Stenographisches Protokoll

622. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 6. Feber 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier

Stenographisches Protokoll

622. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 6. Feber 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 6. Feber 1997: 9.00 – 20.20 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Erklärung des Bundeskanzlers

2. Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird

3. Bericht des Bundeskanzlers über den 12. Sportbericht 1995

4. Bundesgesetz, mit dem das Mietrechtsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 1975 und die Zivilprozeßordnung geändert werden

5. Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1995

6. Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Gewässerschutzbericht 1996

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend eine Nachwahl eines Ersatzmitglieds für den Bundesrat 5

Personalien

Krankmeldung 5

Entschuldigungen 5

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 7

Bundesregierung

Schreiben des vormaligen Herrn Bundeskanzlers Dr. Vranitzky betreffend dessen Amtsenthebung sowie die Betrauung mit der Fortführung der Geschäfte bis zur Bestellung eines neuen Bundeskanzlers 5


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 2

Schreiben des Bundeskanzlers Mag. Klima betreffend dessen Ernennung zum Bundeskanzler sowie Amtsenthebungen und Ernennungen von weiteren Mitgliedern der Bundesregierung und von Staatssekretären 6

Vertretungsschreiben 7

Ausschüsse

Zuweisungen 7

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(1) Erklärung des Bundeskanzlers

(2) Beschluß des Nationalrates vom 29. Jänner 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (380/A und 579/NR sowie 5380/BR d. B.)

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 8

Berichterstatter: Ludwig Bieringer 16

[Antrag, zu (2) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Susanne Riess-Passer 17

Albrecht Konečny 20

Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck 22

Dr. Michael Rockenschaub 34

Erich Farthofer 36

Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof 38

Dr. Helmut Prasch 40

Erhard Meier 43

Dr. Kurt Kaufmann 47

Dr. Reinhard Eugen Bösch 51

Hedda Kainz 53

Ing. Johann Penz 55

Mag. John Gudenus 59

Johann Payer 65

Karl Pischl 67

Dr. Paul Tremmel 70

Jürgen Weiss 75

DDr. Franz Werner Königshofer 77

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 82

(3) Bericht des Bundeskanzlers über den 12. Sportbericht 1995 (III-153/BR sowie 5383/BR d.B.)

Berichterstatter: Dr. Kurt Kaufmann 82

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Dr. Paul Tremmel 82

Mag. Harald Repar 86


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 3

Alfred Gerstl 88

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 93

Monika Mühlwerth 96

Johann Kraml 97

Anton Hüttmayr 98

Engelbert Weilharter 101

Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck 103

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 105

(4) Beschluß des Nationalrates vom 23. Jänner 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mietrechtsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 1975 und die Zivilprozeßordnung geändert werden (555 und 573/NR sowie 5382 und 5384/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Michael Ludwig 105

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 4

Redner:

Peter Rieser 106

Josef Rauchenberger 106

und (tatsächliche Berichtigung)111

Monika Mühlwerth 109

Ilse Giesinger 110

Dr. Peter Böhm 111

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 113

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 115

(5) Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1995 (III-155/BR sowie 5385/BR d. B.)

Berichterstatterin: Aloisia Fischer 115

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Mag. John Gudenus 115

Wolfgang Hager 120

Engelbert Schaufler 121

Gottfried Waldhäusl 123

Irene Crepaz 126

Leopold Steinbichler 128

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 130

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 132

(6) Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über der Gewässerschutzbericht 1996 (III-156/BR sowie 5386/BR d. B.)

Berichterstatterin: Aloisia Fischer 133

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Gottfried Waldhäusl 133

Erhard Meier 139

Ing. Johann Penz 142

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 144

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 146

Eingebracht wurden

Berichte

18265-19392-EU über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG

Anfragen

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundeskanzler betreffend 15a-Vereinbarung über gemeinsame Grundsätze der Raumordnung (1247/J-BR/97)

der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Investitionsschutzabkommen mit der Republik Kuba (1248/J-BR/97)

der Bundesräte Alfred Gerstl und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Assanierungs- und Herstellungsaufwendungen im Althausbereich (1249/J-BR/97)

der Bundesräte Alfred Gerstl und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Abschaffung der steuerfreien Mietzinsrücklage (1250/J-BR/97)

der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gernot Rumpold und die Faustfeuerwaffe (1251/J-BR/97)

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Paul Tremmel an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Unterlaufen des LKF-Systems (1252/J-BR/97)

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Paul Tremmel an die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Wiener Spitalsambulatorien – mit oder ohne Krankenschein? (1253/J-BR/97)

der Bundesräte Irene Crepaz und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Internet und strafbare Handlungen (1254/J-BR/97)

 


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 5

Beginn der Sitzung: 9.00 Uhr

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 622. Sitzung des Bundesrates und begrüße den erschienenen Herrn Bundeskanzler Viktor Klima mit den Mitgliedern der Bundesregierung und den Staatssekretären. (Beifall bei SPÖ und ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundeskanzler Mag. Klima erhebt sich von seinem Sitz.)

Erlauben Sie mir, daß ich diese Gelegenheit auch nutze, dem Senior unserer Länderkammer, Herrn Bundesrat Dr. Manfred Mautner Markhof, zu seinem heutigen besonderen Geburtstag im Namen des Hauses die aufrichtigsten Glückwünsche und unsere Anerkennung zum Ausdruck zu bringen. (Allgemeiner Beifall. – Bundeskanzler Mag. Klima begibt sich zu Bundesrat Dr. h. c. Mautner Markhof und gratuliert ihm mit einem Händedruck.)

Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Das Amtliche Protokoll der 621. Sitzung des Bundesrates vom 16. Jänner 1997 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates Peter Rodek.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Karl Drochter, Josef Pfeifer, Dr. Peter Harring, Mag. Harald Himmer und Andreas Eisl.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt ist ein Schreiben der Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend eine Nachwahl eines Ersatzmitglieds für den Bundesrat. – Ich bitte um die Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger:

"Der Oberösterreichische Landtag hat in seiner Sitzung am 23. Jänner 1997 gemäß Artikel 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und Artikel 29 des O.ö. Landes-Verfassungsgesetzes 1991 eine Nachwahl durchgeführt.

Es wurde gewählt:

Als Ersatzmitglied:

an 3. Stelle: Franz Kofler, geboren 22. 6. 1940, 4655 Vorchdorf, Peintal 3.

Mit freundlichen Grüßen!"

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt ist weiters ein Schreiben des vormaligen Herrn Bundeskanzlers Dr. Vranitzky betreffend dessen Amtsenthebung sowie die Betrauung mit der Fortführung der Geschäfte bis zur Bestellung eines neuen Bundeskanzlers.

Ich ersuche die Frau Schriftführerin um Verlesung auch dieses Schreibens.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger:

"Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich habe am 18. Jänner 1997 dem Herrn Bundespräsidenten bekanntgegeben, daß ich die Absicht habe, mich aus meinen politischen Funktionen zurückzuziehen. Der Herr Bundespräsident hat mich daraufhin gemäß Artikel 71 des Bundes-Verfassungsgesetzes mit der Fortführung der Verwaltung des Bundeskanzleramtes und mit dem Vorsitz in der Bundesregierung bis zur Be


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 6

stellung eines neuen Bundeskanzlers betraut. Ich möchte Sie, sehr geehrter Herr Präsident, auf diesem Weg davon in Kenntnis setzen.

Über die gemäß Artikel 70 des Bundes-Verfassungsgesetzes neu zu ernennenden Mitglieder der Bundesregierung wird durch meinen Nachfolger zu gegebener Zeit gesondert Mitteilung gemacht werden.

Mit besten Grüßen: Franz Vranitzky."

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt ist ferner ein Schreiben des Bundeskanzlers Klima betreffend dessen Ernennung zum Bundeskanzler sowie Amtsenthebungen und Ernennungen von weiteren Mitgliedern der Bundesregierung und von Staatssekretären.

Ich ersuche die Frau Schriftführerin höflich um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger:

"Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 28. Jänner 1997, Zl. 300 000/2-BEV/97, gemäß Artikel 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten Dr. Helga Konrad, die Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz Dr. Christa Krammer, den Bundesminister für Arbeit und Soziales Franz Hums, den Bundesminister für Inneres Dr. Caspar Einem, den Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst Dr. Rudolf Scholten und den Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schlögl gemäß Artikel 78 Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz von ihren Ämtern enthoben hat.

Mit gleicher Entschließung hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 74 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mich vom Amt als Bundesminister für Finanzen enthoben und gemäß Artikel 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz zum Bundeskanzler ernannt.

Weiters hat der Herr Bundespräsident mit dieser Entschließung gemäß Artikel 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz auf meinen Vorschlag ernannt:

Präsidentin der Bundesarbeitskammer Eleonora Hostasch zur Bundesministerin für Arbeit und Soziales,

Stadtrat Rudolf Edlinger zum Bundesminister für Finanzen,

Staatssekretär außer Dienst Mag. Karl Schlögl zum Bundesminister für Inneres,

Bundesminister Dr. Caspar Einem zum Bundesminister für Wissenschaft, Verkehr und Kunst und

gemäß Artikel 70 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 78 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Landesrätin Mag. Barbara Prammer zur Bundesministerin ohne Portefeuille.

