollständig war. (Bundesrat Ing. Penz: Das hat die Frau Präsidentin schon dargestellt!) Obwohl er behauptet hat, daß er die ganze Zeit anwesend war, hat er allerdings offensichtlich nicht aufgepaßt, als ich den Ausschußbericht um die im Plenum vorgenommenen Änderungen ergänzt habe. Darum geht es, und das möchte ich hier betonen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

21.46

Präsident Josef Pfeifer: Meine Damen und Herren! Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit mehrheitlich angenommen.

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Organisationsgesetz (UOG) geändert wird (377/NR sowie 5291/BR der Beilagen)

Präsident Josef Pfeifer: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Organisationsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Dieter Langer übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Dieter Langer: Herr Präsident! Hohes Haus!

Die Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und Dipl.-Vw. Dr. Dieter Lukesch haben dem Nationalrat gemäß § 27 Abs. 1 GOG einen Selbständigen Antrag vorgelegt, der eine Novelle zum Universitäts-Organisationsgesetz zum Gegenstand hat.

Da der Bericht allen Anwesenden zur Einsichtnahme vorliegt, mache ich von der Möglichkeit Gebrauch, die weitere Begründung nicht vorzulesen.

Da die im § 2a Abs. 2 enthaltene Verfassungsbestimmung die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung nicht einschränkt, bedarf diese nicht der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG.

Der Ausschuß für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 12. November 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Josef Pfeifer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.


Bundesrat
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618. Sitzung / Seite 172

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach. Ich bitte sie, zu sprechen.

21.49

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Verehrte Damen und Herren! Der uns vorliegende Beschluß des Nationalrates ändert Bestimmungen des UOG, die aufgrund eines Verfassungsgerichtshoferkenntnisses einer Neuregelung bedurften. Weiters wird durch die Novelle eine neue Dimension der angestrebten Internationalisierung im Bereich universitärer Tätigkeiten eröffnet.

Lassen Sie mich damit beginnen, daß ich den Bereich, der die Internationalisierung fördert, ausdrücklich begrüße. Diese Bestimmung ist zeitgemäß und entspricht unserer Stellung in Europa, ermöglicht diese Bestimmung doch, die Leistungen unserer Forschung und Lehre an nichtösterreichischen Standorten anzubieten.

Ich hoffe, daß unsere hohen Schulen diese neue Möglichkeit bald in vielfältigster Weise nützen werden. Vor allem sehe ich für die Universitäten und Hochschulen, die fachliche, über das klassische Angebot hinausgehende Schwerpunkte setzen, große Chancen. Soweit, meine Damen und Herren, zu dem Bereich, dem man uneingeschränkt zustimmen kann.

Differenzierter sehe ich aber den Bereich der Zusammensetzung der Habilitationskommissionen. Es geht in diesem Zusammenhang um eine vom Verfassungsgerichtshof erzwungene Änderung des UOG 1975. – Ich möchte Ihnen in Erinnerung rufen: Beweggrund für die damalige Erlassung dieses Gesetzes war das Bestreben, alle Bereiche des Lebens mit mehr Demokratie zu durchfluten. Rückblickend betrachtet war das in kaum einem Bereich leicht, geschweige denn ruck, zuck durchzuführen. Aber – ich setze das jetzt unter Anführungszeichen – im "geschützten Bereich" der Universitäten und Hochschulen war es extrem schwierig. Was da an Argumenten strapaziert wurde, um Mitbestimmung zu verhindern, war haarsträubend.

Manche von Ihnen werden sich noch an das wahrlich dümmste Argument erinnern, nämlich an die Aussage, daß man doch nicht zulassen darf, daß – ich sage es jetzt sehr deutlich, vielleicht zu deutlich – putzfetzenschwingendes Reinigungspersonal die Zukunft der akademischen Forschung und Lehre bestimmen kann. Diese Angst befiel damals sogar – nicht viele, aber immerhin einige – Hermelinträger.

Ich habe eigentlich geglaubt, daß in den 20 Jahren, die seither ins Land gegangen sind, diese Ängste überwunden werden konnten. Oberstes Gebot war Mitte der siebziger Jahre – und muß es auch heute noch sein –, größtmögliche Meinungsvielfalt und so viele Betrachtungsweisen wie möglich in demokratischer Weise zusammenzuführen und auf einen Nenner zu bringen, um auch Neuem Chancen einzuräumen.

Meine Damen und Herren! Es steht mir nicht zu, zu beurteilen, ob es Reste dieser bereits überwunden geglaubten Ängste waren oder echte, die Sachlichkeit beeinträchtigende Mängel, die zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes geführt haben. Daher betone ich: Meine Fraktion akzeptiert die Lösung, die durch den Beschluß des Nationalrates gefunden wurde. Denn das Bemühen, Entscheidungsfindungsverfahren gerecht zu gestalten, ist sehr deutlich zu erkennen.

Meine Damen und Herren! Das Streben nach Gerechtigkeit muß in allen Bereich vorhanden sein, um eine demokratische, offene, den Herausforderungen der Zeit gewachsene Gesellschaft zu ermöglichen. Mitbestimmung ist ein taugliches Instrument dafür.

Verantwortungsbewußtsein, eine Eigenschaft, die alle haben sollen, die Entscheidungen treffen müssen, ist eine weitere wichtige Komponente in Entscheidungsprozessen. Meine Damen und Herren! Ich zweifle keinen Moment daran, daß gerade im Bereich unserer hohen Schulen alle Mitglieder von Kommissionen, die nach den Grundsätzen der Mitbestimmung zusammengesetzt sind, sowohl über Sinn für Gerechtigkeit als auch über ein hohes Verantwortungsgefühl verfügen. Bei allem Streben nach Gerechtigkeit und Sachlichkeit dürfen wir aber nicht übersehen, daß Entscheidungen von Menschen getroffen werden, die zur Problembetrachtung die unterschiedlichsten Zugänge haben. Daher stellen sich ja viele Entscheidungen letztlich als


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Wertentscheidungen dar, einerlei, ob sie von Experten vom Fach oder von Vertretern anderer Gruppierungen zu treffen sind. Das heißt: Das Dilemma der Entscheidung trifft jeden einzelnen, und jeder einzelne wird jener Alternative den Vorzug geben, die in seinem Wertsystem Priorität hat.

Die Meinungen zusammenzuführen zum Wohle aller Angehörigen einer Universität oder Hochschule ist Aufgabe der Kommissionen. Da die Neuregelung für die Entscheidungsfindung in den Habilitationskommissionen von dem Bestreben nach Gerechtigkeit getragen ist, werden wir dem Antrag, keinen Einspruch zu erheben, unsere Zustimmung geben. Wir verbinden das mit dem Wunsch, daß die Entscheidungen, wer das Recht zur Lehre an unseren hohen Schulen erhalten soll, immer zum Wohle unserer Gesellschaft frei und ungehindert getroffen werden können. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.56

Präsident Josef Pfeifer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Peter Kapral. – Ich bitte ihn, zu sprechen.

21.56

Bundesrat Dr. Peter Kapral (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die vorliegende Novellierung des Universitäts-Organisationsgesetzes ist über den Anlaßfall hinaus von Bedeutung. Dieser Anlaßfall wurde im Bericht ausführlich dargelegt. Meine Vorrednerin hat darauf Bezug genommen. – Ich glaube, es ist richtig, daß – wie es der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis ausgeführt hat – über die fachliche und wissenschaftliche Qualifikation eines Habilitationswerbers jene Kurie oder die Mehrheit jener Kurie entscheidet, die selbst über diese Voraussetzungen verfügt.

