Stenographisches Protokoll

619. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 12. Dezember 1996

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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619. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 12. Dezember 1996

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 12. Dezember 1996: 9.05 – 20.24 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Wahl eines Vizepräsidenten des Bundesrates für den Rest des 2. Halbjahres 1996

2. Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Bewährungshilfegesetz, das Tilgungsgesetz, das Strafregistergesetz, das Suchtgiftgesetz, das Lebensmittelgesetz und das Sicherheitskontrollgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1996)

3. Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafvollzugsgesetz und das Einführungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz geändert werden (Strafvollzugsgesetznovelle 1996)

4. Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, die Zivilprozeßordnung und die Strafprozeßordnung geändert werden

5. Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung des Bezirksgerichts Meidling, die Auflassung des Exekutionsgerichtes Wien und des Strafbezirksgerichts Wien, Änderungen und Erweiterungen der Zuständigkeiten der Bezirksgerichte Favoriten, Hietzing und Fünfhaus sowie Änderungen des Bezirksgerichts-Organisationsgesetzes für Wien, der Zivilprozeßordnung, des Gerichtsorganisationsgesetzes, des Lebensmittelgesetzes 1975 und des Auktionshallengesetzes (4. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien)

6. Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über Änderungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs, der Exekutionsordnung und des Sicherheitspolizeigesetzes (Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie – GeSchG)

7. Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft, die Änderung des Postsparkassengesetzes 1969, des Bankwesengesetzes und die Errichtung des Staatsschuldenausschusses sowie die Änderung des Poststrukturgesetzes

8. Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen (Wertpapierauf


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sichtsgesetz – WAG) und über die Änderung des Bankwesengesetzes, des Börsegesetzes 1989, des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, der Konkursordnung, der Ausgleichsordnung, des Versicherungsaufsichtsgesetzes und des Investmentfondsgesetzes

9. Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Bundesrechenzentrum GmbH (BRZ GmbH)

10. Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung des Bundespensionsamtes (BPA-Gesetz), mit dem auch das Dorotheumsgesetz, das Staatsdruckereigesetz, das Ausschreibungsgesetz, das Parlamentsmitarbeitergesetz, das Bundespflegegeldgesetz und das Pensionsgesetz 1965 geändert werden

11. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden

12. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Bundesgesetz, mit dem Begleitmanßnahmen zum Umsatzsteuergesetz 1994 vorgesehen werden, geändert werden

13. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Beihilfen im Gesundheits- und Sozialbereich geregelt (Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz) und das Finanzausgleichsgesetz 1997 und das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert werden

14. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird

15. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Punzierungsgesetz geändert wird

16. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundeszuschuß an das Land Burgenland aus Anlaß der 75jährigen Zugehörigkeit zu Österreich gewährt wird

17. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern von Einkommen samt Notenwechsel und Verständigungsprotokoll

18. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD)

19. Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird (KAG-Novelle 1996)

20. Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen

21. Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird

22. Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000


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23. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird

24. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

25. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird

26. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird

27. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird

28. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird

29. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird

30. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert werden

31. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend Internationales Übereinkommen von 1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten samt Entschließungen MSC.21 (59) und MSC.33 (63) über Änderungen des Übereinkommens

32. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Donau-Auen samt Anlagen

33. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über den Schutz des Menschen und der Umwelt vor Chemikalien (Chemikaliengesetz 1996 – ChemG 1996)

34. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geändert wird

35. Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundesgesetz betreffend ergänzende Regelungen zur Anwendung der Verordnungen (EWG) im Bereich der sozialen Sicherheit, die Bundesgesetze BGBl. Nr. 473/1992 und 600/1996, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden (2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996 – 2. SRÄG 1996)

36. Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Betriebspensionsgesetz (BPG), das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG), das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden


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37. Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden über Soziale Sicherheit

38. Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz 1975 geändert werden

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat 13

Schreiben des Präsidenten des Steiermärkischen Landtages betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat 14

Angelobung der Bundesräte Dr. Peter Böhm, Karl Drochter, Mag. John Gudenus, Wolfgang Hager, Anna Elisabeth Haselbach, Mag. Harald Himmer, Albrecht Konečny, Dr. Michael Ludwig, Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof, Monika Mühlwerth, Josef Rauchenberger und Dr. Susanne Riess-Passer 14

Wahl eines Vizepräsidenten des Bundesrates für den Rest des 2. Halbjahres 1996

Verlangen nach Abführung einer Debatte gemäß § 57 Abs. 2 GO-BR 18

Debatte

Dr. Paul Tremmel 18 und 26

Albrecht Konečny 20

Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck 22

Wahl eines Vizepräsidenten des Bundesrates für den Rest des 2. Halb-
jahres 27

Personalien

Krankmeldungen 13

Entschuldigungen 13

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 16

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 15

Ausschüsse

Zuweisungen 17

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(2) Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Bewährungshilfegesetz, das Tilgungsgesetz, das Strafregistergesetz, das Suchtgiftgesetz, das Lebensmittelgesetz


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und das Sicherheitskontrollgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1996) (33 und 409/NR sowie 5306 und 5307/BR d. B.)

(3) Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafvollzugsgesetz und das Einführungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz geändert werden (Strafvollzugsgesetznovelle 1996) (317 und 410/NR sowie 5308/BR d. B.)

(4) Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, die Zivilprozeßordnung und die Strafprozeßordnung geändert werden (253 und 408/NR sowie 5309/BR d. B.)

(5) Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung des Bezirksgerichts Meidling, die Auflassung des Exekutionsgerichtes Wien und des Strafbezirksgerichts Wien, Änderungen und Erweiterungen der Zuständigkeiten der Bezirksgerichte Favoriten, Hietzing und Fünfhaus sowie Änderungen des Bezirksgerichts-Organisationsgesetzes für Wien, der Zivilprozeßordnung, des Gerichtsorganisationsgesetzes, des Lebensmittelgesetzes 1975 und des Auktionshallengesetzes (4. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien) (373 und 451/NR sowie 5310/BR d. B.)

Berichterstatter: Herbert Platzer 28

[Antrag, zu (2), (3), (4) und (5) keinen Einspruch zu erheben]


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Redner:

Dr. Günther Hummer 30

Josef Rauchenberger 32

Dr. Susanne Riess-Passer 34

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 35

Dr. Milan Linzer 38

Dr. Michael Ludwig 39

DDr. Franz Werner Königshofer 41

Dr. Michael Rockenschaub 43


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Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP, der SPÖ und einiger Bundesräte der Freiheitlichen, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der Freiheitlichen 44

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen betreffend Absenkung der Altersgrenze in § 209 des Strafgesetzbuches 35

Ablehnung 44

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3), (4) und (5) keinen Einspruch zu erheben 44

(6) Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über Änderungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs, der Exekutionsordnung und des Sicherheitspolizeigesetzes (Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie – GeSchG) (252 und 407/NR sowie 5300 und 5311/BR d. B.)

Berichterstatter: Ferdinand Gstöttner 45

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Karl Wilfing 45

Mag. Harald Repar 47

Monika Mühlwerth 48

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 49

Jürgen Weiss 50

Josef Rauchenberger 51

einstimmige Annahme des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 53

Gemeinsame Beratung über

(7) Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft, die Änderung des Postsparkassengesetzes 1969, des Bankwesengesetzes und die Errichtung des Staatsschuldenausschusses sowie die Änderung des Poststrukturgesetzes (321/A und 474/NR sowie 5312/BR d. B.)

(8) Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen (Wertpapieraufsichtsgesetz – WAG) und über die Änderung des Bankwesengesetzes, des Börsegesetzes 1989, des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, der Konkursordnung, der Ausgleichsordnung, des Versicherungsaufsichtsgesetzes und des Investmentfondsgesetzes (369 und 473/NR sowie 5313/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Hager 54

[Antrag, zu (7) und (8) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Peter Harring 55

Dr. Kurt Kaufmann 58

Erhard Meier 61

Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof 62

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (7) und (8) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 64

(9) Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Bundesrechenzentrum GmbH (BRZ GmbH) (397 und 477/NR sowie 5314/BR d. B.)

(10) Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung des Bundespensionsamtes (BPA-Gesetz), mit dem auch das Dorotheumsgesetz, das Staatsdruckereigesetz, das Ausschreibungsgesetz, das Parlamentsmitarbeitergesetz, das Bundespflegegeldgesetz und das Pensionsgesetz 1965 geändert werden (398 und 478/NR sowie 5315/BR d. B.)

Berichterstatter: Erhard Meier 64

[Antrag, zu (9) und (10) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

DDr. Franz Werner Königshofer 65

Jürgen Weiss 67

Ferdinand Gstöttner 68

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (9) und (10) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 69

Gemeinsame Beratung über

(11) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (370 und 464/NR sowie 5316/BR d. B.)

(12) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Bundesgesetz, mit dem Begleitmanßnahmen zum Umsatzsteuergesetz 1994 vorgesehen werden, geändert werden (396 und 475/NR sowie 5317/BR d. B.)

(13) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Beihilfen im Gesundheits- und Sozialbereich geregelt (Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz) und das Finanzausgleichsgesetz 1997 und das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert werden (395 und 476/NR sowie 5318/BR d. B.)

(14) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird (368 und 479/NR sowie 5319/BR d. B.)

(15) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Punzierungsgesetz geändert wird (406 und 480/NR sowie 5320/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Rauchenberger 70

[Antrag, zu (11), (12), (13), (14) und (15) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Michael Rockenschaub 72 und 80

Anton Hüttmayr 74

Karl Hager 76

Dr. Kurt Kaufmann 77 und 81

Hedda Kainz 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (11) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 81

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (12), (13), (14) und (15) keinen Einspruch zu erheben 81

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Michael Rockenschaub und Kollegen betreffend Beseitigung der sozialen Härten des Sparpaketes 73

Ablehnung 82

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Michael Rockenschaub und Kollegen betreffend Ermöglichung der Selbstpunzierung durch Hersteller 80

Ablehnung 82

(16) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundeszuschuß an das Land Burgenland aus


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619. Sitzung / Seite 8

Anlaß der 75jährigen Zugehörigkeit zu Österreich gewährt wird (393 und 481/NR sowie 5321/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Elisabeth Haselbach 83

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Johann Payer 83

Dr. Milan Linzer 85

Dr. Peter Harring 86

einstimmige Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben 88

(17) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern von Einkommen samt Notenwechsel und Verständigungsprotokoll (213 und 485/NR sowie 5322/BR d. B.)

(18) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) (334 und 487/NR sowie 5323 d. B.)

Berichterstatter: Karl Hager 89

[Antrag, zu (17) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen und zu (18) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Michael Rockenschaub 90

Dr. Milan Linzer 90

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (18) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 91

Gemeinsame Beratung über

(19) Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird (KAG-Novelle 1996) (379 und 429/NR sowie 5303, 5304 und 5324/BR d. B.)

(20) Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen (380 und 430/NR sowie 5325/BR d. B.)

(21) Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird (381 und 431/NR sowie 5326/BR d. B.)

(22) Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 (382 und 432/NR sowie 5327/BR d. B.)


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 9

Berichterstatter: Peter Rieser 92

[Antrag, zu (19), (20) und (21) keinen Einspruch zu erheben und zu (22) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 10

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 95

Karl Drochter 96

Gottfried Jaud 97

Dr. Paul Tremmel 99

Engelbert Schaufler 100

Johanna Schicker 102

Bundesministerin Dr. Christa Krammer 103

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (19), (20) und (21) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen teilweise der Bundesräte der ÖVP und der Bundesräte der SPÖ, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der ÖVP und der Bundesräte der Freiheitlichen 105

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates (22) gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, mit den Stimmen teilweise der Bundesräte der ÖVP und der Bundesräte der SPÖ, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der ÖVP und der Bundesräte der Freiheitlichen 106

Gemeinsame Beratung über

(23) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (416 und 442/NR sowie 5328/BR d. B.)

(24) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (417 und 443/NR sowie 5329/BR d. B.)

(25) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird (418 und 444/NR sowie 5330/BR d. B.)

(26) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird (419 und 445/NR sowie 5331/BR d. B.)

(27) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird (420 und 446/NR sowie 5332/BR d. B.)

(28) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird (421 und 447/NR sowie 5333/BR d. B.)

(29) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird (422 und 448/NR sowie 5334/BR d. B.)

Berichterstatter: Anton Hüttmayr 107

[Antrag, zu (23), (24), (25), (26), (27), (28) und (29) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Helga Moser 110

Herbert Platzer 112

Therese Lukasser 114

Gottfried Waldhäusl 117

Erhard Meier 117

Mag. Harald Himmer 121

Johann Payer 122

Peter Rieser 124

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 125

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (23), (26), (27) und (29) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 128

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (24), (25) und (28) keinen Einspruch zu erheben 128

(30) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert werden (322/A und 494/NR sowie 5335/BR d. B.)

Berichterstatter: Horst Freiberger 129

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

DDr. Franz Werner Köngishofer 130

Ing. Peter Polleruhs 131

Johann Kraml 133

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 135

(31) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend Internationales Übereinkommen von 1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten samt Entschließungen MSC.21 (59) und MSC.33 (63) über Änderungen des Übereinkommens (345/NR sowie 5336/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Karl Wilfing 136

(Antrag, 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben 136

(32) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Donau-Auen samt Anlagen (411 und 438/NR sowie 5337/BR d. B.)

Berichterstatterin: Johanna Schicker 137


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 11

(Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen)

Redner:

Ing. Walter Grasberger 137

Josef Rauchenberger 139

Mag. John Gudenus 140

Johann Grillenberger 142

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 143

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP, der SPÖ und einiger Bundesräte der Freiheitlichen, gegen die Stimme des Bundesrates Waldhäusl 144

(33) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über den Schutz des Menschen und der Umwelt vor Chemikalien (Chemikaliengesetz 1996 – ChemG 1996) (414 und 439/NR sowie 5301 und 5338/BR d. B.)

(34) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geändert wird (311/A und 440/NR sowie 5302 und 5339/BR d. B.)

Berichterstatterin: Johanna Schicker 145

[Antrag, zu (33) und (34) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Helmut Prasch 145

Gottfried Jaud 147

Johann Kraml 148

Mag. Karl Wilfing 149

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 149

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (33) und (34) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 151

Gemeinsame Beratung über

(35) Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundesgesetz betreffend ergänzende Regelungen zur Anwendung der Verordnungen (EWG) im Bereich der sozialen Sicherheit, die Bundesgesetze BGBl. Nr. 473/1992 und 600/1996, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden (2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996 – 2. SRÄG 1996) (394 und 465/NR sowie 5340/BR d. B.)

(36) Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Betriebspensionsgesetz (BPG), das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG), das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden (387 und 470/NR sowie 5341/BR d. B.)


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 12

(37) Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden über Soziale Sicherheit (320 und 471/NR sowie 5342/BR d. B.)

Berichterstatter: Erhard Meier 152

[Antrag, zu (35), (36) und (37) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Engelbert Weilharter 154

Engelbert Schaufler 155

Hedda Kainz 157

Alfred Gerstl 159

Bundesminister Franz Hums 161

Dr. Michael Rockenschaub 163

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (35) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 163

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (36) und (37) keinen Einspruch zu erheben 164

(38) Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz 1975 geändert werden (323, 463 und Zu 463/NR sowie 5343/BR d. B.)

Berichterstatter: Jürgen Weiss 164

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Karl Drochter 164

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 165

Eingebracht wurden

Berichte

15124-16541-EU über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG

Anfrage

der Bundesräte Karl Pischl und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst betreffend Angleichung der unterschiedlichen LKW-Höchstgeschwindigkeiten (1238/J-BR/96)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Engelbert Weilharter und Kollegen (1136/AB-BR/96 zu 1229/J-BR-96)

des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1137/AB-BR/96 zu 1230/J-BR/96)


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 13

Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Präsident Josef Pfeifer: Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 619. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 618. Sitzung des Bundesrates vom 14. November 1996 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Grete Pirchegger und Karl Wöllert.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Franz Richau und Erich Farthofer.

Mandatsverzichte und Angelobungen

Präsident Josef Pfeifer: Eingelangt ist ein Schreiben der Präsidentin des Wiener Landtages beziehungsweise des Präsidenten des Steiermärkischen Landtages betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat.

Ich ersuche die Frau Schriftführerin um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: "Sehr geehrter Herr Präsident!

In der konstituierenden Sitzung des Wiener Landtags am heutigen Tag fand die Wahl der elf Mitglieder des Bundesrats und deren Ersatzmitglieder statt.

Aufgrund der proportionellen Berechnung nach dem d΄Hondtschen System entfallen die einzelnen Bundesratsmandate auf die wahlwerbenden Parteien in folgender Reihenfolge:

auf die SPÖ die 1., 3., 6., 7. und 9. Stelle,

auf die FPÖ die 2., 5., 8., und 11. Stelle und

auf die ÖVP die 4. und 10. Stelle.

Die Gesamtreihung lautet aufgrund der von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, der Freiheitlichen Partei Österreichs und der Österreichischen Volkspartei erstatteten Vorschläge laut beiliegender Liste.

Die Gewählten entsprechen den Bestimmungen der Bundesverfassung.

Mit vorzüglicher Hochachtung:

Maria Hampel-Fuchs, Erste Präsidentin"

"1. Stelle: Anna Elisabeth Haselbach

Ersatz: Erika Stubenvoll

2. Stelle: Dr. Susanne Riess-Passer

Ersatz: Dr. André d΄Aron

3. Stelle: Albrecht Karl Konečny

Ersatz: Heinz Vettermann

4. Stelle: Mag. Harald Himmer

Ersatz: Stefan Adler


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 14

5. Stelle: Mag. John Gudenus

Ersatz: Ing. Gerhard Bauer

6. Stelle: Josef Rauchenberger

Ersatz: Dr. Irmtraut Karlsson

7. Stelle: Karl Drochter

Ersatz: Fritz Strobl

8. Stelle: Monika Mühlwerth

Ersatz: Ilse Burket

9. Stelle: Dr. Michael Ludwig

Ersatz: Harald Reisenberger

10. Stelle: Professor Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof

Ersatz: Dr. Ferdinand Maier

11. Stelle: Universitätsprofessor Dr. Peter Böhm

Ersatz: Mag. Michael Tscharnutter"

Ich bringe noch den Brief vom Präsidenten des Steiermärkischen Landtages zur Verlesung:

"Dipl.-Ing. Franz Hasiba

In der Sitzung des Steiermärkischen Landtages am 10. Dezember 1996 wurden anstelle der zurückgetretenen Bundesrätin Michaela Rösler Wolfgang Hager, geboren 27. 4. 1962, wohnhaft in Stolzalpe 70, als Mitglied des Bundesrates, und anstelle des zurückgetretenen Ersatzmitgliedes Mag. Werner Köchl Bürgermeister Erich Moser, geboren 23. 12. 1948, wohnhaft in Stadl/Mur 158, als Ersatzmitglied des Bundesrates gewählt.

Ich beehre mich, Ihnen dies zur Kenntnis zu bringen."

Präsident Josef Pfeifer: Danke. Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Frau Schriftführerin wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche die Frau Schriftführerin um Verlesung der Gelöbnisformel und anschließend um den Namensaufruf.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Dr. Peter Böhm.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche): Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: Karl Drochter.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ): Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: Mag. John Gudenus.


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 15

Bundesrat Mag. John Gudenus
(Freiheitliche): Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: Wolfgang Hager.

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ): Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: Anna Elisabeth Haselbach.

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ): Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: Mag. Harald Himmer.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP): Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: Albrecht Konečny.

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ): Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: Dr. Michael Ludwig.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ): Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: Dr. Manfred Mautner Markhof.

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof (ÖVP): Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: Monika Mühlwerth.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche): Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: Josef Rauchenberger.

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ): Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: Dr. Susanne Riess-Passer.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche): Ich gelobe.

Präsident Josef Pfeifer: Ich begrüße die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Josef Pfeifer: Meine Damen und Herren! Eingelangt sind zwei Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt sind Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen, die den heutigen Tag betreffen. Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: "Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel am 27. und 28. November den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer, am 29. November und am 3. Dezember sowie innerhalb des Zeitraumes vom 12. bis 14. Dezember den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein, innerhalb des Zeitraumes vom 30. November bis 2. Dezember die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer und am 10.


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 16

und 11. Dezember 1996 die Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner mit der Vertretung."

Präsident Josef Pfeifer (das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren! Die Frau Schriftführerin muß diese Schreiben vorlesen, wenn Sie auch nur dem Protokoll dienen. Ich bitte doch, ihr die nötige Aufmerksamkeit zu schenken und etwas leiser zu flüstern. – Bitte.

Schriftführerin des Bundesrates Helga Markowitsch: "Unter teilweiser Reassumierung der Entschließung vom 20. November 1996 betraue ich auf Vorschlag des Bundeskanzlers für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel am 12. Dezember 1996 die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer mit der Vertretung."

"Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein am 9. und 10. Dezember sowie am 12. Dezember 1996 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer mit der Vertretung."

"Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten innerhalb des Zeitraumes vom 4. bis 6. Dezember die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer und am 12. und 13. Dezember 1996 den Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums mit der Vertretung."

"Der Bundeskanzler

Ich beehre mich, Ihnen mitzuteilen, daß ich mich vom 12. bis 14. Dezember 1996 im Ausland aufhalten werde.

Da sich der gemäß Artikel 69 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz zu meiner Vertretung berufene Vizekanzler an diesen Tagen ebenfalls im Ausland aufhalten wird, kann er meine Vertretung nicht wahrnehmen.

Aus diesem Grund habe ich dem Herrn Bundespräsidenten vorgeschlagen, gemäß Artikel 69 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz für den Fall der gleichzeitigen Verhinderung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers vom 12. bis 14. Dezember 1996 den Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem mit meiner Vertretung zu betrauen.

Der Bundeskanzler"

"Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich gemäß Artikel 69 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes für den Fall der gleichzeitigen Verhinderung des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers innerhalb des Zeitraumes vom 12. bis 14. Dezember 1996 den Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem mit der Vertretung des Bundeskanzlers."

"Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Finanzen Mag. Viktor Klima am 12. Dezember den Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek, am 13. Dezember die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer und am 14. Dezember 1996 den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten mit der Vertretung.

Für den Bundeskanzler

Ministerialrat Dr. Wiesmüller"

Präsident Josef Pfeifer: Ich danke der Frau Schriftführerin für die Verlesung. Dies dient zur Kenntnis.

Eingelangt sind Beschlüsse des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 17

ein Bundesgesetz über die Leistung eines österreichischen Beitrages zur 7. allgemeinen Wiederauffüllung der Mittel des Afrikanischen Entwicklungsfonds,

ein Bundesgesetz über die Leistung weiterer Beiträge zur Weltbank Konsultativgruppe für internationale landwirtschaftliche Forschung für die Jahre 1996 bis 1998

sowie drei weitere Bundesgesetze über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen.

Diese genannten Beschlüsse unterliegen im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates.

Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung der vorliegenden Beschlüsse durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind ferner Berichte (15124 bis 16541-EU) über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e Bundes-Verfassungsgesetz. Diese Berichte habe ich dem EU-Ausschuß zugewiesen.

In Anbetracht des Umfanges habe ich gemäß § 18 Abs. 2 Geschäftsordnung des Bundesrates nach Rücksprache mit den Vizepräsidenten angeordnet, daß eine Vervielfältigung und Verteilung zu unterbleiben hat, alle Vorlagen jedoch in der Parlamentsdirektion zu Einsichtnahme aufliegen.

Den eingelangten Bericht des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die soziale Lage 1995 habe ich dem Sozialausschuß und den Sportbericht 1994 dem Ausschuß für Verfassung und Föderalismus zur weiteren geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zugewiesen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Ich habe alle diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Josef Pfeifer: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 2 bis 5, 7 und 8, 9 und 10, 11 bis 15, 17 und 18, 19 bis 22, 23 bis 29, 33 und 34 sowie 35 bis 37 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

1. Punkt

Wahl eines Vizepräsidenten des Bundesrates für den Rest des 2. Halbjahres 1996

Präsident Josef Pfeifer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Wahl eines Vizepräsidenten des Bundesrates für den Rest des 2. Halbjahres 1996.

Diese Wahl ist durch die vom neu konstituierten Wiener Landtag durchgeführten Neuwahlen in den Bundesrat notwendig geworden.


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 18

Es liegt mir der Vorschlag vor, Frau Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach für den Rest des 2. Halbjahres 1996 zur Vizepräsidentin zu wählen.

Da nur ein Wahlvorschlag vorliegt, hat gemäß § 56 Abs. 1 der Geschäftsordnung die Abstimmung durch Handzeichen oder Aufstehen zu erfolgen.

Ich werde die Wahl durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen. – Herr Dr. Tremmel hat sich zu Wort gemeldet. Stellen Sie einen Antrag? (Bundesrat Dr. Tremmel: Nein!)

Dann gibt es keine Debatte. (Bundesrat Dr. Tremmel: Dann werde ich zur Geschäftsordnung reden! Grundsätzlich ist es ein Tagesordnungspunkt, und ich wollte dazu sprechen. – Es könnte ja sein, daß ich einen Vorschlag einbringe!)

Moment! (Bundesrat Dr. Tremmel: Ist mir jetzt das Wort erteilt, Herr Präsident?)

Herr Dr. Tremmel! Im § 57 Wahlverfahren Abs. 2 steht: Über Wahlvorschläge ist eine Debatte durchzuführen, wenn dies von mindestens fünf Bundesräten schriftlich verlangt wird.

(Bundesrat Dr. Tremmel: Dann stelle ich entsprechend des eben zitierten Paragraphen den Antrag, daß hier eine Debatte durchgeführt wird!)

Das geht nicht, Herr Dr. Tremmel! Ich brauche einen von fünf Bundesräten schriftlich gestellten Antrag! (Bundesrat Dr. Tremmel: Wir befinden uns noch nicht im Wahlverfahren, wir werden daher gleich diesen Antrag stellen!)

Verlangen gemäß § 57 Abs. 2 auf Abhaltung einer Debatte

Präsident Dr. Josef Pfeifer: Meine Damen und Herren! Es liegt mir nun ein von fünf Bundesräten unterzeichnetes schriftliches Verlangen gemäß § 57 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf Durchführung einer Debatte über den Wahlvorschlag für die Wahl eines Vizepräsidenten für den Rest des 2. Halbjahres 1996 vor.

Dieses Verlangen ist genügend unterstützt, und es ist eine Debatte durchzuführen.

Debatte über die Wahl eines Vizepräsidenten für den Rest des 2. Halbjahres 1996

Präsident Dr. Josef Pfeifer: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

9.23

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist nicht üblich, bei einem solchen Vorschlag zu diskutieren, aber es gibt hier besondere Gründe dafür.

Bei einer Wahl gibt der Wähler durch sein Votum der Person seines Vertrauens die Stimme. Nicht anders, meine Damen und Herren, ist es hier in den Körperschaften des Nationalrates wie auch des Bundesrates – verfassungsmäßig fundiert und natürlich auch festgelegt durch föderalistische Elemente, was vor allem den ersten Vorsitzenden betrifft.

Wir wollen in dieser Debatte auch nicht bestreiten, daß Parteien – das Recht besteht – Persönlichkeiten nennen dürfen. Ich nehme einen Teil der Spannung, indem ich sage: Gnädige Frau, Frau Haselbach, unser Klub wird Sie wählen, wird Ihnen ein Vertrauensvotum im Vorschuß geben.

Warum spreche ich von einem Vertrauensvotum im Vorschuß? – Meine Damen und Herren! Vielleicht ist erinnerlich, wie ein Mitglied der F-Fraktion einen Ordnungsruf erhalten hat. Der Ordnungsruf erfolgte korrekt und war auch richtig, weil hier der Satz: "Sie lügen" gebraucht wurde.


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In der weiteren Folge wurde dann einem anderen Mitglied des Bundesrates ebenso ein Ordnungsruf erteilt, weil in Form eines Zwischenrufes das Wort "Frechheit" gefallen ist. Anlaß – das ist auch ein Grund, warum ich mich heute hier zu Wort melde – war ein weiteres Mitglied dieses Hauses, das unserer Meinung nach in einer Form und Weise polemisiert hat, bei der ebenso ein Geschäftsordnungsruf vonnöten gewesen wäre.

Ich nenne hier Auszüge aus dieser Rede:

Dabei wird vor skrupellosen Anschüttungsversuchen – das kann man juridisch noch nicht unter das StG subsumieren –, dabei wird vor dem Schüren von Gewalt nicht zurückgeschreckt. – Hier ist das schon eine andere Frage! Oder: Gerade die F-Politik in der Vergangenheit mit ihrer Panikmache, mit ihrer Aufhetzung und Verunglimpfung animiert zu Gewalttaten. (Beifall und Zwischenruf des Bundesrates Konečny: Sehr richtig!)

Weiters: Es ist mit Gewalt zu rechnen, aber da müssen wir durch! – Da wurde ein nie nachgewiesener Sager aus einer F-Bundesleitungssitzung zitiert.

Dann erfolgt die Schlußfolgerung – sie ist nicht nur bedenklich, sondern meiner Meinung nach auch bereits strafrechtlich zu subsumieren –: Es ist einzigartig, daß ein vermeintlicher Führer einer demokratischen Partei Gewalt auf sich nimmt, um politisch Kapital zu schlagen. – Es ist der Schluß schon nicht zulässig, aber die Worte, wie dieser Schluß gefaßt wurde, sind meiner Meinung nach unzulässig.

Es wird dann in weiterer Folge über einen Abgeordneten des Nationalrates gesprochen, daß eine Anzeige vorläge, daß er Ausländer illegal beschäftige – ich werde noch darauf bei einem weiteren Tagesordnungspunkt eingehen.

Weiters – es wäre unserer Gesinnungsgemeinschaft eigentlich nie eingefallen, das zu sagen – wird die von der Destruktionspartei geforderte Reform der Staatspolizei angeführt. – Das ist eine derartige Unterstellung einer demokratischen Wahlgemeinschaft, die man eigentlich zurückweist.

Dann kommt noch das letzte: Da werden mit Unwahrheiten – Unwahrheiten sind ebenso bedeutend wie Lügen; hier wäre ebenso ein Ordnungsruf vonnöten gewesen – laufend Bürger unseres Landes, integre Repräsentanten heruntergemacht.

Ich sage das nicht deswegen, weil wir wehleidig sind, sondern weil wir ebenso Wert darauf legen, meine Damen und Herren, daß die Courtoisie dieses Hauses beachtet wird. Ich ersuche Sie sehr, Frau Präsidentin, eine Gleichbehandlung walten zu lassen. Das ist ein Teil des Grundes meiner Wortmeldung: Ich unterstelle nicht, aber meine Klubmitglieder und ich hatten das Gefühl, daß keine Gleichbehandlung bei der Erteilung der Ordnungsrufe erfolgt ist.

Ein weiterer Punkt, der nichts mehr mit Ihrer Person zu tun hat, ist, daß hier immer wieder Feststellungen gemacht werden, die Repräsentanten dieses Hauses oder anderer Häuser betreffen – ich habe das vorhin zitiert. Ohne eine Wertung vornehmen zu wollen, ohne die Person des Präsidenten diskriminieren zu wollen, ist doch festzuhalten, daß im entsprechenden Artikel bezüglich der Immunität festgehalten ist, daß Bundesräte in ihrer Immunitätsform den Nationalratsabgeordneten gleichgestellt sind und daß ergo dessen auch das gleiche Procedere erfolgt.

Bei Vorliegen der Möglichkeit der Aufhebung der Immunität – eben läuft im Kärntner Landtag die diesbezügliche Beratung im Immunitätsausschuß – wäre es wohl vonnöten – so wie das im Nationalrat und auch im Bereich des Landtages üblich ist –, daß das zuständige Gremium, nämlich der Bundesrat, davon in Kenntnis gesetzt wird, wenn der vierthöchste Repräsentant unseres Staates in solch ein Verfahren hineingezogen wird. Das ist ein weiterer Bereich, den ich hier anmerken möchte und von dem es einfach notwendig ist, daß er hier erwähnt wird.

Als letztes und zum Schluß kommend, meine Damen und Herren: Weil bereits seinerzeit von uns die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Wahlverfahrens angesprochen wurde, vor allem in bezug auf die Vizepräsidenten, so haben wir ein bißchen historisch Einblick genommen. Siehe da! – Bereits 1920 ist diese Frage hier diskutiert worden: Man konnte sich in der Frage


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 20

der Vizepräsidenten an und für sich nicht einigen und hat ergo dessen auf die Geschäftsordnung verwiesen. Die Geschäftsordnung hat das nie eindeutig geregelt – nämlich entweder föderalistisches Prinzip oder nach dem d΄Hondtschen Verfahren Mehrheitsprinzip. Ich wollte auch das anmerken, meine Damen und Herren, weil das ein wichtiger Bereich der Bundesratsreform und auch ein sehr wichtiger Bereich – ich habe vorhin das Wort Geschäftsordnung erwähnt – der Geschäftsordnungsreform sein wird.

Abschließend, meine Damen und Herren: Ihnen allen ist die Äußerung des Präsidenten des Nationalrates bekannt, in der er festhält, daß Exekutivorgane über die gesetzgebenden Körperschaften und über das föderalistische Organ Bundesrat nicht bestimmen sollen – ich meine hier unter anderem eine Klausel, die zwischen Landeshauptleuten und anderen Regierungsvertretern ausgemacht wurde, nämlich den Konsultationsmechanismus –, daß wir damit überhaupt nicht befaßt wurden, wobei eine Befassung deswegen sehr notwendig wäre, meine Damen und Herren – ich habe das seinerzeit schon ausgeführt –, weil grundlegende Verfassungselemente, von denen der Bundesrat betroffen ist, mitinkludiert sind.

Ich deute das deswegen an, weil es in einem Dreiparteiengespräch im Präsidium dahin gehend zu einem Einverständnis gekommen ist, daß diese Fragen sehr schnell und zeitlich limitiert diskutiert werden. Es ist keine Überheblichkeit, meine Damen und Herren, wenn ich festhalte, daß unsere Fraktion darauf drängen wird, daß diese Fragen, die auch das Leben des Bundesrates bedeuten, in Diskussion gezogen werden und dazu Vorschläge erarbeitet werden, die dem föderalistischen Element unseres Landes auch dienen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.32

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konečny. Ich bitte ihn, zu sprechen.

9.32

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Tremmel hat es als Sprecher seiner Fraktion für notwendig gehalten, der zur Wahl anstehenden Frau Vizepräsidentin ihr Verhalten im Vorsitz vorzuhalten.

Nun ist es keine Frage, daß es jedem, der zur Teilnahme an den Verhandlungen berechtigt ist, wie es im § 71 unserer Geschäftsordnung heißt, frei steht, den Präsidenten zu ersuchen, einen Ruf zur Ordnung zu erteilen – was auch hinsichtlich einer nachträglichen Erteilung des Ordnungsrufs durchaus möglich ist.

Ich glaube, daß die Vorsitzführung der Frau Vizepräsidentin Haselbach, die jedes Mitglied dieses Hauses – sofern es schon in der vergangenen oder in der bisherigen Zusammensetzung dem Haus angehört hat – beurteilen kann, zunächst einmal eine in hohem Maße ausgleichende war, ist und sein wird. Wenn der eine oder andere – Herr Kollege Tremmel, ich hätte mir auch vielleicht manchmal etwas gewünscht – der Meinung ist, daß sich eine Äußerung, die jemand getan hat, auch einen Ordnungsruf verdient hätte, so muß ich sagen, daß wir – ich halte das für eine gute Tradition des Präsidiums – nicht sehr häufig in diesen parlamentarischen Schmalztopf greifen, sondern uns vom Präsidium her einer Praxis befleißigen, die sich darauf konzentriert, dann einzugreifen, wenn es notwendig ist.

Herr Kollege Tremmel! Sie wissen ganz genau, daß die Worte, die Sie hier aus dem Protokoll verlesen haben, nicht in einer aufgeheizten Atmosphäre gefallen sind, sonder in einer ruhigen und in ihren wesentlichen Inhalten sachlichen Rede. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das stimmt überhaupt nicht! – Bundesrat Dr. Prasch: Was ist die Sachlichkeit einer solchen Rede?) – Meine Herren Kollegen! Dieses Rednerpult steht zur allgemeinen Verfügung in diesem Haus. Ich ziehe es vor, wenn wir nacheinander und nicht gleichzeitig reden.

Ich meine daher, daß es an der Grenze dessen ist, was der Courtoisie dieses Hauses angemessen ist, wenn diese überlegte und der Dynamik der parlamentarischen Entwicklung Rechnung tragende Vorsitzführung meiner Kollegin Haselbach einer Kritik unterzogen wird.


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 21

Ihr Wahlverhalten oder die Begründung Ihres Abstimmungsverhaltens ist Ihre Sache. Ich habe keine Kritik daran zu üben, daß Sie meinen, ein Vertrauensvotum im Vorschuß geben zu müssen. Aus unserer Überzeugung heraus können wir sagen: Für uns hat sich Kollegin Haselbach dieses Vertrauen wahrlich erworben und erarbeitet. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich finde es auch für unangemessen – um das ganz klar zu sagen –, die im wesentlichen politische Auseinandersetzung um den Herrn Präsidenten hier in die Debatte hineinzuziehen. Er steht hier heute nicht unter diesem Tagesordungspunkt zur Wahl, aber es ist keine Frage, daß eindeutig geregelt ist, daß Mitglieder des Bundesrates jene Immunität genießen, die den Mitgliedern des sie entsendenden Landtages zukommt, wobei auch die Abhandlung der Immunitätsangelegenheiten Sache des jeweiligen Landtages ist. Der Herr Präsident hat deutlich gemacht, daß er Wert darauf legt, sich diesen Beschuldigungen, die von einem ehemaligen Mitarbeiter erhoben werden, der sich ganz überraschenderweise vom Gemeindebediensteten zum FPÖ-Kandidaten verwandelt hat und daher in seinen Vorwürfen von einer geradezu unbezweifelbaren Glaubwürdigkeit sein muß, stellen zu können. Ich glaube, daß damit alles zu diesem Thema gesagt ist, was dazu zu sagen ist.

Aber wenn Herr Kollege Tremmel die Geduld des Herrn Präsidenten in Anspruch genommen hat, um auf ein Thema einzugehen, das sich zweifelsfrei nicht mit dem Wahlvorgang beschäftigt, so darf ich im Sinne der erwähnten Gleichbehandlung durch das Präsidium dies auch für mich in Anspruch nehmen.

Wir haben heute – ich halte das nicht für einen Ruhmestag des Bundesrates – Herrn Gudenus wieder in unserem Kreis zu begrüßen gehabt. Daß die Wiener Wähler eine bestimmte Entscheidung getroffen haben, die die Freiheitliche Partei zur Entsendung einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern des Bundesrates berechtigt, ist nichts, woran einem Demokraten Kritik zusteht. Daß die Freiheitliche Partei in freier Entscheidung ihre Kandidaten auswählt, ist nichts, woran mir eine Kritik zusteht. Aber ein Kommentar steht mir zu – denn diese Auswahl ist etwas, was sich dem öffentlichen Urteil stellen muß. Wir haben Kollegen Gudenus bereits einmal als Mitglied dieses Hauses erlebt – das gehört nicht zu den besten Erinnerungen. Herr Kollege Gudenus ist von seiner Partei danach in den Nationalrat entsendet worden. Ich habe daran keine persönliche Erinnerung, aber Kolleginnen und Kollegen aus dem Nationalrat meinen, auch das hätte gewisse Schwächen aufgewiesen.

Aber das Entscheidende ist, daß Herr Kollege Gudenus vor 14 Monaten von seiner Partei aus dem Nationalrat abgezogen wurde, und zwar nicht deshalb, weil an seinen politischen oder rhetorischen Fähigkeiten gezweifelt worden wäre, sondern deshalb, weil in der damaligen Situation – ganz offensichtlich hatte das etwas damit zu tun, daß Wahlen vor der Tür standen – die politische Haltung des Herrn Gudenus, zum Ausdruck gebracht in einer Podiumsdiskussion, unangebracht war. Ich warne vor irgendwelchen Bekundungen, das sei nicht so gewesen. Herr Kollege Gudenus! Sie haben das Pech, daß einer der Teilnehmer dieser Podiumsdiskussion als Mitglied des Hauses im Saal anwesend ist. (Bundesrat DDr. Königshofer: Was werfen Sie ihm vor? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Nein, nicht mich.

Herr Kollege Gudenus – insofern ist sein Gelöbnis von heute bemerkenswert im wahrsten und uneingeschränkten Sinn des Wortes – hat wiederholt in der Öffentlichkeit, in einem Interview des ORF, in einem Interview mit der APA folgende Formulierung verwendet: "Gaskammern? – Da halte ich mich raus. Ich glaube alles, was dogmatisch vorgeschrieben ist." (Bundesrat DDr. Königshofer: Darf er das nicht?)

Dieses Haus – das ist vielleicht nicht allgemein bekannt – hat drei seiner Mitglieder aus der Ersten Republik in ebendiesem Gas verloren, Herr Kollege Gudenus! Es war dies der ehemalige Präsident Dr. Steidle von der Christlich-Sozialen Partei, im KZ Buchenwald am 30. 8. 1940 ermordet, es war dies das Mitglied meiner Fraktion Karl Knapp, im KZ Dachau am 4. Dezember 1944 ermordet, und es war dies der Sozialdemokrat Dr. Felix Kanitz, im KZ Buchenwald am 29. 3. 1940 ermordet.


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Sie hätten sich da auch gerne rausgehalten, dann wären sie noch am Leben! Und ich glaube, daß Auschwitz, daß das Gas nichts ist, was dogmatisch vorgeschrieben ist in diesem Land. Es ist eine Wahrheit, eine erlebte, erlittene und für viele tödliche Wahrheit!

Herr Kollege Gudenus! Sie wurden damals von Ihrem Parteivorsitzenden zurückgezogen. Er hat sich dafür in den Zeitungen feiern lassen. Die "Kleine Zeitung", um eine von ihnen zu nennen, hat damals berichtet: "Haider demonstriert Härte. Auschwitz-Lüge wird in F nicht toleriert. Rasches Ende der Polit-Karriere eines skurrilen Aristokraten."

Die Durchgriffe des Herrn Haider haben ein Ablaufdatum wie ein Milchpackerl: Nach 14 Monaten gilt das nicht mehr! Historische Wahrheiten gelten offensichtlich nur für 14 Monate! (Bundesrat Dr. Tremmel: Was unterstellen Sie da?) – Ich unterstelle niemandem etwas – ich zitiere das, was Herr Gudenus gesagt hat, was Herr Haider gesagt hat und was eine angesehene österreichische Tageszeitung darüber geschrieben hat.

Ich meine, daß das etwas ist, was tief blicken läßt. Herr Kollege Gudenus! Sie haben die Möglichkeit der Klarstellung. Meine Herren und Damen von der Freiheitlichen Partei! Sie haben die Möglichkeit einer Distanzierung. Und wir alle, meine Damen und Herren, haben die Aufgabe, klarzustellen, daß für uns historische Wahrheiten, die leidvolle Geschichte unseres Landes, nicht deshalb Gültigkeit haben, weil das dogmatisch und gesetzlich vorgeschrieben ist, sondern weil es ein Teil unserer schmerzlichen Geschichte ist.

Das Gelöbnis auf die Bundesgesetze und alle anderen Gesetze, Herr Kollege Gudenus, heißt nicht, achselzuckend zu sagen: Wenn es mir vorgeschrieben ist, dann mach’ ich es halt! – Dieses Gelöbnis, das Sie und einige von uns heute geleistet haben, soll und muß heißen: Wir stehen freudigen Herzens zu dieser Demokratie und zur Bewältigung ihrer geschichtlichen Last! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.44

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Präsident Professor Schambeck. Ich bitte ihn, zu sprechen.

9.44

Bundesrat Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, keiner von uns hat, als er den Sitzungssaal des Bundesrates heute morgen betreten hat, erwartet, daß es eine solche Debatte gibt. Sie wurde bei der Vorberatung unserer heutigen Bundesratssitzung im Präsidium, bei der ich die Ehre hatte, Herrn Präsidenten Pfeifer, der dienstlich im Ausland war, zu vertreten, auch nicht angekündigt.

Ich bedauere es sehr, daß am Ende dieses Jahres 1996 – einem Jahr der geschichtlichen Erinnerung des Millenniums Österreichs, in dem wir in den verschiedenen politischen Lagern zwischen Neusiedler See und Bodensee uns dazu bekannt haben, auch als Volksvertreter das Unsere zur Bewältigung der Geschichte beizutragen – dieser alle sechs Monate wiederkehrende Tagesordnungspunkt zu einer solchen Debatte genutzt wird, in der – in einer sehr extensiven Auslegung der Geschäftsordnung – diskriminierende Äußerungen in verschiedenster Richtung fallen.

Meine Damen und Herren! So, wie wir uns kennen – einige von uns kennen wir schon sehr lange –, wissen wir, daß wir uns bemühen, gerade im Bundesrat das Unsere zu dem beizutragen, was heute so dringend notwendig ist, vor allem gegenüber einer nicht ungefährlichen Alternativszenerie – ich denke zum Beispiel an die Briefbomben, die leider zur Serie wurden –, daß wir als Mandatare einen Beitrag zur politischen Kultur leisten sollen, das heißt, zu einem verständlichen Miteinander. Zu diesem verständlichen Miteinander möchte ich Sie einladen.

Wir Christenmenschen befinden uns gerade in diesen Tagen in der Zeit des Advents. Ganz gleich, wie intensiv die Gläubigkeit des einzelnen Menschen ist – das ist seine private Intimsphäre, die zu respektieren ist –, so freut sich doch jeder, daß wir Advent erleben dürfen. Advent ist die Zeit der Erwartung, und jeder von uns geht doch in dieser Zeit in sich und überlegt sich: Auf was darf ich warten, und was erwartet mich?


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In dieser Zeit sieht auch die Welt auf uns, in der so viel Unfriede herrscht. Und es gibt auch so viele Suchende in der Welt – in Europa und auch bei uns in Österreich –: Es gibt eine Jugend, die den Weg sucht, und es gibt viele Ältere und Alte, die in ihrem Leben nicht alle Wünsche erfüllt bekommen haben – manche fühlen sich geradezu betrogen, manche fragen sich, warum sie Lasten und besondere Verpflichtungen übernehmen. – Dann ist es unsere Aufgabe als Volksvertreter und als Politiker, den Schritt voranzugehen. Ich erinnere Sie nur an das Sparpaket, an die Verpflichtungen, die mit dem Budget zusammenhängen, aber vor allem sollten wir uns gerade jetzt bemühen, unseren Beitrag zur politischen Kultur bei der Neuordnung Europas einzubringen. Ich möchte niemandem in Österreich das Recht absprechen, daß Seine im Rahmen des Möglichen zu diesem Weg der politischen Kultur einzubringen.

Wir haben, meine Damen und Herren, eine Geschichte zu verkraften, die wir zum Großteil aufgrund unseres Geburtsdatums nicht verursacht haben, wir haben aber die Verpflichtung, aus dieser Geschichte zu lernen. Ich wiederhole das, was ich bei meiner Gedenkrede zum März 1938 im März 1988 nachlesbar gesagt habe: Niemals wieder, meine sehr Verehrten! Ich füge hinzu: Wehret den Anfängen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zu dem, was ich seinerzeit gemeinsam mit dem damaligen Präsidenten des Nationalrates Leopold Gratz bei dem Gedenkakt gesagt habe, bekenne ich mich auch heute. Und ich werde mich immer dazu bekennen, in welcher Funktion und Situation auch immer ich in diesem Haus und außerhalb dieses Hauses stehe. Denn, meine sehr Verehrten, wir werden vier Jahre vor dem Jahr 2000 nur dann den Weg erfolgreich fortsetzen können, wenn wir gerade im Herzen Österreichs und bei dieser Geschichte unseres Landes das Unsere an Verstehen beibringen und dazu noch etwas tun, nämlich jene nicht verletzen, die in dieser Zeit einen Blutzoll zu leisten hatten.

Ich weiß nicht, ob das alle wissen – ich weiß auch nicht, ob Herr Bundesrat Dr. Tremmel, ein Mann, der sich um den Rechtsstaat bemüht, ein Mann, der ein historisches Bewußtsein hat, das auch weiß –: Die Familie der Frau Präsidentin Haselbach hat für diese Zeit einen Blutzoll zu leisten gehabt. Die Familie ihrer Mutter hat Leben lassen müssen. Ihre eigene Mutter ist schwerst verfolgt worden, ihr Vater, der ein Volksvertreter war und den ich kennen zu dürfen die Ehre hatte, auch als Linzer Professor, war das Vorbild eines Repräsentanten an politischer Kultur, bevor er Mandatar wurde, als Mandatar – obwohl meine Partei damals mit ihm in Konfrontation stand – und auch in dem Rest seines Lebens. Und sie ist auch die Tochter dieses Mannes. Ich freue mich, einer parlamentarischen Körperschaft anzugehören, der Frau Haselbach angehört, die Tochter des Herrn Nationalrates Dr. Kleiner. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Als ich 1966 meine Lehrtätigkeit an der Linzer Universität begonnen habe und seit 1967 Ordinarius war, habe ich zu jeder Gastvorlesung bei mir in Linz Herrn Nationalrat Dr. Kleiner – auch als er nicht mehr dem Hohen Haus angehörte – eingeladen. Es war uns eine Ehre, ihn begrüßen zu dürfen!

Ich stehe nicht am Linzer Bahnhof und warte auf den Zug – wie gestern wieder –, ohne an ihn zu denken, den ich dort oft und oft getroffen habe. An diese Gespräche werde ich immer gerne denken.

Meine sehr Verehrten! Herr Bundesrat Dr. Tremmel hat – das wollen wir nicht übersehen – am Beginn seiner Ausführungen das Ja zur Person der Frau Haselbach gesagt. Und daher würde ich Sie bitten, Hohes Haus, daß wir – gewählt wird eine Person, aber mit einer Funktion setzt man sich auseinander – das nicht durcheinanderbringen, weil ich glaube, Frau Bundesrätin Haselbach hat es in den Jahren ihrer Tätigkeit als Mitglied der Länderkammer und auch ihres Wirkens im Präsidium des Bundesrates als Präsidentin des Bundesrates und auch als Vizepräsidentin verdient, daß man ihr das Vertrauen schenkt.

Meine sehr Verehrten! Man kann ohne weiteres, was die Geschäftsordnung betrifft, verschiedener Meinung sein, und es können ohne weiteres auch während der Jahrzehnte des Bestehens einer Kammer – ich wünsche dem Bundesrat, daß er noch Jahrzehnte bestehen kann,


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angepaßt der neuen Struktur des Föderalismus –, Herr Dr. Tremmel hat ja darauf hingewiesen, Ordnungsfragen neu entstehen.

Herr Präsident Pfeifer! Ich selbst habe in der Präsidialsitzung – die anwesenden Damen und Herren können es bestätigen – als Vorsitzender dieser Präsidialkonferenz den Vorschlag gemacht, und zwar im Hinblick auf Föderalismusinitiativen, daß wir einen eigenen Ausschuß bilden, der all diese Fragen zur Bundesstaats- und Bundesratsreform behandelt. Dr. Tremmel hat die Freiheitliche Partei vertreten, und ich darf dem Hohen Haus mitteilen, daß wir alle einstimmig beschlossen haben, im Jänner eine solche Arbeitsgruppe zusammenzusetzen, die sich mit den aktuellen Fragen beschäftigt.

Daher glaube ich, daß es nicht passend ist, daß wir heute diesen Wahlakt dazu nutzen, um eine solche Debatte mit Diskriminierungen in verschiedener Richtung zu führen. Denn wir haben die Gelegenheit, uns mit Grundfragen des Föderalismus zu beschäftigen. Darin stimme ich überein, auch mit der Frage des Konsultationsmechanismus wird sich der Bundesrat zu beschäftigen haben. Es erscheint in wenigen Tagen eine Festschrift für Professor Pichler von der Wirtschaftsuniversität Wien und für Professor Stern von der Kölner Universität. Darin habe ich vor Monaten schon kritisch über den Konsultationsmechanismus geschrieben und mich auch dazu geäußert. Ich bin mit Herrn Kollegen Fischer selten einer Meinung – das wird Sie nicht überraschen –, aber ich bin mit ihm einer Meinung, was den Konsultationsmechanismus betrifft, nämlich daß sehr bedenkenswert ist, wenn Exekutivorgane über die Tätigkeit von Legislativorganen entscheiden. Das Parlament erweist sich dabei immer mehr und mehr als Exekutivorgan dessen, was außerparlamentarisch beschlossen wurde.

Darüber wird sich dieses Haus auseinanderzusetzen haben, und als Präsident des Bundesrates werde ich das schon bereits in meiner Antrittsrede im Monat Jänner tun, meine Damen und Herren!

Aber ich glaube, daß das jetzt kein Anlaßfall ist, die Wahl der Vizepräsidentin des Bundesrates mit dem zu verknüpfen, noch dazu, da Dr. Tremmel gleich am Beginn gesagt hat und damit andeuten wollte – ich glaube, Sie richtig zu verstehen –, daß das nicht gegen die Person der Frau Bundesrätin Haselbach gerichtet ist.

Wenn Sie, meine Damen und Herren – das möchte ich generell und auch für die Zukunft sagen –, an dem Verhalten von jemandem im Haus Kritik üben – das steht uns zu, weil das Recht auf freie Meinungsäußerung jedem Staatsbürger zusteht, seit der Dezember-Verfassung 1867 deutlich ausgedrückt, bis heute –, dann bitte tun Sie das gleich, aber rechnen Sie es nicht Monate nachher aus irgendeinem Anlaßfall auf, auch wenn das dann dramatischer ist.

Was das Kommen des Herrn Bundesrates Mag. John Gudenus betrifft, möchte ich sagen, daß es natürlich jeder Partei und jedem Landtag unbenommen bleibt, wen er nominiert. Ich glaube, daß es nicht richtig wäre – ich glaube, so war es auch gar nicht gedacht –, daß man Vorschriften macht. Ich kenne Herrn Kollegen Gudenus schon sehr lange. Ich glaube, mich nicht zu irren, er war einer meiner Hörer in der Landesverteidigungsakademie, in der LAVAK, dort hat er solche Äußerungen nicht im entferntesten gemacht, sonst wäre es mir damals schon aufgefallen. Aber er hat diese anderen Äußerungen tatsächlich gemacht, und ich weiß nicht, ob Sie, Herr Bundesrat Gudenus, die wiederholen würden oder wiederholt hätten. Aber es kommt ja nicht darauf an, wie es der eine meint, sondern wie es der andere aufnimmt. Da gilt es schon, Erstaunen zu äußern, daß jemand nicht für würdig erachtet wird, seine Partei in der einen Kammer zu vertreten, aber nach einigen Monaten – inzwischen erfolgt nichts anderes, als daß die Zeit vergeht – wird er für die andere Kammer für würdig erachtet. Wenn jemand glaubt, damit zur Aufwertung des Bundesrates beizutragen, so irrt er sich, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Auf der anderen Seite möchte ich Ihnen sagen, wir sollten uns bemühen, gerade in der Zeit des Advents den Weg in einem Miteinander zu gehen, und wir sollten uns bemühen, auch nach außen eine Visitenkarte abzugeben, daß sich solche Fehler nicht wiederholen. Ich darf daher bitten, daß wir das, was im Eid als Verpflichtung gegenüber der demokratischen Republik Öster


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reich mit dieser Staatsrechtsordnung zum Ausdruck kommt, in unsere Äußerungen, in unsere Aktivitäten einbringen, um uns besser als bisher zu verstehen.

Meine Damen und Herren! Wenn wir heute diese Wahl vornehmen, dann möchte ich Sie bitten, daß das, was jetzt in der Debatte zum Ausdruck gekommen ist, mit diesem Wahlakt nicht ad acta gelegt wird, nämlich daß wir uns gemeinsam bemühen, so wie wir uns jetzt vornehmen, diese Arbeitsgruppe zu bilden, daß wir uns gemeinsam bemühen – jeder dort, wo er steht –, das Seine einzubringen in bezug auf eine Verbesserung eines zeitnahen Föderalismus, daß wir uns überlegen – jeder in seiner Fraktion –, was wir zu einer zeitnahen Geschäftsordnungsreform miteinbringen können – das ist auch notwendig im Hinblick auf unsere Mitgliedschaft bei der Europäischen Union.

Meine sehr Verehrten! Wir sind alle Menschen, und glauben Sie es mir: Das, was man über andere sagt oder was andere erleben können, kann einen selbst einmal treffen, und es soll niemand den anderen so messen, wie er nicht selbst gemessen werden will.

Wir alle stehen im politischen und im öffentlichen Leben. Ich gehöre diesem Haus jetzt 27 Jahre an, ich darf sagen, ich glaube, ich bin der Dienstälteste hier, und ich gehöre dem Präsidium bald 22 Jahre an, und jeden Tag liegt diese Verantwortung zentnerschwer auf meinen Schultern. Ich überlege mir oft und oft, und glauben Sie mir, mir würde viel einfallen über Personen und Sachen innerhalb meiner Partei, innerhalb des Parlaments, der Politik und gegenüber politisch Andersdenkenden et cetera, aber man muß immer rechnen: Wem kann das zugeordnet sein, und leiste ich einen Beitrag zum Gemeinwohl?

Ich sage Ihnen – ich muß viel reden, weil ich als Professor unterrichte und bei Versammlungen spreche –, Sie sind nie davor gefeit, daß jemand etwas anders versteht, etwas umdreht. Die Dummen verstehen das Wort nicht, und die Gemeinen verdrehen das Wort – auf beide Typen muß man achtgeben. Ich sage Ihnen, mein ganzes Leben habe ich mich darum bemüht! Wer zu meinen Mitarbeitern zählt, der weiß, daß ich oft Fahnen und Umbrüche tagelang liegenlasse und sie dann noch einmal korrigiere.

Es ist bedauernswert, wenn jemand, der im öffentlichen Leben steht wie der Herr Präsident des Bundesrates als Bürgermeister, einfach an den Pranger gestellt wird. Erlauben Sie mir – weil ich die Ehre habe, neben dem Herrn Bundesminister für Justiz der Republik Österreich zu stehen, der sich für diese Grundsätze auch einsetzt –, als Jurist zu sagen – das neue Mitglied des Bundesrates ist ein Professor der Rechtswissenschaften und vor allem des Verfahrensrechts, in dem Österreich eine große Tradition hat, ich nenne nur Franz Klein, den man auch in Japan gut kennt, und ich fordere Sie auf, seine gesamten Schriften, die zwei Bände zu studieren, die es noch bei Deuticke gibt –: Meine Damen und Herren! Solange jemand in letzter Instanz nicht rechtskräftig verurteilt ist, gilt mehr als die Unschuldsvermutung. Ich sage Ihnen, das kann jeden von uns treffen!

Das, was jeder Staatsbürger für sich in Anspruch nehmen kann, gilt auch für den Herrn Präsidenten des Bundesrates, den Sie nach dem Protokoll als Ihre Nennung vorgenommen haben. Ich darf Sie bitten, dafür Verständnis zu haben.

Als Jurist darf ich Sie daran erinnern, Herr Bundesrat Tremmel, daß sich natürlich die öffentliche Meinungsbildung mit allem beschäftigen kann – das ist überhaupt keine Frage –, sie wird sich auch mit Ihnen beschäftigen, mit uns allen, auch mit mir, mit meiner jetzigen Rede, aber ich sage Ihnen, für die Aufhebung der Immunität ist nach dem österreichischen Verfassungsrecht nicht der Bundesrat zuständig, sondern der jeweilige entsendende Landtag, in dem Fall des Bundeslandes Kärnten.

Daher ist es auch hier nicht erforderlich, daß wir darüber eine Debatte abführen. Wir haben keine Legitimation! Der demokratische Verfassungsstaat ist zuständig für die Kontrolle dessen, wofür er kompetent ist.

Herr Kollege Waldhäusl! Das ist eine Frage der Bildung, aber Sie sind ja herzlich eingeladen, sich weiterzubilden. (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Waldhäusl: Ich habe ja gar


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nichts gesagt!) Sie haben den Kopf gebeutelt. Ich sehe es ja, aber nachdem ich ... (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Das ist sehr lieb. Aber, Herr Kollege, das wird mich auch für die Zukunft nicht molestieren, weiterzureden, auch wenn Sie den Kopf beuteln.

Ich möchte Ihnen sagen, daß für die Aufhebung der Immunität des Herrn Präsidenten Pfeifer der Kärntner Landtag zuständig ist, und er wird die entsprechenden Schritte auch setzen. Ich bitte Sie, das, was die Staatsordnung betrifft, zu respektieren. Noch dazu, meine sehr Verehrten, haben Sie selbst in Ihrer Partei eine Reihe von Fällen – Sie brauchen nur durch die Zeitungen zu blättern –, in denen man sich in Hinblick auf Mandatare der FPÖ auch mit der Frage der öffentlichen Meinungsbildung unter Einhaltung bestimmter Rechtsvorschriften zu beschäftigen hat. Ich würde an Ihrer Stelle in der FPÖ daher vorsichtiger sein, hier Leute an den Pranger zu stellen, wenn andere Leute in einer von mir bedauerten Weise ebenfalls so etwas zu erleben haben!

Ich selber hatte vor wenigen Tagen die Freude – und dafür danke ich dem Bundesland Kärnten – mit Frau Präsidentin Haselbach unter der Leitung von Präsidenten Pfeifer einen offiziellen Besuch im Kärntner Landtag und in der Kärntner Landesregierung zu machen. Ich darf Ihnen versichern, daß der Herr Präsident des Bundesrates, Kollege Pfeifer, sowohl von den ersten Repräsentanten des Landtages von Kärnten als auch von denen der Landesregierung von Kärnten, in der auch Ihre Repräsentanten gewesen sind, respektvoll empfangen wurde. Wir sind sogar, wenn ich nicht irre, vom Vizepräsidenten des Landtages, der weder der SPÖ noch der ÖVP angehört, begrüßt worden. Wir waren anschließend in der Gemeinde, in der Präsident Pfeifer Bürgermeister ist, wobei ich sagen darf: Ich gehöre nicht der Partei des Herrn Pfeifer an, aber ich hatte es wirklich zu achten, in welcher Weise er und wir dort ehrenhaft aufgenommen wurden. Ich habe nicht den geringsten Grund, bei dieser erlebten Bürgernähe Diskriminierendes betreffend den jetzigen Präsidenten des Bundesrates im Raum stehen zu lassen. Die zuständigen Organe der Justiz mögen die Rechtsfindung vornehmen, im wahrsten Sinne des Wortes. Respektieren wir hier – was Dr. Tremmel auch nicht in Abrede gestellt hat – die Persönlichkeit von Frau Bundesrätin Haselbach!

Ich darf Ihnen sagen: Meine Fraktion wird so wie bisher Frau Vizepräsidentin Haselbach die Stimme geben. Und ich selber wünsche Ihnen, verehrte gnädige Frau, ad multos annos im Dienste der demokratischen Republik Österreich und ihrer demokratischen Bundesstaatsordnung! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.05

Präsident Josef Pfeifer: Bevor ich weitere Wortmeldungen zulasse, bitte ich doch zu bedenken, daß wir jetzt bei der Debatte betreffend die Wahl eines Vizepräsidenten oder einer Vizepräsidentin sind, die mit mehr oder weniger Großzügigkeit ermöglicht wurde, da ja vorher kein Antrag vorgelegen ist.

Ich habe es auch für richtig empfunden, daß alle drei Redner die Möglichkeit gehabt haben, darüber hinaus zu sprechen. Ich gebe aber zu bedenken, daß wir bei Punkt 1 der Tagesordnung sind.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Tremmel.

10.06

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Professor! Ich halte zur Schlußpassage Ihrer Rede fest, daß der Herr Präsident von niemanden an den Pranger gestellt wurde. Ich habe nur um eine Information gebeten, das möchte ich ausdrücklich hier festhalten. Wir haben Repräsentanten, und wir sind Repräsentanten, und die Öffentlichkeit und dieses Haus haben ein Anrecht darauf, zu erfahren, welche Dinge hier laufen.

Nun darf ich zum dritten Teil der Rede des Kollegen Konečny kommen. Ich halte mich ganz kurz. Ich werde Ihnen den Text der Aussage von John Gudenus aus einer APA-Aussendung vom 8. 10. 1995 vorlesen. – Der Text lautet:


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Gleichzeitig stelle ich neuerlich ausdrücklich klar, daß die Existenz der industriellen Vernichtung von zahllosen Menschen im Dritten Reich insbesondere über Gaskammern für mich als historische Tatsache feststeht und einer revisionistischen Erörterung nicht zugänglich sein kann. Daher stehe ich auch künftig für die Diskussion über die Existenz von Gaskammern nicht zur Verfügung. – So lautet die Aussendung.

Weil Mag. John Gudenus in der weiteren Folge gesagt hat, er stehe für diese Diskussion, die in Wirklichkeit auf seine Integrität abgezielt hat – Sie haben die Wortmeldungen hier gehört –, nicht zur Verfügung, konnte es auch nicht zu einer öffentlichen Auseinandersetzung kommen. John Gudenus hat damals richtigerweise von sich aus den Schritt gesetzt und gesagt, er kandidiert nicht für den Nationalrat.

Meine Damen und Herren! Ich halte hier ausdrücklich und noch einmal eindeutig fest: Für uns Freiheitliche gibt es keine Verharmlosung der entsetzlichen Verbrechen, die es in der Geschichte gegeben hat, von denen viele Menschen, darunter auch viele Österreicher, betroffen waren. Es waren auch Mitglieder meiner Familie betroffen, das darf ich extemporieren. Auch für uns gibt es diesbezüglich keine Relativierung. Aber wir werden es auch nicht zulassen, meine Damen und Herren, daß gegen anständige Menschen mit aufrechter Gesinnung, die unbescholten sind, in einer Art und Weise, wie es damals passiert ist und wie es immer wieder passiert, mit Unterstellungen vorgegangen worden ist, mit denen ihnen sozusagen auch die politische Existenz genommen werden soll. Das können wir nicht zulassen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.08

Präsident Josef Pfeifer: Es liegt mir keine weitere Wortmeldung mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Wahl eines Vizepräsidenten

Präsident Josef Pfeifer: Ich wiederhole noch einmal: Ich werde die Wahl durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die dem Wahlvorschlag Anna Elisabeth Haselbach ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. – Dies ist mit Stimmenmehrheit so geschehen.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen .

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die Wahl an. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Bewährungshilfegesetz, das Tilgungsgesetz, das Strafregistergesetz, das Suchtgiftgesetz, das Lebensmittelgesetz und das Sicherheitskontrollgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1996) (33 und 409/NR sowie 5306 und 5307/BR der Beilagen)


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3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafvollzugsgesetz und das Einführungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz geändert werden (Strafvollzugsgesetznovelle 1996) (317 und 410/NR sowie 5308/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, die Zivilprozeßordnung und die Strafprozeßordnung geändert werden (253 und 408/NR sowie 5309/BR der Beilagen)

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung des Bezirksgerichts Meidling, die Auflassung des Exekutionsgerichts Wien und des Strafbezirksgerichts Wien, Änderungen und Erweiterungen der Zuständigkeiten der Bezirksgerichte Favoriten, Hietzing und Fünfhaus sowie Änderungen des Bezirksgerichts-Organisationsgesetzes für Wien, der Zivilprozeßordnung, des Gerichtsorganisationsgesetzes, des Lebensmittelgesetzes 1975 und des Auktionshallengesetzes (4. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien) (373 und 451/NR sowie 5310/BR der Beilagen)

Präsident Josef Pfeifer: Wir gelangen zu den Punkten 2 bis 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird. Es sind dies: ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Bewährungshilfegesetz, das Tilgungsgesetz, das Strafregistergesetz, das Suchtgiftgesetz, das Lebensmittelgesetz und das Sicherheitskontrollgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1996), ferner ein Bundesgesetz, mit dem das Strafvollzugsgesetz und das Einführungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz geändert werden (Strafvollzugsgesetznovelle 1996), ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, die Zivilprozeßordnung und die Strafprozeßordnung geändert werden, und ein Bundesgesetz über die Errichtung des Bezirksgerichts Meidling, die Auflassung des Exekutionsgerichtes Wien und des Strafbezirksgerichtes Wien, Änderungen und Erweiterungen der Zuständigkeiten der Bezirksgerichte Favoriten, Hietzing und Fünfhaus sowie Änderung des Bezirksgerichts-Organisationsgesetzes für Wien, der Zivilprozeßordnung, des Gerichtsorganisationsgesetzes, des Lebensmittelgesetzes 1975 und des Auktionshallengesetzes (4. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien).

Die Berichterstattung über die Punkte 2 bis 5 hat Herr Bundesrat Herbert Platzer übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Herbert Platzer: Ich bringe den Bericht zu Punkt 2 der Tagesordnung.

Der gegenständliche Gesetzesbeschluß trägt dem Umstand Rechnung, im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches die auf Straftaten mit Vermögenszuwachs zugeschnittenen Sanktionen neu zu ordnen und damit zusammenhängende Fragen der inländischen Strafgerichtsbarkeit zu regeln sowie entsprechende Vorkehrungen und Anpassungen in der Strafprozeßordnung und im Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (zur Ermöglichung beziehungsweise Erleichterung der zwischenstaatlichen Rechts- und Vollstreckungshilfe im Bereich vermögensrechtlicher Anordnungen) vorzunehmen.

Im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches soll durch Einführung neuer Tatbestände und neuer Qualifikationen das bestehende Regelungsdefizit beseitigt und durch Aufhebung beziehungsweise Änderung obsoleter Strafbestimmungen das Strafrecht heutigen Bedürfnissen und Wertvorstellungen angepaßt werden.


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Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Bericht zu Punkt 3 der Tagesordnung:

Ziel des gegenständlichen Gesetzesbeschlusses ist die Präzisierung der Rechtsgrundlagen für die Ausübung der Befugnisse der Strafvollzugsbediensteten, um ein höheres Maß an Rechtssicherheit zu schaffen, und die angemessene Erweiterung der Befugnisse im Interesse der Sicherheit des Strafvollzuges.

Weiters ist die Schaffung einer Rechtsgrundlage zur Etablierung einer effektiven inneren Revision für den Bereich des Straf- und Maßnahmenvollzuges, die an betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ausgerichtet ist und dem professionellen Verständnis einer zeitgemäßen Verwaltungstätigkeit und Vollzugspraxis entspricht sowie zur Initiierung notwendiger Verbesserungen im Strafvollzug beiträgt, vorgesehen.

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich berichte zu Punkt 4 der Tagesordnung:

Durch den vorliegenden Gesetzesbeschluß des Nationalrates soll die Sicherheit in Gerichtsgebäuden künftig öffentlich-rechtlich abgesichert werden.

Zwecks Vermeidung einer Belastung der staatlichen Verwaltung sollen private Sicherheitsunternehmer mit der öffentlich-rechtlichen Sicherheitskontrolle zu Gericht kommender Personen und der Verwahrung beziehungsweise Übernahme sowie nachmaligen Ausfolgung der von diesen mitgenommenen Waffen betraut werden.

Sollte sich jemand zu Unrecht weigern, sich einer solchen Sicherheitskontrolle zu unterziehen oder eine Waffe in einem Schließfach zu verwahren beziehungsweise abzugeben, so soll er auch vom privaten Sicherheitskontrollorgan aus dem Gerichtsgebäude – allenfalls unter Anwendung der diesem Kontrollorgan von Gesetzes wegen übertragenen öffentlich-rechtlichen Befehls- und Zwangsgewalt – gewiesen werden können.

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Punkt 5 der Tagesordnung:

Mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluß sollen den Bezirksgerichten Favoriten, Hietzing und Fünfhaus – unter Bedachtnahme auf ihre teils neuen örtlichen Zuständigkeiten – neben ihren bisherigen sachlichen Zuständigkeiten auch jene für sämtliche Exekutions- sowie für allgemeine Strafsachen übertragen, ein Bezirksgericht Meidling für den 12. Bezirk mit den in ihrer Gesamtheit gleichen sachlichen Zuständigkeiten errichtet sowie das Exekutionsgericht Wien und das Strafbezirksgericht Wien aufgelassen werden.

Weiters soll der § 90a GOG betreffend die innerstaatliche Verfahrensgestaltung im Zusammenhang mit einem eingeleiteten Vorab-Entscheidungsverfahren aufgrund der Entwicklung des Europäischen Gemeinschaftsrechtes dergestalt erweitert werden, daß er insbesondere auch künftige einschlägige völkerrechtliche Verträge erfaßt.

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratungen der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Josef Pfeifer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.