Ferner hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 77 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz bis zu einer Änderung des Bundesministeriengesetzes die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Eleonora Hostasch mit der Leitung des Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz betraut.

Schließlich hat der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag gemäß Artikel 70 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 78 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz ernannt: Bürgermeister Dr. Peter Wittmann zum Staatssekretär und zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundeskanzler beigegeben und

Dr. Peter Wolfgang Ruttenstorfer zum Staatssekretär und zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für Finanzen beigegeben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 7

Mit besten Grüßen: Viktor Klima."

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt sind Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen, die den heutigen Tag betreffen.

Ich ersuche die Frau Schriftführerin höflichst um die Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger:

"Der Herr Bundespräsident hat am 3. Februar 1997, Zl. 300 100/15-BEV/97, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johann Farnleitner am 3. und 6. Februar 1997 die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Das zweite Schreiben lautet:

"Der Herr Bundespräsident hat am 3. Februar 1997, Zl. 300 100/17-BEV/97, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Justiz Dr. Nikolaus Michalek am 5. und 6. Februar 1997 den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt sind ferner Berichte (18265 bis 19392-EU) über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e des Bundes-Verfassungsgesetzes. Diese Berichte habe ich dem EU-Ausschuß zugewiesen.

In Anbetracht des Umfanges habe ich gemäß § 18 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates nach Rücksprache mit der Vizepräsidentin und mit dem Vizepräsidenten angeordnet, daß eine Vervielfältigung und Verteilung zu unterbleiben hat, alle Vorlagen jedoch in der Parlamentsdirektion zur Einsichtnahme aufliegen.

Eingelangt sind Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über die bereits früher eingelangten und zugewiesenen Berichte, den Bericht des Bundeskanzlers über den 12. Sportbericht 1995 und die Berichte des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1995 und über den Gewässerschutzbericht 1996, abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Im Hinblick darauf sowie mit Rücksicht auf einen mir zugekommenen Vorschlag, von der 24stündigen Aufliegefrist der Ausschußberichte Abstand zu nehmen, habe ich diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschußberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit .


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 8

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen .

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Es ist dies nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

1. Punkt

Erklärung des Bundeskanzlers

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 29. Jänner 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird (380/A und 579/NR sowie 5380/BR der Beilagen)

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen nunmehr, Hoher Bundesrat, in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Tagesordnungspunkten 1 und 2, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird.

Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteile, gebe ich bekannt, daß mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluß an die vom Herrn Bundeskanzler namens der Bundesregierung abgegebenen Erklärung eine Debatte durchzuführen. Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich ihm ohne weiteres stattgeben.

Ich darf nun dem Herrn Bundeskanzler zur Abgabe seiner Regierungserklärung das Wort erteilen. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

9.12

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, daß ich Ihnen die neuen Mitglieder der Bundesregierung hier und heute schon vorstellen darf, mit Ausnahme des altbekannten Bundesministers Karl Schlögl, der sich derzeit im Ausland befindet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde in gekürzter Form, in zusammengefaßter Form und mit einer stärkeren Fokusierung auf die Probleme des Föderalismus, auf die Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften in unserem Lande die Bundesregierung und das Regierungsprogramm beziehungsweise die Regierungserklärung hier Ihnen vorstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bekenne mich klar und ausdrücklich zu dem Arbeitsprogramm, das die neu gewählte Bundesregierung vor zirka einem Jahr vorgelegt hat. Es ist eines der Pfeiler, die es ermöglichen, daß wir als Regierungsparteien in den nächsten drei Jahren die wichtigen politischen Veränderungen in unserem Lande gemeinsam erfolgreich bewerkstelligen. Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es mir wirklich eine große Freude, Ihnen zur Kenntnis zu bringen, daß die beiden Koalitionsparteien übereingekommen sind, bis zum Ende dieser Legislaturperiode das Ihnen bekannte Arbeitsprogramm zum Wohle der Republik Österreich zu erfüllen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. )


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 9

Dazu, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich gleich eingangs sagen, daß von diesem Arbeitsprogramm einiges zuwenig rasch, einiges, das kritisiert wurde, aber auch einiges durchaus erfolgreich schon bewältigt werden konnte. Ich erinnere Sie nur daran, daß wir gemeinsam mit den Vertretern der Länder und mit den Vertretern des Städte- und Gemeindebundes einen Finanzausgleich bis zum Jahr 2000 abgeschlossen haben, der die finanziellen Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften neu regelt. Es wurde auch eine konkrete politische Vereinbarung über ein Bundesgesetz, das erst zu beraten und zu beschließen sein wird, nämlich die Vereinbarung über den sogenannten Konsultationsmechanismus, schon getroffen. Diese politische Vereinbarung stellt sicher, daß diese neue Qualität der finanziellen Zusammenarbeit, die wir zwischen den Gebietskörperschaften in Österreich brauchen, nicht zu Lasten nur eines Partners gehen kann, daß Bund, Länder und Gemeinden gleichberechtigte Partner in der Balance der Verantwortung und der Kostenträgerschaft sind. Diese politische Vereinbarung soll, wie ich hoffe, die Rechte der Länder und der Gemeinden kräftig stärken. Das ist ein Meilenstein in der Entwicklung des Föderalismus in Österreich (Beifall bei der SPÖ. ) Ich bin überzeugt davon, daß auch die Kollegen von der ÖVP dieser Meinung sind, zumindest waren sie es bisher. (Heiterkeit. – Beifall des Bundesrates Dr. Mautner Markhof. – Bundesrat Ing. Penz: Wir haben eine differenzierte Meinung! – Bundesrat Prähauser: Sie wiegen sich in Sicherheit!)

Ich würde mich freuen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir uns in der Diskussion mit diesem Konsultationsmechanismus tatsächlich näher auseinandersetzen könnten, weil ich meine, daß er einen ganz wesentlichen Schritt in Richtung Bundesstaatsreform darstellt, wo wir Ansätze in Richtung Bundesstaatsreform gemacht haben – herzlichen Dank, Herr Ministerkollege a. D. Weiss –, wo wir aber meiner Ansicht nach noch sehr viele weitere Schritte setzen müssen, um in Österreich dem Gesichtspunkt des Föderalismus, dem Gesichtspunkt der Subsidiarität, aber auch dem Gesichtspunkt des Bundesstaates als Gesamtes Rechnung zu tragen.

Wir haben, meine sehr geehrten Damen und Herren, etwas getan, was in Europa ohne Beispiel ist: Wir haben in recht kurzer Zeit die notwendigen Maßnahmen zur Sanierung unseres Staatshaushaltes gesetzt. Wir haben dies in einer Form getan – ich möchte jetzt gar nicht das oft wiederholte Wort der sozialen Ausgewogenheit strapazieren, aber Tatsache ist, daß es so von jedem erlebbar war –, die so große soziale Auseinandersetzungen und Konflikte, wie sie sich in den anderen Ländern Europas auf der Straße abgespielt haben, vermeiden konnte.

Es haben die Österreicherinnen und Österreicher, meine sehr geehrten Damen und Herren, in den letzten eineinhalb Jahren einen gewaltigen Beitrag geleistet, daß wir in kurzer Zeit unseren Staatshaushalt in Ordnung bringen konnten, und zwar nicht wegen irgendwelcher anonymer Maastricht-Kriterien, nicht wegen irgendwelcher anonymen Kennziffern, die wir uns geben, sondern deshalb, um wieder einen finanziellen Spielraum für die wichtigsten Aufgaben dieser Bundesregierung, nämlich für Beschäftigungspolitik und für neue Arbeitsplätze, zu haben. Und das ist eine Leistung der Österreicherinnen und Österreicher, wofür ich ihnen – und ich bin überzeugt, ich darf das auch in Ihrem Namen tun – nochmals danken möchte. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. )

Wir haben auch begonnen – und ich sage ganz bewußt, meine sehr geehrten Damen und Herren: begonnen –, Schritte in Richtung Neuordnung der Struktur, aber auch Neuordnung der Finanzierung des Gesundheitssystems zu setzen. Ich sage deswegen "begonnen", weil wir nicht so naiv sind, anzunehmen, daß die Regelungen für den Bereich der Krankenanstaltenfinanzierung, die wir getroffen haben, ausreichen werden. Aber sie entsprechen stärker dem Gedanken des zukünftigen Föderalismus, da wir erstmals die Entscheidungskompetenz mit der finanziellen Verantwortung zusammengeführt haben. Es gibt viele Bereiche im Zusammenwirken zwischen Bund und Ländern, in denen das noch nicht der Fall ist; ich brauche Ihnen keine Stichworte zu geben. Aber gerade in diesem Bereich haben wir die Entscheidungsverantwortung mit der finanziellen Verantwortung zusammengeführt, und es ist, so meine ich, mit der Krankenanstaltenfinanzierung ein neuer, auch dem Gesichtspunkt der dezentralen Verantwortung, dem Föderalismus entsprechender Teilschritt zur Strukturveränderung und finanziellen Gesundung im Gesundheitssystem gelungen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 10

Uns ist aber klar, daß man nur im Zusammenwirken mit dem extramuralen Bereich, nur in der Kette von der Krankenanstalt über die Ambulanz bis zum niedergelassenen Arzt und in Verbindung mit der Arbeitsmedizin und der Präventivmedizin eine erfolgreiche Gesundheitspolitik betreiben kann.