Für mich ist aber auch die Einführung des § 2a von wesentlicher Bedeutung, wonach die Universitäten ermächtigt werden sollen, Vereinbarungen mit anderen Rechtsträgern über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Lehre zu treffen. Die Verfassungsbestimmung ist deswegen notwendig, weil solche Veranstaltungen auch vom österreichischen Lehrpersonal im Ausland ausgerichtet werden sollen. Auch wenn die Frage berechtigt ist, ob in Zeiten der Ausweitung der Autonomie der hohen Schulen eine Zustimmung des Ministeriums notwendig ist, halten wir diesen Schritt für begrüßenswert und sehen ihn als wünschenswerte Ausdehnung der Internationalität unserer hohen Schulen an.

Wenn auch für diese Bestimmung an sich ein konkreter Anlaßfall gegeben war, schafft diese Ausweitung Möglichkeiten einer Kooperation, die auch die Möglichkeit eröffnet, Studien und Prüfungen im Ausland zu absolvieren, und hat deswegen grundsätzliche Bedeutung. Gerade Internationalität auf dem Wissenschaftssektor ist für unser Land von entscheidender Bedeutung. Daher sind auch die Beteiligungen an den einschlägigen Programmen der Europäischen Union und die Bemühungen, Auslandsstudien zu forcieren.

Bedauerlicherweise wurde über die in dieser Novelle enthaltenen Vorstellungen der Freiheitlichen im Nationalrat keine Einigung erzielt. Diese wurden abgelehnt. Es ist aber zu hoffen, daß im Zusammenhang mit dem in Diskussion stehenden neuen Universitäts-Studiengesetz auch dieses Gebiet Berücksichtigung findet.

Lassen Sie mich aber als Vorsitzenden des Wissenschaftsausschusses des Bundesrates abschließend noch auf einen Umstand hinweisen: Reformen im Universitätsbereich sind dringend notwendig. Ich kann mich aber nicht der Auffassung, die gelegentlich vertreten wird, anschließen, es gäbe eine Krise der Hochschulen, eine Krise der Universitäten in unserem Land. Es gibt möglicherweise eine generelle Krise des Bildungssystems in Österreich, und ich darf als Beispiel die Probleme im Bereich der Lehrlingsausbildung, des Ausbildungssystems nennen.

Trotzdem sind raschest Maßnahmen im Universitätsbereich notwendig. Die heutige Novellierung des Universitäts-Organisationsgesetzes soll damit keineswegs als ein besonderer Erfolg hingestellt werden, vielmehr ist es notwendig, die Arbeiten zum Universitäts-Studiengesetz raschest abzuschließen, damit eine Beschlußfassung möglich ist.


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Ich darf auch auf die jüngsten Äußerungen des aus der Industrie kommenden Rektors der Technischen Universität Graz, Killmann, hinweisen, der gesagt hat, daß sich das behäbige Dienstrecht als besonders fatal erweist. Ich möchte nur kurz zitieren, was in der "Presse" vom 12. November wiedergegeben ist: Sparen könne man deshalb ausschließlich bei den befristet angestellten Assistenten, die vielfach die wahren Leistungsträger sind. Da blutet mir das Herz. – So Killmann. Ich glaube, diesen Hinweis sollte man sehr ernst nehmen, weil die Ausbildungsmöglichkeiten an unseren hohen Schulen ja mit die Zukunft unseres Landes bestimmen.

Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Erweiterung der internationalen Zusammenarbeit der Universitäten werden wir trotz gewisser Bedenken dem Antrag, keinen Einspruch zu erheben, unsere Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.02

Präsident Josef Pfeifer: Es liegt, meine Damen und Herren, keine weitere Wortmeldung mehr vor. – Doch, bitte, Herr Vizepräsident Dr. Schambeck.

22.02

Bundesrat Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nachdem ich in diesem Kreis der einzige bin, der habilitiert und habilitiert worden ist, möchte ich an diesem Thema nicht diskussionslos vorübergehen.

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes war deshalb notwendig und begrüßenswert, weil bestimmte Schritte der sogenannten Demokratisierung in Bereiche gegangen sind, die für diese Form der Demokratie gar nicht geeignet sind. Die große Philosophin Hannah Arendt hat einmal geschrieben: Die abendländische Kultur besteht in der Differenzierung zwischen politischen und nichtpolitischen Lebensbereichen. – Für die politischen Lebensbereiche ist die Demokratisierung vorgesehen. Sie hat das aus der Kenntnis der abendländischen Entwicklung von der Antike her gedacht. Ohne diese ist auch die Universität nicht verständlich, auch bei den modernen Technokraten.

Daher ist es begrüßenswert. Die Entwicklung dazu hat bereits in den sechziger Jahren begonnen, damals ist die Partei, der anzugehören ich die Ehre habe, auch an dieser Demokratisierungswelle mitbeteiligt gewesen – ich sage nicht mitschuldig, sondern mitbeteiligt gewesen.

Der deutsche Schriftsteller Gottfried Benn hat einmal gesagt: Das Abendland geht nicht zugrunde an den Verbrechen der SS, auch nicht an seiner materiellen Verarmung, sondern an dem hündischen Kriechen seiner Intelligenz vor politischen Begriffen. – Ich würde allerdings die SS auch zu den gegen das Abendland gerichteten Kräften zählen.

Zu diesen Begriffen gehört natürlich auch die Demokratisierung, weil die Demokratisierung auf Bereiche "getrieben" worden ist, wozu sie gar nicht gehört, und in verschiedenen Bereiche, wo die Demokratisierung hingehört, ist die Zuordnung nicht entsprechend erfolgt.

Es ist erfreulich, daß wir uns jetzt – das zeigt auch die Diskussion meiner Damen und Herren Vorredner, die mich sehr beeindruckt hat – bemühen, auf einen Mittelweg zu gehen, auf dem die Demokratisierung wirklich einen wertvollen Beitrag leisten kann. Ich möchte Ihnen sagen, daß ich mich immer gewundert habe – ich war auch einige Jahre, nicht sehr lang, aber doch einige Jahre, Assistent –, daß man bei der Habilitation von Personen gar nicht überlegt hat, ob sie auch entsprechend lehrfähig sind, nämlich ob sie auch pädagogische Fähigkeiten haben. Da, so glaube ich, ist es von Wichtigkeit, daß von der studentischen Seite mitbeurteilt wird, ob der betreffende Habilitationswerber die pädagogischen Voraussetzungen hat, ob man ihn in der Lehre verstehen kann. Hier ist auch von größter Wichtigkeit, daß die studentische Seite mitwirkt. Aber auf der anderen Seite ist von größter Wichtigkeit, daß die wissenschaftliche Qualifikation, die bei einer Habilitation neben der pädagogischen Befähigungserklärung einen entscheidenden Teil darstellt, von jenen Leuten, die dazu legitimiert sind, erklärt wird.