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619. Sitzung / Seite 30

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Günther Hummer. Ich erteile ihm dieses.

10.15

Bundesrat Dr. Günther Hummer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon vorweg möchte ich sagen, daß das heute in Beratung stehende Paket von Justizgesetzen unseren Respekt verdient. Dieses Paket betrifft das Strafrecht und den Strafvollzug. Es ist wertestiftend und wertevermittelnd, und es ist nach gründlichen mehrjährigen Beratungen im Justizministerium und bei den befaßten Stellen entstanden.

Daß die Öffentlichkeit nur einige, dem ursprünglichen Paket gar nicht angehörende Paragraphen ganz besonders interessiert haben, verwundert nicht, denn für diese ist das Plakative eben interessanter als das Wertestiftende.

Es ging um die Aufhebung der §§ 209, 220 und 221 des Strafgesetzbuches, in denen es um den Schutz der Jugend insbesondere vor homosexueller Verführung geht.

Die Kameraden vom Bundesheer, die ich heute in der Säulenhalle gesehen habe, haben mir betreffend die Diskussion über dieses Kapitel einen militärischen Vergleich nahegelegt: Bei solchen Diskussionen geht es so zu, als würden sich zwei feindliche Regimenter einigeln oder eingraben, gut tarnen und aus sicherer Deckung ihre Sprenggranaten jeweils gegen den anderen abfeuern. – Die Sprenggranaten der einen Seite bestehen daraus, daß die anderen eines mittelalterlichen Fundamentalismus bezichtigt werden, weil sie für die Beibehaltung dieser strafgesetzlichen Schutzbestimmung sind. Den anderen wird unterstellt, daß sie unsere Jugend jeder Verführung schutzlos preisgeben wollen.

Wenn man eine solche Diskussion versachlichen will, dann muß man sich vor Augen halten, daß hinter jeder Rechtsnorm und hinter jeder Sanktion, die der Gesetzgeber verfügt, Rechtsgüter stehen, die der Gesetzgeber für schützenswert hält. Man kann Normen nur dann verstehen, richtig auslegen und auch über deren Beibehaltung und Aufhebung ertragreich diskutieren, wenn man die dahinter stehenden Rechtsgüter klar erkennt. Denn mit jeder Norm werden nicht nur ein Gebot oder ein Verbot mit einer Sanktion statuiert, sondern werden auch die Mißbilligung oder die Billigung eines bestimmten Verhaltens sichtbar und eine bestimmte Wertung statuiert.

Eine solche Wertung beruht oft auf einer Weltanschauung; man beruft sich etwa auf christliche, marxistische oder liberale Wertvorstellungen. Die Rechtsnorm ist aber dennoch von solchen Wertvorstellungen zu unterscheiden. Die bloße Existenz einer Norm würde selbst dann Billigung oder Mißbilligung zum Ausdruck bringen, wenn man sie niemals anwenden würde.

Bedenken Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß etwa unser Bundes-Verfassungsgesetz ursprünglich aus dem Jahr 1920 stammt, eine Reihe von wichtigen Bestimmungen enthält, die nie angewendet worden sind, etwa betreffend die politische oder rechtliche Verantwortung von höchsten Organen. Niemand würde jedoch auch nur im Schlaf daran denken, diese Bestimmungen aufzuheben.

Darum gebührt auch ein gewisses Maß an Vorsicht, wenn man von totem Recht spricht. Ich betone daher: Allein deswegen, weil eine Bestimmung sehr selten oder fast nie von den Gerichten angewendet wird, entfällt die Mißbilligung oder Billigung durch den Gesetzgeber noch nicht. Auch bloße Programme, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben ihren normativen Gehalt, weil ja andere Gesetzesbestimmungen an ihnen zu messen und bei der Auslegung heranzuziehen sind.

Auch im Strafrecht bedeutet es eine Verkürzung des Rechtsverständnisses, wenn man den Zweck eines Gesetzes nur in Sühne, in Besserung oder Abschreckung, General- oder Spezialprävention sieht. Die Interpretation muß stets aus der Gesamtheit der Rechtsordnung in Hinblick auf ihren inneren Zusammenhang erfolgen, was in der Praxis sicherlich schwierig ist.

Die dem Strafrecht zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgrundsätze könnte man beispielsweise mit Schutz der Familie, der Ehe, der Ehre, der Menschenwürde, des Intimbereiches, der


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Gesundheit, des Lebens, der Unversehrtheit in körperlicher, geistiger und menschlicher Hinsicht umschreiben. Hebt der Gesetzgeber also entsprechende Normen auf, dann darf man schon – dieser Schluß muß erlaubt sein –, folgern, daß er Rechtsgüter für nicht mehr oder weniger schützenswert hält oder daß er – das muß man der Vollständigkeit halber auch sagen – für deren Schutz anderweitig Vorsorge getroffen hat.

Das gilt es zu berücksichtigen, wenn etwa die Aufhebung der §§ 209, 220 und 221 Strafgesetzbuch gefordert wird. § 209 beinhaltet das Verbot der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren, § 220 Strafgesetzbuch die Werbung von Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechtes oder mit Tieren, und § 221 verbietet Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht. Nach dem vorliegenden Nationalratsbeschluß soll § 209 bestehen bleiben, während die §§ 220 und 221 aufgehoben werden.

Das Strafrechtsänderungsgesetz 1996, das der in Beratung stehende Nationalratsbeschluß beinhaltet, bringt eine Reihe neuer strafrechtlicher Tatbestände, hebt insbesondere recht heimlich und von der Öffentlichkeit unbemerkt § 194 des Strafgesetzbuches betreffend den Ehebruch auf.

Als wichtige neue Nebenstrafe oder Maßnahme wird die Abschöpfung der Bereicherung eingeführt. Die Großverdiener unter den Kriminellen und kriminellen Organisationen können auf diese Weise empfindlich getroffen werden.

Eine Reihe von Maßnahmen betrifft insbesondere auch die Strafprozeßordnung und die Gerichtsorganisation. Unter den neu geschaffenen Tatbeständen ist insbesondere bemerkenswert, daß im § 91 Strafgesetzbuch betreffend den Raufhandel nunmehr der gemeinsame tätliche Angriff schon dann für strafbar erklärt wird, wenn er als objektive Voraussetzung der Strafbarkeit eine leichte Körperverletzung zur Folge hat. Damit soll dem unmotivierten Schläger- und Schlägerbandenunwesen gegengesteuert werden.

Die ausbeuterische Schlepperei wird im § 104a Strafgesetzbuch unter strengere Strafe als bisher gestellt. Da die sogenannten Ketten- oder Pyramidenspiele nach geltendem Recht nicht dem Glücksspielgesetz zugeordnet sind, wird im § 168a Strafgesetzbuch ein entsprechender Straftatbestand geschaffen.

Den geltenden Bestimmungen über die fahrlässige Gemeingefährdung, § 177 Strafgesetzbuch, werden ein § 177a betreffend die Herstellung und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und ein § 177b betreffend den unerlaubten Umgang mit Kernmaterial oder radioaktiven Stoffen angefügt.

§ 181b Strafgesetzbuch wird neu gefaßt. Damit wird der sogenannte Mülltourismus, also das rechtswidrige Einführen, Ausführen und Durchführen von Abfällen, entsprechend strafrechtlich sanktioniert.

Neu gefaßt wird auch der Tatbestand des vorsätzlichen umweltgefährdenden Betreibens von Anlagen mit § 181d Strafgesetzbuch.

Eine zeitgemäße Fassung erhält § 195 Strafgesetzbuch betreffend die Kindesentziehung. Das Schutzalter des Minderjährigen wird hiebei mit höchstens 16 Jahren begrenzt. Der geltende § 278a Strafgesetzbuch betreffend kriminelle Organisationen wird auf aktuelle Erfordernisse abgestimmt.

Die Sanktionen für pornographische Darstellungen mit Unmündigen werden angesichts aktueller Vorkommnisse näher detailliert und höheren Strafen unterworfen. Als strafbar werden unter anderem folgende Delikte erklärt, auch wenn sie im Ausland begangen werden – so eine Novellierung des § 64 des Strafgesetzbuches –: Beischlaf mit Unmündigen, Unzucht mit Unmündigen, pornographische Darstellungen mit Unmündigen, in allen Fällen, wenn der Täter Österreicher ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Weitere Auslandstaten, die für strafbar erklärt wurden, sind zum Teil die Hehlerei, § 164, und die Geldwäscherei, § 165 StGB.


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Es handelt sich hiebei um eine Reihe von Bestimmungen, von denen man sagen kann, daß sie wertestiftend sind. Der österreichische Staatsbürger hat nicht nur im Inland, sondern wo immer er sich aufhält, den Respekt vor der Menschenwürde, insbesondere der kindlichen Menschenwürde, zu wahren.

Die vorgeschlagenen Änderungen fußen auf den Erfahrungen der Praxis und stellen auf neue Formen und Ausbildungen der Kriminalität ab. Der in Frage stehende Nationalratsbeschluß betreffend das Strafrechtsänderungsgesetz 1996 ist deshalb insgesamt gesehen sehr zu begrüßen. Daran vermag für mich der Wegfall der §§ 194, 220, 221 Strafgesetzbuch, geopfert auf dem Altar des Zeitgeistes, nichts zu ändern. Ich beantrage deshalb, gegen die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.27

Präsident Josef Pfeifer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. Ich bitte ihn, zu sprechen.

10.27

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Unter den zusammengezogenen Tagesordnungspunkten 2 bis 5 stehen heute so umfangreiche Materien zur Debatte wie das Strafrechtsänderungsgesetz 1996, die Strafvollzugsgesetznovelle 1996, das Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, die Zivilprozeßordnung, die Strafprozeßordnung geändert werden, und schließlich die vierte Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien. Einzelnen Bestimmungen gingen mehrere Jahre Diskussion, im konkreten auch eine sehr intensive parlamentarische Behandlung, voran, ehe diese vom Nationalrat am 27. November beschlossen wurden und heute vom Bundesrat endgültig verabschiedet werden sollen.

Es war sicher kein Zufall, daß dabei insbesondere jene Bestimmungen des Strafrechtsänderungsgesetzes, die gleichgeschlechtliche Beziehungen regeln, besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erweckten und erwecken. Schließlich leben wir heute in einer Zeit, in der einerseits in vielen Bereichen gesellschaftliche Zwänge, Sitten und Normen als überholt gelten, andererseits aber besonderer Wert darauf gelegt wird, eben diese Zwänge, Sitten und Normen weiter bestehen zu lassen oder gar neue aufzustellen.

Ich will mich daher, ehe ich auf die anderen Aspekte der umfangreichen Novelle eingehe, dieser gesellschaftspolitischen Frage nicht verschließen. Dabei maße ich mir, im Gegensatz zur ehemaligen Staatssekretärin und nunmehrigen Vorsitzenden des Justizausschusses im Nationalrat, Frau Fekter, nicht an, individuelle Beziehungsformen von Menschen meiner persönlichen Vorstellungswelt unterordnen zu wollen, indem ich alle anderen Formen als nicht wünschenswert abqualifiziere. Auch verschließe ich meine Augen nicht vor der Realität, indem ich eingestehe, daß es gegenwärtig viele verschiedene, individuelle Beziehungsformen gibt und nicht mehr von einer allgemein gültigen Form gesprochen werden kann.

Worum es in dieser gesamten Debatte wirklich geht, ist der Umstand, daß gleichgeschlechtliche Beziehungen vielfach nicht nur gesellschaftlich negiert oder geächtet, sondern weiterhin kriminalisiert sein sollen. Wir Sozialdemokraten sprechen uns deshalb schon seit Jahren gegen diskriminierende Bestimmungen des Strafgesetzbuches aus und haben auch dies in zahlreichen Initiativen auf parteiinterner, öffentlicher und parlamentarischer Ebene umzusetzen versucht. In diesem unseren Bestreben finden wir uns trotz des Scheiterns unserer Initiative im Plenum des Nationalrates nicht allein gelassen. Wir fanden und finden vielmehr breite Unterstützung auf verschiedensten Ebenen. Eine klare Mehrheit von Experten hat sich bereits im Oktober 1995 anläßlich eines Hearings im Unterausschuß des Justizausschusses im Nationalrat für die Abschaffung des § 209 Strafgesetzbuch ausgesprochen. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat sogar schon 1981 den Mitgliedstaaten empfohlen, für homosexuelle und heterosexuelle Handlungen dieselbe Altersgrenze der Mündigkeit vorzusehen. Ähnliche Empfehlungen bestehen auch von seiten des Europäischen Parlaments.

Umso bedauerlicher ist es, daß anläßlich der Debatte im Nationalrat eine Pattsituation eintrat, die die Zeitung "Die Presse" vom 29. 11. 1996 meiner Meinung nach in ihrer Feststellung auf


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den Punkt brachte: Wenn das Gewissen auf den Klubzwang trifft, bleibt eines von beiden auf der Strecke. – Um es klar auszusprechen: Es waren Abgeordnete der ÖVP, die, wie in der Darstellung der "Presse" treffend formuliert, gegen ihr Gewissen entschieden haben oder gegen vorher angekündigte und anders dargestellte Standpunkte entscheiden mußten. Der von den Freiheitlichen letztlich als Kompromiß eingebrachte Antrag im Plenum des Nationalrates entsprach meines Erachtens ausschließlich taktischem Verhalten, um die in dieser Frage offen zutage tretenden unterschiedlichen Auffassungen innerhalb der Koalition voll auszukosten. – Diese Feststellung treffe ich nach Kenntnis der vorher geführten Debatten sowohl im Ausschuß als auch im Unterausschuß und auch aufgrund der öffentlichen Erklärungen, die die Repräsentanten von ÖVP und FPÖ im Vorfeld der Abstimmungen im Nationalrat abgegeben haben.

Lassen Sie mich nun aber zu weiteren wesentlichen Bestimmungen der uns vorliegenden Gesetzesanträge kommen.

Im § 20 bis 20c Strafgesetzbuch wird aufgrund der vorgesehenen Änderungen die Abschöpfung von kriminellem Vermögen erleichtert. Die Beweislast liegt künftig nicht mehr bei der Exekutive oder der Justiz. Vielmehr müssen Verdächtige glaubhaft machen, daß sie rechtmäßig zu ihrem Vermögen gekommen sind, andernfalls die Beschlagnahme derartiger Vermögenswerte erfolgen kann.

Schlepperei soll in Zukunft nach dem Strafgesetz und nicht mehr nach dem Fremdengesetz geahndet werden, und die gewerbsmäßige oder organisierte Schlepperei wird besonders verschärften Bestimmungen unterworfen.

Eine für mich ebenso wesentliche Bestimmung wie jene des § 209 über gleichgeschlechtliche Beziehungen ist die nunmehr getroffene Regelung im § 64 Strafgesetzbuch betreffend Verschärfung von Strafen hinsichtlich Kindesmißbrauch. So soll es aufgrund dieser Novelle möglich sein, österreichische Staatsbürger im Ausland bei Begehung von bestimmten Sexualdelikten gegen Unmündige unabhängig vom Recht des Tatortstaates nach österreichischem Recht und von österreichischen Gerichten abzuurteilen. Die Strafe für die Herstellung und Verbreitung pornographischer Darstellung mit Kindern wird von einem auf zwei Jahre angehoben, für gewerbsmäßigen Vertrieb von Kinderpornos beträgt die Strafandrohung nunmehr drei Jahre.

Damit soll verhindert werden, daß Österreicher im Hinblick auf allfällige Strafbarkeitslücken im Ausland weiterhin straflos Aktivitäten nachgehen können, die in Österreich verboten und strafbar sind. Wer die Medien insbesondere in den letzten Monaten aufmerksam verfolgt hat, kann ermessen, in welcher Zahl weltweit Kinder beiderlei Geschlechts gedemütigt, mißbraucht, ausgebeutet und zu all dem menschlichen Leid vielfach auch noch gemordet werden. Es ist zu hoffen, daß die Verschärfung der vorher genannten Strafbestimmungen mit dazu beiträgt, für Kinder in aller Welt ein klares Signal zu setzen und diese vor derartigen Mißbräuchen zu schützen.

Vieles wäre zum Strafrechtsänderungsgesetz 1996 noch zu sagen, so über die verschärften Bestimmungen zum Schutz unserer Umwelt, die schwere Strafen für Mülltourismus oder Gefährdung der Luftgüte beinhalten. Ich bin mir aber sicher, daß weitere Redner diese Aspekte noch ausführlicher behandeln werden.

Deshalb möchte ich abschließend noch zur Strafvollzugsgesetznovelle 1996 Bezug nehmen. – Es ist mir dies auch deshalb ein besonderes Anliegen, da ich aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Mitglied einer Strafvollzugskommission auch meine persönliche Sicht dazu einbringen kann. Einerseits besteht das Bedürfnis einer breiten Öffentlichkeit nach Sicherheit vor Rechtsbrechern sowie einem möglichst strengen Strafvollzug. Andererseits sind die Aspekte eines humanen Strafvollzugs und der Resozialisierung ebenfalls solche Maßstäbe öffentlicher Diskussion und persönlicher Einstellung. Haftbedingungen werden ebenso wie Politikereinkommen den Vorstellungen der Menschen nie wirklich gerecht werden. Mängel zeigen sich hierzulande vor allem im Bereich der Eskortierung. Geiselnahmen, Ausbruchversuche oder die Tatsache, daß Freigänger nicht mehr zurückkommen, sind gemessen an der Zahl der in unseren Strafanstalten festgehaltenen Personen unerfreuliche Einzelfälle, und die Tatsache, daß innerhalb von Gefängnismauern eigene Regeln und Machtstrukturen bestehen, daß Drogenkonsum


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und sexueller Mißbrauch nicht verleugnet werden können, darf uns nicht dazu verleiten, den bestehenden Strafvollzug überhaupt in Frage zu stellen. Vielmehr müssen die seit Jahren durchgeführten Maßnahmen verstärkt umgesetzt werden.

Dies bedeutet, daß es notwendig ist, sowohl die baulichen und sanitären Bedingungen weiter zu verbessern, die personellen Ressourcen zu verstärken, begleitende Schulungen und Supervision anzubieten und organisatorische Strukturen effizient zu gestalten. Nicht zuletzt bedarf es aber geänderter gesetzlicher Bestimmungen wie der gegenständlichen, um einerseits das Personal zu schützen und andererseits den Schutz Fremder sicherzustellen. International gesehen dürfen wir Österreichs Strafvollzug durchaus einem Vergleich unterziehen. Medienberichten im Zusammenhang mit der jüngsten Geiselnahme war zu entnehmen, daß beispielsweise in den USA im Vergleich zu Österreich etwa zehnmal so viele Menschen eingesperrt werden und es extreme Ordnungsprobleme in der Haft und Rückfallsraten weit über dem europäischen Standard gibt. In Deutschland liegt diesen Berichten zufolge die Rate an Geiselnahmen in der Haft etwa 100mal höher als in Österreich.

Es mag für viele unglaublich klingen, dennoch können wir aus dieser Sicht feststellen, daß Österreichs Strafvollzug dem Grunde nach in Ordnung ist. Dessen ungeachtet bedarf es selbstverständlich weiterer konkreter Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in Gefängnissen sowie auch der Sicherheit in Gerichtsgebäuden.

Aus diesem Grund sollen der Justizwache künftig erhöhte Kompetenzen eingeräumt und muß eine Präzisierung von Rechtsgrundlagen für die Ausübung von Befugnissen vorgenommen werden. So kann ein höheres Maß an Rechtssicherheit geschaffen werden. Die seit vielen Jahren bestehende innere Revision, die sich in der Praxis bereits vielfach bewährt hat, soll mit dieser Novelle schließlich einer eigenen Rechtsgrundlage unterworfen werden. Als wesentliche Maßnahme soll es künftig aufgrund dieser Novelle möglich sein, daß bei begründetem Verdacht Besucher und Lieferanten in Haftanstalten von Justizwachebeamten durchsucht werden. Zur Sicherung der Gerichtsgebäude sollen für Personenkontrollen überdies auch private Sicherheitsdienste herangezogen werden können. Aufgrund dieser Bestimmungen wird derartigen Diensten auch die zur Kontrolle notwendige rechtliche Befehls- und Zwangsgewalt eingeräumt. – Die vorgesehenen Regelungen dienen also vor allem dazu, bestehende Unsicherheiten und Regelungsdefizite in den Befugnissen der Strafvollzugsbediensteten oder der Gerichtsorganisation zu beseitigen und ein höheres Maß an Rechtssicherheit im Interesse der Sicherheit des Strafvollzuges, aber auch unserer Gerichte zu gewährleisten.

In meiner Einleitung zu der zur Debatte stehenden Gesetzesvorlage habe ich bereits darauf verwiesen, daß wir in einer Zeit leben, in der gesellschaftliche Zwänge, Sitten, Normen und konservative Wertvorstellungen sich zugunsten einer liberaleren Haltung und Weltanschauung verändern. Bei aller Berücksichtigung derartiger Veränderungen darf jedoch der gesellschaftspolitische Hintergrund dieses Handelns nicht außer acht gelassen werden und muß die persönliche Würde des Menschen unser oberstes Ziel bleiben. – Unter diesem Aspekt verstehe ich die vorgesehenen gesetzlichen Maßnahmen und darf feststellen, daß entsprechend dem Antrag des Berichterstatters meine Fraktion die Zustimmung zu den Vorlagen zu Punkt 2 bis 5 erteilen wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.38

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Am Wort ist Frau Bundesrätin Dr. Riess-Passer.

10.38

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Nachdem nun für alle erhitzten Gemüter in den letzten Wochen ausreichend Zeit war, sich wieder zu beruhigen, möchten wir Freiheitlichen Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, nochmals einen vernünftigen und tragfähigen Kompromiß in der Frage des § 209 Strafgesetzbuch anbieten.


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Die Proponenten der beiden entgegengesetzten Standpunkte, die Klubobmänner Kostelka und Khol, haben im Zuge dieser Diskussion irgendwann die Sache aus den Augen verloren und parteitaktisches Kalkül über die Anliegen der Betroffenen gestellt. Wenn man sich vor Augen hält, daß SPÖ und ÖVP einen gemeinsamen Antrag auf Herabsetzung des Schutzalters auf 16 Jahre nur deswegen nicht eingebracht haben, weil sie damit dem Kompromißvorschlag der Freiheitlichen zugestimmt hätten, dann muß man das als eine Niederlage der Vernunft ansehen, für die es überhaupt keine akzeptable Erklärung gibt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ihnen, Herr Kollege Rauchenberger, möchte ich sagen: Wenn Sie eine Totalliberalisierung in dieser Sache wollen, dann müssen Sie, wenn Sie damit keine Mehrheit erreichen, wenigstens für eine Teilliberalisierung eintreten. Denn es gibt überhaupt keinen vernünftigen Grund, gegen eine solche zu sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Demokratie, meine Damen und Herren, ist ein Prozeß der Auseinandersetzung von Gegensätzen und Meinungen, aus denen sich der staatliche Wille als Resultat ergibt. Demokratie ist Diskussion und nicht Ächtung der Diskussion und der politischen Gegner. Wäre es den Ampelparteien beim Schutzalter um die Sache gegangen, hätten sie sich auf einen Kompromiß eingelassen, statt mit hoch erhobener Nase glorreich zu scheitern, schreibt Andreas Koller in den "Salzburger Nachrichten". – Den Betroffenen, so darf ich sagen, meine Damen und Herren, haben Sie damit jedenfalls nicht geholfen. Das sage ich besonders an die Adresse jener, denen es angeblich um die Liberalisierung geht, die aber aus purem Parteikalkül lieber den Status quo zementieren, als einer Teilliberalisierung, die auch von den Betroffenen akzeptiert werden würde, zuzustimmen.

Wir bieten Ihnen daher nochmals einen für alle Seiten tragfähigen und vernünftigen Kompromiß an und stellen folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert, dem Parlament ehestmöglich eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine Absenkung der Altersgrenze in § 209 StGB von 18 auf 16 Jahre beinhaltet.

*****

Ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: Lassen Sie Emotionen und Parteitaktik bei dieser Frage beiseite. Orientieren Sie sich an der Vernunft und Ihrem Gewissen, und tragen Sie diesen Kompromiß mit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.40

Präsident Josef Pfeifer: Meine Damen und Herren! Bevor ich die nächste Wortmeldung erteile, gebe ich bekannt: Der von Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Absenkung der Altersgrenze im § 209 StGB ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Ich bitte nun Herrn Bundesminister Dr. Michalek, das Wort zu ergreifen.

10.41

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ihnen heute zur Beschlußfassung vorliegende Strafrechtsänderungsgesetz 1996, dessen Vorlauf einige Jahre in Anspruch genommen hat und das in dieser Legislaturperiode – in den Abläufen entsprechend – etwas geänderter Form zum dritten Mal in den Nationalrat eingebracht wurde, stellt neben dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987 die umfangreichste Änderung des aus den siebziger Jahren stammenden neuen Strafrechts dar.


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Hauptziel dieses Gesetzesvorhabens ist es, das organisierte Verbrechen rasch und wirksam in seinem finanziellen Zentrum zu treffen, bevor illegale Vermögenswerte über dunkle Kanäle abgezogen werden können. Damit stellt es einen weiteren Schritt zur Umsetzung unseres Bekenntnisses dar, effizient und entschlossen den neuen Verbrechensszenarien der vor allem auch international organisierten Kriminalität entgegentreten zu wollen.

Wir werden uns mit diesem Vorhaben neben der Bestrafung des einzelnen Täters und der Aufhellung der kriminellen Strukturen im Zusammenhang mit dem Tatbestand der kriminellen Organisation nunmehr verstärkt den illegalen Erlösen des Verbrechens zuwenden können, deren Konfiskration zum besonderen Anliegen der Strafjustiz werden soll, sei es zur Sicherstellung der Schadenersatzansprüche des Opfers, sei es als selbständige Maßnahme. Diese Abschöpfung der Bereicherung und der Verfall neuen Typs als eigenständige strafrechtliche Reaktion lösen sich von den strengen Voraussetzungen einer strafrechtlichen Sanktion im engeren Sinne, indem sie unter bestimmten Voraussetzungen eine partielle Umkehr der Beweislast vorsehen, auch in Vermögensbereiche Dritter eingreifen und diese erfassen können und auch bei Abwesenheit des Täters zur Anwendung gelangen können.

Neben diesem Kernpunkt der Bemühungen im Auftreten gegen die organisierte Kriminalität haben wir zur effizienteren Bekämpfung dieser neuen Verbrechensform auch eine Reihe geänderter oder neuer Strafbestimmungen vorgesehen, etwa die Neudefinition des Straftatbestandes der kriminellen Organisation. Dieses Unterfangen ist im internationalen Vergleich sehr weit fortgeschritten und hat internationale Anerkennung gefunden.

Ich erinnere auch an die heute schon zitierten Strafbestimmungen gegen die ausbeuterische Schlepperei, durch welche einerseits effektivere Maßnahmen gegen das Schlepperunwesen möglich werden, andererseits auch ein besserer Schutz für die von dieser Form der Ausbeutung bedrohten geschleppten ausländischen Staatsbürger gewährleistet werden soll.

Weiters nenne ich die Einführung eines Tatbestandes gegen die Herstellung und Verbreitung der ABC-Waffen, womit Mißbräuche des österreichischen Außenhandelssystems mit einem höheren strafrechtlichen Risiko versehen werden und dadurch eine präventive Wirkung erzielt werden soll.

Ferner rufe ich auch in Erinnerung, daß die illegale Verbringung nuklearen Abfalls ins Ausland mit diesen Bestimmungen strafrechtlich sanktioniert wird.

Einen weiteren Schwerpunkt des Gesetzes bilden die heute schon zum Teil referierten Bestimmungen zur verstärkten Bekämpfung der Gewaltkriminalität, womit auch ein erster Schritt in Richtung einer ausgewogeneren Sanktionierung der Vermögens- und Gewaltkriminalität gesetzt wird. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Ein besonders häßliches, abstoßendes Phänomen kriminellen Handelns, den sexuellen Mißbrauch und sexuelle Ausbeutung von Kindern, mit den Mitteln auch des Strafrechts in Zukunft wirksamer als bisher bekämpfen zu können, ist ein weiteres zentrales Anliegen dieses Gesetzes.

Nach dem bereits in der Vergangenheit ausgebauten Schutz unserer Kinder vor solchen Übergriffen – denken Sie an die seinerzeitige Schaffung des § 207a Strafgesetzbuch, womit auch der Besitz pornographischer Machwerke in die Pönalisierung einbezogen wurde – stellt dies einen weiteren Schritt zu verbesserten Bekämpfung dieser verabscheuungswürdigen Verbrechen dar. – Damit haben wir auch eine Rechtslage, die allen diesbezüglich vor 14 Tagen – unter dem Eindruck der belgischen Ereignisse – von der Europäischen Union beschlossenen gemeinsamen Maßnahmen gerecht wird.

Abgesehen von den nunmehrigen Neuerungen im Sexualstrafrecht werden aber auch manche andere Teile unseres Sexualstrafrechtes als überarbeitungswürdig empfunden. Ich habe eine multidisziplinäre Arbeitsgruppe zur Revision dieser Strafbestimmungen eingesetzt, die zufällig heute ihre konstituierende Sitzung abhält. Vielleicht wird auch deren Arbeit dazu beitragen, daß wir in jenen Bereichen, die heute kontroversiell diskutiert werden, zu einem Ergebnis gelangen.


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Aus dem prozessualen Bereich dieser Strafrechtsnovelle möchte ich vor allem das auch international gesehen ein völliges Novum anführen, zur in Erfüllung supranationaler Verpflichtungen die Möglichkeit vorzusehen, ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren zu erneuern, sofern der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen gravierenden Verfahrensfehler festgestellt hat.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die heute ebenfalls zur Beschlußfassung anstehende Strafvollzugsgesetznovelle hat als Schwerpunkte einerseits die in der Bereitstellung eines zeitgemäßen und adäquaten rechtlichen Instrumentariums zur Bewältigung der Vollzugsaufgaben durch Präzisierung und Erweiterung der Befugnisse der Strafvollzugsbediensteten. Andererseits sollen die rechtlichen Voraussetzungen für ein modernes Verwaltungsmanagement im Strafvollzug unter dem Gesichtspunkt der Modernisierung, Effizienzsteigerung und Erhöhung der Sicherheit in den Justizanstalten verankert werden. Dazu sollen insbesondere die rechtlichen Voraussetzungen für die in meinem Haus organisatorisch bereits vorbereitete, an betriebswirtschaftlichen Grundsätzen orientierte Innenrevision geschaffen werden.

Insgesamt gesehen ist diese Novelle des Strafvollzugsgesetzes ein weiterer Baustein in unseren Bemühungen zur Optimierung der Sicherheit im Strafvollzug, die von mir zum x-ten Male als Priorität in meinem Ressort ausdrücklich definiert wurde.

Ich möchte aber nicht schließen, ohne noch einige Worte zu den zwei weiteren zur Beschlußfassung anstehenden Gesetzesvorhaben zu sagen. Sie wissen, daß mir eine möglichst bevölkerungsnahe Rechtsversorgung in den für die Bürger wichtigen Rechtsangelegenheiten des täglichen Lebens unter Wahrung der Grundsätze der Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit in der Mittelverwendung ein Anliegen ist. Diesem Anliegen wurde in den letzten Jahren vom Gesetzgeber durch massive Zuständigkeitsverlagerungen von der Gerichtshofsebene in die Bezirksgerichtsebene sowohl im zivil- als auch im strafrechtlichen Bereich Rechnung getragen. Aus der Sicht der Justizverwaltung bedarf es nun der Gewährleistung auch einer optimalen Betriebsgröße und Gebietsaufteilung. Während in einigen Bundesländern noch gewisse Konzentrationen notwendig sind – wir haben darüber auch hier im Bundesrat schon mehrmals gesprochen –, ist in der Großstadt Wien umgekehrt eine Dezentralisierung zu bevölkerungsnahen Gerichtsstandorten, die als Vollbezirksgerichte ausgebaut werden sollen, zweckmäßig. In diesem Sinn wird die vierte Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz Wien das seinerzeit mit parlamentarischer Zustimmung begonnene Konzept der Neustrukturierung auf der Bezirksgerichtsebene in Wien insofern vollenden, daß künftig eine flächendeckende Einteilung des Wiener Stadtgebietes in Sprengel von Vollbezirksgerichten mit grundsätzlich umfassender Zuständigkeit im Zivil-, Exekutions- und Strafbereich vorliegt.

Meine Damen und Herren! Zur Gewährleistung eines umfassenden Zutrauens der Bevölkerung in die Justiz gehört auch, daß die Justiz ihre Schutzpflichten sowohl gegenüber ihren Mitarbeitern, aber darüber hinaus auch gegenüber all jenen, die – in welcher Rolle auch immer – zu Gericht kommen, erfüllt, damit diese dort ihre Anliegen verfolgen und den ihnen obliegenden staatsbürgerlichen Pflichten frei und ohne Furcht nachkommen können. Ich halte es daher für notwendig, das Gericht als waffenfreie Zone gesetzlich zu verankern und dies auch durch gesetzliche und eine Reihe organisatorischer und technischer Maßnahmen, insbesondere durch Eingangskontrollen bei Gericht, abzustützen. Ich meine, daß das vor allem deshalb notwendig ist, um die unabhängige und frei von Druck und Zwang agierende Rechtsprechungstätigkeit sicherzustellen. In diesem Sinne soll die Novelle zum GOG die Grundlage bieten.

Meine Damen und Herren! Ich meine abschließend, daß die heute zur Beschlußfassung anstehenden Gesetzesvorhaben im Justizbereich ganz wesentliche legislative Grundlagen dafür bieten, daß die Justiz die ihr von der Gesellschaft übertragenen Aufgaben sachgerecht und effizient weiterhin zu leisten vermag. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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10.54

Vizepräsident Dr. DDr. h.c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer. Ich erteile es ihm.

10.54

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Die Damen und Herren Vorredner, insbesondere der Herr Bundesminister, haben schon einen umfangreichen Kommentar zu den vorliegenden Gesetzesbeschlüssen abgegeben. Ich möchte mich bemühen, keine Wiederholungen vorzunehmen. Bitte haben Sie daher Verständnis, wenn ich nur einige ergänzende Gedanken vortrage.

Meine Damen und Herren! Im zu Ende gehenden zwanzigsten Jahrhundert mit seinen gesellschaftlichen und großräumig ökonomischen Veränderungen, der Internationalität der wirtschaftlichen Vorgänge, vor allem dem Abbau der Nachbargrenzen, werden zweifellos große Anforderungen an unsere Justiz und die Rechtsprechung gestellt. Die von uns allen gefürchtete und bekämpfte staatenübergreifende organisierte Kriminalität stellt völlig neue Aufgaben für das österreichische Strafrecht. Dazu kommen, quasi hausgemacht, ein nicht zu leugnender allgemeiner Werteverfall in unserer Gesellschaft und eine vor allem in der Jugend herrschende Orientierungslosigkeit, das vielfache Suchen nach Lebenssinn und Lebenszweck, mitunter verschärft durch Mangel an Arbeit, und in der Folge das Abgleiten in Aggression, Flucht in Drogen und in Gewalt. – Daher sei es erlaubt, die Frage zu stellen, ob wir vor diesem schwierigen Hintergrund mit unserem Strafrecht mit seinem spezial- und generalpräventiven Charakter noch in der Lage sind, die notwendige Sicherheit und Ordnung mit zu gewährleisten.

Um es vorwegzunehmen: Ich glaube, daß diese Strafrechtsreform, deren Schwerpunkte der Herr Bundesminister jetzt vorgetragen hat, sehr wohl diese Herausforderung annimmt. Die vorliegenden Gesetzesbeschlüsse sind ordnungsgemäß lange diskutiert worden. Es gab Anhörungen von Rechtsgelehrten, Sachverständigen und Praktikern.

Ein Schwerpunktthema Nummer eins war natürlich die organisierte Kriminalität. Sie stellte schon 1993 einen strafbaren Tatbestand dar und wurde damals schon angeführt. Ich kann nach zweijähriger Tätigkeit im Europäischen Parlament sagen, daß uns die Diskussion über diese organisierte Kriminalität international und europaweit durch die gesamten zwei Jahre begleitet hat. Es ist noch zu einer Verschärfung gekommen, als daß es gelungen wäre, effiziente Methoden zu finden, sie zu bekämpfen und sie in den Griff zu bekommen.

Wir haben vorgestern auch in Anwesenheit des Herrn Bundesministers dieses Thema in Hinblick auf die Institution Europol ausreichend diskutiert. Europol ist zwar im operativen Teil nicht aktiv, stellt aber immerhin einen ganz wichtiger Meilenstein für neue Ermittlungsmethoden, Datenanalyse und länderübergreifende Zusammenarbeit dar. Nichtsdestoweniger bleibt die materielle und formelle Rechtsregelung betreffend die organisierte Kriminalität dem jeweiligen nationalen Strafrecht überlassen. – Der Herr Bundesminister hat es schon angeführt: Es handelt sich um einen teuflischen Kreis aus Deliktsbegehung, Bereicherung, Gewinn durch Deliktsbegehung, Investition in neue Delikte mit dem erworbenen Gewinn. Der maliziöse Kreislauf aus Menschenhandel, Drogenhandel, Autoschieberei, Raub, Geldwäsche bereitet uns international und europaweit sehr große Sorge.

Ich glaube, daß vor allem der Tatbestand: Abschöpfung der Bereicherung zweifellos einen wichtigen Schwerpunkt bildet, und es ist zu hoffen, daß es uns mit dieser Strafrechtsreform gelingt, bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität effizient vorzugehen und erfolgreich zu sein.

Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Umsetzung der sogenannten Basler Konvention dar: Es werden Umweltstraftatbestände geschaffen, insbesondere das vorsätzlich umweltgefährdende Behandeln und Verbringen von Abfällen; ferner soll das widerrechtliche Betreiben von Anlagen in Österreich strafbar sein. Eine absolute Notwendigkeit wäre auch eine europaweite oder eine Vereinheitlichung des Umweltstrafrechtes.

Es macht wenig Sinn, wenn, wie in der Basler Konvention vorgesehen, verschiedene Umweltstraftatbestände statuiert werden sollen, manche Länder sie ins Strafrecht nehmen, in manchen Ländern diese ungeregelt bleiben. Dadurch kommt es natürlich zu grenzüberschreitenden kriminellen Aktivitäten, die ungesühnt bleiben, und auch zu Ungleichbehandlungen, die dann einer Sanktion bedürfen.


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Meine Damen und Herren! Es sind schon die Themen Gewalt in der Familie, Kinderpornographie und Sextourismus angeklungen. All das sind Dinge von besonderer Tragweite und von besonderer Dringlichkeit, und es ist wichtig, sie in den Griff zu bekommen. – Zweifellos heiße Eisen, mit denen wir uns beschäftigen müssen.

Meine Damen und Herren! Untersuchungen zeigen, daß es bei jedem dritten Konflikt, der in österreichischen Familien ausbricht, zu Gewaltszenen kommt. Bedauerlicherweise sind meistens Männer die Täter. Jedes fünfte Kind wird – nach Untersuchungen – mißhandelt. Angesichts dessen müssen wir uns fragen, ob dies immer so war oder ob uns erst jetzt die Augen geöffnet werden. Vielleicht ist uns durch den schleichenden Verlust der Familienautonomie ein etwas besserer Blick hinter die Kulissen gewährt oder ist dies alles nur ein Ausfluß unseres – wie ich schon sagte – nicht zu leugnenden Werteverfalls und der damit verbundenen Aggression und Gewalt.

Bei den Untersuchungen haben wir gehört, welche Motivationen es für diese Gewalt und die Auswüchse durch Gewaltanwendung gibt. Und wir müssen eindeutig sagen, daß wir auf Seite des Opfers sein müssen, und daher begrüße ich auch das statuierte Wegweiserecht eines Ehepartners, wenn es zu solchen Gewaltausbrüchen kommt.

Meine Damen und Herren! Einen Satz zur Thematik des § 209. Ich bekenne mich zu der von der ÖVP getragenen Schutzalterregelung für homosexuelle Kontakte. Ich bin der Meinung, daß diese Schutzalterregelung aufrechterhalten bleiben soll. Die Österreichische Volkspartei, meine Damen und Herren, hat Zehntausende Unterschriften von Eltern schulpflichtiger Kinder erhalten, die uns dringend gebeten haben, ihre Sorgen um ihre Kinder ernst zu nehmen.

Wenn Frau Kollegin Riess hier angeführt hat, daß die Regierungsparteien in dieser Frage Parteitaktik geübt hätten, so muß ich sagen, es ist bedauerlich, daß der ÖVP-Antrag, der eine vorsichtige und zeitgemäße Änderung der §§ 209, 220, 221 vorgeschlagen hat und durch die Schaffung einer zweijährigen Toleranzgrenze zu einer Entkriminalisierung der homosexuellen Kontakte von Gleichaltrigen beigetragen hätte, im Justizausschuß und im Plenum nicht die erforderliche Mehrheit gefunden hat. Ich könnte jetzt auch entgegnen und sagen, daß Bundesparteiobmann Haider – zweifellos ein Meister der Parteitaktik, ich glaube, es ist angebracht, das zu sagen – auch seine Gründe gehabt haben wird, warum er im letzten Augenblick am letzten oder vorletzten Tag – ich weiß nicht, wie sich das minutiös im Parlament abgespielt hat – diesen seinen Antrag auf Herabsetzung des Schutzalters auf 16 Jahre eingebracht hat. Es war von vornherein klar, daß sich diese Frage im koalitionsfreien Raum abspielt. Es hätte durchaus auch die Möglichkeit gegeben, die Sache vorzubereiten und vorher zu diskutieren. Insoferne möchte ich den Vorwurf, es wäre von der Koalition Parteitaktik gewesen, zurückweisen.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend möchte ich sagen, daß die vorliegenden Gesetzesbeschlüsse sehr wohl – das ist jetzt die Antwort auf meine eingehende Fragestellung – in der Lage sind, die an uns gestellten Herausforderungen zu bewältigen, daß die staatliche Ordnung und die staatliche Sicherheit gewährleistet werden. Ich bedanke mich beim Herrn Bundesminister, daß es ihm wieder einmal mit seinen Beamten gelungen ist, ein hervorragendes Gesetzeswerk dem Parlament zuzuführen, das nunmehr zur Beschlußfassung kommt. Es ist zu hoffen, daß dieses Gesetz ein Zeichen, ein Signal für jene ist, die nach wie vor nicht davor scheuen, Unrecht zu begehen. Hoffen wir, daß dieses Gesetz mit seinem general- und spezialpräventiven Charakter doch viel Unrecht hintanhalten kann. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

11.07

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig. Ich erteile es ihm.

11.07

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Durch das Strafrechtsänderungsgesetz werden einige deutliche Zeichen gegen verschiedene Formen der Kriminalität gesetzt. Die Möglichkeit der Abschöpfung von Geldmitteln ist eine neue Sanktion gegen das organisierte Verbrechen


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und soll insbesondere Drogengelder abschöpfen. Der Herr Bundesminister hat auf diesen Umstand schon hingewiesen.

Eine besonders üble Form des organisierten Verbrechens sind kriminelle Menschenhändler, gegen die im Strafrechtsänderungsgesetz neue Strafbestimmungen gegen Menschenschlepperei eingeführt werden. Gewalttätern, die durch Gewaltanwendung Konflikte austragen, wird durch die Verdoppelung der Grundstrafdrohung bei der Körperverletzung und durch die Ausdehnung des Tatbestandes des Raufhandels entgegengetreten.

Es werden auch Maßnahmen in diesem Gesetz gegen jene Kriminelle gesetzt, die durch das Betreiben von sogenannten Ketten- und Pyramidenspielen versuchen, Teile der Bevölkerung "abzuzocken". Solche Spiele sind in Zukunft verboten und werden unter Strafe gesetzt. Bestraft werden jene, die ein derartiges Spiel in Gang setzen oder veranstalten, aber auch jene, die durch Zusammenkünfte, Prospekte oder auf eine andere Art und Weise zur Anwerbung beitragen.

Entsprechend der Umsetzung der Basler Konvention finden sich im Strafrechtsänderungsgesetz 1996 Umweltstrafbestände. Insbesondere vorsätzliches umweltgefährdendes Behandeln und Verbringen von Abfällen sowie das widerrechtliche Betreiben von Anlagen in Österreich werden mit diesem Gesetz unter Strafe gestellt.

Diese Tatbestände sind in Zukunft nicht nur nach dem Verwaltungsstrafrecht, sondern auch nach dem Kriminalstrafrecht zu ahnden, wobei darauf zu drängen sein wird, daß die Umsetzung der Basler Konvention von allen Staaten der Europäischen Union durchgeführt wird, damit es zu keiner Ungleichbehandlung im Falle grenzüberschreitender Aktivitäten kommt.

Für die organisierte Kriminalität ist der illegale Handel mit Waffen, Nuklearmaterial und die Prolieferation – das ist der illegale Handel mit ABC-Waffen, Trägertechnologie sowie Vorprodukten und Know-how – von großer Wichtigkeit und stellt eine nicht unbeachtliche Gefährdung der Öffentlichkeit dar. Deshalb ist es wichtig, daß das Strafrechtsänderungsgesetz für diese neuen Formen der Kriminalität Maßnahmen setzt. Wenn auch die Herstellung und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bis jetzt noch kein ernsthaftes Problem in Österreich war, ist der Tatbestand des unerlaubten Umgangs mit Kernmaterial oder radioaktiven Stoffen bereits öfter Gegenstand von Erhebungen und Untersuchungen in unserem Land gewesen.

In besonderer Weise hat sich das Strafrechtsänderungsgesetz mit dem 1993 eingeführten Tatbestand der organisierten Kriminalität auseinandergesetzt – der Herr Bundesminister hat bereits darauf hingewiesen –, und diese neu gefundene Definition von organisierter Kriminalität wird international zweifellos Bedeutung erlangen, weil derartige Definitionen in anderen Ländern noch äußerst selten getroffen wurden. Wir üben hier zweifellos eine Vorreiterrolle aus.

Elemente dieser Definition von organisierter Kriminalität sind die wiederkehrende Begehung strafbarer Handlungen, die auf längere Zeit angelegt und unternehmensähnlich geführt sind. Der Begriff unternehmensähnlich soll die Elemente des arbeitsteiligen Vorgehens, des hierarchischen Aufbaus sowie des Vorhandenseins einer gewissen Infrastruktur als wesentliche Merkmale organisierten Handelns zusammenfassen.

Ziel einer kriminellen Organisation ist es, daß sie durch die Begehung von strafbaren Handlungen entweder eine Bereicherung in großem Umfang oder erheblichen Einfluß auf Politik oder Wirtschaft anstrebt.

Wir haben erst kürzlich bei der Behandlung des Sicherheitsberichtes hier im Haus über die besondere Bedrohung durch die organisierte Kriminalität gesprochen und haben auch überlegt, wie dieser organisierten Kriminalität auch von rechtlicher Seite entgegengetreten werden kann. Bei der Diskussion des Sicherheitsberichtes mußten wir feststellen, daß die organisierten Straftätergruppen in den letzten Jahren eine deutliche Qualitätssteigerung erreicht haben und deshalb auch eine besondere Bedrohung für die Sicherheit unseres Landes bedeuten.


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Das Bundesministerium für Inneres hat mit der Gründung und dem Ausbau entsprechender Einsatzgruppen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität reagiert, und es ist zu begrüßen, daß durch das Strafrechtsänderungsgesetz auch eine entsprechende gesetzliche Handhabe gegen das organisierte Verbrechen gefunden wurde.

Eine Form der organisierten Kriminalität in Österreich, die besonders Fuß gefaßt hat, ist die Schlepperkriminalität. Es wurde bereits 1994 ein Meldesystem aufgebaut, das es ermöglicht, schlepperrelevante Daten statistisch aufzubereiten und in der Folge Lagebilder zu erstellen, die eine Grundlage für operative Maßnahmen darstellen. Außerdem kann durch das Meldesystem ein wesentlicher Beitrag zur gerichtlichen Bestrafung gewerbsmäßiger Schlepper geleistet werden, da sämtliche erkannten Schlepper namentlich zentral erfaßt werden können.

Durch die im Strafrechtsänderungsgesetz festgelegten Maßnahmen gegen ausbeuterische Schlepperei ist eine wirksame Maßnahme gegen diese Form der organisierten Kriminalität gesetzt worden.

Ich möchte mich jetzt nicht mehr auf andere Punkte konzentrieren, die bereits von meinen Vorrednern angesprochen wurden beziehungsweise auch vom Herrn Bundesminister sehr ausführlich dargestellt wurden, möchte aber damit schließen, daß das Strafrechtsänderungsgesetz die Herausforderungen der organisierten Kriminalität aufnimmt und auch ein wirksames Mittel gegen diese Formen der neuen Kriminalität darstellt und von daher auch zu unterstützen ist.

Ich möchte zum Schluß ganz kurz etwas zum Entschließungsantrag, der von Kollegin Dr. Riess-Passer eingebracht wurde und der sich mit § 209 des Strafgesetzbuches beschäftigt, sagen: Die sozialdemokratische Fraktion wird sich diesem Entschließungsantrag nicht anschließen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.14

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat DDr. Königshofer. Ich erteile es ihm.

11.14

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der deutsche Rechtspositivist Rudolf von Jhering hat einmal in Anspielung auf die Darstellung der Göttin Justizia gesagt: Ein Gesetz ohne das Schwert ist die Ohnmacht des Rechts, ein Gesetz ohne die Waage ist die blanke Gewalt. Beim österreichischen Strafvollzug, meine Damen und Herren – darauf bezieht sich mein Debattenbeitrag –, geht es heute weniger um die Waage, sondern vielmehr um das Schwert, das wegen seiner Stumpfheit bereits des öfteren zur Ohnmacht des Rechtsstaates in diesem Lande geführt hat.

Ich darf nur an einige wenige spektakuläre Beispiele in der jüngeren Vergangenheit erinnern: zum Beispiel an den Fall Otto Haas. Dieser verurteilte Mörder verübte während einer seiner Freigänge erneut ein Blutverbrechen, indem er den minderjährigen Sohn seiner Lebensgefährtin auf brutalste Art und Weise tötete.

Meine Damen und Herren! Als Vater dreier Kinder berührt mich das Leiden dieses Kindes mehr als der unrühmliche Tod des Massenmörders Haas. Dieser wurde nämlich nach kurzer Flucht und nach einer Attacke auf eine Ordensschwester von einem Polizisten in der Nähe von Innsbruck erschossen.

Jetzt darf man aber nicht glauben, daß jener Polizist für sein dienstliches Verhalten etwa belobigt worden wäre, nein, ganz im Gegenteil, die Staatsanwaltschaft veranlaßte eine Untersuchung gegen ihn wegen fahrlässiger oder – man kann ja nie wissen, was herauskommt – vielleicht sogar vorsätzlicher Tötung. Damit hätte man den Polizisten zum Mörder und den Mörder zum Opfer gemacht, wodurch das Koordinatensystem unserer gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Werteskala wohl vollständig auf den Kopf gestellt worden wäre. Ein rechts- und nicht linksstaatlich denkender Richter hat jedoch dieses Verfahren, Gott sei Dank, eingestellt.


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Ein anderer Fall, meine Damen und Herren, betrifft die Freizeitgestaltung in einer Strafvollzugsanstalt in Hirtenberg. Drei Häftlinge dieser Anstalt durften in Begleitung eines Justizwachebeamten das Luxusbad im Wiener City Club, früher El Dorado genannt, besuchen, wobei ein Schwerverbrecher aus Serbien, ein Mann namens Zoran B. – er war auch in der "Kronen Zeitung" abgebildet –, nicht nur die Annehmlichkeiten in diesem El Dorado wahrgenommen hat, sondern auch die Möglichkeiten zur Flucht oder, wie das in der Diktion des Justizministeriums heißt, zur Entweichung genutzt hat, was im allgemeinen Trubel offensichtlich nicht besonders schwer gefallen ist.

Der jüngste Fall, der den österreichischen Strafvollzug in die Schlagzeilen brachte, war die Geiselnahme in Graz Karlau. Auf dem Weg zur Gefängniskantine überfielen drei Schwerverbrecher die beiden begleitenden Justizwachebeamten, verletzten diese und nahmen das Kantinenpersonal als Geiseln. Nach Beendigung dieser Aktion und aufgrund der nachfolgenden Untersuchung wies die Justizbehörde die Schuld an dem Vorfall den beiden Wachebeamten zu. Hier müssen also zwei kleine Beamte den Kopf dafür hinhalten, daß es im System des österreichischen Strafvollzuges offensichtlich schwere Mängel gibt.

Daß es Systemmängel geben muß, möchte ich Ihnen anhand von zwei konkreten Beispielen aufzeigen und erläutern.

Erstens: In der Strafanstalt Göllersdorf wurde Anfang April 1995 eine junge Psychologin – ihr Name war Dr. Veronika Kreuziger – von einem verurteilten Mörder namens Franz Stockreiter regelrecht hingerichtet.

Da stellt sich, meine Damen und Herren, von selbst die Frage: Wie kann es möglich sein, daß eine junge Frau mit einem langjährig einsitzenden Schwerverbrecher allein gelassen wird? Jeder Mensch mit Hausverstand wird Ihnen sagen, daß schon allein der aufgestaute Sexualtrieb ein potentielles Gefahrenmoment darstellt. Die junge Psychologin jedenfalls, die bereits vorher des öfteren von ihren Ängsten gesprochen hatte, mußte diesen offensichtlichen Systemfehler mit ihrem Leben bezahlen.

Zweitens: In der Strafanstalt Mittersteig gab oder gibt es noch immer, wenn er nicht schon vorzeitig wegen guter Führung entlassen wurde, einen Häftling, der bei einem Attentat seine Frau erschossen und einen Wachebeamten schwer verletzt hatte und deshalb in dieser Haftanstalt einsitzt oder eingesessen ist. Seinen Namen will ich hier und heute nicht nennen, obwohl er dieses Haus im Rahmen einer dringlichen Anfrage bereits im Sommer 1994 beschäftigt hat. Dieser Häftling heiratete in der Strafanstalt als Strafgefangener ein zweites Mal und nahm natürlich sofort den Namen seiner zweiten Ehefrau an, wohl mit dem Hintergedanken, dadurch die Spuren seines Vorlebens etwas verwischen zu können.

Weiters bewarb er sich als ehemaliger EDV-Spezialist um eine Beschäftigung in der hafteigenen EDV-Abteilung, von der aus er 27 Kartons mit strafvollzugsrelevanten Daten an seine Tagesarbeitsstätte bei einer Wiener Blindenschule verbringen konnte. Ob er dafür auch noch ein Kraftfahrzeug der Justizwache verwendete, konnte bisher nicht in Erfahrung gebracht werden. Tatsache ist jedoch – dies geht aus einer Anfragebeantwortung durch den Herrn Justizminister hervor –, daß dieser Häftling das gesamte Strafvollzugsinformationssystem samt Handbuch und Quellcodes aus der Strafanstalt verbringen konnte.

Der Gipfelpunkt dieser Justizaffäre – man könnte auch sagen Justizgroteske – bestand jedoch darin, daß die Leiterin dieser Blindenschule die Unterlagen finden konnte, sie an die Haftanstalt Mittersteig zurückschicken wollte, dort aber niemand Interesse an dem Material zeigte, worauf sie sich dann an uns Freiheitliche im Parlament wandte, und wir eine dringliche Anfrage an den Justizminister formulierten.

Dieser Fall allein, Herr Bundesminister, wirft mehrere Fragen auf:

Erstens: Soll ein Strafgefangener überhaupt während seiner Haftzeit heiraten, den Namen seiner neuen Frau annehmen und dadurch seinen Familiennamen verändern können?


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Zweitens: Soll ein Häftling, auch wenn er einschlägige Vorkenntnisse besitzt, in den innersten Bereich der Justizverwaltung vorgelassen werden?

Drittens: Wie sieht die Kontrolle der Häftlinge bei Freigängen und Außenarbeiten aus? Was können sie aus der Anstalt hinaus und was in die Anstalt hineinbringen?

Man hört auch immer wieder von Suchtgiftproblemen in den Haftanstalten. Neulich gab es einen Bericht im Tiroler Lokalfernsehen über suchtgiftfreie Zonen in der Haftanstalt im landesgerichtlichen Gefangenenhaus, und da fragt man sich: Wie kommen diese Dinge überhaupt in die Strafanstalten hinein? Wie kommen die Gegenleistungen aus den Anstalten heraus?

Meine Damen und Herren! Der österreichische Strafvollzug ist ein humaner Strafvollzug. An diesem Prinzip soll auch keineswegs gerüttelt werden. Allerdings sei die Frage schon erlaubt: Wie weit soll im Strafvollzug die Humanität gehen? Wird nicht manchmal bereits sehr weit über das Ziel hinausgeschossen, sodaß man schon von einem Luxusvollzug – siehe das Beispiel El Dorado – sprechen kann?

Um auf mein Eingangszitat von der Ohnmacht des Rechts zurückzukommen, meine ich, daß es notwendig wird, dem österreichischen Strafvollzug und damit seinen Beamten, vom Richter bis zur Justizwache, entsprechende Instrumentarien in die Hand zu geben, die einen gesetzeskonformen Vollzug zumindest weitgehend gewährleisten können. Der vorliegende Gesetzesbeschluß stellt unserer Meinung nach einen Schritt in diese Richtung dar, weshalb wir Freiheitliche dem Antrag, keinen Einspruch zu erheben, zustimmen werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.23

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat.

11.23

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Vorsitzende des Justizausschusses im Nationalrat, ÖVP-Abgeordnete Fekter, hat einen Leserbrief an die "Presse" geschrieben, in dem vorgestern zu lesen war, daß die Freiheitlichen Schuld daran trügen, daß das Werbeverbot und Vereinsverbot für Homosexuelle gefallen seien. – Schuld insoferne, weil im Nationalrat zwei Freiheitliche, die vermeintlich dagegen gestimmt hätten, nicht anwesend waren und so eine knappe Mehrheit zustande gekommen sei.

Wenn dieser Leserbrief der sicherlich nicht so gering anzusiedelnden Vorsitzenden des Justizausschusses innerhalb der ÖVP nur im geringsten etwas mit der Parteilinie der ÖVP zu tun hätte, dann hätte ich heute einen Antrag auf Einspruch gegen diese Passagen von seiten der Volkspartei erwartet. Dies ist unterblieben. Das war bereits abzusehen, weil zu meiner Überraschung vorgestern im Ausschuß sämtliche ÖVP-Mandatare der Gesetzesvorlage zugestimmt haben. Ich möchte dies festhalten und die Kollegen der ÖVP ersuchen, ihrer Justizsprecherin im Nationalrat – sie ist einige wenige Meter heute von hier entfernt anwesend – dies mitzuteilen und in Zukunft solche Leserbriefe zu unterlassen. – Dies zum einen.

Zum zweiten: Herr Kollege Ludwig von den Sozialdemokraten hat mitgeteilt, daß seine Fraktion unserem Entschließungsantrag nicht beitreten wird. Diese Mitteilung ist sehr kurz ausgefallen, sie ist ohne jede Begründung ausgefallen, sie ist mit einer gewissen Peinlichkeit ausgefallen, weil spürbar war, daß es sich schlicht und einfach um die Exekution des Beschlusses des sozialdemokratischen Bundesparteivorstandes handelt, wonach nicht sein kann, was nicht sein darf. Einem freiheitlichen Antrag ist nicht zuzustimmen und darf nicht zugestimmt werden. Das ist der Sachverhalt – ausgetragen auf dem Rücken der Beteiligten. Es ist mir unverständlich, daß diese Partei Befehle in derartiger Radikalität ins Hohe Haus hereinträgt.

Wir würden Ihnen sogar das Angebot machen, daß Sie diesen Antrag einbringen können. Wir würden unseren zurückziehen; lassen wir darüber abstimmen. Wenn es Ihnen nur darum geht,


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einem freiheitlichen Antrag nicht zuzustimmen, können wir Sie auch von diesem Problem entlasten. Wenn Sie jetzt herauskommen und erklären, Sie würden diesen Antrag einbringen, kann ich Ihnen zusagen, daß wir denselbigen zurückziehen würden. (Zwischenruf des Bundesrates Payer. ) Es soll also nicht an derartigen Formalitäten scheitern, es soll um die Sache gehen. Das ist wirklich unverständlich. Ich hätte mir zumindest eine Begründung erwartet.

Das war ein peinlicher Auftritt, sehr geschätzte Kollegen von der Sozialdemokratie, viel mehr kann man dazu nicht mehr sagen, das ist eine Verhöhnung des freien Mandates. Sie opfern ein sinnvolles Anliegen aus purer bis hin zu primitiver Parteitaktik auf dem Rücken der Betroffenen.

Eines möchte ich dazu auch noch sagen: Moralisierende Belehrungen in Sachen demokratischer Kultur, wie wir sie heute hier schon gehört haben, kann man angesichts dessen auch vergessen. Gerade von Ihrer Seite haben Sie alles andere als ein positives Beispiel gesetzt, und das finde ich schade. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.27

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht gegeben.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozeßordnung, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Bewährungshilfegesetz, das Tilgungsgesetz, das Strafregistergesetz, das Suchtgiftgesetz, das Lebensmittelgesetz und das Sicherheitskontrollgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 1996).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Hoher Bundesrat! Es liegt ein Antrag der Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer auf Verfassung einer Entschließung betreffend Absenkung der Altersgrenze in § 209 des Strafgesetzbuches vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung ist daher abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafvollzugsgesetz und das Einführungsgesetz zum Strafvollzugsgesetz geändert werden (Strafvollzugsgesetznovelle 1996).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz, die Zivilprozeßordnung und die Strafprozeßordnung geändert werden.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung des Bezirksgerichts Meidling, die Auflassung des Exekutionsgerichts Wien und des Strafbezirksgerichts Wien, Änderungen und Erweiterungen der Zuständigkeiten der Bezirksgerichte Favoriten, Hietzing, Fünfhaus sowie Änderungen des Bezirksgerichts-Organisationsgesetzes für Wien, der Zivilprozeßordnung, des Gerichtsorganisationsgesetzes, des Lebensmittelgesetzes 1975 und des Auktionshallengesetzes (4. Novelle zum Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien).

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über Änderungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs, der Exekutionsordnung und des Sicherheitspolizeigesetzes (Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie – GeSchG) (252 und 407/NR sowie 5300 und 5311/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über Änderungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, der Exekutionsordnung und des Sicherheitspolizeigesetzes (Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie – GeSchG)

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner übernommen. Ich ersuche ihn höflich um den Bericht.

Berichterstatter Ferdinand Gstöttner: Der gegenständliche Gesetzesbeschluß des Nationalrates trägt dem Umstand Rechnung, daß das Institut der einstweiligen Verfügung auf einen größeren Personenkreis ausgeweitet werden soll. Die Voraussetzungen sollen entschärft und die Durchsetzung erleichtert werden.

Die Kooperation zwischen Gerichten und Sicherheitsbehörden bei Gewalt in der Familie soll verbessert werden,

den Sicherheitsbehörden und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes sollen zusätzliche Kompetenzen zum Einschreiten bei Gewalt in der Familie übertragen werden.

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing. Ich erteile es ihm.

11.32

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Geschätzte Damen und Herren! Gewalt in der Familie ist in unserer Gesellschaft leider immer noch ein weit verbreitetes Phänomen. Sie hat viele negative Auswirkungen sowohl für die zumeist betroffenen Frauen als auch für die Kinder, und zwar egal, ob sie durch


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die Gewalt persönlich betroffen sind oder miterleben müssen, wie Gewalt an ihren Müttern ausgeübt wird.

Es wird angenommen – das ist schon vorher in einzelnen Reden angesprochen worden –, daß zirka jede fünfte bis zehnte Frau davon betroffen ist und daß die Dunkelziffer der Gewalttaten im Familienkreis extrem hoch ist.

Nach Schätzungen des Polizeijuristen Dr. Bohrn in Wien, der eine Untersuchung von Polizeieinsätzen geführt hat, werden in Österreich jährlich etwa 150 000 bis 300 000 Frauen mißhandelt. Fakten sind, daß 54 Prozent aller Morde im Familienkreis begangen werden und 90 Prozent der Mordfälle Frauen und Kinder als Opfer sind. Faktum ist, daß allein 1994 984 Frauen und 1 041 Kinder in elf österreichische Frauenhäuser flüchten mußten.

Die Verhinderung von Gewalt muß daher ein oberstes Ziel der Politik sein. Verantwortungsvolle Politik muß sowohl Gewalt als auch anderen Übeln der Gesellschaft in umfassender Weise mit allen der Demokratie zur Verfügung stehenden Mitteln entgegentreten.

Zu diesen Möglichkeiten gehört sicher die Prävention allgemein, indem man versucht, Gewalt mittels erzieherischer Maßnahmen dadurch zu verhindern, indem individuelle Hilfen für die Betroffenen angeboten werden, aber auch dadurch zu verhindern, daß weitere Gewalttätigkeiten und Schadensbegrenzungen durch die tertiäre Prävention verhindert werden. Das heißt, die Politik muß auch durch die Rechtsordnung mit all ihren Instrumentarien entschlossen gegen Gewalt auftragen.

Die uns heute zur Beschlußfassung vorliegende Gesetzesmaterie ist in diesem Sinne ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung von Gewalt, denn sie verbessert die Kooperation zwischen Gericht und Sicherheitsbehörden bei Gewalt in der Familie und überträgt den Sicherheitsbehörden und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zusätzliche Kompetenzen zum Einschreiten bei Gewalt in der Familie.

Dieser Gesetzesvorschlag – das ist die besondere Qualität – sieht in concreto die Möglichkeit für ein gewaltbedrohtes Familienmitglied vor, eine gewalttätige, in einer gemeinsamen Wohnung lebende Person aus der Wohnung weisen zu lassen, und zwar nicht nur dann, wenn schon eine gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, sondern wenn diese zu erwarten ist – das ist das sogenannte Wegweiserecht –, und dieser Person auch die Rückkehr in die Wohnung untersagen zu lassen – das Rückkehrrecht.

Ich habe gesagt, das ist die besondere Qualität, denn wir wissen, daß bisher Exekutivbeamte sehr oft unverrichteter Dinge abziehen mußten, nachdem sie beruhigend auf den Aggressor eingewirkt haben und keine Möglichkeit zum Schutz der Frauen darüber hinaus hatten. Nach der derzeitigen Regelung mußten meist die Frauen und die Kinder die Wohnung verlassen und flüchten, in Frauenhäuser ziehen, in andere Kindergärten oder Schulen gehen, faktisch ihren Lebensmittelpunkt verlassen. Der Aggressor konnte bisher an seinem Platz in der Wohnung bleiben. Ich glaube, daß wir – das ist ein Vorbild für ganz Europa – nun endlich erreichen, daß der Aggressor zu gehen hat und die Opfer in ihren Wohnungen bleiben können. Wir sollten daher auch diesem Gesetz die Zustimmung geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist sehr wohl bewußt, daß bei unseren Bemühungen um eine sachgerechte Lösung natürlich auch die vorgeschlagenen Regelungen in einem Spannungsverhältnis zwischen einem möglichst wirksamen Schutz vor Gewalt im häuslichen Bereich auf der einen Seite und dem Eingriff in sensible Grundrechte auf der anderen Seite stehen. Ich glaube aber, daß die klaren und adäquaten Voraussetzungen dieses Gesetzes sowohl für die polizeiliche Wegweisung als auch für die Erlassung einer gerichtlich einstweiligen Verfügung ausreichend präzise Kriterien sind, daß der Staat nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der Umstände des Einzelfalles in den durch das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre und des Familienlebens geschützten Bereich eindringt, um dem in Not befindlichen Opfer Hilfe zu bringen. Hier gilt eindeutig für mich Opferschutz vor Täterschutz. Daher werden wir seitens der Österreichischen Volkspartei gegen dieses Gesetz keinen Einspruch erheben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.37


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619. Sitzung / Seite 47

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Harald Repar. Ich erteile es ihm.

11.37

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gewalt ist leider auch in sogenannten zivilisierten Gesellschaften an der Tagesordnung. Gewalt, die innerhalb der Familie in den allermeisten Fällen gegen Kinder und Frauen gerichtet ist, war lange Zeit Tabuthema, sogenannte Privatheit. Ich meine aber bei aller Respektierung der Privatheit, daß Gewaltanwendung niemals ein Tabu bleiben darf, auch wenn es sich innerhalb der Familie abspielt. Die Zahlen – sie wurden schon angesprochen – sprechen für sich. Ich möchte nur das Beispiel Wien heranziehen, wo es pro Tag etwa 25 Polizeieinsätze wegen Gewalt in der Familie gibt beziehungsweise an Spitzentagen bis zu 100. Nach wie vor gibt es viele Vorurteile innerhalb der Gesellschaft. Man meint, Gewalt gibt es nur in Problemfamilien. Das stimmt grundsätzlich einmal nicht, sondern in vielen Schichten oder in gewissen Schichten wird dies eher nur kaschiert.

Das zweite Vorurteil, das in der Öffentlichkeit vorherrscht, ist, daß die Opfer flüchten sollen. Auch dieses Problem ist nicht so leicht lösbar, denn viele sind in finanziellen Schwierigkeiten, in finanziellen Abhängigkeiten, vor allem Frauen mit Kindern, und somit wird dieses Problem nicht gelöst.

Es gibt auch ein Riesenproblem für Kinder, die Gewalt in ihren Familien erleben: Sie geben diese dann weiter, das ist wissenschaftlich erwiesen. Diese gesellschaftliche Gewaltspirale muß durchbrochen werden.

Eines ist klar: Durch den Bau von Frauenhäusern, in denen Opfer Schutz suchen können, und durch gesetzliche Regelungen kann nur gegen bereits geschehene Gewaltakte eingegriffen und den Opfern Schutz und Hilfe angeboten werden. Selbstverständlich dürfen wir uns durch das diskutierte Bundesgesetz über Änderungen des ABGB, der Exekutionsordnung und des Sicherheitspolizeigesetzes, nicht die generelle Beseitigung von Gewalt im allgemeinen und familiärer Gewalt im speziellen erhoffen. Wir müssen dieses Thema vielmehr weiter enttabuisieren, wir müssen weiter zur Zivilcourage von Nachbarn, Verwandten, Freunden ermuntern, um die extrem hohen Dunkelziffern im Bereich der Gewaltanwendung abzubauen und die konkreten Fälle öffentlich zu machen. Wenn nämlich einmal jemand um Hilfe ruft, dann hat er von sich aus die Privatheit abgelegt und wünscht, daß die Öffentlichkeit ihm zu Hilfe kommt und ihm die Hilfe auch bietet. Die permanente Bewußtseinsarbeit in diesem Bereich ist in Schulen und anderswo gefragt. Wir müssen alles tun, um Gewalt als Konfliktlösungsmittel aus unser aller Köpfe zu verbannen.

Wir werden das Übel der Gewalt sicher nie zur Gänze beseitigen können, aber jeder einzelne Gewaltakt oder jede einzelne Gewalttat, die durch das Gesetz verhindert werden kann, ist schon ein Riesenerfolg.

Problematisch ist es, daß selbst in der Erziehung verschiedenste Formen der Gewalt gegen Kinder immer noch weit verbreitet sind. Es gibt hiezu eine Studie, die ergab, daß beinahe 30 Prozent der Eltern schwere körperliche Gewalt, eine Tracht Prügel, Schläge mit Gegenständen und so weiter zumindest ab und zu anwenden, bei 5 Prozent der Eltern sind diese Erziehungsmethoden beinahe alltäglich. Auch die verschiedensten Formen der psychischen Gewaltanwendung werden von mehr als der Hälfte der Eltern zumindest ab und zu angewendet, und ich glaube, daß diese Zahlen uns allen zu denken geben sollten.

Ich bin sehr froh, daß sich Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky schon vor Jahren an die Spitze einer Initiative gegen die Gewalt in der Familie gestellt hat. Die von ihm gemeinsam mit dem Frauenministerium initiierte Studie über die Ursachen und Folgen der Gewaltanwendung war ein erster wichtiger Schritt der Politik, dieses lange Zeit tabuisierte Thema in Angriff zu nehmen. Das heute diskutierte Gesetz ist nun ein konkreter Ausfluß dieser Bemühungen von politischer Seite her, Maßnahmen zur Eindämmung der innerfamiliären Gewalt zu setzen.