Daher bin ich auch sehr froh, daß wir das nun in einem Ressort zusammengefaßt haben, und ich bin überzeugt davon, daß die Frau Bundesministerin Lore Hostasch diese Aufgabe erfolgreichst bewältigen wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben auch in den wenigen Monaten, die diese Bundesregierung besteht, also seit Jänner 1996, einige maßgebliche Schritte zur Verbesserung der Kinderbetreuungseinrichtungen eingeleitet. Wir haben zwar nicht die Milliarde geschafft. Wir hatten uns eine Milliarde vorgenommen, es sind nun 600 Millionen Schilling, die zur Verbesserung der Kinderbetreuung zur Verfügung stehen.

Ich bin überzeugt davon, daß in vernünftiger Zusammenarbeit mit den unmittelbaren Bedarfswissenden, mit den Gemeinden, mit den Ländern und mit den dafür verantwortlichen Bundesstellen, im Rahmen dieser zusätzlich für die Kinderbetreuung zur Verfügung stehenden 600 Millionen Voraussetzungen geschaffen werden, die es den Frauen, die heute noch sehr stark darunter leiden, daß sie nicht nur die Doppelbelastung Beruf und Familie, sondern auch aufgrund von fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen sehr oft weniger Möglichkeiten für eine Lebensplanung, für eine Lebensgestaltung eigener Wahl haben, ermöglichen, ihre Entwicklung nach eigenem Entscheiden zu gestalten. Ich bin überzeugt davon, daß diese Aufgabe in hervorragender Form von der Frau Bundesministerin für Frauenangelegenheiten, die in Zukunft auch sehr wesentliche Aufgaben mit übertragen bekommt, Aufgaben der Gentechnologie, Aufgaben des Konsumentenschutzes, Aufgaben des Veterinärwesens, bewältigt werden wird. Frau Kollegin Barbara Prammer, die ja überzeugte Föderalistin ist und sich schon im Oberösterreichischen Landtag mit diesen Angelegenheiten beschäftigt hat, wird Ihnen als Partner bei der Umsetzung dieser Aufgaben zur Verfügung stehen. Herzlich willkommen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen zusammenfassend noch einige wenige Schwerpunkte der künftigen Regierungsarbeit darlegen. Für mich ist wesentlich, daß wir uns in der politischen Diskussion, aber auch in der öffentlichen Diskussion mit den tatsächlichen Widersprüchlichkeiten, die wir in unserem Lande erleben, auseinandersetzen. Es ist in der Tat so, daß Österreich einen der höchsten Beschäftigungsstände hat. Es ist aber auch in der Tat so, daß wir zunehmende Arbeitslosigkeit in unserem Land haben. Es ist in der Tat so, daß wir das drittreichste Land der Europäischen Union sind. Es ist aber auch in der Tat so, daß immer mehr Menschen an die Armutsgrenze kommen. Es ist in der Tat so, daß objektiv die Zahlen der Kriminalitätsstatistik in Österreich besser werden. Es ist aber auch in der Tat so, daß das von der österreichischen Bevölkerung subjektiv nicht so empfunden wird.

Wir leben in einer Zeit der politischen Veränderungen, meine sehr geehrten Damen und Herren – Stichworte dazu sind Ihnen allen bekannt: Ostöffnung, Auswirkungen des Binnenmarktes, der manche Sektoren unserer Wirtschaft sehr, sehr stark verändert hat, Auswirkungen des globalen Wettbewerbs –, aber auch in einer Zeit sehr starker wirtschaftlicher Veränderungen. Der Zusammenbruch des Kommunismus in Europa hat dazu geführt, daß sich keine zwei Machtblöcke mehr in diesem Europa gegenüberstehen. Wir leben aber auch in einer Zeit der gesellschaftlichen Veränderungen, wo die Individualisierung, die Autonomie auf der einen Seite den Problemen der mangelnden sozialen Integration auf der anderen Seite gegenüberstehen.

In dieser Zeit – ich bitte Sie, das mit Ihnen gemeinsam diskutieren zu dürfen – ist aus meiner Sicht vor allem eines besonders wichtig: zu erkennen, daß Österreich, daß die Österreicherinnen und Österreicher die notwendigen Anpassungen, die notwendigen Veränderungen durchführen müssen, daß wir diese Veränderungen als Chance erkennen müssen, daß wir keine Möglichkeit haben, diese Veränderungen zu ignorieren, daß wir keine Möglichkeit haben, alte Rezepte des Protektionismus, der hohen Mauern um unser Land und all diese Dinge mehr, die oftmals als einfachste Antwort vorgeschlagen werden, heranzuziehen. Wir haben die Chance,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 11

entweder diese Veränderungen zu erleiden, dies zum Nachteil unseres Landes, oder diese Veränderungen zu gestalten.

Gestalten können wir sie nur mit den Österreicherinnen und Österreichern, und gestalten müssen wir sie so, daß der soziale Zusammenhalt als eines der höchsten Güter in unserem Lande erhalten bleibt. Und daher wird diese Bundesregierung keine Politik eines Manchester-Liberalismus betreiben, sie wird eine Politik der nötigen Veränderungen, der raschen Reformen, aber mit Blick auf die Menschen, betreiben. Und das haben wir zu bewältigen, meine Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Beschäftigung schaffen: Das ist eines der wichtigen, der zentralen Themen in unserem Land. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn heute jemand zu Ihnen kommt und sagt, er habe das Rezept, wie wir Beschäftigung schaffen können – glauben Sie ihm nicht! Das gibt es nicht. Das ist eine Arbeit, welche die Bundesregierung mit einem Bündel von aufeinander abgestimmten und koordinierten Maßnahmen zu schaffen haben wird. Und ich bitte um Verständnis: mit einem Bündel von Maßnahmen, die anscheinend nichts miteinander zu tun haben.

Es ist wichtig, den Arbeitnehmern in Österreich klarzumachen, daß zum Beispiel die Frage einer Verbesserung, einer Verstärkung des Kapitalmarktes nichts für ein paar Superreiche ist, sondern eine wichtige Maßnahme, um Arbeitern, Facharbeitern, Angestellten in Zukunft weiterhin Beschäftigung anbieten zu können. Die Frage des Kapitalmarktes heißt Eigenkapitalschwäche der Unternehmungen in Österreich, und damit verbunden sind eine größere Gefahr der Übernahme durch ausländische Käufer und auch eine größere Gefahr, allfällige wirtschaftliche Schwankungen nicht aushalten zu können.

Wir werden diese Brücke brauchen. Auf der einen Seite eine technische Maßnahme, die wahrscheinlich, so sage ich jetzt einmal, den Arbeitern und den Angestellten prima vista egal ist: Wofür stärkt ihr den Kapitalmarkt? Aber es ist wichtig, meine sehr geehrten Damen und Herren, zu wissen und aufzuzeigen, daß dieses Bündel an Maßnahmen, abgestimmt und koordiniert, notwendig ist. Das geht von der Liberalisierung der Gewerbeordnung bis zu einer Beschleunigung des Anlagenrechts. Es darf in einer Zeit, in der wir Produktlebenszyklen von nur mehr vier Jahren haben, der Genehmigungsprozeß für eine neue Anlage nicht zwei Jahre dauern, denn dann ist die Hälfte der Produktionsmöglichkeiten schon weg. Also das reicht von der Liberalisierung der Gewerbeordnung über das Anlagenrecht bis zu neuen Formen von Arbeit, neuen Formen auch in der Arbeitszeitflexibilisierung.