Was die wissenschaftliche Tätigkeit betrifft, so möchte ich Ihnen sagen: Wenn man nachsieht, wer in welchen Fachbereichen Bedeutendes geleistet hat, so stellt man fest, das hängt von der


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Einzelpersönlichkeit ab, davon, daß er sich auf das wissenschaftliche Arbeiten konzentriert und dazu vom Staat die nötigen Voraussetzungen erlangt. Da sind die politischen Umstände zwar relevant, aber nicht ausschlaggebend. Da gehört auch dazu, daß man dem Betreffenden entsprechende Ruhe gibt, damit dieser auch wissenschaftlich arbeiten kann.

Ich bin 30 Jahre Ordinarius und bin vorher die ganze Laufbahn durchgegangen. Wenn ich mir die Hochschuldiskussion, an der ich mich nur partiell beteiligt habe, anschaue, dann erinnere ich mich immer an den Dialog zwischen Josef Weinheber und Herrn Goebbels, der einmal gönnerhaft gefragt hat: "Herr Weinheber, was kann man für die Dichter und Schriftsteller tun?" – Dieser hat darauf gesagt: "Am besten ist, in Ruhe lassen." – Ich muß Ihnen sagen, wer die Entwicklung der letzten Jahrzehnte bei uns hernimmt, der tappt von einer Reformwelle in die andere Reformwelle – unentwegt. Es werden immer die Katastrophen vorausgesagt.

Ich möchte sagen, daß es sicherlich Umstände gibt, die dramatisch sind. Ich erlebe dies zum Beispiel jetzt selbst. Herr Bundesminister! Ich habe zum Beispiel – mich würde das interessieren, weil das Ihr Ressort betrifft – immer drei Assistenten gehabt, weil ich viele Fächer habe. Einen Assistentenposten, der mir seit 30 Jahren zugestanden ist, hat man jetzt versucht, einzusparen, mir wegzunehmen, dann hat man mir gütigerweise den Posten gegeben; er ist mit einer Dame besetzt worden, und nach einigen Wochen hat man ihr gesagt: Sie wissen, wahrscheinlich werden Sie auf Dauer nicht bei uns sein können, weil das Geld eben nicht da ist. Das heißt, Sie werden sechs Monate dasein können. Sie können es sich aussuchen: Wollen Sie die erste Hälfte des kommenden Jahres oder die zweite Hälfte des kommenden Jahres da sein?

Wir befinden uns gegenwärtig, Hohes Haus, in einer Hochschulreform, die gesetzlich vorgeschrieben wurde, aber gleichzeitig von einem Sparpaket begleitet ist. Nun sitzt auch mit Recht der Herr Finanzminister neben dem Herrn Wissenschaftsminister. Wir können aber nicht mehr Geld ausgeben, als wir haben. Da muß eben entsprechend aufgeteilt werden. Dieses Desaster ist jetzt tatsächlich gegeben, daß wir uns das, was wir uns bei der Hochschulreform vornehmen, organisatorisch und finanziell einfach nicht leisten können. Da ist gleichzeitig die Verantwortung vom Ministerium – das war noch Ihr Vorgänger, Herr Dr. Busek – an die einzelnen Hochschulen und Fakultäten übertragen worden. Hier erweisen sich die verschiedenen Formen der netten Kollegialität, denn da bedarf es dann der besonderen Interessenvertretung, damit ein Interessenausgleich gefunden wird. Das ist eine lebendige Form des Subsidiaritätsprinzips, das dabei eigene Ergebnisse hervorbringt. Da kommt es eben darauf an, daß die akademischen Funktionäre den richtigen Interessenausgleich finden. Soviel ich gehört habe, sind der Rektor der Linzer Universität und die dortigen Dekane eine Versicherung eingegangen, weil sie für bestimmte Dinge, wie sie meinen, entsprechend haften.

Ich möchte nur diese Aspekte auch nennen, und ich möchte sagen, es wird sicherlich nicht eine leichte Sache sein, für den akademischen Nachwuchs der Zukunft – ich selbst bin mit 62 Jahren diesbezüglich ein Auslaufmodell – bei der Sitzungsdemokratie auf akademischem Boden die nötige Zeit für echte wissenschaftliche Forschung und auch für literarischen Fortschritt zu erreichen. Ich habe mir das immer erübrigen können – trotz der politischen Tätigkeit –, aber ich bin niemals in die ganzen akademischen Gremien hineingegangen, wo man stundenlang von Sitzung zu Sitzung eilt. Es ist auch interessant, wenn man dann die Sitzungsdemokraten mit ihrer literarischen Bedeutung im In- und Ausland und ihrer Präsenz bei derartigen Gremien vergleicht, die aber abverlangt wird.

Es ist dankenswert, daß wir bei dieser Gelegenheit auch über die Zusammenarbeit der Universitäten sprechen, daß die Voraussetzungen dafür geliefert wurden. Ich möchte Ihnen sagen, daß die bedeutenden Professoren und Forscher, schon bevor solche Beschlüsse gefaßt werden, in internationalen Kontakten gestanden sind. Es ist aber sehr erfreulich, daß durch die Europäische Integration – ich nenne das Erasmus-Programm und könnte noch viele hinzufügen, in hervorragender organisatorischer Form – auch für die Studentenschaft, auch für den akademischen Nachwuchs auf verschiedenen Ebenen diese Kooperation gefunden wurde.

Ich selbst werde morgen den Vizepräsidenten für die internationalen Kontakte der katholischen Universität von Santiago de Chile zu erwarten haben, der sich bei mir angesagt hat. Ich könnte


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viele Kontakte nennen. Ich war am Freitag bei der Akademie der Wissenschaften in Budapest zu einem Vortrag über das Thema eingeladen, wie man auch in den neuen ost- und mitteleuropäischen Demokratien an der Zusammenarbeit mit uns interessiert ist. Ich möchte dieser Bundesregierung mit ihren Ressorts und auch Ihnen, Herr Bundesminister, wirklich das Interesse an diesen Kontakten bescheinigen, auch in der Situation Österreichs – im Zentrum zwischen West und Ost und Nord und Süd.

Das Traurige ist nur, daß wir das, was wir uns gesetzgeberisch vornehmen – dazu passen auch die Äußerungen der Frau Vizepräsidentin und des Herrn Dr. Kapral –, angesichts der derzeitigen budgetären Situation oft nicht ausführen können, aber wir werden ein allgemeines Verständnis von allen zu erwarten haben.

Ich glaube, wir sollten das Bemühen dieser Bundesregierung und der zuständigen Ressortinhaber – auch als Mandatare jeder in seinem Bereich – im Verstehen der Erfordernisse der Wissenschaft heute in die Öffentlichkeitsarbeit einbringen, damit ein allgemeines Verständnis dafür besteht, was auf akademischem Boden notwendig ist. Daher begrüßen auch meine Fraktion und ich selbst die Beschlußfassung dessen, was wir auch jetzt auf der Tagesordnung haben. (Beifall bei der ÖVP.)

22.12

Präsident Josef Pfeifer: Danke, Herr Professor Schambeck. Ihre Bemerkung, Sie wären mit 62 Jahren ein Auslaufmodell, lasse ich persönlich nicht gelten. (Beifall und Heiterkeit.)

Wird noch eine Wortmeldung gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird (21 und 362/NR sowie 5292/BR der Beilagen)

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (92 und 363/NR sowie 5293/BR der Beilagen)

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996 (BGBlG) (93 und 364/NR sowie 5294/BR der Beilagen)

Präsident Josef Pfeifer: Meine Damen und Herren! Wir gelangen nun zu den Punkten 10 bis 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies


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ein Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird,

ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, und

ein Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996.