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Besonders hervorstreichen möchte ich, wie es auch schon mein Vorredner getan hat, den deutlich verbesserten Opferschutz durch das neue Gesetz. Es waren die bisherigen Bestimmungen der Exekutionsordnung, nach denen ein Gewalttäter mittels einstweiliger Verfügung zum Verlassen der Wohnung aufgefordert werden konnte, viel zu streng. Es war daher sehr schwer, den Opfern zu helfen. Der Exekutive war es bisher unmöglich, vorbeugende Schutzmaßnahmen gegen drohende Gewalthandlungen in der Familie zu setzen. Mit der heutigen Gesetzesvorlage werden die Voraussetzungen für einen wesentlich verbesserten Opferschutz in diesem Bereich geschaffen.

Herzstück dieser Gesetzesvorlage ist sicherlich das neue Wegweiserecht, wie es auch schon angesprochen wurde, das potentielle Gewalttäter zum Verlassen der Wohnung oder der unmittelbaren Umgebung auffordern und die Rückkehr dorthin verbieten kann. Damit wird die bisher untragbare Situation verändert, wonach absurderweise meistens das Opfer aus der Wohnung flüchten mußte, während der Täter dort verbleiben konnte. Dieses neue Wegweiserecht sehe ich als dringend notwendig an, um Opfer vor Tätern wirkungsvoll schützen zu können, damit auch die Exekutivorgane brauchbares Werkzeug, um schützend und vorbeugend eingreifen zu können, bekommen.

Weiters möchte ich noch ganz kurz die Ausdehnung der Möglichkeiten von Ersatz und immateriellen Schaden nach § 1328 ABGB hervorheben. Nunmehr wird diese Opferentschädigung in allen Fällen der Paragraphen zugelassen. Durch die Erweiterung des Begriffes Beeinträchtigung der geschlechtlichen Selbstbestimmung werden nun auch Entschädigungen für Fälle möglich, die bisher in nicht zu rechtfertigender Weise ausgeschlossen waren.

Mit diesen beiden Neuerungen werden den Opfern von Gewalt in jeder Form wesentlich mehr Rechte und Schutz zugestanden. Es wird nicht nur die Prävention ausgebaut, es werden auch nach den begangenen Taten die Schadenersatzansprüche auf eine breitere Basis gestellt.

Damit ist die Gesetzesvorlage nicht nur im Sinne aktiver Maßnahmen gegen gesellschaftliche Gewalt in allen Formen, sondern auch als Mittel zur verbesserten Schadenswiedergutmachung zu begrüßen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.44

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es.

11.44

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister! Meine Vorredner haben es schon angesprochen. Das Thema Gewalt in der Familie ist ein gesellschaftliches Phänomen, leider nicht nur in unserer Zeit. Und so, wie es die beiden Vorredner schon erwähnt haben, vergeht kaum ein Tag, wo nicht in der Zeitung über Gewaltakte in der Familie berichtet wird. Man darf nicht vergessen, daß Gewaltausübung nicht nur eine körperliche ist, sondern auch eine psychische. Und sie betrifft nicht nur Männer, sie betrifft auch Frauen. Auch von Frauen kann Gewalt ausgehen.

Gewalt ist in jeder Form – egal, von welcher Person Gewalt ausgeht – abzulehnen. Ich glaube, daß mit dem Gesetz ein Schritt in die richtige Richtung gemacht wird. Es ist für das Opfer eine wesentliche Verbesserung entstanden. Ich glaube aber auch, daß es für die Sicherheitsbehörden vereinfacht wird, bei Gewaltandrohung oder -ausübung einzuschreiten, wobei es wesentlicher ist, schon bei Androhung von Gewalt einzuschreiten. Ich habe schon mit vielen Polizisten darüber gesprochen, die oft das Problem hatten, daß wohl die Androhung der Gewalt vorhanden war, sie aber nicht einschreiten konnten. Und wenn dann doch etwas passiert ist, dann mußten sie sich wieder rechtfertigen, warum sie den Gewalttäter nicht mitgenommen haben.

Man muß sagen, das Gesetz ist gut gemeint, und es ist auch grundsätzlich richtig. Und trotzdem gibt es einige Unschärfen, die angesprochen werden müssen. Es wird für einen Beamten sehr schwierig sein, festzustellen, vor allem bei psychischer Gewaltausübung oder Gewaltandrohung, ob es tatsächlich eine Gewalt oder eine Androhung von psychischer Gewalt gibt oder nicht. Ich


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glaube, der Beamte hat es nicht immer ganz leicht, festzustellen, ob es sich tatsächlich um Psychoterror handelt oder nicht.

Die Frage des Rückkehrverbotes – ich stelle mir das so vor: Es ist eine Amtshandlung, der Beamte sagt dem Täter, er darf nicht mehr in seinen Bereich zurück. Dann ist diese Amtshandlung abgeschlossen, die Beamten sind weg. Wer hindert eigentlich den Täter daran, tatsächlich wieder zurückzukehren?

Oder: Man muß dem Betroffenen Gelegenheit geben, sich zu informieren, wo er dann unterkommt, welche Möglichkeiten der Unterkunft er hat. Ich denke, es wird in vielen Fällen schwierig sein, irgendwo unterzukommen. Auch wenn wir uns immer vor Augen halten müssen, daß das Opfer zuerst zu schützen ist, muß man trotzdem aufpassen, daß sich nicht auch beim Täter die Spirale der Gewalt weiterdrehen läßt. Wenn er keine Möglichkeit hat, unterzukommen, stellt sich die Frage: Wo geht er hin? Reichsbrücke, dritter Pfeiler, oder bietet ihm die Polizei Quartier an? All das sind Fragen, die noch nicht geklärt sind und die noch dringend bearbeitet werden müssen.

Es gibt zwar auch den Hinweis, daß die Sicherheitsbeamten angehalten sind, die Opfer zu informieren, welche Opferschutzeinrichtungen es gibt, aber es gibt noch vielzu wenige. – Das ist einmal das erste. Es muß noch viel mehr Opferschutzeinrichtungen geben.

Meiner Meinung nach gibt es hier einen gewissen Widerspruch, weil einerseits weist man den Täter weg, und andererseits sagt man aber dem Opfer, das man gerade noch schützen wollte, daß es sich auch an Opferschutzeinrichtungen wenden kann. Das heißt, wieder würde das Opfer den Lebensbereich verlassen, während der Täter dann letztendlich dort verbleiben könnte. Das ist aber sicherlich nicht mit diesem Gesetz so gedacht gewesen.

Man sieht also, das Gesetz ist an sich ein guter Ansatz. Ich bin auch positiv dazu eingestellt, aber trotzdem wird hier noch viel gearbeitet werden müssen. Aber ich glaube trotzdem, daß es zu begrüßen ist, weil für mich persönlich vor allem das Opfer geschützt werden muß und der Täter erst in zweiter Linie drankommen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.49

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Michalek. Ich erteile es ihm.

11.49

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Ihnen zur Beschlußfassung vorliegenden Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie wird den Sicherheitsbehörden und den Gerichten ein – wie ich überzeugt bin – ausgewogenes, aber dennoch effizientes Instrumentarium in die Hand gegeben werden, um Opfern von Gewalt in der Familie wirksamer als bisher Schutz und Hilfe zu gewähren.

Durch dieses attraktivere Angebot an wirksamen Maßnahmen staatlichen Schutzes sollen Opfer familiärer Gewalt, die vielfach als Privatsache abgetan wird, ermutigt werden, die Hilfe öffentlicher Einrichtungen in Anspruch zu nehmen. Dieses Gesetzesvorhaben geht von der Grundkonzeption aus, daß, wie heute schon gesagt wurde, nicht das Opfer der Gewalt, sondern das gewalttätige Familienmitglied aus der Wohnung weichen muß. Wir setzen damit einen Weg fort, der grundsätzlich bereits mit dem Bundesgesetz über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe 1975 durch die damals erstmalig eingeräumte Möglichkeit, mittels einer einstweiligen Verfügung einem gewalttätigen Ehegatten das Verlassen der Wohnung aufzutragen, beschritten wurde.

Das vorliegende Bundesgesetz erweitert nun den Personenkreis, der durch diese Mechanismen geschützt wird, soferne sie ein dringendes Wohnbedürfnis haben, mildert die Voraussetzungen für das gerichtliche Einschreiten und stellt auch einen effizienteren Vollzug der gerichtlichen Maßnahmen sicher.


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Dieses Gesetz ist das Ergebnis einer sehr breit geführten Diskussion in einem im Justizministerium eingerichteten Arbeitskreis mit einer Reihe von Unterarbeitskreisen, an denen alle relevanten Gesellschaftsgruppen, aber auch die Beamten der beteiligten vier Ressorts teilgenommen haben.

Wir alle waren uns bei den Arbeiten an diesem Gesetz und in den Bemühungen um eine sachgerechte Lösung des heute schon angesprochenen Spannungsverhältnisses zwischen dem grundrechtssensiblen Bereich des Privat- und Familienlebens auf der einen Seite und der Notwendigkeit für einen möglichst wirksamen Schutz auf der anderen Seite wohl bewußt. Ich glaube, daß die Tatbestandsvoraussetzungen sowohl für die polizeiliche Wegweisung samt Rückkehrverbot als auch für die Erlassung der einstweiligen Verfügungen so klar determiniert sind, daß überschießende, außer Verhältnis stehende Maßnahmen nicht erlassen werden können. Sie bieten auch ausreichende Beweglichkeit für die Rechtsanwender bei den Sicherheitsbehörden und bei den Gerichten, um einem in Not befindlichen Opfer jene Hilfe zukommen zu lassen, die es von uns allen erwarten darf.

Nochmals gesagt: Ich meine, daß das vorliegende Gesetz der schwierigen Interessenlage in einem von Grundrechten durchzogenen Bereich durchaus gerecht wird.

Den zu erwartenden und hier auch angesprochenen Abwägungs- und Beweisschwierigkeiten werden das Innenressort durch eine entsprechende Ausbildungsveranstaltung für Exekutivbeamte und das Justizressort durch entsprechende Ausbildungsangebote für Familienrichter begegnen. Wir werden auch eine Einführungsbroschüre herausgeben und auf breiter Basis verteilen, in der steht, wo die Anlaufstellen für Opfer von Gewalt in der Familie Hilfe finden können.

Ich bin zuversichtlich, daß das vorliegende Gesetz auch eine präventive Wirkung entfalten wird und insgesamt einen Beitrag dazu leistet, das Leben in den österreichischen Familien lebenswerter zu machen.

Im Rahmen der Beratungen dieses Gesetzentwurfes, eigentlich im Zuge der Diskussion über die bekanntgewordenen schrecklichen Fälle von Kindesmißbrauch, wurde über meine Anregung eine Neuformulierung des § 1328 ABGB vorgenommen, die den Opfern sexuellen Mißbrauchs sowie in Fällen der Beeinträchtigung der sexuellen Entscheidungsfreiheit angemessenen Schadenersatz sichern wird.

Damit wird die bisher unbefriedigende Rechtslage beseitigt, wonach nur im Falle der Notzucht oder des gewaltsamen Mißbrauchs immaterielle Schäden ersatzfähig waren, und insbesondere auch eine tragfähige Anspruchsgrundlage geschaffen, um auch den Opfern sexuellen Mißbrauchs von Kindern angemessenen, immateriellen Schadenersatz zukommen zu lassen.

Ich meine, daß durch dieses Gesetz in Verbindung mit den sicher noch auszubauenden Interventionsstellen ein bedeutsamer Schritt im Sinne einer verantwortungsvollen und entschlossenen Politik gegen Gewalt gesetzt wird. Es wird aber neben der Zurverfügungstellung dieses neuen legislativen Instrumentariums und der Einrichtung der Interventionsstellen, womit die Stellung des Opfers verbessert werden soll, auch einer Fortsetzung der Politik mit den Methoden der Meinungs- und Bewußtseinsbildung, der Pädagogik, der Erziehung zur Gewaltlosigkeit und Toleranz bedürfen, um Formen der Gewalt und Repression gegen die Schwächsten der Mitbürgerinnen und Mitbürger, gegen die Frauen und Kinder in Familien, in denen Gewalt ausgeübt wird, hintanzuhalten. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.56

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Weiss. Ich erteile es ihm.

11.56

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Den bisherigen Wortmeldungen ist in der Sache selbst nichts als Bekräftigung hinzuzufügen. Ich möchte nur einen zusätzlichen Gesichtspunkt in die Diskussion bringen und darauf hinweisen, daß bereits in der Regierungsvorlage, aber auch in der Diskussion, zu Recht darge


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stellt wurde, welche Bedeutung das präventive Einschreiten und Tätigwerdenkönnen der Organe der Sicherheitsdienste in diesem Bereich hat, weil diese die einzigen sind, die befugterweise dieser Gewalt wirksam entgegentreten können. Und ich halte es für außerordentlich wertvoll, daß mit diesem Gesetz die nötigen Grundlagen dafür geschaffen werden.

Ein Teil der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bleibt dabei allerdings noch ausgespart. Das ist jetzt aber keine Kritik am Justizressort, das dafür nicht zuständig ist. Das sind die Organe der Gemeindesicherheitswachen, die länderweise unterschiedlich, eine große Bedeutung in der Exekutive haben. Ich verdeutliche das am Beispiel meines eigenen Landes: Wir haben keine Bundespolizei, wir haben 800 Gendarmeriebeamte, und wir haben 100 von den Gemeinden selbst bezahlte Organe der Gemeindesicherheitswachen, die im Gegensatz zu früher nicht mehr abwertend dargestellt können als Organe beispielsweise der Sperrstundenkontrolle oder ähnlicher Verwaltungsübertretungen im kommunalen Bereich, sondern das sind Organe, die gemeinsam mit der Bundespolizei ausgebildet werden und über dieselben Kenntnisse und Fertigkeiten und auch über eine gute Zusammenarbeit verfügen, die völlig außer Streit gestellt ist.

Diese Organe haben nun, soweit es nicht bundesgesetzlich im Einzelfall ausdrücklich geregelt ist, nicht die Möglichkeit, Befehls- und Zwangsgewalt unmittelbar anzuwenden, sondern sie sind, wenn sie das tun wollen, faktisch gezwungen – so sie nicht gegen das Gesetz handeln wollen –, Gendarmeriebeamte oder Polizeibeamte zur tatsächlichen Ausübung dieser staatlichen Zwangsgewalt herbeizubitten.

Wir wissen aus dem Innenministerium, daß das ein Anliegen ist, das dort auch unterstützt wird. Das wird auch vom Städtebund und Gemeindebund sowie von den betroffenen Ländern seit langem betrieben. Es ist auch für den Bürger in der Tat nicht einsichtig, daß er ein Exekutivorgan, ein uniformiertes, bewaffnetes, ausgebildetes Exekutivorgan zur Hilfe bittet – in der Regel das nächst erreichbare in der Gemeinde, es gibt auch Gemeinden, in denen wir keine so rasch greifbaren Gendarmeriekräfte zur Verfügung haben –, das seinerseits selbst wieder behördliche Hilfe in Anspruch nehmen muß, um tätig werden zu können.

Das Anliegen geht also nun dahin, daß in der Bundesverfassung beziehungsweise im Sicherheitspolizeigesetz eine Regelung in der Weise getroffen wird, daß die Organe der Gemeindesicherheitswachen in derselben Weise tätig werden können wie die Organe des Sicherheitsdienstes im allgemeinen, konkret der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie.

Das ist letztlich auch der legistisch ökonomischere Weg, als in jedem einzelnen Materiengesetz eine solche Befugnis festzuschreiben, wie man es beispielsweise in der Straßenverkehrsordnung gemacht hat.

In diesem Sinne möchte ich Ihnen, Herr Bundesminister, dieses Anliegen mit in den Schoß der Bundesregierung geben, und ich hoffe, daß wir bald mit einer Regierungsvorlage in diesem Sinne rechnen können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.00

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. Ich erteile es ihm.

12.00

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Zu den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes wurde bereits von den Vorrednern, aber auch vom Herrn Bundesminister ausführlich Stellung genommen. Es ist mir aber dennoch ein persönliches Anliegen, zu dieser Vorlage einige grundsätzliche Feststellungen zu treffen.

Gewalt in der Familie ist kein neues Phänomen, wird auch erst in den letzten Jahren problematisiert und in seiner Entstehungsdynamik und seiner Auswirkung insbesondere auf die betroffenen Kinder beleuchtet.


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Gewalt ist nach wie vor, nicht ausschließlich, aber doch primär, eine männliche Form des Verbrechens. Die Brisanz der Thematik läßt sich an einigen Zahlen aufzeigen: 54 Prozent aller Morde werden im Familienkreis begangen. In 90 Prozent der Mordfälle sind Frauen und Kinder die Opfer. Unter "Gewalt" ist nicht nur körperliche Mißhandlung zu verstehen, sondern auch die vielfältigen Formen psychischer Unterdrückung zählen dazu.

Die Ursachen für Gewalt sind vielfältig. Neben der Sozialisation durch einen gewaltausübenden Elternteil, den Beziehungsstrukturen in der Familie und dem sozialen Umfeld können auch entsprechende gesellschaftliche Strukturen zu einer Überforderung des einzelnen führen, welche sich dann mangels anderer Konfliktlösungsstrategien in physischen Übergriffen in Form von Schlägen oder psychischer Unterdrückung artikuliert. Als wissenschaftlich abgesichert gilt, daß die Neigung, Konflikte gewalttätig auszutragen, unter psychischer Belastung steigt. Faktoren wie finanzielle Probleme, hohe Verschuldung, beengte Wohnsituation, Schwierigkeiten im Beruf, Arbeitslosigkeit, Erziehungsprobleme mit den Kindern, angegriffene Gesundheit und Probleme in der Partnerschaft sind als solche Streßfaktoren anzusehen.

Auch das Erleben familiärer Gewalt beziehungsweise das Fehlen positiver familiärer Beziehungsmuster begünstigen das Auftreten gewalttätigen Verhaltens gegenüber der Partnerin oder den Kindern. Familie ist in der Vorstellung der meisten Menschen ein Ort der Nähe, Geborgenheit und emotionellen Unterstützung. Sorgen sollen von den Familienmitgliedern geteilt, Probleme gemeinsam bewältigt werden. In diesem idealen Familienkonzept sind Konflikte, Abgrenzungswünsche und Individualisierungsbestrebungen nicht vorgesehen. Die gängige Orientierung an diesem Familienmythos führt zu überzogenen Erwartungen an die Partnerschaft und auch an die Kinder, die in der Realität nicht erfüllt werden können. – Die daraus resultierende Enttäuschung begünstigt das Entstehen von Gewalt.

Um Familien zu befähigen, ihr Konfliktlösungspotential zu erhöhen, kommt der Prophylaxe – zum Beispiel in Form von Elternschulungen – hoher Stellenwert zu. Familienmitglieder, die in Krisensituationen körperliche oder physische Mißhandlung als einzige Lösungsstrategie zur Verfügung haben, brauchen fachliche Hilfe. Die Anwendung von Gewalt und Zufügung körperlichen und seelischen Leidens sind nach der Gesetzeslage erst seit 1. Juli 1989 unzulässig. Angehörige von Familien, in denen Gewalt ein Problem darstellt, können in fast allen größeren Zentren Österreichs Hilfe finden und alternative Wege zur Konfliktlösung kennenlernen.

Um den betroffenen Eltern und Angehörigen einen leichteren Zugang zu solchen Beratungsstellen zu ermöglichen, gibt es seit einigen Jahren in Wien beispielsweise eine Regelung, gemäß der entgegen der früheren Verpflichtung der Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen – die meist im öffentlichen Dienst stehen –, auf jeden Fall eine Anzeige zu erstatten, auf eine Anzeige verzichtet werden kann. Dafür wurde mit der Neuregelung der Anzeigepflicht in der Strafprozeßordnung – § 84 – gesorgt, die auf Initiative der Stadt Wien erfolgt war. Sozialarbeiter müssen solche Vergehen nicht mehr zur Anzeige bringen, außer die Eltern zeigen keinerlei Bereitschaft, eine therapeutische Hilfe oder ein sozialarbeiterisches Betreuungsangebot anzunehmen. Diese Regelung gilt nicht für Verbrechen, das heißt für vorsätzliche Handlungen, die mit mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind. Helfen statt Strafen war immer schon die Maxime der Familienarbeit. Vertrauen und Kooperation haben dabei Vorrang, denn nur unter diesen Voraussetzungen kann allen Beteiligten wirklich geholfen werden.

Eine Reihe von Einrichtungen auf Länder- und auch auf Bundesebene beschäftigen sich im besonderen mit dem Problem der Kindesmißhandlung. In Wien beispielsweise befassen sich die Sozialarbeiter des Amtes für Jugend und Familie mit jedem Fall einer Kindesmißhandlung, der gemeldet wird, soweit es möglich ist, durch helfende Intervention innerhalb der Familie und durch Einleitung begleitender Betreuungsmaßnahmen, wenn es zum Schutz des Kindes aber nötig ist, auch durch Herausnahme des Kindes aus der Familie und anderweitige Unterbringung und Betreuung des Kindes.

Angesichts der Dunkelziffer muß festgehalten werden, daß viele Mißhandlungsfälle nicht zur Meldung gelangen, sehr viele Fälle und Formen von Mißhandlung leider unentdeckt bleiben. Gewalt gegen Frauen ist ein Problem, das in jeder historischen Epoche existierte. Bis in unser


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Jahrhundert war das Züchtigungsrecht des Ehemannes gesetzlich festgeschrieben. Heute ist Gewalt gegen Frauen zwar verboten, trotzdem wird sie noch immer eher als Kavaliersdelikt denn als kriminelles Vergehen betrachtet. In keinem anderen Bereich wird dem Opfer eines Verbrechens so häufig die Schuld an der Tat aufgebürdet. Frauen, die Gewalt erleben, wird sehr häufig in der öffentlichen Meinung eine Mitbeteiligung zugeschrieben. Gewalttätige Männer tendieren dazu, Verantwortung für ihre Taten nicht zu übernehmen, und es gelingt ihnen leicht, sich der Strafverfolgung zu entziehen.

Fundierte wissenschaftliche Untersuchungen aus dem Jahr 1990 belegen, daß nur ein Prozent der Polizeiinterventionen bei Gewalt in der Familie mit einer Verurteilung endet. Nur 25 Prozent der angezeigten Körperverletzungsdelikte in der Familie führten zu einer gerichtlichen Verurteilung. Hoffnung auf Veränderung, finanzielle Abhängigkeit und Angst vor der Eskalation der Gewalt sind die wichtigsten Faktoren, die Frauen an einer Trennung hindern. Da traditionell noch immer der Frau die Verantwortung für das Funktionieren von Ehe und Partnerschaft zugeschrieben wird, fühlen sich viele Frauen schuldig für ein Nichtfunktionieren. Da Gewalt gegen Frauen öffentlich zuwenig thematisiert und noch immer nicht als gesellschaftliches Problem wahrgenommen wird, sind viele Frauen auch der Überzeugung, daß das Verhalten ihres Mannes ihr individuelles Problem ist.

Ein weiteres wichtiges Motiv für das Aufrechterhalten einer Mißhandlungsbeziehung ist die Angst vor einer Eskalation der Gewalt. Nicht wenige Frauen werden von ihrem Mann mit dem Tod bedroht, sollten sie sich trennen. Wie ernst diese Drohung zu nehmen ist, können wir aus den Medien erfahren. Oft werden Frauen gerade dann getötet oder schwer verletzt, wenn sie Schritte zur Trennung unternommen haben.

Langfristig ist Gewalt gegen Frauen nur durch eine Verbesserung des Status der Frau in der Gesellschaft zu verändern. Kurzfristig muß betroffenen Frauen und Kindern rasche Hilfe, Schutz vor Gewalt und praktische Unterstützung zum Beispiel durch die Einrichtung weiterer Frauenhäuser geboten werden.

Die von meinen Vorrednern erwähnten konkreten Bestimmungen der vorliegenden Gesetzesnovelle werden in Zukunft mit dazu beitragen, den vielen Opfern von Gewalt in der Familie Hoffnung und Schutz zu bieten. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.0


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8

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich danke. Das ist mit Stimmeneinhelligkeit so angenommen.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft, die Änderung des Postsparkassengesetzes 1969, des Bankwesengesetzes und die Errichtung des Staatsschuldenausschusses sowie die Änderung des Poststrukturgesetzes (321/A und 474/NR sowie 5312/BR der Beilagen)

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen (Wertpapieraufsichtsgesetz – WAG) und über die Änderung des Bankwesengesetzes, des Börsegesetzes 1989, des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, der Konkursordnung, der Ausgleichsordnung, des Versicherungsaufsichtsgesetzes und des Investmentfondsgesetzes (369 und 473/NR sowie 5313/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 7 und 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft, die Änderung des Postsparkassengesetzes 1969, des Bankenwesengesetzes und die Errichtung des Staatsschuldenausschusses sowie die Änderung des Poststrukturgesetzes und

ein Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen (Wertpapieraufsichtsgesetz – WAG) und über die Änderung des Bankwesengesetzes, des Börsegesetzes 1989, des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, der Konkursordnung, der Ausgleichsordnung, des Versicherungsaufsichtsgesetzes und des Investmentfondsgesetzes.

Die Berichterstattung über die Punkte 7 und 8 hat Herr Bundesrat Karl Hager übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Karl Hager: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht zu Punkt 7:

Im Zuge der durch das Poststrukturgesetz (Art. 95 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201/1996) erfolgten Neuregelung der Organisation der Post- und Telegraphenverwaltung durch Ausgliederung ihres Geschäftsbetriebes in die privatrechtlich organisierte Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft sollen auch die bisher von der Österreichischen Postsparkasse in der Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechtes geführten Geschäfte ebenfalls durch eine privatrechtlich organisierte Aktiengesellschaft geführt werden. In der Folge sollen die Anteilsrechte dieser Aktiengesellschaft zum Zwecke der Neustrukturierung der Kooperation im Postwesen an die Post und Telekombeteiligungsgesellschaft (PTBG) übertragen werden.

Der vorliegende Antrag dient der Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Einbringung des Unternehmens der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft unter Anwendung der bereits seit 1986 für derartige Vorgänge bei Banken bestehenden bankrechtlichen Vorschriften (§ 92 BWG beziehungsweise § 8a KWG). Die bisher der Österreichischen Postsparkasse obliegenden Pflichtaufgaben (Postscheck- und Postsparverkehr) sollen unter Bedachtnahme auf § 3 Postsparkassengesetz 1969 von der Aktiengesellschaft fortgeführt werden.


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Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum Bericht zu Punkt 8:

Mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluß sollen Richtlinien und ein Richtlinienvorschlag der Europäischen Gemeinschaft in österreichisches Recht umgesetzt werden, so zum Beispiel die "Kapitaladäquanzrichtlinie", die Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen, die Richtlinie betreffend Kreditinstitute und der Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der aufsichtlichen Behandlung des Kreditrisikos bei bestimmten außerbilanzmäßigen Geschäften.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. – Ich darf ihn bitten.

12.12

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus der Fülle der im Finanzausschuß behandelten Materien möchte ich einige erwähnen, nämlich das Wertpapieraufsichtsgesetz, das Börsegesetz, das BWG und das Bundesgesetz betreffend die PSK.

Zunächst eine grundsätzliche Bemerkung zur Wertpapieraufsicht: Auch wir Freiheitliche beobachten selbstverständlich seit Jahren die Entwicklung an der Wiener Börse und stellen dabei folgendes fest: Erstens gibt es dort kaum eine respektive zumindest fast keine dynamische Entwicklung. Zweitens behindert das die Eigenkapitalaufbringung extrem. Es ist interessant, daß in Österreich – das kann man feststellen, wenn man die Einlagen der gesamten österreichischen Bevölkerung betrachtet – nur 4 Prozent in Aktien sparen und 96 Prozent sich andere Sparformen suchen. – Das hat selbstverständlich mehrere Ursachen.

Eine Ursache dafür ist, daß die Aufsicht im Wertpapierhandel nicht dem internationalen Standard entspricht. Es wurden immer wieder Insiderinformationen verwertet, was dazu führt, daß der Vertrauensverlust an der Börse ein gewaltiger ist. Daß das selbstverständlich die Entwicklung behindert, ist keine Frage. – Das, meine Damen und Herren, sind die Fakten.

Mit dem Wertpapieraufsichtsgesetz soll nun Ordnung geschaffen werden. Die Absicht ist zweifellos gut und in Ordnung. Experten beurteilen allerdings dieses neue Gesetz eher unterschiedlich. – Ich zitiere das Monatsmagazin "OPTION" vom Dezember dieses Jahres, das unter dem Untertitel: "Das neue Wertpapieraufsichtsgesetz macht das österreichische Bankgeheimnis löchrig wie Schweizer Käse" folgendes ausführt – in Auszügen –: "Nach Abschaffung der anonymen Wertpapierkonten und Einführung des elektronischen Börsenhandelssystems EQOS droht der Wiener Börse nun der dritte Schlag: ein neues Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG). Die Folgen für den österreichischen Kapitalmarkt, insbesondere für die Wiener Börse, könnten fatal sein. Mit Hilfe des WAG soll der Wildwest-Börse am Schottenring nun endgültig der Garaus und aus Wien ein renommierter Finanzplatz gemacht werden. Die Bundeswertpapieraufsicht – und eine noch zu konstituierende schnelle ,Eingreiftruppe’ – wird bislang für unvorstellbar gehaltene Kompetenzen erhalten. Bei Verdacht auf Insiderhandel dürfen Wertpapierkonten ohne richterlichen Beschluß und ohne Rücksicht auf das Bankgeheimnis überprüft werden.

Damit nicht genug" – das ist ein zweites Thema, das hier abgehandelt wird –: "In einem Atemzug soll auch der Kapitalmarkt im weiteren Sinne, also auch das Tätigkeitsgebiet der Vermögensberater, zum Schutz der Konsumenten umgekrempelt werden. Auch hier scheint man weit über das Ziel hinaus zu schießen."

Meine Damen und Herren! Der ursprüngliche Sinn geht unter beziehungsweise tritt in den Hintergrund. Dieser ursprüngliche Sinn war: Erstens die Ordnungsmäßigkeit und Fairneß des Wertpapierhandels zu sichern, zweitens – und das ist sehr wesentlich, dazu stehen wir selbstverständlich – die Wahrung der Interessen der Anleger zu gewährleisten und außerdem auch dem Mißbrauch von Insiderinformationen entgegenzuwirken. Aber bei der Verfolgung von Mißständen wird mit diesem Gesetz sicherlich über das Ziel hinaus geschossen. Generell bedauern wir von der Freiheitlichen Partei, daß diese Wertpapieraufsicht leider wieder eine quasi staatliche Stelle wird, ein Amt wie etwa die Bankenaufsicht. Minister Klima hat gesagt, daß diese Aufsicht unabhängig von den Banken sein soll, was richtig ist. Denn wie Sie wissen, haben wir Freiheitliche auch bei der Bankenaufsicht schon seit Jahren die Privatisierung verlangt. Also: Die


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Wertpapieraufsicht soll unabhängig von den Banken sein, aber auch vom Ministerium, was sie leider nicht ist.

Meine Damen und Herren! Das ist österreichische Tradition – wir sagen: schlechte österreichische Tradition –, und das setzt sich in der Gestaltung des Beirates fort. Denn bei der Beiratsbesetzung gibt es auch in diesem Fall wieder ein Monopol für die Sozialpartner, also für Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, Gewerkschaft und so weiter.

Betreffend das Bankgeheimnis waren wir bisher der Meinung, daß diese Lockerung beim Wertpapiergeschäft quasi ein Tauschgeschäft für die Anonymität beim einfachen Sparen sein sollte. Ich stehe daher nicht an, meine Enttäuschung darüber kundzutun, daß im vorgestrigen Ausschuß in diese Richtung überhaupt nichts zu bemerken war. Man denkt bei den zuständigen Stellen im Ministerium offenbar wirklich nicht darüber nach, wie man das Bankgeheimnis verbessern könnte. Mir wurde hier einmal schon die Antwort gegeben, daß man darüber nicht nachdenkt, weil die politische Spitze in Österreich sagt: Über dieses Thema ist nicht nachzudenken, weil wir zu den bestehenden Regelungen stehen. Es sollen also Anonymität und Bankgeheimnis erhalten bleiben. Die Spitzenpolitiker der Regierung in Österreich sagen es immer wieder: Wir bleiben dabei. In Brüssel wird oft anders argumentiert. Auch das ist kein Geheimnis.

Feststeht, meine Damen und Herren, daß die EU-Kommission auf der Aufhebung der Sparbuchanonymität beharrt. Ich weiß nicht, ob das sogenannte Avis, also die Stellungnahme der EU-Kommission an die österreichische Bundesregierung, die Ende November einlangen hätte sollen, inzwischen eingelangt ist. Vielleicht kann uns jemand eine Antwort darauf geben. Darin wird die Regierung endgültig aufgefordert, die Sparbuchanonymität abzuschaffen.

Die Legitimierung aller Sparbücher, unabhängig vom Datum ihrer Errichtung, stellt Österreichs EU-Kommissionsdirektor Heinz Zourek fest, wird nicht zu verhindern sein. Jetzt kommen diese Botschaften aus Brüssel schon in französischer Sprache, und im letzten Communiqué heißt es, daß im Gegensatz zu der Meinung der österreichischen Regierungsstellen das Festhalten an der Anonymität aus der Sicht der Kommission mit den Bestimmungen der Richtlinie 91/308 unvereinbar ist.

Diese Weisung beziehungsweise dieser Rüffel aus Brüssel dürfte wohl die letzte diesbezügliche Weisung sein, denn wenn es diese Aufforderung zur begründeten Stellungnahme gibt, hat Österreich nur 40 Werktage Zeit, abermals Stellung zu nehmen, und dann blüht uns nichts anderes mehr als ein peinliches Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof.

An dieser Stelle sei mir ein kleiner Seitenblick auf die Schweiz gestattet, um zu zeigen, wie groß man sich in unserem Nachbarland diesbezüglich Gedanken macht, während wir in Österreich eher locker zur Tagesordnung übergehen.

Ich zitiere aus der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" im Zusammenhang mit dem Schweizer Bankgeheimnis, Ausgabe vom 7. 11. 1996, wo festgestellt wird – das ist Tatsache –: "Der Geheimnisschutz" – in der Schweiz – "ist gesetzlich verbürgt, nur eine Mehrheit des Parlaments könnte an diesem Zustand etwas ändern. Gesetze in der Schweiz brauchen ihre Zeit. Schweizer Politiker, die das Bankgeheimnis – aus welchen Gründen immer – anzuzweifeln wagen würden, bekämen großen Ärger." In der Schweiz würden, wenn es – rein theoretisch – zur Aufhebung des Bankgeheimnisses käme, über Nacht 60 000 Bankangestellte ihren Job verlieren.

Weiter wird ausgeführt: "Die Schweizer Volkswirtschaft würde mit der Abschaffung des Bankgeheimnisses geradezu ökonomischen Selbstmord begehen. Die Struktur des Schweizer Arbeitsmarktes und der Schweizer Wirtschaft ist lückenlos auf das Bankgeheimnis ausgerichtet." Ferner heißt es: "In den Bankkonten der Bürger schnüffeln die Steuerbehörden bei Lebzeiten der Steuerzahler nicht. Hierzulande" – also in der Schweiz – "sind anno 1996 immer noch Rudimente der alten Zeit" – man möchte fast sagen: der guten alten Zeit – "lebendig geblieben, wo die Geld-Diskretion als heilig galt. Und daran wird sich wohl, bis in das 21. Jahrhundert hinein, nichts ändern."


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Ich meine, daß man sich hier sehr wohl zu wenig Gedanken macht, wie wir in Österreich zu einer vernünftigen Lösung für die Zukunft im Interesse unserer Sparer kommen könnten, die eigentlich das Vertrauen in diese österreichische Bundesregierung schon verloren haben.

Der ursprüngliche Sinn der Finanzgesetze war im Prinzip richtig: Man strebte die Harmonisierung mit den EU-Bestimmungen an. Das Ergebnis bringt in einigen Punkten jedoch leider das Gegenteil. – Unsere ganz konkrete Kritik richtet sich erstens gegen die nicht EU-konformen Kapitalerfordernisse für die Vermögensberater – in Deutschland heißen sie Finanzdienstleister. Mit diesen Bestimmungen wird dem überwiegenden Teil der derzeitigen Gewerbeinhaber die Berufsausbildung in Österreich unmöglich gemacht. Selbst rein beratend tätige Vermögensberater können ihren Beruf in Zukunft nur mehr in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft ausüben, unter ganz bestimmten Kapitalmindesterfordernissen, die man ohne weiteres zur Kenntnis nehmen könnte, 650 000 beziehungsweise 1,7 Millionen, wenn man direkt in die Beratung einsteigt und Fonds verwaltet. Auch dazu haben wir Freiheitlichen eine andere Meinung. Wir haben gesagt: Wir könnten uns sehr gut vorstellen, diesbezüglich eine Haftpflichtversicherung anzubieten respektive verbindlich vorzuschreiben, um dieser Regelung zu entgehen.

Der zweite Punkt unserer Hauptkritik – ich habe es schon ausgeführt – ist die Tatsache, daß durch Z. 4 und 5 des § 2 Abs. 1 still und heimlich das Bankgeheimnis aufgehoben wird. Man hätte in diesem Punkt eventuell eine richterliche Anordnung mit einbauen können.

Der dritte Punkt betrifft die Frage der Bestrafung im Falle telefonischen Anbietens von Anlageprodukten, was, wenn man nicht bereits eine Geschäftsverbindung zu einem Kunden hat, mit bis zu 300 000 S Strafe bedroht ist. – Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Gigantenhochzeit im Bankengeschäft, die möglicherweise bevorsteht. Wenn es dazu kommt, ist das ein unheimlicher Wettbewerbsvorteil für eine Bank. Man kann nämlich immer dann telefonisch Bankdienstleistungen auch im Veranlagungsweg anbieten, wenn bereits eine Grundgeschäftsbeziehung besteht. Wenn jeder zweite Österreicher zur Bank Austria oder CA in irgendeiner Form Geschäftsverbindungen oder dort bereits ein Konto hat, ist jeder Telefonverkauf möglich. Ich glaube, daß das eine starke Verzerrung der Gleichbehandlung mit sich bringt.

Ein paar Worte noch zum Staatsschuldenausschuß: Ich habe schon mehrfach im Finanzausschuß die Arbeit oder das Ergebnis dieses Staatsschuldenausschusses kritisiert. Ich habe auch hier im offenen Haus vor nicht allzulanger Zeit erklärt, daß wir davon ausgehen, daß die Durchschnittsverzinsung aller Ausleihungen der Republik Österreich bei verschiedenen Banken mit zur Zeit 6,4 Prozent weit über den üblichen durchschnittlichen Marktkonditionen liegt. – Der Herr Finanzminister hat uns lediglich ausrichten lassen, daß die Arbeit dieses Verwaltungsrates der Postsparkasse erstklassig ist, es gebe lauter langfristige Verträge, in die man nicht eingreifen kann. – Hier könnte man von Ländern und Gemeinden einiges lernen, die auf diesem Gebiet wesentlich kreativer sind.

Dieser geplante Staatsschuldenausschuß ist eigentlich überhaupt nichts anderes, meine Damen und Herren, als die Fortschreibung des Verwaltungsrates der Postsparkasse. Ohne jede wirkliche Kompetenz darf dieser Ausschuß zwar analysieren und berichten, kann aber nicht gestalten. Auf der anderen Seite ist er aber das Überwachungsorgan für die Bundesfinanzierungsagentur, von der immerhin jährlich 300 Milliarden Kredit- und Darlehensaufnahmen zu verantworten sind.

Kritik haben Sie von uns sicherlich zu der Frage erwartet: Wer beschickt dieses Gremium? Die Damen und Herren, die sich damit noch nicht beschäftigt haben, werden sich sicher nicht wundern: Auch dieses Gremium beschicken selbstverständlich die Sozialpartner. Die Landwirtschaftskammer fünf Damen oder Herren, die Wirtschaftskammer fünf Damen oder Herren, die Arbeiterkammer fünf Damen oder Herren, die Bundesregierung hat sich vornehm zurückgehalten, sie möchte nur drei Damen oder Herren entsenden. In Anbetracht dessen ist wirklich die Frage zu stellen: Was hat die Gestionierung der Staatsschulden mit den Sozialpartnern zu tun?


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Zuletzt zur PSK: In diesem Zusammenhang gleicht die Politik der Regierung jener in Frankreich. Dort wie hier werden die Pensionsrückstellungen der Post an den Bund überwiesen. Dort sind es 75 Milliarden, hier sind es 3 bis 3,5 Milliarden. Das verringert, meine Damen und Herren, nur im Augenblick die Staatsschuld. Gleichzeitig übernimmt man jedoch die Verpflichtung, die künftigen Pensionen zu zahlen. Jeder, der schon selbst Pensionsrückstellungen – in welcher Firma auch immer – bilden mußte oder gebildet hat, weiß, daß die Höhe der Pensionsrückstellungen nur einen Bruchteil jener Summe ausmacht, die letzten Endes auszuzahlen ist. Ist das ein gutes Geschäft, meine Damen und Herren? – Wohl kaum! Wir wundern uns, daß dieser Vorgang von der EU akzeptiert worden ist.

Die PSK soll also am 1. 1. 1997 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Sie hat als Anstalt öffentlichen Rechtes keinen wirklichen Eigentümer, ist eine eigentümerlose Gesellschaft. Sie verfügt aber – und das ist doch sehr bemerkenswert – über eine 100prozentige Bundeshaftung. Erst anschließend ist dann eine Teilprivatisierung vorgesehen. Aber die Haftung des Bundes, die Haftung von Ihnen allen, die Haftung der von uns vertretenen Steuerzahler bleibt voll aufrecht.

Meine Damen und Herren! Das muß man im Zusammenhang damit sehen, daß die Postämter in Hinkunft das Recht erhalten werden, an 2 300 Stellen in Österreich – es handelt sich hiebei um das weitaus größte Bankennetz, das es in Österreich gibt – auch Privatkredite zu vergeben, mit allem Risiko, ohne entsprechendes Know-how in der Beurteilung dieses Risikos. Und wir alle haften dafür! – Es ist bemerkenswert, daß das Höchstgericht schon 1989 die Vergabe von Privatkrediten über die Postämter untersagt hatte. Das soll jetzt wieder geändert werden. Wahrscheinlich hat man die aggressive Werbung und die Verführung, leicht Kredit aufnehmen zu können, inzwischen vergessen. Sie erinnern sich sicher an den bekannten Slogan: "Anna, den Kredit hamma". Das heißt, man braucht nur zur Post zu gehen, die Risikoeinschätzung ist dort nicht so streng, wie es eigentlich heute notwendig wäre.

Zum Schluß ist in diesem Zusammenhang noch die Frage zu stellen: Was geschieht mit den Mitarbeitern dieser privatisierten Post? Bleiben sie Bundesbeamte, zumindest all jene, die jetzt im Beamtenstatus sind? Was geschieht mit allen Konten der Finanzbehörden? – Die Konten der Finanzbehörden sind ausschließlich bei der PSK veranlagt. Das ist horrender Wettbewerbsvorteil für eine Institutsgruppe, die sich dann auf dem freien Markt den übrigen Konkurrenten stellen muß.

Es gibt noch eine ganze Reihe von Privilegien, die ich jetzt gar nicht aufzählen möchte. Ich denke nur an die Gratiszustellung jeder Banksendung, die es nur bei der Post geben kann. Die Kunden aller anderen Banken haben dafür selbstverständlich sämtliche Barauslagen zu ersetzen. – Es gibt also sehr viele Ungereimtheiten und so viele noch nicht bis zum Schluß durchgedachte Konsequenzen, daß es uns von der Freiheitlichen Partei unmöglich ist, diesen Gesetzen zuzustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. – Ich darf ihn bitten.

12.29

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich möchte vorausschicken, daß meine Fraktion dem gesamten Gesetzespaket die Zustimmung erteilen wird, möchte aber doch ein paar Kritikpunkte zu der einen oder anderen Sache bemerken.

Zuerst zur Postsparkasse: Der heutige Gesetzesantrag sieht vor, daß die Postsparkasse als Anstalt öffentlichen Rechtes im Zuge der gesamten Reorganisation der Post- und Telegraphenverwaltung in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden soll. Gleichzeitig ist vorgesehen, daß das gesamte Aktienpaket an die Postbeteiligungsgesellschaft übertragen werden soll und daß diese Gesellschaft beauftragt wird, 49 Prozent davon zu privatisieren, wobei es keinen Terminplan gibt.


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Man muß sich gerade im Zusammenhang mit der gesamten gegenwärtigen Diskussion über die Übernahme der CA-Aktienkapitals durch die Bank Austria klarmachen, welche Größenordnung bei der PSK vorhanden ist. 1995 lag das Betriebsergebnis der PSK bei 1,8 Milliarden Schilling. Der Gewinn aus Steuerleistungen an den Bund betrug 600 Millionen, für heuer wird ungefähr das gleiche erwartet. Die Bewertungen der PSK schwanken, je nachdem, inwieweit sich die PSK auch künftig der Postämter bedienen kann, zwischen 10 und 12 Milliarden Schilling. Das heißt: Es geht hier um eine ähnliche Größenordnung wie momentan bei der von meinem Vorredner genannten Gigantenhochzeit.

Meine Damen und Herren! Die Übertragung der Postsparkasse an die Postbeteiligungsgesellschaft hat natürlich auch einen anderen Hintergrund. Es geht darum, die Postbeteiligungsgesellschaft börsenfähig zu machen und ihnen zu ermöglichen, die 110 Milliarden Schilling an Schulden, die die Post derzeit aufweist, zumindest größtenteils abzuzahlen. Seitens der Österreichischen Volkspartei wird der Ansatz zur Umwandlung in eine Aktiengesellschaft an und für sich begrüßt. Dies entspricht den Vorstellungen des Wirtschaftsbundes von weniger Staat und mehr privat. Doch gibt es bei der Privatisierung einige Punkte, auf die man hinweisen muß. Es handelt sich um keine echte Privatisierung, sondern nur um eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft mit dem Eigentümer Staat. Zweitens ist der Aufgabenbereich der künftigen PSK nicht genau abgeklärt. Das soll politisch noch näher ausdiskutiert werden. Wenn die PSK die volle Bankkonzession erhält, dann wird sie zu einer Bank, die natürlich eine gigantische Konkurrenz zur bestehenden Bankenlandschaft darstellt. Wir haben heute schon eine Landschaft in Österreich, die man als "overbanked" bezeichnen muß, das heißt, wir haben zu viele Banken in diesem Bereich. Kollege Harring hat schon gesagt, daß die Bundeshaftung für die PSK dazu führt, daß es zu einer Wettbewerbsverzerrung auf dem gesamten Bankensektor kommt. Dazu kommt, daß die PSK den ganzen Zahlungsverkehr über die Konten des Bundes führt. Das heißt: Auf diese Weise entsteht eine Konkurrenz, die mit den herrschenden Bedingungen in der normalen Bankenlandschaft nicht gleichzusetzen ist.

Wenn man jetzt noch berücksichtigt, daß geplant ist, daß die Bank Austria ein entsprechendes Aktienkapital der CA bekommen und damit eine Gigantenhochzeit vollzogen werden soll, und wenn man weiß, daß die Girokredit sich um die 49 Prozent Aktienkapital der PSK bemüht und die Girokredit wiederum der Bank Austria gehört, dann kann man ermessen, daß so ein Gigant auf dem österreichischen Markt entsteht, der natürlich wettbewerbsverzerrend wirkt. Das könnte natürlich auch für die vielen kleine Mittelbetriebe eine Verschlechterung der Unternehmensfinanzierung darstellen, weil der Wettbewerb nicht mehr im bisherigen Ausmaß vorhanden ist. Daher sind Bedenken hinsichtlich der gesamten Fusionierungsbestrebungen, die momentan in der Öffentlichkeit diskutiert werden, angebracht.

Es gibt auch noch einen zweiten Punkt, den man beleuchten soll, nämlich die Studie der Arbeiterkammer im Zusammenhang mit Privatisierung, laut der nunmehr auf einmal wieder ein Salto rückwärts eingelegt werden soll, daß die öffentlichen Institutionen, Gebietskörperschaften und Gemeinden sich wieder an Firmen beteiligen sollen. – Ich sage bewußt hier, daß wir an und für sich stolz sein können, daß es in den letzten zehn Jahren gelungen ist, viel zu privatisieren. Ich habe hier vor wenigen Monaten stolz den Bericht der ÖAIG zitiert, daß 28 Milliarden Schilling in den letzten Jahren privatisiert wurden. – Nunmehr versucht man über diese Studie – und das kommt nicht von ungefähr – einen Rückwärtsgang im Bereich der Privatisierung einzuschalten.

Ich glaube, daß das nicht der richtige Weg ist und daß das zu einer Verunsicherung von Investoren in Österreich führt. Wir sollten auf das Ergebnis, das diese Bundesregierung in den letzten neun Jahren erreicht hat, stolz sein. Es hat sich gezeigt, daß die wirtschaftliche Entwicklung der Firmen, die privatisiert wurden, positiv war und daß die Privatisierungserlöse für die öffentliche Hand interessant waren. Diese Firmen konnten auf dem Weltmarkt und auf dem österreichischen Markt sehr erfolgreich agieren. Das heißt, daß diese Privatisierung durchaus als Erfolg bezeichnet werden kann.

Meine Damen und Herren! Wenn wir heute noch über die Staatsdruckerei und über die Ausgliederung des Datenverarbeitungsbereiches in ein eigenes Bundesrechenzentrum diskutieren, so sollten wir, glaube ich, nicht von einer – wie es Dr. Wailand in der "Kronen-Zeitung" genannt


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hat – Globalisierungsfalle in eine Provinzialisierungsfalle stürzen, sondern versuchen, unseren erfolgreichen Weg der Privatisierung weiterzuführen.

Meine Damen und Herren! Neben dem Gesetz betreffend die PSK gibt es noch zwei weitere Gesetze, die im gleichen Punkt behandelt werden: Es geht hiebei um die Errichtung des Staatsschuldenausschusses. In diesem Punkt bin ich nicht Ihrer Meinung, Kollege Harring, daß es ... (Bundesrat Dr. Harring: Das wundert mich nicht!) Wie sollte es auch anders sein, Herr Kollege! Ich kann da ja nicht Ihrer Meinung sein!

Es ist sehr wohl sinnvoll, daß in diesem Staatsschuldenausschuß neben Vertretern der Regierung auch die Sozialpartner vertreten sind, denn sie waren in den letzten 50 Jahren für die Stabilität Österreichs verantwortlich. Kollege! Gerade die Sozialpartner haben das mehrheitliche Vertrauen der Bevölkerung in diesem Lande und waren, wie gesagt, für die Stabilität der letzten Jahre verantwortlich. Daher halte ich es für sehr sinnvoll, daß in diesem Staatsschuldenausschuß die Sozialpartner vertreten sind.

Zum Wertpapieraufsichtsgesetz ist zu bemerken, daß damit endlich ein Schritt gesetzt wird, eine Aufsicht nach internationalem Vorbild einzurichten. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Beitrag, um den Börsenplatz Wien für Emittenten und Investoren aus dem In- und Ausland wieder attraktiv zu machen. Ich gebe Ihnen recht, Herr Kollege Harring: In Österreich haben nur 4 Prozent der Bevölkerung Aktien. In Schweden sind es 47 Prozent, und sogar in den früheren Ostblockländern, in Rußland und Tschechien, hält die Bevölkerung einen höheren Anteil an Aktien als in Österreich.

Ich glaube daher, daß es wichtig ist, die Attraktivität des Börsenplatzes Wien zu verbessern. Es ist wichtig, eine unabhängige Wertpapieraufsicht einzurichten. Allein die Diskussion um den Verhaltenskodex, der in diesem Wertpapieraufsichtsgesetz verankert wird, hat gezeigt, daß sich die Banken heute bereits sehr wohl an diesen Kodex halten. Die Kritik von Ihnen und den Vermögensberatern, daß ein Haftungskapital für Vermögensberater von 650 000 S und für die Verwaltung von Portfolios von 1,7 Millionen verlangt wird, ist sicherlich nicht unberechtigt. Das führt natürlich zu großen Problemen bei unserer klein- und mittelbetrieblichen Struktur. Man muß aber umgekehrt auch den Konsumentenschutz berücksichtigen, dem ein gewisser Vorrang einzuräumen ist. Die Erfahrungen der letzten Jahre – in diesem Zusammenhang darf ich die Arbeiterkammer zitieren – haben uns nicht nur positive Erfolgserlebnisse gebracht. Leider schlägt das Pendel in eine andere Richtung aus.

Kollege Harring! Hinsichtlich der Kritik seitens der Freiheitlichen Partei, daß die Wertpapieraufsicht stärker ist als die Bankenaufsicht, möchte ich Bundesminister Klima und auch Experten zitieren, die sagen, daß eine Gleichwertigkeit der Bankenaufsicht und der Wertpapieraufsicht gegeben ist. Ich glaube, man sollte in der Öffentlichkeit nicht dauernd die Anonymität unserer Sparbücher ins Spiel bringen und mit dieser Angst in der Öffentlichkeit Wähler zu gewinnen versuchen. (Bundesrat Dr. Harring: Wir wollen keine Wähler gewinnen! Wir wollen die Sparer schützen!)

Etwas muß uns klar sein: Eine Verbesserung des Bankgeheimnisses ist wichtiger als die Anonymität der Sparbücher. Das Ziel der Volkspartei und der Regierungsparteien ist langfristig die Verbesserung des Bankgeheimnisses nach Schweizer Muster. Wir müssen sicherlich noch viel daran arbeiten. (Bundesrat Dr. Harring: Aber bald!) Ja, wir müssen auch raschest daran arbeiten. Ich habe selber mit Kollegen Zourek von der EU-Kommission über diese Themen diskutiert. Wir müssen raschest eine Verbesserung des Bankgeheimnisses herbeiführen. Ich glaube, das ist wichtiger als die gesamte Diskussion über die Anonymität der Sparbücher, welche praktisch heute ohnehin nichts mehr bringt. Früher hat es nämlich andere Gründe dafür gegeben, daß anonyme Sparbücher angelegt wurden.

Meine Damen und Herren! Uns liegen heute drei Gesetzesmaterien zu diesem Tagesordnungspunkt vor, die wichtige Fortschritte für die Wirtschaftspolitik des Landes bedeuten. Meine Fraktion wird diesen drei Gesetzen gerne die Zustimmung geben. Ich glaube, es sind dies


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wichtige Meilensteine für die Wirtschaftspolitik unseres Landes. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Erhard Meier. – Bitte.

12.42

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Zum Postsparkassengesetz wurde bereits angeführt, daß die PSK eine privatrechtliche Rechtsform erhalten und nicht mehr wie bisher Anstalt des öffentlichen Rechts sein wird, natürlich unter Fortführung gewisser bisheriger Pflichtaufgaben des Postscheck- und Postsparverkehrs. Auch die Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer sollen bei Betriebsübergang erhalten bleiben.

Laut § 92 Bankwesengesetz erfolgt die Rechtsübertragung als Gesamtrechtsnachfolge. Die Einbringung soll bis 30. 9. 1997 durchgeführt werden. Einbringungsstichtag ist der 1. 1. 1997. Die Post und Telekom-Beteiligungsverwaltungsgesellschaft kann bis zu 49 Prozent des Aktienkapitals abgeben, während 51 Prozent bei dieser Gesellschaft bleiben. Die Aufgaben des bisherigen Verwaltungsrates der Österreichischen Postsparkasse, welche die Verwaltung der Staatsschuld betreffen, werden ganz dem Staatsschuldenausschuß übertragen, siehe Artikel IV. Die Postsparkassen AG fällt als Kreditinstitut voll unter die Bestimmungen des Bankwesengesetzes, und überall dort, wo sie ihre Arbeiten durchführt, wird sie natürlich auch kommunalsteuerpflichtig sein.

Die Bankplatzsteuer, die wir im Ausschuß diskutiert haben, Herr Kollege Harring, gibt es nicht mehr. Diese beinhaltete für sich eine gewisse Ungleichheit der Banken und Sparkassen gegenüber der Postsparkasse.

Natürlich stellt sich jetzt auch die Frage, inwieweit die Postämter Konkurrenten für ortsansässige kleinere Banken sind, auch für jenes Geldinstitut, von dem Sie kommen. Ich glaube aber, dieser Wettbewerb müßte für alle zu bewältigen sein.

Die jetzige Privatisierung der CA ist eigentlich in diesem Zusammenhang nicht Tagesordnungspunkt. Ich möchte aber doch sagen: Es sollte für den Staat der beste Erlös erfolgen. Darüber sind wir uns einig. Man hat auch angestrebt, daß die CA weitestgehend in österreichischen Händen bleibt. "Gigant" gilt in beiden Richtungen für Österreich, beides gilt jedoch nicht im europäischem Raum, obwohl, wie immer das ausgehen wird, doch auch eine stärkere Bank, die etwa die Hälfte der Bayrischen Landesbank betrifft, im europäischen Rahmen entstehen wird.

Zum Wertpapieraufsichtsgesetz möchte ich sagen – und das trifft auch auf viele andere Gesetze in diesem Zusammenhang zu, auf das Bankwesengesetz, das Börsegesetz, das Verwaltungsverfahrengesetz, die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, das Versicherungsaufsichtgesetz und das Investmentfondgesetz –: Es handelt sich um ein Fachgesetz für Experten im Bankwesen und im Wertpapiergeschäft. Der Anlaß zur Erarbeitung dieses Gesetzes gab auch eine Richtlinie der Europäischen Union, wie es noch einige Richtlinien in dieser Richtung gibt, an die wir noch anpassen müssen, bis hin zu Gesetzen betreffend Schadensversicherung, Lebensversicherung und Wertpapierfirmen, aber auch Wertpapierdienstleistungen.

Die Aufgaben der Bundeswertpapieraufsicht sind im § 2 in fünf Punkten angeführt, vor allem auch die Wahrung der Interessen der Anleger, die Beratung von Verwaltungsbehörden oder die Weitergabe von Informationen. Eine Aufgabe besteht vor allem darin, gegen den Mißbrauch von Insiderinformationen aufzutreten und Mißbrauchsfälle zu verfolgen und aufzuklären. Dazu braucht man natürlich auch entsprechende Werkzeuge. Wir sind uns wahrscheinlich darüber einig, daß Insidergeschäfte den österreichischen Kapitalmarkt und natürlich auch die Abwicklungen an der Wiener Börse schädigen. – Das sind die Punkte, weswegen eine Wertpapieraufsicht notwendig ist.


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Im § 2 Abs. 1 Z. 4 sind die notwendigen Ermittlungen und die Einholung von Auskünften angeführt. Ich glaube nicht, daß dadurch das Bankgeheimnis verletzt oder gar aufgehoben wird. Wer Sauberkeit und Kontrolle im Wertpapiersektor haben und Insidermißbräuche aufdecken und beseitigen will, muß sich auch zu dieser Form, wie sie im WAG festgeschrieben ist, bekennen. Tut er dies nicht, so deckt er jene, die sich als Insider Vorteile schaffen oder vorteilhafte Informationen an andere weitergeben, die damit auf Kosten anderer Gewinne erzielen wollen. Wir Sozialdemokraten billigen solche Mißbräuche nicht, und ich glaube, Sie auch nicht. Wir vertreten auch jene nicht, die mit dem Kapital groß jonglieren und sich große Vermögen beschaffen. Der Durchschnittsösterreicher ist davon sowieso nicht betroffen. Wir haben ja gehört, daß nur ein geringer Teil der Österreicher Aktien besitzt.

Man sollte auch die Anonymität nicht mit dem Bankgeheimnis vermischen und Verunsicherung herbeiführen. Ich glaube, die Wertpapieraufsicht hat die gleichen Rechte und Pflichten wie die Bankenaufsicht, und das müßte doch ein Maßstab sein, dem wir zustimmen können.

Es geht auch um die Absicherung der verantwortungsvollen Tätigkeit von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, also der Unternehmen, die mit der Beratung bei der Veranlagung von Kundenvermögen mit teilweise hohem Wert und auch mit der Verwaltung von Kundenportfeuilles befaßt sind. Es ist notwendig, auch in diesem Bereich eine entsprechende Sicherheit zu bieten wie betreffend das Anfangskapital in § 20 und das Eigenkapital in § 22.

Ich glaube, wir müssen die Sicherheit dieser Kunden gewährleisten, zur Stabilität an der Börse beitragen und für eine solide und verantwortungsvolle Beratung und Verwaltung eintreten. Sonst ist dieses Gesetz wirkungslos. In diesem Sinne glaube ich ... (Bundesrat Dr. Harring: Darum waren wir für die Versicherungslösung, aber unsere Vorschläge werden ja nicht diskutiert!) Okay. Dennoch wird die sozialdemokratische Fraktion des Bundesrates den vorliegenden Gesetzen die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Mautner Markhof. – Ich darf ihn bitten.

12.47

Bundesrat Dr. Manfred Mautner Markhof (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Auch ich möchte mich mit dem Bundesgesetz über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft sowie mit dem Wertpapieraufsichtsgesetz und den damit in Zusammenhang stehenden Gesetzesänderungen befassen.

Insbesondere das zweite Gesetz, nämlich das über die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen, möchte ich zum Anlaß nehmen, ein paar Sätze zum Thema Börse im allgemeinen und zur Wiener Börse im speziellen zu sagen.

Wir alle, meine sehr geehrten Damen und Herren, wissen leider nur allzu gut, daß es in etlichen österreichischen Unternehmen – wie auch heute schon angeführt wurde – in puncto Eigenkapital nicht zum allerbesten steht. Das bedeutet einerseits, daß diese Unternehmen in schwierigeren Zeiten viel schneller mit existentiellen Krisen zu kämpfen haben als jene, die über eine gute Eigenkapitalausstattung verfügen. Auf der anderen Seite bedeuten kleine Eigenkapitalreserven jedoch vor allem, daß zukunftsorientierte Investitionen nicht getätigt werden und daß Chancen nicht entsprechend genützt werden können. Man denke etwa an die vielen Möglichkeiten, die österreichische Unternehmen in mittel- und osteuropäischen Reformstaaten nur deshalb nicht ergreifen können, weil ihnen das nötige Geld für Investitionen fehlt.

Des weiteren ist es auch kein Geheimnis, daß der so eminent wichtige Bereich der Forschung und Entwicklung immer größerer Geldsummen bedarf. Auf den Punkt gebracht heißt das: ohne Investitionen keine Zukunft. In diesem Zusammenhang kann nicht oft genug auf die Notwendigkeit und Bedeutung einer funktionierenden Börse hingewiesen werden.

Das heute vorliegende Wertpapieraufsichtsgesetz, das zur Einrichtung einer Wertpapieraufsicht nach internationalem Vorbild dienen soll, ist ein – würde ich sagen – längst fälliger Beitrag zur


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Attraktivitätssteigerung des Börseplatzes Wien. Es wird damit nicht nur der Schutz für die Anleger verbessert, sondern es werden auch die dem Ansehen der Börse so immens schadenden Insidergeschäfte verhindert. Gerade in Österreich, wo zwar eindrucksvolle Zuwächse bei der Vermögensbildung zu verzeichnen sind, aber immer noch traditionelle Veranlagungsformen im Vordergrund stehen, ist es besonders wichtig, die Rahmenbedingungen und die Informationsarbeit hinsichtlich der Börse zu verbessern.

Meine Damen und Herren! Modernes Wertpapiersparen hat in Österreich leider keine große Tradition. Wie schon ausgeführt wurde, sind nur 4 Prozent der österreichischen Bevölkerung Privataktionäre, was im internationalen Vergleich ein verschwindend geringer Anteil ist. Umso wichtiger ist es, diesen Mangel an institutionellen und an privaten Anlegern auf der Nachfrageseite des heimischen Aktienmarktes entgegenzuwirken.

Eine wichtige Maßnahme in diesem Zusammenhang wären beziehungsweise sind beispielsweise der Ausbau der Pensionskassen und der Aufbau privater Pensionsfonds. Auch auf diesem Gebiet besteht in unserem Land im Vergleich zu anderen europäischen Staaten einen deutlichen Nachholbedarf. Die USA will ich in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnen, denn da fiele der Vergleich noch viel drastischer aus.

Abgesehen von der Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen ist es auch notwendig, die Informationstätigkeit in puncto Börsegeschehen, Aktienmärkte et cetera zu verstärken, denn es ist absolut notwendig, der Bevölkerung die volkswirtschaftlich so wichtige Funktion der Börse ins Bewußtsein zu rücken. Es muß auch viel stärker verdeutlicht werden, daß es sich bei der Börse nicht um eine Spielstätte für vielleicht nur ein paar Insider handelt.

Meine Damen und Herren! Das Aktienforum, der Österreichische Verband für Aktienemittenten und -investoren, verwies im Vorjahr auf eine Untersuchung, wonach rund 15 Prozent der Österreicher die Aktienveranlagung als durchaus attraktiv bezeichnen. Stellt man diese Zahl dann dem Prozentsatz der Privataktionäre gegenüber, so zeigt sich, daß zwischen grundsätzlichem Interesse an Aktien und tatsächlichem Anlageverhalten eine ziemlich große Lücke klafft. Diese Lücke zu schließen sollte unser aller Anliegen sein.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang aufgrund der aktuellen Ereignisse auch ein paar Worte zum Euro, von dessen Einführung zum geplanten Zeitpunkt ich überzeugt bin: Der jüngste sogenannte "Schwarze Freitag" auf den Finanzmärkten der Welt, der durch eine Rede des Chefs der US-Notenbank Alan Greenspan ausgelöst worden ist, zeigt einmal mehr, wie wichtig eine gemeinsame Währung für Europa ist, um derartigen Ereignissen etwas entgegensetzen zu können. – In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Kommentar im "Kurier" vom letzten Samstag hinweisen, in dem Reinhard Göweil auf eben diesen Umstand – wie ich meine – sehr gut hinweist.

Zum Abschluß meiner Ausführungen möchte ich auch noch kurz auf die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft eingehen. Die Ausgliederung der nicht hoheitlichen Bereiche aus der Bundesverwaltung entspricht zweifellos den Zeichen der Zeit. Daher erachte auch ich die Schaffung einer Österreichischen Postsparkassen Aktiengesellschaft als einen Schritt in die richtige Richtung, wenn es auch gilt, vieles noch im Detail sehr genau zu überlegen.

Da es sich bei beiden mir vorliegenden Bundesgesetzen um richtungsweisende und notwendige Maßnahmen handelt, erheben meine Parteifreunde und ich keinen Einspruch. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.54

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


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Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft, die Änderung des Postsparkassengesetzes 1969, des Bankwesengesetzes und die Errichtung des Staatsschuldenausschusses sowie die Änderung des Poststrukturgesetzes.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen und über die Änderung des Bankwesengesetzes, des Börsegesetzes 1989, des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, der Konkursordnung, der Ausgleichsordnung, des Versicherungsaufsichtsgesetzes und des Investmentfondsgesetzes.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Bundesrechenzentrum GmbH (BRZ GmbH) (397 und 477/NR sowie 5314/BR der Beilagen)

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung des Bundespensionsamtes (BPA-Gesetz), mit dem auch das Dorotheumsgesetz, das Staatsdruckereigesetz, das Ausschreibungsgesetz, das Parlamentsmitarbeitergesetz, das Bundespflegegeldgesetz und das Pensionsgesetz 1965 geändert werden (398 und 478/NR sowie 5315/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 und 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Bundesrechenzentrum GmbH und

ein Bundesgesetz über die Errichtung des Bundespensionsamtes, mit dem auch das Dorotheumsgesetz, das Staatsdruckereigesetz, das Ausschreibungsgesetz, das Parlamentsmitarbeitergesetz, das Bundespflegegeldgesetz und das Pensionsgesetz 1965 geändert werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 9 und 10 hat Herr Bundesrat Erhard Meier übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Erhard Meier: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Bundesrechenzentrum GmbH (BRZ GmbH).


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Das Bundesrechenzentrum ist gemäß dem ADV-Konzept der Österreichischen Bundesregierung aus dem Jahr 1971 und dem Informatikleitkonzept 1992 das Schwerpunktrechenzentrum der Bundesverwaltung. Neben den vielfältigen Aufgaben in der Finanzverwaltung (zum Beispiel Steuer-, Zoll-, Budgetverwaltung) werden auch verschiedene IT-Dienstleistungen den anderen Ressorts angeboten. Insbesondere erfolgt die Unterstützung aller Ressorts im Bereich von Querschnittsaufgaben (Besoldung, Haushaltsverrechnung, Personalinformationssystem und so weiter). Daneben werden auch noch ressortspezifische Verfahren für einzelne Ressorts (zum Beispiel für das Bundesministerium für Justiz Mahnverfahren, Firmenbuch und so weiter) entwickelt und betrieben.

Die Nachfrage nach Leistungen des Bundesrechenzentrums übersteigt aber den Rahmen der derzeitigen Möglichkeiten, vor allem im Hinblick auf die bestehenden Verwaltungsrestriktionen (Aufnahmestopp, Stellenplan, haushaltsrechtliche Beschränkungen).

Vor diesem Hintergrund ist die Ausgliederung des Bereiches "Datenverarbeitung" aus dem Bundesrechenamt in eine 100prozentige bundeseigene GmbH vorzubereiten und per 1. Jänner 1997 durchzuführen.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe ferner den Bericht des Finanzauschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung des Bundespensionamtes (BPA-Gesetz), mit dem auch das Dorotheumsgesetz, das Staatsdruckereigesetz, das Ausschreibungsgesetz, das Parlamentsmitarbeitergesetz, das Bundespflegegeldgesetz und das Pensionsgesetz 1965 geändert werden.

Für den "Nicht-ADV-Bereich" des Bundesrechenamtes ist ein Bundespensionsamt (BPA) neu zu errichten, dem als nachgeordneter Dienststelle des Bundesministeriums für Finanzen der Vollzug jener Aufgaben zukommt, die bisher vom Bundesrechenamt als Pensionsbehörde erster Instanz und als anweisendes Organ erledigt wurden. Ferner obliegt dem Bundespensionsamt auch der Vollzug der dem Bundesrechenamt gemäß §§ 6 und 7 BHG übertragenen Buchhaltungsagenden und aller sonstigen Mitwirkungspflichten. Hinsichtlich dieser Aufgaben (in dem Umfang, wie sie am 31. Dezember 1996 vom Bundesrechenamt erbracht werden) gilt das Bundespensionsamt als Rechtsnachfolger des Bundesrechenamtes.

Die Errichtung dieses Bundespensionsamtes erfolgt mittels des Bundesgesetzes über das Bundespensionsamt (BPA-Gesetz).

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr DDr. Königshofer. – Bitte.

13.00

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer: (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Österreich ist ein Land mit sehr hoher staatlicher Einflußnahme. Der Regulierungsgrad in Österreich ist nach wie vor erheblich. Eine vor kurzem veröffentlichte US-Studie besagt, daß Österreich sehr stark unter der Last seiner Bürokratie leidet. Hier möchte ich ein Zitat aus "Economic freedom index" bringen, wo es heißt – ich zitiere –:

Eine lähmende Bürokratie schwächt den Standort. Am schlechtesten hat Österreich im Untersuchungsbereich "staatlicher Einfluß und Regulierung" abgeschnitten. – Ende des Zitats.


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619. Sitzung / Seite 66

Auch der Generalsekretär des Österreichischen Wirtschaftsbundes Mitterlehner kritisiert den hohen Regulierungsgrad in Österreich, und der ÖVP-Wirtschaftsbund startet eine Aktion "Stop der Gesetzesflut", in der ein Abbau von bürokratischen Hürden gefordert wird.

Mit dem vorliegenden Bundesgesetz über die Bundesrechenzentrum GmbH wird – wie so oft in dieser Frage, siehe auch das PSK-Gesetz – ein halbherziger Schritt gesetzt, der letztlich in die –unserer Meinung nach – falsche Richtung führen wird. Statt mit privatrechtlichen Gesellschaftskonstruktionen eine Flucht aus dem Budget zu betreiben, sollte die Regierung endlich den Mut zu echten Privatisierungs- und Deregulierungsmaßnahmen aufbringen. Die vorliegende Konstruktion, eine GesmbH im 100prozentigen Eigentum des Bundes, führt lediglich zur Minderung parlamentarischer Kontrollrechte auf der einen Seite und zu betriebswirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten durch Einflußnahme der Regierung auf der anderen Seite.