Das ist aber bitte keine schiefe Ebene. Die soziale Gerechtigkeit in unserem Lande, der soziale Zusammenhalt in unserem Lande sind gewahrt durch die Balance, die gegeben ist. Daher hat sich die Bundesregierung vorgenommen, die nötigen Schritte zur Flexibilisierung, auch der Arbeitszeit, nicht auf Kosten nur eines einzelnen, sondern in der Ausgewogenheit der sozialen Balance zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das wird gemeinsam mit den Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur, die wir schon gesetzt haben, geschehen. Auch da bitte ich Sie um ein Bekenntnis dazu. Es ist immer leichter, der einen oder anderen lokalen Bürgerinitiative zu sagen: Na ja, es ist in Wirklichkeit viel gescheiter, wir schicken den Transport über Tschechien, über Ungarn, über Slowenien nach Italien und nicht über Österreich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns abkoppeln wollen als Wirtschaftsstandort, wo produziert werden kann, wo produziert wird, dann folgen wir diesem Beispiel, dann machen wir es uns leicht, dann geben wir überall diesen Wünschen nach. Wir müssen natürlich die lokalen Interessen der Bürger berücksichtigen, wir müssen uns aber auch dazu bekennen, daß ein Land wie Österreich eine modern ausgebaute Logistik braucht, eine modern ausgebaute Verkehrsinfrastruktur braucht, ein modern ausgebautes Telekommunikations- und Energiewesen braucht, wenn wir damit Beschäftigung in unserem Lande sichern können. Daher bitte ich Sie auch als Vertreter der Länder in dieser Länderkammer, daß wir bezüglich wichtiger verkehrspolitischer Projekte, sei es auf der Straße, sei es auf der Bahn, bezüglich wichtiger


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 12

energiepolitischer Projekte, bezüglich wichtiger Telekommunikationsprojekte eine gemeinsame Basis und eine gemeinsame Meinung finden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte Ihnen an einem Beispiel zeigen, daß wir uns in der Bundesregierung auch vorgenommen haben, in einer durchaus neuen Form zusammenzuarbeiten. Wir reden schon längere Zeit von der Exportoffensive. Und wir wissen, daß es in diesem Bereich etwas nachzuholen gibt. Österreich ist im internationalen Schnitt der europäischen Industriestaaten noch nicht bei der Exportquote, die ihm zustünde. Wir haben Potential, unsere Exporttätigkeiten und damit die Beschäftigung zu steigern. Alle von Ihnen, die in Unternehmen tätig sind, die exportieren, wissen, daß hier eine Vielzahl von Maßnahmen, von der Garantiepolitik angefangen über die in manchen Entwicklungsländern notwendigen Softloans bis schlußendlich zur infrastrukturellen Unterstützung, Handelshäuser, vor Ort Betriebsparks und Betriebsgelände, notwendig sind.

Ich erzähle Ihnen dieses Beispiel nur, weil sich die Bundesregierung vorgenommen hat, über die Ministergrenzen hinweg ein Projektmanagement einzurichten, einen auch externen, erfahrenen Fachmann als Projektmanager für eine Exportoffensive einzusetzen, der die Analyse, das Vorschlagen von besten Modellen in anderen Ländern Europas für die Bundesregierung vornehmen soll, um diese dann umzusetzen. Wir sind also bereit, in dieser neuen Zusammenarbeit auch neue Formen der Projektarbeit, der Projektzusammenarbeit zu finden, um eben die Exporte in Österreich zu unterstützen.

Oder ein zweites Beispiel: Innovation und Technologie. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich ist ein Technologie-Nettoimporteur. Wir haben hervorragende Produkte, wir haben hervorragende Qualität. Überall in der Welt kennt man Rosenbauer. Die hervorragende Qualität von VOEST-ALPINE-Stahl ist geeignet, selbst im Billiglohnland Tschechien erfolgreich Wettbewerber zu sein. Swarovsky ist ein hervorragendes Produkt österreichischer Forschung und Entwicklung. Aber wir benötigen ein Bündel von Maßnahmen, um diesen Produktvorsprung tatsächlich angehen zu können. Unsere Wirtschaftspolitik kann nicht bedeuten, in einen Wettbewerb der Lohnspirale nach unten einzutreten. Unsere Wirtschaftspolitik ist es, durch Innovation, durch Technologiepolitik, durch Forschung neue Produkte und neue Märkte zu erreichen, die unseren Wohlstand und unser Lebensniveau sichern können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, messen Sie diese Bundesregierung am Ende dieser Legislaturperiode daran, was sie mit den drei zusätzlichen Forschungsmilliarden, die wir aus den Privatisierungserlösen der CA bekommen haben, getan hat und welchen Impuls und welchen Schwung sie für die Technologie und für die Forschung in Österreich gebracht hat. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden auch eine Reihe von Maßnahmen brauchen – es klingt für einen Sozialdemokraten möglicherweise ein bißchen ungewöhnlich, wenn er das jetzt sagt – zur massiven Unterstützung der Klein- und Mittelbetriebe. Sie wissen, wir haben immer eine Tendenz zur Großindustrie gehabt. Die Großindustrie ist auch wichtig und muß auch weiterhin unterstützt werden. Aber wir wissen, daß die Klein- und Mittelbetriebe der Motor für die Beschäftigung in nächster Zeit sein werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Rockenschaub .)

Wir wissen, daß Klein- und Mittelbetriebe eine besondere Unterstützung in der Technologiepolitik brauchen. Da können wir nicht dieselben Instrumente anwenden wie bei den großen Industrieunternehmen. Da geht es vor allem um den Transfer des Wissens in die Unternehmen hinein, um die Beratungstätigkeit auch bei der Erschließung neuer Märkte. Wir wissen, daß wir auch kapitalverstärkende Instrumente bei Klein- und Mittelbetrieben brauchen. Ich bin froh, daß wir das Gründungssparen jetzt endlich über die Bühne gebracht haben, obwohl das noch nicht das Gelbe vom Ei ist. Es gibt zum Beispiel jetzt auch Eigenkapitalgarantiefonds. Wir werden ab 1. 4. 1997 bereits ein neues Börsesegment für Klein- und Mittelbetriebe aufmachen. Wir wissen also, daß wir insbesondere den Klein- und Mittelbetrieben bei der Chance, Motor der Beschäftigung zu sein, große Unterstützung angedeihen lassen müssen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 13

Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, bitten, wenn ich jetzt nicht alles aufzähle, nicht daraus zu schließen, daß es mir nicht bewußt ist. – Ich glaube, Sie haben mir eine halbe Stunde Redezeit vorgegeben, und diese ist schon fast um. (Ruf: Keine Zeitvorgabe!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines möchte ich in zwei, drei Sätzen noch sagen: Wir leben in der Diskrepanz, drittreichstes Land Europas zu sein, und trotzdem zunehmend Armut in Österreich feststellen zu müssen. Ich sage ganz offen, das macht mich auch persönlich betroffen. Diese Armut können wir nicht mit Mißbrauchsdebatten in irgendeiner Form abtun. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir dürfen diese Armut nicht verniedlichen und quasi individualisieren, der einzelne sei schuld. Wir wissen, daß Menschen in Lebenssituationen kommen können, wenn sie den Job verlieren zum Beispiel, wenn etwa alleinerziehende Mütter oder auch Familien mit geringem Einkommen die durchaus manchmal sehr hohen Wohnungsmieten in Österreich nicht bezahlen können, da muß man gar nicht krank oder pflegebedürftig sein, wo auch in Zukunft ein soziales Netz zur Verfügung stehen muß, damit diese Menschen nicht ausgegrenzt werden, damit sie zu einer finanziellen, aber auch zu einer sozialen Integration in unserer Gesellschaft kommen.

Wir müssen unseren Sozialstaat modernisieren. Die Frau Bundesminister hat das bereits klar und deutlich gesagt. Wir sind nicht in der Lage, Leistungen, die wir jenen Menschen, die in solche Situationen gekommen sind, geben müssen, allen zu geben, wir können sie nicht mit der Gießkanne verbreiten. Wir werden daher gemeinsam in der Bundesregierung Mittel und Wege finden müssen, die Transferleistungen auf solche Menschen zu konzentrieren, die diese tatsächlich brauchen, um jenes soziale Netz, das in Österreich so wichtig ist, auch in Zukunft erhalten zu können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich hätte jetzt noch sehr gerne mit Ihnen über die Fragen der Lehrlingsausbildung, die Fragen der Schulausbildung, die Fragen der Hochschulausbildung gesprochen. Aber leider ist die Zeit schon sehr knapp.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen die Qualität der dualen Berufsausbildung in Österreich, die Qualität der Facharbeiterausbildung auf dem gegenwärtigen Niveau erhalten. Warum kommen denn internationale Unternehmen nach Österreich, was zugleich Zehntausende Arbeitsplätze bedeutet? Warum kommen BMW, General Motors, Chrysler, Philips, Siemens und wie sie alle heißen mögen? Nicht weil wir ein Billiglohnland sind! (Bundesrat DDr. Königshofer: Weil sie hier absahnen!) Ach so, Herr Kollege? Siemens hat investiert, seitdem wir in der Europäischen Union sind. Sie wissen ganz genau, daß es da Wettbewerbsregeln gibt, und ich finde es sehr, sehr unfair, daß Sie den Grund nicht anerkennen. Die kommen nämlich, weil wir gut ausgebildete Facharbeiter, gut ausgebildete Ingenieure, gut ausgebildete Leute insgesamt haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Entschuldigen Sie, ich will in der Regierungserklärung nicht polemisieren, aber eines bitte ich Sie schon: Zur Kenntnis zu nehmen, daß wir hervorragend ausgebildete Facharbeiter haben und daß das einer der Hauptgründe ist, warum sich Industrieunternehmen für eine Ansiedlung in unserem Lande interessieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das müssen wir in Zukunft erhalten. Wir werden ein System finden müssen, bei dem jene Unternehmen, die ausbilden, Unterstützung bekommen, und zwar auch von jenen Unternehmen, die sich dieser Mühe nicht mehr unterziehen. Wir werden ein gemeinsames System finden müssen, um diese hohe Qualität der Facharbeiterausbildung in Österreich erhalten zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden uns – auch das sage ich ganz leidenschaftslos – mit der Frage der Lehrpläne, auch mit der Frage der Lehrpläne an den Universitäten auseinandersetzen müssen. Wir können es uns nicht leisten, eine der höchsten Drop-out-Raten zu haben – zum Beispiel an der Technischen Universität –, wir können es uns nicht leisten, eine Studiendauer an der Technischen Universität zu haben, die zu den längsten zählt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 14

Das heißt, hier muß die Entrümpelung der Studienpläne rasch und sehr konsequent vollzogen werden, auch wenn vielleicht für den einen oder anderen damit die Summe seines Einkommens aus Prüfungstaxen ein bißchen geringer wird. Aber es ist ein Problem, das zu lösen wir unserer Jugend schuldig sind, unserer Wirtschaft schuldig sind, und es ist daher sehr wichtig, daß wir uns dem Bereich der Ausbildung offen und ohne Scheuklappen widmen, damit wir eben diese kraftvolle, gut ausgebildete Jugend in Österreich weiterhin haben.