Die Berichterstattung über die Punkte 10 bis 12 hat Herr Bundesrat Karl Pischl übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Karl Pischl: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird.

Eine Änderung des Ausschreibungsgesetzes wird erforderlich, da durch das DAK-Gesetz 1996 für die Auswahl geeigneter Personen zum Direktor der Diplomatischen Akademie vom Ausschreibungsgesetz 1989 in der derzeit geltenden Fassung abweichende Bestimmungen vorgesehen sind, die sich durch die Ausgliederung der Diplomatischen Akademie aus der Bundesverwaltung zwangsläufig ergeben. Den allgemeinen Grundsätzen des Ausschreibungsgesetzes ist darin jedoch hinreichend Rechnung getragen.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 12. November 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird.

Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates sieht vor, daß

1. die Gliederung des Bundesgesetzblattes in Stücke aufgelassen wird,

2. eine Ermächtigung zur Wiederverlautbarung von Staatsverträgen in die Bundesverfassung aufgenommen wird,

3. der Artikel 117 Abs. 6 B-VG im Sinne der Zulassung von EU-Bürgern zur direkten Bürgermeisterwahl geändert wird und

4. die Fristen in Artikel 139 Abs. 5 und 140 Abs. 5 für die Aufhebung von Gesetzen und Verordnungen synchronisiert werden.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 12. November 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht über den Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996.

Der vorliegende Beschluß des Nationalrates sieht eine Teilung des Bundesgesetzblattes, die Beseitigung der Gliederung in "Stücke" und die Nutzung der elektronischen Möglichkeiten bei der Herstellung, dem Vertrieb und der Lagerung des Bundesgesetzblattes vor. Eine Steigerung der Kosten wird nicht erwartet, vielmehr wird auf eine Verringerung der Kosten abgezielt.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 12. November 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Herr Präsident! Für den Fall, daß Wortmeldungen vorliegen, bitte ich, die Debatte fortzusetzen.

Präsident Josef Pfeifer: Ich danke für die Berichterstattung.


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Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig. Ich bitte ihn, zu sprechen.

22.17

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt behandeln wir ein wichtiges Gesetz, das den Zugang zu und die Arbeit mit Gesetzen erleichtern soll.

In Zukunft ist die Trennung des Bundesgesetzblattes in drei Teile vorgesehen, die innerstaatliche und völkerrechtliche Rechtsvorschriften enthalten.

Der Vorteil einer solchen Teilung des Bundesgesetzblattes liegt darin, daß Teile des Bundesgesetzblattes unabhängig voneinander hergestellt werden können. Dadurch kann es nicht mehr zu einer Situation kommen, in der dringliche Kundmachungen innerstaatlicher Rechtsvorschriften durch zu gleicher Zeit laufende Kundmachungen völkerrechtlicher Vorschriften, für deren Kundmachung keine Dringlichkeit besteht, behindert werden. Für den Konsumenten und Bezieher des Bundesgesetzblattes ergibt sich der Vorteil, daß nur mehr jene Teile des Bundesgesetzblattes gekauft werden müssen, die auch für den Bezieher dieses Bundesgesetzblattes von Interesse sind.

Der einzige Nachteil dieser Regelung liegt darin, daß zu erwarten ist, daß die Zahl der Abonnenten für den Teil, der völkerrechtliche Rechtsvorschriften vorsieht, kleiner wird und dadurch aller Voraussicht nach auch der Preis für die Abonnements dieser Bundesgesetzblätter verteuert wird.

Auf jeden Fall soll allerdings der Preis dieser Bundesgesetzblätter nur die Entstehungskosten abdecken und soll dadurch möglichst niedrig gehalten werden, damit auch die Zugänglichkeit zu den Bundesgesetzen für möglichst alle Bevölkerungsgruppen besteht.

Durch die Ausgliederung von Rechtsvorschriften soll das Bundesgesetzblatt "abgeschlankt" werden, auch das ist, wie ich meine, ein sinnvoller Akt der Verwaltungsreform.

Zurzeit findet sich im Bundesgesetzblatt eine große Zahl von Rechtsvorschriften, die nur für einen kleinen Kreis von Beziehern von Interesse sind. Als Beispiel: Ausbildungs- und Prüfungsvorschriften nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz oder auch Lehrpläne, die wirklich nur einen sehr kleinen und überschaubaren Bezieherkreis interessieren.

Solche Rechtsvorschriften sollen in Zukunft nicht mehr im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden, sondern in den Amtsblättern des zuständigen Ressorts. Dadurch würde auch die Doppelgleisigkeit im Kundmachungswesen beseitigt werden. Derzeit ist es so, daß sowohl im Amtsblatt des jeweiligen Ressorts als auch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird.

Das neue Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt sieht außerdem vor, daß die Gliederung des Bundesgesetzblattes in Stücke aufgelassen wird. Derzeit ist die Gliederung des Bundesgesetzblattes so strukturiert, daß Nummern und Stücke angegeben werden, was aufgrund der Durchzählung der Seitenanzahl nicht sinnvoll erscheint.

In Zukunft wird das Bundesgesetzblatt nur mehr die kundgemachten Rechtsvorschriften durchnumerieren. Die Vollständigkeit des Bundesgesetzblattes ist durch die Seitenanzahl kontrollierbar und jederzeit auch feststellbar. Auch diese Maßnahme bedeutet für den Bezieher des Bundesgesetzblattes den Vorteil, nur mehr die für ihn interessanten Nummern kaufen zu müssen.

Wenn eine Nummer ein Dokument ist, wird eine EDV-konforme Durchführung des Produktionsprozesses erleichtert.

Die Lagerung der gedruckten Bundesgesetzblätter verursacht derzeit der Österreichischen Staatsdruckerei erhebliche Kosten. In Zukunft kann durch die Einführung des Desk-top-


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Publishings gewährleistet werden, daß die Bundesgesetzblätter bei Bedarf von der Staatsdruckerei ausgedruckt werden können. Das bedeutet, daß auch die sehr hohen Kosten für die permanente Lagerung von gedruckten Bundesgesetzblättern wegfallen und auch eine Modernisierung im Wesen der Staatsdruckerei eintritt.

Das Bundesgesetz ist ein wichtiger Schritt in der Verwaltungsreform, führt zu mehr Übersichtlichkeit, erleichtert die Auffindbarkeit und führt auch zu Kosteneinsparungen für die Bezieher der Bundesgesetzblätter. Die Österreichische Staatsdruckerei findet durch dieses Gesetz auch eine rechtliche Basis, um elektronische Medien für die Herstellung der Bundesgesetzblätter zu nutzen. Gerade in Zeiten, in denen Bürger, Medien, aber auch Mandatare über eine Gesetzesflut klagen, ist jede effizientere Gestaltung von Bundesgesetzen zu begrüßen, wobei man vielleicht auch an dieser Stelle erwähnen sollte, daß nur in etwa ein Viertel aller in den Bundesgesetzblättern veröffentlichten rechtlichen Vorschriften auch wirklich Gesetze sind. Rund 40 bis 42 Prozent sind Verordnungen und zirka 30 Prozent Staatsverträge, der Rest sind sonstige Verlautbarungen.