Dabei geht es um die zukünftige Geschäftstätigkeit dieses Unternehmens, um Auftragsübernahmen, zum Teil auch aus dem Ausland, wie schon angekündigt wurde, zum Beispiel aus Kroatien, um künftige Umsätze und Gewinne, die für eine Gesellschaft der Informationstechnologie nicht unerheblich sein dürften. Allein der Bund gibt für Informations- und Kommunikationstechnik im heurigen Jahr über 5 Milliarden Schilling aus; im Jahr 1988 lag dieser Betrag noch bei rund 3 Milliarden Schilling. Allein daran sieht man das ungeheure Geschäftspotential in diesem Bereich.

Daraus resultiert natürlich die entscheidende Frage: Wer bestimmt in Zukunft in der BRZ GmbH über die Verteilung der erzielten Wertschöpfung? Wer entscheidet über die Verteilung dieser Wertschöpfung? Wer entscheidet über Investitionen oder Rücklagen? Wer entscheidet über Mitarbeiterbonifikationen, seien dies Sonderzahlungen, Erfolgsprämien oder Rückstellungen für Betriebspensionen? Wer entscheidet über Gewinnausschüttungen an den Eigentümer, den Bund?

Hier tut sich offensichtlich eine breite Spielwiese auf, die unserer Befürchtung nach für roten und schwarzen Proporz genutzt werden soll. Ähnlich wie bei der Oesterreichischen Nationalbank soll auch hier ein profitables Unternehmen zu einem Privilegienstadel umfunktioniert werden. Die Zeche dafür zahlt aber wieder der Staatsbürger, mit dessen Steuergeldern die Honorarnoten dieses Bundesrechenzentrums letztendlich für den Staat beglichen werden müssen.

Deshalb, meine Damen und Herren, lehnen wir das vorliegende Gesetz ab und fordern auch für diesen Bereich eine echte Deregulierung in Form einer Veräußerung des Rechenzentrums an einen potenten Anbieter von EDV-Dienstleistungen. Damit könnten Sie einerseits Erlöse erzielen, die für eine nachhaltige Budgetsanierung herangezogen werden können, andererseits könnten Sie in Zukunft die benötigten EDV-Dienstleistungen zu marktkonformen Preisen einkaufen, was ebenfalls eine Budgetentlastung darstellen würde.

Ein eventuelles Gegenargument, daß nämlich das Bundesrechenzentrum vertrauliche Verwaltungs-, Steuer- und andere Daten bearbeitet, die aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht in private Hände gegeben werden dürfen, ist leicht zu entkräften. Ich bin überzeugt davon, daß vertrauliche Daten in privaten Händen und privaten Gesellschaften besser aufgehoben sind als bei der öffentlichen Hand. Dies beweisen Banken, Versicherungen, Steuerberatungskanzleien, Notare, Rechtsanwälte, Privatkliniken und bereits bestehende private Datenverarbeiter heute schon Tag für Tag, während vertrauliche Rohberichte des Rechnungshofes bereits bei diversen Medien liegen und ausgewalzt werden, noch bevor sie der Präsident überhaupt zu Gesicht bekommen hat.

Meine Damen und Herren! Wenn auch der vorliegende Gesetzesbeschluß durch Zustimmung der Mehrheit in diesem Hause Rechtswirklichkeit erlangt, so ist der Zug in die Richtung echter Privatisierung noch lange nicht abgefahren. Der Verkauf des Bundesrechenzentrums oder dieser neu zu schaffenden GmbH wird auch in Zukunft noch möglich sein – mit all den positiven Auswirkungen, wie ich sie vorhin beschrieben habe.

Deshalb sagen wir Freiheitlichen heute nein und setzen auf einen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Gesinnungswandel in der Zukunft. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.06


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
619. Sitzung / Seite 67

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Weiss. – Bitte.

13.06

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzesbeschluß macht, so wie andere vorangegangene ähnlichen Inhaltes auch, deutlich, daß es natürlich kein Patentrezept gibt, weder in Österreich noch im Ausland, wie man Ausgliederungen dieser Art sozusagen nach einem einheitlichen Strickmuster vornehmen könnte. Es ist, glaube ich, auch richtig, daß man jeweils im Einzelfall das maßgeschneidert Richtige tut. Ich halte es im Gegensatz zu meinem Vorredner für durchaus richtig, diesen Schritt in der im Gesetzesbeschluß beschriebenen Art und Weise zu tun.

Es ist nicht der letzte Schritt. Die Entwicklung auf diesem Gebiet wird durch das Gesetz selbst bewußt offengelassen. Ich halte das auch für richtig. Ich halte es aber auch für wichtig, daß man diesen ersten Schritt hinein in marktähnliche Bedingungen innerhalb des öffentlichen Dienstleistungsangebotes – um nicht Verwaltung zu sagen – auf diese Art und Weise vollzieht.

Wir gewinnen damit auch die nötigen Kenntnisse, die nötigen Erfahrungen, die dann für die Bewertung allfälliger weiterer Schritte, weiterer Öffnung notwendig sind. Ich wäre aber dagegen, daß wir mit dem heutigen Kenntnisstand einfach sagen: Hinaus mit dem Bundesrechenamt in die privatwirtschaftliche Betätigung, in private Eigentümerschaft! Dafür fehlen mir allein schon die wirtschaftlichen Voraussetzungen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich anerkennen – weil das nicht selbstverständlich ist und man nicht bei jedem Gesetzesbeschluß die Möglichkeit hat, das tun zu können –, daß sich die Regierungsvorlage in einer sehr gründlichen Weise mit dieser Abwägung der Vor- und Nachteile auseinandersetzt, die über die bloße Darstellung finanzieller Folgewirkungen, finanzieller Risiken und Vorteile hinausgeht, sondern die – das ist das bemerkenswerte – auch ganz offen aufzeigt, welche Probleme mit der Regierungsvorlage der Natur der Sache nach nicht gelöst werden können, etwa die Vielfalt, die sich aus unterschiedlichen Beschaffungsgenerationen der Hardware und der Software ergibt, die schwer zu koordinieren ist, die auch mit der Ressorthoheit im Beschaffungswesen zu tun hat – etwas, das man in diesem Zusammenhang auch einmal überdenken sollte.

Wir haben in Österreich im Gegensatz zu vergleichbaren Ländern keine Einrichtung, die die Möglichkeit hat, wirkungsvoll mit Vorgaben für das Beschaffungswesen zu arbeiten. Das Finanzministerium kann es indirekt im Wege des Budgets und der Steuerung der Mittelverwendung, aber letztlich ist dieser unbefriedigende Zustand wohl auch darauf zurückzuführen, daß die einzelnen Ressorts in der Vergangenheit reichlich unkoordiniert vorgegangen sind.

Es ist der Regierungsvorlage beziehungsweise den Erläuterungen zu entnehmen, welchen Nachholbedarf wir in der öffentlichen Verwaltung noch haben, um wirklich alle bildschirmtauglichen Arbeitsplätze tatsächlich mit diesen Hilfsmitteln auszustatten. Da muß man sich natürlich auch der Verantwortung bewußt sein, entsprechend zu investieren. Das ist etwas, das in der Öffentlichkeit als Investition in Bürokratie und Verwaltung schwer erklärbar ist, aber wir wissen alle aus den vielen Anwendungsfällen der Informationstechnik in der öffentlichen Verwaltung, daß sich das bezahlt macht und den Servicecharakter der Verwaltung wesentlich verbessern kann.

Weil der Herr Bundesminister für Justiz heute hier ist, sei nur daran erinnert, was etwa in seinem Haus mit dem elektronischen Grundbuch in einer international beispielhaften Art und Weise geleistet wurde. Oder wenn sich jeder Steuerpflichtige vor Augen hält, wieviel verständlicher etwa die Abwicklung des Jahresausgleiches gegenüber früher ist, wieviel transparenter, um wieviel rascher das geht, dann zeigt das ganz deutlich, daß der Einsatz der Informationstechnik auch für den Bürger, nicht nur für den Beamten selbst, ganz erhebliche Vorteile bringt.


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 68

Ich denke daher, daß wir diesem Gesetzesbeschluß zustimmen sollten, weil er die in der konkreten Situation richtige Entscheidung trifft, und daher stimmen wir dem Antrag, gegen den Gesetzesbeschluß keinen Einspruch zu erheben, zu. (Beifall bei der ÖVP.)

13.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gstöttner. – Bitte.

13.11

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Mit der Ausgliederung des Bundesrechenzentrums wird die strukturelle Vorbereitung der Verwaltung auf neue Herausforderungen und Aufgaben in der Informationsgesellschaft vorangetrieben. Jene Arbeitsbereiche, die eine ausschließlich privatwirtschaftliche Funktion haben, werden aus der staatlichen Hoheitsverwaltung herausgelöst und auf privatwirtschaftlicher Basis in einer bundeseigenen GmbH organisiert. Die IT-Leistungen des Bundesrechenzentrums, dieser GmbH für die Verwaltung, werden in einem Auftraggeber-Dienstleister-Verhältnis abgewickelt, was der verursachergerechten Kostenwahrheit und Transparenz dient.

Die BRZ GmbH wird in der Lage sein, in Bereichen wie Verwaltungsnetzwerk, Telephonie, Elektronik und so weiter Infrastrukurimpulse für die Bundesverwaltung und darüber hinaus für die gesamte öffentliche Verwaltung zu setzen. Das neue Unternehmen wird mit über 400 Beschäftigten und einem Umsatz von fast 900 Millionen Schilling als Leistungs- und Kompetenzzentrum eine strategische Funktion in der Informationstechnik der Bundesverwaltung haben.

Grundsätzlich geht es der Regierung hier um die Neuorientierung der Bundesverwaltung in der künftigen Informationsgesellschaft, in der die proaktive Rolle des Staates nicht nur in Konzepten und Programmen entworfen, sondern in der realen Informationsarbeit umsetzbar und sichtbar gemacht werden soll: neue Chancen für Ämter und Behörden, ihre Tätigkeiten und Leistungen in verstärktem Maße effizient, serviceorientiert und mittelfristig auch kostengünstig einbringen zu können; Standardlösungen für Budgetverwaltung, Zahlungsverkehr, Personalverrechnung, mit österreichweiter Netzwerkinfrastruktur, mit einem Rechenzentrum für höchste Sicherheitsansprüche, mit Softwareentwicklung nach internationalen Standards; neue Servieceleistungen durch weitestgehende dezentrale Nutzung zentraler Datenbestände, Verwaltungsdaten auf Knopfdruck direkt am Schalter in den Ämtern und durch den Bürger selbst; der Staat als Partner der Wirtschaft bei der Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit mit neuen Technologien durch direkten Zugriff zu Datenbanken, zum Beispiel Grundstücksdatenbank, Firmenbuch, zentrales Gewerberegister, die nicht nur den anderen Ministerien sowie Ländern und Gemeinden, sondern auch Kammern, Sozialversicherung und der österreichischen Wirtschaft zur Verfügung stehen; durch Einbeziehung der Wirtschaft in staatliche Leistungsprozesse, durch Partnerschaft in Kooperationsprojekten und so weiter.

An Beschäftigungseffekt ergibt die Ausgliederung neben der neutralen Umschichtung von 400 öffentlich Bediensteten zu 400 Privatangestellten eine anfangs zwar geringe Personalaufstockung im High-Tech-Bereich der neuen Geschäftsfelder der GmbH, vor allem in der Telekommunikation, beim Ausbau des CNF zum CNA.

Der gesamte für 1997 geplante Budgeteffekt von minus 36 Millionen setzt sich aus drei Teilen zusammen: 11 Millionen Entlastungen des Budgets außerhalb des Bundes, höhere Dienstgeberabgaben, Umsatzsteuerzahllast; 15 Millionen Betriebsergebnis inklusive KöSt der BRZ GmbH; 10 Millionen weniger bei direkten Aufgaben, das heißt im direkt vergleichbaren Bereich.

Die Kostentransparenz in der Produktion und Konsumption der IT-Leistungen wird durch die Ausgliederung wesentlich verbessert, da die GmbH Preise pro Einzelleistung auf der Basis des Vollkosten inklusive Risikovorsorge kalkulieren muß. Im Gegensatz zum Bundeshaushalt werden in der GmbH die Kosten für die Sachanlagen nutzungskonform über Abschreibungen berücksichtigt, ebenso wie Rückstellungen für Abfertigungsansprüche und Jubiläumsgelder, die in einer fiktiven Bundesbilanz auch aufscheinen würden.


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 69

Durch eine Konzentration der teuren IT-Ressourcen – Großrechenzentrum, Spezialisten-Know-how und Sicherheitseinrichtungen – können Synergieeffekte und Kostenvorteile realisiert werden. Neben den Sicherheitsbereichen Polizei und Militär soll es daher auf mittlere Sicht genau ein Großrechenzentrum für Massendatenverarbeitung der allgemeinen Verwaltung geben, das auf privatwirtschaftlicher Basis geführt wird. Dadurch können die dezentral benutzten IT-Einheiten ihre Kapazität darauf konzentrieren und entsprechende Lösungen bereitstellen.

Dieser Weg, das Schwerpunktrechenzentrum der Bundesverwaltung beim Finanzministerium in eine privatwirtschaftliche Unternehmensform überzuführen, wurde vor Österreich schon von vergleichbaren EU-Staaten wie Dänemark, Finnland und Schweden sowie in deutschen Bundesländern beschritten.

Die sozialdemokratischen Bundesräte werden gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Ich sehe, auch von der Berichterstattung wird das Wort nicht mehr gewünscht.

Wir kommen daher zur Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse, die getrennt durchgeführt wird.

Zuerst stimmen wir ab über den Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Bundesrechenzentrum GmbH.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 27. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung des Bundespensionsamtes, mit dem auch das Dorotheumsgesetz, das Staatsdruckereigesetz, das Ausschreibungsgesetz, das Parlamentsmitarbeitergesetz, das Bundespflegegeldgesetz und das Pensionsgesetz 1965 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden (370 und 464/NR sowie 5316/BR der Beilagen)

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Bundesgesetz, mit dem Begleitmaßnahmen zum Umsatzsteuergesetz 1994 vorgesehen werden, geändert werden (396 und 475/NR sowie 5317/BR der Beilagen)


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 70

13. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Beihilfen im Gesundheits- und Sozialbereich geregelt (Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz) und das Finanzausgleichsgesetz 1997 und das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert werden (395 und 476/NR sowie 5318/BR der Beilagen)

14. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz gändert wird (368 und 479/NR sowie 5319/BR der Beilagen)

15. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Punzierungsgesetz geändert wird (406 und 480/NR sowie 5320/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 bis 15 der Tagesordnung, über die die Debatte wieder unter einem abgeführt wird.

Es sind dies

ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden,

ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Bundesgesetz mit dem Begleitmaßnahmen zum Umsatzsteuergesetz 1994 vorgesehen werden, geändert werden,

ein Bundesgesetz, mit dem Beihilfen im Gesundheits- und Sozialbereich geregelt und das Finanzausgleichsgesetz 1997 und das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert werden,

ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Punzierungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 11 bis 15 hat Herr Bundesrat Rauchenberger übernommen. – Bitte.

Berichterstatter Josef Rauchenberger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich berichte zu den von der Frau Präsidentin verlesenen Gesetzen.

Zu Punkt 11:

Mit der ersten großen Novellierung des Pensionskassengesetzes sollen die Erfahrungen aus der nunmehr sechsjährigen Praxis umgesetzt werden und das gesamte Pensionskassenrecht – gleichzeitig soll auch das Betriebspensionsgesetz novelliert werden – an die tatsächlichen Erfordernisse angepaßt werden.

Weiters wird die Gelegenheit genützt, die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen des Pensionskassengesetzes an das BWG und das VAG anzupassen und bei den Veranlagungsbestimmungen Anpassungen an das diesbezüglich ähnlich orientierte Investmentfondsgesetz 1993 vorzunehmen. Im Zuge dieser Novellierung werden auch Erfahrungen in der Vollziehung des Pensionskassengesetzes legistisch verwertet. Flankierende abgabenrechtliche Änderungen befinden sich im Artikel II.

EU-Kompatibilität ist gegeben; die Pensionskassenregelungen sind kein harmonisierter Bereich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


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619. Sitzung / Seite 71

Punkt 12 der Tagesordnung:

Nach Artikel 2 der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG und zur Einführung weiterer Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer – Geltungsbereich bestimmter Steuerbefreiungen und praktische Einzelheiten ihrer Durchführung (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 102/18) – hat Österreich die zwingenden Bestimmungen dieser 2. Vereinfachungs-Richtlinie mit 1. Jänner 1996 umzusetzen.

Die Bestimmungen der 2. Vereinfachungs-Richtlinie werden nach dem Gesetzentwurf mit 1. Jänner 1997 in Kraft gesetzt. Damit hat der Unternehmer die Möglichkeit, entweder die Bestimmungen der 2. Vereinfachungs-Richtlinie aufgrund der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie bereits ab 1. Jänner 1996 anzuwenden oder seine Umsätze entsprechend der bisherigen gesetzlichen Regelung zu versteuern.


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 72

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Punkt 13:

Als Auswirkung des EU-Beitritts gilt für die Sozialversicherung, die Krankenfürsorgeeinrichtungen, die Träger des öffentlichen Fürsorgewesens, aber auch für Krankenanstalten mit öffentlich-rechtlichem oder mit gemeinnützigem Träger, den Krankentransport und für Ärzte sowie andere Gesundheitsberufe ab Jahresanfang 1997 eine unechte Umsatzsteuerbefreiung. Die unechte Umsatzsteuerbefreiung liegt dann vor, wenn jemand keine Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen braucht, jedoch auch nicht berechtigt ist, die Vorsteuer abzuziehen. Da eine Vielzahl von Vorleistungen, aber auch die Investitionen, mit Vorsteuern belegt sind, entstehen für die genannten Bereiche Mehrbelastungen in Höhe der künftig nicht mehr abziehbaren Vorsteuern.

Während der EU-Beitrittsverhandlungen wurde von der Bundesregierung festgehalten, daß allfällige Mehraufwendungen aufgrund der Systemumstellung aus dem Umsatzsteuer-Mehraufkommen ausgeglichen werden. Über Höhe und Form dieses Ausgleichs wurde nunmehr in Form des vorliegenden Beihilfenmodells Einvernehmen in einer gemeinschaftsrechtlich unbedenklichen Weise erzielt.

Die Regelungen sind von dem Grundsatz bestimmt, daß die administrativen und verwaltungsmäßigen Vorteile der unechten Befreiung weitestgehend zu nutzen und daher Pauschallösungen anzustreben sind. Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Punkt 14 der Tagesordnung:

Derzeit gibt es verschiedene illegale Versuche, auf den österreichischen Glücksspielmarkt vorzustoßen. Durch die vorliegende Novelle sollen die Interessen des Bundes aus dem Glücksspielmonopol, insbesondere dessen ordnungspolitische Zielsetzungen, geschützt werden und der illegale Zugang zum österreichischen Glücksspielmarkt den neuen, vor allem technologischen Entwicklungen Rechnung tragend, verhindert werden.

Die fortschreitende globale Vernetzung, die in immer stärkerem Maße auch die privaten Haushalte miteinbezieht, die lokale Vernetzung über Kabel-TV-Organisationen, die Digitalisierung traditioneller Medien wie etwa des Fernsehens, schaffen für Anbieter auf dem Glücksspielmarkt unter Außerachtlassung der bestehenden gesetzlichen Regelungen neue Möglichkeiten. Mit vergleichsweise geringem Aufwand läßt sich unter Verwendung der vorhandenen Netzwerke mit einem Schlag ein großer Konsumentenkreis ansprechen.

Aufgrund dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar bevorstehenden Einführung neuer Glücksspielangebote unter Nutzung der neuen technologischen Möglichkeiten ist es notwendig, umgehend die gesetzlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, daß Steuererträge in das Ausland abgezweigt werden und der Spielerschutz nicht mehr gewährleistet ist.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich Punkt 15 betreffend das Punzierungsgesetz:

Mit vorliegendem Gesetzesbeschluß soll eine Anpassung des Punzierungsgesetzes an die EU-Rechtslage vorgenommen werden. Daneben wurde die Gelegenheit genützt, einigen anderen Anpassungserfordernissen Rechnung zu tragen.

Artikel 30 des EG-Vertrag bestimmt, daß mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten sind. Ausnahmen sind nur zulässig, sofern sie zum Schutz zwingender, im Allgemeininteresse liegender Erfordernisse (insbesondere der Erfordernisse einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes) notwendig sind. Andernfalls muß ein in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltes und in den Verkehr gebrachtes Produkt Zugang zu den Märkten der anderen Mitgliedstaaten haben. Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Rockenschaub. – Bitte.

13.26

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Pensionskassen sind sehr positive Einrichtungen und eine relativ neue und junge wesentliche Säule unseres Pensionssystems, und wir werden diese Institutionen in Zukunft mehr denn je benötigen. Eigentlich sollte die öffentliche Hand die Pensionskassen nach besten Kräften fördern.

Leider geht man in der gegenständlichen Vorlage mit dieser Institution nicht besonders gut um. Ich nenne als Stichworte: hoher Verwaltungsaufwand, Rechtsunsicherheit, Überregulierung. – Diese Stichworte kommen in den Stellungnahmen der Industriellenvereinigung, der Wirtschaftskammer, der Börsekammer und der Wirtschaftstreuhänder mehrfach vor, also sicherlich nicht nur seiten der Opposition.

Wenn ich daran denke, daß gerade der Wirtschaftsbund gegenwärtig wieder viel Geld in eine Inseratenkampagne hineinsteckt, um gegen die ach so grausliche Gesetzesflut zu protestieren – eine Gesetzesflut, die er ja selbst über viele Jahre mit verursacht hat (Zwischenrufe bei der ÖVP) –, dann wundert es mich, daß trotz des hier von Experten behaupteten Bürokratiedschungels auch die Wirtschaftsbundabgeordneten wieder zustimmen und für fröhlichen Zuwachs in der Bürokratie auf allen Seiten sorgen.

Wir können mit dieser Vorgangsweise nicht einverstanden sein und werden daher diesen Punkt ablehnen.

Auch der ÖVP-Abgeordnete Großruck – damit komme ich zu einem steuerrechtlichen Punkt der Pensionskassen – hat im Nationalrat gemeint, daß es viel besser wäre, endlich eine klare einkommensteuerliche Regelung hinsichtlich Einzahlungen und Auszahlungen durchzubringen, das heißt, die Einzahlungen in Pensionskassen sind entsprechend steuerlich absetzbar, und spätere Auszahlungen sind eben in voller Höhe der Einkommensteuer zu unterziehen. Auch in diese Richtung vermissen wir den entsprechenden Reformschub, und da wird insgesamt gesehen leider wieder einmal eine Chance versäumt.

Im Zusammenhang mit dem Einkommensteuergesetz ist uns auch ein Inserat des oberösterreichischen Landesvorsitzenden der Sozialdemokraten Fritz Hochmair in der "Kronen-Zeitung"


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 73

im Oktober aufgefallen. Es ist nicht allzu lange, sondern kurz und prägnant, wie sich Hochmair oft ausdrückt. Unter der Überschrift "Sparpaket korrigieren" sagt Hochmair:

"Soziale Gerechtigkeit und Ausgewogenheit müssen vorrangige Ziele unserer Politik sein. Pensionisten, Familien, Klein- und Mittelverdiener dürfen nicht weiter belastet werden." – Weiters meint er, daß die Nullohnrunde für Pensionisten im Jahr 1997 abzulehnen ist, daß die Pensionisten ohnedies bereits sehr viel zum Sparpaket beigetragen haben und daß künftig mehr Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden muß. Weiters heißt es:

"Im Hinblick auf die von Hochmair geforderte soziale Politik ist für ihn auch eine Kürzung der Familienbeihilfe nicht vorstellbar. Wichtigst ist für Hochmair die Arbeitsplatzsicherung." – Dann werden einige unliebsame Zustände auf dem Arbeitsmarkt kritisiert.

Dieses Inserat hat uns sehr gut gefallen, und wir wollten den Oberösterreichischen Landtag mobilisieren, weil wir uns mit den Inhalten dieses Inserates völlig identifizieren können. Auch in der Oberösterreichischen Landesregierung sind wir diesbezüglich vorstellig geworden. Im Oberösterreichischen Landtag und in der Landesregierung wurde jedoch von Rot und Schwarz mitgeteilt, dies sei eine Bundesangelegenheit, und wir mögen uns auf Bundesebene in zuständigen Gremien dieser Sache annehmen, was ich hiermit gerne tue und daher namens der unterzeichneten Kollegen einen Entschließungsantrag folgenden Inhalts einbringe:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Rockenschaub und Kollegen

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, Gesetzesänderungsvorschläge vorzulegen, die geeignet sind, die in der folgenden Stellungnahme des oberösterreichischen Landeshauptmann-Stellvertreters Hochmair angeführten sozialen Härten des ,Sparpakets’ zu korrigieren."

*****

Es ist dann auf dem Antrag das Inserat ohne inhaltliche Veränderungen abgedruckt, damit es keine Mißverständnisse geben kann. Wir haben also nichts hinzugefügt und nichts weggelassen. Es geht uns schlicht und einfach darum, festzustellen, ob der sozialdemokratische Landesvorsitzende in der eigenen Partei einen Stellenwert hat oder nicht. Ich möchte dennoch für diesen Antrag selbstverständlich auch bei der ÖVP werben, weil man auch von dort kritische Stimmen in Richtung Sparpaket hört. (Präsident Pfeifer übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Den Tagesordnungspunkten 12, 13 und 14 stimmen wir zu, und ich möchte den Ausschußberichten auch nichts weiter hinzufügen.

Zum letzten Tagesordnungspunkt in diesem Paket, nämlich dem Punzierungsgesetz, ist zu sagen, daß endlich seitens der Mehrheit und des Finanzministeriums die Abschaffung des Punzierungsamtes und die Streichung dieses Gesetzes überlegt werden sollte. (Bundesrat Dr. Kaufmann: Das sind Wirtschaftsbundforderungen! Das wollte ich Ihnen nur sagen!) – Hervorragend! Das ist wunderbar. Ich selbst habe vor zirka zwei Jahren das hier auch vertreten. Es ist gut, daß Sie mich daran erinnern. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. ) Genau.

Herr Kollege Kaufmann! Wir werden folgendes machen, das schaffen wir noch bis zum Ende dieser Debatte: Wir bereiten jetzt noch einen Entschließungsantrag vor, in dem wir die Abschaffung des Punzierungsamtes ankündigen. Sie haben mir jetzt gerade Ihre Unterstützung mitgeteilt. Das wird eine spannende Sache. Da könnte wirklich ein Reformschub durch den Bundesrat ausgelöst werden. (Bundesrat Eisl: Sie fordern es nur! Wollen tun Sie es halt nicht!)

Ich habe, glaube ich, Kollegen Kaufmann richtig verstanden, oder? Er hat mir zugestimmt. Das werden wir noch schaffen, weil es beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland dieses


Bundesrat
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619. Sitzung / Seite 74

Punzierungsgesetz überhaupt nicht gibt, und auch dort funktioniert der Schmuckmarkt zur Zufriedenheit der Konsumenten, und es gibt dort nicht mehr oder weniger Skandale als in Österreich. Gevieften Kriminellen und vorsätzlichen Fälschungen ist ja oft kein Gesetz, in welcher Form auch immer, gewachsen. Das wäre wirklich eine bürokratische Entlastung, diese Qualitätsdefinitionen und Qualitätsfeststellungen von Edelmetallen profunden Kennern aus der Branche zu überlassen. Ich habe es vor zwei Jahren schon gesagt, der Wirtschaftsbund sagt es jetzt. Kollege Kaufmann wird dann unseren Entschließungsantrag mitunterstützen. Da kann der Bundesrat also einmal einen echten Beitrag in Richtung Bürokratieabbau leisten. – Danke sehr, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.33

Präsident Josef Pfeifer: Meine Damen und Herren! Der von den Bundesräten Dr. Michael Rockenschaub und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Beseitigung der sozialen Härten des ,Sparpakets’ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Die nächste Wortmeldung erteile ich Herrn Bundesrat Anton Hüttmayr. Ich bitte ihn, zu sprechen.

13.33

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Die Punkte 11 bis 15 sind grundsätzlich sehr umfangreich, und ich werde mich zwei Materien widmen: einer aus der Jugendperspektive und einer aus der Perspektive des Älter-Werdens, der Pensionsthematik.

Ich glaube, wichtig ist bei all unseren Beratungen, daß wir Brücken schlagen, Brücken von dem, was Faktum ist, zu dem, in welche Richtung es gehen soll. (Bundesrat Eisl: Es wird nur die Brücke geschlagen, aber es geht niemand drüber!) – Über die Brücke gehen Mutige, Herr Kollege Eisl, und jene, die die Chancen der Zeit erkennen, sind mutig und werden drübergehen. Wenn es bei den Freiheitlichen wenig Mutige gibt, dann ist das ihr Problem. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Ich bedanke mich, daß Sie meinen Ausführungen solch große Aufmerksamkeit schenken, und ich erwarte, daß Sie das in den nächsten Minuten auch weiterhin in dieser Intensität tun.

Die erste Novellierung des Pensionskassensystems findet nach der sechsjährigen Praxis statt. Man hat verschiedene Erfahrungen gemacht, und im Vorblatt ist nachzulesen, wohin die Zielrichtungen gehen. Daß man natürlich in der einen oder anderen Sache eine Facette anders diskutieren hätte können, steht sicherlich außer Streit. Aber grundsätzlich ist das Thema eines, das wir in der politischen Betrachtung nicht außer acht lassen dürfen.

Die Altersversorgung ist ein Thema. Wenn wir uns die Zahl der Pensionisten anschauen, wenn wir uns anschauen, wie unsere Pensionssysteme zurzeit funktionieren, wenn wir uns den Generationenvertrag vergegenwärtigen, dann stehen wir auch der Problematik gegenüber – ihr dürfen wir uns nicht verschließen –, daß es sich mathematisch nicht ausgehen kann, wenn wir den Generationenvertrag lediglich eins zu eins fortschreiben. – Herr Kollege Eisl! Sie sollten, wenn Sie wirklich über die Brücke gehen wollen, diesen Dingen Beachtung schenken.

Die Zahlen – da ist Spaß nicht angebracht – der Vertreter der verschiedenen Generationen müssen wir uns sehr nüchtern anschauen. Ich will das in aller Kürze tun. Wir wissen, daß beim Älter-Werden Gott sei Dank aufgrund unserer Gesundheitsmaßnahmen, durch die uns als Einzelmenschen bewußter wird, daß wir mit unserer Gesundheit haushalten sollen, dank der Medizin und anderer Faktoren, Besserungen erreicht werden. Wir sollten aber auch bedenken, daß wir im Vergleich mit anderen Ländern, was Frühpensionen anlangt, im oberen Bereich sind – oder auch im unteren Bereich, je nachdem, von welcher Seite wir es betrachten. Faktum ist, daß bei uns von den 60- bis 64jährigen erwerbstätig 9 Prozent sind, während der Durchschnitt europaweit 23 Prozent beträgt. Deutschland liegt in etwa im Durchschnitt, und in Portugal sind es 40 Prozent.


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In einer heutigen Wochenzeitung hat sich Leopold Rosenmeier diesem Thema unter dem Titel "Generationenvertrag" gewidmet und hat vom Generationenkonflikt gesprochen. Was heißt das? – Da heißt es: Generationenkonflikte tun sich auf. – Ich sehe einen Konflikt immer als eine Chance, nur muß man sich dieser Thematik widmen. Die Bevölkerungsentwicklung wird sich in dem Trend, wie ich ihn vorhin beschrieben habe, drastisch fortsetzen, und es ist Handlungsbedarf gegeben. Wenn wir an die Situation in 30 Jahren denken, dann werden wir feststellen müssen, daß wir – ich sage durchaus Gott sei Dank – um die Hälfte mehr Ältere haben werden, als Kinder geboren werden. Die Schneide wird bereits in zehn bis zwölf Jahren erreicht sein. Wir müssen dieser Thematik Bedeutung beimessen und sollten das offen diskutieren. Dem ist nicht mehr viel hinzuzufügen.

Ich fordere von dieser Stelle aus, daß wir jene zur Verantwortung rufen, die glauben, dieser Bereich solle an ihnen vorübergehen, die nur ihre Karriere im Auge behalten und nichts dazu beitragen, daß man der Altersvorsorge Rechnung trägt. Ich will es positiv formulieren: Ich will der Forderung nach Familienförderung und der Verbesserung dieser Familienförderung, die Gott sei Dank alle Parteien, aber insbesondere meine, immer wieder stellen, das Wort reden.

Ich glaube, es ist Zeit, daß wir die Ungerechtigkeiten, die die Gesellschaft in sich birgt, aufzeigen. Ich war am Freitag beim Sprechtag, und da ist ganz massiv ein altes Anliegen vorgebracht worden. Das geht ein wenig von der Pensionsthematik weg; aber ich denke, es ist sehr signifikant. Ein Teil einer Berufsgruppe fühlt sich nicht richtig behandelt, dieser Teil beschwert sich mit Recht, daß er Beiträge bezahlt, aber keinen Anspruch hat. Sie werden schon erraten, was ich meine – ich spreche damit die Nebenerwerbsproblematik an. Man hat mir Zahlen genannt, die nicht unbekannt und für mich auch nicht neu sind, aber sie haben mich erneut betroffen gemacht, und darum erwähne ich sie.

Die Leute, die im Nebenerwerb tätig sind – das ist ja nicht freiwillig –, bezahlen einen Arbeitslosenbeitrag ein, wenn ihre Einheitswerte bis 54 000 S festgelegt sind. Sind sie dann einmal – Gott behüte sie davor – arbeitslos, dann haben sie keinen Anspruch auf Leistungen aus dem System. Ich will dieses Beispiel nur bringen, um davor zu warnen, daß wir uns bei der Pensionsthematik einer Gruppe bedienen, die finanziell schlecht gestellt ist.

Zurück zur Thematik. Ich glaube, der Weg des Mehrsäulensystems, der bei uns eingeschlagen wurde, so wie man eine Brücke auf mehrere Säulen stellt, ist richtig. Dazu haben wir uns auch bekannt, und wir von unserer Fraktion werden dem Pensionskassensystem gerne zustimmen.

Die zweite Materie, der ich mich widmen will, weil sie mich auch betrifft, ist das Glücksspielgesetz. Wir leben in einer Zeit, die von Hektik, von Schnellebigkeit, von Wertewandel begleitet ist und in der die modernen zeitgeistigen Formen sehr schnell Platz greifen. Natürlich suchen gerade junge Leute nach Halt, nach Orientierung, nach Verständnis. Diese Suche kann durchaus zur Sucht werden. Diese Sucht droht auch im Glücksspiel, und man ist durch diese Droge Glücksspiel – so möchte ich es bezeichnen – eigentlich nur mehr eine Marionette, die sich der Technik bedient, von der die Automatenhersteller und -betreiber profitieren. Derjenige, der davon betroffen ist, ist diesem Bereich relativ hilflos ausgesetzt.

Ich habe mir die Überschriften einiger Zeitungen kopiert und mitgenommen – nur als Beispiele –: "Spielsucht ist nicht in den Griff zu bekommen, die Dunkelziffer ist entsprechend hoch", "sogar Kindern werden beim Spielen Tausender gewechselt", "schneller Weg zum bösen Ende", "Spielautomaten sind eine Droge, die überall zugänglich ist", "Spielsüchtige stürzen ihre Familien in großes Unglück" und so weiter. Ich nehme an, Sie alle kennen diese Thematik aus der Tagespresse und aus den regionalen Medien. Wir sollten uns diesem Problem nicht verschließen.

Österreich hat ein Glücksspielmonopol. Bei diesem Glücksspielmonopol gibt es Ausnahmen. Wir wissen, daß sich natürlich jede Ausnahme an einer Grenze bewegt und daß eine Grenze eine Gratwanderung darstellt. Ich habe gestern mit dem zuständigen Beamten von der Bezirkshauptmannschaft in Vöcklabruck gesprochen, und er hat mir aus seiner täglichen Praxis erzählt, was er erlebt, was im illegalen Bereich passiert, wie die Automaten manipuliert werden,


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wie versucht wird, zum schnellen Geld zu kommen. Da müssen wir ansetzen und endlich das Thema offen diskutieren.

Ich kenne Überlegungen von Leuten, die mit dieser Thematik zu tun haben, die sagen: Sollten wir nicht das, was illegal passiert, wieder in eine Norm bringen? – Sie reden dem "kleinen" Glücksspiel durchaus das Wort. Da gibt es verschiedene Länder in Europa, die damit durchaus brauchbare Erfahrungen gemacht haben. Wenn man sagt, man geht in diese Richtung, dann müßte natürlich eine dementsprechende lückenlose Überwachung damit einhergehen. Da gibt es heute technische Möglichkeiten, jeden Automaten genau zu kontrollieren, ähnlich wie bei einem LKW, bei dem ein Tachograph eingebaut wird, mit dem man genau überprüfen kann, ob betrogen wird.

Ich glaube, wir sollten das Glücksspielgesetz, das heute beschlossen wird und das sicher auch in die richtige Richtung geht, mutig diskutieren, und wir sollten uns vor die Opfer stellen. All jene, die mit der Jugend zu tun haben, die heranwachsende Kinder haben, sind natürlich von dieser Thematik und dieser Gefahr ganz besonders betroffen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und lade ein, die Brücke zu überqueren. Haben Sie den Mut, in die Richtung zu gehen, in der die Chancen das Risiko überwiegen, Herr Kollege Eisl! – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Beifall des Bundesrates Eisl. )

13.45

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Karl Hager. Ich bitte, Herr Bundesrat, zu sprechen.

13.45

Bundesrat Karl Hager (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wir die Punkte 11 bis 15 der Tagesordnung und somit einige Gesetze behandeln, darf ich vielleicht grundsätzlich die Feststellung treffen, daß der Nationalrat gute Gesetze geschaffen hat. Ich darf zu einzelnen Gesetzen einige Bemerkungen machen.

Zum Pensionskassengesetz wurde schon einiges gesagt. Ich darf feststellen, wie es schon angeklungen ist, daß dieses Gesetz seit sechs Jahren in Kraft ist und nun in dieser Novelle die Erfahrungen dieser sechs Jahre eingebracht und berücksichtigt wurden. Gleichzeitig soll auch das Betriebspensionsgesetz novelliert werden.

Daß im Pensionskassengesetz die Veranlagungsbestimmungen an das Investmentfondsgesetz 1993 angepaßt wurden, ist eine begrüßenswerte Begleiterscheinung. Zu begrüßen sind auch die genauen Begriffsbestimmungen der Anwartschafts- und Leistungsberechtigung, und auch die Einführung des § 6a bezüglich der Eigentümerbestimmungen bringt sicherlich einige Klarstellungen.

Einiges zum Umsatzsteuergesetz: Österreich hätte mit 1. 1. 1996 die Bestimmungen der 2. Vereinfachungs-Richtlinie im Umsatzsteuergesetz umzusetzen gehabt. Aus Gründen, die uns allen bekannt sind, war die Beschlußfassung des Gesetzes im Jahr 1995 nicht mehr möglich. Aber die Unternehmer wurden bereits mit 1. 1. 1996 auf die Änderungen hingewiesen und die Finanzämter angewiesen, richtlinienkonform vorzugehen, sobald sich ein Unternehmer auf die Bestimmungen der 2. Vereinfachungs-Richtlinie beruft. Diese Richtlinie soll eben jetzt mit 1. 1. 1997 in Kraft treten. Der Unternehmer hat aber die Möglichkeit, entweder die Bestimmungen der Richtlinie aufgrund der unmittelbaren Wirkung bereits am 1. 1. 1996 anzuwenden oder aber nach den bisher geltenden Regeln die Steuer abzuführen.

Nun einige Worte zum Gesundheits- und Sozialbereichs-Beihilfengesetz: Eben aufgrund des EU-Beitrittes gilt für die Sozialversicherung, die Krankenfürsorgeeinrichtungen, die Träger des öffentlichen Fürsorgewesens, aber genauso auch für Krankenanstalten mit öffentlich-rechtlichem oder mit gemeinnützigem Träger, den Krankentransport, für Ärzte sowie für andere Gesundheitsberufe eine unechte Umsatzsteuerbefreiung. Das bedeutet eben, er braucht keine Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen, hat aber natürlich auch keinen Vorsteuerabzug.


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Hier tritt schon eine Problematik auf, denn bei hohen Investitionen treten doch enorme Mehrbelastungen auf, und hier hat die Bundesregierung schon während der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union festgelegt, daß diese Mehraufwendungen aus dem Umsatzsteuer-Mehraufkommen ausgeglichen werden sollen. Dies soll eben nun in Form dieses Beihilfenmodells erfolgen.

Dabei sollen grundsätzlich Pauschalregelungen angestrebt werden, die dem Träger der Sozialversicherung und den Krankenfürsorgeeinrichtungen zugute kommen sollen. Daher sollen Träger des öffentlichen Fürsorgewesens eine 1 : 1-Abgeltung der eigenen Vorsteuer, der vorsteuereigenen Einrichtungen und der nach § 3 verrechneten Pauschalzuschläge bekommen.

Für Krankenanstalten mit öffentlichem Recht oder mit gemeinnützigem Träger ist während der Übergangszeit eine Aufzeichnung der eigenen Vorsteuer vorgesehen. Hiebei muß die Krankenanstalt von der auf Privatpatienten entfallenden Vorsteuer 10 Prozent des für diese Patienten in Rechnung gestellten Entgeltes von der Beihilfe abziehen, wobei festgestellt wird, daß gewinnorientierte Privatkrankenanstalten von dieser Beihilfenregelung nicht berührt werden und weiterhin steuerpflichtig bleiben. Eine zu den Krankenanstalten analoge Regelung gilt für eine Übergangszeit von drei Jahren für das Rettungswesen, den Krankentransport und Blutspendeeinrichtungen mit öffentlichem Charakter. Mit dem Jahr 2000 ist für diese Bereiche eine Lösung analog der Ärzteregelung geplant.

Noch eine Feststellung zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes 1997, denn bekanntlich tritt anstelle des Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds – also des KRAZAF – mit 1. 1. 1997 ein Landesfonds in Kraft, der an sich nach denselben Grundsätzen dotiert wird. Die Beihilfen nach dem Gesundheits- und Sozialbereichs-Beihilfengesetz werden durch die Vorwegnahme bei der Umsatzsteuer in der Höhe der diesbezüglichen Ausgaben für den Bund reserviert. Sie gehen zu Lasten der Ertragsanteile des Bundes, der Länder und Gemeinden, wobei man sagen kann, daß in der Vorbereitung und Erarbeitung dieser Novelle die Körperschaften eingebunden waren und auch deren Zustimmung gefunden werden konnte.

Ich darf daher nochmals festhalten, daß mit diesen von mir angesprochenen Gesetzen, aber auch mit der Novelle zum Glücksspielgesetz und zum Punzierungsgesetz die Anpassungen an die EU-Richtlinien vorgenommen wurden und, wie ich meine, auch Gesetze mit klaren Bestimmungen und gutem Hintergrund geschaffen wurden. – Daher wird meine Fraktion diesen Gesetzesvorlagen die Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.52

Präsident Josef Pfeifer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich bitte ihn, zu sprechen.

13.52

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zu den vier Gesetzesvorlagen einige kurze Bemerkungen.

Zuerst zur Pensionskassengesetz-Novelle. Ich glaube – das wurde von meinen Vorrednern bis jetzt noch nicht erwähnt –, daß das Pensionskassengesetz in den letzten Jahren durchaus erfolgreich angewendet wurde. Es existieren derzeit in Österreich 13 Pensionskassen, sieben betriebliche und sechs überbetriebliche Pensionskassen mit 112 000 Anwartschaftsberechtigten und 114 000 Leistungsberechtigten und einem Gesamtvermögen von 28 Milliarden Schilling. Ich glaube, das man in den letzten Jahren durchaus erfolgreich gewesen war, wobei es sicherlich notwendig ist, die eine oder andere Anpassung durchzuführen – dazu auch heute diese Pensionskassengesetz-Novelle.

Auch wurden die Veranlagungskriterien verbessert. Mein Vorredner hat das schon im Detail erwähnt. Es wird ermöglicht, die Aktienveranlagung von 30 auf 40 Prozent zu erhöhen, bei ausländischen Aktien von 15 auf 25 Prozent. Das ist durchaus attraktiv. Es gibt natürlich einen Wermutstropfen in diesem Pensionskassengesetz, und zwar können künftig auch Unternehmer in diese Verträge einsteigen. Hier gibt es noch steuerliche Probleme. Ich glaube, wir werden das lösen können.


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Zur Umsatzsteuergesetz-Novelle möchte ich anmerken: Natürlich wissen wir alle, warum sie nicht mit 1. 1. 1996 in Kraft getreten ist. Aber daß man darauf ein Jahr braucht, bis man diese Novelle durchführt, steht woanders geschrieben. Das hätte man im ersten Halbjahr längst erledigen können. Wichtig ist, daß mit dieser Gesetzesnovelle auch die Frage der unechten Befreiung für die Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeeinrichtungen gelöst wird, gemeinsam mit dem Beihilfengesetz, daß die Vorsteuern 1 : 1 vom Bund abgegolten werden. Auch für die Ärzte gibt es entsprechende fachspezifische Zuschläge, und für das Rettungswesen gibt es eine dreijährige Übergangsfrist.

Das Glücksspielgesetz wurde von meinem Vorredner schon erwähnt. Es geht darum, daß man illegale Versuche, in den Glücksspielmarkt vorzudringen, vor allem im Bereich Internet, im Bereich Digitalfernsehen und anderen, hintanhalten muß, daß man das in Österreich bestehende Glücksspielmonopol schützt. Die Ergebnisse der Casinos Austria mit einer Steuerleistung von 20 Milliarden Schilling und der österreichischen Lotterie mit 34 Milliarden Schilling seit ihrem Bestehen zeigen, daß eine sehr positive Verwaltung durchgeführt wurde und daß diese Firmen weltweit anerkannt sind.

Es geht bei diesem Glücksspielgesetz darum, den Begriff der Ausspielung und des Veranstalters klar zu formulieren. Es geht darum, die Einsatzgrenzen für Warenausspielung von 5 auf 10 S zu erhöhen, also um bestimmte Verbesserungen oder Klarstellungen im Gesetz.

Es hat mein Kollege Hüttmayr schon das kleine Glücksspielgesetz erwähnt. Hier muß ich sagen: Man sollte versuchen – ich denke hier vor allem an Niederösterreich –, etwas "aufzumachen", das kleine Glücksspiel zu erlauben. Wir haben es derzeit illegal, und ich glaube, es ist besser, wenn man das legal läßt, wenn man entsprechende Kontrollen einführt. Wir haben in Niederösterreich seit 1983 ein völliges Verbot. Ich kenne das Für und Wider dieses Gesetzes. Ich kenne die Schwierigkeiten der Kontrolle. Seinerzeit wurde es vor allem deshalb eingeschränkt, weil diese Automaten in der Nähe von Schulen aufgestellt wurden. Das verstehe ich. Aber ich glaube, man sollte diese Branche nicht völlig vor den Kopf stoßen; man sollte dieser Branche eine Gelegenheit geben. In Niederösterreich gibt es dazu entsprechende Initiativen seitens der Wirtschaftskammer, wobei mir klar ist, daß die Kontrolle Vorrang haben muß. Aber man sollte das Bagatellspiel nicht generell verbieten.

Nun zum Punzierungsgesetz. Ich bin dankbar, daß Kollege Rockenschaub darauf hingewiesen hat. Aber man muß auch das Positive bei diesem Punzierungsgesetz sehen. Hier geht es vor allem darum, daß endlich der Postversand eingeführt wird. Bisher war es so, daß ein Villacher Juwelier, wenn er eine Punzierung gebraucht hat, bis nach Graz fahren mußte, um diese zu holen. Hier sollen also wirklich Erleichterungen erreicht werden. Es ist auch interessant und war bis jetzt nicht einzusehen, warum im Punzierungsbeirat nur Wiener sitzen durften und keine Nicht-Wiener Mitglieder des Punzierungsbeirates sein durften. Das ist eigentlich nicht erklärlich.

Ein Punkt, der für uns sehr wichtig ist, ist: Es wird die Verbindung von Edelmetallen mit Bestandteilen aus anderen Metallen endlich zugelassen; ein wichtiger Punkt, weil bei Broschen oder manchen Krawattenspangen oft die Goldspange mit einer Schließe aus Hartmetall verbunden ist, was bisher verboten war.

Der Wermutstropfen dabei ist natürlich, daß das Punzierungsamt nicht völlig abgeschafft wurde. Ein weiterer Entbürokratisierungsschub wäre angebracht. Man muß auch verstehen: Die Punzierungsgebühren betragen in Österreich 17 Millionen Schilling, also ein Betrag, der angesichts des gesamten Budgetaufkommens wirklich lächerlich ist, der aber noch immer eine sehr starke Verbürokratisierung verursacht und ein sicherlich nicht österreichisches Phänomen ist. Es gibt Punzierungsanstalten auch in Großbritannien. Aber bei unseren größten Handelspartnern, in Italien oder Deutschland, gibt es keine Punzierungsanstalt. Da gibt es natürlich Wettbewerbsverzerrungen. Man könnte durchaus die Selbstpunzierung mit einer entsprechenden Kontrolle zulassen. Hier gibt es Wünsche seitens der Wirtschaftskammer, und ich hoffe, daß diese Wünsche in absehbarer Zeit unter dem Titel der Entbürokratisierung verwirklicht werden.


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Nachdem gerade im Punzierungsgesetz wesentliche positive Ansätze enthalten sind, wird natürlich meine Fraktion nicht nur dem Punzierungsgesetz, sondern allen hier zur Diskussion stehenden Gesetzen die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.00


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Präsident Josef Pfeifer:
Am Wort ist Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich bitte sie, zu sprechen.

14.00

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich jetzt veranlaßt, zum Entschließungsantrag der F ein paar Bemerkungen zu machen.

Herr Bundesrat Rockenschaub! Sie haben diesen Antrag mit Passagen eingeleitet, die Gleichnisse vom Brücken-Bauen enthalten haben. Es ist verwunderlich, wenn darüber diskutiert wird, daß Sie offensichtlich die Situation so auffassen, daß Sie sich ausgegrenzt fühlen. Sie meinen, daß Brücken-Bauen so ausschauen soll, daß andere diese Brücke betreten und hinüberkommen sollen, und Sie aber nicht bereit sind, auf dieser Brücke einen Schritt zu tun.

Wenn das etwas ist, was von beiden Seiten ernsthaft anzunehmen ist, dann stehe ich zu solchen Vorgangsweisen. Wenn Sie uns aber mit diesem Entschließungsantrag in die Rolle versetzen wollen, daß wir auf einem glitschigen Balken ausrutschen, dann, kann ich Ihnen sagen, werde ich Ihnen diese Freude sicher nicht machen. Wir oberösterreichischen sozialdemokratischen Bundesräte werden das sicher nicht tun.

Nun einige Bemerkungen zum Inhalt. Ich denke, daß die Zielsetzung und der Inhalt unserer Gesinnung für die sozial Schwachen, ohne andere auszugrenzen, unbestritten sind. Angesichts der Situation, daß wir in einer Koalition Sachprobleme zu bewältigen haben, kann es dazu kommen, daß nicht alle recht bekommen, und das inkludiert auch, daß Ländergruppierungen andere Auffassungen haben. Ich mache überhaupt kein Hehl daraus, daß es in der Sozialdemokratischen Partei Oberösterreichs zum Sparpaket und zur Situation der Budgetkonsolidierung in der einen oder anderen Frage durchaus andere Vorstellungen gegeben hat. – Sie stellen zwar immer die pluralistische Gesellschaft und die Meinungsfreiheit in den Vordergrund, handeln aber danach nicht. Diese Bemerkung erlauben Sie mir. Ich unterstelle Ihnen das. Das ist eine Unterstellung. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. )

Diese Meinungsvielfalt und die Auffassungsunterschiede sind in einer demokratischen Partei zulässig. Wenn unser Parteivorsitzender und stellvertretender Landeshauptmann Hochmair seine Vorstellungen und damit auch die Vorstellungen der sozialdemokratischen Fraktion der Bundesräte in diesen Aussagen festgelegt hat, dann sind das auch unsere Vorstellungen. Ich halte es nicht für sehr seriös, mittels Entschließungsantrag die Budgetkonsolidierung an einem einzelnen Gesetz aufzuhängen. Ich gebe zu, daß die eine oder andere Maßnahme in der Praxis zu echten Härten führt. Das haben wir nie bestritten. Daß wir unter Umständen auch mit der Bundespolitik unserer eigenen Fraktion nicht auf einer Linie liegen, haben wir auch nicht bestritten. Aber wir sind in einer Koalition und haben eine Zielsetzung zu bewältigen gehabt, nämlich das Budget zu konsolidieren. Und ich halte es für den falschen Ansatz, das an dieser übergeordneten Problematik aufzuhängen, Inhalte mit einer Aussage zu konfrontieren, sie zusammenschließen zu wollen und damit – ich weiß nicht, ob ich mir jetzt einen Ordnungsruf einhandle; ich sage es trotzdem, ich riskiere das, Herr Präsident – politisches Kleingeld herauszuschlagen und populistisch etwas zu verlangen, was im Hintergrund Ihrer Aussagen und Ihrer Taten nirgends Niederschlag findet. (Bundesrat Dr. Bösch: Genehmigt! – Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist nur eine falsche Schlußfolgerung, gnädige Frau!)

Meine Damen und Herren der F! Wir werden diesem Entschließungsantrag mit der ausdrücklichen Betonung, daß das für uns kein Auffassungsunterschied ist, weder zur Bundespartei noch zu unserer Landesgruppierung, nicht folgen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.04


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Präsident Josef Pfeifer:
Meine Damen und Herren! Wenn sich alle Damen und Herren Abgeordneten in ihren Aussagen so vornehm äußern würden, bräuchten wir in diesem Haus nie einen Ordnungsruf zu erteilen.

Es liegt keine Wortmeldung mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte sehr.

14.05

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Kainz! Ihre Parteikollegen in Oberösterreich haben diesen Entschließungsantrag verursacht, weil sie uns die diesbezügliche Vorgangsweise geradezu in den Mund gelegt haben. Wir haben diese Anträge dort, wo Herr Hochmair sitzt, eingebracht, sprich im Landtag, in der Landesregierung. Und dort hat es von Ihrer Seite geheißen: Das sind Bundesangelegenheiten, wir sollen uns gefälligst an den Bund wenden. Das haben wir heute gemacht. Jetzt wird wieder fürchterlich um den heißen Brei herumgeredet. Wir haben nichts anderes getan, als eins zu eins, also zu 100 Prozent, ein Inserat der Sozialdemokratischen Partei abzuschreiben, ohne selbst etwas hinzuzufügen, ohne etwas davon wegzustreichen. Schöner geht es ja nicht mehr. Und das ist auch noch nicht recht. Die Schwierigkeiten, die Sie damit haben, waren schon spürbar. (Bundesrätin Kainz: Sie wissen genau, warum er nicht recht ist!)

Wir werden in Oberösterreich, im Landtag und in der Landesregierung berichten, daß wir hier leider eine sogenannte Pontius Pilatus-Strecke zurückgelegt haben, daß uns die oberösterreichischen sozialdemokratischen Bundesräte mitgeteilt haben, auch hier sei nicht der richtige Platz. Wir werden es im Nationalrat versuchen. Wohin wir uns dann noch wenden sollen, weiß ich nicht. Ich nehme nicht an, daß Sie uns in Ihren Parteivorstand einladen werden, um den Antrag dort einzubringen. So weit geht die Zuneigung noch nicht – aber was nicht ist, kann noch werden. (Bundesrätin Kainz: Ich würde nicht allzu viel Hoffnung darin legen!)

Ihre Erklärungen mit dem politischen Kleingeld lassen wir. Das halten wir locker aus. Das war alles ladylike. Das ist in Ordnung.

Aber es gibt noch eine zweite Sache, Herr Kollege Kaufmann! Ich habe den Entschließungsantrag bezüglich Punzierungsgesetz fertig. Sie haben mir die Formulierung aus dem Mund genommen, als ob Sie beim Schreiben dabei gewesen wären. Ich komme hier herein, steht Kollege Kaufmann beim Rednerpult, hält eine Rede und spricht von Selbstpunzierung. Genau das haben wir formuliert. Ich darf daher folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Regierungsvorlage vorzulegen, die Maßnahmen, die die Einführung einer Selbstpunzierung durch den Hersteller – Herr Kollege Kaufmann, Ihre Worte! – (neben der staatlichen Punzierung) ermöglichen, vorsieht.

Begründung:

Im internationalen Vergleich scheinen diverse derzeitige Vorschriften des Punzierungsgesetzes und die Aufrechterhaltung eines staatlichen Punzierungsmonopols nicht mehr notwendig und zeitgemäß.

*****

Ich bitte die Kollegen des Wirtschaftsbundes, den Antrag wirklich zu unterstützen, nachdem ich in meiner Rede sogar einen diesbezüglichen Zwischenruf hinnehmen mußte. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.08

Präsident Josef Pfeifer: Meine Damen und Herren! Der von den Bundesräten Dr. Rockenschaub und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Ermöglichung der Selbstpunzierung durch Hersteller ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Gibt es noch eine Wortmeldung? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Kaufmann.

14.09

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Lieber Kollege Rockenschaub! Ihre Rede und Ihr jetziges Verhalten haben wieder Ihre Doppelzüngigkeit und die der FPÖ bewiesen. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Das erklären Sir mir jetzt!) Auf der einen Seite machen Sie sich Sorgen um die soziale Gerechtigkeit, um soziale Probleme, auf der anderen Seite wollen Sie den Juwelieren Unterstützung gewähren. Ich kenne diese Doppelzüngigkeit aus vielen Fällen. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Wo ist da ein Widerspruch? Das erklären Sie mir jetzt!)

Das ist in dem Sinn sicherlich ein Widerspruch, Herr Kollege! Sie können sicher sein, daß wir Ihnen nicht die Freude machen werden, die Koalitionsregierung aus diesem Grund, ob wir das Punzierungsamt jetzt bekommen oder nicht, auseinanderzudividieren. Diese Doppelzüngigkeit gibt es aber nicht nur hier, sondern die gibt es auch auf Landesebene.

Auf der einen Seite verlangen Sie in Niederösterreich eine Erweiterung des Buschenschankengesetzes um alle möglichen Punkte, auf der anderen Seite laufen Sie zu den Wirten und sagen: Schaut her, die ÖVP und der Wirtschaftsbund können euch vor den Forderungen der Landwirtschaft nicht schützen.

Herr Kollege! Wir kennen diese Doppelzüngigkeit. Wir werden Ihnen hier nicht auf den Leim gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.10

Präsident Josef Pfeifer: Ich nehme an, daß jetzt keine Wortmeldung mehr gewünscht wird. Oder wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt. Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umsatzsteuergesetz 1994 und das Bundesgesetz, mit dem Begleitmaßnahmen zum Umsatzsteuergesetz 1994 vorgesehen werden, geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Einstimmigkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Beihilfen im Gesundheits- und Sozialbereich geregelt und das Finanzausgleichsgesetz 1997 und das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Punzierungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls einstimmig.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Rockenschaub und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Beseitigung der sozialen Härten des Sparpakets vor.

Ich lasse über den Entschließungsantrag abstimmen. Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Beseitigung der sozialen Härten des Sparpakets ist daher abgelehnt.

Es liegt ein weiterer Antrag der Bundesräte Dr. Rockenschaub und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Ermöglichung der Selbstpunzierung durch Hersteller vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Ermöglichung der Selbstpunzierung durch Hersteller ist daher abgelehnt.

16. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundeszuschuß an das Land Burgenland aus Anlaß der 75jährigen Zugehörigkeit zu Österreich gewährt wird (393 und 481/NR sowie 5321/BR der Beilagen)

Präsident Josef Pfeifer: Meine Damen und Herren! Wir gelangen zum 16. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem ein Bundeszuschuß an das Land Burgenland aus Anlaß der 75jährigen Zugehörigkeit zu Österreich gewährt wird.

Da der Berichterstatter, Herr Bundesrat Karl Wöllert, krank gemeldet ist, bitte ich die Frau Präsidentin um die Berichterstattung.


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Berichterstatterin Anna Elisabeth Haselbach:
Verehrte Damen und Herren! Das Burgenland feiert heuer 75 Jahre seines eigenständigen Bestehens und seiner Zugehörigkeit zu Österreich. Aus diesem Anlaß soll dem Land ein Zuschuß für besondere Vorhaben zum Zwecke der Festigung seiner Zugehörigkeit zur Republik Österreich und zur Verbesserung seiner Infrastruktur geleistet werden.

Wie schon bei vergangenen Anlässen soll auch diesmal die Beitragsleistung in Form eines eigenen Bundesgesetzes erbracht werden.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Josef Pfeifer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Payer. Ich bitte ihn, zu sprechen.

14.16

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Ausführungen damit beginnen, daß ich namens meiner burgenländischen Landsleute der Bundesregierung ein herzliches und aufrichtiges Dankeschön für diese Jubiläumsgabe sage.

Wenn Österreich heuer sein tausendjähriges Bestehen feiert und bereits gefeiert hat, so steht sein jüngstes Bundesland, das Burgenland, diesen Feiern zwar nicht entgegen, aber doch etwas abseits. Wir sind erst seit 1921 Teil dieses Staates, und wir blicken auf eine teilweise völlig andersartige Geschichte unseres Landstrichs zurück

Seit nunmehr 75 Jahren lernen unsere Schulkinder zwar die Geschichte Österreichs, es fehlt ihnen aber die tiefe Verwurzelung, denn unsere Vorfahren fanden sich eigentlich fast immer außerhalb des Mittelpunkts der österreichischen Geschichtsschreibung. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges begann ein schwieriges Ringen um unser Bundesland. Dieses Ringen war deshalb so schwierig, weil man nach dem Ausgleich 1867 durch Magyarisierung der nationalen Minderheiten ein einheitliches Staatsvolk in Ungarn schaffen wollte. Dieser ungarische Nationalismus prägte vor allem die gehobenen Gesellschaftsschichten, die Beamten, die Lehrer und die Geistlichen zu begeisterten Magyaren, aber nicht das deutsche und kroatische Bauernvolk. Dieses konnte dank seiner konservativen Einstellung seine nationale Eigenheit und Eigenart bewahren.

Das Burgenlandproblem oder, wie es damals hieß, das Problem Deutsch-Westungarn, war Thema der Pariser Friedenskonferenz im Jahre 1919. Die Haltung der Friedenskonferenz erfuhr durch diplomatische Noten Deutschösterreichs, durch die Haltung Dr. Karl Renners und durch den Standpunkt der USA eine Wende zugunsten eines Anschlusses Deutsch-Westungarns an Österreich. Das Ringen um das Burgenland dauerte beinahe drei Jahre und fand seinen Höhepunkt in der Volksabstimmung über die Zugehörigkeit Ödenburgs und einiger anderer Randgemeinden im Dezember 1921. 65 Prozent stimmten für Ungarn, zirka 35 Prozent für Österreich. Der Protest der österreichischen Regierung gegen diese Volksabstimmung, bei der es einige Ungereimtheiten gab, wurde von der Pariser Botschafterkonferenz abgelehnt.

Das neue Bundesland Burgenland – der Name wurde aus den Komitatsnamen Preßburg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg abgeleitet – war ein Land ohne Hauptstadt. Dieses neue Bundesland war ein Land, dessen Verkehrsadern durch den Verlust Ödenburgs abrupt abgeschnitten wurden.

Die Weltwirtschaftskrise, die äußerst ungünstige Agrarstruktur und die Notwendigkeit der Wanderarbeit erschwerten die Aufbauarbeit. Die große Auswanderungsbewegung aus dem Burgenland in die neue Welt, vor allem in die USA, ist Ihnen sicher bekannt, meine Damen und Herren! Es gab hier drei Phasen. Wenn man heute noch darüber spricht, daß die größte Stadt des


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Burgenlandes eigentlich Chicago mit 30 000 burgenländischen Einwohnern ist, dann ist das ein sehr anschauliches Bild für die damals schwierige wirtschaftliche Situation in unserem Land.

Die Schüsse von Schattendorf, ein kleiner Ort im Bezirk Mattersburg, leiteten eine Radikalisierung der österreichischen Innenpolitik ein. Die nationalsozialistische Herrschaft danach brachte für das jüngste Bundesland die Auflösung des gesamten Landes, die Zweiteilung und Zuteilung an den Gau Niederdonau und die Steiermark.

Die sieben Jahre lang dauernde Auflösung erschwerte natürlich in den folgenden Jahren die Entstehung eines Burgenlandbewußtseins. Daß die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg für das Burgenland als sowjetische Besatzungszone besonders schwierig war, ist eine historische Tatsache. Der sogenannte Hungerwinter des Jahres 1946 konnte in meinem Bundesland nur durch Hilfsaktionen der Alliierten überwunden werden. Normalerweise hätte sich das damalige Agrarland Burgenland in der Krise der unmittelbaren Nachkriegszeit leichter ernähren können als die agrarisch schwächer entwickelten Bundesländer, aber diese waren von direkten Kampfhandlungen, die es im Burgenland leider gegeben hat, verschont geblieben.

Der wirtschaftliche Wiederaufbau im Burgenland nach dem Zweiten Weltkrieg war schwierig. Das Burgenland blieb ein Aschenbrödel, blieb ein wirtschaftlich vernachlässigtes Bundesland. Nur wenige Gelder aus dem Marshallplan flossen in das Land. Zwar verbesserte sich auch im Burgenland die Versorgungssituation langsam und stetig, der Abstand zu den übrigen Bundesländern wurde aber immer größer.

Im Winter 1954/55 war die Situation wirklich katastrophal. Im gesamtösterreichischen Durchschnitt waren im Feber 11 Prozent der Erwerbstätigen arbeitslos, im Burgenland waren es 42 Prozent. Die vielen burgenländischen Bau- und Wanderarbeiter – für diese Bau- und Wanderarbeiter ist unser Land so bekannt – wurden oft als erste abgebaut. Die burgenländischen Politiker sprachen damals von der Schande der Wanderarbeit. Im Landesbudget des Jahres 1955 wurden erstmals eindeutige Schwerpunkte gesetzt, um mit diesen Problemen fertig zu werden: Straßenneubau, Schulbau und Wohnungsbau wurden forciert, der private Wohnbau kam in Schwung und wurde zu einem wichtigen Motor der burgenländischen Wirtschaft.

Schwierig war nach wie vor die Versorgung mit elektrischem Strom. Das Land hatte keine eigene Elektrizitätsgesellschaft; die NEWAG und die STEWEAG waren auch für das Burgenland zuständig, und das – das muß ich hier eindeutig sagen – wurde von vielen Burgenländerinnen und Burgenländern als unerträglich empfunden. Dazu kam das Problem der Bodenreform. Die großen Besitzungen der Esterhazys, die Esterhazy-Frage, sorgte immer wieder für politische Spannungen.

Von der Ungarnkrise 1956 war das Burgenland natürlich stärker als die anderen Bundesländer betroffen. Die Flüchtlingsströme überschwemmten unser Land, und die Burgenländer leisteten Hilfe.

Die politische Wende erfolgte 1964. Nach einem äußerst turbulenten Wahlkampf ging erstmals in der Zweiten Republik die Mehrheit in einem Bundesland auf eine andere Partei über: Die Sozialisten wurden zur stärksten Partei, Hans Bögl wurde Landeshauptmann. Ein neues Landesbewußtsein entwickelte sich. Mit Landeshauptmann Theodor Kery kam 1966 ein Landeshauptmann an die Spitze des Landes, der das politische Leben dieses Landes wie kein anderer prägte. Dies war ihm möglich, weil er vier Landtagswahlen als SPÖ-Spitzenkandidat mit absoluter Mehrheit gewann.

Eine burgenländische Industrie- und Betriebsansiedlungsgesellschaft wurde gegründet, die Wohnbauförderung wurde ausgebaut, und für Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser eigene Konzepte entwickelt. Ein wichtiger Programmpunkt war die Errichtung der Kulturzentren in jedem Bezirk. Mit den Kulturlandesräten Sinowatz und Mader präsentierte sich das Burgenland als Zentrum moderner Kunst.

Die sechziger und siebziger Jahre waren die Zeit des großen Strukturwandels. Kaum ein Lebensbereich blieb davon unbeeinflußt. In wenigen Jahren wurde aus einer noch sehr stark


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agrarisch und dörflich geprägten Gesellschaft eine Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft, in der längst die Facharbeiter, Angestellten und Beamten überwiegen. Die Kulturlandschaft, die Siedlungen haben ihr Aussehen und auch ihre gesamte Struktur radikal verändert. Sie spiegeln – manchmal in ihrer Disharmonie – auch diese Veränderungsprozesse wider.

Bei aller Kritik an zu großem Fortschrittsoptimismus, bei aller Kritik an zerstörten Ortsbildern, an Hochhäusern und Autobahnen, an zuviel Beton, an zuviel Asphalt, an der Auflösung der alten Dorfgemeinschaften mit ihren eingespielten sozialen Einrichtungen kann man feststellen: Das Leben nahezu aller Burgenländerinnen und Burgenländer hat sich in der Zeit seit 1955 erheblich verbessert. Der Wohnstandard, der Bildungsgrad, die Chancen im Beruf – in all diesen Bereichen hat das Burgenland gegenüber den anderen Bundesländern aufgeholt. Zwar gibt es noch immer – das muß man feststellen – Strukturschwächen, aber diese sind verglichen mit den Verhältnissen in der Zwischen- und Nachkriegszeit nicht mehr sehr gravierend.

Das Wanderarbeiter- und Pendlerproblem besteht weiterhin. 30 000 Burgenländer müssen wöchentlich auspendeln. Trotzdem ist eine Besserung vor allem im Nordburgenland eingetreten. Es gibt durch Bahnausbau und guten Straßenbau bereits zumutbare Tagespendlerentfernungen zum Wiener Zentralraum. Die Abwanderung ist zumindest in Teilen des Landes gestoppt. Das Leben in den Dörfern, in einer intakten Natur wird heute eher als Vorteil gesehen.

Nicht ganz so positiv verlief die Entwicklung im Süden des Landes. Aus diesem Grunde waren die jüngsten Schwerpunkte der burgenländischen Landespolitik in der Vorbereitung auf den EU-Beitritt zu erkennen. Es gelang unter der Führung von Landeshauptmann Karl Stix, das Burgenland zum Ziel-1-Gebiet mit höchster Förderungswürdigkeit zu erklären. Mit der Öffnung der Grenzen nach Osten hat unser Land zwar seine extreme Randlage verloren, der Wirtschaftsstandort Burgenland wurde aber aufgewertet.

Ich bin überzeugt, daß es gelingen wird – die letzten Zahlen der Wirtschaftsforscher beweisen das auch –, zu einer echten Brücke, zu einem wichtigen Standort zwischen zwei Wirtschaftsräumen zu werden und nicht bloß zu einem Durchgangsland. Ich bin überzeugt davon, daß das Burgenland wiederum all seine Kräfte mobilisieren wird, um die Einstufung als Ziel-1-Gebiet zu überwinden. Ich glaube fest daran, daß das Burgenland das 80-Jahr-Jubiläum im Jahr 2001 als wirtschaftlich erstarkte Europaregion feiern wird.

Meine Damen und Herren! Vielleicht noch einige Anmerkungen zur Verwendung dieses Bundeszuschusses in Höhe von 25 Millionen Schilling. Derzeit findet eine sehr breite, manchmal heftige, aber sehr konstruktive Diskussion darüber statt, was mit diesem Geld geschehen soll. Ich glaube aber, daß diese Diskussion auf die richtige burgenländische Art und in einem guten politischen Klima geführt wird. Die Entscheidung über die Verwendung dieses Zweckzuschusses wird sicher dem Geiste dieses Gesetzes 100prozentig entsprechen.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Frau Ministerin aus dem Burgenland! Nochmals sage ich der Bundesregierung ein herzliches Dankeschön für diesen Zweckzuschuß, und ich bitte Sie, diesen Dank weiter zu leiten. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

14.30

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Am Wort ist Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer.

14.30

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Nach dieser eindrucksvollen, beinahe möchte ich sagen, Vorlesung unseres Kollegen und Pädagogen Bundesrat Payer darf ich mich auf einige Sätze beschränken.