Ich bin überzeugt davon, daß wir in der Bundesregierung in guter Zusammenarbeit mit all den dafür notwendigen Kollegen im Sozialministerium, im Wirtschaftsministerium, im Unterrichtsministerium und im Wissenschaftsministerium in den nächsten drei Jahren sehr erfolgreiche Schritte setzen werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine kurze Bemerkungen nur: Wir haben im Rahmen des Konsolidierungspaketes Entscheidendes für die finanzielle Entlastung unserer Pensionssysteme getan. Wir haben es in einer Form getan, die die Rechte der Menschen sichert, wir haben es aber auch in einer Form getan, mit der wir das, was wir alle für Rechtens halten, daß es nämlich erforderlich ist, das faktische Pensionsalter schrittweise an das gesetzliche Pensionsalter heranzuführen, tatsächlich auch erreichen werden. Wir haben in den ersten neun Monaten des Jahres 1996 noch einen Boom von Frühpensionierungen gehabt, aber in den letzten Monaten wirken diese Maßnahmen bereits und tragen auch zu einer finanziellen Entlastung des Pensionssystems bei.

Ich stehe aber nicht an, in aller Deutlichkeit zu sagen, daß wir uns mit entsprechenden wissenschaftlichen, ökonomischen, politischen Analysen auseinanderzusetzen haben über die Formen der Pensionssicherung im Jahr 2020, 2030, 2040 und danach, aber in einer Form, die den älteren Menschen die Sicherheit gibt, aber auch in einer Form, die den Menschen, die heute das Pensionssystem durch ihre Beiträge am Leben erhalten, auch die Sicherheit gibt, daß sie nachher noch eine Pension bekommen werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte noch einen Punkt kurz ansprechen, und das ist der nötige Wandel innerhalb des Staates selbst. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie mit einem Niederländer reden, wenn Sie mit einem Luxemburger reden, wenn Sie mit einem Finnen reden, so werden die sagen: Liebe Freunde, der österreichische Bürger kommt sich gegenüber dem Staat und den staatlichen Funktionen häufig mehr als Bittsteller vor denn als bewußter, selbstbewußter Empfänger einer Dienstleistung dieser Behörde. Das heißt, wir wissen – und das wollen wir auch umsetzen –, daß wir den Weg vom Hoheitsstaat in Richtung Dienstleistungsstaat für die Bürger dieses Landes gehen müssen und gehen werden.

Wir wissen auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß es eine kritische Auseinandersetzung darüber geben muß, welche Funktionen der Staat in Zukunft in welcher Form zu erbringen hat. Ich meine, daß wir da folgende Fehler nicht machen dürfen: Wir dürfen weder den Fehler machen, aus Ideologie und juhu, weniger Staat, weniger Staat, weniger Staat, notwendige zentrale Aufgaben der staatlichen Verwaltung oder der staatlichen Leistung zu vernachlässigen, noch dürfen wir auf der anderen Seite den Fehler machen, zu sagen, es darf sich überhaupt nichts ändern, es muß alles so bleiben, wie es ist, wiewohl wir in den letzten 40, 50 Jahren doch den Markt, unsere Gesellschaft sehr stark verändert haben.

Ich ersuche und ich bitte daher darum, daß wir auch da nicht mit Scheuklappen an die Arbeit gehen, sondern mit großer Offenheit sehr sorgfältig überprüfen, ob gewisse Dienstleistungen, die durch den Staat erbracht werden, nicht vielleicht sogar verstärkt erbracht werden sollen.

Ich erinnere mich noch sehr genau an ein Wort des ehemaligen Präsidenten der Caritas, Schüller, der gemeint hat: Wenn wir alle ideale Menschen wären, wenn wir einen idealen Markt hätten, dann bräuchten wir den Staat nicht, um den sozialen Ausgleich sicherzustellen in diesem Lande. Nur, das sind wir nicht. Schüller hat damals formuliert: Spätestens seit dem Sündenfall ist klar, daß der Markt nicht den sozialen Ausgleich regelt, sondern daß das eine ganz wichtige Funktion des Staates ist und sein muß, meine sehr geehrten Damen und Herren!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 15

Das heißt, ich bekenne mich dazu, daß es vom sozialen Ausgleich über die Ausbildung bis hin zur Sicherheit ganz wesentliche Aufgaben des Staates gibt, die in der Effizienz verstärkt, in der Qualität der Dienstleistung verbessert werden müssen.

Ich sage aber auch gleichzeitig dazu, daß es sehr viele Bereiche gibt, in denen wir heute einen funktionsfähigen Markt haben, in denen wir nicht mehr als Staat selbst diese Aufgabe erbringen und anbieten müssen. Ich sage auch dazu, daß es manche Herausforderung für die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden geben wird, diese Aufgabe für den Bürger optimal zu regeln.

Eine der besten Ausgliederungsformen, das Bundesrechenzentrum, die neue GmbH – wir haben es ja hier vor kurzem diskutiert –, ist derzeit technisch in der Lage, mit einem Hochleistungsdatennetz von einer Stelle aus für einen Bürger den Zugang zur notwendigen Gemeindebürokratie, Landesbürokratie, Stadtbürokratie, Sozialversicherungsbürokratie zu ermöglichen.

Wissen Sie, was Sie heute alles tun müssen, wenn Sie ein Kind bekommen haben, wo Sie es überall anmelden müssen, wo Sie überall hinrennen müssen? Oder was alles zu tun ist, wenn jemand Ihrer Verwandten verstorben ist? – Das ist die Qualität, die wir dem Bürger anzubieten haben, die Qualität unter voller Nutzung der neuen Informationsgesellschaft. Da wird es nicht möglich sein, zu sagen, das ist bisher meine Kompetenz gewesen – egal, ob das jetzt das Land, die Gemeinde oder die Bezirkshauptmannschaft betrifft –, daran darf sich nichts ändern.

Das heißt, wir brauchen eine Bundesstaatsreform. Wir brauchen sie im Sinne der Bürger, wir brauchen sie im Sinne einer effizienten Dienstleistung.

Eines habe ich mir vorgenommen, sehr geehrte Damen und Herren – ich weiß, es ist manchmal die Bemerkung gekommen, wir haben ein ostlastiges Team und was weiß ich noch alles, sprich also zu viele aus Wien und Niederösterreich –: Ich werde in den nächsten sechs Wochen jedem Landeshauptmann in jedem Bundesland einen Besuch abstatten, um diese Überlegungen der Neuentwicklung, der Weiterentwicklung der Bundesstaatsreform mit allen Landeshauptleuten tatsächlich auch anzusprechen, weil wir das nicht für uns machen, sondern für die Bürger in diesem Land. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden daher in dieser Bundesstaatsreform, in dieser kritischen Analyse des Staates auch unser Sparpotential sehen. Wir haben uns vorgenommen, den Konsolidierungskurs der Jahre 1996 und 1997 fortzusetzen. Wir machen das nicht deswegen, weil wir Zahlenfetischisten sind, sondern weil – ich habe es schon gesagt – nahezu 100 Milliarden Schilling pro Jahr nur in die Zinszahlungen der Staatsschuld gehen. Was da an Geld verlorengeht, das wir für aktive Arbeitsmarktpolitik einsetzen könnten, für Bildungspolitik und all diese Dinge mehr! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Darum haben wir uns vorgenommen, diesen Konsolidierungskurs weiter fortzuführen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.) Auch die ÖVP hat sich vorgenommen, den Konsolidierungskurs weiter fortzuführen. (Bundesrat Weiss: Deswegen müssen wir aber nicht klatschen dazu! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir wollen diesen Konsolidierungskurs weiter fortführen in einer Form, mit der wir nicht die Bürger belasten, in einer Form, bei der wir nicht neue Steuern oder neue Abgaben erfinden wollen, in einer Form, mit der wir nicht die Leistungen des Sozialnetzes beschneiden wollen, in einer Form, mit der wir insbesondere bei uns, in der öffentlichen Verwaltung, sparen wollen. Das wird das Ziel der Budgets der Jahre 1998 und 1999 sein, welches – davon bin ich überzeugt – Kollege Rudi Edlinger mit Staatssekretär Wolfgang Ruttenstorfer, gemeinsam mit den Kollegen der ÖVP, mit Hannes Farnleitner und seinem Team, erfolgreich bewältigen wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur mit ein paar wenigen Worten abschließend erwähnen, daß wir, die österreichische Bundesregierung, der Parteivorsitzende der Österreichischen Volkspartei, Dr. Wolfgang Schüssel, und ich, der Noch-nicht-Parteivorsitzende der Österreichischen Sozialdemokratischen Partei (Heiterkeit) , uns dazu bekannt haben, im Interesse dieses Landes, im Interesse der wichtigen Aufgaben, die wir zum Beispiel