Derzeit sieht das Bundes-Verfassungsgesetz nur die Wiederverlautbarung von Bundesgesetzen, nicht aber die Wiederverlautbarung von Staatsverträgen vor. Nunmehr hat sich aber auch die Notwendigkeit nach einer Wiederverlautbarung von Staatsverträgen ergeben, und zwar wurde durch das 11. Protokoll zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten deren Text ebenso geändert wie die dazugehörigen Zusatzprotokolle.

Es erscheint mir sinnvoll, diese für Österreich wichtige Konvention durch eine Wiederverlautbarung zugänglich zu machen. Da anzunehmen ist, daß auch in Zukunft weitere Fälle von Wiederverlautbarungen von Staatsverträgen sinnvoll erscheinen, ist eine entsprechende Änderung im Artikel 49a des Bundes-Verfassungsgesetzes vorzunehmen.

Diese gesetzlichen Bestimmungen sind nur ein kleiner Schritt dazu, daß die Gesetze, die wir hier im Parlament beschließen, für die Bevölkerung leichter zugänglich gemacht werden können, und stellen eine Demokratisierung des Wissens über Gesetze des Staates dar und sind deshalb auch zu begrüßen – letzten Endes auch deshalb, weil wir Sozialdemokraten für die Durchflutung aller Lebensbereiche mit Demokratie eintreten, und das ist ein kleiner partieller Schritt im Bereich der Verwaltung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

22.23

Präsident Josef Pfeifer: Als nächster Sprecher ist Herr Dr. Günther Hummer an der Reihe. – Bitte, Herr Bundesrat.

22.23

Bundesrat Dr. Günther Hummer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine Eigentümlichkeit des Rechtes, wie Hans Kelsen festgestellt hat, daß es seine eigene Erzeugung und Anwendung regelt. Die Verfassung ist als positivrechtlich höchste Stufe der Rechtsordnung zu verstehen. Kelsen versteht als materielle Verfassung jenen Teil, der die Erzeugung der generellen Rechtsnormen regelt.

Es ist also Sache des Verfassungsgebers, die Kundmachung als letzten Akt der Rechtswerdung, der rechtlichen Normen zu regeln. Kundmachung im rechtlichen Sinne bedeutet Festlegung des Zeitpunktes, ab dem die Rechtsunterworfenen an die kundgemachten Rechtsnormen gebunden sind. Es kommt also auf den formalen Akt der Kundmachung an, auf den Zeitpunkt der gehörigen Kundmachung, wie es schon § 2 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches formuliert hat. Gehörig kann nur heißen in der Form, wie es die Verfassung vorschreibt.

Es kommt also nicht etwa darauf an, daß alle oder ein bestimmter Teil der Rechtsgenossen von der Tatsache der Kundmachung oder deren Inhalt Kenntnis genommen hätte. Dies ergibt sich schon aus der seit 1811 geltenden Norm des § 2 ABGB, daß sich, sobald ein Gesetz gehörig kundgemacht ist, niemand damit entschuldigen kann, daß ihm dasselbe nicht bekannt geworden sei. Was gehörige Kundmachung ist, normiert Artikel 49 B-VG. Danach sind die Bundesgesetze


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und die im Artikel 50 bezeichneten Staatsverträge vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Ihre verbindende Kraft beginnt, wenn in der kundgemachten Norm nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nach Ablauf des Tages, an dem das Stück des Bundesgesetzblattes, das die Kundmachung enthält, herausgegeben und versendet wird, und erstreckt sich, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, auf das gesamte Bundesgebiet.

Insoferne hat also Artikel 49 des Bundes-Verfassungsgesetzes den alten § 3 ABGB derogiert, der da lautete: "Die Wirksamkeit eines Gesetzes und die daraus entspringenden rechtlichen Folgen nehmen gleich nach der Kundmachung ihren Anfang, es wäre denn, daß in dem kundgemachten Gesetze selbst der Zeitpunkt seiner Wirksamkeit weiter hinaus bestimmt würde."

Die teilweise Derogation nimmt dieser Bestimmung nichts an der Aussage, daß die Kundmachung ganz unabhängig davon ist, ob die kundgemachte Norm den Rechtsunterworfenen tatsächlich zur Kenntnis kommt oder von ihm zur Kenntnis genommen oder verstanden wird. Man hat diese Erkenntnis in dem Satz zusammengefaßt, daß die Unkenntnis des Gesetzes nicht entschuldigt.

Dennoch hat der Gesetzgeber etwa im § 9 des Strafgesetzbuches oder im § 5 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes dem Rechtsirrtum durchaus rechtliche Bedeutung, also Rechtsfolge, eingeräumt. Auch der Verfassungsgerichtshof setzt Ansätze, die die bloß formale Kundmachung in Extremfällen nicht als ordnungsgemäß gelten ließen, obwohl sie im Sinne der Verfassung gehörig gewesen ist, etwa bei Verweisungen, die es dem Leser des Gesetzes fast unmöglich machen, den Zeitpunkt des Inkrafttretens oder des Außerkrafttretens einer Norm ohne aufwendige Recherchen festzustellen.

Dennoch bleibt es dabei, daß durch die gehörige Kundmachung von Normen diese dem Rechtsbestande angehören. Unabhängig von deren allfälliger Anfechtbarkeit sind demnach auch die Verwaltungsbehörden und die Gerichte an gehörig kundgemachte Gesetze, Verordnungen und Staatsverträge gebunden.

Der für die gehörige Kundmachung maßgebliche Artikel 49 Abs. 1 B-VG soll nun insofern eine kleine Korrektur erfahren, als die Einteilung in Stücke, wie mein Vorredner schon ausgeführt hat, in Hinkunft wegfallen soll. Dagegen kann nichts eingewendet werden, da die Nummern und die Seiten des Bundesgesetzblattes dessen Vollständigkeit und Lückenlosigkeit ausreichend sicherstellen und überprüfbar machen.

Die nunmehr beabsichtigte Zerlegung des Bundesgesetzblattes in Teile hat in Österreich, wenn man nicht weiter als bis 1848 zurückgehen will, als es bekanntlich eine Justizgesetzsammlung und eine politische Gesetzessammlung gab, und wenn man die ständestaatliche Ära ausklammert, keine Tradition. Sie nimmt sich offensichtlich die deutsche Regelung als Vorbild, die zweifellos eine leichtere Handhabung des Bundesgesetzblattes ermöglicht. Während die Regierungsvorlage noch eine Zweiteilung ins Auge gefaßt hatte, entschied sich der Verfassungsausschuß des Nationalrates in seiner Sitzung vom 17. Oktober zu einer Dreiteilung, wie schon gesagt wurde. Grob gesprochen wird Teil I die Bundesgesetze, Teil II die Verordnungen und Teil III die Staatsverträge enthalten. Die leichtere Handhabbarkeit des Bundesgesetzblattes wird dabei mit dem kleinen, auch schon genannten Nachteil erkauft werden müssen, daß die wahrscheinlich weniger verlangten Teile II und III des Bundesgesetzblattes entsprechend teurer sein werden.