Meine Damen und Herren! Diese Jubiläumsgelder, die die Bundesregierung aus Anlaß von Jubiläen an die Länder auszahlt, sollen zur Festigung der Identität der Regionen, der Bundesländer dienen, mag dann auch letztlich der Verwendungszweck von den Bundesländern selbst bestimmt werden. Ich finde es aber nicht angebracht, daß man diese Jubiläumsgelder, die nicht in


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einer exorbitanten Höhe vom Bund ausgeschüttet werden, kritisiert, so wie dies, wie man hört, im Nationalrat geschehen ist. Eine Partei hat es sich nicht nehmen lassen, diese 25 Millionen, die zur Auszahlung an das Burgenland zur Diskussion stehen, zu kritisieren – man wüßte eine bessere Verwendung. Ich will das weiter nicht kommentieren. Ich finde es nur ein wenig unangebracht.

Meine Damen und Herren! Wir Burgenländer werden zum einen vielfach als das Armenhaus Österreichs, zum anderen wieder als das zwar jüngste Bundesland, das aber doch den Wohlstand der übrigen Bundesländer erreicht hat, hingestellt. Vielleicht liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Als Armenhaus Österreichs fühlen wir uns überhaupt nicht, denn unser Reichtum sind unser Fleiß, unser Ehrgeiz, unsere starken Handwerker, unsere selbstbewußten Burgenländer. Darüber sind wir längst hinaus.

Zweifellos aber haben wir aufgrund unserer geopolitischen Lage noch immer einen gewissen Nachholprozeß, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, zu vollziehen. Kollege Payer hat diese Dinge in eindrucksvoller Weise aufgezeigt. Zu Recht wurde das Burgenland im Zuge des Beitrittes zur EU als Ziel-1-Gebiet anerkannt. Hier bewegt sich sehr viel. Mag sein, daß in dem einen oder anderen Bereich der erwartete Quantensprung noch nicht erreicht ist, aber wir befinden uns in schwierigen Zeiten. Unsere Spitzenpolitiker im Land, unsere Landesregierung, haben sich aber sehr bemüht und großartig geschlagen. Wir haben gute Teilerfolge; wir haben einen neuen Industriestandort, wir haben Teilerfolge im Tourismusbereich, im Gewerbebereich, im Forschungsbereich und vor allem auch – das ist nach der Intention der EU sehr wichtig – im Bildungsbereich.

Meine Damen und Herren! Vorsichtiger Optimismus ist angebracht. Ich würde allerdings davor warnen, jetzt schon zu versuchen, die Lorbeeren zu ernten. Ich denke, daß es für uns Burgenländer nach wie vor schwierig sein wird, den Anschluß an den Wohlstand der übrigen, vor allem der westlichen Bundesländer zu vollziehen. Wir sind mit vollem Fleiß dabei. Wir sollten in erster Linie, wenn wir daran denken, die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, unseren tüchtigen Burgenländern danken – natürlich auch den Politikern; die sind ja irgendwo am Hebel. Aber ich fange immer bei unseren Arbeitnehmern, unseren Wirtschaftstreibenden, unseren Unternehmern an. Es sollte eine gemeinsame Symbiose sein, eine gute Zusammenarbeit.

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne wünsche ich mir, daß dieses Jubiläumsgeld, wofür wir uns, wie gesagt, bei der Bundesregierung und auch bei der Frau Bundesministerin, die eine ständige Kämpferin nicht nur für unser Land, sondern auch in ihrem Metier ist, herzlich bedanken. Dankenswerterweise ist ihr auch mit der Krankenanstaltenreform ein großer Wurf gelungen. (Bundesrat Eisl: Das ist der echte Turbo im Vergleich zu Schüssel!) Dieses Geld wird von der Landesregierung guten Zwecken zugeführt werden, sei es im sozialen Bereich oder sei es allenfalls, wie schon angeklungen, zur Jugendbeschäftigung, zur Gründung von Unternehmen, zur Arbeitsplatzbeschaffung.

In diesem Sinne, Frau Bundesministerin, herzlichen Dank. Wir Burgenländer bleiben mit all unseren Minderheiten, mit all unseren Konfessionen und mit unserer Vielfalt weiterhin gute Österreicher. – Ich bedanke mich. (Allgemeiner Beifall.)

14.36

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Am Wort ist Herr Bundesrat Dr. Peter Harring.

14.36

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich schicke voraus: Ich habe ein Problem bei diesem Tagesordnungspunkt, ich bin kein Burgenländer wie meine beiden sehr geschätzten Vorredner. (Bundesrministerin Dr. Krammer: Das ist ein großer Fehler!) Die Frau Bundesministerin meint, das ist ein großer Mangel, aber ich bin ein großer Freund des Burgenlandes, und das ist auch der Grund, warum meine Fraktion gemeint hat, ich wäre der Richtige, hier kurz Stellung zu nehmen.


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Die historischen Hintergründe haben meine Vorredner in ganz hervorragender Weise beleuchtet. Dem ist nichts hinzuzufügen. Meine Damen und Herren! Ich komme auch deshalb zur Ehre, zu unserem jüngsten Bundesland etwas zu sagen, weil die Kärntner das vorletzte Bundesland gewesen sind, das auch eine Spende bekommen hat. Beide Herren haben das schamhaft verschwiegen. 25 Millionen Schilling waren es. (Bundesrat Prähauser: Das hat Kärnten gut getan!) Mich hat es gewundert, daß das von niemandem gesagt wird. Ob das Kärnten gut getan hat – ich werde Ihnen gleich erzählen, Herr Kollege, was mit dem Geld in Kärnten passiert ist –, bin ich mir nicht mehr so sicher.

Wir haben diese 25 Millionen in Kärnten aus Anlaß der 75. Wiederkehr des Jahrestages der Volksabstimmung bekommen. Wir haben uns damals sehr gefreut, und wir freuen uns heute mit den Burgenländerinnen und Burgenländern, daß das in Zeiten, in denen es das Sparpaket gibt, überhaupt noch möglich ist. Der Verwendungszweck – auch wenn Herr Dr. Linzer und Herr Payer gemeint haben, das werden sich die Burgenländer schon gemeinsam überlegen, was sie damit tun – ist vom Spender vorgeschrieben, Frau Bundesministerin! Es steht im Beschluß drinnen, daß die 25 Millionen Schilling die Infrastruktur im Burgenland verbessern sollen, und zwar sollen sie für besondere Vorhaben zum Zwecke der Festigung der Zugehörigkeit dieses Landes zur Republik Österreich dienen.

Wir halten diesen Verwendungszweck für gut. Wir halten das auch für richtig. Im Ausschuß vorgestern am Dienstag war interessanterweise nicht zu klären, ob es beim Spender, beim Bund, irgend jemanden gibt, der das kontrolliert und der schaut, was tatsächlich mit dem Geld passiert. Herr Dr. Grassl war heute so freundlich und hat mir vom Ministerium einen schriftlichen Bericht darüber gegeben. Da gibt es einen Bericht, und dem wird nachgegangen.

Meine Damen und Herren! Ich sage das nicht deshalb, weil wir neidig sind, sondern weil das in Kärnten – du hast das angesprochen – genauso war. Wir haben 25 Millionen Schilling Volksabstimmungsspende bekommen. Auch damit war ein genauer Verwendungszweck verbunden. Der Herr Präsident, der hinter mir sitzt, wird als aufrechter Kärntner bestätigen, was in Kärnten tatsächlich passiert ist. Es wäre uns damals viel eingefallen. Wir hätten etwas zur Völkerverständigung, zur Förderung der Entwicklung verschiedener Kulturen und Sprachen, zur Förderung der Jugend beitragen können. Ich gebe Ihnen völlig recht, Herr Notar, all das hätten wir tun können.

Ich sage Ihnen nun, was wir in Kärnten mit dem Geld gemacht haben. Wir haben die Volksschule in Ebriach und die Volksschule in Eisenkappel saniert, wir haben die Straße bis Sittersdorf asphaltiert, wir haben einen Sportplatz in Gallizien saniert, wir haben in Globasnitz eine Heizungsanlage in den Kindergarten eingebaut, damit die Kinder nicht frieren müssen – vorher haben sie anscheinend gefroren –, und wir haben in Neuhaus gefährliche Straßenabschnitte saniert. Die 25 Millionen sind in Kärnten offensichtlich in das notleidende Landesbudget eingeflossen, obwohl mit 25 Millionen nicht einmal in Kärnten das Budget saniert werden kann. (Präsident Pfeifer: Stift Eberndorf!) Habe ich etwas vergessen, Herr Präsident? (Präsident Pfeifer: Stift Eberndorf!) Im Stift Eberndorf ist auch irgend etwas asphaltiert oder saniert worden. (Präsident Pfeifer: Nein, nein!)

Meine Damen und Herren! Das kommt mir jetzt in der Vorweihnachtszeit so vor, wenn man dringende Investitionen macht, als ob man dem Sohn, der einen fünf Jahre alten Wintermantel hat, sagt: Okay, ich kaufe dir jetzt einen neuen Wintermantel, oder daß man der Frau eine nötige Kücheneinrichtung finanziert. (Bundesministerin Dr. Krammer: Das ist wieder typisch! Die Kücheneinrichtung wird automatisch der Frau geschenkt!) Gnädige Frau! Wollen Sie sich zu Weihnachten eine Kücheneinrichtung schenken lassen? (Bundesministerin Dr. Krammer: Von Ihnen nicht, nein danke!) Das ist kein Geschenk, meine ich. (Zwischenrufe.)

Warum sage ich das, meine Damen und Herren? – Ich wollte nur sagen, daß man in Österreich offensichtlich bei solch wichtigen Dingen ohne Phantasie und ohne Visionen auch in kleinen Dingen vorgeht. Ich hoffe, daß das Burgenland das wesentlich besser machen wird. (Zwischenruf des Bundesrates Payer. )


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Herr Kollege Payer! Ich habe mich heute auch schon mit den Herren vom Finanzministerium unterhalten, und die haben mir gesagt, es ist geplant, im Burgenland zwei Fachhochschulkurse zu fördern – eine gute Geschichte – und auch eine Reihe andere Dinge. Das Geld soll nicht direkt in die Infrastruktur investiert werden, sondern in die geistige Aufrüstung, in die geistige Infrastruktur. Da bin ich voll bei Ihnen. Ich halte das für eine hervorragende Sache, wenn das so passiert.

Das Burgenland – da gebe ich meinen beiden Vorrednern recht – ist tatsächlich ein äußerst leistungsfähiger und verläßlicher Partner aller unserer Bundesländer geworden. Daher bedanke ich mich auch bei den Steuerzahlern aller österreichischer Bundesländer, daß man für das Burgenland diese 25 Millionen Schilling zur Verfügung gestellt hat. Die Frau Bundesministerin wird das bitte ausrichten, daß wir uns bei allen bedanken.

Von Strukturschwäche ist tatsächlich nichts mehr zu bemerken. Von Aschenbrödel ist überhaupt keine Spur, Herr Kollege! Ich bin fast davon überzeugt, daß wir in fünf Jahren – sollte ich dann noch das Glück haben, hier zu sein – bei der 80-Jahr-Feier nicht mehr von dem Ziel-1-Gebiet Burgenland reden können. Wir hoffen nur, daß nicht wir in Kärnten oder der Obersteiermark dann das Ziel-1-Gebiet sind und Sie nicht mehr.

Das Burgenland hat in seiner 75jährigen Geschichte tatsächlich alle Schwierigkeiten gemeistert. Ich bin überzeugt davon, daß nicht nur die Politiker dafür verantwortlich waren; sie haben die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen. Ich bin hier bei Dr. Linzer, der gemeint hat, der erfolgreiche Weg in den letzten Jahrzehnten ist in erster Linie dem Fleiß und der Kreativität der burgenländischen Bevölkerung zu danken. Die Burgenländerinnen und Burgenländer verdienen es also, ein Geburtstagsgeschenk zu erhalten. Dem stimmen wir mit Freude zu. (Allgemeiner Beifall.)

14.43


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Präsident Josef Pfeifer:
Meine Damen und Herren! Es liegt keine weitere Wortmeldung vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort verlangt? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke. Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

17. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Notenwechsel und Verständigungsprotokoll (213 und 485/NR sowie 5322/BR der Beilagen)

18. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) (334 und 487/NR sowie 5323/BR der Beilagen)

Präsident Josef Pfeifer: Wir gelangen nun zu den Punkten 17 und 18 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Notenwechsel und Verständigungsprotokoll und

ein Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Karl Hager übernommen. Ich bitte ihn zu berichten.

Berichterstatter Karl Hager: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zu Tagesordnungspunkt 17:

Die steuerlichen Beziehungen zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika werden gegenwärtig durch das Abkommen vom 25. Oktober 1956, BGBl. Nr. 232/1957, zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen geregelt. Der bestehende Vertragszustand entspricht nicht mehr den heute international anerkannten Grundsätzen des Musterabkommens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD); eine umfassende Anpassung des Abkommens an den heutigen Entwicklungsstand des internationalen Abkommensrechtes erfordert daher eine Gesamtrevision des Doppelbesteuerungsabkommens.

Das Abkommen hat nicht politischen Charakter und enthält weder verfassungsändernde noch verfassungsergänzende Bestimmungen.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd beziehungsweise gesetzesergänzend. Da auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses betreffend ein Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau.

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) wurde im Jahre 1991 zu dem Zweck errichtet, durch Unterstützung des wirtschaftlichen Fortschritts und Wiederaufbaus in den osteuropäischen Ländern, die sich zu den Grundsätzen der Mehrparteiendemokratie, des Pluralismus und der Marktwirtschaft bekennen und diese anwenden, den Übergang zur offenen Marktwirtschaft zu begünstigen sowie die private und unternehmerische Initiative zu fördern.

Österreich ist Gründungsmitglied der EBRD. Das Abkommen für die Errichtung der EBRD (BGBl. Nr. 222/1991) ist für Österreich am 28. März 1991 in Kraft getreten.

Der aushaftende Betrag an Darlehen, Kapitalbeteiligungen und Garantien der Bank darf den Gesamtbetrag ihres gezeichneten Kapitals, der Reserven und des Gewinnes nicht überschreiten. Bis Ende 1995 hat die EBRD ihren Mitgliedern Kredite in Höhe von 5,9 Milliarden ECU zugesagt. Um ihr Ausleihevolumen, das in den letzten beiden Jahren 1,6 beziehungsweise 2 Milliarden


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ECU betrug, weiterhin aufrechterhalten zu können beziehungsweise gegebenenfalls noch wachsen zu lassen, ist zusätzliches Kapital erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Josef Pfeifer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub. Ich bitte ihn, zu sprechen.

14.48

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Österreich ist bei der Entwicklungshilfe durchaus vorbildlich. Ich habe mir die Zahlen angesehen: Wir liegen über dem internationalen Durchschnitt. Aber bei der Kapitalaufstockung der EBRD wurde meines Erachtens doch etwas großzügig bis großspurig vorgegangen.

Es wird nämlich in der Regierungserklärung im Vorblatt unter der Überschrift "Problem" als Dogma hingestellt, daß der Kapitalanteil Österreichs an der EBRD quasi selbstverständlich beibehalten werden muß und beibehalten werden soll. Bei den Alternativen, die es zu diesem Gesetz gäbe, steht schlußendlich nur ein einziger Satz, nämlich: Es gibt keine Alternativen. Und das finde ich etwas dürftig. So locker kann man das nicht formulieren, weil das eine irreführend lapidare Feststellung ist. Das heißt in Wahrheit, Alternativen wurden gar nicht wirklich überlegt.

Ich glaube, da haben es sich die Regierung und die Koalition etwas zu einfach gemacht. Das ist uns zu wenig fundiert, und aus diesem Grund möchten wir der Kapitalaufstockung bei der EBRD nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.49

Präsident Josef Pfeifer: Bitte, Herr Dr. Linzer.

14.49

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Kollege Rockenschaub! Sie machen es sich ein bißchen einfach, wenn Sie einen Satz aus der Regierungsvorlage nehmen und sagen, das sei Ihnen zu wenig. Sie hätten sich schon ein bißchen die Hintergründe ansehen müssen. Was ist die Aufgabe der EBRD? Was hat sie bisher geleistet? Was soll sie in Zukunft leisten? Ich möchte das anhand von zwei Sätzen erläutern.

Ich weiß nicht, Kollege Rockenschaub, ob Sie mir jetzt zustimmen, aber eines ist, glaube ich, für uns klar: Den sicherheitspolitischen Aspekt punkto Osterweiterung halten wir für unbestritten. Auf diesem Weg dorthin gibt es etliche Meilensteine, angefangen bei der Demokratisierung der assoziierten Ostländer bis hin zur wirtschaftlichen Entwicklung der Infrastruktur et cetera. Das ist natürlich noch ein weiter Weg, aber auf diesem weiten Weg hat die EBRD eine riesengroße Aufgabe, und sie ist zweifellos ein großes Hilfsmittel für die Europäische Union, zu der wir uns bekennen und der wir beigetreten sind. Wer A sagt, muß auch B sagen. Wir sind dabei.

Wir sollten aber nicht zu allem vorbehaltlos ja sagen. Natürlich soll man sich anschauen, wie die Dinge laufen, welche Effizienz bisher erreicht wurde. Das eine oder andere läßt sich durchaus kritisieren, nicht alles wird goutiert. Das Bemühen der im Osten angrenzenden Nachbarländer ist zweifellos da.

Das wichtigste Thema ist für mich – Kollegin Riess war einige Zeit mit uns in Brüssel, da haben wir miteinander gekämpft – das Thema der Atomkraftwerke. Da gibt es eine absolute Reizschwelle. Der Herr Bundesminister Klima hat uns diesbezüglich mündlich und schriftlich zugesagt – auch dem Nationalrat –, daß es hier keinerlei Hilfestellungen gibt. Das heißt im Klartext,


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daß es mit EBRD-Geldern weder eine Aufrüstung noch eine Adaptierung (Bundesrat Waldhäusl: Weiß das Frau Stenzel auch?) oder was auch immer von Atomkraftwerken, sei es in der Ukraine, in der Slowakei oder sonstwo, geben wird. Diese schriftliche Erklärung ist für mich ausreichend. Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln. Meine Fraktion wird aus diesem Grund auf jeden Fall diesem Beschluß zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.53

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen samt Notenwechsel und Verständigungsprotokoll.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er einer Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

19. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird (KAG-Novelle 1996) (379 und 429/NR sowie 5303, 5304 und 5324/BR der Beilagen)

20. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen (380 und 430/NR sowie 5325/BR der Beilagen)


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21. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird (381 und 431/NR sowie 5326/BR der Beilagen)

22. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 (382 und 432/NR sowie 5327/BR der Beilagen)

Präsident Josef Pfeifer: Meine Damen und Herren! Wir gelangen nun zu den Punkten 19 bis 22 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird,

Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen,

Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird, und

eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000.

Die Berichterstattung über die Punkte 19 bis 22 hat Herr Bundesrat Peter Rieser übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Peter Rieser: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich bringe die Berichte zu den Tagesordnungspunkten 19 bis 22.

Zum Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird.

Der Bund und die Länder verlängerten den Geltungszeitraum der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1991 bis einschließlich 1994, BGBl. Nr. 863/1992, durch zwei weitere Vereinbarungen letztlich bis 31. Dezember 1996.

Auch in der Anpassung an die genannte Vereinbarung, BGBl. Nr. 863/1992, mit dem BGBl. Nr. 701/1991 erfolgte Änderung des Krankenanstaltengesetzes wurde in Durchführung der Verlängerungen des Geltungszeitraumes der Vereinbarung mit den Bundesgesetzen BGBl. Nr. 474/1995 und Nr. 853/1995 zweimal novelliert.

Am 29. März 1996 einigten sich der Bund und die Länder über die Grundsätze der Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung ab dem Jahr 1997.

Der Bund und die Länder kamen in weiterer Folge überein, die Details der Einigung vom 29. März 1996 in einer Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 zu regeln.

Mit dem vorliegenden Beschluß ist das Krankenanstaltengesetz in den folgenden Punkten an die neue Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 anzupassen:

Sicherstellung einer verbindlichen österreichweiten Krankenanstaltenplanung einschließlich einer Großgeräteplanung; Definition der Grundsätze und der Ziele sowie Erlassung der Landeskrankenanstaltenpläne, die sich im Rahmen des ÖKAP befinden;


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Übereinstimmung mit dem jeweiligen Landeskrankenanstaltenplan als weitere Voraussetzung für die Erteilung einer krankenanstaltenrechtlichen Bewilligung für Krankenanstalten, die aufgrund der neuen Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG finanziert werden beziehungsweise finanziert werden sollen;

Übereinstimmung mit dem Landeskrankenanstaltenplan als Voraussetzung für die Verleihung des Öffentlichkeitsrechts;

Übereinstimmung mit dem Landeskrankenanstaltenplan als Voraussetzung für die Zulässigkeit von Angliederungsverträgen;

Regelung der Zurücknahme der Errichtungs- und Betriebsbewilligungen;

Definition der Tages- und Nachtklinik sowie des halbstationären Bereiches;

Regelung der Facharztanwesenheit und der Rufbereitschaft;

Durchführung der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung;

Einrichtung von Landesfonds;

Verpflichtung der Krankenanstalten, auch Organen von Landesfonds die Einsichtnahme in Krankengeschichten zu ermöglichen;

Schaffung der Möglichkeit, daß die wirtschaftliche Aufsicht über Krankenanstalten, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, von den Landesfonds wahrgenommen werden kann;

Schaffung der Möglichkeit, die Deckung des Betriebsabganges über die Landesfonds durchzuführen;

Einrichtung des Strukturfonds;

Neuregelung der Zweckzuschüsse des Bundes.

Im gegenständlichen Gesetzesbeschluß des Nationalrates ist hinsichtlich der Grundsatzbestimmungen im Artikel I eine Frist von sechs Monaten und hinsichtlich der Grundsatzbestimmungen im Artikel III eine Frist von einem Jahr zur Erlassung von Ausführungsgesetzen vorgesehen. Für diese Fristen ist gemäß Artikel 15 Abs. 6 B-VG eine Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich.

Der Gesundheitsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen.

Der vorliegende Gesetzesbeschluß über die Dokumentation im Gesundheitswesen ist zur Durchführung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 notwendig.

Wesentliche Vorarbeiten für diese Reform (insbesondere die Ausarbeitung des Entwurfs des österreichischen Krankenanstaltenplanes einschließlich des Großgeräteplanes sowie des Modells der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung) konnten nur auf der Grundlage der vorhandenen Daten des österreichischen Gesundheits- und Krankenanstaltenwesens geleistet werden. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)


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Für die Beobachtung, Analyse und Weiterentwicklung des Gesundheitssystems und zur Weiterentwicklung des leistungsorientierten Vergütungssystems unter Berücksichtigung aller Gesundheitsbereiche werden auch in Zukunft zweckentsprechende Daten unverzichtbar sein.

Der Bund und die Länder haben sich daher in der eingangs genannter Vereinbarung darauf geeinigt, die bestehende Dokumentation im Krankenanstaltenwesen sicherzustellen und weiterzuentwickeln, um die Erfassung weiterer erforderlicher Daten zu ermöglichen.

In Transformation der neuen Vereinbarung regelt der gegenständliche Beschluß die folgenden Teilbereiche: Diagnosen- und Leistungsdokumentation im stationären Bereich; Diagnosen- und Leistungsdokumentation im spitalsambulanten Bereich; Dokumentation von Statistik- und Kostendaten in Krankenanstalten; Erfassung weiterer Daten; Strafbestimmung; Inkrafttretens- und Schlußbestimmungen.

Der Gesundheitsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ferner bringe ich den Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit das Ärztegesetz 1984 geändert wird.

Die im Ärztegesetz 1984 festgelegte Tätigkeit von Turnusärzten ausschließlich unter Anleitung und Aufsicht der ausbildenden Ärzte führt im Zusammenhang mit Vorschriften des Krankenanstaltenrechts zum Gebote einer permanenten Facharztpräsenz in Krankenanstalten. Die ist jedoch nicht auf allen Gebieten in gleicher Weise geboten, sodaß entweder die Kosten für den ärztlichen Personalaufwand höher liegen, als dies erforderlich ist, oder die Organisation des ärztlichen Dienstes zwar den sachlichen Anforderungen, nicht aber der Rechtslage entspricht.

Durch den vorliegenden Gesetzesbeschluß werden daher folgende Änderungen vorgenommen:

Während im Rahmen einer Novelle des Krankenanstaltengesetzes organisationsrechtlich die Grundlage geschaffen wird, daß in Krankenanstalten bestimmter Kategorien nicht uneingeschränkt für sämtliche in Frage kommende Sonderfächer eine permanente Anwesenheit eines Facharztes gegeben sein muß, ist ärzterechtlich eine Anpassung im Zusammenhang mit der bei der ärztlichen Tätigkeit von Turnusärzten geforderten Aufsicht durch ausbildungsverantwortliche Fachärzte und im Zusammenhang mit der Beschränkung der ärztlichen Tätigkeit von Fachärzten auf das jeweilige Sonderfach vorzunehmen.

Der Gesundheitsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich bringe ich den Bericht über den Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000.

In der Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz über die Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1991 bis einschließlich 1994, Bundesgesetzblatt 863/1992, kamen die Vertragsparteien Bund und Länder überein, das Modell "Leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung" mit dem Ziel weiterzuentwickeln, zum frühestmöglichen Zeitpunkt Grundlage für die Krankenanstaltenfinanzierung in Österreich zu sein. Weiters war in der Vereinbarung vorgesehen, die begonnenen Verhandlungen über die Reform des österreichischen Gesundheitswesens weiterzuführen.

Diese Vereinbarung wurde durch zwei Änderungen schließlich bis zum 31. Dezember 1996 erstreckt. Gleichzeitig mit der Verlängerung des Geltungszeitraumes vereinbarten der Bund und die Länder, unverzüglich über eine Reform der Struktur und der Finanzierung des gesamten Gesundheitswesens zu verhandeln und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die zur Durchführung dieser Reform erforderlichen bundes- und landesgesetzlichen Regelungen am 1. Jänner 1997 in Kraft treten.


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Mit dem erfolgreichen Abschluß der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern ist es gelungen, auf der Grundlage einer neuen Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz, die Finanzierung der Krankenanstalten über die Jahrtausendwende hinaus sicherzustellen und notwendige Strukturreformen einzuleiten, umzusetzen und weiterzuführen.

Eine zentrale Zielsetzung der Reform der Krankenanstaltenfinanzierung besteht in einer Erhöhung der Kosten- und Leistungstransparenz in den Krankenanstalten, die Mittel von der öffentlichen Hand erhalten. Durch die Einführung bundeseinheitlicher Krankenanstalteninformationssysteme, durch die mehrjährige Entwicklung und Erprobung leistungsorientierter Krankenanstaltenfinanzierungssysteme sowie durch die Erarbeitung von Qualitätsmanagementmodellen wurden die wesentlichen Voraussetzungen für diesen Reformschritt verwirklicht.

Die gegenständliche Vereinbarung ist gesetzändernd beziehungsweise gesetzesergänzend. Da auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, ist eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1,zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz erforderlich.

Eine von Bundesrat Gottfried Jaud eingebrachte Ausschußfeststellung fand nicht die Zustimmung der Ausschußmehrheit.

Der Gesundheitsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile es ihm.

15.08

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Mit den heute hier zu beschließenden Gesetzen soll die Reform des Gesundheitswesens in Österreich eingeleitet werden. Wir können dazu nur sagen: Die schwarz-roten Berge kreißten, was jetzt da aber herumpiepst, verdient unserer Auffassung nach den Namen "Reform" bei weitem noch nicht.

Frau Ministerin! Die Reform hätte an der Spitze bei der Ministerorganisation beginnen müssen. Man weiß nämlich bei diesen Materien nie, wer wann wie zuständig ist, Sie, Frau Ministerin Krammer, oder der Herr Hums. Wir Freiheitlichen wollen bei dieser Gelegenheit wieder einmal deponieren, daß wir der Auffassung sind, daß ein Gesundheitsministerium, dem nicht ausreichend Kompetenzen gegeben werden, unnötig ist.

Meine Damen und Herren! Die Halbheit und die Inkonsequenz, die an der Spitze beginnt, zieht sich durch die gesamte Materie hindurch. Ab 1. Jänner 1997 soll schrittweise mit der seit 1978 versprochenen Gesundheitsreform begonnen werden. Das Dauerprovisorium KRAZAF soll endgültig auslaufen. Ein Provisorium, das wegen Ineffizienz vom Rechnungshof immer wieder kritisiert worden ist, und dessen Abschaffung wir Freiheitlichen Jahr für Jahr gefordert haben, hat dazu geführt, daß viele Reformen auf der Strecke blieben und die Spitalskosten alarmierend gestiegen sind. Dem Trend von der Hauskrankenpflege und der extramuralen Betreuung hin zu den Krankenhäusern wurde über Jahre hinweg tatenlos zugesehen. Durch die Weigerung, Strukturreformen durchzuführen, gab es auch keine Kostendämpfung. Ein System der Verschwendung wurde auf die Schiene gelegt und über die Jahre hinweg einzementiert. Die Krankenversicherungsträger hatten und haben kein Interesse daran, daß der Patient nicht im Krankenhaus, sondern in häuslicher Pflege unter Betreuung von praktischen Ärzten verbleibt. Ein verantwortungsloses Hin- und Herschieben von Kosten war und ist die Folge.

Rund 100 Milliarden Schilling kosten Österreich 319 Krankenanstalten mittlerweile jährlich. Ab 1. Jänner wird in Österreichs Spitälern nicht mehr nach der Verweildauer des Patienten, sondern


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nach den tatsächlichen erbrachten Leistungen abgerechnet werden. Die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung wird eingeführt.

Mit Erschrecken, Frau Ministerin, müssen wir allerdings feststellen, daß Sie die LKF nicht mit den notwendigen flankierenden Maßnahmen unterstützen. Es werden neue Ländertöpfe eingerichtet, deren Bedeckung durch Länderschlüssel ausgehandelt wurde. Die Sicherung dieser Bedeckung allerdings stellen wir in Frage. Wir befürchten, daß man die Bundesländer in Zukunft bei der Abdeckung von großen Teilen dieser Kosten alleine lassen wird.

Die Krankenkassen, meine Damen und Herren, sind pleite, die Republik schon lange. Auch wenn sich der Herr Finanzminister noch so bemüht, die Schulden auszugliedern und zu verstecken, wird uns die Realität auch im Gesundheitsbereich einholen. Frau Ministerin! Auch wenn Sie einen österreichischen Krankenanstaltenplan, einen Großgeräteplan et cetera vorlegen werden, wird die Rechnung ohne Strukturreformen und ohne gesetzliche Begleitmaßnahmen nicht aufgehen. Zu Recht protestieren gerade in diesen Tagen Ärzte aus Standardkrankenhäusern gegen eine unzureichende Rufbereitschaft, die in vielen Bereichen für Patienten und Ärzte, vor allem wenn es sich um Turnusärzte handelt, unzumutbar ist. Die Verantwortung dafür haben Sie einfach an die Landeshauptleute abgeschoben, ohne die allfällige Finanzierung zu beachten.

Das, was Sie, Frau Ministerin, und Ihre Regierung als Gesundheitsreform verkaufen wollen, ist über weite Strecken eine Verwaltung von Mängeln, für die Sie und Ihre Vorgänger die Verantwortung tragen. Beginnen Sie daher bei sich selbst! Klären Sie Ihre Kompetenzen ab, verlangen Sie eine Stärkung Ihrer Positionen oder geben Sie Ihre Restaufgaben dem Sozialministerium! Koordinieren Sie das gesamte Sozialversicherungssystem, und sparen Sie zuerst bei der Verwaltung, bevor Sie über Gebührenerhöhungen nachdenken! Schaffen Sie die gesetzlichen Voraussetzungen, daß der extramurale Bereich zu einer Alternative zum Krankenhaus werden kann! Machen Sie zum Beispiel die Errichtung von Gruppenpraxen endlich möglich. Schaffen Sie ein System, das auf klare Kompetenzverteilung hinweist, das eine transparente Kostenverteilung aufweist und das zukunftsweisende Strukturen enthält. In den vorliegenden Gesetzen, Frau Ministerin, können wir diese Ziele nicht entdecken! Wir Freiheitlichen werden deshalb Einspruch erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.13

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile es ihm.

15.13

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Mein Vorredner, Bundesrat Bösch, meinte, eine Maus wurde geboren. – Ich darf ihm sagen, daß diese Maus immerhin einen Budgetumfang von jährlich mehr als 100 Milliarden Schilling aufweist. In der Vergangenheit konnte und wahrscheinlich auch in Zukunft kann und dieser Betrag nicht unterschritten werden, wenn wir die Leistung und die Qualität der Versorgung aufrechterhalten wollen.

Ich möchte es zurückweisen, daß Sie die Leistungen von Frau Bundesminister Krammer hier mit einigen wenigen Worten abqualifizieren. Ich glaube, wir haben die heutige Vereinbarung, mit der die Krankenhausfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 geregelt wird, ausschließlich der Frau Bundesminister und ihren engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verdanken. Der Grund dafür, daß es so lange, seit dem Jahre 1978, gedauert hat, bis wir zu dieser Lösung gekommen sind, ist nicht bei den jeweiligen Sozialministern, schon gar nicht bei Kollegen Bundesminister Hums, zu suchen. Vielmehr wurde von einigen Landeshauptleuten und deren Finanzreferenten eine Lösung in der Art, wie sie heute vorliegt, verhindert.

Wie schon gesagt: Mitte Oktober dieses Jahres kam es zu der lange Zeit erwarteten Einigung betreffend die Spitalsfinanzierung zwischen dem Bund, den Ländern, den Gemeinden, dem Hauptverband und vor allem den Krankenversicherungsträgern. Ab Jänner 1997 wird schrittweise mit der Umsetzung der Gesundheitsreform begonnen. Der damals als Provisorium gegründete, oftmals verlängerte Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds läuft endgültig aus. Ich


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habe schon erwähnt, daß in den vergangenen Jahren mehr als 100 Milliarden Schilling für die 319 Krankenanstalten in Österreich notwendig gewesen sind, darunter die 156 Krankenanstalten, die vom KRAZAF bezuschußt werden. Pro Jahr hat die Steigerungsrate der Kosten zwischen 8 und 10 Milliarden Schilling betragen, und wir sind froh darüber, daß nun eine Deckelung dieser Kosten vorgenommen und es zu einer breiten Transparenz der Spitalskosten kommen wird. Die Spitäler werden ab 1. Jänner nächsten Jahres nicht mehr nach der Verweildauer der Patienten im Spital abrechnen, sondern tatsächlich nach den Leistungen, die für den jeweiligen Patienten erbracht worden sind. Ich glaube, daß man daran den Qualitätsunterschied zwischen der nunmehrigen Lösung und Problembewältigung und jener der Vergangenheit erkennt.

Bundesweit wird nun das System einer leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung eingeführt. Zu den wesentlichsten Punkten der Erneuerung zählt neben der Krankenanstaltengesetz-Novelle aus dem Jahre 1996 die Lösung, von der ich nun spreche, nämlich die Vereinbarung gemäß Artikel 15a des Bundes-Verfassungsgesetzes über die Reform des Gesundheitswesens: Dazu gehören der österreichische Krankenanstaltenplan und der Großgeräteplan. Ferner werden ein Bundesgesetz über die Dokumentation im österreichischen Gesundheitswesen, das Ärztegesetz, der Spitalsambulanzenplan, der Niederlassungsplan für Kassenvertragsärzte, der Pflegebereichsplan und der Rehabilitationsplan beschlossen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei allen unverzichtbaren Bemühungen zur Kostendämpfung im Spitalswesen muß aber unbedingt eine Absicherung des bisher hohen Qualitätsniveaus der Anstaltsbehandlungen und der Pflege auch für die Zukunft gewährleistet werden. Diesen hohen Standards können durch Vorgaben von Mindeststandards im personellen Bereich und im apparativen Bereich gehalten werden. Im Bereich der medizinischen Leistungen haben Qualitätssicherungsaspekte, und zwar im Bereich der Strukturprozeß- und Ergebnisqualität, für uns eine sehr zentrale Bedeutung. Deren Realisierung ist in Form eines Qualitätsmanagements in den Krankenanstalten bundesweit Rechnung zu tragen. In diesem Zusammenhang ist auch dafür Sorge zu tragen, daß die Mitarbeiter die erforderliche Ausbildung beziehungsweise Um- und Nachschulung, vor allem im Managementbereich, im Controlling, im Rechnungswesen und im Informationswesen beanspruchen können.

Wie auch vom Kollegen Bösch erwähnt, erfolgt die Finanzierung der Krankenanstalten nun über neun Landestöpfe, die mit weitreichenden Gestaltungsfreiheiten ausgestattet sind. In die Landestöpfe werden aber auch weiterhin – und darauf möchte ich im besonderen hinweisen – neben den Ländern, dem Bund, den Gemeinden und den Städten auch die Sozialversicherungseinrichtungen Milliardenbeiträge einzahlen.

Es ist aber auch sichergestellt, daß jene Krankenanstalten, die Beiträge zum Betriebsabgang oder zum Errichtungsaufwand oder Zahlungen aus dem Landesfonds erhalten, der wirtschaftlichen Aufsicht durch die jeweilige Landesregierung und der Gebarungskontrolle durch den Rechnungshof unterliegen. Es ist also auch gesichert, daß die Verwendung der Mittel aus den Töpfen sowohl von der eigenen Landesregierung als auch vom Bundesrechnungshof kontrolliert werden kann. Auch ich halte das für richtig.

Abschließend möchte ich nochmals festhalten, daß die Mitte 1997 in Kraft tretenden Maßnahmen zu keiner Beeinträchtigung der bisherigen hohen Leistungen und des hohen Leistungsniveaus in den österreichischen Spitälern und im österreichischen Gesundheitswesen insgesamt führen werden, sondern daß es mittelfristig sogar zu Verbesserungen kommen wird. Davon bin ich persönlich überzeugt, und daher werden wir Sozialdemokraten der vorliegenden Vereinbarung mit ruhigem Gewissen die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.21

Vizepräsident Dr. DDr. h.c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile es ihm.

15.21

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hoher Bundesrat! Mit Freude kann ich heute feststellen, daß sich die in meiner


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letzten Rede zur Krankenhausfinanzierung geäußerte Hoffnung nun doch erfüllt hat. Ich sagte damals in Hinblick auf die x-maligen Verlängerungen des Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds, des KRAZAF: Hoffentlich ist es nun wirklich das letzte Mal, daß dieser Fonds verlängert wird. Und tatsächlich, Frau Ministerin, haben Sie es nun geschafft! Ich gratuliere Ihnen! Es war sicherlich keine sehr leichte Arbeit, die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung endlich durchzusetzen.

Wie der Berichterstatter feststellte, fand die von mir eingebrachte Ausschußfeststellung nicht die nötige Mehrheit. Bei genauer Durchsicht der vorliegenden und heute zu beschließenden Regierungsvorlage habe ich aber gesehen, daß diese Ausschußfeststellung nicht notwendig gewesen wäre, weil auf Seite 27 der Beilagen eine Nebenabrede zur Vereinbarung eingefügt wurde, die genau dem Inhalt dieser Ausschußfeststellung entspricht. In dieser Nebenabrede wird vereinbart, daß Gesetze und Verordnungen des Bundes, die für andere Gebietskörperschaften unmittelbare finanzielle Belastungen im Krankenanstaltenwesen verursachen, nur mit Zustimmung der Landesregierung, des österreichischen Städtebundes sowie des österreichischen Gemeindebundes beschlossen werden können. Dasselbe gilt auch für Gesetze und Verordnungen des Landes. – Ich darf mit einer gewissen Genugtuung feststellen, daß jene, die meiner Ausschußfeststellung im Ausschuß keine Zustimmung gaben, nun hier im Plenum durch den Beschluß dieser Regierungsvorlage genau derselben Vereinbarung ihre Zustimmung geben.

Das Gesundheitswesen hat sich in Österreich ähnlich wie andere staatliche Betriebsstrukturen entwickelt. In den letzten Jahrzehnten, ab der Geburtsstunde der Zweiten Republik, waren diese staatlichen Strukturen eine Notwendigkeit und sehr effizient. Die Veränderungen in unserer Gesellschaft, im besonderen der allgemein steigende Wohlstand und die ungeheuer rasche technische Entwicklung – man denke nur an das Transplantationswesen –, führten allmählich dazu, daß durch die mangelnde Konkurrenzsituation und durch die mangelnde Leistungsorientiertheit die Kosten für erbrachte Leistungen unverhältnismäßig stark gestiegen sind.

Die Problemlösung in einer solchen Situation ist bei reinen Wirtschaftsbetrieben relativ einfach. Sie werden privatisiert, damit der Konkurrenzsituation des Marktes ausgesetzt, und es entstehen dann automatisch wirtschaftlich vertretbare Strukturen. Beim Gesundheitswesen ist das nicht so einfach, weil in diesem Bereich ein hohes allgemeines Interesse besteht. Es ist daher notwendig, eine Mischform zwischen Zwängen, staatlicher Einflußnahme und Rücksichtnahme auf wirtschaftliche Notwendigkeiten zu finden. Die hohe Qualität des österreichischen Gesundheitswesens darf aber durch solche Veränderungen auf keinen Fall beeinträchtigt werden. Nach meiner Auffassung wird mit dem Modell der leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung, ein sehr guter Weg in die Zukunft des österreichischen Gesundheitswesens beschritten.

Natürlich ist die heute zu beschließende Gesetzesvorlage nur ein erster Schritt in diese Richtung. Ich kann in diesem Zusammenhang der Aussage des Kollegen Bösch nicht meine Zustimmung geben, wenn er meint, er sei sehr mißtrauisch und befürchte, daß in Zukunft die Finanzierung in unverhältnismäßiger Höhe den Ländern überlassen werden wird. Ich habe hier eine Vereinbarung meines Landeshauptmannes Wallnöfer, Entschuldigung, Weingartner – Wallnöfer hätte das auch unterschrieben, davon bin ich überzeugt (Bundesministerin Dr. Krammer: Davon bin ich auch überzeugt!) – mit der Gesundheitsministerin Krammer. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Und diese beiden Unterschriften sind mir Garantie genug, daß finanzielle Vereinbarungen, die nun für drei Jahre abgeschlossen werden, auch in Zukunft halten werden.

Ich könnte mir vorstellen, daß nach einer längeren Anwendung der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung alle Gesundheitsleistungen in Österreich bei gleicher Qualität etwa gleich viel kosten. Dies würde, wie ich glaube, auch für die privaten Krankenhäuser große Chancen eröffnen. Ich könnte mir vorstellen, daß die privaten Krankenhäuser mit den gleichen Gebühren wie die staatlichen Krankenanstalten gut wirtschaften können, obgleich die privaten Krankenanstalten kaum Investitionsbeiträge durch die öffentliche Hand erhalten, während die Gemeinden und Länder mehrere Milliarden Schilling an Investitions- und Erhaltungskosten für die staatlichen Krankenanstalten bezahlen.


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Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich möchte nicht der völligen Privatisierung des Gesundheitswesens das Wort reden. (Bundesrat Dr. Tremmel: Leben müssen sie aber wenigstens!) Aus derzeitiger Sicht ist eine staatliche Lenkung sicherlich erforderlich. Ich könnte mir aber vorstellen, daß der Krankenanstaltenplan und der Großgeräteplan nach einer gewissen Zeit aufgelassen werden können, weil sich das durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen automatisch regeln wird. Ein Nebeneinander von staatlichen Krankenanstalten und privaten Krankenhäusern wird für das Gesundheitswesen heute und auch in Zukunft sicher von großem Vorteil sein.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir in Österreich einen sehr wesentlichen Schritt in Richtung Verbesserung der Finanzierung des österreichischen Gesundheitswesens getan. Im wesentlichen enthält die Spitalsreform eine Neuordnung der Finanzierung auf Basis der langjährigen ÖVP-Forderung nach Einführung der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung. Die Alternativen zu den vorliegenden Gesetzen wären die nochmalige Verlängerung des KRAZAF – vielleicht will dies die Freiheitliche Partei – beziehungsweise das Salzburger Modell. Beides kommt für die ÖVP nicht in Frage. Wir stimmen deshalb dieser Gesetzesvorlage sehr gerne zu. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.29

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort ist weiters Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel gemeldet. Ich erteile es ihm.

15.29

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sie wissen, warum ich jetzt nicht geklatscht habe. (Bundesministerin Dr. Krammer: Wir werden es gleich hören!) Ich bin ein bisserl anderer Meinung. Ich vertrete nämlich die Meinung, meine Damen und Herren, daß hier durchaus einiges zum Guten geregelt ist, ein sehr erheblicher Teil aber für mich leider Gottes nicht im Sinne der Gleichbehandlung geregelt ist, nämlich die Finanzierung und die Erhaltung von privaten Krankenanstalten, und das kommt für mich in dieser Vorlage zuwenig zum Ausdruck.

Die Finanzierung von privaten Krankenanstalten für stationäre Heilbehandlungen erfolgte bisher durch die gesetzlichen Krankenversicherungen, in derselben Höhe wie pro Aufenthaltstag bei den öffentlichen Krankenanstalten im entsprechenden Bundesland. Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, sind die meisten dieser Verträge gekündigt worden, ein Teil ist erneuert worden, ein Teil ist noch nicht erneuert worden. Und genau das ist des Pudels Kern, meine Damen und Herren: Private Krankenanstalten stehen jetzt letztlich vor der Frage, wie sie zu einem Vertrag kommen, während den öffentlichen Krankenanstalten dieser Vertrag auf jeden Fall gegeben wird.

In dieser Vorlage zur Einführung einer sogenannten leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung ist festgeschrieben, daß die bisherigen Pflegegebührenersätze der gesetzlichen Krankenversicherung eines Bundeslandes – das ist teilweise schon ausgeführt worden – an die jeweiligen Länderfonds zu leisten sind und daß nur jene Krankenanstalten aus den Länderfonds Gelder erhalten, die bisher Gelder aus dem KRAZAF bezogen haben. Der Schluß ist also an und für sich vollzogen. Es ist dem Goodwill der jeweiligen gesetzlichen Versicherungsanstalt überlassen, ob sie einen Vertrag abschließen will.

Es ist möglich, daß es diesbezüglich interne Richtlinien gibt, nach denen bei entsprechendem Ausstattungsgrad und entsprechender Dimensionierung und Qualität der Anstalt Verträge gegeben werden. Allerdings, meine Damen und Herren, Frau Ministerin, handelt es sich hiebei um interne Richtlinien, denn sonst könnte es nicht etwa zu Vorgangsweisen kommen, daß eine private steirische Krankenanstalt in der Steiermark keine Verträge bekommt, allerdings mit Niederösterreich und mit anderen Bundesländern im gleichen Bereich Verträge bekommt. An diesem Punkt kann man immer wieder den Hebel ansetzen und sagen: Wenn du dich nicht entsprechend verhältst – was sich nicht immer auf die Qualität beziehen muß –, dann bekommst du keinen Vertrag. Wenn es sich um einen kleinen Bereich handelte, dann wäre das, meine


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Damen und Herren, zu akzeptieren. In diesem Fall handelt es sich jedoch um Qualitätsbereiche, die nicht nur in Österreich einen besonderen Ruf haben, sondern die Weltruf haben.

Ich habe schon bei einem meiner Debattenbeiträge erwähnt, daß der Krankentourismus nach Österreich durch diejenigen, die zahlen, durchaus nicht zu mißachten ist.

Um zu einem weiteren Punkt zu kommen: Für die Kunden der privaten Krankenversicherungen stellt sich ebenfalls die Frage, weshalb ihnen die Möglichkeit der freien Arzt- und Anstaltswahl, die Ihnen ja laut Gesetz geboten werden müßte, entzogen werden soll. Denn das ist der Fall, wenn hier die Gleichbehandlung nicht erfolgt. Meine Damen und Herren! Immerhin sind bis zu 20 Prozent der Bevölkerung eines Bundeslandes Mitglieder einer privaten Krankenzusatzversicherung für Krankenhauskosten. Zählt man die Versicherungen der Krankenhaustaggeldtarife hinzu, dann erhöht sich dieser Anteil auf bis zu 50 Prozent. Dieser große Personenkreis wird durch die derzeit getroffene Regelung eindeutig – und ich glaube: erheblich – benachteiligt.

Ein weiterer Bereich, den ich auch noch anschneiden möchte: Es verhält sich nun vielmehr so, daß den gesetzlichen Krankenversicherungen der Weg geebnet wurde, sich aus ihren eigenem Tätigkeitsfeld zurückzuziehen. Kollege Bösch hat auch schon die Reformnotwendigkeiten in diesem Bereich erwähnt, nämlich Reduzierung der Verwaltung der Versicherung et cetera. Dies hat man jedoch nicht gemacht. Die Versicherungen entfernen sich von ihrer Aufgabe des Risikoausgleichs und werden de facto vielmehr zu Inkassostellen.

Darüber hinaus wurde die Höhe der Zahlungen der Krankenversicherungen für Krankenhausbehandlung auf dem Stand des Jahres 1994 – das haben wir schon gehört – eingefroren. Ein sich praktisch zwangsläufig ergebender finanzieller Mehrbedarf muß aus anderen Budgettöpfen abgedeckt werden. Unserer Meinung nach wurde das für das Funktionieren einer leistungsorientierten Abrechnung unabdingbare Grundprinzip: eine Leistung – ein Preis in ganz Österreich durch die neun Ländertöpfe unterlaufen. Ich weiß schon: Gemäß der gesetzlichen Lage ist einerseits Zielgesetzgebung, andererseits Ausführungsgesetzgebung vorhanden. Das ist eine formale Antwort. Aber in der praktischen Handhabung verhält es sich dann so, daß die Verantwortung in die Hände der einzelnen Länder gelegt wird. Kollege Jaud! Sie haben den Vertrag hier vorgewiesen, den der Herr Landeshauptmann einerseits und die Frau Ministerin andererseits unterzeichnet haben. – Ich bezweifle nicht, daß man beabsichtigt, sich daran zu halten. Aber wenn es finanziell eng wird – und leider Gottes ist es noch immer irgendwo eng geworden –, dann wird dort zuerst abgeschnitten, wo es am leichtesten geht. Und das, meine Damen und Herren, kann wieder nur beim privaten Bereich der Fall sein! Nicht daß ich hier ausschließlich einer Privatisierung des Gesundheitswesens das Wort reden möchte. Aber im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Jaud, wollen ich und meine Fraktion verhindern, daß durch diese neue Gesetzesvorlage heute der private Bereich der Krankenanstaltenträger gefährdet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und des Bundesrates Gerstl. )

Daher meine ich, daß wir und die privaten Krankenanstalten zu Recht fordern, daß diese für die Erbringung einer bestimmten Leistung auch den dafür vorgesehenen – wie ich hoffe, noch sehr lange – Schillingbetrag in gleicher Höhe erhalten wie das nächstgelegene öffentliche Krankenhaus. Es ist daher unser Wunsch, unser Ersuchen und unsere Bitte, daß in diesem Bereich, der ein notwendiger und wichtiger Bereich für die Bevölkerung ist, eine Gleichbehandlung erfolgt. (Beifall bei den Freiheitlichen und des Bundesrates Gerstl. )

15.37

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. – Ich erteile es ihm.

15.37

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Verehrte Damen und Herren! Sie werden sich vielleicht erinnern können, daß ich von diesem Platz aus vor knapp einem Jahr vehement gefordert habe, endlich mit dem alten Provisorium des Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds Schluß zu machen und Reformen im Gesundheitswesen umzusetzen, denn die Ergebnisse der Untersuchungen der Experten lagen ja schon einige Jahre vor, und es war an der Zeit, etwas zu tun.


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18 Jahre Provisorium gehören mit Ende des Jahres 1996 nun aber endgültig der Vergangenheit an. In diesen vergangenen Jahren hat sich das Gesundheitswesen ganz gewaltig verändert. Einerseits wurden die Möglichkeiten größer, andererseits sind jedoch die Kosten dermaßen explodiert, daß die weitere Finanzierbarkeit ständig in Frage gestellt war. Und diese Frage mußte schlußendlich selbstverständlich zu Reformen führen.

Die Explosion der Kosten lag einerseits am unzureichenden System, andererseits aber auch am schon angesprochenen gewaltigen Fortschritt der Medizin, der natürlich uns allen zugute kommen muß. Es gab und gibt bedauerlicherweise nach wie vor teilweise eine Überversorgung mit extrem teuren medizinischen Einrichtungen. Ich hoffe, daß wir mit diesen Gesetzen, die heute zur Beschlußfassung anstehen, damit Schluß machen. Durch die Einführung einer österreichweiten verbindlichen Krankenanstaltenplanung einschließlich Großgeräteplanung in Verbindung mit der Durchführung der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung wird meines Erachtens sichergestellt, daß im Gesundheitswesen eine langfristige Eindämmung der von mir bereits genannten Kostenexplosion stattfinden können wird.

Mir scheint es auch wichtig zu sein, daß Schritt für Schritt bestehende teure Überkapazitäten abgebaut werden. Wie ich den Medien entnehme, sollen das allein in Niederösterreich 167 Akut-betten sein. Es war immer das Dogma meiner Partei – und was übrigens auch mein eigenes –, von der Erhöhung von Beiträgen und Gebühren abzusehen, bevor nicht alle möglichen Sparmaßnahmen getroffen wurden. Dabei ist grundsätzlich darauf zu achten, daß bei allen Einsparungen die Versorgung im Gesundheitswesen für alle Menschen in Österreich garantiert bleiben muß und entsprechend den medizinischen und technischen Gegebenheiten auch ausgebaut wird.

Ich halte persönlich die Verländerung des Spitalswesens für einen gewaltigen Reformschritt. Die Einführung der LKF, die dazu führt, daß die Verweildauer in den Spitälern auf das medizinischen Erfordernissen entsprechende Maß beschränkt wird, halte ich für richtig. Ich möchte daher unsere heutige Verabschiedung dieser Gesetze als Sternstunde im österreichischen Gesundheitswesen bezeichnen. Ich weiß, daß ich damit im vollen Gegensatz zu der nicht anwesenden F stehe. (Zwischenrufe des Bundesrates Waldhäusl. ) Deren Vertreter haben im Nationalrat aus populistischen Gründen, um politisches Kleingeld zu schlagen, die Beschlußfassung rund um diese seit langem fälligen Reformschritte als schwarzen Tag für das Gesundheitswesen bezeichnet. Aber eine derartige Vorgangsweise ist uns ja nicht unbekannt. Die Vertreter der F agieren immer in der gleichen Art: Zuerst werfen sie der Regierung Versäumnisse vor, stehen dann aber Reformschritte zur Beschlußfassung an, üben sie heftigste Kritik, anstatt auch ein bißchen an Verantwortung mitzutragen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich weiß, daß die Kritik durch die Einführung der sogenannten Rufbereitschaft ausgelöst wurde. Dort setzt die Kritik an. – Meine Überzeugung ist, daß sich die Ärzte im Gegensatz zur F ihrer Verantwortung gegenüber den Kranken voll bewußt sind. Die Rufbereitschaft der Ärzte ist ein Mittel dazu, Kosten zu sparen. Ich bin sicher, daß kein Patient dadurch zu Schaden kommt. (Bundesrat Weilharter: Sie sind ein Hobbymediziner!) Unser westlichstes Bundesland Vorarlberg zeigt diesbezüglich schon seit 20 Jahren ein positives Beispiel. Dort wird die Rufbereitschaft seit zwei Jahrzehnten problemlos praktiziert, und die Qualität der ärztlichen Versorgung ist dort mindestens so gut wie in den anderen Bundesländern.

Um alle Bedenken der Kritiker auszuräumen, möchte ich Ihnen einen Teil der Ausschußfeststellung zum § 8 Abs. 1 des KAG zur Kenntnis bringen. – Dort heißt es: "Der Gesundheitsausschuß geht davon aus, daß der jeweilige Landesgesetzgeber im Bewußtsein der Verantwortung des jeweiligen Landes für die Sicherstellung der Spitalsversorgung in seinem Bereich in Ausführung der grundsatzgesetzlich eingeräumten Möglichkeit einer Rufbereitschaft Landesausführungsregelungen beschließen wird, die über den grundsatzgesetzlich vorgegebenen Mindeststandard hinaus nach Größe, Leistungsangebot und Versorgungsauftrag differenzieren, das heißt, noch strengere Normen für die Rufbereitschaft im Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienst vorsehen. In diesem Sinne versteht der Gesundheitsausschuß die von den für das Spitalswesen verantwortlichen Landesräten abgegebenen Garantieerklärungen dahin, daß gegenüber heute in der Praxis bereits existierenden Formen von Rufbereitschaft durch die


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zwingende Verpflichtung der Anwesenheit eines Facharztes keine Verschlechterung der Qualität der medizinischen Notfallversorgung eintritt, sondern vielmehr eine Verbesserung erfolgt." – Damit möchte ich abschließen und zum Ausdruck bringen, daß ich diesen Gesetzen gerne zustimme, weil damit ein altes, zu lange bestehendes und zu teures System endgültig der Vergangenheit angehört. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.44


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Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile es ihr.

15.44

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich werde mich im Zusammenhang mit der vorliegenden Gesetzesmaterie nur mit der Änderung des Ärztegesetzes, sprich: mit der Rufbereitschaft der Ärzte, befassen, da mein Kollege Drochter, aber auch andere Vorredner schon auf die Reformen im Gesundheits- und Krankenanstaltenwesen im besonderen eingegangen sind.

Zuallererst möchte ich aber Ihnen, liebe Frau Ministerin, herzlich danken und Ihnen ein großes Lob dafür aussprechen, daß es Ihnen gelungen ist, diese große Reform in Gesundheitswesen und in der Krankenanstaltenfinanzierung über die Bühne zu bringen. Es war nicht leicht für Sie, nach so vielen Anläufen, die auch bereits unter Ihren Vorgängern genommen wurden, nun zu einem Abschluß mit den Ländern zu kommen, der – so meine ich – ein wichtiges Grundgerüst für eine dauerhafte Lösung beziehungsweise eine Finanzierungsgarantie über die Jahrtausendwende hinaus, so hoffe ich, darstellen sollte.

Meine Damen und Herren! Über die sogenannte Rufbereitschaft bei den Ärzten ist in den letzten Monaten heftigst diskutiert worden, und es ist zu Polarisierungen gekommen. Es wurden Ängste geschürt, viele Teile der Bevölkerung waren oder wurden verunsichert. Aus der Sicht der Steiermark betreffend die Situation in unseren Krankenhäusern kann ich in keiner Weise diesen Vorwurf einer dramatischen Verschlechterung der Gesundheitsversorgung bei Einführung der Rufbereitschaft bestätigen, weil es diese bei uns schon seit vielen Jahren gibt, und das nicht nur in kleineren Krankenhäusern, sondern auch in Schwerpunktkrankenhäusern wie zum Beispiel im LKH Leoben. Lieber Kollege Weilharter! Du wirst mir sicherlich recht geben: dort funktioniert alles prima. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. ) Du kannst doch Bruck nicht mit Leoben vergleichen, das muß ich mir schon ausbitten! Ich habe vor einigen ... (Weitere Zwischenrufe des Bundesrates Weilharter. ) Horch mir bitte zu! Ich habe vor einigen Jahren selbst miterlebt, wie gut bei einer plötzlich notwendig gewordenen schwierigen Operation mitten in der Nacht die Zusammenarbeit zwischen dem Hausarzt, der die notwendige Erstversorgung durchgeführt hat, dem die Operation vorbereitenden Arzt im Krankenhaus und dem – leider aus dem Schlaf gerissenen – Chirurgen funktioniert hat. Ich habe erst nach einigen Tagen erfahren, daß der Chirurg erst von auswärts herbeigerufen werden mußte. Ich hatte aber nicht das Gefühl, daß dadurch die Operation eine Verzögerung erfuhr, weil unter den beteiligten Ärzten schon in der Vorbereitungsphase kommuniziert wurde beziehungsweise entsprechende Anordnungen an das im Krankenhaus Dienst habende Ärztepersonal erteilt wurden. – Ich bin sicher, daß es sich hiebei nicht um einen Einzelfall handelte, sondern diese Vorgangsweise seit Jahren in unseren Krankenhäusern bestens funktioniert.

Es stellt sich für mich in diesem Zusammenhang natürlich die Frage, ob einem Arzt, der um drei Uhr in der Früh mit einer Operation auf Leben und Tod beginnt, dann ohne Unterbrechung bis zum späten Nachmittag außerordentliche Belastungen zugemutet werden können. Aber diese Frage wird – so glaube ich – sicherlich mit dem Ärztearbeitszeitgesetz, das wir in der nächsten Sitzung zu behandeln haben werden, zufriedenstellend gelöst werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Zusammenhang möchte ich am Rande noch einbringen, daß vor allem die häufige Abwesenheit von Primarärzten in der Bevölkerung sehr kritisch beurteilt wird. Auch dieses Problem müßte baldigst einer Lösung zugeführt werden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.47

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesministerin Dr. Krammer. Ich erteile es ihr.

15.47

Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In vielen Staaten Europas sind Reformen des Gesundheitswesens das Thema Nummer eins, und in vielen Staaten wurde damit teilweise schon begonnen. Es ist dies kein österreichisches Spezifikum, sondern das ist überall dringend notwendig, weil die Kostenexplosion einzudämmen ist und gleichzeitig – und das ist das schwierige – die Qualität der Gesundheitsversorgung aufrechterhalten werden muß. Denn es soll sich für die Patienten nichts verschlechtern.

Vielleicht hat mancher den Eindruck – und das ist ja auch hier durchgeklungen –, daß wir in Österreich mit den Reformen nicht allzu schnell waren. Tatsache ist aber, daß wir mit unserem ersten Reformschritt – und ich lege immer Wert auf die Feststellung, daß es sich hiebei nicht um die gesamte Gesundheitsreform, sondern lediglich um einen ersten Schritt handelt – nicht gezögert haben oder langsam waren. Faktum ist, daß Österreich als einer der ersten Staaten nun diesen Reformschritt getan und es geschafft hat, die anderen Staaten zu überholen. Denn unsere Reform ist weitreichender und umfassender. Wir sind stolz darauf, daß wir als eines der ersten europäischen Länder jetzt die leistungsorientierte Finanzierung flächendeckend und umfassend für die öffentlichen und die privaten gemeinnützigen Krankenhäuser eingeführt haben. Das ist akkordiert. Die Sorge, die Sie geäußert haben, Herr Bundesrat Tremmel, ist daher unbegründet.

Der verbindliche, ganz Österreich umfassende Krankenanstaltenplan wird ebenfalls mit 1. Jänner nächsten Jahres in Kraft treten.

Etwas ist für mich ganz wichtig, meine Damen und Herren, und ich hoffe, auch für Sie: Es ist uns gelungen, es im Rahmen dieser Reform zuwege zu bringen, daß es zu keiner weiteren Erhöhung von Selbstbehalten für die Patienten gekommen ist.

Zu den Reformschritten im einzelnen. Dieser österreichische Krankenanstaltenplan ist kein Schließungsplan, wie er manchmal, von manchen oft wider besseres Wissen, sehr gerne bezeichnet wurde. Es ging und geht darum, die vorhandenen Mittel der Beitragszahler zu den Krankenversicherungen bestmöglich auf alle Gesundheitseinrichtungen aufzuteilen. Sie sollen dort zugeteilt werden, wo sie tatsächlich benötigt werden, und von dort weggenommen werden, wo Doppelgeleisigkeiten vermieden werden können. Als oberstes Ziel des Krankenanstaltenplanes wird die Sicherstellung der stationären Akutversorgung durch leistungsfähige Krankenhäuser verfolgt. Es soll aber entsprechend dem Leistungsspektrum der Spitäler eine Abstimmung aufeinander erfolgen. Es macht keinen Sinn, wenn es im Abstand von zehn Kilometern zwei Krankenhäuser gibt, die alle ein und dasselbe Leistungsspektrum anbieten. Wir haben den Plan – so meine ich – sehr sinnvoll in völliger Akkordanz mit den Bundesländern so abgestimmt, daß wir dem Bedarf der Bevölkerung bestmöglich gerecht werden.

Meine Damen und Herren! Niemand wird Abteilungen in Krankenhäusern schließen, von denen wir wissen, daß die Bevölkerung sie braucht. Das wäre blanker Unsinn! Wir haben aber im Gegenteil sogar Bereiche, in denen Unterversorgungen bestehen. Das ist auch in diesem Krankenanstaltenplan festgehalten. Wir haben aufgrund der demoskopischen Daten festgestellt, daß wir Remobilisations- und Rehabilitationseinrichtungen brauchen. Das haben wir auch in diesem Krankenanstaltenplan vermerkt. – Es gibt aber auch Einrichtungen, die wir nicht mehr im bisherigen Ausmaß brauchen, weil sie überholt sind. Auf diesem Gebiet bestehen Überkapazitäten, den Mut muß man auch haben, das zu sagen. Wir haben ihn gehabt und haben gesagt: In der Kinderheilkunde besteht zum Beispiel ein Überangebot. Vieles brauchen wir nicht mehr. Das ist schön, denn es ist ein Erfolg der Gesundheitspolitik, wenn wir Geräte zur Behandlung von Krankheiten, an denen Kinder früher in großer Zahl gestorben sind, nicht mehr brauchen! – Aber wir Österreicher bekleckern uns ja selber so gerne, anstatt daß wir sagen: Wir sind stolz drauf,


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daß wir etwas geschafft haben, wir brauchen einiges nicht mehr. Widmen wir uns daher dem, was wir jetzt brauchen, nämlich der Gesundheitsvorsorge für die ältere Bevölkerung!

Wichtig für mich ist: Leistungen, die nicht unbedingt im Krankenhaus erbracht werden müssen, brauchen nicht im Krankenhaus erbracht zu werden. Das ist ja jetzt auch klar angeklungen. Es können Leistungen in außenstationäre beziehungsweise teilstationäre Einrichtungen ausgelagert werden, und es können Tageskliniken eingerichtet werden. Für viele, viele Leistungen ist ein stationärer Aufenthalt im Krankenhaus über Nacht nicht notwendig, denn das kostet Geld und ist vermeidbar, ohne daß der Patient einen Qualitätsverlust in der Behandlung merkt oder spürt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Einführung der leistungsorientierten Finanzierung ergäbe keinen Sinn, wenn man sie in die falsche Spitalslandschaft stellte, also müssen von den Krankenhäusern die richtigen Leistungen geboten werden, nämlich jene Leistungen, die die Bevölkerung braucht, und dann wird nach dem leistungsorientierten Finanzierungssystem abgerechnet. Das ist richtig, und das wollen wir machen.

Meine Damen und Herren! Dieses Finanzierungssystem ist nach einheitlichen Kriterien in jedem Bundesland erstellt, kann aber trotzdem geringfügig von jedem Bundesland nach seinen Bedürfnissen abgewandelt werden. Da das noch niemand gesagt hat, sage ich es und lobe den Bund einmal selber – nur der Kramer lobt seine Ware, heißt es, also tue ich es nun –: Der Bund hat sich verpflichtet, vier Jahre hindurch zusätzlich 12 Milliarden Schilling für die Krankenanstaltenfinanzierung aufzubringen, um den Ländern die Umstellung zu ermöglichen und zu erleichtern, damit die Patienten nicht aufgrund dieser Reform einen Nachteil zu befürchten haben. Wir haben dieses Finanzierungsmodell in Vorarlberg erprobt, und ich kann mich erinnern, daß ich an dieser Stelle von Vorarlberg schon einmal gesprochen und gesagt habe, wie erfolgreich dieses System dort ist. Auch in Niederösterreich hat man im Jahre 1996 begonnen, die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung einzuführen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß in aller Deutlichkeit folgendes festhalten: Durch die Einführung der leistungsorientierten Finanzierung werden die Krankenhäuser selbstverständlich nicht billiger, das ist unmöglich. Das Finanzierungssystem ist nur ein Teil des Reformpaketes, denn wir wollen ja nicht nur eine Finanzierungsreform, sondern vor allem eine strukturelle Gesundheitsreform. Es muß uns gelingen, die Strukturen im Gesundheitswesen zu verändern, und das hat dann auch – logischerweise – Auswirkungen auf den Kostenbereich. So stelle ich mir das vor, und auf diese Weise beginnen wir, indem wir das, was Sie heute beschließen werden, mit 1. Jänner in die Tat umsetzen.

Im Gesundheitswesen muß man sich zum Beispiel überlegen, wie man es verhindern kann, daß Spitalsambulanzen und niedergelassene Ärzte dieselbe Leistung anbieten. Entsprechende Leistungen werden in den niedergelassenen Bereich ausgelagert, aber man muß dafür zugleich sagen, daß auch ein System in dieser Auslagerung liegt. Ein zentraler Punkt der Reform ist die Erstellung eines gesamtösterreichischen Gesundheitsplanes. Er wird den Krankenanstaltenplan, den wir schon haben, enthalten, ferner einen Spitalsambulanzplan, einen Rehabilitationsplan, einen Niederlassungsplan für Kassenvertragsärzte, und auch den Pflegebereich werden wir reformieren müssen. Wir werden im Interesse der Patienten all das koordinieren und abstimmen, sodaß alle Anbieter von Gesundheitsleistungen in einem vernetzten System für die österreichischen Patienten das anbieten, was diese tatsächlich brauchen. Auf Landesebene werden Landeskommissionen eingerichtet werden, und auf Bundesebene wird die Strukturkommission installiert werden, die die Entwicklungen im Gesundheitswesen beobachten wird.

Ich möchte eines auch festhalten: Was Sie heute beschließen, meine Damen und Herren, ist nichts Starres. Es wird jetzt nicht etwas konstruiert, woran man dann nicht mehr rütteln darf. Das Gesundheitsministerium fühlt sich dazu berufen, für Flexibilität zu sorgen. Wir verstehen uns als jene Stelle, an der die Entwicklungen im Gesundheitswesen und das Funktionieren der Gesundheitsreform laufend beobachtet werden. Ein Bundesgesetz über die Dokumentation der Daten im Gesundheitswesen soll uns dazu auch die Möglichkeit geben.


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Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal und ganz eindringlich darauf hinweisen: Reformstrategien darf man nicht an den Kosteneinsparungen messen. Aber es muß auch Sinn unserer Reform sein, durch strukturelle Maßnahmen zu Kosteneinsparungen zu kommen, um – und das wollen wir alle – den Zugang zur medizinischen Leistung für die gesamte Bevölkerung zu gewährleisten. Es wird sich auch künftig in Österreich niemand fürchten müssen, daß er etwa zu alt dafür ist, einen Herzschrittmacher zu bekommen. Das sind Zustände wie in England. Und der Gesundheitsökonom, der im Fernsehen einmal dazu gesprochen hat, ist gründlich mißverstanden worden. – Er hat gesagt: Solche Zustände gibt es in England, und wenn wir so weitermachen, dann wird es sie bei uns auch geben. Das wollen wir aber nicht! Indem Sie unserem Reformpaket heute zustimmen, dokumentieren Sie, daß Sie das auch nicht wollen! Was wir wollen, ist freier Zugang zu den Gesundheitsleistungen, und daher schauen wir uns genau an, wo es zu überflüssigen Kosten kommt, denen man ausweichen und die man beseitigen kann, um dieses Geld dann sinnvoller für die Patienten einzusetzen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wir wollen also alle Rationalisierungspotentiale ausschöpfen, ohne am bisherigen Leistungsniveau oder an der Qualität der Leistungen rütteln.

Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich vergessen habe, dies im Nationalrat zu tun, aber es war schon halb zehn, wir waren alle schon sehr müde, und der Lärmpegel war dermaßen hoch, daß mich vermutlich ohnehin niemand verstanden hätte: Aber ich möchte hier nun doch abschließend meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken. Einige von ihnen sind da. Der Hauptverhandler ist Herr Sektionsleiter Dipl.-Ing. Harald Gaugg. Ich möchte ihm wirklich danke sagen. Er hat all diese Verhandlungen mit wechselnden Mitarbeitern durchgezogen. An ihm ist es gelegen, alle Beamtenverhandlungen vorzunehmen. Ich brauche Ihnen wohl nicht sagen, was es heißt, mit sämtlichen Beamten von neun Bundesländern die Verhandlungen durchzuziehen! Das ist wirklich eine Heidenarbeit und bedarf wirklich guter Nerven. Ich bin sehr glücklich, daß wir es geschafft haben, und ich möchte mich hier ausdrücklich bedanken! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Es ist sehr angenehm für einen Minister, wenn man Mitarbeiter hat, die wirklich exzellent sind. Man braucht nur zu fragen, und schon ist die Antwort da! Sie werden sich vorstellen können, wie beruhigt ich dann in Sitzungen wie in die Ihre gehe, oder vielleicht können Sie sich das gar nicht vorstellen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.59

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht gegeben.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstaltengesetz geändert wird, KAG-Novelle 1996.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über die Dokumentation im Gesundheitswesen.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1984 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter. Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

23. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird (416 und 442/NR sowie 5328/BR der Beilagen)

24. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird (417 und 443/NR sowie 5329/BR der Beilagen)

25. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird (418 und 444/NR sowie 5330/BR der Beilagen)

26. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird (419 und 445/NR sowie 5331/BR der Beilagen)


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27. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird (420 und 446/NR sowie 5332/BR der Beilagen)

28. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird (421 und 447/NR sowie 5333/BR der Beilagen)

29. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird (422 und 448/NR sowie 5334/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zu den Punkten 23 bis 29 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies

ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird, ein Bundesgesetz mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 23 bis 29 hat Herr Bundesrat Anton Hüttmayr übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.