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 16

im Rahmen der Europäischen Union, diesem wichtigsten politischen Projekt, haben, die beste Exportförderung, die beste Sicherung der Arbeitsplätze, eine starke gemeinsame Währung in diesem Europa realisieren zu wollen (Beifall bei SPÖ und ÖVP) , daß wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit viel Lobbying, in Abstimmung mit anderen Staaten in Europa, bei der wichtigen Regierungskonferenz durchsetzen wollen, daß das Beschäftigungskapitel in den Vertrag aufgenommen wird, weil die Beschäftigung genauso wichtig ist wie die fiskalpolitische Auseinandersetzung (neuerlicher Beifall bei SPÖ und ÖVP) , daß wir uns auch aktiv dazu bekennen, die Frage der Umweltpolitik weiterzuentwickeln. Das ist gar nicht so einfach, denn – erinnern Sie sich – bis Ende 1998 gibt es gemäß einer Vereinbarung aus dem Jahr 1994 die Verpflichtung der Europäischen Union, die Normen an die österreichischen Standards heranzuführen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns auch vorgenommen, die Fragen der effizienten Verwaltung, des Kampfes gegen die Kriminalität, des Kampfes gegen die organisierte internationale Kriminalität auf europäischer Ebene voranzutreiben. Wir haben uns vorgenommen – das sind wir unserem Land schuldig –, ein erfolgreiches und, wie ich hoffe, ein beispielhaftes Land für die Präsidentschaft in der zweiten Hälfte des Jahres 1998 zu sein. Das werden wir als Bundesregierung gemeinsam vollbringen.

Wir werden auch sehr engagiert an der Entwicklung der GASP, also der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in Europa, mitwirken. Österreich hat sich immer solidarisch gezeigt im Rahmen der PfP-Einsätze, im Rahmen der UN-Einsätze, im Rahmen der OSZE-Einsätze. Erinnern Sie sich daran, wo überall unsere Soldaten bisher in friedenserhaltenden Missionen tätig waren.

Sie wissen aber auch, daß wir in Österreich und in Europa derzeit massive politische Veränderungen haben, daß wir alle jedoch keine neuen Trennlinien in diesem Europa wollen und daß Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Entwicklung der Sicherheitssysteme in Europa sehr genau beobachtet. Sie wissen, daß es diesbezüglich noch viele notwendige Entwicklungsschritte gibt, und Sie wissen, daß die österreichische Bundesregierung übereingekommen ist, sich nicht voreilig auf eine Option alleine zu konzentrieren, sondern eine gemeinsame und solidarische europäische Außen- und Sicherheitspolitik aktiv mitzugestalten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon – und ich bitte Sie, daß Sie persönlich, wo Sie die Möglichkeit dazu haben, das auch mittragen und mitargumentieren –, daß wir Österreicherinnen und Österreicher sehr viele Veränderungen durchführen müssen. Wir haben aber als Land schon seit den Jahren 1945, 1955 bewiesen, wozu wir – 8 Millionen kreative und engagierte Menschen – in diesem Österreich fähig sind, daß die Zusammenarbeit in diesem Lande, der soziale Zusammenhalt in diesem Lande unsere Stärke sind.

Wenn wir – und das haben wir uns auch vorgenommen – in einer guten Teamarbeit innerhalb der Bundesregierung einen Dialog zwischen Regierung und Parlament und dem Hohen Bundesrat, sehr geehrter Herr Präsident, führen, wenn wir in Kooperation mit den Sozialpartnern in diesem Lande vorgehen, wenn wir vor allem mit einem konsequenten und raschen Entscheiden mit Blick auf die Menschen agieren, dann werden wir Österreich erfolgreich ins neue Jahrtausend führen und diesen Aufbruch ins neue Jahrtausend gemeinsam erfolgreich bewältigen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

9.57

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler für seine Erklärung.

Die Berichterstattung über Punkt 2 hat Herr Bundesrat Ludwig Bieringer übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.

Berichterstatter Ludwig Bieringer: Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren Bundesminister und Staatssekretäre! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 17

Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus liegt in schriftlicher Form vor. Es erübrigt sich daher ein Verlesen.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer. Ich erteile es ihr. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer bemüht sich vergeblich, das Rednerpult höherzustellen. – Bundeskanzler Mag. Klima: Warten Sie, ich bin ein Techniker! Darf ich Ihnen helfen? – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Bitte, seien Sie so nett! – Ruf: Das ist ein Service! – Heiterkeit und allgemeiner Beifall. – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Vielen Dank!)

9.58

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren Regierungsmitglieder von der SPÖ! Die Regierungsmannschaft der ÖVP hat sich offensichtlich mit Herrn Kollegen Schlögl ins Ausland abgesetzt, deswegen tut sich auch Kollege Bieringer als Einklatscher heute so schwer. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Die Österreicher, die Öffentlichkeit und wir alle haben in den letzten zwei Wochen dank einer intensiven Medienkampagne sehr viel von Ihnen erfahren. Wir wissen jetzt, wie Ihre Hunde, Katzen und Pferde heißen, wir wissen, wo Sie wohnen, wir wissen, daß Sie allmorgendlich eigenhändig die Betten machen. Ob das für "halbe/halbe" reicht, das müssen Sie mit der Frau Frauenministerin besprechen. (Bundeskanzler Mag. Klima: Das habe ich nicht behauptet!) Wir wissen – und da zitiere ich Sie deswegen, weil Sie das so oft erwähnt haben –, daß Sie sich als Leitgans selbstverständlich auch immer um Ihren Schwarm kümmern werden. Das hören wir gerne.

Wir wissen aber viele andere Dinge von Ihnen, Herr Bundeskanzler, leider noch nicht, und ich beziehe mich nicht nur auf Ihre Äußerungen und auf Ihre verkürzte Regierungserklärung, die Sie heute hier vorgetragen haben, sondern auf alle Ihre bisherigen Erklärungen seit Ihrem Amtsantritt. Auf viele der entscheidenden und existentiell wichtigen Zukunftsfragen haben Sie den Österreichern bisher keine Antwort gegeben.

Sie haben neulich in einer Fernsehsendung gesagt, Ihre Regierungserklärung sei ein bisserl staatstragend gewesen – staatstragend offensichtlich im Sinn von ein bißchen unverbindlich, ein bißchen unkonkret. Staatstragend, Herr Bundeskanzler, wäre aber eigentlich das genaue Gegenteil, wäre Antwort zu geben auf konkrete Fragen. Es ist schön, wenn Sie uns heute hier wieder gesagt haben, Sie seien für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, für die Bekämpfung der Armut, für die Chancengleichheit der Frauen, für die bessere Ausbildung unserer Jugendlichen, für die Sicherung unserer Klein- und Mittelbetriebe und so weiter. Mit diesen Aussagen unterscheiden Sie sich aber, mit Verlaub gesagt, eigentlich von keinem Regierungspolitiker, auch von keinem Ihrer Vorgänger, denn entscheidend ist, was davon umgesetzt wird.

Herr Bundeskanzler! Sie haben auf die drängendste und wichtigste Frage, nämlich: Werden die Menschen in Österreich, die einen Arbeitsplatz haben, diesen Arbeitsplatz auch behalten können, beziehungsweise werden jene Menschen, die das Unglück hatten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, eine Chance haben, wieder einen solchen zu bekommen?, keine ausreichende Antwort – auch heute nicht – gegeben.

Wenn Sie sagen, Österreich hat heute den höchsten Beschäftigungsstand, dann muß man dem entgegenhalten, daß wir gleichzeitig die höchste Arbeitslosigkeit in der Zeit der Zweiten Republik haben – und das nach 27 Jahren SPÖ-Regierung. Man muß doch berücksichtigen, Herr Bundeskanzler, daß die Zustände, die Sie ja auch hier beklagen, von jemandem zu verantworten sind – nämlich von einer Partei, die 27 Jahre lang dieses Land regiert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 18

Das Ergebnis sind mehr als 300 000 Arbeitslose. Das entspricht einer Arbeitslosenrate in der Höhe von 9,2 Prozent gemessen an der Gesamtbeschäftigung. Und wenn man sich vor Augen hält, daß es allein in der Baubranche im Jänner rund 88 000 Arbeitslose gibt, was eine Steigerung um fast ein Drittel bedeutet, dann, so meine ich, wird man das nicht allein durch das Anbringen von Wärmedämmung in öffentlichen Gebäuden beseitigen können. Da werden Sie sich, Herr Bundeskanzler, und Ihre Regierung sehr viel mehr einfallen lassen müssen.