Im übrigen übernimmt das neu gefaßte Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt – das sei auch angemerkt – ein altes Redaktionsversehen. Auch hier heißt es nämlich wieder, daß das Bundesgesetzblatt zur Verlautbarung insbesondere der Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates bestimmt sei. Denn spätestens nach der Beurkundung durch den Bundespräsidenten und der Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler ist aus dem "Gesetzesbeschluß des Nationalrates" ein, allerdings erst zu verlautbarendes Bundesgesetz geworden. In diesem Sinne bestimmt etwa auch Artikel 48 Bundes-Verfassungsgesetz, daß Bundesgesetze, so heißt es hier, unter Berufung auf den Beschluß des Nationalrates kundzumachen sind.


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Grundsätzlich ist es erfreulich, wenn nunmehr das Recht der Wiederverlautbarung auch auf Staatsverträge ausgedehnt wird. Dennoch darf dabei folgendes nicht verkannt werden: Durch Verträge zustande gekommene Normenkomplexe sind im allgemeinen schon von ihrer Natur her viel weniger zur Wiederverlautbarung geeignet als etwa Bundesgesetze. Der Vertrag kommt bekanntlich durch korrespondierende Erklärungen von Vertragspartnern zustande und soll nun von nur einem Vertragsteil – eben der staatlichen Regierung – ohne Zutun der anderen Vertragsteile in eine übersichtliche Form gegossen werden. Das kann zweifellos zu divergierenden Auffassungen zwischen der wiederverlautbarenden Bundesregierung und den Vertragspartnern oder dem Vertragspartner führen. Eine verfassungsrechtliche Klärung der neu geschaffenen Wiederverlautbarungsmöglichkeit wird deshalb – so kann man wohl voraussagen – früher oder später notwendig werden. Aber unabhängig davon kann man das Paket verfassungsrechtlicher und einfachgesetzlicher Bestimmungen, das sich auf die Kundmachung gesetzlicher Bestimmungen bezieht, nur begrüßen. Ich beantrage deshalb namens meiner Fraktion, dagegen keinen Einspruch zu erheben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

22.32

Präsident Josef Pfeifer: Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Tremmel zum Rednerpult.

22.32

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, mich zeitlich zu limitieren.

Erstens möchte ich mitteilen, daß wir allen drei Vorlagen die Zustimmung geben beziehungsweise keinen Einspruch erheben werden.

Zum Bereich Ausschreibungsgesetz ist nichts mehr zu sagen. Darüber hat der Berichterstatter bereits vollinhaltlich berichtet. Ein Wort wird für entbehrlich gehalten: Eine Gliederungsbezeichnung lautet "14" anstatt "9". – Damit ist Punkt 10 abgehandelt.

Punkt 11, meine Damen und Herren, wurde hier auch schon ausführlich erläutert. Beim ersten Bereich handelt es sich ebenso um eine formalrechtliche Änderung. Zum dritten Bereich gibt es jedoch sehr gravierende Änderungen, und daher möchte ich hier ein paar Sätze zum Kommunalwahlrecht und zur Direktwahl des Bürgermeisters sagen.

Diese Novellierung ist auch deswegen notwendig, meine Damen und Herren, weil die Aufnahme der Kommunalwahlrechte für EU-Bürger mit Hauptwohnsitz in Österreich in die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften der Länder nur teilweise stattgefunden hat. Die Direktwahl zum Bürgermeister als Unionsbürger ist nur gefaßt. Die Kommunalwahlrechte, die Rechte der Unionsbürger sind – das möchte ich hinzuzufügen –, sind teilweise noch nicht in die entsprechenden Landeswahlrechte aufgenommen. Ich möchte das hier nur anmerken, weil in den nächsten Tagen in Graz eine Volksbefragung stattfinden wird, die nach der Gemeindewahlordnung organisiert ist. Daher müßten an und für sich die EU-Wahlbürger mit Hauptwohnsitz in Graz, sprich Österreich, wahlberechtigt sein. Das ist jedoch noch nicht der Fall, daher ist eine Novellierung notwendig.

Zur Synchronisation des Aufhebungsverfahrens bei Gesetzen und Verordnungen: Diese ist richtig. Es werden Fristen vereinheitlicht.

Zum Bundesgesetzblatt hat mein Vorredner bereits ausführlich und wirklich sehr fundiert gesprochen. Die Teilung der Verlautbarungen in innerstaatliche und völkerrechtliche Rechtsvorschriften ist zu begrüßen, denn so wird der Verlautbarungsvorgang übersichtlicher, und der Zugang zum Recht wird für den Bürger leichter, weil Doppelgleisigkeiten vermieden werden.

Es ist nur zu hoffen, daß beim modernen elektronischen Verfahren der Staatsdruckerei beim Publishing eine Generalübersicht gegeben ist, denn sonst wäre das wieder ein Mangel, weil man in verschiedensten Bereichen bis zu den einzelnen Ministerien überprüfen müßte, welche Verordnungen jeweils Geltung haben.


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Meine Damen und Herren! Wir meinen, daß das auch deswegen ein richtiger Schritt ist, weil die Gesetzesflut zwar noch nicht eingedämmt, aber doch gesteuert wird. – Ich habe es schon einmal ausgeführt: Im Jahr 1946 hatten wir Gesetzblätter im Umfang von 474 Seiten pro Jahr, im Jahr 1995 waren es bereits 9 518 Seiten! Daraus ersehen wir die Masse der gesetzlichen und verordnungsmäßigen Produktion, die nicht nur auf uns, sondern auch auf den Bürger zukommt. Ich hoffe, daß diese Novellierung als erster Schritt auf diesem Gebiet zu einer Eindämmung führen wird.

Ich hoffe, daß es zu einer Anpassung des Handbuchs der Rechtssetzung kommt. Ich nehme an, Herr Kollege Weiss wird heute noch darüber sprechen. Ich hoffe, daß es zu Gesetzen auf Zeit kommt, damit Materien aus dem Verkehr genommen werden, die eigentlich niemand mehr braucht. Ich hoffe, daß es zu einer Synchronisation des Rechtsmittelverfahrens in Bereichen, in denen es möglich ist, kommt.

All das wäre in Zukunft noch zu beachten. Generell darf ich aber sagen, daß wir diesen Materien, wie ich sie ausgeführt habe, unsere Zustimmung geben werden. (Allgemeiner Beifall.)

22.37

Präsident Josef Pfeifer: Weiters hat sich Herr Bundesrat Jürgen Weiss zu Wort gemeldet. Ich bitte ihn, zu sprechen.

22.37

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es wurde schon ausführlich dargelegt, daß die Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle und das Gesetz über das Bundesgesetzblatt in einer sehr begrüßenswerten Weise eine Bereinigung der Darstellungsform der Vielfalt des Bundesrechtes bringen. Ich möchte hinzufügen, daß bundesweit geltendes Recht nicht nur in den künftigen drei Teilen des Bundesgesetzblattes dargestellt ist, sondern auch noch in einem vierten Teil, nämlich im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, das gleichrangig neben diese Teile des Bundesgesetzblattes zu stellen sein wird. (Bundesrat Dr. Schambeck: Ist er nicht gescheit?)

Offen ist nach dieser Bereinigung die Bereinigung der Vielfalt unseres Bundesrechtes selbst, eine Rechtsbereinigung in formeller und auch in materieller Hinsicht. Ich möchte die Bundesregierung ermuntern, in ihren Vorarbeiten, die auch ein wesentliches Ziel des Arbeitsprogrammes darstellen, fortzusetzen. Ich glaube, gerade dieser Gesetzesbeschluß ist ein guter Anlaß, daran zu erinnern.