Berichterstatter Anton Hüttmayr: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bringe den Bericht zum Punkt 23 betreffend Änderung des Schulorganisationsgesetzes.

Wesentliche Punkte des vorliegenden Gesetzesbeschlusses sind:

die Fortsetzung der Integration von Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinen Schulen der Sekundarstufe I,

die Einbindung der Berufsgrundbildung in die Polytechnische Schule, um den Absolventen dieser Schulart bessere Chancen im Berufsleben sowie beim Übertritt in weiterführende Schulen zu bieten, und

Verbesserung der Aufnahmskriterien in die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen.

Im gegenständlichen Gesetzesbeschluß des Nationalrates ist keine Frist zur Erlassung von Ausführungsgesetzen durch die Länder vorgesehen. Somit ist eine Zustimmung des Bundesrates im Sinne des Artikels 15 Abs. 6 B-VG nicht erforderlich.


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Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht zum Punkt 24 betreffend Schulunterrichtsgesetz.

Der vorliegende Gesetzesbeschluß enthält folgende Schwerpunkte:

Maßnahmen im Zusammenhang mit der vorgesehenen Ausweitung der Integration auf die 5. bis 8. Schulstufe;

Schaffung eines Frühwarnsystems zur Vermeidung von Schulversagen;

Verbesserung der Übertrittsmöglichkeiten im Sinne des § 3 Abs. 1 zweiter Satz des Schulorganisationsgesetzes, insbesondere für die Polytechnische Schule;

Ausbau der Schuldemokratie dahin gehend, daß in der Volksschuloberstufe, der Hauptschule, den entsprechenden Stufen der Sonderschule und der Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schule Vertreter der Klassensprecher geschaffen werden und diese in den Schulpartnerschaftsgremien vertreten sind;

Schaffung der Möglichkeit des Aufsteigens nach einem höchstens einjährigen Schulbesuch im Ausland;

Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Beaufsichtigung von Schülern in der Schule beziehungsweise bei Schulveranstaltungen durch andere Personen als Lehrer beziehungsweise Erzieher;

Übertragung von Kompetenzen des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten an die Landesschulräte beziehungsweise von den Landesschulräten an die Schulen.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht zum Tagesordnungspunkt 25 betreffend Änderung des Schulpflichtgesetzes 1985.

Im Schuljahr 1996/97 absolvieren Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf gemeinsam mit Kindern ohne diesen Förderbedarf im Rahmen der Integration die 4. Volksschulstufe. Nach den derzeitigen gesetzlichen Bestimmungen ist eine Fortsetzung der Integration in der Sekundarstufe I nicht möglich, da § 131a Abs. 6 des Schulorganisationsgesetzes hinsichtlich der Schulversuchsdauer an Hauptschulen, an der Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schule und am Polytechnischen Lehrgang auf jene Kinder abstellt, die bisher im Rahmen von Integrations-Schulversuchen unterrichtet wurden. Daher sieht der gleichzeitig vorgelegte Beschluß einer Schulorganisationsgesetz-Novelle die Fortsetzung eines gemeinsamen Unterrichtes behinderter und nichtbehinderter Kinder in der Sekundarstufe I vor. In diesem Zusammenhang müssen auch die Bestimmungen des Schulpflichtgesetzes 1985, welche derzeit im Regelschulwesen die Integration nur im Grundschulbereich ermöglichen, geändert werden.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht zum Tagesordnungspunkt 26 über ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird.

Der gegenständliche Gesetzesbeschluß zum Land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulgesetz verfolgt im wesentlichen das Ziel der Gleichstellung der höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten mit den berufsbildenden höheren Schulen im Geltungsbereich des Schulorganisationsgesetzes.


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Ein vorliegender Gesetzesbeschluß betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird, sieht vor, daß

die derzeitige Form der Aufnahmsprüfung (standardisierter Test) durch ein der allgemeinbildenden höheren Schule nachgebildetes Aufnahmsverfahren ersetzt werden soll und

die berufsbildende höhere Schule anstatt wie bisher mit der Reifeprüfung künftig mit der Reife- und Diplomprüfung abgeschlossen werden soll.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht zum Tagesordnungspunkt 27 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird.

Für die Bundesanstalten für Leibeserziehung bestehen derzeit keine Bestimmungen über die Vereinnahmung und die zweckgebundene Verausgabung von Geldmitteln, wie sie aufgrund der Bundesgesetze BGBl. Nr. 330/1996 und 331/1996 für die dem Geltungsbereich des Schulorganisationsgesetzes unterliegenden Schulen und für die höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten bestehen.

Ziel des vorliegenden Gesetzesbeschlusses ist eine Änderung der schulorganisationsrechtlichen Bestimmungen der Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern dahin gehend, daß durch Schulraumüberlassung sowie von Dritten vereinnahmte Geldmittel zweckgebunden im Sinne des Bundeshaushaltsgesetzes verausgabt werden dürfen.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht zum Tagesordnungspunkt 28 betreffend Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird.

Der vorliegende Gesetzesbeschluß soll dem Umstand Rechnung tragen, daß die hauswirtschaftliche Berufsschulpflicht für Mädchen in Vorarlberg durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus 1994 aufgehoben wurde. § 5a des Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetzes in seiner derzeit geltenden Fassung stellt sohin "totes Recht" dar und sollte daher im Sinne der Rechtsklarheit formell außer Kraft gesetzt werden.

Im übrigen sollen lediglich redaktionelle Richtigstellungen vorgenommen werden.

Im gegenständlichen Gesetzesbeschluß des Nationalrates ist keine Frist zur Erlassung von Ausführungsgesetzen durch die Länder vorgesehen. Somit ist eine Zustimmung des Bundesrates im Sinne des Artikels 15 Abs. 6 B-VG nicht erforderlich.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe den Bericht zum Tagesordnungspunkt 29 betreffend Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird.

Der gegenständliche Gesetzesbeschluß sieht inhaltlich folgendes vor:

die Übertragung der Lehrverpflichtungsregelung des Zweitlehrers an Volksschulen auf sämtliche Einsatzmöglichkeiten und systemgerechte Regelung im Zusammenhang mit der Lehrverpflichtung der Sonderschullehrer;

bei den Sonderpädagogischen Zentren soll der erweiterte Tätigkeitsbereich berücksichtigt werden;


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den Bereich der Berufsgrundbildung an Polytechnischen Schulen sollen Berufsschullehrer unterrichten können, wogegen Lehrer mit der Lehrbefähigung für Hauptschulen an Berufsschulen "Deutsch und Kommunikation" sowie "Lebende Fremdsprache" unterrichten können sollen.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Helga Moser. Ich erteile es ihr.

16.09

Bundesrätin Helga Moser (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte zur geplanten Änderung des Schulorganisationsgesetzes sprechen. In dieser Regierungsvorlage ist ein zentrales Thema die soziale Integration der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Erlauben Sie mir anfangs einige Worte zu dem Begriff Integration.

Integration bedeutet für mich, behinderte Kinder in ihrem primären Umfeld zu belassen, das heißt, daß ein behindertes Kind mit den Kindern seiner Wohnumgebung die zuständige Sprengelschule besuchen soll, um auch in der Freizeit die richtigen Ansprechpartner zu haben und auch Kontakte, die es in der Schule knüpft, in den privaten Bereich zu übertragen.

Soziale Integration, wie sie sich in der Regierungsvorlage darstellt, meint aber etwas anderes. Behinderte Kinder sollen mit nichtbehinderten Kindern gemeinsam in einer Klasse betreut werden. Diese wird durch die Forderung, pro Bezirk eine Integrationsklasse zu führen, dokumentiert.

Integration ist für mich kein Schlagwort, kein Modetrend, sondern eine mit großer Verantwortung zu tragende Entscheidung – zum Wohl der behinderten, aber auch der nichtbehinderten Kinder.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen. Zu diesen Rahmenbedingungen zählt für mich an erster Stelle auch die gezielte Information und Aufklärung jener Eltern, die kein behindertes Kind haben. In der Fernsehsendung "Zur Sache" zeigte sich die Diskrepanz zwischen Ihrer Regierungsvorlage, Frau Ministerin, und den Forderungen und Wünschen der Behinderten-Vertreter. Wie sollen Eltern, die kein Integrationskonzept kennen, die im Umgang mit Behinderten nicht vertraut sind, da nicht Ängste und Unsicherheiten im Hinblick auf die Förderung ihrer nichtbehinderten Kinder entwickeln? – Unsicherheit erzeugt Ablehnung, kann Aggression erzeugen.

Es fehlt auch die gesetzliche Mitsprache der Beteiligten, wie sie früher in den Schulversuchen gegeben war. Damit meine ich vor Einrichtung einer Integrationsklasse die Abklärung mit den Eltern der nichtbehinderten Kinder, aber auch mit den Lehrern an der Schule.

Ich glaube, die Einbindung aller Lehrer in einer Schule, in der eine Integrationsklasse geführt wird, ist etwas ganz Wichtiges. Es ist eine grundsätzliche pädagogische Forderung, daß auch jene, die nicht unmittelbar davon betroffen sind, hinter einer Sache stehen. Es kann nicht sein, daß in einer Schule eine Integrationsklasse – isoliert vielleicht – von einigen sehr engagierten ausgebildeten Lehrern betreut und betrieben wird und die übrigen Lehrerkollegen eigentlich kaum oder zu wenig damit befaßt werden.

Ein weiterer Kritikpunkt für mich ist die Schülerzahl. Wenn es heißt: 20 nichtbehinderte Kinder und fünf behinderte Kinder, dann muß ich eines sagen: Für mich bedeuten fünf behinderte Kinder fünf individuelle Schicksale. Man kann nicht nur sagen: das geistig behinderte Kind, das körperbehinderte Kind. Je nach Behinderung haben wir es mit unterschiedlichen Problemen zu tun. Es ist eine sehr differenzierte Arbeit mit den Behinderten notwendig. Ich denke, daß genau diese Überlegung auch dazu führen muß, daß man genug Raum zur Verfügung stellt. Es ist nicht möglich, bei manchen Behinderungsarten die Kinder vier, fünf Stunden lang in der


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Großgruppe, sprich in der Klasse zu betreuen. Sie müssen jederzeit die Möglichkeit haben, in andere Räume auszuweichen, zur Ruhe zu kommen. Dieser Unruhe, die einfach in einer Klasse vorhanden ist und die wir uns eigentlich auch wünschen, weil sie oft von Lärmmotivation zeugt, müssen sie entgehen können.

Wenn wir von Integration sprechen, dann meine ich, daß Integration sehr wohl möglich ist, aber sie muß von Fall zu Fall genau geprüft werden. Die jetzige Entscheidung über die Gremien, die vorgesehen sind, also über Bezirksschulräte, über Direktoren der Schulen, bedeutet, diesen Gremien – ich spreche jetzt speziell einmal über die Direktoren – den Schwarzen Peter zuzuspielen, wenn sie dann sagen, sie können eine Integration an ihrer Schule nicht vertreten. Ihnen wird dann natürlich sehr schnell unterstellt, daß sie behindertenfeindlich sind.

Ich meine auch, daß wir zuwenig Lehrer haben, die abgesehen von einer Sonderausbildung mit dem Umgang mit Behinderten vertraut sind. Viele AHS-Professoren, viele Hauptschullehrer haben in ihrer Ausbildung nie gelernt, wie es ist, Behinderte zu integrieren. Sie haben nicht gelernt, ihre Methoden, ihr Fachwissen so zu streuen, daß sie Kinder, die eine geringere Aufnahmefähigkeit haben, auch für ein Thema begeistern können. Das heißt, wenn man solche Entscheidungen trifft, dann muß man zur selben Zeit damit beginnen, die Lehrerfortbildung im Hinblick auf diesen Schwerpunkt zu intensivieren.

Ich meine auch – und dazu stehe ich –, daß es nicht jedem von uns liegt, daß es nicht jeder kann, und zwar mit Behinderungen unterschiedlichen Grades tagtäglich umzugehen. Ich denke, daß es vielleicht nicht immer so opportun ist, solche Dinge zu sagen. Man kommt ganz schnell in den Geruch, behindertenfeindlich zu sein. Ich weiß, wovon ich spreche, und jeder von uns erlebt seine Grenzen – auch in der Betreuung der Behinderten –, die bei jedem anders gelagert sind.

Auch zum Beispiel die neuen Lehrformen wie offenes Lernen, wie Teamteaching sind Dinge, die meiner Beobachtung und meiner Erfahrung nach viel zuwenig in der Lehrerausbildung – ich spreche jetzt von Kollegen, deren Ausbildung vielleicht zehn Jahre zurückliegt – vorhanden waren.

Wir haben in Oberösterreich – ich weiß nicht, wie es in anderen Bundesländern ist – nicht in jedem Bezirk sonderpädagogische Zentren. Das heißt, wenn in jedem Bezirk eine Integrationsklasse gegründet werden soll, dann müssen wir auch in jedem Bezirk ein sonderpädagogisches Zentrum haben, dessen Leiter eine Sonderschulausbildung hat. Es muß auch die Möglichkeit – das verstehe ich unter Entscheidungsfreiheit – für die Eltern, die behinderte Kinder haben, bestehen, die Entscheidung zu treffen, ob sie ihr Kind in eine ASO-Klasse oder mein Kind in die Integrationsklasse geben wollen. Denn niemand kennt das Kind so gut wie die betroffenen Eltern – nicht der Direktor und auch nicht der Bezirksschulinspektor, der eine Entscheidung treffen soll.

Im weiteren möchte ich noch ganz kurz einen Denkanstoß geben im Hinblick auf die Situation von Eltern behinderter Kinder, die aufgrund ihrer individuellen Situation ihr Kind in eine Sondereinrichtung geben. Man darf nicht dabei außer acht lassen, daß von Eltern gesellschaftlich gesehen gedacht wird, daß sie sich nicht um ihr Kind kümmern wollen, es deshalb nicht in eine Integrationsklasse geben, sondern in Sondereinrichtungen abschieben.

Es herrscht unter den Betreuern in manchen Behinderteneinrichtungen große Traurigkeit – so würde ich es fast nennen –, weil sie in den letzten Jahren immer mehr das Gefühl haben, daß sie in den falschen Institutionen arbeiten, daß sie schlechte Arbeit geleistet haben, daß man diese Systeme in Frage stellt. – Daher ist es mir ganz wichtig, daß man bei solch sensiblen Themen sehr behutsam vorgeht.

Einen Aspekt möchte ich auch noch aufzeigen. Ich unterstelle es nicht, aber ein wenig im Hinterkopf habe ich auch die Überlegung, ob man nicht aufgrund dieser Integrationsmodelle durch die Hintertür die Gesamtschule einführen will. (Bundesrat Payer: Wäre gut! Wäre positiv!) – Das ist Ihre Meinung, ich habe eine andere Meinung dazu, und diese vertrete ich hier.


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Ich habe in einigen Punkten aufzuzeigen versucht, wo die Problematik der Integration liegt. Ich denke, es ist wichtig, daß man bei allen politischen Entscheidungen, auch wenn sie innovativ sind, auch wenn sie zukunftsorientiert sind, sehr wohl nach ihrer echten Umsetzbarkeit in der Realität, im Alltag fragt.

Kollege Schaufler! Sie haben uns vorher vorgeworfen, wir Freiheitlichen seien nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen. Vielleicht unterstellen Sie es auch mir, wenn ich sage, ich bin gegen diese Novellierung. (Zwischenruf des Bundesrates Schaufler. ) Ich meine aber, daß man gerade aus Verantwortungsgefühl heraus sehr wohl auch eine andere Meinung haben kann und das nicht von vorneherein heißen muß, daß man jede Neuerung, jeden neuen Ansatz schlecht macht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich weiß mich auch mit meiner Meinung in bezug auf diese Problematik in guter Gesellschaft mit Fachleuten aus anderen Parteien, die sich das wirklich überlegen. Erst vor zwei Wochen hat zum Beispiel Landesrat Ackerl im Institut Hartheim – das ist eine Einrichtung für Schwerstbehinderte – gemeint, bei dieser Novellierung wurden zu wenige Fakten berücksichtigt.

Ich meine auch, es ist ein guter Weg – den Weg gehen wir mit –, die Integration längerfristig miteinzuplanen und als Änderung einzuführen. Aber diese Novellierung ist für uns nicht mitzutragen, weil wir meinen, daß grundsätzliche Dinge nicht berücksichtigt wurden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.20

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert Platzer. Ich erteile es ihm.

16.20

Bundesrat Herbert Platzer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hoher Bundesrat! Wir behandeln heute ein ganzes Schulreformpaket, und ich meine, dieses gesamte Paket wird für die Bildungspolitik der nächsten Jahre große Auswirkungen haben. Ich sehe diese Auswirkungen durchaus positiv. Ich sehe sie durchaus positiv, auch als ein wahrscheinlich betroffener Hauptschullehrer, der sich darauf freut, in etwas mehr als einem Jahr seine Dienstalterszulage bekommen zu dürfen.

In der Polytechnischen Schule soll es mehr Berufsvorbereitung geben, und ich meine, das ist eine ganz wichtige Sache. Die Polytechnische Schule ist an und für sich eine aussterbende Schulart. Ich finde, diese Berufsvorbereitung ist für diese Schulart etwas ganz Wichtiges.

Eine neue Aufnahmeregelung für die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen kommt, und ich meine auch, daß dieses BORG-Modell, das sich auf das Zeugnis der abgebenden Schule verläßt, sicher besser ist als diese standardisierten Tests. Ich meine auch, daß das Frühwarnsystem zur Senkung der Zahl der Schulversager sehr gut ist. Nur, sehr geehrte Frau Ministerin, ist es in Wirklichkeit so, daß bereits jetzt, schon im Herbst und ab November, die Telefone bei den Eltern heißlaufen und meine Lehrer in der Schule die Eltern verständigen und sagen: Kommen Sie bitte, besprechen wir das! – Also das ist eine gute gesetzliche Regelung, in der Wirklichkeit findet sie aber tatsächlich schon statt.

Mehr Schuldemokratie wird eingeführt, sprich Schulsprecher. Die Autonomie wird verstärkt ermöglicht, das Werbeverbot wird gelockert. Durchaus sinnvoll ist die Zusammenarbeit der Schule mit der Wirtschaft.

Natürlich das unvermeidliche Hauptthema heute: Es geht um den gemeinsamen Unterricht von behinderten Kindern mit nichtbehinderten Kindern in der Hauptschule und in der Unterstufe der AHS nach der Integration in der Volksschule. Es ist auch klar, gerade dieser Punkt hat wie kaum ein anderer in letzter Zeit zu sehr vielen Diskussionen in der Öffentlichkeit und natürlich auch in den Schulen geführt. Ich meine durchaus – auch ich bin damit konfrontiert worden –, daß alle Ängste und Vorurteile zunächst einmal zu verstehen sind. Es geht hier um einen ganz wichtigen und schwierigen Reformschritt.


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Ich denke an die eigene Schule und kann sagen, die Integration von körperbehinderten Kindern hat uns eigentlich nie Probleme gemacht. Es war immer selbstverständlich, daß einem Kind, das im Rollstuhl gesessen ist, von den Lehrern, von den Mitschülern geholfen wurde. Wir haben derzeit ein Kind in der Schule, das fast blind ist, nur mit Hilfe einer sehr großen und starken Lupe schreiben kann, das alle Hilfestellungen bekommt.

Nun geht es aber um die Integration geistig Behinderter in der Sekundarstufe I als Folge der – ich glaube, ich kann das durchaus so sagen – erfolgreichen Integration in der Volksschule. Ich verstehe durchaus die Angst vieler Lehrer vor dieser schwierigen Aufgabe, bin aber trotzdem zuversichtlich, daß diese Maßnahme positiv umgesetzt werden wird. Ich stehe dazu, wenn ich hier die Meinung vertrete, unsere Lehrer leisten überwiegend Hervorragendes. Wenn es Rufe nach Entlassung von Lehrern von Direktoren oder Schulbehörden gibt, so muß ich sagen, diese Zurufe sind entbehrlich. Es betrifft immer nur ganz wenige Lehrer. Möglichkeiten zur Entlassung hat es auch bisher schon gegeben, und ich möchte dem Schulratspräsidenten ins Stammbuch schreiben, daß diese Zurufe kein Beitrag zu einer positiven Gestaltung der Schulgemeinschaft sind.

Der Lehrerberuf ist derzeit überhaupt ein sehr schwieriger Beruf. Glauben Sie mir das, wenn ich sage, wir haben es mit sehr vielen verhaltensgestörten Kindern zu tun.

Es gibt sehr viele Kinder aus zerbrechenden oder aus zerbrochenen Familien. Ich möchte auch die vielen Miterzieher anführen, und ich denke in erster Linie an das Fernsehen, von dem unsere Kinder jeden Abend einige Gewaltverbrechen oder einige Morde lernen. Es ist also durchaus so, daß die Schule ihre Probleme hat und in dem fünf bis sechs Stunden dauernden täglichen Unterricht nicht all das gutmachen kann, was den Rest des Tages auf unsere Kinder einwirkt.

Tun wir also nicht so, als ob die Integration das einzige Problem der Schule und der Erziehung wäre! – Nur – das sage ich auch – will man den Behinderten helfen, so muß die Gesellschaft – und damit meine ich das Budget – die erforderlichen Mittel bereitstellen. Denn, meine Damen und Herren, ich messe unter anderem den Wert einer Gesellschaft auch daran, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht. Daher sind die notwendigen Mittel für die Sonderpädagogen, von denen es sicher noch viel zu wenige gibt, vorzusehen, damit die Integration kein Lippenbekenntnis bleibt. Ich hoffe, es setzt sich doch einmal die Erkenntnis durch, daß Hilfe für die Menschen, für mehr Menschlichkeit gut angelegtes Geld ist.

Es wird aber nicht nur am Geld liegen, sondern es wird daran liegen, daß von allen Verantwortlichen positive Stimmung gemacht wird – von den Schulbehörden, aber natürlich auch von den Medien.

Der moralische Appell der Integration ist – klarerweise –, niemanden aus der Gemeinschaft auszuschließen, daher sind Lehrerfortbildung, Lehrerausbildung und Schaffung von Unterrichtsmaterialien notwendig. Denken wir daran, der 1. September 1997 ist nicht mehr weit weg.

Ich kann der Meinung unseres obersten Standesvertreters – ich sage das einmal so –, des Herrn Helm, nicht folgen, wenn er meint, Integration sei ein Verbrechen am Behinderten selbst. Vielleicht ist aber diese Aussage entstellt dargelegt worden oder aus dem Zusammenhang gerissen, anders kann ich mir das nicht vorstellen.

Ich kann aber auch Professor Heitger nicht folgen, der in einem Kommentar schreibt – ich zitiere wörtlich –: Dem Behinderten ist wenig geholfen, wenn er zwar räumlich anwesend ist, aus der gemeinsamen geistigen Arbeit aber ausgegrenzt wird; da wird Integration zur Perversion. – Ende des Zitates.

Ich halte mich lieber an Professor Schönwiese, der in einem Kommentar meint – ich zitiere wieder –: Es geht darum, daß alle Kinder einer Klasse an einem gemeinsamen Gegenstand, aber auf sehr unterschiedlichem Niveau gemeinsam arbeiten und lernen. – Ende des Zitates.

Es ist auch klar, daß die Kinder in den Integrationsklassen nicht nach AHS- oder Hauptschullehrplan unterrichtet werden, sondern ihren eigenen Lehrplan haben werden. Das Lernen


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voneinander und miteinander kann durchaus Sinn ergeben. Wir dürfen auch nicht die Möglichkeiten der Sonderschule mit der Sonderpädagogik verwechseln. Ich meine auch, daß es sehr wichtig sein wird, weil der Sonderpädagoge in der Integrationsklasse jener sein wird, der für die behinderten Kinder und vielleicht auch für andere die wichtigste Bezugsperson sein wird, da es in der Volksschule hauptsächlich ein Klassenlehrersystem und nicht wechselnde Fachlehrer gibt. Dieser Sonderpädagoge wird also eine ganz wichtige Bezugsperson sein. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin aber sicher, daß die Lehrer trotz aller Ängste und Vorbehalte schlußendlich diese Integration mittragen werden. Es wird aber auch darauf ankommen, wie die Länder die Ausführungsgesetze gestalten werden beziehungsweise wie die Vollziehung ausschauen wird. Was ich bisher genannt habe, war der moralische Anspruch, den der Gesetzgeber und auch die Frau Ministerin – ich bemerke das als sehr positiv – wollen.

Probleme tauchen aber auf anderen Seiten auf, was ich der Zeitung "APS" der Pflichtschullehrergewerkschaft, Ausgabe November –ich habe sie gestern bekommen –, entnehmen kann. Ich lese, daß es ganz massive Bedenken hinsichtlich der Finanzierung gibt. Es wird vermutet, daß mit den genannten 315 Millionen Schilling dann, wenn die Integration umgesetzt ist, in den vier Stufen der Sekundarstufe I nicht das Auslangen gefunden wird, sondern daß mindestens 700 Millionen Schilling nötig sein werden – nach Meinung der Gewerkschaft. Es wird weiters festgestellt, daß im Planstellenbereich Sonderpädagogik von 1991 auf 1995 eine Steigerung von fast 1 600 Dienstposten stattgefunden hat und daß durch das nötige Zweitlehrersystem nun auch noch in der Hauptschule und der AHS-Unterstufe zusätzlich durch Ausbildung und Einsatz weit höhere Kosten entstehen werden.

Rund 2 500 Kinder waren im vergangenen Schuljahr in 617 integrativen Klassen. Etwa 60 Klassen werden in der AHS erwartet, 800 in den Hauptschulen. Derzeit sind viel zu wenig Sonderpädagogen vorhanden!

Rund 18 000 Schüler besuchen die Sonderschule, 2 500 Kinder gibt es in Integrationsklassen, und daher befürchtet die Lehrergewerkschaft – ich hoffe, zu Unrecht –, daß Sonderpädagogen zu Lasten der Sonderschulen abgezogen werden.

Außerdem – auch das ist klar – werden durch zu erwartende Teilungen von Klassen auch die Schulerhalter einen erhöhten Sachaufwand haben, und es ist noch fraglich, wie die Bürgermeister beziehungsweise die Obmänner der Schulgemeinden diesbezüglich reagieren werden.

Alles in allem, trotz aller Für und Wider und nach Abwägen aller Argumente – ich mache es mir nicht leicht und habe es mir auch nicht leicht gemacht in meiner Vorbereitung – bitte ich den Hohen Bundesrat, den vorliegenden Schulgesetzen, die ganz wichtig und zukunftsweisend sind, seine Zustimmung zu geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Lukasser. – Bitte schön.

16.32

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! In sieben Einzelvorlagen behandeln wir heute ein umfangreiches Schulreformpaket mit seinen Auswirkungen auf Unterricht, Schulorganisation und das Landeslehrerdienstrecht.

Zum Schulorganisationsgesetz: Die wesentlichsten Punkte des vorliegenden Entwurfes haben meine zwei Vorredner bereits genannt. Mit der 15. Schulorganisationsgesetz-Novelle im Jahr 1992 wurde neben den bewährten Klassen in Sonderschulen die Möglichkeit zur Integration und Kooperation von geistig behinderten Kindern in der Volksschule gesetzlich verankert. Diese Integrationsklassen, welche damals begannen, befinden sich nun im vierten Volksschuljahr. Nun geht es um eine gesetzliche Regelung, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf die


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Integration in den Hauptschulen und der Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schule zu ermöglichen.

Im Regierungsübereinkommen wurde festgehalten, daß die Weiterführung der Integration behinderter Schüler und Schülerinnen im Sekundarbereich I – das ist die fünfte bis neunte Schulstufe – sicherzustellen ist.

Gestatten Sie mir wie auch, Frau Kollegin Moser, zuerst einige Anmerkungen zum Begriff "Integration".

In der Schulgeschichte der letzten Jahrzehnte taucht der Begriff "Integration" immer wieder in unterschiedlichen Zusammenhängen auf. War es in den siebziger Jahren die integrierte Gesamtschule, in den achtziger Jahren der Ruf nach Integration von Randgruppen und Behinderten, so ist nun die Europäische Integration und das Schulwesen hochaktuell. Vielfach ist – möglicherweise durch eine psychologische Tendenz zur Ganzheitlichkeit – in der allgemeinen Meinung eine naiv-positive Bewertung des Begriffes "Integration" zu beobachten, weil offensichtlich das Zusammenführen, das Bilden einer Einheit, das Eingliedern als wertvoller angesehen wird als die Separierung und Differenzierung.

Für die derzeitige Phase der Schulentwicklung betreffend den Unterricht geistig behinderter Kinder kamen die Hauptmotive nicht aus pädagogischen Innovationsbedürfnissen, sondern ebenfalls aus der Zielsetzung einer sozialen Integration der geistig behinderten Kinder und ihrer Eltern, die sich vielfach gesellschaftlich an den Rand gedrängt und stigmatisiert fühlen. Bei einer Betrachtung der Zahlen der Schüler in den einzelnen Sonderschulen und des Zeitpunktes der Aufnahme in die Sonderschule – 85 Prozent aller lernbehinderten Kinder beginnen ihre Schullaufbahn in der Volksschule – wird schnell klar, daß es für die überwiegende Anzahl der Schüler weniger um Integration als um Nichtaussonderung geht, weil sie sich ohnedies in der Regelschule oder in der Volksschule befinden.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Zur Zielsetzung des vorliegenden Entwurfes: Ein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf muß jene Bildung erhalten, durch die am ehesten ermöglicht wird, daß es ein selbstbestimmtes eigenständiges Leben führen kann. Ich habe dieses Zitat von Frau Unterrichtsministerin Gehrer, die es immer wieder und in vielen Gremien gesagt hat, hier wortwörtlich noch einmal aufgeschrieben, weil mir das als das Wichtigste vorkommt.

Der Gesetzentwurf gilt nicht für körperbehinderte und sinnesbehinderte Kinder – Herr Kollege Platzer hat es auch schon angeführt –, diese werden bereits seit Jahren von der Lehrerschaft mit großem Engagement in allen Schulen integriert.

Also nochmals die Zielsetzung: Für geistig behinderte Kinder wird es in Zukunft folgende Bildungsangebote geben: die Sonderschule, die Sonderpädagogischen Zentren, die Förderklassen, das Stützlehrersystem, Kooperationsmodelle und Integrationsmodelle, also sechs Modelle.

Es ist klar festzuhalten, daß es mit dieser Novelle nun eine breite Palette von möglichen Bildungsangeboten gibt, und die für das Kind am besten geeignete Bildung ist sicherzustellen. Das ist natürlich eine große Herausforderung an alle am Schulgeschehen Beteiligten, besonders aber für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort.

Zur Entscheidungsfindung: Welches Angebot für welches Kind? – In Zusammenarbeit mit dem schulpsychologischen Dienst, den Sonderpädagogen, den Sonderpädagogischen Zentren, dem zuständigen Bezirksschulinspektor, den Eltern und der betroffenen Schule muß unter Federführung des Bezirksschulrates der Bildungsweg für das geistig behinderte Kind festgelegt werden. Dazu werden entsprechende Richtlinien erarbeitet. Es ist darüber hinaus die Aufgabe des zuständigen Schulaufsichtsorganes, den Erfolg des gewählten Bildungsweges laufend zu überprüfen.


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Die Heftigkeit der geführten Diskussion übertrifft jene vor der 15. Schulorganisationsgesetz-Novelle. Von den sechs vorhin genannten Möglichkeiten, die individuell angeboten und angenommen werden sollen, wird nur von der Problematik der Integration im AHS-Bereich geredet und geschrieben.

Frau Präsidentin! Hohes Haus! Warum sich die gesellschaftliche Diskussion um die Integration ausschließlich auf die Schule konzentriert, mag vielleicht darin liegen, daß die Schule eine öffentliche Institution ist. Sie hat klare Strukturen und ist damit viel greifbarer. Alle anderen gesellschaftlichen Formen können zwar andiskutiert werden, sind aber nicht so in den Griff zu bekommen.

Besonders die Lehrer müssen sich dieser Diskussion stellen, schließlich ist mit dem Prinzip der Integration auch immer die Frage nach der bestmöglichen Förderung verbunden. Man muß ihre Sorgen und ihre Vorbehalte verstehen. Lehrer sind, sofern sie nicht ein sonder- und heilpädagogisches Studium absolviert haben, aufgrund ihrer Ausbildung nur ungenügend auf kranke und behinderte Kinder eingestellt. Sie sind es vielfach gewohnt, ihren Unterricht an eine möglichst homogene Gruppe zu richten. Tatsächlich aber – ich glaube, das ist auch einer der zentralen Punkte – erfordert die Integration geistig behinderter Kinder in Normalklassen, daß schulische Tradition und bewährte Verhaltensmuster abgeändert oder gar aufgegeben werden müssen.

Es werden Lernformen angestrebt, die in der pädagogischen Literatur bisher schon bekannt sind, die jedoch wesentlich konkreter umgesetzt werden müssen, wie etwa zielerreichendes Lernen, bei dem den Schülern individuelle Lernzeit gewährt wird, oder adaptiver Unterricht, bei dem die Lernangebote an die Schülervoraussetzungen angepaßt werden, oder selbstgesteuertes Lernen, bei dem der Schüler eigene Lernkompetenzen erwirbt, oder förderliche Lernumwelten, in denen Materialien und Handlungsmöglichkeiten bereitgestellt werden müssen.

Gerade die in den letzten Jahren pädagogisch forcierten Lernformen – es wurde schon genannt – wie Projektunterricht, offenes Lernen oder Team-teaching belegen, daß die Charakteristika eines integrativen Unterrichtes in weiten Teilen den Vorstellungen von kindgemäßem Unterricht entsprechen.

Erlauben Sie mir nun bitte ein offenes Wort zu den Sonderschulen. In der bisherigen Entwicklung kommt den Sonderschulen unzweifelhaft das Verdienst zu, ein spezifisches methodisch-didaktisches Repertoire für den Unterricht verschieden behinderter Kinder entwickelt zu haben. Die Verunsicherung unter den Sonderschullehrern nimmt zu. Sie fragen sich, was sie falsch gemacht haben, stand doch Erziehung und Unterricht von Anfang an unter dem Leitbild der sozialen Eingliederung.

Die vorgesehene Reform wird den Eltern nun eine weitere Wahlmöglichkeit zwischen einem integrativen Schulbesuch in der Hauptschule oder AHS und einem Sonderschulbesuch einräumen. Eine Bildungs- und Schullaufbahnberatung wird die vorhandenen Fördermöglichkeiten und Alternativen für behinderte Kinder offen aufzeigen. Für die Sonderschule ist es nun notwendig, die eigene Erziehungsarbeit offensiv zu präsentieren und die Eltern von ihrem Bildungskonzept zu überzeugen. Voraussetzung dafür ist aber, daß auch materielle und personelle Möglichkeiten geschaffen werden und die Kosten der integrativen Betreuungsmaßnahmen nicht zu Lasten der Sonderschulen und der Sonderschullehrer gehen.

Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Leider geht eine Reihe von Neuerungen, die im Entwurf zu einer Novelle des Schulunterrichtsgesetzes festgelegt ist, in der öffentlichen Diskussion unter. Herr Kollege Platzer hat sie bereits genannt, ich brauche sie nicht zu wiederholen.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es ist mir – zusammenfassend – ein Bedürfnis, allen zu danken, die es möglich gemacht haben, daß dieses umfassende Schulreformpaket heute zur Beschlußfassung vorliegt – allen voran, verehrte Frau Bundesministerin, natürlich Ihnen. Trotz heftigstem Gegenwind haben Sie Ihre Vorstellungen mit Augenmaß, Rückgrat und Stand


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festigkeit immer wieder erläutert, erklärt und schließlich auch die Zweifler überzeugt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Der Auftrag der Gesellschaft an die Schule besteht vorrangig in einer anlagenorientierten Ausbildung und Schulung der Jugend, an deren Erziehung zur Leistungsbereitschaft und zu positivem Sozialverhalten. Mit den heutigen Beschlüssen kommen wir diesem Auftrag mit weiteren Schritten nach. Daher geben wir den Vorlagen gerne unsere Zustimmung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.44

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Waldhäusl. – Bitte.

16.44

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kollegen des Hohen Hauses! Ich möchte kurz ein paar Ausführungen zu dem Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird, machen. Da ist noch nicht im konkreten auf einige Kritikpunkte eingegangen worden, und diese möchte ich jetzt ausführen.

Wir Freiheitlichen kritisieren besonders stark die Abschaffung der Aufnahmeverfahren für berufsbildende Schulen. Wir sehen darin in keiner Weise eine Erleichterung. Es mag auch momentan so ausschauen, als ob die betroffenen Schüler dadurch eine Erleichterung haben, jedoch ist es auf Sicht gesehen sicherlich keine Erleichterung und nicht zum Vorteil der Betroffenen.

Auch kann man feststellen, daß, wenn man diese Aufnahmeverfahren jetzt ändert, es sehr wohl zu einer subjektiven Beurteilung kommen kann, da eigentlich nur mehr die letzten Zeugnisse verschiedener Schultypen einbezogen werden, womit man eigentlich, wie man so schön sagt, Kraut und Rüben vermischt. Diese verschiedenen Schultypen sollen dann den Ausschlag geben ... (Bundesrat Payer: Das Lehrerurteil war immer das richtige!) – Man wird aber sehr subjektiv von verschiedenen Personen beurteilt. Speziell wir aus freiheitlicher Sicht sind für eine Objektivierung in jeder Weise, und es wird damit aber leider Gottes Tür und Tor geöffnet, sodaß in Zukunft keine objektive Beurteilung stattfinden kann.

Eine geeignete Entscheidungsgrundlage für die Aufnahme sollte sein, daß festgestellt wird, ob die Schüler für diesen jeweiligen Schultyp geeignet sind. Wenn jetzt die sogenannten Tests oder andere Kriterien, wie sie bisher waren, gefallen sind, wird sicherlich eine Ausmusterung in der Art und Weise nicht mehr erfolgen können. (Zwischenruf des Bundesrates Payer. ) Das ist leider Gottes nicht im Sinn der betroffenen Schüler, denn was haben wir alle davon, wenn die Schüler einen Typ einschlagen, bei dem sie nach einem oder eineinhalb Jahren draufkommen, daß sie in keiner Weise dafür geeignet sind, nur weil das Kriterium des letzten Zeugnisses aus der Schule, aus der sie gekommen sind, dafür gesprochen hat? (Bundesrat Payer: Schülerberatung gibt es! Schülerberatung!)

Darum werden wir Freiheitlichen diesem Gesetz sicherlich nicht die Zustimmung geben, da es sehr wohl an der Realität vorbeigeht und überhaupt nicht im Sinne der Betroffenen ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meier. – Bitte.

16.47

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Auch ich möchte zum Schulorganisationsgesetz, das auch die Änderungen in anderen Gesetzen überwiegend notwendig macht, sprechen, auch zum Schwerpunkt Integration behinderter Kinder auf der Stufe der 10- bis 14jährigen, also im Sekundarbereich I.


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Ich möchte zuerst betonen, daß wir zu unterscheiden haben zwischen der Integration körperlich Behinderter, was in den meisten Fällen das viel kleinere Problem ist, und der Integration geistig Behinderter. Ich möchte auch voranstellen, daß ich für diese Integration im Schulwesen eintrete.

Was ist eigentlich die Integration? – Ich meine, es ist das Zusammenführen und das Zusammenarbeiten auf möglichst natürliche Weise, das zu einem Miteinander führt, zu einem Ganzen, unter Anerkennung bestehender Unterschiede und individueller Eigenheiten, damit aber ein gegenseitiges Verständnis in den einzelnen Teilen unserer Gesellschaft wächst und in unserer Gemeinschaft, die letztlich auch dadurch eine Bereicherung erfahren soll.

Frau Bundesrätin Moser! Meine Definition geht weiter. Das heißt aber nicht, daß es nicht beinhaltet, daß diese Integration auch im Freizeitbereich, also dort, wo der Mensch wohnt, in diesem Umfeld, natürlich auch am Spielplatz und wo immer, stattfinden sollte. Darin besteht überhaupt kein Gegensatz. Ich glaube nur, daß man es weiter definieren soll. In einem Nebensatz möchte ich sagen, diese Definition gilt für mich auch für die Europäische Integration – Gemeinsamkeit mit Vielfalt, die weiterhin bestehen soll und in all ihren Sparten gefördert werden soll.

Wir haben die Debatte über die Integration bereits vor vier Jahren hier geführt, als es darum ging, sie in der Volksschule, also in den ersten vier Schuljahren, einzuführen, und manche Argumente sind heute die gleichen wie damals. Natürlich hat jede Stufe von Integration ihre eigenen Probleme und anders gelagerte Schwierigkeiten, sonst hätten wir wahrscheinlich damals schon für alle acht Stufen die Integration beschließen können. Ich glaube aber, daß es gut war, das in Etappen zu machen, weil man heute schon auf die positiven Erfahrungen aus der Volksschule verweisen kann und in der Sekundarstufe I daran anknüpfen kann.

Das Schicksal Behinderter kann wahrscheinlich nur der Behinderte selbst fühlen und spüren, und die Probleme einer Familie mit einem behinderten Kind können auch nur die Betroffenen fühlen und bestätigen. Wir reden, auch wenn wir damit zu tun haben, nur von außen.

Ich meine aber, daß unsere Gesellschaft gegenüber früher – ich denke an meine Jugend -Fortschritte gemacht hat. Behinderte werden nicht mehr ausgestoßen, sie werden nicht mehr als minderwertig und nur zur Last fallend, abfällig und als lästige Unannehmlichkeit betrachtet. In manchen unserer Volksmundausdrücke gab es eigene Worte für diese armen, bemitleidenswerten Menschen.

Wir haben einen großen Schritt weiter getan. Ich glaube, daß auch heute niemand gegen die Integration ist oder sein kann, aber es gibt natürlich viele Wenn und Aber, und ich möchte solche aus der Praxis hier anführen.

Das betrifft nun natürlich auch diese Schulgesetze, dem einen gehen sie zu weit, dem anderen zuwenig weit. In diesem Spannungsfeld steht die Diskussion und auch die gesetzliche Regelung. Man sollte aber deshalb nicht pessimistisch sein, denn wir sollten nur an die Entwicklung des Schulwesens überhaupt zurückdenken.

Unter Maria Theresia wurde 1774 das allgemeine Schulordnungsgesetz beschlossen. Es gab damals das Trivium Lesen, Schreiben, Rechnen in einem beschränkten Rahmen. Als das eingeführt wurde, gab es zuwenig Lehrer – ganz klar. Natürlich konnte Maria Theresia nicht warten, bis es aus zu gründenden Akademien ausgebildete Lehrer gab, und wir wissen, daß damals Kriegsheimkehrer, auch Invalide, diesen Schuldienst so recht und schlecht, wahrscheinlich mit 60 oder 80 Schülern in einer Klasse betrieben haben und sich das Schulwesen verbessert hat.

Gott sei Dank sind wir viel weiter, insofern hinkt der Vergleich. Aber ich glaube, wir können nicht warten, bis wir soviel ausgebildete Lehrer, wie wir sie brauchen, haben, sondern wir müssen eben Lehrer weiter ausbilden und jene Lehrer, die keine Spezialausbildung gemacht haben, durch Seminare und Kurse so weit schulen, daß sie mitwirken können. Aber das braucht seine Zeit. Ich glaube doch, daß die Schulverwaltung daran geht, auch die Landesschulräte und Bezirksschulräte, solche Ausbildungen durchzuführen.


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Ein Lehrer eines Behinderten muß viel wissen, muß viel können und muß Erfahrung aus der Praxis haben. Er oder sie braucht eine ungeheure Geduld, darin stimmen wir wahrscheinlich alle überein. Was bei normalen Schülern ganz von selbst geht, ist bei Behinderten ein großer Erfolg, wie etwa den Zahlenraum bis 10 in einem Alter zu beherrschen, in dem andere schon viel weiter sind.

Ich bin überzeugt, daß die verbesserte Integration möglich ist, daß die Lehrer – es gibt ohne Zweifel Für und Wider – in ihrer Gesamtheit diese mit vielen Bemühungen erreichen werden. Ich glaube auch, daß nicht immer der Standpunkt der Lehrergewerkschaft der Standpunkt aller Lehrer ist, obwohl ich auch Gewerkschaftsmitglied mit. Ich fordere aber dennoch die Staatsbürger, die Öffentlichkeit, den Gesetzgeber und die Schulverwaltung auf, die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen – ich meine das nicht nur aus gewerkschaftlicher Sicht –, denn sonst ist das Ja zur Integration ein Lippenbekenntnis, das die Umsetzung nicht zur Gänze ermöglicht. Ich befürchte, daß diese 360 Millionen Schilling, die jetzt angegeben wurden, zu wenig sein werden. Man sollte das heute schon sagen, denn wir werden in den nächsten Jahren ohnehin draufkommen.

Ich schließe mich natürlich Frau Lukasser an, die aufgezählt hat, welche Integrationsformen es für behinderte Kinder gibt. Das sind nicht nur Integrationsklassen und ASO-Klassen, sondern natürlich auch Mischformen. Ich glaube aber, daß es einen Unterschied zwischen Stadt und Land gibt. In Wien wird es möglich sein, diese fünf Schüler, die man für eine Gruppe braucht, zu bekommen. Dabei spreche ich noch nicht vom Behinderungsgrad, das ist dabei aber auch ganz wichtig. Fünf Leichtbehinderte, leicht Mongoloide werden leichter zu integrieren sein als viel schwerer behinderte Kinder.

Was tun wir dann – das haben wir auch schon bei der Volksschulintegration gehabt –, wenn nur drei Kinder zusammenkommen? – Meine Damen und Herren! Die meisten Eltern, die ich kenne, streben diese Integration an und verstehen nicht, wenn man ihnen sagt, daß es diese fünf für eine Gruppe noch nicht gibt. Ich weiß, daß das nur eine Durchschnittszahl ist. Man könnte auch drei in einer Integrationsklasse führen, wenn es woanders sechs oder sieben gibt, aber in der Praxis ist das natürlich immer schwierig.

Ich habe schon vorhin im Zuge meines Beispiels von Maria Theresia angeschnitten, daß die Lehrer nicht gleich vorhanden sein werden, die wir brauchen. Der Transfer von der allgemeinen Sonderschule – von dort sollen Lehrer in die Sekundarstufe überwechseln – wird nicht so stattfinden, wie wir das gedacht haben, weil diese Sonderklassen auch noch bestehen werden. Wenn wir nicht fünf Kinder in einer Gruppe haben, sondern nur drei, dann können wir eine sehr hohe Klassenschülerzahl erreichen, auch wenn die Behinderten für zwei zählen. 22 Schüler und vier Behinderte wären also die Teilungszahl 30. Wenn das nur Schwerstbehinderte sind, haben wir Probleme, weil wir keinen Begleitlehrer haben, oder der Stützlehrer steht nur für einen Schüler für vier Stunden pro Woche zur Verfügung. Was ist dann mit den anderen?

Im Unterschied dazu haben wir in der Volksschule das Klassenlehrersystem, wonach der Lehrer, die Lehrerin mehr Zeit in dieser Klasse verbringt, wenn keine Leiterreststunden sind. Das Fachlehrersystem ist natürlich sowohl in der Hauptschule als auch in der AHS wiederum anders gestaltet, und es werden die verschiedensten Persönlichkeiten in eine Klasse kommen. Das müssen wir auch berücksichtigen.

In einem Punkt schließe ich mich schon den Forderungen der Gewerkschaft an, nämlich daß die Integration ohne geeignete Rahmenbedingungen nicht tauglich und zielführend ist und die ideellen Ziele, für die wir alle sind, abwertet. Trotzdem haben die Integrationsbemühungen an den Volksschulen entgegen der vorgebrachten Gegenargumente bedeutende positive Auswirkungen mit sich gebracht. Fragen Sie nach, trotz aller Probleme gibt es sehr viel Positives.

Wir sollten uns nicht entmutigen lassen, diese Bemühungen auch bei allen Schulpflichtigen fortzusetzen. Vielleicht aber erfahren wir dann auch, daß auch der vollständigen Integration Grenzen gesetzt sind und ganze Integration leider nicht in allen Fällen möglich sein wird. Das muß natürlich von jemandem beurteilt werden, aber nicht vom Direktor alleine. Es gibt für die


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Eltern die Möglichkeit, mit einer Kommission, mit Psychologen, mit Medizinern darüber zu beraten. Es hat auch schon Fälle gegeben, in denen Eltern eingesehen haben, daß es besser ist, ihr Kind wieder aus der Integrationsklasse herauszunehmen und einer Betreuung zuzuführen, die diesem Kind noch besser gedient hat. Ich glaube also, wir sollten diesen wichtigen menschlichen Weg der Integration weiterverfolgen und durchzusetzen versuchen.

Die anderen Änderungen sind ebenfalls schon angeführt worden, das Frühwarnsystem bei Leistungsabfall, das Aufsteigen mit "Nicht Genügend". Frau Ministerin! Ich wäre diesbezüglich mehr auf Ihrer Seite gewesen, das möchte ich auch sagen, obwohl ich nicht näher darauf eingehen will. Dafür, daß einer in einem Gegenstand wiederholen muß und alle anderen Gegenstände noch einmal macht, müßte es eine bessere Lösung geben. Das heißt, ich bin nicht für eine Nivellierung oder für keine Leistung mehr, aber man muß das für den Einzelfall durchdenken.

Es wird einen Vertreter der Schulsprecher schon ab der fünften bis zur achten Schulstufe geben. Der Aufnahmetest für die berufsbildenden höheren Schulen wird so sein wie für die AHS, also es ist nicht so, daß es keinen gibt. Aber wer natürlich von der Hauptschule – ich nehme die Hauptschule her – von der ersten Leistungsgruppe kommt, müßte in der BHS genauso behandelt werden wie in der AHS.

Herr Kollege Waldhäusl! Sie haben recht, es gibt natürlich Fälle, daß Schüler eine falsche Schule besuchen. Er ist nicht für eine Handelsakademie geeignet, er hätte die musische Richtung einschlagen sollen, aber weil die HAK in der Nähe ist und damit er zur Matura kommt, geht er dort hin. – Das wissen wir alle und sollte man auch nicht verleugnen. Es gibt auch schon in der Unterstufe dieser Schulen eine hohe Drop-out-Rate. Man beginnt mit fünf Klassen, und dann bleiben zwei über, das wissen wir. Diese momentane Aufnahmsprüfung ist eine schwere Entscheidung. Als ich in die Lehrerbildungsanstalt gekommen bin, gab es 180 Bewerber, und 36 wurden damals aufgenommen. Gott sei Dank war ich dabei, der Beruf freut mich. Ich hätte aber aus irgendeinem Anlaß genauso nicht dabeisein können.

Das ist die andere Seite dieser Aufnahmsprüfung, die wir auch beachten sollten. Darum meine ich, daß diese Regelung gut ist.

Wir wollen das Werbeverbot in den Schulen lockern. Das ist positiv, um Geldmittel aufzutreiben, hat aber natürlich auch seine problematischen Seiten, wenn etwa fünf Banken gleichzeitig werben sollen und dann das Konkurrenzdenken wieder auftaucht.

Es gibt auch Probleme bei der Polytechnischen Schule. Ich befürworte eine Zusammenlegung an und für sich, weil dann die Ziele konzentrierter verfolgt werden können. Aber was ist dort, wo diese Polytechnische Schule für die Schüler 50 Kilometer entfernt ist und diese zweimal umsteigen müssen? – Ich hoffe, daß wir in diesen Fällen mit dislozierten Klassen wirklich fortfahren können. Vielleicht sollten wir aber in Zukunft das System der Polytechnischen Schule – die bei uns zum Beispiel überhaupt keine Mädchen besuchen, weil sie in andere Schulen ausweichen – überhaupt überdenken.

Zum Abschluß: Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Wir reden von Integration. Ein Behinderter kann nach dem Lehrplan der Sonderschule in der AHS in einer Integrationsklasse unterrichtet werden, ein Hauptschüler der dritten Leistungsgruppe hingegen nicht. Wir integrieren also nur teilweise! Liebe Frau Moser! Ich habe in diesem Zusammenhang einen Zwischenruf gemacht. Hier geht es um kein Hintertürl, oder wie immer man das auch nennt. Aber könnte es nicht auch ein Integrationsmodell für die Nichtbehinderten 10- bis 14jährigen geben, bei dem wir auch differenzieren und die Leistungen verschieden messen und fördern, aber alles unter einem Dach? – Ich meine, daß auf diese Weise auch die Integration der Behinderten leichter zu lösen wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht nicht um Nivellierung und Niveauverschlechterung, sondern um Differenzierung, Förderung, Begabungsförderung, Gemeinsamkeiten, soziale Begegnung und so weiter. Wie dies benannt wird, ist mir gleichgültig.


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Es kann dies auch keine ideologische Frage sein, weil dieses System in Ländern verschiedenster ideologischer Richtungen in dieser Form bereits existiert.

Im übrigen sollten wir auch erwähnen, daß es jetzt auch in Form von Presseberichten Zeugnisse dafür gibt, daß die österreichische Schule eine gute Schule ist. Man darf sich nicht allein darauf berufen, es besteht jedoch eher die Tendenz, negative Dinge sofort zu erwähnen. In internationalen Vergleichen schneidet die österreichische Schule wirklich gut ab, und ich meine, daß wir das auch erwähnen sollten.

Meine Damen und Herren! Schulpolitik ist eine politische Angelegenheit. Ich meine damit nicht Parteipolitik, das gehört bereits der österreichischen Geschichte an. Die Schulpolitik muß sich jedoch der Gesellschaft anpassen, und die Gesellschaft muß an der Schule mitwirken. Bei den Bemühungen um ein gemeinsames Mitspracherecht zwischen Eltern, Schülern und Lehrern sind verschiedenste Fortschritte gemacht und Erfolge erzielt worden. Aber natürlich ist in der Schulpolitik noch immer viel zu tun.

Ich möchte zum Schluß die Lehrer, die normale Menschen sind wie alle anderen, nicht besser und nicht schlechter, insofern verteidigen, daß viele unter ihnen wirklich mit Idealismus und mit großem Leistungsbewußtsein in ihrem Beruf arbeiten. Die SPÖ-Fraktion wird den vorliegenden Schulgesetzen zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet: Herr Mag. Himmer. – Bitte.

17.05

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich glaube, der vorliegende Gesetzentwurf zeigt sehr deutlich, daß dabei viel Arbeit von engagierten Bildungspolitikern geleistet wurde. Ich meine, daß die vorliegenden Gesetzesvorlagen Zeugnis dafür legen, daß es eine engagierte Ressortführung im Bildungsbereich gibt.

Ich möchte gar nicht weiter auf viele Punkte eingehen, die bereits genannt worden sind. Ich möchte aber trotzdem noch einmal darauf hinweisen, welchen Umfang dieses Reformpaket hat, das nicht nur die Fortführung der Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderungsbedarf beinhaltet, sondern auch die Reform des Polytechnischen Lehrganges, Aufnahmeregelungen, die Schaffung des Frühwarnsystems, Ausbau der Schuldemokratie, Anrechnung von Auslandsschulbesuchen, Dezentralisierung, Deregulierungsmaßnahmen und auch die Lockerung des Werbeverbots.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, auch wenn schon einiges darüber gesagt worden ist, ein paar Worte zum Thema: Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderungsbedarf. – Ich glaube, daß es in einer Gesellschaft, in der es genug Entsolidarisierung und Egoismen gibt, eine sehr wichtige Maßnahme ist, in der Schule gemeinsames soziales Lernen für Behinderte und Nichtbehinderte zu ermöglichen. Natürlich – ich glaube, das ist ganz klar – wird man aufgrund der Erfahrungen der nächsten Jahre kritisch überprüfen müssen, wie man diesen Weg weiterzugehen hat. Aber es ist sehr wohl zu erwarten, daß geistig Behinderte auf diese Weise besser darauf vorbereitet werden, als Erwachsene ihr Leben selbständig zu gestalten. Und Nichtbehinderte lernen einen selbstverständlicheren Umgang mit behinderten Kameraden und werden so – wie ich hoffe – offener und toleranter.

Ich halte das, ehrlich gestanden, für weit wichtiger als so manches Wissen, welches man in der Schulzeit äußerst kurzfristig aufbaut, um es dann nach bestandener Prüfung beruhigt zu vergessen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, alle wissen, daß das reale Leben ganz andere Prüfungen kennt als das Leben in der Schulzeit. Ich glaube aber, daß wir mit Sicherheit gut daran tun, wenn wir immer wieder den engagierten Versuch unternehmen, das Schulsystem an die Zeit nach der Schule so anzupassen, daß wir unserer Jugend die bestmögliche Vorbereitung für das Leben


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nach der Schulzeit ermöglichen. – Zu dieser Anpassung möchte ich ein paar kurze Anmerkungen machen.

Ich meine, daß wir mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der wir in einer humanen Gesellschaft die Kinder mit sonderpädagogischem Förderungsbedarf integrieren, auch unsere Begabten fördern müssen, und zwar nicht nur deshalb, weil jeder das Recht haben sollte, sein Entwicklungspotential auszuschöpfen, sondern weil wir alle in einer globalisierten Welt als kleines Land von den Spitzenleistungen einzelner unheimlich profitieren können. Das heißt: Durch die Art und Weise, wie wir heute mit unserem Schulsystem umgehen, determinieren wir in einem hohen Ausmaß, wie unsere Wirtschafts- und Sozialberichte in diesem Hohen Haus von morgen aussehen werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich zunächst auf das eingehen, was Herr Kollege Meier gesagt hat, weil ich meine, daß hier zwei Dinge verwechselt werden: Wenn Sie sagen, daß man auf diese Art und Weise – verkürzt gesprochen – gleich in Richtung Gesamtschule gehen könnte, möchte ich betonen, daß man deutlich unterscheiden muß zwischen dem Bestreben nach einer sozialen Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderungsbedarf in einer humanen Gesellschaft einerseits und der Verbindung einer extrem heterogenen Gruppe, auch was die Unterrichtsziele betrifft, im Lernprozeß andererseits. Ich glaube, daß absolut zu unterscheiden ist, ob die Herausforderung im Umgang mit dem Lehrstoff besteht oder ob die Themenstellung die soziale Integration ist.

Gleichzeitig finde ich, daß es ganz wesentlich für den Erfolg unseres Schulsystems sein wird, daß wir eine ständige Lehrerfortbildung haben.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Gerade in einer Zeit, in der wir in ein neues Jahrtausend gehen, in der Informations- und Kommunikationstechnologien unsere gesamte Arbeits- und Wirtschaftswelt revolutionieren werden, die auch unser kulturelles Leben, die Demokratie, die Schule und das Lernen selbst ganz fundamental revolutionieren werden, brauchen wir das beste Lehrpersonal für unser wertvollstes Humankapital, nämlich für die in Ausbildung stehende Jugend. Mit der Herausforderung des lebenslangen Lernens muß gleich bei der Lehrerschaft selbst begonnen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Payer. – Bitte.

17.11

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Das vorliegende Paket der Schulgesetze wurde von meinen Vorrednern inhaltlich bereits sehr genau dargelegt, kritisch und sehr fachmännisch beleuchtet. Ich kann mich mit sehr vielen Aussagen identifizieren.

Ich kann mich auch mit einigen Aussagen, die Kollegin Moser gebracht hat, identifizieren. Wenn sie jedoch meint, daß durch die Integration die Schaffung der Gesamtschule durch ein Hintertürl erreicht wird, dann muß ich ihr sagen: In diesem Punkt bin ich wirklich ganz anderer Meinung. – Ich lege mein ursprüngliches Redekonzept jetzt weg und werde versuchen, die Hauptmaterie, nämlich den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit sonderpädagogischem und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf ab der fünften Schulstufe, aus einem etwas anderen Blickwinkel, und zwar insbesondere aus der Sicht der Lehrer, vor allem aus der Sicht der Lehrer untereinander, zu beleuchten. Frau Ministerin! Sie werden sicherlich wissen, daß es in den letzten Wochen sehr heftige Diskussionen auch innerhalb der Lehrerschaft gegeben hat, und daher möchte ich versuchen, diesen Blickwinkel zu diskutieren.

Vorausschicken möchte ich: Ich sage ein eindeutiges Ja zur Integration. – Als wir in der Volksschule die Integration eingeführt haben, war jedem klar, daß diese nicht mit der vierten Schulstufe aufhören darf, sondern auf jeden Fall weitergehen muß. Selbstverständlich darf diese Integration aber auch mit der Schule nicht abgeschlossen sein! Wir müssen wirklich Über


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legungen anstellen: Was geschieht nach dem 14. Lebensjahr? Wie gehen wir mit Behinderten, mit Kindern beziehungsweise jungen Menschen, die Entwicklungsrückstände haben, um?

Der Schule –das sage ich als Sozialdemokrat – wird oft nachgesagt, sie sei konservativ. Das ist sie natürlich auch, und sie muß es meiner Meinung nach manchmal auch sein. Wir haben ja die Aufgabe, Kulturgut zu bewahren und Kulturgut weiterzugeben. Lehrerinnen und Lehrer sind aber auch – und das wird oft übersehen – sehr empfindsam. Wer Lehrer wird, der braucht diese Empfindsamkeit, für welche Pädagogen allerdings oft auch an den Pranger gestellt werden, für die Sorgen und Nöte der ihm anvertrauten Kinder.

Die Schule ist – das habe ich eingangs schon erwähnt – in unseren Tagen und unter den herrschenden Umständen meiner Meinung nach die einzige Institution, in der Integration einigermaßen funktioniert. Sie nimmt damit einen gesellschaftlichen Auftrag wahr. Lehrerinnen und Lehrer engagieren sich aber auch darüber hinaus individuell, sie erkennen in jedem Kind die einmalige Persönlichkeit. Oft geschieht es nicht einmal bewußt, oft geschieht es vielleicht auch etwas verzweifelt, aber oft auch mit Bewunderung. Wenn man bis zum Grund vordringt, dann entdeckt man in dieser Haltung der Lehrer vor allem die Achtung vor der anderen Persönlichkeit.

Pädagogen sind sehr oft bereit, wesentlich mehr zu tun, als das Gesetz ihnen vorschreibt. Trotzdem handeln sie im Auftrag der Gesellschaft. Daher betone ich: Diese Gesellschaft – das hat auch Kollege Meier sehr deutlich ausgeführt – ist es dem Lehrpersonal schuldig, ihm die Mittel zur Verfügung zu stellen, damit es diesen Auftrag auch erfüllen kann.

Als mit der Flüchtlingswelle aus dem Kriegsgebiet des ehemaligen Jugoslawiens eine große Anzahl von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache nach Österreich kam und zu betreuen war, gelang dies ganz ausgezeichnet – trotz vieler Unkenrufe. Es wurden aber auch alle Maßnahmen ergriffen, die dazu beitragen konnten: Es gab Fortbildungsveranstaltungen, es wurden verschiedene Formen der Organisation gefunden, es gab meiner Meinung nach eine optimale Förderung.

Diesmal geht es um die Integration von Kindern, die uns ebenfalls fremd sind, und zwar nicht wegen ihrer Sprache, sondern wegen ihrer Behinderung und ihrer Entwicklungsdefizite. Es muß uns bewußt sein, daß es Entwicklungsdefizite gibt, die wir in der Schule nicht beheben können. An diesen Entwicklungsdefiziten und Behinderungen können wir Lehrer bisweilen auch fast verzweifeln. Bisher sind diese Kinder in Sonderschulen – und das betone ich – gut aufgehoben gewesen. Unser Sonderschulwesen ist mustergültig ausgebaut. Die Kinder wurden gut betreut. Aber wir müssen uns doch fragen: War diese Sonderschule nicht irgendwie quasi ein Glassturz, der mit der Realität sehr wenig zu tun hat? War sie nicht – ich weiß, wovon ich spreche, denn ich habe selbst zwei Jahre in einer Sonderschule unterrichtet – irgendwie abgehoben? War sie nicht ein – unter Anführungszeichen – "zu geschützter Bereich"? War sie nicht vielleicht doch zu weltfremd? Konnte – das formuliere ich jetzt als Frage – unsere Sonderschule das normale Umfeld, das normale Leben ersetzen? – Ich glaube, daß sie das nicht konnte! Daher setze ich sehr große Hoffnungen in die Integration. Denn nun können Kinder unterschiedlicher Entwicklung gemeinsam unterrichtet werden. Und es werden vor allem auch die Nichtbehinderten daraus Vorteile ziehen, denn sie werden lernen, wie man miteinander ohne Ängste umgeht.

Ich bin überzeugt, daß die österreichische Lehrerschaft ihr Bestes geben und die Integration zustande bringen wird. Trotzdem bleibt die kritische Frage – die nicht direkt an Sie, Frau Bundesminister, gerichtet ist –: Was geschieht nach der Pflichtschule? Sollten wir nicht rechtzeitig auch diesbezüglich Überlegungen anstellen?

Noch eine Anmerkung: Es gibt natürlich auch Lehrer, die der Integration sehr skeptisch gegenüberstehen beziehungsweise diese ablehnen. Machen wir aber deshalb bitte nicht den Fehler, diese Lehrer als schlechte oder als wenig engagierte Lehrer zu empfinden und zu bezeichnen!

Hohes Haus! Es stimmt, was Frau Bundesministerin Gehrer in einer Presseaussendung sagt: Unsere Integrationsbestimmungen sind einmalig in Europa. Ich merke aber auch an, daß die Integrationsbestimmungen zu sehr auf den städtischen Bereich abgestellt sind. In diesem Punkt bin ich der gleichen Meinung wie Kollege Meier. Wenn ich mir die zukünftige Praxis vorstelle,


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erkenne ich, daß sich Probleme zum Beispiel in Kleinstädten ergeben werden. Ich bin Leiter einer Hauptschule in einer Stadt mit etwas über 2 000 Einwohnern. Dort gibt es eine Hauptschule und eine AHS an einem Schulstandort. In der Hauptschule kämpfen wir eigentlich um Schüler, und ich befürchte, daß die Integration, zu der ich mich bekenne, nicht in der benachbarten AHS stattfinden wird, sondern nur bei mir in der Hauptschule. Das dürfte nicht passieren!

Frau Kollegin Moser! Ich habe anfangs auf Ihre Rede Bezug genommen. Sie haben vor der Gefahr der gemeinsamen Schule gewarnt, haben gesagt, daß durch die Integration der Gesamtschule jetzt ein Hintertürl geöffnet wird. Ich sage dazu: Durch die Zweiteilung der Schulen für die 10- bis 14jährigen in Hauptschule mit drei Leistungsgruppen und AHS – bei denen es meiner Meinung nach auch schon Leistungsgruppen geben sollte – und die Integration sind wir jetzt weit weg von dieser gemeinsamen Schule, die ein Großteil der österreichischen Bevölkerung über Parteigrenzen hinaus wünscht.

Aber wie gesagt: Ich sage ja zur Integration, trotz dieser kritischen Anmerkung, die ich gebracht habe. Ich sage – auch namens meiner Fraktion – ja zu all diesen reformatorischen Schulgesetzen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Rieser. – Bitte.

17.21

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es haben jetzt viele Lehrer zu diesem Thema gesprochen. Ich möchte nun auch aus der Sicht der Gemeinde zu dieser Schulunterrichtsgesetz-Novelle Stellung beziehen, nachdem ich 15 Jahre lang Bürgermeister einer Landgemeinde gewesen bin und ständig auch mit dieser Problematik zu tun hatte.

Unsere Frau Bundesministerin hat vor kurzem folgende Aussage gemacht: Leistung fördern, Versagen vermeiden. – Bildung eröffnet dem Menschen Chancen für ein Leben in Freiheit, Selbstentfaltung und Verantwortung in der Gemeinschaft. Bildung eröffnet Berufswege, Aufstiegschancen und einen sozialen Ausgleich. Bildung ermöglicht Orientierung, Urteilskraft und Verantwortungsbewußtsein.

Dieses Schulpaket enthält viele Schritte in Richtung Dezentralisierung, Regionalisierung und Entscheidungsfindung vor Ort. Das ist ein Weg, dessen Beschreitung für viele, und besonders für die Gemeinden, immer ein großes Anliegen war. Die Verlagerung der Kompetenzen vom Unterrichtsministerium zum Landesschulrat und vom Landesschulrat in die Bezirke und direkt in die Schulen vor Ort wird auch draußen im Land sehr positiv bewertet, ebenso die Sicherstellung des Mitspracherechtes der Eltern und Schüler.

Der Stellenwert einer sogenannten "Dorfschule" darf gesellschaftspolitisch nicht unterbewertet werden. Als langjähriger Bürgermeister und Mitglied des Bezirksschulrates habe ich mich sehr oft mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Die Abwanderung in ländlich strukturierten Gebieten hat sehr oft eine Schließung der Schule mit sich gebracht. Eine Schule wird oft sehr schnell geschlossen. Das Öffnen einer Schule ist jedoch viel schwieriger.

Ein Beispiel: In meiner Heimatgemeinde besuchten noch im Jahre 1968 61 Kinder eine zweiklassige Schule. Heuer, 1996, ist die Schule nicht lediglich nur mehr einklassig, sondern wir können nur mit viel Mühe den Unterricht für fünf Kinder aufrechterhalten. Ein Dorf ohne Lehrer ist jedoch bald auch ein Dorf ohne Pfarrer, und – ich erlaube mir, das zu sagen – dann stirbt ein Dorf.

Der Lehrer und die Lehrerin sind sehr oft auch jene Persönlichkeiten, die zu den Vorbildern im Ort gehören, und ein guter Pädagoge sieht seine Lehrtätigkeit nicht als Job, sondern als Berufung. Man konnte in der letzten Zeit sehr oft lesen, daß die Kinder in unseren einklassigen Schulen in den Alpenregionen schlechter ausgebildet werden. – Das stimmt nicht! Ich bin der Auffassung, daß vielmehr das Gegenteil der Fall ist: Denn der Lehrer kann sich aufgrund der


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geringen Schülerzahl sehr viel intensiver mit dem Kind auseinandersetzen. Ich bin der Auffassung, daß wir dringend Posten für die Lehrer benötigen.

Ich nenne Beispiele, was aus Kindern werden kann, wenn sie eine gute Volksschule besucht haben: Der Direktor der größten Höheren Bundeslehranstalt Österreichs in Wien, Herr Professor Dipl.-Ing. Dr. Ernst Wogrolly, der gestern von Frau Landeshauptmann Klasnic in Graz das Große Goldene Ehrenzeichen bekommen hat, kommt aus der einklassigen Volksschule meiner Heimatgemeinde. Die österreichische Spitzensportlerin Renate Götschl hat ebenfalls diese einklassige Volksschule besucht, dann die Hauptschule und die Schihandelsschule in Schladming. Heute zählt sie zu den besten Schirennläuferinnen der Welt.

Der Rechenstift – und das möchte ich zum Ausdruck bringen – darf nicht immer ausschlaggebend dafür sein, ob eine Schule erhaltenbleibt oder nicht. Die Gemeinden sind bereit – natürlich soweit das möglich ist –, auch ihren Teil dazu beizutragen. Die Vielfalt menschlicher Begabungen und Neigungen braucht ein gegliedertes Schulwesen. Die allgemeinbildenden Schulen müssen die jungen Menschen auf die sich wandelnden Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt vorbereiten können. Die Eignung des Schülers und der Wille der Eltern müssen auch künftig über Schule und Ausbildungsweg entscheiden.

Leistung muß in unserer Gesellschaft der entscheidende Auswahlgrundsatz für Aufstieg und Erfolg sein. Ich bin auch dafür, daß es kein automatisches Aufsteigen gibt, wie es so oft diskutiert wird.