Da werden Sie sich zum Beispiel überlegen müssen, ob Sie bereit sind, die Milliarden an Rücklagen in den Wohnbaugenossenschaften aufzulösen, damit diese Milliarden auch tatsächlich in den Wohnbau investiert werden, wodurch nicht nur die Bauwirtschaft angekurbelt und Tausende Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden, sondern auch Wohnungen für die mehr als 200 000 Wohnungssuchenden in unserem Land – ein Problem übrigens, zu dem wir bisher von Ihnen überhaupt noch nichts gehört haben.

Den Betroffenen – das sind in steigendem Ausmaß vor allem Frauen und Jugendliche – ist überhaupt nicht damit geholfen, wenn wir sagen, die Entwicklung der Arbeitslosigkeit bewegt sich genau im vorhergesagten Trend. Den Betroffenen ist auch überhaupt nicht geholfen, wenn sie von Ihnen, Herr Bundeskanzler, den väterlichen Rat erhalten, die verantwortlichen Minister zu peinigen, wenn es denen nicht gelingt, die Arbeitslosigkeit zu senken. Minister peinigen – das mag eine verführerische Vorstellung für manche sein und sichert einem bestimmt auch ein paar Lacher beim Villacher Fasching, aber aus dem Mund des verantwortlichen Regierungschefs ist das ein Hohn für jene Menschen, von denen Sie so oft sprechen, und das sind die "kleinen" Menschen mit den großen Problemen in diesem Land, denn diese hätten gerne von Ihnen gewußt, ob Sie zum Beispiel bereit sind, die hohen Lohnnebenkosten zu senken und damit einen wesentlichen Beitrag zur Arbeitsplatz- und Standortsicherung in diesem Land zu leisten. Denn so einfach ist es ja nicht, wie Sie gesagt haben, Herr Bundeskanzler, daß wir so gut ausgebildete Facharbeiter haben und sich wegen dieser reihenweise Betriebe in Österreich ansiedeln. Eine größere Anzahl von Betrieben geht weg aus diesem Land, und zwar deswegen, weil die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für sie nicht tragbar sind, da die Produktionskosten, vor allem aufgrund der Arbeitskosten, im internationalen Vergleich viel zu hoch sind.

Es ist auch schön, von Ihnen zu hören, Herr Bundeskanzler, daß Sie so wie alle Ihre Vorgänger der Meinung sind, die Steuer- und Abgabenquote in diesem Land soll tendenziell weiter sinken, und das Ausgabenwachstum soll eingebremst werden. Das ist eine Aussage von geradezu bestechender Schönheit, allerdings mit einem entscheidenden Fehler. Der wesentliche Punkt ist nämlich, wie Sie das machen wollen. Wie wollen Sie die Steuer- und Abgabenquote senken? Wie soll das Ausgabenwachstum eingebremst werden? Wie wollen Sie das mit einem Budget bewerkstelligen, in dem schon jetzt eine Lücke von 9,2 Milliarden Schilling klafft? Wie und wo wollen Sie konkret einsparen?

Sind Sie zum Beispiel bereit, die Sozialversicherungsanstalten zusammenzulegen? – Eine Forderung, die wir schon lange erheben und der sich Ihr Vorgänger, Herr Bundeskanzler Vranitzky, bereits vor fünf Jahren angeschlossen hat, und mit ihm viele Ihrer Kollegen in der Sozialdemokratischen Partei. Aber passiert ist bis heute nichts.

Sind Sie zum Beispiel bereit, die Lohnnebenkosten zu senken? Sind Sie bereit, die unsinnige Krankenscheingebühr abzuschaffen? Sind Sie bereit, mit der EU zu verhandeln, um die österreichischen Beitragszahlungen zu senken? Sind Sie bereit, die Familienbesteuerung sozial gerecht zu reformieren? Sind Sie bereit, den Pfusch beim Sparpaket rückgängig zu machen und zu garantieren, daß es zu keinem neuerlichen Belastungsschub kommt? Und sind Sie bereit, Ordnung zu schaffen bei den Politikerbezügen? Dazu haben wir zum Beispiel von Ihnen noch gar nichts gehört, obwohl das auch eine Frage ist, die die Österreicher zu Recht sehr interessiert. (Bundesrat Hüttmayr: Populismus!)

Lieber Herr Kollege Hüttmayr! Regen Sie sich doch nicht auf! Wo ist denn Herr Vizekanzler Schüssel? Er könnte doch eine Huldigungsadresse an den Herrn Bundeskanzler richten! Das ist ja wirklich schändlich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 19

Müssen Sie heute die Rolle des Lorbeerkränzers beim Herrn Bundeskanzler spielen, da kein Regierungsmitglied der ÖVP offensichtlich mehr bereit ist, das zu tun, so wie im Nationalrat? Aber ich bin sicher, Herr Kollege Hüttmayr, Sie werden diese Ihnen übertragene Aufgabe zur allgemeinen Zufriedenheit Ihrer Parteikollegen erledigen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Welche Maßnahmen werden Sie und Ihre Regierung setzen, und welchen Zeitrahmen haben Sie sich dafür gesetzt, denn mit Ankündigungen allein ist es ja auch nicht getan. Man muß sich ja auch ein Ziel stecken und einen Rahmen setzen, innerhalb dessen man dieses Ziel erreichen will, und auf diese Fragen erhoffen sich die Bürger in diesem Land zu Recht eine Antwort.

Herr Bundeskanzler! Sie haben im Zusammenhang mit der Frauenpolitik gesagt, die Frauen haben eine größere Belastung, nämlich eine doppelte Belastung durch Beruf und Familie. Es ist schön, daß Sie das festgestellt haben. Und Sie haben auch gesagt, wir brauchen Arbeits- und Lebensformen, die es Frauen erlauben, sich voll zu entfalten. Das ist richtig. Aber was Frauen vor allem brauchen und viel mehr brauchen als schöne Worte, das sind Arbeitsplätze, Kindergartenplätze, eine eigenständige sozial- und pensionsrechtliche Absicherung, Chancengleichheit und vieles andere mehr. Sie brauchen aber ganz sicher kein Gesetz für halbe/halbe, sie brauchen auch keine Werbekampagnen um Millionen Schilling, sondern konkrete Hilfe.

Herr Bundeskanzler! Wie die Tatsache, daß, wie Sie gesagt haben, dem Frauenministerium weitere bedeutende Verantwortungsbereiche wie zum Beispiel der Tierschutz und die Gentechnologie übertragen werden, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Gleichstellung der Frauen fördern soll, das müssen Sie mir auch einmal erklären. Da ist der Zusammenhang wirklich nicht zu sehen, hat doch die Frauenministerin in den entscheidenden Fragen keine Durchsetzungskompetenz – nämlich in den Fragen, die für die Frauen wirklich relevant sind.

Überhaupt ist die von Ihnen geschaffene Ressortverteilung mehr als fragwürdig und wird vor allem täglich fragwürdiger. Gestern wurde zum Beispiel zum allgemeinen Erstaunen der Öffentlichkeit bekannt, daß Herr Einem als Verkehrsminister doch weiterhin für die Ausländerpolitik zuständig sein soll. Das ist eine ganz neue Variante, von der bisher überhaupt nie die Rede war, und das ist nicht nur eine kräftige Ohrfeige für den neuen Innenminister, sondern vor allem auch eine gefährliche Drohung für die Österreicher. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Die Bürger dieses Landes haben auch ein Recht darauf, zu erfahren, wie Sie die Rolle Österreichs in der Europäischen Union sehen und zu gestalten gedenken. Es sollte Ihnen eigentlich zu denken geben, wenn der "Spiegel" in seiner jüngsten Ausgabe schreibt – übrigens in dem Artikel, in dem Sie so freundlich mit dem amerikanischen Präsidenten Clinton verglichen wurden, man sollte aber ein bißchen mehr lesen als die Überschrift, denn wenn man weiterliest, steht da zum Beispiel, ich zitiere –, daß Österreich in den EU-Ministerräten als Mitgliedstaat mit dem geringsten Eigenprofil gilt. Das ist eine Frage, die nicht nur Ihren Vorgänger betrifft, sondern in ganz entscheidendem Maße auch Sie selbst, Herr Bundeskanzler, da Sie als Finanzminister einen entscheidenden Beitrag zur Schaffung dieses Profils hätten leisten sollen. Daß Sie das nicht getan haben, ist ein Faktum, und zwar ein Faktum, das nicht nur von der Opposition, sondern auch von Experten und internationalen Beobachtern so gesehen wird.

So schreibt zum Beispiel die "Weltwoche", die eine sehr ausführliche EU-Berichterstattung hat, erst vergangene Woche: "Entgegen großspurigen Ankündigungen vermochte Österreich die Brüsseler Beschlüsse in keiner einzigen Problematik initiativ mitzugestalten. Weder in Sachen Währungsunion noch bei der Osterweiterung noch zur Reform des Maastricht-Vertrages äußerten die Wiener Vertreter konstruktive Ideen. Sie standen immer daneben." – Das ist in höchstem Maße verantwortungslos.