Eine hervorragende Stellung bei dieser Rechtsbereinigung nimmt natürlich die Bereinigung des in Österreich in einer unvergleichlichen Weise zersplitterten Bundesverfassungsrechts ein. Ich nenne hier nur das Stichwort "Neukodifikation der Bundesverfassung". Wir haben auch heute eine ganze Reihe von Beschlüssen gefaßt, die Bundesverfassungsrecht ergänzen, ohne daß das in der Verfassungsurkunde selbst sichtbar würde. Die Neukodifikation ist rückwärts gewandt: Das sogenannte Inkorporierungsgebot wäre in die Zukunft gerichtet und sollte verhindern, daß wieder neuer Kodifizierungsbedarf entsteht.

Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß der Bundesrat in seiner Sitzung vom 23. Februar 1995 die Entschließung Nr. 141 verabschiedet hat, die – ich kann das kurz zitieren – folgenden Wortlaut hatte: "Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat spätestens mit der nächsten Regierungsvorlage betreffend eine B-VG-Novelle eine Regierungsvorlage betreffend ein Bundesverfassungsgesetz zur Verwirklichung des Inkorporierungsgebotes zuzuleiten." – Soweit die einstimmig beschlossene Entschließung.

Die vorliegende Bundesverfassungsgesetz-Novelle war zwar nicht die erste nach dieser Entschließung, aber wie kaum eine andere hätte sie Anlaß geboten, dieses Inkorporierungsgebot in der Bundes-Verfassung zu verankern. Ich möchte ersuchen, dieser seinerzeitigen Entschließung des Bundesrates künftig doch Rechnung zu tragen!

Das Gesetz über das Bundesgesetzblatt stellt auch eine Rechtsbeziehung zum Rechtsinformationssystem des Bundes her, das in einer sehr anerkennenswerten Weise – das Bundes


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kanzleramt hat sich hier wirklich große und verdienstvolle Mühe gemacht – das Bundesrecht auf elektronischen Datenträgern speichert und auch für Außenstehende abrufbar zur Verfügung hält. Der Erfassungsgrad ist außerordentlich hoch, er kann sich international sehen lassen. Wir haben in dieser Hinsicht mit der Erstellung des Rechtsinformationssystems, des elektronischen Grundbuchs und des elektronischen Firmenbuchs wirklich Beispielhaftes in Europa geleistet. Das muß man der Verwaltung und der in diesem Bereich tätigen Beamtenschaft sehr zugute halten.

Wünschenswert wäre beim Rechtsinformationssystem, daß es nicht nur einem geschlossenen Benutzerkreis zugänglich ist, wie das in der Aufbauphase zwangsläufig bedingt war, sondern daß es – mit dem Internet stehen die entsprechenden Möglichkeiten und die Kommunikationsformen nun zur Verfügung – auch öffentlich zugänglich gemacht wird. Der jetzt schon angebotene Pilotversuch, in dem zumindest Teilbereiche des Rechtsinformationssystemes versuchshalber öffentlich zugänglich gemacht werden, zeigt die Absicht, dieses System allmählich auf den ganzen Rechtsbestand auszudehnen: Ich möchte ersuchen, mit diesem Bemühen fortzusetzen.

Abschließend möchte ich in diesem Zusammenhang begrüßen, daß nun die Parlamentsverwaltung die Initiative ergriffen hat, auch die parlamentarischen Materialien im Wege des Internet elektronisch abrufbar zu machen und damit auch für den interessierten Bürger ein entsprechendes Service der Information und der Rückkoppelung zu schaffen. Ich glaube, das ist unerläßlich. Österreich schließt sich diesbezüglich an die Bemühungen etwa der Schweiz und auch Deutschlands an. Ich begrüße das sehr, und ich möchte bitten, daß diese Methode, die dazu beiträgt, teilweise papierlose Parlamentsarbeit zu ermöglichen und zu erleichtern, auch von den Abgeordneten beider Häuser genutzt wird. Wir alle wissen, welche Berge von Papier hier verwaltet und uns zugestellt werden. Die jetzt geschaffenen Möglichkeiten könnten einen Anlaß bieten, Einsparungen umzusetzen. – Ich danke. (Allgemeiner Beifall.)

22.42

Präsident Josef Pfeifer: Es hat sich nun Herr Vizepräsident Dr. Schambeck zu Wort gemeldet. Ich bitte ihn, zu sprechen.

22.42

Bundesrat Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach den glänzenden Ausführungen des Herrn Bundesrates Jürgen Weiss möchte ich mich doch noch zu Wort melden, weil ich noch etwas unterstreichen möchte, was er schon gesagt hat.

Ich möchte hier im Bundesrat in diesem Jahr 1996, das wir als Milleniumsjahr Österreichs bezeichnet und teilweise auch erfolgreich gefeiert haben – teilweise hätte man mehr machen können –, meine sehr Verehrten, erwähnen, daß wir auch 75 Jahre des Gedenkens an das Bundes-Verfassungsgesetz 1920, einer der wichtigsten Maßstäbe des österreichischen Rechtslebens, nicht vorübergehen hätten lassen sollen, ohne daß es zu einer Neukodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes und damit einer Hauptquelle des österreichischen Verfassungsrechtes gekommen ist.

Herr Kollege Konečny hat jetzt leicht gelächelt. Hat sich das nicht auf mein Thema bezogen? Das ist lieb! (Bundesrätin Crepaz: Ich habe gesagt, daß mich das nicht betrifft, weil wir erst seit über 600 Jahren dabei sind, daher kann ich nicht das Millenium feiern!) Dazu möchte ich sagen, daß das Land Tirol natürlich auch für die Verfassungsrechtsentwicklung von Wichtigkeit ist, in Hinblick auf die Geschichte der Demokratie bei Ihnen.

Meine sehr Verehrten! Herr Bundesminister außer Dienst Bundesrat Weiss hat darauf hingewiesen, was alles vorbereitend bereits zur Rechtskodifikation geschehen ist, und er hat außerdem über die Beziehung von Recht und Technik gesprochen und darüber, was in diesem Zusammenhang zur Vereinfachung getan wurde.

Auf diesem Gebiet der Neukodifikation des Verfassungsrechtes haben bedeutende Professoren – ich nenne Herrn Professor Schäffer, Herrn Professor Nowak, Herrn Professor Robert Walter


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und Herrn Kollegen Heinz Meier – umfangreiche Gutachten erstellt, auch über Wunsch des zuständigen Bundeskanzleramt-Verfassungsdienstes, trotzdem ist es nicht zu einer Neukodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes gekommen, weil zuständige Politiker hiezu nicht imstande waren, initiativ zu sein.

Meine sehr Verehrten! Es wäre in der jetzigen Zeit in Anbetracht merkwürdiger Alternativszenerien und mancher Diskussionen wirklich notwendig, daß wir uns um ein vermehrtes Verfassungs- und Staatsbewußtsein bemühen. Und wir hätten bei diesem Jubiläum Österreichs auch Anlaß gehabt, über die Partei- und Landesgrenzen hinweg einen entsprechenden Rechtsakt zu setzen.