Hohes Haus! Ich glaube, daß die Abschaffung der Noten, die jetzt sehr oft in Betracht gezogen und diskutiert wird, nicht der richtige Weg ist. Die Frau Bundesministerin hat zugesagt, daß sie die Umsetzung genau beobachten und notfalls auch weitere Maßnahmen setzen wird.

Die Schulen müssen aber nicht nur Leistungs-, sondern auch Lebensraum für Schüler sein. Es muß dort menschliches Miteinander geübt werden. Eine Schule soll Raum lassen für die Entwicklung eines sozialen und kulturellen Gemeinschaftslebens, in dessen Gestaltung Schüler, Eltern, Lehrer und Schulträger einzubeziehen sind. Das Wohl des Kindes muß im Vordergrund stehen, und dazu trägt diese Novelle sicherlich bei. (Beifall bei der ÖVP.)

17.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet: Frau Bundesministerin. – Bitte schön.

17.28

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Gesellschaft ist in Bewegung: Vieles ist in Bewegung, die Schule ist in Bewegung. Auch die Schule muß sich auf die neuen Herausforderungen im 21. Jahrhundert einstellen.

Wir haben daher in den vergangenen Monaten in einigen Bereichen Akzente gesetzt. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Dezentralisierung bei Entscheidungsfindungen, die Autonomie an den Schulen innerhalb der Stundentafeln, die finanzielle Autonomie, neue Lehr- und Lernformen, die Möglichkeit zur Profilbildung an den Schulen, den bilingualen Unterricht, die Öffnung nach Europa und die Gestaltung einer menschlichen Gesellschaft.

Mit dem umfangreichen Schulgesetzeswerk, das nun vorliegt, wollen wir einige besondere Ziele erreichen. Mir ist ein Frühwarnsystem zur Verhinderung von Schulversagen ein besonderes Anliegen. Mir ist es sehr wichtig, daß die Kinder und Jugendlichen Erfolg in der Schule haben. Dazu gehört vor allem, daß der junge Mensch die richtige Schule besucht. Wir werden eine verbesserte Schullaufbahnberatung an den Schulen forcieren. Die Beratung über mögliche Mißerfolge soll so früh wie möglich einsetzen. Ich danke dem Debattenredner, der uns gezeigt hat, daß das in den Schulen bereits der Fall ist und die Schüler bereits frühzeitig von den Lehrern auf Schwächen aufmerksam gemacht werden beziehungsweise Lehrer bereits frühzeitig die Eltern informieren. Und wenn dem bereits so ist, dann finde ich es gut, wenn es noch


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einmal im Gesetz verankert ist, damit auch dort, wo das bisher nicht erfolgt ist, entsprechende Maßnahmen zu einer frühen Warnung der Eltern ergriffen werden.

Ich meine aber auch, daß die Neugestaltung des Aufnahmeverfahrens an die berufsbildenden Schulen dazu beitragen wird, Schulversagen zu vermeiden. Bisher war nämlich der punktuelle Test, der für die berufsbildenden Schulen jedes Jahr ausgearbeitet wurde, überall sehr früh bekannt, sodaß zahlreiche Nachhilfeorganisationen mit den Schülern und Schülerinnen diesen punktuellen Test pauken konnten. Dadurch haben oft Schüler und Schülerinnen der zweiten und dritten Leistungsgruppen diesen Test bestanden, während diejenigen aus der ersten Leistungsgruppe, die sich nicht darauf vorbereitet haben, diesen nicht bestanden haben. Auf diese Weise kam es zu der eigenartigen Konstellation, daß in einer ersten Klasse einer berufsbildenden höheren Schule Schüler gesessen sind, die dafür nicht geeignet waren. Deswegen haben wir die größte Abbrecherquote an den ersten Klassen der BHS. Das wollen wir jetzt dadurch, daß in Zukunft das Zeugnis der abgebenden Schule eine größere Rolle spielen wird, verhindern. Zusätzlich dazu gibt es noch das Aufnahmeverfahren für diejenigen, deren Zeugnis nicht entspricht. Ich glaube, daß wir dadurch einen Schritt zu einer weiteren Objektivierung geschafft haben. (Beifall des Bundesrates Payer. )

Ein weiterer Bereich, bei dem es manchmal Mißverständnisse gibt, ist der Bereich der Lockerung des Werbeverbotes. Unsere Schulen sollen überhaupt nicht mit Werbung überschwemmt werden. Es soll aber die Möglichkeit geben, wenn Sponsoring stattfindet, dementsprechend auch Werbung zu ermöglichen.

Ich möchte noch auf etwas, das in der allgemeinen Diskussion eher untergegangen ist, hinweisen. Wir wollen auch die Mobilität fördern und die Schulen nach Europa öffnen. Es werden sehr viele EU-Programme in unseren Schulen durchgeführt. Wir wollen aber auch die Mobilität unserer Schüler, die im Ausland in die Schule gehen wollen, erleichtern.

Bisher war es so: Wenn ein Schüler ein Jahr lang im Ausland eine Schule besucht hat, hat er nach seiner Rückkehr hier sehr viele Feststellungsprüfungen machen müssen, um in die nächste Klasse aufsteigen zu können. Wir haben das nun mit folgender Argumentation geregelt: Wenn ein Schüler ein Jahr im Ausland eine fremdsprachige Schule besucht hat, dann lernt er die betreffende Fremdsprache intensiv beziehungsweise entwickelt sich in seiner Persönlichkeit sehr stark weiter. Daher ermöglichen wir ihm, in die nächste Klasse aufzusteigen; und die Grundlagen etwa in Mathematik oder in Latein, die ihm eventuell fehlen, soll er bis Weihnachten nachholen. Das ist ein Schritt zu mehr Mobilität in einem gemeinsamen Europa.

Meine Damen und Herren! Sie haben sehr viele Beiträge zur Integration gebracht. Ich möchte Ihnen dafür danken. Ich möchte aber auch betonen, daß für mich die Integration keinen Weg in Richtung Gesamtschule bedeutet. Ich bekenne mich ganz klar und deutlich zu einem differenzierten Schulsystem. In diesem Zusammenhang möchte ich feststellen: Unsere Hauptschulen sind gute Schulen. 78 Prozent der 10- bis 14jährigen besuchen eine Hauptschule, 50 Prozent der Maturanten und Maturantinnen kommen über den Weg der Hauptschule zur Matura. Das wichtige an unserem Schulsystem ist die Durchlässigkeit, denn durch diese Durchlässigkeit ist gewährleistet, daß keine Schule eine Sackgasse ist. Nach dem Besuch jeder Schule gibt es ein weiterführendes Bildungsangebot.

Ein Wort noch zu den vielen Befürchtungen, daß die Entscheidungsfindung im Bereich der Integration sehr schwierig sein könnte. Ich möchte einmal darstellen, wie ich es selbst erlebt habe und wie es tatsächlich abläuft: Es gibt in jedem Land einen Landesschulinspektor für Sonderpädagogik und Integration, der mit großem Fachwissen an dieser Entscheidungsfindung beteiligt ist. Wenn Integration gewünscht wird, so geht das ja nicht von heute auf morgen. Normalerweise beginnt der Weg im Kindergarten und wird in der Volksschule fortgeführt. Wenn dann der Wunsch nach Weiterführung der Integration in der Hauptschule oder eventuell – wenn es möglich ist – in einer AHS besteht, dann setzen sich alle Betroffenen mit den Erfahrungen, die sie im Volksschulbereich schon gemacht haben, zusammen: der Landesschulinspektor, der Bezirksschulinspektor, Vertreter der Schulpsychologischen Stelle, Fachleute für Integration und Fachleute für Sonderpädagogik sowie die Eltern und die Lehrer der betreffenden Schule. Es


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wird dann diskutiert, welche Möglichkeiten für den Schüler oder die Schülerin bestehen, und es wird gemeinsam ein Weg gesucht. Dazu kann ich Ihnen sagen: In 92 Prozent der Fälle sind kein Bescheid oder offizieller Beschluß notwendig, sondern man findet auf die beschriebene Art und Weise einen gemeinsamen Weg, welcher für das Kind der beste ist. Und ich glaube, wir müssen auch an unseren Schulen versuchen, gemeinsam den besten Weg zu finden.

Noch etwas ist erwähnt worden, was mir besonders wichtig ist: Natürlich müssen Sonderpädagogik und Integration einen gesicherten Rahmen haben. Und selbstverständlich müssen wir für die Lehrer und Lehrerinnen die notwendige Fortbildung anbieten. Ich habe sofort in Hinblick auf die Umsetzung dieser Gesetzesnovelle entsprechende Maßnahmen ausgearbeitet. Ab dem Sommersemester wird bereits ein entsprechendes Angebot an all unseren Pädagogischen Instituten bestehen, und die Informationskampagne läuft bereits jetzt an. Es gibt Informationsfolder für die Öffentlichkeit, für die Eltern behinderter und Nichtbehinderter Kinder, eine Informationsbroschüre, die Wissen betreffend die rechtlichen Grundlagen, die Zeitabläufe, die vorbereitenden Entscheidungsfindungen vermittelt und Unterrichtsbeispiele und Praxisberichte gibt. So kann sich jeder, der mit Integration und Sonderpädagogik in Berührung kommt, die notwendigen Informationen verschaffen. Wir werden in den Regionen Zusatzinformationen über einschlägige Veranstaltungen aus den Programmen der Pädagogischen Institute vermitteln.

In den Pädagogischen Instituten laufen bereits seit Jahren entsprechende Informationsveranstaltungen und Weiterbildungsveranstaltungen zur Integration. Es werden "Pädagogische Tage" zu dieser Thematik auf Schul- und auf Bezirksebene angeboten. Schulinterne Lehrerfortbildung wird verstärkt angeboten. Hospitation unter Dienstfreistellung mit anschließender Aufarbeitung und Nachbesprechung wird möglich sein. Eltern wird ein Referentenpool angeboten: Sie können Referenten und Referentinnen zu dieser Thematik zu ihren Elternabenden einladen. Außerdem gibt es Vorbereitungsseminare für betroffene Schulstandorte. Wir haben für all diese Maßnahmen für das Sommersemester an den Pädagogischen Instituten zusätzlich zu den bereits vorhandenen Mitteln über 1 Million zur Verfügung gestellt.

Ich meine, daß wir auf diese Weise die Integration und Maßnahmen der Sonderpädagogik wirklich bestmöglich – auch mit Weiterbildungsmaßnahmen für die Lehrerschaft und für die Eltern – unterstützen.

Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf die derzeit laufende Diskussion in der Öffentlichkeit möchte ich noch folgendes feststellen: Österreich hat gute Schulen und gute Lehrer und gute Lehrerinnen. Laut der OECD-Studie, die letzte Woche veröffentlicht wurde, haben 78 Prozent der Befragten in Österreich die Meinung geäußert, daß in Österreich in wichtigen Fächern gut unterrichtet wird. Unsere 13- und 14jährigen Buben und Mädchen stehen betreffend ihr Wissen in Naturwissenschaften an der Spitze der europäischen Länder. Die Ausgaben für die Pflichtschulen in unserem Land liegen im europäischen Spitzenfeld. Das Verhältnis der Zahl Lehrer-Schüler in Österreich ist besonders niedrig. Bei den Bildungsausgaben liegen wir immerhin – gesamthaft gesehen – im oberen Mittelfeld, wobei natürlich zu sagen ist, daß die Berechnungsgrundlagen sehr unterschiedlich sind: Bei uns werden bei den Bildungsausgaben alle entsprechenden Maßnahmen der Wirtschaft nicht mitgerechnet, während sie in anderen Ländern mitgerechnet werden. Würde man diese bei uns auch mitrechnen, lägen wir wahrscheinlich auch im oberen Spitzenfeld.

Ich will jetzt kein rosarotes Bild malen. In der Realität gibt es aufgrund gewisser Entwicklungen in unserer Gesellschaft, wie Vereinzelung, verstärkter Medienkonsum, Unübersichtlichkeit der Strukturen und Heimatlosigkeit der Menschen, große Herausforderungen, vor denen die Lehrer und Lehrerinnen stehen, auf welche manche mit großer Sensibilität reagieren. Die Aufgabe der Politik – und daher auch meine Aufgabe – ist es, Hilfestellungen zur Bewältigung der Probleme zu geben. In der Schule allein, meine Damen und Herren, können jedoch die Probleme der Gesellschaft nicht bewältigt werden. Wir alle sind aufgerufen, an diesen Problemstellungen zu arbeiten!

Ich meine – und das meine ich ganz ernst –, daß es bei der Führung eines großen Betriebes, wie es das Unterrichtsministerium ist, welches die Dachorganisation von vielen Schulen,


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120 000 Lehrern und Lehrerinnen und 1,2 Millionen Schüler und Schülerinnen ist, meine Aufgabe ist, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu motivieren. Ich meine, daß es im Schulbereich besonders wichtig ist, die Lehrerschaft dazu zu motivieren, an einer konstruktiven Weiterentwicklung mitzuarbeiten.

Ich möchte daher auch hier im Bundesrat allen Lehrern und Lehrerinnen für ihre engagierte Arbeit danken. Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, für Ihre Unterstützung unserer Schulgesetzgebung danken, und ich ersuche Sie alle, mit mir auf dem Weg, den diese Schulgesetznovelle beschreitet, weiterzugehen, zum Wohle unserer Schulen und zum Wohle unserer Jugend! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulpflichtgesetz 1985 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .


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Wir kommen weiters zum Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Schulen zur Ausbildung von Leibeserziehern und Sportlehrern geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

30. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert werden (322/A und 494/NR sowie 5335/BR der Beilagen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 30. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Postgesetz und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Freiberger übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Horst Freiberger: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Bundesgesetz über die Einrichtung und Aufgaben der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft (Poststrukturgesetz – PTSG) wurde die Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft (PTA) als selbständiges Unternehmen konstituiert, auf das die Rechte und Pflichten der Post- und Telegraphenverwaltung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übertragen werden.

Die PTA ist nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen, ihre Börseneinführung hat bis zum 31. Dezember 1999 zu erfolgen.

Durch die nunmehrige rechtliche Selbständigkeit und den infolge der Marktliberalisierung der letzten Jahre zunehmenden Wettbewerbsdruck ist daher ein den Grundsätzen des Privatrechtes entsprechender Handlungsspielraum bei gleichzeitiger Berücksichtigung des öffentlichen Versorgungsauftrages für die Post unerläßlich.

Ziel des gegenständlichen Gesetzes ist es, bis zum Inkrafttreten des neuen Postgesetzes eine Übergangsregelung zu schaffen, die unverzichtbare und in bezug auf ihre Realisierung un


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aufschiebbare Notwendigkeiten des neuen Postgesetzes bereits vorwegnimmt, indem das geltende Postgesetz, BGBl. Nr. 57/1958, bereinigt wird.

Der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Königshofer. – Bitte.

17.48

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Eigentlich hätte ich heute Herrn Minister Scholten hier erwartet. Da er jedoch verhindert ist – er läßt sich aber charmant vertreten –, werde ich zu Ihnen sprechen, Frau Ministerin!

Es heißt: Nicht die Großen werden die Kleinen, sondern die Schnellen werden die Langsamen fressen. – Wenn man die Entwicklung der österreichischen Post im Lichte dieser Aussage betrachtet, so muß man für die Post mit dem Allerschlimmsten rechnen. Ein international gesehen kleiner, strukturell unbeweglicher Betrieb wird mit 1. Jänner 1998 in den rauhen Wind des freien Telefonmarktes treten, und niemand kann heute sagen, wie hoch die Marktanteilsverluste und die damit einhergehenden Ertragsverluste der österreichischen Post sein werden.

Meine Damen und Herren! Die heutigen Schwächen der Post gehen auf politische Fehler – ich möchte sogar sagen: Sünden – aus der Vergangenheit zurück. Jahrelang wurden die Post und damit indirekt auch ihre Telefonkunden als Melkkuh für das Budget mißbraucht. Die Gewinne im Telefonbereich wurden per Gesetz abgeschöpft, notwendige und zukunftsorientierte Investitionen mußten über den Geld- und Kapitalmarkt finanziert werden. Insgesamt waren das pro Jahr in etwa 10 Milliarden Schilling, die so dem Unternehmen Post für die Budgetfinanzierung entzogen wurden. Dies führte zu einem Schuldenstand der Post, der weit über der 100-Milliarden-Schilling-Grenze lag.

Bei der Umstrukturierung in privatrechtliche Gesellschaftsformen – die Post und Telekom Austria AG, die Mobilkom und die Post-Holding – sollen diese Verbindlichkeiten so aufgeteilt werden, daß sie bilanztechnisch für die jeweiligen Unternehmen verkraftbar erscheinen. Wie schwer dieses Ringen um niedrige Schuldübernahmen ist, zeigen die Probleme rund um die Eröffnungsbilanz der PTA, also der Post und Telekom Austria AG, deren Finanzchef, der frühere Wirtschaftsminister Dr. Ditz, gegen jede Schuldmilliarde kämpfte und kämpft, um bis Weihnachten dieses Jahres eine halbwegs passable Bilanz vorlegen zu können. Ob ihm das Christkind allerdings diese Freude machen wird, bleibt noch abzuwarten. Viel Zeit steht nicht mehr zur Verfügung. In zwölf Tagen ist bereits Weihnachten; eine Eröffnungsbilanz ist jedoch weit und breit nicht zu sehen.

Ein großer Fehler war auch, bei der Umstrukturierung alle drei Bereiche – sowohl die Telekom als auch die gelbe Post und den Postauto-Dienst – zusammen in eine AG zu verpacken. Während europa- und weltweit reine Telekommunikationsgesellschaften in einen beinharten Wettbewerb eintreten, muß die PTA neben den Belastungen eines personalstrukturkonservierenden Betriebsrätegesetzes, das beinahe 1 000 dienstfreigestellte Betriebsräte vorsieht, noch die zwei Klötze gelbe Post und Busdienst an ihren Beinen mitschleppen.

Wenn man bedenkt, daß mit 1. Jänner 1998 auch der österreichische Telefonmarkt offen sein wird, dann kann man sich heute schon vorstellen, wie schwer es die kleine österreichische Postgesellschaft auch in Österreich selbst haben wird, wenn sie mit technologisch hochgerüsteten Giganten in Konkurrenz treten muß. Die größte Telefongesellschaft der Welt ist die japanische NT&T: Ihr folgt die amerikanische AT&T, welche gerade dabei ist, von Süditalien aus ein Koaxial-Glasfiberkabel rund um den Erdball zu legen, mit welchem man in der Lage sein wird, Millionen Telefongespräche gleichzeitig in bester Qualität abzuwickeln.


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Drittgrößte und größte Gesellschaft in Europa ist die Deutsche Telekom, die eben erst mit dem erfolgreichen Börsengang ihre– unter Anführungszeichen – "Kriegskasse" erheblich auffüllen konnte. Auch British Telekom und France Telekom werden auf dem Telekommunikationsweltmarkt mitmischen, ferner weitere große Privatfirmen in Amerika wie MCI oder Sprint und in Europa zum Beispiel die Deutsche Bahn, Mannesmann oder Siemens.

Meine Damen und Herren! Schon heute nützen viele österreichische Betriebe die Leistungen amerikanischer Telefongesellschaften im Wege des Call-Back-Dienstes. Sie werden wahrscheinlich auch in Zukunft ein offenes Ohr – im wahrsten Sinne des Wortes – für ausländische Anbieter haben. Wir Freiheitliche haben immer vor einer derartigen Entwicklung gewarnt. Herr Minister Scholten erkennt jedoch die Zeichen der Zeit offensichtlich auch heute noch nicht. Der Herr Minister ist säumig bei der Umsetzung der EU-Infrastrukturrichtlinie, die bereits seit dem 1. Juli 1996 österreichische Rechtswirklichkeit sein sollte.

Herr Minister Scholten sagte in einem "WirtschafsWoche"-Interview Ende Oktober folgendes – ich darf zitieren –: "Es geht mir nicht darum, ob wir nun die Nummer fünf oder sechs sind. Ich bin davon überzeugt, daß wir den Rückstand in einigen Jahren aufgeholt haben werden und das, ohne einen Schaden davongetragen zu haben." – Ende des Zitates.

Ich hätte Herrn Minister Scholten heute gerne gefragt, wie denn seiner Meinung nach die international recht kleine österreichische Postgesellschaft, die noch dazu große Marktanteile in Österreich mit ihrer unvorteilhaften Organisationsstruktur verlieren wird, Wettbewerbsrückstände gegenüber schlagkräftigen Telekom-Multis aufholen soll. Leider ist der Herr Minister heute nicht anwesend und kann daher nicht dazu Stellung nehmen. Ich hätte aber wirklich darauf Wert gelegt, daß er mir eine Strategie nennt, wie die österreichische Post das bewerkstelligen könnte.

Meine Damen und Herren! Ich bin der Meinung, daß gerade das Gegenteil der Fall sein wird: Die Post und Telekom wird keine Chance mehr haben, im Jahre 1999 einen Börsengang durchzuführen. Es ist zu befürchten, daß sie das Schicksal der Austrian Industries erleiden wird. Das sagen namhafte Branchenkenner und Wirtschaftsexperten bereits heute. Dann wird sich Herr Minister Scholten der politischen Verantwortung stellen müssen, vor allem gegenüber den Tausenden Mitarbeitern der österreichischen Post, deren wirtschaftliche Existenz und deren persönliches Schicksal in seiner Hand liegen. Gerade deshalb warnen wir Freiheitlichen auch vor dieser falschen Politik in Sachen Weiterentwicklung des österreichischen Postwesens und lehnen den vorliegenden Gesetzesbeschluß kategorisch ab.

Abgelehnt wird dieser Gesetzesbeschluß von uns auch deshalb, weil die Post und Telekom AG ihre nunmehrige Gebührenhoheit sofort dazu nützen will, um die Posttarife in Österreich empfindlich zu erhöhen, wie wir aus einer aktuellen Unterlage erfahren konnten. Insgesamt geht es dabei um eine Größenordnung von über 600 Millionen Schilling pro Jahr. – Ich darf Ihnen das einmal kurz zur Kenntnis bringen: Die Post plant Mehreinnahmen aus Massensendungen mit persönlicher Anschrift von rund 81,5 Millionen Schilling, Mehreinnahmen aus dem Bereich Briefe und Postkarten von rund 341 Millionen Schilling, Mehreinnahmen aus Sonderbehandlungsrechten – das Einschreibeentgelt wird von 20 auf 30 S angehoben, das allein soll 72 Millionen Schilling Mehreinnahmen bringen, das Entgelt für Übernahmsbestätigungen soll von 23 auf 30 S angehoben werden – insgesamt in der Höhe von 62 Millionen. Allein aus dem Brief- und Postkartenbereich erwartet die Post deshalb Mehreinnahmen in der Höhe von 556 Millionen, aus dem Paketbereich von rund 30 Millionen und aus dem Postscheckbereich von rund 29 Millionen. Das sind insgesamt 615 Millionen Schilling an Mehreinnahmen im Bereich der gelben Post. Meine Damen und Herren! Dieser nunmehr geoffenbarten Strategie, den internationalen Telefonwettbewerb über empfindliche Tariferhöhungen im Inland finanzieren zu wollen, können wir Freiheitliche nur unser entschiedenes Nein und unsere Absage erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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17.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Polleruhs. – Bitte.

17.57

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin in Vertretung für den zuständigen Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte gleich zu Beginn kurz auf meinen Vorredner, Bundesrat Dr. Königshofer, zurückkommen: Er hat vielleicht übersehen, daß es Ziel des gegenständlichen Gesetzes ist, bis zum Inkrafttreten des neuen Postgesetzes eine Übergangsregelung zu schaffen. Ich meine, daß es einer Sache nicht dient, wenn man versucht, nachdem es ohnedies schon genug Zeitverzögerungen gegeben hat, eine Übergangsregelung, die das Ganze erleichtern und beschleunigen soll, zu verhindern. Aber das ist eben Ihre Meinung!

Sie wissen, daß die PTA auch nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu führen ist und daß ihre Börseneinführung bis 31. Dezember 1999 zu erfolgen hat. Mit dem Übergang der hoheitlichen Funktionen auf die Postbehörden sind auch die zur Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgaben erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen sicherzustellen, um eine effiziente Vollziehung zu gewährleisten. Es geht also – wie es auch die EU-Richtlinie vorschreibt – um die Trennung der hoheitlichen und der postbetrieblichen Agenden. Es geht aber auch um die Schaffung von privatrechtlichen Rechtsverhältnissen zwischen den Kunden der Post und Telekom Aktiengesellschaft und der Post selbst, damit es zur Gleichstellung mit anderen privaten Betrieben kommt, insbesondere in Streitfällen vor ordentlichen Gerichten. (Präsident Josef Pfeifer übernimmt den Vorsitz.)

Es kommt zu einer Tarif- und Entgeltfreiheit für die Post, die sie nun braucht, weil sie keine Behörde mehr ist, sondern ein eigenständiges marktwirtschaftliches Unternehmen. Dieses eigenständige marktwirtschaftliche Unternehmen hat sich sicherlich gut bewährt. Ich möchte dazu ein Beispiel nennen: Die meisten von Ihnen wissen, daß ich Bürgermeister der Gemeinde Aflenz/Land bin, wo die einzige Erd-Funkstelle der Post österreichweit steht. Wenn man von Kapfenberg in Richtung Mariazell fährt, sind schon von weitem die Antennen mit ihren 32 Metern Durchmesser in unserer schönen Landschaft zu sehen. Sie können mir glauben, daß ich dort sehr viel persönlichen Kontakt auch mit den Bediensteten habe – diese Anlage gibt es seit 1980 –, und das nicht nur, weil die Post der Gemeinde, seit sie privatisiert ist, mehr Einnahmen gebracht hat. Ich sage das, denn wir haben bis zu dem Zeitpunkt, als die Post noch nicht privatisiert war, keine Lohnsummensteuer – wie es damals noch hieß –, neuerdings auch keine Kommunalsteuer und nicht einmal eine Grundsteuer bekommen. Jetzt bekommen wir sie! Das ist sicherlich eine erfreuliche Entwicklung für die Gemeinde. Mich freut jedoch persönlich noch mehr, daß die Dienstnehmer nun anders zu ihrer Einrichtung – zu ihrer Firma Post-Neu, wenn ich sie so bezeichnen darf – stehen.

Mit dem neuen Postgesetz, das jetzt aufgrund dieses Initiativantrags zustande kommt, ist sozusagen einmal eine Startrampe gelegt, und zwar vor allem für Bundesminister Scholten, der bis Ende März eine Regierungsvorlage für ein neues Postgesetz vorzulegen hat.

Beim Wort "Startrampe" fällt mir noch eine Besonderheit in meiner Gemeinde ein: Über der Erd-Funkstelle befindet sich nämlich wirklich eine Startrampe auf dem Schießling, diesem Berg für Drachenflieger. Liebe Frau Bundesministerin! Richte bitte Kollegen Scholten aus, daß er keine Angst davor haben soll, daß er diese Regierungsvorlage bis Ende März vorlegen muß. Er soll es so machen wie ein Drachenflieger. Ich selbst bin zwar noch nicht geflogen, aber mir wurde gesagt, das schwierigste dabei sei, daß man sich auf die Rampe traut. Wenn man einmal das Gerät hat und in der Luft ist, habe man dann andere Sorgen: Man muß nachdenken, wie man gut auf dem Boden ankommen und glücklich landen kann.

Ich glaube, wenn sich der Herr Minister gedanklich in diese Überlegung versetzen kann, wird es ihm auch gelingen, der Regierung bis März diese dringende Vorlage vorzulegen.

Wir wissen, daß trotz dieser positiven Situation noch viele Probleme mit der Post und der Liberalisierung der Post vor uns stehen, aber trotz dieser Probleme ist sicher eines klar: Es steht letztendlich im Gesetz, daß bis zum 31. 12. 1999 die Börseneinführung zu erfolgen hat. Das heißt, nur der Gesetzgeber kann diesen Termin ändern und niemand sonst, weder ein Vorstand noch ein Aufsichtsrat noch sonst jemand. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. )


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Das ist auch keine Frage, Herr Kollege Königshofer! Es ist bekannt, daß die relativ hohe Verschuldung der Post ein Problem bei der Ausgliederung und Privatisierung war, aber man muß Probleme gemeinsam lösen, und Probleme sind letztendlich dazu da, um gelöst zu werden.

Ich bin aber davon überzeugt, daß das Postmanagement aufgrund dieser gesetzlichen Vorgaben sehr wohl in der Lage sein wird, auch diese Schuldenfrage zu lösen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß noch immer das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Fremdkapital bei der österreichischen Post deutlich besser ist als bei vielen anderen europäischen Postgesellschaften.

Es war uns auch klar und bekannt, daß das Unternehmen Post im internationalen Vergleich eine relativ geringe Produktivität hat und daß es nötig sein wird, hier zu rationalisieren, um die Produktivität zu erhöhen.

Ich habe eingangs schon erwähnt, daß viel Zeit verstrichen ist, und ich wiederhole es nochmals: Es muß daher rasch einiges auf diesem Sektor geschehen. Wir erwarten jedenfalls, daß der Post klare Ziele, klare Kundenorientierung, klares Kostenbewußtsein, klare und eindeutige Rationalisierungen und Umstrukturierungen vorgegeben werden und daß auch bald ein entsprechendes Privatisierungskonzept vorgelegt werden muß.

Man muß von der Zukunftssicherung der Post reden, man muß sich überlegen, unter welchen Voraussetzungen diese österreichische Post letztendlich Zukunft hat. Man soll nicht sagen, da darf nichts angerührt werden, und was immer verändert wird, ist eine Zerschlagung. Das ist meiner Meinung nach ganz falsch, meine Damen und Herren!

Wenn wir diesen Weg weitergehen, werden wir unter Umständen dort enden – was wir nicht hoffen –, wo viele Betriebe der verstaatlichten Industrie geendet haben, und Sie können mir glauben, ich kenne mich, nachdem ich von der Industrie komme, im Bereich Bruck-Kapfenberg aus und weiß, was im Zusammenhang mit der verstaatlichten Industrie dort passiert ist. Der Erfolg der Deutschen Telekom-Privatisierung – Sie haben Deutschland angesprochen, Herr Kollege – zeigt, wohin auch der Weg in Österreich gehen könnte.

Zusätzlich kommt noch, daß die Umsetzung dieser Richtlinie bereits von der EU eingemahnt worden ist. Ich weiß schon, daß Sie seitens der F teilweise ein gestörtes Verhältnis zur EU haben. Ich frage mich oft, woran das liegt. Das kann doch nicht am schönen blauen Banner liegen, was eigentlich Ihre Lieblingsfarbe ist, und die paar gelben Tupfen, die drinnen sind, können auch nicht das Ausschlaggebende sein. Vermutlich gibt es noch einen dritten Grund. – Das heißt, es muß rascher und schneller gehandelt werden. Handlungsbedarf durch den Verkehrsminister, der dafür zuständig ist, ist sicher gegeben.

Die Zeit drängt, tun wir alles, und tun wir es bitte vor allem gemeinsam, damit uns die internationale Telekom-Entwicklung nicht ins Abseits drängt. Handeln wir rasch und handeln wir so, daß es zum Nutzen der österreichischen Post ist, aber vor allem auch zum Nutzen der österreichischen Wirtschaft und zum Nutzen der betroffenen österreichischen Postkunden.

Aus diesem Grund wird daher meine Fraktion dieser Gesetzesnovelle gerne die Zustimmung erteilen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.06

Präsident Josef Pfeifer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Kraml. Ich bitte ihn, zu sprechen.

18.06

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß die Post mit Sicherheit am richtigen Weg ist, und ich meine auch, daß die entsprechenden richtigen Schritte jetzt gesetzt werden. Ich glaube nicht, daß man die Post mit anderen Unternehmungen, bei de


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nen es vielleicht nicht so geklappt hat, vergleichen kann, und ich bin auch der Meinung, daß uns auch noch 1999 Aktien abgekauft werden.

Meine Damen und Herren! Ziel der Ausgliederung der Post- und Telegraphenverwaltung aus dem Bundeshaushalt war die Schaffung eines selbständigen Unternehmens mit einer eigenverantwortlichen Geschäftsführung und einer klaren Personal- und Kostentrennung zwischen den einzelnen Betriebssparten.

Der weltweit weitgehend liberalisierte Dienstleistungsmarkt der sogenannten Gelben Post ist von einem massiv zunehmenden Wettbewerb gekennzeichnet. Um zu gewährleisten, daß die Post auch in Zukunft als gesundes Unternehmen eine flächendeckende Grundversorgung mit Postleistungen sicherstellen kann, bedarf es entsprechender gesetzlicher Rahmenbedingungen.

In einem bereits weitgehend liberalisierten Markt muß die Post zur Sicherstellung fairer Wettbewerbsbedingungen zwischen dem Universaldienstleister und anderen Betreibern die notwendige Handlungsfreiheit besitzen, um effektiv zum Vorteil der Postbenützer agieren zu können.

Eine wirtschaftlich gesunde Fortführung der Postdienste unter Aufrechterhaltung des flächendeckenden Versorgungsnetzes erfordert naturgemäß auch eine kostenbewußte Produktgestaltung. Darüber hinaus erfordert die möglichst homogene Einfügung der österreichischen Regelung in den europäischen Binnenmarkt eine umfassende Berücksichtigung der einschlägigen Richtlinien und Vorstellungen der Europäischen Union.

Neu eingeführt und definiert wird daher der Begriff der Postdienste, die Bestimmungen tragen den wirtschaftlichen Entwicklungen am Postsektor Rechnung und sollen eine dauerhafte Versorgung des Bundesgebietes mit postalischen Dienstleistungen in guter Qualität und zu angemessenen Entgelten sicherstellen. Die Festlegung eines reservierten Postdienstes bildet die finanzielle Grundlage für die dauerhafte Erbringung des Universaldienstes durch die Post.

Ferner sind die behördlichen Aufgaben, die bisher von der Post wahrgenommen wurden, im Sinne der internationalen Entwicklung und der Vorgaben der Europäischen Union in einen neuen ordnungspolitischen Rahmen zu stellen.

Meine Damen und Herren! Eine der zentralen Forderungen der EU auf dem Gebiet des Postwesens beinhaltet die Trennung der hoheitlichen von den betrieblichen Funktionen der Postorganisationen. Mit der Einrichtung der Postbehörde wird ein unabhängiges Aufsichtsorgan geschaffen.

Ein wichtiger Punkt bei der Bestellung der Postbehörde ist die notwendige Ausstattung mit Planstellen. In der Begründung des Gesetzesantrages sind zwölf Planstellen vorgesehen. Diese Planstellen sollen im Ministerium geschaffen werden.

Gleichzeitig sollen die Rechtsbeziehungen zwischen dem Dienstleistungsunternehmen Post einerseits und den Kunden dieses Unternehmens andererseits auf privatrechtlicher Basis geregelt werden, sodaß in Streitfällen nicht wie bisher Verwaltungsbehörden, sondern unabhängige Gerichte zu entscheiden haben.

Als Folge der nunmehr privatrechtlich geregelten Rechtsbeziehung zwischen der Post und ihren Kunden verlieren die Beförderungsgebühren ihren hoheitlichen Charakter und stellen künftig privatrechtliche Entgelte dar.

Damit die Post einerseits auf dem weltweit liberalisierten Markt für Postdienstleistungen auch in Zukunft bestehen und andererseits den von ihr verlangten Universaldienst in angemessener Qualität sicherstellen kann, muß das Unternehmen die Möglichkeit haben, außerhalb des reservierten Bereiches zu fairen Wettbewerbsbedingungen am Markt operieren zu können.

Dieses von der Europäischen Union für die Entwicklung der innergemeinschaftlichen Postdienste vorgegebene Ziel soll durch Anpassung an die im Wirtschaftsleben gegebene Realität mit einer Erweiterung des Handlungsspielraumes der Post erreicht werden. Die Gefahr von


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Wettbewerbsverfälschungen zwischen der Post und privaten Anbietern, die letztlich auch zu Qualitätsverschlechterungen im flächendeckenden Dienstleistungsbereich führen kann, soll beseitigt werden.

Die bisher der Post aufgrund von sozial-, staats- und gesellschaftspolitischen Notwendigkeiten auferlegten Pflichten, Dienstleistungen im Interesse des Gemeinwesens zu erbringen, führten betriebswirtschaftlich zu Abgängen in Milliardenhöhe. Wir wissen, daß zum Beispiel die Zeitungsbeförderungsgebühr allein 2,5 Milliarden Schilling an Defizit gebracht hat.

Mit der Ausgliederung der Post- und Telegraphenverwaltung aus dem Bundeshaushalt und der im Koalitionsübereinkommen der Regierungsparteien festgeschriebenen gebarungsmäßigen Trennung von Post und Telekom-Sektor müßten die durch gemeinwirtschaftichen Leistungen bedingten Defizite nunmehr von der Post alleine getragen werden. Diese finanzielle Bürde würde das Unternehmen Post in seiner wirtschaftlichen Existenz ernsthaft gefährden. Die weitere Aufrechterhaltung und die Finanzierbarkeit des bundesweiten Postnetzes wäre in Frage gestellt. Neben dem Verlust von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung müßten massive Nachteile für alle Postbenützer und den Wirtschaftsstandort Österreich in Kauf genommen werden.

Um eine derartige Entwicklung zu vermeiden, muß dem Besteller von Leistungen im besonderen öffentlichen Interesse gegenüber der Post eine Entschädigungspflicht auferlegt werden. Gleichzeitig soll sichergestellt werden, daß bei der Post derartige Leistungen im Bedarfsfall bestellt werden dürfen.

Meine Damen und Herren! Von all diesen Umstrukturierungen ist naturgemäß auch das Personal betroffen. Rund 60 000 Postlerinnen und Postler haben ein Recht darauf, daß das Management und der Gesetzgeber, der die Grundrichtung vorgibt, mit Augenmaß an die Sache herangehen. Für mich steht hier außer Diskussion, daß die Bewahrung der Grundsubstanz des Unternehmens an erster Stelle zu stehen hat, weiters geht es um die größtmögliche Erhaltung der Arbeitsplätze und um die Regionalversorgung.

Insgesamt gesehen sehe ich die Chancen für die Post als nicht schlecht an, sich am freien Markt auch entsprechend behaupten zu können. Aus diesem Grund wird die Sozialdemokratische Partei der vorliegenden Gesetzesnovelle die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

18.14


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Präsident Josef Pfeifer:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

31. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend Internationales Übereinkommen von 1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten samt Entschließungen MSC.21 (59) und MSC.33 (63) über Änderungen des Übereinkommens (345/NR sowie 5336/BR der Beilagen)

Präsident Josef Pfeifer: Wir gelangen nun zum 31. Punkt der Tagesordnung: Internationales Übereinkommen von 1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten samt Entschließungen über Änderungen des Übereinkommens.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Karl Wilfing: Geschätzter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Das Internationale Übereinkommen von 1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten besteht aus 17 Artikeln, die unter anderem den Anwendungsbereich, die Übermittlung von Informationen an den Generalsekretär der IMO, weiters Übergangsbestimmungen, eine Ausnahmegenehmigung und das Kontrollverfahren durch die Vertragsstaaten behandeln sowie das Übereinkommen betreffende Verfahrensregeln, wie Änderungen, Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung, Beitritt, Inkrafttreten und Kündigung beinhalten.

Der Beitritt Österreichs zum STCW-Übereinkommen soll die erhöhten Sicherheitsanforderungen auch für Besatzungen österreichischer Seeschiffe verbindlich werden lassen.

Gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG ist das gegenständliche Übereinkommen in allen authentischen Sprachfassungen sowie in der Übersetzung ins Deutsche dadurch kundzumachen, daß dieses zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten und im Bundesministerium für Wissenschaft, Verkehr und Kunst aufliegt.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Der Nationalrat hat anläßlich der Beschlußfassung im Gegenstand im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG beschlossen, daß dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Josef Pfeifer: Danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht trotzdem jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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619. Sitzung / Seite 137

Ferner bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

32. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffen Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Donau-Auen samt Anlagen (411 und 438/NR sowie 5337/BR der Beilagen)

Präsident Josef Pfeifer: Wir gelangen nun zum 32. Punkt der Tagesordnung: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Donau-Auen samt Anlagen.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Johanna Schicker übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Johanna Schicker: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der gegenständliche Beschluß hat zum Ziel,

den Nationalpark Donau-Auen unter Bedachtnahme auf die Akzeptanz der Bevölkerung und auf der Basis der Kriterien II – Nationalpark der Weltnaturschutzunion – anzustreben,

den Nationalpark Donau-Auen als naturnahes und landschaftlich wertvolles Gebiet von nationaler und internationaler Bedeutung zu fördern und zu erhalten,

die für dieses Gebiet repräsentativen Landschaftstypen sowie die Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer Lebensräume zu bewahren,

die Möglichkeiten von Nutzungen des Gebietes zu Zwecken der Bildung von Erholung, Wissenschaft und Forschung wahrzunehmen,

das Grundwasservorkommen in den Donau-Auen zu sichern sowie

eine effiziente Nationalparkverwaltung gemeinsam mit den Ländern Wien und Niederösterreich für die Errichtung und Verwaltung des Nationalparks Donau-Auen einzurichten.

Der Ausschuß für Familie und Umwelt stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Präsident Josef Pfeifer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger. Ich bitte ihn, das Wort zu ergreifen.

18.20

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Was der Ausschußbericht, den wir soeben gehört haben, in relativ trockenen Sätzen wiedergibt, ist in Wirklichkeit der Beginn eines der bedeutendsten Abschnitte der gegenwärtigen österreichischen Umweltpolitik.


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619. Sitzung / Seite 138

Die uns vorliegende Artikel 15a B-VG-Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien ist – ich verwende hier die Wortes unseres Bundesministers Dr. Martin Bartenstein – ein Milleniumsprojekt. Es ist ein Geschenk von uns an die nächste Generation.

Der Nationalpark Donau-Auen ist dieses Milleniumsprojekt, auch wenn – wie üblich bei solchen Vorhaben, möchte ich schon sagen – wieder kritische Stimmen laut werden, wie: Warum hat es eigentlich so lange gedauert, bis dieses Projekt umgesetzt werden konnte? – Dabei sind die zehn Jahre Dauer im internationalen Vergleich ein Rekordtempo, wenn man weiß, daß durchschnittlich 23 Jahre vom Beginn der Planung bis zur Umsetzung eines Nationalparkes vergehen.

Im Vordergrund sollte aber meiner Meinung nach stehen, daß dieser Nationalpark Leben schützen wird. Er wird sogar das Überleben von – da verlasse ich mich auf die Informationen von entsprechenden Fachleuten – 600 Pflanzenarten und 5 000 Tierarten sichern.

Die Frage, was die Erhaltung einer Art, einer Tier-, einer Pflanzenart, für uns als Gesellschaft wert ist, ist, glaube ich, eine ganz wichtige Frage, die wir nach Umsetzung dieses Projektes besser beantworten können als bisher.

In letzter Konsequenz ergibt sich aus dieser Frage auch: Was ist unser eigenes menschliches Leben wert, oder was ist ungeborenes Leben wert? Wir werden darauf Antworten finden müssen, um vor der nächsten Generation entsprechend bestehen zu können.

Der Wert dieser 600 Pflanzen- und 5 000 Tierarten unseres künftigen Nationalparks Donau-Auen wird heute durch Ihre voraussichtlich – so hoffe ich – gegebene Zustimmung zu diesem Projekt dokumentiert werden.

Mit unserem Ja zum Nationalpark sagen wir auch ja zur Erhaltung einer Artenvielfalt. Wir sagen aber auch ja dazu, daß dieses Projekt etwas kostet und daß sich Leben erhalten sich direkt auf unsere Geldbörsen auswirken wird. Das ist wichtig, und ich denke, daß die kommende Generation diesen Umstand besser akzeptieren wird als der eine oder andere Vertreter der Nachkriegsgeneration.

Gleichzeitig halte ich dazu fest, daß allein durch das Besetzen dieser Au vor zehn Jahren lediglich ein Bewußtseinsprozeß in Gang gesetzt wurde und beileibe nicht alle Aubesetzer bereit wären, die finanziellen Konsequenzen für dieses Projekt zu tragen.

Eine Au zu besetzen ist eine Sache, einen Nationalpark trotz vieler Hindernisse durchzusetzen, das ist eine andere Sache. Erlauben Sie mir, wenn ich auch hier wieder in ein anderes Fach hinüberwechsle, bei dem ich glaube, ähnliches zu erleben, nämlich in der Frage der Tierschutzgesetzgebung. Sich vor dem Landwirtschaftsministerium aus Protest anzuketten, weil die Tiertransportbestimmungen geändert werden sollen, das ist eine Sache, bereit zu sein, auf die Haltung von beispielsweise exotischen Tieren, die völlig unartgerecht nach einem Tausende Kilometer langen Transport von Kontinent zu Kontinent gehalten werden, zu verzichten, das ist eine andere Sache. Auf Bauern mit dem Finger zu zeigen, weil sie seit Jahrhunderten beispielsweise einen Stock zum Treiben von Vieh verwenden, aber gleichzeitig Haustiere in der Wohnung völlig falsch zu füttern, das ist meines Erachtens nicht konsequent. Und ich füge hier ganz kritisch den Satz hinzu, daß ich meine, daß das Anketten in einer Wohnung wesentlich weniger medienwirksam wäre als das Anketten vor einem Bundesministerium.

Zurückkommend zum Nationalpark ist noch festzuhalten, daß eine Nationalpark GmbH dieses Zukunftsprojekt verwalten wird. Der Bund steuert bekanntlich 50 Prozent, die Länder Wien und Niederösterreich je 25 Prozent dazu bei. Jährlich sind das dann voraussichtlich – zumindest in der Startphase – über 30 Millionen Schilling, die hier zu veranschlagen sind. Meiner Meinung nach ist das gut angelegtes Geld. – Geld, mit dem wir Leben sichern und wahrscheinlich sogar über eine Umwegrentabilität – mir würde hier der Vergleich Umweltrentabilität einfallen –, und zwar über den Weg des Tourismus, neue Chancen für viele Landesbürger in diesem Raum eröffnen.


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619. Sitzung / Seite 139

Ich bin schon beim Schluß meiner kurzen Ausführungen angelangt und möchte einen Slogan der Niederösterreich-Werbung ein bißchen abändern. Dieser Slogan lautet: "Niederösterreich – ein schönes Stück Österreich". Wenn der Nationalpark umgesetzt ist, dann könnten wir sagen: Der Nationalpark Donau-Auen – ein schönes Stück Niederösterreich und Wien. Daher wird die ÖVP-Fraktion diesem Beschluß des Nationalrates gerne die Zustimmung erteilen. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.28

Präsident Josef Pfeifer: Am Wort ist Herr Bundesrat Josef Rauchenberger.

18.28

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Vor rund einem Monat hatte ich bereits Gelegenheit, zur Gründung und Beteiligung an der Nationalparkgesellschaft Donau-Auen das Wort zu ergreifen. Bereits dabei ging ich sehr ausführlich auf die Besonderheit dieser einmaligen Naturlandschaft ein und nahm auch auf den langen Weg zur Errichtung des Nationalparks Bezug.

Heute liegt uns die von den Ländern Niederösterreich und Wien gemeinsam mit dem Bund geschlossene Vereinbarung gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Donau-Auen zur Entscheidung vor. Diese Vereinbarung wurde in feierlicher Form bereits am 27. Oktober zwischen dem Bund sowie den Ländern Niederösterreich und Wien in Hainburg unterfertigt.

Zur Erinnerung und zum besseren Verständnis über Motive und Ziele möchte ich die Präambel jener Vereinbarung anführen, welche vor rund fünf Jahren zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien zur Vorbereitung und Schaffung eines Nationalparks Donau-Auen geschlossen wurde. Sie lautete: Der Bund, vertreten durch die Bundesregierung, und die Länder Niederösterreich und Wien, vertreten durch die Landeshauptmänner, sind, geleitet von dem Wunsche, die Augebiete in Wien und östlich von Wien aufgrund ihrer Schönheit und Einmaligkeit als Landschaft in Österreich und ihres besonderen ökologischen Wertes als eine der letzten Flußlandschaften in Mitteleuropa zum Wohle der Bevölkerung für alle Zukunft zu erhalten, übereingekommen ... – Dann geht es weiter mit der Bestimmung über die weiteren Ziele.

Der Weg zu diesem Nationalpark Donau-Auen war mühsam, von vielen Rückschlägen, Skepsis und Widerstand geprägt und bedurfte zahlreicher und langjähriger schwieriger Verhandlungen. Mit der Unterzeichnung der gegenständlichen Vereinbarung und dem Beschluß zur Gründung der Nationalparkgesellschaft darf endlich an die praktische Umsetzung der im Artikel 3 angeführten Ziele herangegangen werden. Die Ziele, die Organisationsform, die Aufgaben der Nationalparkverwaltung und die Finanzierung sind in dieser Artikel 15a-Vereinbarung klar festgelegt.

Mit der Unterfertigung der Artikel 15a-Vereinbarung steht das ausgewiesene Gebiet für alle Zukunft unter optimalem Schutz. Der Nationalpark Donau-Auen ist somit der beste Garant dafür, daß Eingriffe nicht das Ende der natürlichen Au bedeuten, sondern sichernde Ziele verfolgen.

Das Naturraum-Konzept sichert eine natürliche Entwicklung des Waldes und der Gewässer samt deren Bewohner. Die Stabilisierung der Stromsohle wird auf naturnahe Weise durch Zugabe von Grobkies durchgeführt. Die Absenkung des Uferbegleitweges und der Einbau von Durchlässen läßt mehr Wasser in die Au strömen. Der Wasserspiegel wird mit Hilfe von Buhnen und Leitwerken angehoben, um bessere Bedingungen für die Schiffahrt zu schaffen. Trinkwasser wird nur an Stellen und in Mengen entnommen, die Nachteile für das Ökosystem ausschließen. In der Oberen Lobau wird ein Drittel der Ackerfläche aufgeforstet und ein zweites Drittel in Wiesen umgewandelt. Das Besucherkonzept beinhaltet Erlebnismöglichkeiten und soll zugleich sensible Gebiete entlasten. Der weiteren Verbauung wird ein wirksamer Riegel vorgeschoben.

Mit der Artikel 15a-Vereinbarung wurden naturgemäß auch Fragen der Finanzierung, Aufwand und Kosten des laufenden Betriebes, sowie die Frage von Entschädigungen geregelt. An direkten finanziellen Erfordernissen ist in der Anfangsphase mit einem Gesamtaufwand in Höhe von rund 20,8 Millionen Schilling seitens der Nationalparkgesellschaft zu rechnen. Dieser Betrag


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untergliedert sich in einen sehr schlanken personellen Aufwand mit sechs Mitarbeitern einschließlich der Geschäftsführung und Kosten von 5,3 Millionen Schilling. Als Sachaufwand wird ein Betrag von 4,5 Millionen Schilling budgetiert.

Für den Nutzungsentgang an Bundesforste, Forstverwaltung Wien und sonstige Eigentümer sieht die Vereinbarung eine Stufenlösung vor, welche 11 Millionen Schilling von Vertragsbeginn mit 1. Jänner 1997 und bis zum Jahr 2000 steigende, dann aber gleichbleibende Beträge von 20,6 Millionen Schilling erforderlich macht. Neben diesen Aufwendungen der Nationalparkgesellschaft sind davon unabhängig Leistungen der Gebietskörperschaften im konkreten für die Bundesforste und die Forstverwaltung der Stadt Wien in der Anfangsphase von 23,3 Millionen Schilling als Personal- und Sachaufwand aufzuwenden. Dieser Betrag soll sich in der Ausbauphase durch Beiträge des Landes Niederösterreich in der Höhe von 6,1 Millionen Schilling an Sach- und Personalaufwand erhöhen.

Nationalparkgesellschaft und Nationalpark-Forstverwaltungen haben in der Anfangsphase also jährliche finanzielle Aufwendungen von rund 44,1 Millionen Schilling zu tragen. In der Ausbauphase sind schließlich Beträge von 59,8 Millionen Schilling jährlich erforderlich.

Gemäß dieser Vereinbarung sind die Kosten der Nationalparkgesellschaft zu 50 Prozent vom Bund und zu je 25 Prozent von den Ländern Niederösterreich und Wien zu tragen. Wien wird mit seinen 2 900 Hektar der Lobau und der Mannswörther Au einen wichtigen Teil der angesprochenen Nationalpark-Forstverwaltung bilden. Wie bereits erwähnt werden auch sämtliche Kosten für Personal- und Sachaufwand von Wien selbst getragen und belasten dadurch nicht das Nationalpark-Budget.

Damit ein gemeinsames Ziel verfolgt wird, ist ein geschäftsführender Ausschuß vorgesehen, in welchem der Geschäftsführer der Nationalparkgesellschaft mit den Leitern der Forstverwaltungen die Jahrespläne und auch das tägliche Geschehen abstimmen. Die Nationalparkgesellschaft wird das Gesamtgeschehen des Nationalparks zu koordinieren haben und mit einem Geschäftsführer und fünf weiteren Bediensteten eine sparsame und schlanke Organisation erforderlich machen.

Die Gestaltung der Infrastruktur für diesen faszinierenden Lebensraum Auwald wird etappenweise erfolgen und sich auf Beschlüsse der Generalversammlung stützen, wobei ab Vorliegen eines Wirtschafts- und Finanzplanes ein Höchstbetrag von 17 Millionen Schilling in gegenständlicher Vereinbarung als festgesetzt gelten.

Nationalparks sind langfristige Einrichtungen, die nicht unmittelbar eine Ziellinie kennen. Das Ziel eines Nationalparks besteht vielmehr in der ständigen Weiterentwicklung zu einem natürlichen Lebensraum. Es ist zu hoffen, daß möglichst viele Besucher des Nationalparks Donau-Auen ein neues Naturbewußtsein entwickeln, denn was der Mensch kennt und achtet, ist er auch bereit zu schützen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.35

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich erteile es ihm. (Die gesamte SPÖ-Fraktion verläßt den Saal.)

18.35

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute mit der Nationalparkgesellschaft ein Gesetz beschließen, so beschließen wir ein Gesetz über eine sehr niedliche Zwischenlösung. Die niedliche Zwischenlösung ist dieser sehr kleine Nationalpark. (Vizepräsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Dieser Nationalpark ist auch – so möchte ich sagen – eine verspätete Frühgeburt, und zwar deshalb, weil die Planung schon 23 Jahre alt ist, weil viele Attribute, die zu einem Nationalpark gehören, nicht vorhanden sind.


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Zur Größe. Jetzt soll er 6 000 Hektar haben, aber in Wirklichkeit müßte er den internationalen Kriterien entsprechend rund 11 000 Hektar haben. Es fehlen uns also einige Hektar, und vielleicht ist das der Grund, daß unsere lieben Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion den Auszug gewagt haben. Sie meinten, ein so kleiner Nationalpark ist einfach zu klein, um alle Fraktionen hier vereint im Saal des Bundesrates zu haben. Nur so kann ich es verstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dieser Nationalpark hat manche Eigenwilligkeiten und Einmaligkeiten. Nicht nur, daß er der kleinste Nationalpark ist, der sich den Titel Nationalpark arrogiert, denn, Herr Bundesminister, meines Erachtens würde das Wort Landschaftsschutzgebiet oder Naturschutzgebiet auch reichen, befindet sich in diesem Nationalpark – ich benütze das Wort unpolemisch weiter – ein Donaukraftwerk, befindet sich ein kalorisches Kraftwerk, befindet sich der Ölhafen Wien und befindet sich ein Öllager. Es gehen Hauptverkehrsstraßen vorbei, die Schiffahrt benützt die Donau, weil natürlich der Nationalpark über die Donau reicht. Der Nationalpark quert die Donau und auch eine Gasleitung.

Meines Erachtens wird hier der Versuch unternommen – ob er geglückt ist, das wird die Zukunft zeigen –, eine Symbiose zwischen Natur und Technik herzustellen. – Etwas, was üblicherweise den Nationalparks fern ist. Es wird versucht – vielleicht gelingt das sogar –, ein Techno-Disneyland auf wienerisch oder niederösterreichisch herzustellen. Diese Punkte muß man sicher kritisch anmerken.

Meine Damen und Herren! Was sind die Anforderungen an einen Nationalpark? – Eine großartige Naturlandschaft. Dafür kann ich einstehen, die ist vorhanden. Ohne menschliche Veränderungen, so wird gefordert. Das ist in dieser Gegend von Österreich, östlich Wiens, entlang der Donau wirklich nicht mehr zu erwarten, daß das eine Naturlandschaft ist, die ohne menschliche Veränderungen geblieben ist.

Zu tief hat der Mensch eingegriffen, und ich will gar nicht behaupten, nur zum Nachteil. Er hat aber eingegriffen, und das widerspricht gewissermaßen der Nationalpark-Idee.

Geologische Besonderheiten sonder Zahl. Man versucht, die Donau mit Schotter zu stabilisieren, und man weiß bis jetzt noch nicht, ob das gelingen wird, ob sich nicht der Schotter nach einigen Jahren in irgendeinem slowakischen Grenzkraftwerk an der Donau befinden wird und Österreich unter Umständen auf seine Kosten den österreichischen Schotter wieder herausbaggern muß. Das wird die geologische Besonderheit sein. Auch das stimmt.

Genügend Lebensraum für besondere Tiere und Pflanzen. Wenn die Größe schon international vorgegeben wird, so sollte er auch 11 000 und mehr Hektar haben. Unsere kleinen Viecherln, die wir haben, werden es auf rund 6 000 Hektar schon schaffen, ihren Lebensraum dort zu finden. Das paßt also nicht, das können wir nicht erzwingen. Die fehlenden 6 000 Hektar müssen wir noch dazubekommen. Wie wir das machen, wissen wir noch nicht.

Eine sehr begrenzte touristische Nutzung. Mein verehrter Vorredner, der aufgrund der Enge des Nationalparks jetzt gegangen ist, Kollege Rauchenberger, meinte, daß die Wiener und die Leute diesen Nationalpark sehr intensiv nutzen sollten. Das steht aber im Widerspruch zur üblichen Idee des Nationalparks. Nationalparks internationaler Art – man braucht nicht gleich immer den Yellowstone-Park vor sich zu sehen, da können wir nicht mithalten – haben in der Größenordnung immer eine begrenzte touristische Nutzung. Das wird sich in der Nähe einer Großstadt nie verwirklichen lassen.

Wir wissen auch noch nicht, wie die Auswirkungen des Kraftwerks Freudenau auf den Nationalpark sein werden. Der Nationalpark und seine Schaffer gehen einmal davon aus, es wird keine Auswirkungen haben. Wir alle haben noch immer die verfluchte Technikgläubigkeit, indem wir glauben, bei all dem, was der Mensch in die Hand nimmt und glaubt, am Reißbrett technisch bewältigen zu können, macht die Natur und läßt mit sich so spielen, wie wir es gerne hätten, wenn wir Legosteinchen in die Hand nehmen.


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Das stimmt nicht immer, das haut einfach nicht hin. Die Natur schlägt uns ein Schnippchen, und das Schnippchen der Natur ist oft desaströs für den Menschen, weil die Natur nimmt das als Schnippchen an, was wir schon als schwere Bedrohung erleben.

Meine Argumente richten sich zwar gegen den Nationalpark, aber ich will damit nur hinweisen, was fehlt. Wir sind für den Nationalpark, wir stimmen ihm auch zu. Wir erwarten aber, daß diese Mängel behoben werden, daß das nachgeholt wird. Manche Mängel lassen sich nicht beheben. Wir können den Nationalpark nicht in Wien-Distanz bringen, damit weniger Touristen hingehen. Wir kriegen die Kraftwerke nicht weg, aber es muß alles gemacht werden, damit diese Mängel, die wir haben, minimiert werden.

Jetzt spreche ich als halber Niederösterreicher oder als Viertelniederösterreicher, obwohl ich ein Wiener bin, ein Wiener Bundesrat: Ich bin sehr glücklich, daß wir diesen Nationalpark bauen, aber wie ist es mit den Gründen der Anrainer, meine Damen und Herren? Hier ist die Situation nicht geklärt. (Bundesrat Bieringer betritt den Saal.) Setzen Sie sich doch nieder, Herr Kollege! Das macht nichts, wenn einige fehlen. Sie haben Platz genug.

Wie will man die Eingriffe in das Privateigentum machen? – Herr Bundesminister! Ist das schon gelöst? Ist der Konsens mit den Bauern und den Grundeigentümern hergestellt? Ist die Finanzierung für Grundablösen gesichert? Ist die Sohlestabilisierung der Donau gesichert? Ist eine nationalparkkonforme Nutz- und Trinkwasserentzugssicherung vorgesehen? Vorgesehen wird sie sein, aber wird sie klappen? Ist die angrenzende Bevölkerung befragt worden, ob sie einen Nationalpark haben will? Das ist ein demokratisches Grundprinzip, das ich da einwerfe. Wie werden die laufenden Kosten gedeckt? Die laufenden Kosten können wir am ehesten decken, wenn viele Besucher hinkommen. Das ist aber nicht ganz zweckmäßig.

Wir haben auch die Fragen der Bewirtschaftung, der Enteignung, des Pachtes, der Entschädigung, der Nutzungseinschränkungen für die bäuerliche Bevölkerung zu klären. Es sind dies Probleme, die in der Luft hängen.

Ich meinte schon, ein Yellowstone-Park wird es nicht werden. Ich bin auch überzeugt, daß dieses Nationalpark-Embryo, den wir haben, viel an Sorge bedarf. Aber ich bin auch überzeugt, sehr geehrter Herr Minister, daß, wenn wir auch mit vollem Herzen für diesen Nationalpark sind, mehr als das volle Herz dazugehört, nämlich auch eine lebenslange Betreuung dieses Embryos, damit wir nach einigen Jahren sagen können, jawohl, es war ein gutes Kind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.44

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johann Grillenberger. Ich erteile es ihm.

18.44

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Vieles wurde schon gesagt. Sicherlich haben meine Vorredner vieles von meiner Rede vorweggenommen. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Woher wissen Sie das? Sie waren doch nicht da!) Ich war anwesend, ich habe gelauscht. Danke, daß ich vor meiner ersten Rede lauschen durfte. (Rufe und Gegenrufe bei SPÖ und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer durchströmt uns die Donau, und in den letzten 100 bis 150 Jahren ist der europäische Schicksalsstrom auf weite Strecken kanalisiert, belastet und ökonomisch ausgebeutet worden. Auf den ersten tausend Donaukilometern sind bis heute 59 Staustufen gebaut worden. Im Schnitt wird der Fluß alle 17 Kilometer angehalten, doch gibt es viele Wege, um einen Fluß zu nutzen.

Mit der Vereinbarung des Artikel 15a-Vertrages zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien zur Errichtung und Erhaltung eines Nationalparks Donau-Auen im Oktober 1996 soll ein Schritt der weiteren Nutzung ermöglicht werden. Die Donau-Auen in Wien und östlich von Wien sind die größten zusammenhängenden Aulandschaften Mitteleuropas. Von der


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Wiener Lobau erstreckt sich ein 50 Kilometer langer Auwaldsaum entlang der Donau bis zur Staatsgrenze bei Wolfsthal-Berg. Insgesamt werden im Zuge der Nationalparkplanung 11 500 Hektar als nationalparkwürdig eingestuft, wobei in der Anfangsphase 9 300 Hektar in die Nationalparkgesellschaft eingebracht und verwaltet werden.

Meine Damen und Herren! Auf der Grundlage der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich und Wien wurden in der ersten Planungsphase von 1991 bis 1993 von der Betriebsgesellschaft Marchfeldkanal die Nationalparkplanung Donau-Auen sowie die Maßnahmen zur Verwirklichung des Projektes unter Berücksichtigung bereits eingeholter Gutachten und Forschungsarbeiten weitgehend geklärt.

Um eine abschließende Beurteilung vornehmen zu können, waren noch bestimmte Themen in einer zweiten Planungsphase von 1994 bis 1995 näher zu untersuchen. In der fünfjährigen Prüfungsphase konnten die Werte des Au-Ökosystems an der freien Flußstrecke im internationalen Vergleich bestätigt werden. Die Untersuchung, in die auch das Österreichische Institut für Raumplanung eingebunden wurde, dokumentiert in ihrer Gesamtheit die hohe Naturnähe des Gebietes und das große Potential zur Verbesserung der Standortbedingungen und zur Gewährung Au-dynamischer Prozesse, sodaß die Errichtung eines Nationalparks Donau-Auen als sinnvoll erachtet werden kann, denn gerade Aulandschaften zählen zur Realität in der besonders schützens- und erhaltenswerten Phase.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, daß ein solches naturnahes und landschaftlich wertvolles Gebiet von nationaler und internationaler Bedeutung zu fördern und zu erhalten ist, so wie die Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer Lebensräume zu bewahren sind.

Der 15a-Vertrag zwischen dem Bund und den Ländern Wien und Niederösterreich regelt die Finanzierung, die zur Realisierung eines solch bedeutenden Projektes notwendig ist. Wenn in der ersten Phase im Jahr 1997 ein Kostenaufwand von zirka 40 Millionen Schilling vorgesehen ist, so werden sich die laufenden Kosten für den Nationalpark in der Endphase pro Jahr auf zirka 60 Millionen Schilling erhöhen. Wenn auch die Finanzierung im Vertrag geregelt ist, so, glaube ich, bedarf es noch einer Reihe von Nachverhandlungen und Detaillösungen in verschiedenen Fragen. Besonders mit den privaten Grundeigentümern und den Anrainergemeinden des Nationalparks wird ein intensiver Dialog zu führen sein.

Meine Damen und Herren! Es bedurfte Kraft und Mut, gegen den Strom eines ökonomischen Zeitgeistes zu schwimmen, und wir wissen auch, unter welchem Opfer wir uns für ein Miteinander mit der Natur besinnen. In diesem Sinne kann meine Fraktion die Zustimmung zu diesem Vertrag geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.49

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. Ich erteile es ihm.

18.49

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Ich darf mich deswegen kurz fassen, weil wir dieses Thema Gründung und Verwirklichung des Nationalparks Donau-Auen erst vor einigen Wochen im Bundesrat diskutiert haben, und zwar anläßlich der Verabschiedung jenes Gesetzes, das die Errichtung einer Nationalparkgesellschaft ermöglicht. Ich bin damals von der freiheitlichen Opposition kritisiert worden, daß das vom Zeitenablauf her nicht optimal sei. Ich habe damals schon darauf verwiesen, es ist alles darauf abgestimmt und getimt, daß dieser Nationalpark Donau-Auen mit 1. Jänner 1997 Wirklichkeit wird, quasi operational wird, und das ist auch so.

Ich darf Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates, darüber informieren, daß, nachdem es eine Einigung zwischen den verantwortlichen Landeshauptleuten von Wien und Niederösterreich, dem Herrn Finanzminister und mir gegeben hat, wir morgen in der Gründungsgeneralversammlung der Nationalparkgesellschaft Herrn Mag. Carl Manzano, einen in Orth an der Donau gebürtigen Experten, der sich lange Jahre als Geschäftsführer des Distel


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vereines Verdienste erworben hat, zum Geschäftsführer dieser an sich sehr kleinen und schlanken Nationalparkgesellschaft bestellen werden. Es ist dies dann quasi der letzte Gründungsakt, weil alle Gesetzesmaterien mit dem jetzt bevorstehenden Beschluß des Bundesrates abgeschlossen sind.

Herr Manzano ist aus einem Dreiervorschlag, der von einer Berufungskommission ungereiht erarbeitet wurde, ausgewählt worden, und ich freue mich, daß damit alle terminlichen Vorgaben eingehalten werden können und daß auch diese letzte Entscheidung im Konsens zwischen den vier verantwortlichen Herren, nämlich den beiden Landeshauptleuten, dem Finanzminister und mir, getroffen werden konnte. Es steht damit dem Nationalpark Donau-Auen ab 1. 1. 1997, wie das seit Monaten geplant war, nichts mehr im Wege. – Ich danke für die Erteilung des Wortes. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.52

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht. – Das ist ebenfalls nicht gegeben.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz des B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit. Man muß nur wissen, was man will. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Herr Präsident! Er hat nicht aufgezeigt!) Ich muß Ihnen aus der Sicht des Vorsitzführenden sagen, daß es bei Ihrer Fraktion schwer erkennbar ist, wer dafür und wer dagegen ist, weil Sie nur halb die Hand heben. Ich darf bitten, daß man in Zukunft deutlich die Hand hebt, man tut sich dann leichter. Ehrlich, es ist schwierig, weil die Hälfte der Fraktion anders wählt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Hoher Bundesrat! Ich stelle fest, die Beschlußfassung erfolgte mit Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

33. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über den Schutz des Menschen und der Umwelt vor Chemikalien (Chemikaliengesetz 1996 – ChemG 1996) (414 und 439/NR sowie 5301 und 5338/BR der Beilagen)

34. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geändert wird (311/A und 440/NR sowie 5302 und 5339/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 33 und 34 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über den Schutz des Menschen und der Umwelt vor Chemikalien (Chemikaliengesetz 1996) und

ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geändert wird.


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Die Berichterstattung über die Punkte 33 und 34 hat Frau Bundesrätin Johanna Schicker übernommen. Ich ersuche sie höflichst um die Berichterstattung.

Berichterstatterin Johanna Schicker: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Punkt 33: Ziel des gegenständlichen Bundesgesetzes ist der vorsorgliche Schutz des Lebens und der Gesundheit des Menschen und der Umwelt vor unmittelbar oder mittelbar schädlichen Einwirkungen, die durch das Herstellen und Inverkehrsetzen, den Erwerb, das Verwenden oder die Abfallbehandlung von Stoffen, Zubereitungen oder Fertigwaren entstehen können.

Mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluß des Nationalrates werden die im Hinblick auf die Rechtslage in der EU erforderlichen Anpassungen vorgenommen. Der Anwendungsbereich des Chemikaliengesetzes sowie der Kreis der für die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung Verantwortlichen werden im Einklang mit dem Richtlinien der EU erweitert. Das System der Anmeldung neuer chemischer Stoffe in Österreich wird so adaptiert, daß die volle Anerkennung österreichischer Anmeldungen in der EU sichergestellt ist. Der Katalog gefährlicher Eigenschaften, an denen sich Einstufung und Kennzeichnung zu orientieren haben, wird den neuesten Entwicklungen in der EU angepaßt. Weiters werden die rechtlichen Grundlagen für Österreichs Teilnahme am Altstoffprüfungsprogramm der EU geschaffen. Schließlich werden den Vollzugsbehörden zusätzliche Instrumente, insbesondere die Möglichkeit der Beschlagnahme, zur Verfügung gestellt, um die gesetzlichen Vorschriften unter den Bedingungen des Binnenmarktes gegenüber ausländischen wie inländischen Produkten mit gleicher Wirksamkeit durchsetzen zu können.

Der Ausschuß für Familie und Umwelt stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Bericht zu Punkt 34:

Die nunmehr zweijährigen Erfahrungen mit der Anwendung des dritten Abschnittes dieses Gesetzes, der die Umweltverträglichkeitsprüfung für Bundesstraßen und Hochleistungsstrecken regelt, haben gezeigt, daß einige Bestimmungen dieses Abschnittes in der Praxis schwer vollziehbar und ergänzungsbedürftig sind.

Der gegenständliche Gesetzesbeschluß des Nationalrates trägt dem Umstand Rechnung, daß einige dieser Bestimmungen zu präzisieren und ihr Zusammenhalt mit dem zweiten Abschnitt des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes klarer zu fassen sind.

Der vorliegende Beschluß enthält auch einige Änderungen, die eine effizientere Abwicklung der Verwaltungsverfahren und eine gezieltere Berücksichtigung von Umweltinteressen ermöglicht.

Der Ausschuß für Familie und Umwelt stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Helmut Prasch. Ich erteile es ihm.

18.56

Bundesrat Dr. Helmut Prasch (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf Ihre launige Bemerkung betreffend das Abstimmungsverhalten der Freiheitlichen zurückkommend, Herr Präsident, darf ich ebenso launig antworten, daß wir eben keinem strengen Klubdiktat unterliegen, weshalb freie Mehrheits- und Meinungsbildungen in unserem Klub durchaus üblich sind. (Bundesrat Dr. Kaufmann: Ha! Ha!) – Zum Unterschied von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von den anderen beiden Fraktionen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich in gebotener Kürze auf die nunmehr zur Beschlußfassung vorliegenden beiden Gesetze, das Chemikaliengesetz und das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, eingehen. Ich darf Ihnen ganz kurz erläutern, weshalb die Freiheitlichen diesen beiden Gesetzesanträgen die Zustimmung verwehren müssen.

Beide Gesetze beinhalten letztlich nichts anderes als eine Aufweichung der bisher hohen österreichischen Umweltstandards zugunsten des Rechtes der Europäischen Union. Das bedeutet in unseren Augen nichts anderes als einen weiteren Bruch jener Versprechungen, die den Österreicherinnen und Österreichern vor dem Beitritt zur Europäischen Union gemacht wurden. Deshalb werden wir beiden Gesetzen die Zustimmung nicht erteilen können, und ich darf das am Beispiel des § 28 Chemikaliengesetz ganz kurz deutlich machen.

In diesem § 28 des Chemikaliengesetzes heißt es, daß die höheren österreichischen Standards im Bereich des Umweltschutzes gegenüber der Europäischen Union zwar eingehalten würden, aber bei genau einem Punkt, und zwar beim Werbeverbot für Chemikalien heißt es wörtlich: daß sie bis zur Adaptierung einer eigenen Zubereitungslinie in ihrer Anwendbarkeit – Bezug genommen wird auf die Chemikalien – suspendiert werden. Das heißt, dieser Punkt wird ausdrücklich aufgehoben. Man macht das, wie auch im Nationalrat bereits debattiert wurde, auf eine sehr elegante Weise, man setzt dieses Recht nicht einfach außer Kraft, man erklärt es auch nicht für obsolet, sondern man sagt ganz fein dazu, man suspendiert dieses Recht. Letztlich bedeutet das aber nichts anderes als eine tatsächliche Außerkraftsetzung dieses Gesetzes.

Der Grund für die Aufhebung des Werbeverbotes für Chemikalien ist ein ganz anderer, denn in der Begründung dazu heißt es: Die Printmedien und TV-Programme seien international und vor allem mit Deutschland sehr stark vernetzt. In Deutschland gibt es dieses Werbeverbot für Chemikalien nicht. Damit man nun die Zuseher und Konsumenten nicht dadurch verwirrt, daß etwa Österreicher einen in Deutschland gedrehten Film oder Werbespot im deutschen Werbefernsehen sehen, suspendiert man in Österreich ein Gesetz. Eine noch scheinheiligere Ausrede kann ich mir in diesem Zusammenhang nicht vorstellen, meine Damen und Herren!

Ähnlich verhält es sich auch beim Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, das ebenfalls heute zur Beschlußfassung hier vorliegt. Hintergrund der Änderung dieses Gesetzes ist eine gewünschte Verfahrensbeschleunigung für den Bahn- und Straßenbau. Das ist grundsätzlich ein Anliegen, das auch in den Bundesländern von einigermaßen großer Bedeutung ist, weil – aus Kärntner Sicht kann ich das sagen – viele Straßenprojekte aufgrund dieses strengen Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens immer wieder verzögert, blockiert und letztlich gestoppt wurden, und dieses Verfahren von vielen Bürgerinitiativen manchmal auch dazu mißbraucht wurde, bewußte politische Blockaden zu machen.

Es gibt aber in diesen Bereichen in Österreich nach wie vor eine allgemeine – ich darf sagen – Planlosigkeit, was das Vorantreiben von Straßenprojekten betrifft, denn vielfach handelt es sich dabei auch nur um Erledigungen im Bereich des Straßenbaues, die nach Prestigegefühl erledigt beziehungsweise nach dem Gefälligkeitsprinzip in Angriff genommen werden.

Wenn wir heute die Hauptpunkte des neuen Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes anschauen, dann sehen wir, daß sich diese in erster Linie auf Straßenstücke bis zu fünf Kilometern beziehen, die nunmehr ausnahmsweise UVP-pflichtig sein sollen. Man will die Mitsprache der Anrainer komplett ausschalten, und das ist wieder, so glaube ich, ein falscher Weg.

Man kann die Bürgerbeteiligung aus einem Straßenbauverfahren nicht gänzlich ausschalten, man müßte sie vielmehr doch öffnen, aber nicht in der Form, wie es bisher war, daß damit der Blockade von wichtigen Projekten Tür und Tor geöffnet ist, sondern diese Bürgerbeteiligung sollte in einem zeitlich gestrafften Rahmen nach wie vor möglich sein, auch wenn es sich nur um Projekte handelt, die bis zu fünf Kilometer lang sind, denn die Anrainer, die genau auf diesem Straßenstück zu Hause sind, haben aus unserer Sicht selbstverständlich ein Anrecht, ihren Standpunkt zu Gehör zu bringen.

Ich glaube, daß allein diese Tatsache zeigt, daß eine Änderung dieses Gesetzes, wie es in der heutigen Form vorliegt, letztlich zu Lasten der Bürger beschlossen wird, und deshalb sind wir


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dagegen. Wir können aus diesem Grund nur sagen, daß wir auch weiterhin – so wie wir das bei unseren Kärntner Straßenbaureferenten, die wir in den letzten Jahren gestellt haben, immer wieder getan haben – versuchen, einen neuen Weg zu gehen; einen neuen Weg, der heißt, bei der Errichtung von Straßen möglichst breit zu argumentieren, möglichst viele Bürgerinitiativen an einen Tisch zu bringen, um mit diesen gemeinsam einen Plan durchzuziehen, dann erspart man sich auch die vielen Schikanen, die teilweise in diesem Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren aufgetreten sind. Dazu braucht man aber nicht in einem neuen UVP-Gesetz die Bürgerbeteiligung gleich ganz auszuschließen, denn das ist nicht demokratisch, und das ist aus unserer Sicht auch abzulehnen.

Beiden Gesetzen müssen wir daher die Zustimmung verwehren. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.02

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile es ihm.

19.02

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Als ich vorgestern ins Parlament fuhr, dachte ich, ich könnte diesem Chemikaliengesetz die Zustimmung nicht geben. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Viele Berichte und höchste Fachleute in unserem Staate beschweren sich darüber, daß wir im Parlament viel zu viele und oft auch schlampige Gesetze machen. Doch bei genauerem Studium der Vorlage des Chemikaliengesetzes kam ich zur Einsicht, daß offenbar jene Beamte, die mit dem Entwurf der Regierungsvorlage für dieses Chemikaliengesetz betraut waren, mit größter Sorgfalt an ihre Aufgabe herangingen. Bei dieser Regierungsvorlage wurden nicht einfach die EU-Richtlinien umgesetzt, sondern es wurde auch sehr darauf geachtet, daß eine möglichst große Verwaltungsvereinfachung Platz greift.

Hier spürt man auch einen Minister, der offenbar Umweltschutz und wirtschaftliche Vernunft gut miteinander in Einklang zu bringen vermag. Dies führt dazu, daß das Waschmittelgesetz in das Chemikaliengesetz integriert werden konnte. Ich würde mir wünschen, daß wir das im Parlament öfter sagen können, deshalb lassen Sie mich diesen Inhalt noch einmal wiederholen:

Durch die Integration des Waschmittelgesetzes in das Chemikaliengesetz konnte gleichzeitig das Waschmittelgesetz außer Kraft gesetzt werden. Würden wir doch öfter solche Beschlüsse hier im Parlament fassen können! – Ich glaube, daß wir damit der Wirtschaft und dem österreichischen Volk einen guten Dienst erweisen würden.

Die Waschmittel spielen vor allem bei der negativen Beeinflussung unserer Flüsse und Bäche eine große Rolle. Die jährliche Menge der in Österreich verwendeten Waschmittel und Reinigungsmittel beträgt weit über 100 000 Tonnen.

Innerhalb dieser Wasch- und Reinigungsmittel gibt es große Unterschiede in ihrer Beeinträchtigung der Umwelt bei gleicher Wirksamkeit. Die bisher auf zwei verschiedenen Bundesgesetzen aufgeteilten Umweltvorschriften wurden mit dem Chemikaliengesetz in einem Gesetzeswerk zusammengeführt. Die damit verbundene Zusammenlegung der Überwachungs- und Kontrollaufgaben ermöglicht eine wesentliche Einsparung der Verwaltung. Durch das vorliegende Gesetz wird auch eine hohe Anzahl von Verordnungen eingespart, und zwei im alten Waschmittelgesetz vorgesehene Gremien sind nicht mehr notwendig.

Dieser Einsparung steht allerdings eine Gebühren- und Tarifverordnung gegenüber, die der Chemiewirtschaft jährlich zwischen 500 000 S und 800 000 S kostet. Wie bekannt ist, gefährden solchen Mehrkosten Arbeitsplätze. Deshalb muß in Zukunft nicht nur bei Steuererhöhungen, sondern auch bei der Einführung oder Erhöhung von Gebühren mehr Sorgfalt aufgewendet werden.

Durch dieses Chemikaliengesetz können auch neue Erkenntnisse über eine zusätzliche oder höhere Gefährlichkeit von Stoffen und von Zubereitungen umgehend berücksichtigt werden. Mit


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einer raschen Anpassung und Einstufung der Kennzeichnung werden die Verwender frühzeitig in die Lage versetzt, Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt entsprechend dem neuesten Kenntnisstand einzuführen.

Im Interesse des Gesundheitsschutzes der österreichischen Bevölkerung und des Schutzes der Umwelt gibt die ÖVP-Fraktion diesem Gesetz gerne ihre Zustimmung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.07

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johann Kraml. Ich erteile es ihm.

19.07

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin auch mit dem Zug nach Wien gefahren, und mich hat nicht das Chemikaliengesetz gedrückt, sondern das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz.

Meine Damen und Herren! Beim Chemikaliengesetz handelt es sich im wesentlichen um eine gänzliche Neufassung des Gesetzes. Die Novelle soll die Nachteile, die durch die unterschiedlichen Bestimmungen gegeben waren, ausgleichen. Die Novelle bringt weiters eine administrative Vereinfachung und die Anpassung an die EU-Richtlinien. Österreich wird damit auch das europäische Anmeldesystem für Chemikalien übernehmen. Die Sonderstandards, die beim Beitritt vereinbart wurden, werden davon nicht berührt. Diskrepanzen zwischen dem österreichischen Chemikaliengesetz und der EU konnten bereinigt werden.

Ziel dieses Bundesgesetzes ist der vorsorgliche Schutz des Lebens und der Gesundheit des Menschen und der Umwelt vor unmittelbar oder mittelbar schädlichen Einwirkungen, die durch das Herstellen und Inverkehrsetzen von Stoffen entstehen können.

Meine Damen und Herren! Wichtig ist auch – das hat Kollege Jaud schon angeführt –, daß das Waschmittelgesetz hier "eingeflossen" ist. Immerhin verbrauchen wir jährlich an die 140 000 Tonnen Waschmittel und belasten damit unsere Kläranlagen und damit auch die Umwelt nicht unerheblich.

Meine Damen und Herren! Es ist der Konsument gefordert, es sind auch der Erzeuger und der Vertreiber gefordert. Die Eigenverantwortung wird großgeschrieben, sie ist aber mit den notwendigen Kontrollen versehen, und letztendlich gibt es auch bei Nicht-Einhalten der Vorschriften die entsprechenden Strafen.

Meine Damen und Herren! Uns liegt heute auch ein Bundesgesetz vor, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geändert wird. Ein Hauptgrund für die Novellierung war, daß in Österreich UVP-Verfahren zwischen 24 und 60 Monate dauern – im Vergleich dazu Deutschland mit 10 bis 12 Monaten, Frankreich 10 bis 11 Monate – und dadurch auch die Gefahr bestand, daß sich Industrieunternehmen das nicht angetan haben und daher anderswo investiert haben. Diese Studie stammt allerdings von der Wirtschaftskammer und wird daher auch mit einiger Vorsicht zu genießen sein.

Ich halte nichts davon, daß Projekte jahrelang verzögert werden, ich meine aber auch, daß man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten sollte, und bei einigen Änderungen wäre das bald gelungen.

Das UVP-Gesetz ist zum Schutze des Bürgers da und soll es auch weiterhin sein. Es ist in diesem Falle auch nicht relevant, wie groß ein Bauvorhaben ist, denn die Umweltverträglichkeit hat nichts mit der Größe eines Projektes zu tun. Grundsätzlich einmal sollte ein Projekt so geplant werden, daß es unter möglichster Umweltschonung errichtet und dann auch betrieben werden kann.


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Meine Damen und Herren! Das UVP-Gesetz wird sicher nicht zum letzten Mal hier in diesem Hause diskutiert werden – der Herr Minister hat bereits für 1997 eine weitere Diskussion dieser Materie zugesagt.

Meine Damen und Herren! Die SPÖ wird sowohl dem Chemikaliengesetz als auch der UVP-Novelle die Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.11

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing. Ich erteile es ihm.

19.11

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Geschätzte Damen und Herren! Es wäre sicher verlockend, auf das am 1. Juli 1994 beschlossene Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz einzugehen, um die Qualität hervorzuheben, die damit für den Umweltschutz erreicht wurde, aber ich möchte mich eher einem Gedanken widmen, den schon Kollege Gottfried Jaud angesprochen hat, nämlich daß – und ich glaube, jeder von uns wird immer wieder darauf angesprochen – unsere Gesetze einfacher, sozial verträglicher werden müssen und daß wir uns damit auseinanderzusetzen haben, daß all diese Regulierungen, die heute die Wirtschaft beeinträchtigen, eben den Wirtschaftsstandort Österreich behindern und teilweise auch damit Arbeitsplätze verhindern.

Wenn wir wissen, daß wir pro Jahr insgesamt 10 000 Seiten Gesetzestext beschließen, daß derzeit zirka 4 500 Gesetze und Verordnungen in Gültigkeit sind, dann haben wir uns wirklich die Frage nach den Prioritäten zu stellen und müssen eben entscheiden, was ist wichtiger: die rasche Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Beibehaltung bisheriger Umweltschutzregeln. – Die Wahl ist sicher nicht leicht, gewiß, aber ich glaube, jede Frage hat ihren Preis, und ohne Preis ist nichts zu bekommen und auch nichts zu behalten.

Wenn Kollege Kraml gemeint hat, daß Studien der Wirtschaftskammer schon aufzeigen, daß diese UVP-Verfahren in Österreich durchschnittlich 12 bis 24 Monate dauern und in anderen europäischen Staaten nur 10 bis 12 Monate – ich sage dazu, er meinte, gerade weil sie von der Wirtschaftskammer sind, seien sie zu hinterfragen, darauf sage ich aber, wenn sie von der Wirtschaftskammer sind, so werden sie sicher richtig sein –, dann müssen wir uns überlegen, wie wir in Österreich darauf reagieren und wie wir verschiedenste Sachen, die eindeutig Korrekturbedarf haben, in das richtige Lot bringen.

Zu Kollegen Prasch möchte ich nur sagen, damit, daß bei diesen kleineren Bauvorhaben – Bundesstraßen bis fünf Kilometer – auch in Zukunft die mitwirkenden Behörden, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde zu befassen sind, ist meiner Ansicht nach genügend Bürgermitbeteiligung gegeben, denn den Bürgermeister, der hier gegen seine Bewohner, gegen seine Bevölkerung entscheiden würde, schaue ich mir an! Ich bin mir da sicher, daß die Bürgermeister und die Gemeinderäte im Sinne der Bevölkerung, der Bewohner, die richtigen Maßnahmen mitunterstützen, mittragen werden. Ich glaube, es wäre verfehlt, wenn wir bei kleinen Kreuzungsumbauten, bei kleinen Ortsumfahrungen, bei denen 100 Prozent der Bewohner dafür sind, diese UVP vorschreiben, die dann 24 Monate lang dieses Projekt verhindert, verzögert, obwohl den Bewohnern viel rascher geholfen werden könnte.

Aus diesem Grund wird die Österreichische Volkspartei gegen das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der ÖVP.)

19.14

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesminister Dr. Bartenstein.

19.14

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Die Debatte hat bereits die beiden vor


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liegenden Gesetzesmaterien beschrieben. Ich möchte zum Chemikaliengesetz doch auch mit einigem Stolz sagen, es kommt nicht oft vor, daß man ein Gesetz beschließt und damit zwei bestehende außer Kraft setzt, also der Saldo ist damit minus 1, und das sollte uns öfter gelingen. Die Integration des Waschmittelgesetzes in das Chemikaliengesetz ist, glaube ich, ein Schritt in die richtige Richtung.

Zu dem, was Sie, Herr Kollege von der freiheitlichen Fraktion, mit dem Wegfall des Werbeverbotes moniert haben: Zum einen ist das in der Praxis nie relevant gewesen, zum anderen ist das – das wissen Sie sicherlich auch ganz genau – nicht ein Teil des sogenannten Rivio-Prozesses, ist also nicht im Beitrittsvertrag Österreichs angeführt. Die dort angeführten höheren Standards, um die es uns geht, werden sehr wohl mit der Europäischen Union verhandelt. Es ist mir gerade in dieser Woche gelungen – gemeinsam mit meinen Kollegen aus Schweden und aus Finnland –, diesen Rivio-Prozeß sogar wortwörtlich in das fünfte Aktionsprogramm der Europäischen Union zum Thema Umweltschutz zu integrieren und damit das über die Beitrittsverträge von Finnland, Schweden und Österreich hinaus noch auf die Stufe einer eigenen EU-Rechtsmaterie zu stellen, was sicherlich als Vorteil zu sehen ist. Soviel zum Chemikaliengesetz.

Was jetzt das UVP-Gesetz anlangt: Meine Damen und Herren! Diese Novelle war notwendig, weil sich gezeigt hat, daß manche Bestimmung zum Thema Straßenbau und vor allem auch zum Hochleistungs-Eisenbahnbau nicht zweckmäßig ist. Wer die Diskussion der letzten Tage und Wochen verfolgt, kommt fast zu dem Schluß, daß in Österreich Straßen und Straßentunnels jetzt plötzlich umweltverträglicher sein sollen als die Schiene und Schienentunnels. Ich kann mich dieser Position insgesamt nicht ganz anschließen, es wäre eine Verkehrung unserer verkehrspolitischen und umweltpolitischen Prinzipien.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn nach dem vorliegenden UVP-Gesetz jede kleine Ortsumfahrung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen gewesen wäre, dann wäre das nicht praktikabel. Hier würde dann mit Kanonen auf Spatzen geschossen, das wollen wir nicht tun, daher: Herausnahme.

Aber, meine Kollegen von der freiheitlichen Fraktion, Sie haben doch sicherlich das vorliegende Gesetzeswerk gelesen. Dann wüßten Sie auch, daß diese Ausnahmebestimmung sehr wohl an bestimmte Kriterien gebunden ist, nämlich das fällt nur dann nicht unter das UVP-Gesetz, wenn es sich erstens um kein Schutzgebiet handelt, wenn zweitens insgesamt der Verkehr dadurch um nicht mehr als 20 Prozent erhöht wird – also wenn relevantes zusätzliches Verkehrsaufkommen zu erwarten ist, ist das sehr wohl UVP-pflichtig –, und auch für den alpinen Bereich über 1 200 Meter Seehöhe gilt diese Ausnahmebestimmung nicht.

Zu den Bestimmungen für den Hochleistungs-Eisenbahnbau, auch angesichts meines Kollegen Hums, der diesbezüglich eine viele Jahrzehnte währende gute Tradition und berufliche Erfahrung hat: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat sich herausgestellt, daß man im UVP-Gesetz für Hochleistungsstrecken zum Beispiel mit der Vorgabe für punktförmige Lärmemissionsquellen, wie sie zum Beispiel typischerweise Industrieanlagen sind, bei der Eisenbahn nicht weiterkommt, weil es sich theoretisch um eine Emissionsquelle von Wien bis nach Salzburg handelt, und das war zu korrigieren und anzupassen.

Im übrigen ist es richtig, daß eine große UVP-Novelle für das Frühjahr 1997 geplant ist. Mein Experte – in dem Fall handelt es sich um eine Expertin – wird noch für die ersten Monate des nächsten Jahres einen Entwurf zur Begutachtung vorbereiten. Da ist unter anderem auch eine novellierte EU-Richtlinie einzuarbeiten, und wir werden uns sicherlich einiges überlegen, was zur Vereinfachung dient.

Daß irgendeine Kammer in Österreich schon irgendeine Studie dazu hat, wie lange UVP-Verfahren für die Industrie brauchen, das wundert mich, weil es für die Industrie in diesem Land nämlich noch gar keine UVP-Verfahren gibt. Also das überrascht mich, und es überrascht mich auch, daß man heute schon sagen kann, daß ein UVP-Verfahren in Österreich bis zu 60 Monate


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dauern wird, weil es das Gesetz gar nicht so lange gibt. Also man fürchtet sich in Österreich allerortens vor etwas, was in der Form nicht so gemeint ist.

Aber noch einmal: Wir werden in den nächsten Tagen auf Regierungsebene das neue Anlagenrecht diskutieren. Wir müssen uns in Österreich der Diskussion stellen, wie wir neue oder novellierte Materiengesetze schaffen, die einerseits dem Umweltschutz und dem Nachbarschutz Genüge tun – und zwar im erforderlichen Ausmaß, im bisher gewohnten Ausmaß –, andererseits aber doch eine Beschleunigung und eine Entbürokratisierung der Verfahren zustande bringen. Ich behaupte, dieser Spagat und diese Gratwanderung im Anlagenrecht und ist im UVP-Recht durchaus möglich. Das ist zu machen.

Österreichs Unternehmer sind nämlich, wenn es um Umweltschutz geht, deswegen als Investoren letztlich nicht wegen der Härte der Anforderungen irritiert – das ist es nicht! –, es geht um die Bürokratie, es geht um die Länge von Verfahren, es geht um die Rechtsunsicherheit, daß man am Anfang eines Projektes nicht weiß, welche Immissionsstandards man einhalten muß! Dort wollen wir Abhilfe schaffen, dann können wir vielleicht sogar bei den echten Standards im Zuge des Fortschrittes des Standes der Technik noch das eine oder andere erreichen, und der Fortschritt wird dann letztlich auch den Bürgern zugute kommen. – Herr Präsident! Ich danke für die Worterteilung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.20

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht gegeben.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz über den Schutz des Menschen und der Umwelt vor Chemikalien – Chemikaliengesetz 1996.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein deutliches Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Anspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Anspruch zu erheben, ist somit angenommen.

35. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundesgesetz betreffend ergänzende Regelungen zur Anwendung der Verordnungen (EWG) im Bereich der sozialen Sicherheit, die Bundesgesetze BGBl. Nr. 473/1992 und 600/1996, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Sonderunter


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stützungsgesetz und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden (2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996 – 2. SRÄG 1996) (394 und 465/NR sowie 5340/BR der Beilagen)

36. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Betriebspensionsgesetz (BPG), das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG), das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden (387 und 470/NR sowie 5341/BR der Beilagen)

37. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden über Soziale Sicherheit (320 und 471/NR sowie 5342/BR der Beilagen)

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hoher Bundesrat! Wir gelangen nun zu den Punkten 35 bis 37 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Bundesgesetz betreffend ergänzende Regelungen zur Anwendung der Verordnungen (EWG) im Bereich der sozialen Sicherheit, die Bundesgesetze BGBl. Nr. 473/1992 und 600/1996, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Sonderunterstützungsgesetz und das Arbeitsmarktservicegesetz geändert werden (2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996),

ein Bundesgesetz, mit dem das Betriebspensionsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden, und

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden über Soziale Sicherheit.

Die Berichterstattung über die Punkte 35 bis 37 hat Herr Bundesrat Erhard Meier übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.

Berichterstatter Erhard Meier: Sehr geehrter Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Sozialausschusses über das 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996 betreffend jene Bundesgesetze, die der Herr Präsident im einzelnen aufgelistet hat.

Durch den gegenständlichen Beschluß soll die Umsetzung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung für die Jahre 1997 bis 2000 im Bereich der Sozialversicherung erfolgen. Dabei sind folgende Änderungen hervorzuheben:

Regelung der Beziehungen der Sozialversicherungsträger zu den Krankenanstalten, die über Landesfonds finanziert werden;

Regelung der Beziehungen der Sozialversicherungsträger zu den privaten Krankenanstalten, die nicht unter die genannte Vereinbarung fallen;


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Regelung des Pflegekostenzuschusses, wenn Anstaltspflege in einer Krankenanstalt in Anspruch genommen wurde, die in keiner Vertragsbeziehung zum Träger der Sozialversicherung steht;

Adaption des Regreßrechtes im Falle der landesfondsfinanzierten Anstaltspflege;

Leistungen der Träger der Sozialversicherung an die Landesfonds.

Soweit keine Verträge mit gemeinnützig geführten privaten Krankenanstalten, die über Landesfonds finanziert werden, bestehen, so sind diese abzuschließen, um eine entsprechende Sachleistungserbringung zu ermöglichen.

Im gegenständlichen Gesetzesbeschluß des Nationalrates ist jeweils hinsichtlich einzelner Grundsatzbestimmungen in Artikel I, Artikel II, Artikel III und Artikel IV eine Frist von sechs Monaten zur Erlassung von Ausführungsgesetzen der Länder vorgesehen. Für diese Fristen ist gemäß Artikel 15 Abs. 6 B-VG eine Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 29. November betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Betriebspensionsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden.

Die im Artikel I des gegenständlichen Beschlusses enthaltene Novelle zum 1990 geschaffenen Betriebspensionsgesetz berücksichtigt die bisher in der Praxis gewonnenen Erkenntnisse bei der Anwendung des Gesetzes. Von den vorgeschlagenen Verbesserungsmaßnahmen sind besonders hervorzuheben:

Straffung der Bestimmungen zum Geltungsbereich für Zusagen von Gebietskörperschaften;

Entfall der bescheidmäßigen Genehmigungspflicht von Vertragsmustern;

in Teilbereichen Einbeziehung des Kollektivvertrages als arbeitsrechtliche Grundlagenvereinbarung neben der Betriebsvereinbarung und der Einzelvereinbarung nach einem Vertragsmuster;

Ergänzung und Präzisierung der Unverfallbarkeitsbestimmung bei Pensionskassenzusagen;

Vereinfachung der Berechnung des Unverfallbarkeitsbetrages bei direkten Leistungszusagen durch Einführung des Teilwertverfahrens;

Überarbeitung der Bestimmungen zur Wertpapierdeckung.

Weiters sind in den in dem vorliegenden Beschluß enthaltenen Novellen zum IESG und zum AVRAG Anpassungsmaßnahmen und Klarstellungen vorgesehen.

Ferner sind in der erwähnten Novelle zum IESG und im BUAG folgende Änderungen vorgesehen:

Einbau der bisherigen Übergangsregelung (Anmerkung: diese erfolgte außerhalb des IESG) betreffend den Ersatz der Abfertigungszahlungen der BUAK durch IAG-Fonds an Bauarbeiter bei Insolvenz ihres letzten Arbeitgebers im Baubereich ins IESG als Dauerrecht;

gleichzeitig Beibehaltung der bisherigen Übergangsregelung, daß die Arbeitgeber im Baubereich den IAG-Zuschlag in selber Höhe zu zahlen haben wie die anderen Arbeitgeber;

Aufhebung der obsolet gewordenen Regelungen über die mögliche Darlehensgewährung an Arbeitgeber, die Arbeiter beschäftigt haben, anläßlich der Einführung der Arbeiterabfertigung, da


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solche Darlehen nur für Abfertigungen gewährt werden können, die bis Ende 1986 entstanden sind;

Anpassung eines Gesetzeszitates infolge der ASVG-Änderung.

Schließlich enthält die Novellierung des BUAG Änderungen, die wegen der Überleitung – in das IESG – der bisherigen Übergangsregelung bezüglich der Refundierung der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse von im Insolvenzfall geleisteten Abfertigungen notwendig sind.

Die in dem Beschluß enthaltene Novellierung des Arbeitsverfassungsgesetzes soll der Klarstellung des Zitates in dieser Regelung zu der rechtlichen Grundlage für die zu bildende Wertpapierdeckung dienen; aus § 14 Abs. 7 EStG 1988 ist lediglich das Ausmaß der Wertpapierdeckung abzuleiten.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden über Soziale Sicherheit.

Das vorliegende Abkommen soll das derzeit in Kraft stehende österreichisch-schwedische Abkommen über soziale Sicherheit vom 11. November 1975, BGBl. Nr. 587/1976, in der Fassung des Zusatzabkommens vom 21. Oktober 1982, BGBl. Nr. 298/1993, ersetzen.

Durch das gegenständliche Abkommen werden Regelungen in Ergänzung zu den EWG-Verordnungen im Bereich der sozialen Sicherheit entsprechend dem geltenden Abkommen vorgesehen und zur Rechtsvereinheitlichung für die von diesen EWG-Verordnungen nicht erfaßten Personengruppen anstelle der geltenden Abkommensregelungen die Regelungen der EWG-Verordnungen für entsprechend anwendbar erklärt.

Dieses Abkommen berührt wie auch schon die bisher von Österreich geschlossenen Abkommen über soziale Sicherheit in keiner Weise die aus dem Beschäftigungsverhältnis erwachsenden Rechte der Dienstnehmer gegenüber dem Dienstgeber nach § 130 ASVG beziehungsweise § 58 B-KUVG.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd und gesetzesergänzend, enthält aber keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hoher Bundesrat! Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

19.29

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Vizepräsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Die vorliegende Änderung, mit der das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz sowie das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert


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werden, stellt für die österreichische Sozialpolitik kein Ruhmesblatt dar, sondern es ist eine stümperhafte Vorbereitung in Richtung einer Schlechterstellung für die Versicherten, und zwar aus folgendem Grund, meine Damen und Herren:

Man geht mit dieser vorliegenden Novelle in keiner Weise auf die Bedürfnisse und vor allem auf die Notwendigkeiten ein, sondern man versucht lediglich, die Versicherten, die Pflichtversicherten bei Laune zu halten. Allein die Tatsachen, daß es keinen Reformwillen zu erkennen gibt und innerhalb der Regierung wahrscheinlich auch nicht die Bereitschaft zu Reformen gegeben ist, daß die Krankenscheingebühr und in Zukunft auch eine Gebühr für das Chip-Karten-Modell aufrecht bleiben sollen, sind ein Beweis dafür.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Der Umstand, daß es zu einer Zwei-Klassen-Medizin kommen kann, wird durch das Verrechnungsmodell verstärkt, wonach bei einer Inanspruchnahme eines Wahlarztes nur 80 Prozent der Kosten erstattet werden. Das birgt die Gefahr in sich, daß es zu einer Zwei-Klassen-Medizin kommen wird.

Meine Damen und Herren! Gerade in einer Zeit, in der man weiß, daß viele Krankheiten ihre Ursache in der psychischen Belastung haben, wird durch diese Leistungseinschränkung keineswegs auf die zeitgemäßen Erfordernisse eingegangen, und die freie Arztwahl bleibt im Zuge dieser vorliegenden Novelle weiterhin eingeschränkt.

Gerade diese Novelle spricht davon, daß die Beziehung der Sozialversicherungsträger zu den Krankenanstalten geregelt werden soll. Dazu sei angemerkt, meine Damen und Herren, daß die einzige Regelung dieser Novelle nur darin liegt, daß die Sozialversicherungsträger eine Deckelung der Beiträge an die Krankenanstalten erhalten und damit die einzigen sind, die von dieser Novelle profitieren. Dieser Vorteil und dieser Profit verzehren auch den Leistungswettbewerb innerhalb der Kostenträger im Bereich der privaten Träger und im Bereich der Selbstzahler.

Meine Damen und Herren! Es ist aber auch bezeichnend für diese Regierung, wie sie mit den privaten Krankenhäusern und den Sanatorien umgeht, denn diese werden aufgrund der vorliegenden Novelle zu den Sozialgesetzen geknebelt und gezwungen, sich mit den Tarifen der Sozialversicherungsträger zufriedenzugeben und einverstanden zu erklären. Wenn sie nicht einverstanden sind, erhalten sie keinen Vertrag und werden letztlich die Leistungen eingeschränkt, wenn nicht sogar verweigert.

Meine Damen und Herren! Alles in allem ist das ein Pseudoschritt, dem wir nicht zustimmen werden. Wir hätten uns vorgestellt, daß das 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz Perspektiven und vor allem Reformen aufzeigt, daß anstatt dieser Alibiaktion zugunsten der Sozialversicherer eine Reduktion der Sozialversicherung vorgenommen und eventuell auch eine Zusammenlegung ins Auge gefaßt worden wäre. Wir hätten uns anstatt dieser Schlechterstellung für den Versicherten vorgestellt, daß es aufgrund dieser Novelle zu einem sozial gerechten Ausgleich kommen würde, zu einer sozial gerechten Ausgewogenheit.

Wir, die freiheitliche Fraktion, werden uns für diesen Pseudoschritt in der Form nicht hergeben, daher werden wir diesen Novellen unsere Zustimmung nicht erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.34

Vizepräsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile es ihm.

19.34

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Dieses 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz beinhaltet die Umsetzung der heute schon diskutierten Gesetze über die 15a-Vereinbarung betreffend die gesamte Reform des Gesundheitswesens.

Dieses Gesetz soll aber auch sicherstellen, daß die Krankenscheingebühr in der Höhe von 50 S von den Dienstgebern einbehalten und mit den Krankenkassen verrechnet werden kann, daß


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andererseits vom Arbeitsamt für Arbeitslose diese 50 S vom Arbeitslosengeld in Abzug gebracht werden können. Ich habe schon einmal dargelegt, daß ich diese Krankenscheingebühr an und für sich für obsolet erachte, weil ich darin im ersten Schritt einen versteckten Selbstbehalt sehe und das grundsätzlich ablehne. Ich habe aber auch Hoffnung, wenn ich diesen Entschließungsantrag lese, der die Einführung einer Chip-Card für Versicherte verlangt, daß das auch dazu führen könnte, daß diese Gebühr und dieser Selbstbehalt wieder wegfallen – aber leider erst mit 1. 1. 1998, wenn uns das gelingt.

Daß auch Arbeitslosengeldempfänger, Notstandsbezieher 1997 diese Gebühr bezahlen müssen, empfinde ich schlicht und einfach als nicht sehr sozial. Ich habe dafür auch kein Verständnis, aber Hoffnung für 1998.

Wenn man den Text des Entschließungsantrages genau liest, dann muß ich sagen, es ist Vorsicht geboten, denn der Text des Antrages spricht davon, daß für Versicherte keine zusätzlichen Belastungen entstehen dürfen. Was heißt das nun? Heißt das, daß die ab 1997 geltende Quartalsgebühr pro Krankenschein zementiert wird? Oder wird doch das von mir angestrebte Ziel – Abschaffung dieser Gebühr – erreicht werden können? – Das wird die große Frage sein.

Von den Dienstgebern, so ist zu lesen, werden alljährlich 20 Millionen Stück Krankenscheine ausgefüllt. Die Unternehmer werden durch die Einführung der Chip-Card wesentlich weniger an Verwaltungsarbeit zu leisten haben – und das ist im Entschließungsantrag doch vermerkt –, die Wirtschaft wird einen Teil der Kosten dieser Chip-Card mittragen.

Ich meine aber auch, daß Einsparungen an Verwaltungsarbeit auch bei den Ärzten zu erwarten sind und daß auch seitens der Ärzte ein Beitrag bei der Einführung der Chip-Card geleistet werden soll, sodaß die Versicherten tatsächlich von der Gebühr befreit werden können. Es ist schon interessant, daß in Österreich nur 20 Prozent der Ärzte eine EDV-Anlage zur Abrechnung mit den Gebietskrankenkassen verwenden. Jetzt frage ich mich, woran das liegt. – Sicher nicht an dem von den Ärzten eingesetzten Personal, denn wenn es gefordert ist, haben sich die Dienstnehmer noch immer bereit erklärt, auch mit EDV-Anlagen umzugehen.

Es wäre also doch das Ziel – es gilt, dafür einzutreten –, daß diese Gebühr entfällt, denn es wäre nicht einzusehen, daß bei Aushändigung der Chip-Card vielleicht die doppelte oder eine mehrfache Krankenscheingebühr eingefordert wird – von einem Versicherten, der möglicherweise das ganze Jahr gesund bleibt und keinen Krankenschein benötigt, aber dann dennoch zur Kasse gebeten werden würde.

Die Chip-Card an und für sich wird eine Zukunftseinrichtung werden. Ich weiß, daß in den Vereinigten Staaten von Ärzten und Spitälern sogar Rabatte an Versicherte angeboten werden, die mit einer Chip-Card kommen, um sich ärztlich versorgen zu lassen. (Präsident Pfeifer übernimmt den Vorsitz.)

Mit der Chip-Card gibt es natürlich auch viele Sorgen. Ist der Datenschutz gewährleistet? In dem Entschließungsantrag ist vermerkt, daß vorerst nicht daran gedacht ist, daß medizinische Daten eingespeichert werden, und daher habe ich an und für sich nicht Angst, daß es zum gläsernen Menschen kommt. Es ist aber beabsichtigt, diese Frage offenzulassen, und sollte ein Versicherter wollen, daß seine medizinischen Daten "aufgetragen" werden, dann kann das gemacht werden, aber unter strengsten Datenschutzbestimmungen.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Warum erst 1998? Wäre es nicht sinnvoll gewesen, vor Einführung der von mir ungeliebten Krankenscheingebühr gleich die Chip-Card zu installieren? – Dann hätten wir uns diese Gebühr und den ganzen Wirbel grundsätzlich erspart, wer kassiert, wie es gemacht wird und dergleichen mehr. – Es gibt gerade in Niederösterreich ein Modell, das seit mehreren Jahren läuft und eigentlich ein positiver Versuch in diesem Bereich ist. Ich habe mir sagen lassen, daß es einige Herren des Hauptverbandes waren, einige Herren von der Sozialdemokratie, die gebremst und damit eigentlich schlußendlich erst ermöglicht haben, daß es eine Krankenscheingebühr gibt. Arbeiten wir doch gemeinsam an dem Ziel, daß diese unnötige Gebühr wieder abgeschafft werden kann! Dazu rufe ich auf!


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Im gleichen Gesetz kommt es im Artikel 10 zu einer Änderung des Arbeitsmarktservicegesetzes. Das begrüße ich: Es wird endlich eine Eingliederungshilfe für Langzeitarbeitslose beziehungsweise Notstandsempfänger geschaffen. Meiner Überzeugung nach ist es besser, Menschen in Beschäftigung zu bringen, als diese als Arbeitslosengeldbezieher zu verwalten. Es muß dem Grundsatz Rechnung getragen werden, daß Förderung von Beschäftigungsmaßnahmen vor Versorgung ohne Beschäftigung, ohne Arbeit gehen muß. Ich hoffe, daß mit dieser Neuregelung doch eine Reihe von Menschen wieder in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden kann und sich ihr Leben wieder mit mehr Sinn füllen kann.

Noch ein paar Worte zum Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das auch in dieser Vorlage angesprochen ist. Obwohl ich persönlich grundlegend gegen mehrmalige Verlängerungen von Übergangsbestimmungen und Regelungen bin, finde ich doch die Beibehaltung der bisherigen Übergangsregelung – nämlich Beibehaltung des Prozentsatzes beim Insolvenz-Ausfallgeldzuschlag in gleicher Höhe im Baubereich wie in allen anderen Branchen – für vernünftig, da durch einen ungleichen Prozentsatz der Verwaltungsaufwand bei den Unternehmen, aber auch bei den Gebietskrankenkassen enorm steigen würde und damit wesentliche Mehrausgaben anfallen würden. Gleiche Beitragssätze sind also eine Frage der Vernunft. Ausnahmsweise wird auch der Beitragssatz per Gesetz und nicht, wie üblich, per Verordnung festgesetzt, damit ein fristgerechtes Inkrafttreten gewährleistet ist.

Doch dieser IAG-Fonds ist in den letzten Jahren dramatisch ins Minus gerutscht, und es mußten eine Reihe von Einschränkungen in diversen Sozialgesetzen vorgenommen werden – Maßnahmen, die für Dienstnehmer natürlich schmerzliche Auswirkungen haben. Großinsolvenzen wie beim "Konsum" oder bei anderen Unternehmungen haben naturgemäß ein weiteres großes Loch in diesen Fonds gerissen. Meines Erachtens wäre die Insolvenz des "Konsum" vermeidbar gewesen, wären durch die Spitzenmanager rechtzeitig Maßnahmen eingeleitet worden. Unternehmungen der gleichen Branche haben im gleichen Zeitraum mehr als ansehnliche Gewinne erwirtschaften können.

Der Beitragssatz zum IAG-Fonds von 0,7 Prozent wird gleich bleiben wie 1996 und ermöglicht es dennoch, daß der Gesamtschuldenstand des IAG-Fonds bis Ende 1997 auf 5,1 Milliarden Schilling zurückgeführt werden kann. Es wird also noch ein langer, dorniger Weg werden, bis der für Dienstnehmer so notwendige Schutzfonds zur Sicherung von Ansprüchen, die aus der Beendigung eines Dienstverhältnisses durch Insolvenz entstehen, eine positive Gebarung aufweisen wird.

Eine positive Gebarung wäre aber unbedingt nötig, um nicht gleich wieder den Beitragssatz zu senken – nein! –, sondern um endlich wieder das Gesetz dienstnehmerfreundlicher zu gestalten, das heißt, um alle vorhandenen Ansprüche der Dienstnehmer, die im Insolvenzfall vorhanden sind, auch abdecken zu können. Auf Dauer ist es für Arbeitnehmer unzumutbar, daß Entscheidungen des Managements ohne Widerspruchsmöglichkeiten wohl zur Kenntnis genommen werden müssen, aber im Falle einer Insolvenz durch langjährige Betriebstreue erworbene Ansprüche verlorengehen.

Daher ist auf eine Gesundung des IAG-Fonds verstärkt hinzuarbeiten, damit in Folge wieder eine positive, arbeitnehmerfreundliche Gesetzwerdung möglich wird. (Beifall bei der ÖVP.)

19.44

Präsident Josef Pfeifer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz. – Bitte.

19.44

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Weilharter hat heute demonstriert, wie das Betreten der Brücke ausschaut, das heute schon einmal als positiv hingestellt wurde. Ich habe Ihnen damals zu diesem Punkt gesagt, es wird auch von Ihrer Seite notwendig sein, einen Schritt auf dieser Brücke zu tun. Sie haben gerade bewiesen ... (Bundesrat Weilharter: Aber nicht den falschen Schritt!) – Hoffentlich fallen Sie nicht einmal rückwärts hinunter. Auch das wäre unter Umständen möglich.


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Inhaltlich nur Passagen gutzuheißen und dann dagegenzustimmen – so kann es ja wohl nicht sein!

Es tut mir leid, daß ich Ähnliches auch Kollegen Schaufler entgegenhalten muß. Ich werde auch in der einen oder anderen Frage Kritik anbringen, ich gehe nur davon aus, daß Kritik eine positive sein soll, und so möchte ich meine verstanden wissen. Gerade Sie, Herr Kollege Schaufler, wissen, wie schwer das Durchsetzen von Arbeitnehmerinteressen im derzeitigen Gefüge ist. Ich möchte nicht Salz in Ihre Wunden streuen, aber daß Arbeitnehmerinteressen gerade in Ihrer Partei derzeit kein Thema sind, ganz im Gegenteil (Zwischenrufe bei der ÖVP), ist eine Frage der politischen Stärke, mit der wir derzeit leben müssen, und das macht uns keine Freude.

Ich möchte nun einige Bemerkungen zum Gesetz machen. Grundsätzlich ist das 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz an und für sich die finanztechnische Ausformung der Materien, die wir heute schon diskutiert haben, sehr wichtiger und grundlegender Materien, wie zum Beispiel die Finanzierung der Krankenanstalten.

Ich bin nicht ganz davon überzeugt, daß die leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung wirklich so funktioniert, wie sie eigentlich in der Theorie funktionieren müßte, aber es ist trotzdem sehr positiv zu sehen, daß in diesem Zusammenhang auch die Frage des Konsultationsmechanismus diskutiert wurde und von Bedeutung ist, weil damit endlich die Diskussion zwischen den Ländern und dem Bund auf eine Stufe gestellt wird. Das heißt, wir müssen nicht ständig damit leben, daß der eine dem anderen Vorwürfe macht, was er finanzieren kann und was er nicht finanzieren kann.

Herr Kollege Penz! Sie machen ein bedenkliches Gesicht. Ich bin ein positiver Mensch, und ich hoffe, daß das so funktioniert. Darüber hinaus erhoffe ich mir aber auch, daß durch diese Diskussion auch für den Bund klarer herauskommt, welchen finanziellen Belastungen auch Bundesgesetze entgegengehen, welche finanziellen Auswirkungen damit verbunden sind.

Bedenken habe ich auch – ich kann grundsätzlich dem gläsernen Menschen absolut nichts abgewinnen –, daß in dem Sozialrechts-Änderungsgesetz im Zuge dieser leistungsorientierten Finanzierung, die vom Grundsatz her richtig und auch logisch ist, die dort angesprochene Datenübermittlung an den Sozialversicherungsträger, die ich aus der Sicht der Sozialversicherungsträger verstehen kann, doch gewisse Gefahren beinhaltet. Ich hoffe, daß sich all das, was ich jetzt mit Wenn und Aber in den Raum stelle, in der Praxis dann so herausstellt, wie es in den Diskussionen gewollt war und ist, nämlich positiv.

Wir haben schon ausführlich die Frage des Krankenscheines behandelt. Auch ich bin grundsätzlich der Meinung – ich denke, da befinde ich mich in guter Gesellschaft –, die Einführung der Krankenscheingebühr war nicht rechtens, und zwar nicht deshalb, weil sich Gruppierungen die Krankenscheingebühr vom Betrag her nicht leisten können, sondern weil es an der grundsätzlichen Finanzierung der sozialen Krankenversicherung, nämlich dem bei der Einführung geplanten und beschlossenen Dualismus, vorbeigeht und im Grunde genommen eine einseitige Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge bedeutet. Aber ich habe angesprochen, daß Kompromisse eben Kompromisse sind, allerdings nicht immer solche, die wir uns als Sozialdemokraten wünschen würden.

Die Krankenscheingebühr – jetzt nehme ich einen Schritt gleich vorweg – wird, so hoffe ich, mit der Einführung der Chip-Karte fallen. Kollege Schaufler! Ich nehme nicht an, daß Sie allen Ernstes geglaubt haben, daß die Realisierung eines solch weitreichenden Modells – ich spreche nicht nur von den Schwierigkeiten der Finanzierung und davon, wer sie zahlt, sondern meine auch von der technischen Voraussetzung her; wir hören, daß nur 20 Prozent der Ärzte die EDV zur Abrechnung einsetzen – mit Beginn 1997 möglich gewesen wäre. Ich hoffe, wir werden 1998 in die Situation kommen.

Die Frage des Datenschutzes bewegt mich auch in diesem Zusammenhang, denn diese Chip-Karte könnte mit all den Möglichkeiten einer echten Notfallskarte durchaus positiv sein. Auf der anderen Seite erlebe ich immer wieder, daß in Betrieben, wenn es um den Abschluß von Betriebsvereinbarungen geht, die zum Inhalt haben, Daten über Mitarbeiter EDV-unterstützt zu


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führen, sehr große Gefahren damit verbunden sind, weil vom grünen Tisch her einfach Beurteilungen vorgenommen werden, die der Praxis nicht Rechnung tragen.

Ich denke trotzdem, daß die Chip-Karte im Zeitalter der fortschreitenden Technik ein Instrumentarium sein wird, und es uns gemeinsam gelingen wird, diese Chip-Karte so zu gestalten, daß sie tatsächlich das wird, was sie sein könnte: ein nützliches und wirtschaftlich ausgerichtetes Instrument.

Sehr positiv ist sicher im Sozialrechts-Änderungsgesetz zu vermerken, daß es nicht zur Erhöhung der Rezeptgebühren gekommen ist. Denn man kann nicht davon ausgehen, daß all jene, die die Rezeptgebühren belasten, auch jene sind, die von der Rezeptgebühr befreit sind, nämlich alte, einkommensschwache Menschen. Es gibt durchaus ältere Menschen, die nicht unter den Kreis der so einkommensschwachen fallen und trotzdem durch lange und permanente Krankheit von der Rezeptgebühr sehr stark betroffen sind. Ich sehe das wirklich als sehr positiv. Das ist ein Beispiel, daß man sich bemüht, den Bedürfnissen der sozial Schwachen Rechnung zu tragen, auch wenn der Betrag nicht sehr viel ausmacht.

Daß die Notstandshilfe jetzt mit zusätzlichen Anreizen in eine Beschäftigungsinitiative umgewandelt werden soll, ist vom Grundsatz her zu begrüßen, denn das Einbinden in einen Beschäftigungsprozeß ist allemal der Beschäftigungslosigkeit und den damit verbundenen Problemen vorzuziehen. Wir setzten in der Vergangenheit nur immer wieder Förderungsmaßnahmen, auch für Unternehmer, die Mitarbeiter aus diesem Kreis einstellen sollten, und wir haben immer wieder Schiffbruch damit erlitten, weil die Unternehmer dazu nicht bereit waren. Ich darf Sie daran erinnern, daß es die Möglichkeit gegeben hat, Über-50jährige Langzeitarbeitslose in Unternehmen einzustellen und zu fördern, und obwohl die Wirtschaft behauptet, keine ausgebildeten Fachkräfte zu haben und gerade ein Drittel dieser gebrauchten Mitarbeiter im Kreis der Langzeitarbeitslosen zu finden ist, hat es trotz der Einstellungshilfen nicht funktioniert.

Ich befürchte – nachdem nicht davon auszugehen ist, daß jeder Arbeitslose aufgrund dieser Initiative in seinem angestammten Beruf einsetzbar ist –, daß wir in den Betrieben wieder vor der Tatsache stehen, daß jemand nicht bereit ist, einen Mitarbeiter, der die letzte Zeit artfremd gearbeitet hat, einzustellen. Ich hoffe sehr, daß ich mich mit dieser Einschätzung täusche.

Die im Gesetz vorgenommene Initiative ist sicher richtig. Die Ausführung in der Praxis wird jetzt aber nicht nur an Politikern und an den Behörden liegen, sondern sehr massiv in den Bereichen, die ich jetzt angesprochen habe. Wir brauchen nämlich die Bereitschaft der Unternehmer, diese Mitarbeiter dann auch beständig und auf Dauer wieder in den Arbeitsprozeß einzugliedern, denn sonst haben wir all das, was wir erzielen wollten, nicht erreicht, und die Mittel sind nicht so eingesetzt worden, wie es der Erfolg eigentlich notwendig gemacht hätte. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.54

Präsident Josef Pfeifer: Am Wort ist Herr Bundesrat Alfred Gerstl. – Bitte.

19.55

Bundesrat Alfred Gerstl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales steht hinten, ganz klein, eine Entschließung für die Chip-Karte – deshalb klein, weil – typisch in Österreich – man sich nur 20 Milliarden Schilling jährlich ersparen kann. Das ist eine Chip-Karte (der Redner zeigt diese), wie sie in Deutschland verwendet wird, nicht wie in Amerika, wo man mehr Daten gespeichert hat und daher auch nicht ohne weiteres von einem Datenschutz sprechen kann.

Zur Angelegenheit der Chip-Karte scheint mir die öffentliche Diskussion wegen der Einführung dieser – anstelle des Krankenscheins – nun glücklicherweise dazu geführt zu haben, daß sich die verantwortlichen Funktions- und Entscheidungsträger zu diesem System auch öffentlich bekennen und bereit sind, einen klaren Schritt in diese Richtung zu tun.


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Ich erlaube mir, in dieser Sache – ergänzend zu meiner seinerzeitigen Ministeranfrage und Wortmeldung im offenen Haus, in denen ich vor allem Organisatorisches und Technologisches in den Vordergrund stellte – zusätzlich einen Aspekt einzubringen, den ich für wesentlich halte. Die Einführung der Chip-Card für die Patienten ist nicht nur eine Frage der organisatorischen und technologischen Voraussetzungen für die Umstellung von Krankenschein auf ein automatisiertes System, was Arzt, Patienten und Versicherungsorganisationen betrifft. Viel weitreichender ist, daß es sich dabei um eine kulturelle Umstellung handelt, die nicht mit der Vergabe einer Chip-Karte oder mit der Ausstellung eines Lesegerätes zu erledigen ist.

Die hohen Einsparungshoffnungen durch die Chip-Karte anstelle des Krankenscheins sind nur dann zu realisieren, wenn mit der Chip-Card, die ja eine organisatorische Vernetzung schafft, auch die Kommunikationsverbindungen geschaffen werden. Das bedeutet aber für die gegebenen Verhältnisse im österreichischen Gesundheitswesen in erster Linie die Aufarbeitung von Konsensstrukturen.

Mit der Einführung der Chip-Card-Technologie ändern sich Strukturen der Kommunikation und Kooperation zwischen Arzt und Patienten, zwischen Arzt und Versicherungsorganisationen, zwischen Arzt und Arzt und natürlich auch zwischen Patienten und Versicherungsorganisationen. In dieses System werden sich in absehbarer Zeit auch Gesundheitsberatungsorganisationen, Vorsorgeorganisationen und Pharmaunternehmen einmahnen.

Die Änderung im kommunikativen Handling und die damit verbundenen Unsicherheiten sind es – vor allem im Bereich der Ärzte –, welche die Akzeptanz des Systems erschweren werden. Eine von oben durchgesetzte Systemänderung ohne die Sicherstellung der Identifikation der Ärzte mit dem System würde ein unvertretbares allgemeines Mißtrauen bei Arzt und Patient auslösen und zur absichtlich Fehler generierenden Nutzung des Systems führen.

Daher wäre es zuwenig, die mit der Einführung der Technologie erwartbaren Kommunikationsprobleme nur organisatorisch beziehungsweise über den Verordnungsweg zu regeln. Eine auf Akzeptanz des Systems abzielende Vorbereitung der Betroffenen – das sind Ärzte, Patienten und Organisationen – ist unbedingt vorzunehmen. Dies könnte im Rahmen einer umfassenden Studie mit kommunikationsstrategischen Begleitmaßnahmen gelöst werden.

Natürlich sind mir alle geäußerten und angemeldeten Bedenken, wie Datenschutz und so weiter, bekannt. Sie sind zum Teil die Folge der Unkenntnis über die technologische Entwicklung.

Lassen Sie mich deshalb abschließend meine aus der Lebenserfahrung gewonnene Befürchtung aussprechen: Kaum eine Nation wie die unsere verfügt im prozentuellen Anteil der Bevölkerung über eine so große Anzahl hochbegabter Menschen, aber leider auch zur Polarisierung leicht verführbare. Daher werden die Leistungen unserer Bürger im Ausland mehr geschätzt, als wir dazu verpflichtet wären, dies zu tun. Dadurch werden wertvolle geistige, materielle Kapazitäten als Abfall behandelt. Aber Sie wissen ja, daß man in Österreich nicht einmal das Abfallproblem löst, denn sonst würde es schon längst über energetisches und thermisches Recycling gelöst werden.

So befürchte ich, daß der Vorstand der Universität für Kommunikationswissenschaften Professor Dr. Bauer sein Wissen über die Chip-Karte seinen Studenten noch dann weitergeben wird, wenn diese bereits weltweit angenommen und für die Rationalisierung im Gesundheitswesen dort Verwendung gefunden hat.

So befürchte ich auch, daß durch die Verabschiedung des Krankenanstaltenfinanzierungsplanes Weichen gestellt werden, die zur Liquidierung der privaten Krankenanstalten führen, damit anstelle von Kosteneinsparungen durch Konkurrenzausschaltung ein nicht kontrollierbares Finanzierungssystem für die aus Steuermitteln geförderten Krankenanstalten in die Wege geleitet werden kann.

Einen Vorteil wird dies für unsere EU-Nachbarn haben, nämlich: Die ausländischen Versicherungsgesellschaften werden aus der Konkursmasse die privaten Krankenhäuser aufkaufen, und


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danach werden die EU-Richtlinien wirksam, nämlich Beibehaltung der Versicherungspflicht und Abschaffung der Pflichtversicherungen.

Lassen Sie mich daher abschließend einen Rat formulieren: Schon oft hat sich bewiesen, daß die ungewohnte Perspektive von benachbarten Disziplinen den entscheidenden Impuls für die erfolgreiche Realisierung eines Projektes gegeben hat. Im Falle der Chipkarte ist es die Perspektive der Psychologie, der Kommunikation, daher würde ich auf die Problemdefinition und auf die Problemlösungskompetenz eines Kommunikationswissenschaftlers bei diesem Projekt nicht verzichten.

Der Vorstand des Instituts für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, Herr Professor Dr. Thomas Bauer, hat in dieser Themenstellung schon mehrfach eine überzeugende Argumentation vorgelegt. Sie sollte durch seine Einbindung in die laufenden Bemühungen und die Rationalisierung des Gesundheitswesens in Österreich unbedingt berücksichtigt werden. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

20.01

Präsident Josef Pfeifer: Es hat sich Herr Bundesminister Hums zu Wort gemeldet. – Ich bitte ihn, zu sprechen.

20.02

Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit den heutigen Beschlüssen wird ein weiterer wesentlicher Schritt dafür gesetzt, daß wir in Österreich unser gutes Gesundheitssystem weiterhin finanzieren können und daß diese gute Situation im Gesundheitswesen auch weiter bestehen bleibt. Gesundheitsvorsorge und nicht nur Krankenbehandlung müssen einen immer höheren Stellenwert haben.

Erfreulicherweise steigt die Lebenserwartung, erfreulicherweise macht die Medizin jährlich Fortschritte, die Therapie, die Diagnose sind verbessert. Allerdings steigen damit auch in bestimmten Bereichen die Kosten, und zwar vertretbar. Daher ist es umso notwendiger, daß wir Kostendämpfungen dort durchführen, wo es möglich ist, beispielsweise durch andere Organisationssysteme im Bereich der Krankenanstalten.

Heute schließen wir ein Kapitel, das eigentlich sehr lange behandelt wurde. Es wurde gesagt, daß mit dieser Kostenlimitierung für die Sozialversicherungsträger den Sozialversicherungsträgern entgegengekommen wird. Herr Bundesrat! Nicht den Sozialversicherungsträgern, sondern den Sozialversicherten, den Österreicherinnen und Österreichern wird damit entgegengekommen, indem wir festlegen, daß die Kosten in dem Maße steigen wie die Beiträge, die Beitragseinnahmen. Jene Stellen, die am meisten dazu beitragen können, daß sich die Vernunft in der Organisation, in den Geräteplänen und so weiter durchsetzt, werden auch vermehrt die Kostenverantwortung haben. In der Privatwirtschaft wird in allen Bereichen dieser Schritt gesetzt, damit die Versicherten keinen Qualitätsverlust, sondern im Gegenteil, sogar einen Qualitätsgewinn haben, weil am jährlichen Fortschritt der Medizin auch in Zukunft alle – unabhängig von ihrem Einkommen – beteiligt sein sollen. Daher sind wesentliche Schritte gesetzt worden.

Die Maßnahmen, die wir heuer und im Vorjahr gesetzt haben, waren notwendig, um im Bereich der Kostendämpfung keinen Qualitätsverlust zu erleiden, weder bei den Ärzten – ich habe viele Verhandlungen mit der Ärztekammer geführt –, noch im Bereich der Medikamente aufgrund von Verhandlungen mit der Pharmaindustrie und mit den Apothekern. In all den anderen Bereichen haben die vertretbaren Kostendämpfungen ebenfalls keinen Qualitätsverlust, sondern einen Qualitätsgewinn für die Versicherten gebracht. Die Maßnahmen, die gesetzt wurden, haben bewirkt, daß wir unser System, das gute Gesundheitsvorsorgesystem und Krankenbehandlungssystem, auch in Zukunft zu vertretbaren Kosten weiterfinanzieren können.

Eines war auch notwendig – das wurde vorher schon beschlossen –: Weil es immer besser wird und weil wir erfreulicherweise länger leben, waren trotz der Kostendämpfungsmaßnahmen auch bestimmte Mehreinnahmen zu erschließen, und somit waren diese Maßnahmen wieder vertretbar, sodaß sich auch der sozial Schwache in Zukunft genauso wie bisher nicht davor zu


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fürchten braucht, einen Arzt oder eine sonstige Behandlung in Anspruch nehmen zu müssen. Das alles haben wir heuer umgesetzt. Und das ist einer der letzten Schritte.

Bei der Umsetzung ist eine Maßnahme, die sicher auch vom sozialen Standpunkt her durchaus vertreten werden kann, die aber nicht vernünftig ist, nämlich die Krankenscheingebühr, mehrfach in Diskussion gewesen. Kollege Schaufler! Ich war völlig überrascht, daß von deiner Fraktion eine derartige Stellungnahme gekommen ist. Ich brauche es am Jahresende nicht noch einmal zu wiederholen, daß es vernünftiger gewesen wäre, wenn wir mit einer sehr mäßigen Beitragssatzanhebung und mit einem gleichzeitigen Harmonisierungsschritt von fünf Hundertstel Prozentpunkten für Arbeiter, fünfzehn Hundertstel Prozentpunkten für Angestellte den Unternehmungen all das hätten ersparen können. Die ÖVP wollte in Wirklichkeit eine echte prozentuelle Selbstbehaltsregelung, die wir nicht akzeptiert haben. Dann sind die Funktionäre des Wirtschaftsteils der ÖVP dafür eingetreten, als Kompromiß wenigstens diese Krankenscheingebühr einzuführen, und zwar ganz anders, als sie eingeführt wurde, denn wir haben durchgesetzt, daß die Krankenscheingebühr wenigstens sozial verträglich bleibt, indem sozial Schwache bis zu einem bestimmten Einkommen davon ausgenommen sind, indem Pensionisten, Kinder und Überweisungen zu Fachärzten davon ausgenommen sind. All das wurde durchgesetzt.

Mein Angebot habe ich auch beim letzten Mal bei diesem Thema im Nationalrat gemacht. Mein Angebot ist nach wie vor: Wenn wir vernünftig mit anderen maßvollen Finanzierungsmöglichkeiten die Mittel aufbringen, dann bin ich der erste – ich stehe der ÖVP zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung –, der dafür eintritt, daß wir diese Krankenscheingebühr sofort wieder abschaffen. Kollege Schaufler! Ich möchte dich zu jeder künftigen Verhandlung beiziehen, denn von mir besteht jederzeit das Angebot, diese Krankenscheingebühr, die bei den Unternehmungen zu unnötigen Verwaltungskosten führt, sofort wieder abzuschaffen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Bösch. ) Dieses Angebot steht.

Es war die Idee der ÖVP, schaffen wir sie gemeinsam wieder ab. Man kann sich auch in den Bereichen der ÖVP irren. Vielleicht kannst du mir in der Meinungsbildung helfen, ich bin gerne dazu bereit, ich stehe zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung. (Bundesrat Bieringer: Immerhin, in der SPÖ kann man sich irren! – Rufe und Gegenrufe beider ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Als Minister muß ich natürlich darauf antworten. Das war ein Vorschlag des Kollegen Schaufler. Ich kann mich nicht hier herstellen und nichts dazu sagen. Ich hätte das Thema heute nicht mehr angeschnitten, aber es wurde von Ihnen hier deponiert, daher meine Antwort: Zu jeder Tages- und Nachtzeit stehe ich sofort zur Verfügung, diese Krankenscheingebühr wieder abzuschaffen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. ) Wehe dem, der fragt.

Zur Eingliederungsbeihilfe, Kollege Schaufler, eines: Die Eingliederungsbeihilfe ist nicht neu. Hier geht es nur um neue Finanzierungsmöglichkeiten, denn im Prinzip ist das bereits mit der seinerzeitigen Aktion 8000 von Minister Dallinger eingeführt worden. Wir müssen dieses System nur ausweiten. Und Sie beschließen hoffentlich heute, daß wir uns die Mittel der Notstandshilfe dann ersparen, wenn jemand durch eine Beihilfe entweder in einer Wirtschaftsunternehmung oder in einer gemeinnützigen Unternehmung Beschäftigung findet, denn dann ruht die Notstandshilfe, und das Arbeitsmarktservice kann auf diese Mittel nicht zugreifen. Künftig – das wird vernünftigerweise hier beschlossen – stehen diese Mittel zur Verfügung, um Eingliederungsbeihilfen, Einstellungsbeihilfen zu finanzieren. Das ist das, was wir heute beschließen sollen.

Ich möchte eines hier betonen: Es geht nicht darum, daß irgend jemand zu Tätigkeiten verpflichtet werden soll, die ihm nicht entsprechen. Das ist es nicht, sondern wir wollen folgendes: Es kann doch nicht genügen, daß wir nur Notstandshilfe anbieten. Die Gesellschaft kann sich nicht damit begnügen, daß sie sagt: Wir geben jemandem Geld, aber wir sorgen uns nicht mehr darum, ob er Beschäftigung findet. Priorität muß haben, daß wir in der Gesellschaft – das ist zwar schwer in ein Gesetz zu schreiben – das Recht auf Beschäftigung anerkennen. Natürlich bleibt die gesetzliche Situation des Anspruches auf Notstandshilfe völlig unverändert. Aber wir müssen erkennen, viele von den Langzeitarbeitslosen werden derzeit kaum – auch nicht mit


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finanziellen Unterstützungen – einen Job in einem Unternehmen der Wirtschaft finden, denn wenn jemand kommt und sagt, ich bin seit drei Jahre arbeitslos, dann braucht er seine Bewerbung gar nicht mehr abzugeben. Wir müssen uns daher – das ist das Neue – auch über das Arbeitsmarktservice verstärkt darum bemühen, gemeinnützige Unternehmungen zu finden, Arbeiten anzubieten, die sinnvoll und notwendig sind – in vielen Bereichen.

Ich denke hier beispielsweise an eine Initiative im Wiener Bereich, in deren Rahmen für Behinderte Wohnungen gerichtet werden und gemeinnützigen Unternehmungen zusätzlich über Vereine, Gemeinden und so weiter auch einen Teil des Geldes aufbringen können, damit der betroffene Langzeitarbeitslose mehr Einkommen hat, zumindest nach Kollektivvertrag bezahlt wird, damit er bessere Versicherungszeiten erwirbt und gleichzeitig die Chance bekommt, wieder ins Wirtschaftsleben zurückkehren zu können.

Das ist eine Maßnahme, die nicht von heute auf morgen funktionieren wird, aber alle sind eingeladen, hier mitzuwirken, um den Menschen das zu geben, was wir uns immer wieder vorstellen, nämlich das Recht auf Beschäftigung, das Recht auf eine Beschäftigung, die seinem Beruf, seinem Können entspricht, damit er von dort wieder den Weg in die Wirtschaft zurückfindet. Das sind unsere Ziele. – Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte Sie, mich dabei zu unterstützen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.12

Präsident Josef Pfeifer: Danke.

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte.

20.12

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe bereits vor zwei Monaten eine ähnliche Debatte über die Krankenscheingebühr hier gehört, und ich muß die ÖVP ersuchen, ihre Vorgangsweise einzustellen, daß Kollegen hier herausgehen und die Durchsetzung eines Teils ihres Wahlkampfprogrammes beklagen. Genau das ist der Fall, bitte. (Bundesrat Ing. Penz: Herr Kollege! Das bestimmen wir selbst, was wir machen!)

Sie sind mit der 50-S-Krankenscheingebühr in den Nationalratswahlkampf 1995 gezogen, und ich sehe noch heute Ihren Bundesparteiobmann Dr. Schüssel bei der Fernsehdiskussion vor mir, als er auf Nachfragen bekräftigt und locker erzählt hat: 50 S für ein Wertpapier – für ein Wertpapier! –, das muß es doch jedem wert sein. – Das war Ihr Wahlprogramm bei der Nationalratswahl 1995. Dann erzielen Sie die Durchsetzung Ihres Wahlprogramms, und dann kommen Ihre Mandatare da heraus und beklagen sich darüber, daß ihr Wahlprogramm durchgesetzt wurde. Daß wir das nicht mehr verstehen, meine Damen und Herren, darüber dürfen Sie sich nicht wundern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.14

Präsident Josef Pfeifer: Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Betriebspensionsgesetz, das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 29. November 1996 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden über Soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

38. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 28. November 1996 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz 1975 geändert werden (323, 463 und Zu 463/NR sowie 5343/BR der Beilagen)

Präsident Josef Pfeifer: Meine Damen und Herren! Wir gelangen nun zum 38. und letzten Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesvergabegesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz 1975 geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Jürgen Weiss übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Jürgen Weiss: Der Staatsvertrag über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, BGBl. Nr. 45/1995, verpflichtet Österreich zur Umsetzung weiterer, seit dem Inkrafttreten des Bundesvergabegesetzes 1993 wirksam gewordener Änderungen oder Ergänzungen des EG-Vergaberechts durch nach außen bindende, generelle Rechtsvorschriften.

Der gegenständliche Gesetzesbeschluß des Nationalrates sieht daher in einer umfangreichen Novelle die Umsetzung der einschlägigen EG-Richtlinien durch Einarbeitung in das Bundesvergabegesetz vor.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 10. Dezember 1996 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Josef Pfeifer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. – Ich bitte ihn, zu sprechen.

20.17

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heute vorliegenden Novellen zum Bundesvergabegesetz und zum Ausländerbeschäftigungsgesetz haben mehr arbeitsmarktpolitische Bedeutung, als das den Anschein hat. Es muß uns allen ein Anliegen sein, die illegale Beschäftigung, aber auch die Schwarzbeschäftigung von Inländern und Ausländern umfassend zu bekämpfen, denn durch die illegale Beschäftigung gehen dem österreichischen legalen Arbeitsmarkt viele Tausende legale Arbeitsplatzangebote verloren. Die dadurch entstehenden Verluste


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der finanziellen Mitteln der öffentlichen Hand in Form von Ausfällen bei der Lohnsteuer, der Sozialversicherung, der Zuschüsse zum Familienlastenausgleichsfonds, der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bewegen sich schätzungsweise bei rund 30 Milliarden Schilling.

Ein wichtiger Ansatz bei der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung stellt bereits der geltende § 10 Abs. 3 des Bundesvergabegesetzes dar, der die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an Bewerber, Subunternehmer vom Nachweis ihrer beruflichen Zuverlässigkeit abhängig macht. Zum Nachweis der beruflichen Zuverlässigkeit ist von den erwähnten Personen eine Bescheinigung des Bundesministers für Arbeit und Soziales beizubringen, mit der bestätigt wird, daß sie nicht wegen einer wesentlichen Verletzung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in der Vergangenheit bestraft wurden.

Die nun vorliegende Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz knüpft im § 28b an die Regelung an und sieht eine Verpflichtung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vor, auf Antrag den Bewerbern, den Bietern und den Subunternehmern eine solche Bescheinigung auszustellen. Weiters wird auch definiert, wann eine wesentliche Verletzung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes vorliegt und unter welchen Voraussetzungen diese Bescheinigung ausgestellt werden muß. Die Regelung des § 28b des Ausländerbeschäftigungsgesetzes wird durch den heutigen Beschluß auch EU-konform. Bezüglich des Abs. 5 im § 28, der die Voraussetzung regelt, unter der die Bescheinigung erteilt werden kann, hätte ich mir eine restriktivere Regelung gewünscht.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, erlaube ich mir, noch einige Anmerkungen zur Integration von Ausländern zu machen. Aufgrund der derzeitigen Arbeitsmarktsituation kann ein Neuzugang von ausländischen Arbeitskräften nur mehr in sehr engem Rahmen erfolgen. (Bundesrat Dr. Bösch: Hört! Hört!) Ein derartiger Zugang soll nur dann möglich sein, wenn bestimmte Qualifikationen auf dem inländischen Arbeitsmarkt nicht mehr verfügbar sind. Integrationsmaßnahmen für bereits längere Zeit im Inland tätige ausländische Arbeitnehmer sind nur dann sinnvoll, wenn sie auf die Dauer den Erwerb und ihr Einkommen in Österreich haben und das auch in längerer Zukunft haben wollen. Für den Personenkreis ist eine schrittweise Familienzusammenführung auch weiterhin nach unserer Meinung sinnvoll, wobei jedoch die Jahresquoten des Nachzuges den Arbeitsmarkt sicherlich nicht überfordern dürfen.

Von unserer Seite aus, meine sehr geehrten Damen und Herren, liegt der Novellierung der beiden Gesetze nichts im Wege, und wir werden daher unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

20.22

Präsident Josef Pfeifer: Es liegt keine Wortmeldung mehr vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort erwünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung eine Anfrage – 1238/J – eingebracht wurde.


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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 19. Dezember 1996, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen neben der Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das erste Halbjahr 1997 jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Weiters wird in der nächsten Sitzung eine Fragestunde abgehalten. Es kommen Anfragen an den Bundesminister für Landesverteidigung zum Aufruf.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 17. Dezember 1996, ab 14 Uhr vorgesehen.

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 20.24 Uhr