Das Verfassungsrecht Österreichs befindet sich in einem ruinenhaften Stadium, was Minister Klecatsky schon vor Jahrzehnten festgestellt hat. Ich möchte nur ein Beispiel bringen: Die umfassende Landesverteidigung ist im Artikel 9a des Bundes-Verfassungsgesetzes zu finden. Umfassender Umweltschutz oder die Neutralität Österreichs, die doch eine bestimmte Bedeutung hat, sind hingegen in einem eigenen Bundesverfassungsgesetz verankert. Diese sind nicht im Bundes-Verfassungsgesetz verankert. Auch die politischen Parteien, die in Österreich eine bedeutende Rolle spielen, finden nur in einer Verfassungsbestimmung eines einfachen Bundesgesetzes aus dem Jahr 1975 Niederschlag, aber nirgends im Bundes-Verfassungsgesetz, von den Interessenverbänden ganz abgesehen.

Ich glaube, daß wir auf dem Weg zum sozialen Rechtsstaat sind. Dieser findet jedoch im B-VG mit keiner einzigen Zeile seinen Ausdruck! Ich unterstreiche das, was Jürgen Weiss betreffend Inkorporationsgebot treffend gesagt hat. Sie wissen, daß ich mich seit Jahren immer dafür ausspreche. Das ist ein Punkt, in dem ich mit dem Herrn Präsidenten des Nationalrates Professor Fischer einer Meinung bin. Es gibt wenige Punkte, aber in diesem Punkt bin ich mit ihm wirklich einer Meinung: Es ist sehr wichtig, daß wir zu dieser Neukodifikation mit dem Inkorporationsgebot kommen. Ich möchte hier wirklich bitten, daß wir in der Länderkammer jede Gelegenheit wahrnehmen, um auf diese Notwendigkeit hinzuweisen, und uns nicht dazu verschweigen. Hoher Bundesrat! Ich bedaure auch sehr, daß bei der letzten Regierungsklausur nicht zum Ausdruck gekommen ist, daß man eine solche Neukodifikation ohne eine Bundesstaats- und Bundesratsreform nicht durchführen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir dem Konsultationsmechanismus nicht unkritisch gegenüberstehen, dann sollten wir uns gleichzeitig auch dafür aussprechen, daß es zu einer Neukodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes und zu jener Bundesstaatsreform kommt, deren Inangriffnahme schon 1992 mit Unterschrift des Bundeskanzlers Dr. Vranitzky erklärt wurde, der auch nach jeder Regierungserklärung hier erklärt hat, daß er zu dieser Unterschrift steht. Ich glaube, es besteht die Notwendigkeit, uns in den kommenden Monaten und auch im neuen Jahr zu bemühen, daß es auch auf Verfassungsgebiet eine Neukodifikation und einen Fortschritt gibt. Denn wer wollte leugnen, daß wir auch in einem integrierten Europa das entsprechende Verfassungs- und Rechtsbewußtsein als Voraussetzung eines Staatsbewußtseins brauchen? – Ich glaube, das sollten wir auch miteinbringen. Dann haben wir nämlich diese Gedenktage nicht bloß registriert und memoriert, sondern auch zukunftsträchtig genutzt. (Beifall bei der ÖVP.)

22.47

Präsident Josef Pfeifer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung das Wort gewünscht? – Auch nicht. Danke.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausschreibungsgesetz 1989 geändert wird.


Bundesrat
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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke. Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke. Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 30. Oktober 1996 betreffend ein Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke. Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

13. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (212 und 357/NR sowie 5297/BR der Beilagen)

14. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen über die Förderung und den Schutz von Investitionen (309 und 358/NR sowie 5298/BR der Beilagen)

15. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (112 und 359/NR sowie 5299/BR der Beilagen)

Präsident Josef Pfeifer: Meine Damen und Herren! Wir gelangen zu den Punkten 13 bis 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird. Es sind dies:

Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen,

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen über die Förderung und den Schutz von Investitionen und

Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Die Berichterstattung über die Punkte 13 bis 15 hat Herr Bundesrat Erhard Meier übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.


Bundesrat
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Berichterstatter Erhard Meier:
Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.

Der vorliegende Beschluß des Nationalrates hat die Förderung und den Schutz von Investitionen zum Gegenstand und regelt auf der Grundlage der Gegenseitigkeit unter anderem die Entschädigungspflicht bei Enteignungen, die Frage von Überweisungen und Formen der Streitbeilegung. Das Abkommen beruht auf dem Prinzip der Meistbegünstigung und Inländergleichbehandlung – ausgenommen Vorteile, die sich aus Integrationsmaßnahmen und ähnlichem ergeben. Aufgrund dieses Vertragsinstrumentes ist jede Vertragspartei in der Lage, die Rechte ihres Investors im Investitionsland sicherzustellen und zu vertreten.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd beziehungsweise gesetzesergänzend. Da auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 12. November 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates hat die Förderung und den Schutz von Investitionen zum Gegenstand und regelt auf der Grundlage der Gegenseitigkeit unter anderem die Entschädigungspflicht bei Enteignungen, die Frage von Überweisungen und Formen der Streitbeilegung. Das Abkommen beruht auf dem Prinzip der Meistbegünstigung und Inländergleichbehandlung – ausgenommen Vorteile, die sich aus Integrationsmaßnahmen und ähnlichem ergeben. Aufgrund dieses Vertragsinstrumentes ist jede Vertragspartei in der Lage, die Rechte ihrer Investoren im Investitionsland sicherzustellen und zu vertreten.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd beziehungsweise gesetzesergänzend. Da auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 12. November 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bringe schließlich den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Zwischen Österreich und der Republik Südafrika bestehen keine steuervertraglichen Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Aufgrund der wirtschaftlichen Beziehungen bedarf es einer modernen Regelung des Steuervertragsrechts. Durch den gegen


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ständlichen Beschluß des Nationalrates soll die aufgrund der Überschneidung der nationalen Steuerrechte von Österreich und Südafrika bewirkte Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Einkommen- und Vermögensteuer in einer den Anforderungen des modernen Wirtschaftslebens und der internationalen Steuervertragspraxis entsprechenden Weise beseitigt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd. Da auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 12. November 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Präsident Josef Pfeifer: Ich danke für die umfangreiche Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Der Herr Berichterstatter auch nicht? – Das ist auch nicht der Fall. Danke.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.


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618. Sitzung / Seite 188

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Litauen über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Danke. Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 31. Oktober 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen .

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sechs Anfragen (1232 bis 1237/J) eingebracht wurden.

Weiters mache ich die Mitteilung, daß ein Verlangen der Bundesräte Dr. Reinhard Bösch, Dr. Peter Kapral und Dr. Paul Tremmel gemäß § 21 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates eingebracht wurde, die Ausschußvorberatungen über den Selbständigen Antrag 89/A betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, aufzunehmen.

Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß die ursprünglich für Donnerstag, den 28. November 1996, vorgesehene Sitzung im aktuellen Sitzungsplan des Bundesrates nicht mehr enthalten ist. Es entfallen daher auch die Ausschußsitzungen am 26. November 1996.

Als nächster Sitzungstermin ist Donnerstag, der 12. Dezember 1996, 9 Uhr, vorgesehen. Die Einberufung für diese Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen.

Für die Tagesordnung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 10. Dezember 1996, ab 14 Uhr, vorgesehen.

Meine Damen und Herren! Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 22.57 Uhr