Da Sie, Herr Bundeskanzler, heute in die Niederlande reisen, wo es auch – wie ich annehme – um Fragen im Zusammenhang mit der Regierungskonferenz und der Revision des Maastricht-Vertrages geht, wäre es interessant, zu erfahren, welche Position Sie dort vertreten werden. Wenn Sie sagen, Sie werden dafür eintreten, daß die Stellung der kleinen Mitgliedsstaaten in


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 20

der Union nicht geschwächt wird, dann müssen Sie aber auch sagen, wie Sie das bewerkstelligen wollen beziehungsweise wie Sie das garantieren wollen. Dann müssen Sie die Frage beantworten, ob Sie zum Beispiel bereit sind, dafür einzutreten, daß das Einstimmigkeitsprinzip in den ohnehin wenigen Bereichen, in denen es noch vorhanden ist, beibehalten wird, weil dieses noch verbliebene Vetorecht das einzige Recht der Mitgliedsstaaten, das letzte Restchen Souveränität ist, das ihnen noch verblieben ist. Sie müssen aber auch einmal konkret sagen, wie Sie sich die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und damit auch die Reform des EU-Haushaltes selbst vorstellen, und ob Sie bereit sind, die österreichische Bevölkerung über die Teilnahme an der Währungsunion und die Aufgabe des Schillings in einer Volksabstimmung entscheiden zu lassen, oder ob im stillen Kämmerlein von der Regierung entschieden wird, ohne Wenn und Aber in die Währungsunion einzutreten, so wie wir schon einmal ohne Wenn und Aber in die EU gegangen sind, mit all den negativen Konsequenzen, die sich daraus ergeben haben.

Herr Bundeskanzler! Auf all diese Fragen hätten wir von Ihnen gerne eine Antwort gehört. Es gibt keine Redezeitbeschränkung im Bundesrat. Sie können uns unbeschränkt Ihre Vorstellungen zu diesen Punkten zur Kenntnis bringen.

Man konnte den Medien auch entnehmen, wer aller an Ihrer Regierungserklärung mitgearbeitet hat: die Mitarbeiter Ihres Büros, die Mitarbeiter anderer Ministerien bis Herrn Rudas – übrigens noch in seiner damaligen Funktion als ORF-Generalsekretär, was ja bezeichnend ist für gewisse Verflechtungen, die dort bestehen. Es soll mir keiner sagen, daß, wenn der Generalsekretär des staatlichen Fernsehens an der Regierungserklärung des Bundeskanzlers mitarbeitet, das eine zumutbare Vorgangsweise ist, die einer Demokratie und freien Medien guttut. Schließlich hat ja auch, wie zu lesen war, die ÖVP an der Regierungserklärung mitgearbeitet, wobei es mich besonders interessieren würde, Herr Kollege Weiss, wo da das geistige Eigentum der ÖVP ist, das Sie für sich beanspruchen.

Mir fällt dazu das Sprichwort ein: Viele Köche verderben den Brei. Ich erlaube mir die Bemerkung, Herr Bundeskanzler: Vielleicht wäre es besser, wenn Sie diese Dinge in Hinkunft selbst in die Hand nähmen und dafür Sorge trügen, daß ein bißchen mehr herauskommt als eine Analyse von Zuständen und ein Aufzählen von Problemen. Ihre Erklärungen sollten eben nicht nur ein bißchen staatstragend sein, sondern vor allem auch ein bißchen aussagekräftig und ein bißchen richtungsweisend. Wir erwarten von Ihnen, Herr Bundeskanzler, keine Patentrezepte, wie Sie es auch formuliert haben, sondern wir erwarten von Ihnen Ideen und konkrete Vorstellungen sowie Konzepte. Wir erwarten von Ihnen vor allem Taten, denn an diesen werden Sie letztlich gemessen werden und nicht an Ihren Worten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konečny. – Bitte.

10.14

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Hoher Bundesrat! Ich stelle gleich einmal einleitend fest, ich habe mit einer Bundesregierung in der hier anwesenden Zusammensetzung nicht das geringste Problem. Das könnte ja so werden und ist durchaus erfolgversprechend. (Beifall bei der SPÖ.)

Unser Sitzungskabinett – ich sage das in Richtung jener Mitglieder der Bundesregierung, die mit unseren Umgangsformen noch nicht so ganz vertraut sind, der Herr Bundeskanzler ist ja hier geradezu schon ein Virtuose geworden – führt dazu, daß wir in Form großer seelischer Nähe miteinander umgehen. Das macht Sitzungen vielleicht ein wenig lebendiger, auch humaner als in der großen Kammer dieses Hauses. Das äußert sich zum Beispiel auch darin, wie Sie gesehen haben, daß Mitglieder der F-Opposition in diesem Haus während Ihrer Erklärung nicht miteinander getratscht, sondern nur Zeitung gelesen haben, was immerhin ein demokratiepolitischer Fortschritt ist. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Der Herr Finanzminister hat getratscht!) Der Herr Finanzminister hat gearbeitet. Das ist der Unterschied.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 21

(Weitere Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Der Theoretiker der Französischen Revolution, Saint-Just, hat den Satz geprägt: Heimat ist nicht das Land, es ist die Gemeinschaft der Gefühle, und es geht in diesem Land darum, welche Gefühle es sind, die unser gemeinsames Bild der Zukunft prägen. Sowohl die Debatte im Nationalrat als auch die erste oppositionelle Wortmeldung heute haben mit nicht zu überbietender Deutlichkeit klar gemacht, worin wir uns unterscheiden. Die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers hat klargestellt, daß dieses Land mit all seinen Problemen, mit all seinen Notwendigkeiten, sich zu ändern, allen Grund hat, die Probleme der Zukunft mit Optimismus anzugehen, und die Opposition hat deutlich gemacht, daß sie diese Stimmung des Optimismus mit ihren politischen Zielen für unvereinbar hält und lieber einen langen beckmesserischen Katalog von Mäkeleien aufzählt, der der Regierungspolitik... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sagen Sie das den 300 000 Arbeitslosen!) Sie haben bereits gesprochen, Frau Kollegin! Sie können sich noch einmal zu Wort melden. Jetzt bin ich dran. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, das ist auch tatsächlich das Feld, auf dem wir einander politisch zu begegnen haben. Nicht, daß irgend jemand erwarten, behaupten oder fordern würde, daß reale Probleme durch schöne Worte weggeredet werden. O nein, darum geht es nicht. Aber dieses Land kann seine Probleme nur dann bewältigen, wenn wir in der Lage sind, jeden einzelnen Entscheidungsträger – und jeder ist für sich selbst Entscheidungsträger! – mit diesem Optimismus anzustecken und zur Mitarbeit zu gewinnen. Hilfe für Klein- und Mittelbetriebe, das ist angesprochen worden, aber Hilfe ist nur die eine Dimension. Die andere Dimension ist die optimistische Entscheidung für die eigene wirtschaftliche Chance und damit für die Beschäftigung neuer Mitarbeiter. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Die Reform der öffentlichen Verwaltung ist nicht nur etwas für Gesetze, Verordnungen und Richtlinien. Sie lebt davon, daß die Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung von ihr überzeugt sind und ein solches Konzept persönlich mittragen. In der Regierungserklärung, hier und im Nationalrat, sind viele solcher Ansatzpunkte genannt worden, und wir werden nicht müde werden, diese Ansatzpunkte zu wiederholen; nicht – ich sage es noch einmal – weil wir jemandem etwas aus- oder einreden wollten, sondern weil eine solche Politik die Mitarbeit eines Großteils der Bevölkerung einfach braucht, weil sie nicht nur verstanden – das ist eher eine Aufgabe des politischen Marketing –, sondern wirklich aktiv und bewußt mitgetragen werden muß.

Der Herr Bundeskanzler hat versucht, mit knappen Strichen jene Entwicklungen der Zukunft, die heute absehbar sind, nachzuzeichnen. – Nicht weil es die Aufgabe der Regierung wäre, sozusagen futurologische Studien anzustellen, sondern weil nur die Kenntnis des Hintergrundes, vor dem sich unsere politischen Entscheidungen abspielen, die Kenntnis der Konkurrenzverhältnisse und der künftigen Entwicklung richtige Entscheidungen möglich machen.

Diese Bundesregierung – das ist deutlich geworden – ist bereit und, wie ich hinzufügen möchte, auch in der Lage, diese Hintergründe realistisch zu kalkulieren, nüchtern einzuschätzen und darauf aufbauend eine Zukunftsstrategie zu entwickeln.

Ich sage es noch einmal: Es ist eine Zukunftsstrategie des Selbstbewußtseins und des Optimismus, aber ist keine Zukunftsstrategie des Kleinmuts und des Jammerns, denn diese Art von Zukunftsstrategie überlassen wir sehr gerne der F-Opposition.

Es ist ein entscheidender Punkt, daß gerade jene, die aus sehr verständlichen Gründen vor dieser Zukunft Angst haben, die mehr Angst als Hoffnung haben – das räume ich gerne ein –, hier miteinbezogen werden, und zwar voll miteinbezogen werden.

Wer einen bedrohten Arbeitsplatz oder keinen Arbeitsplatz hat, wer eine geringe materielle Absicherung vorfindet und sich in dieser bedroht fühlt, ist nicht notwendigerweise ein Träger von Optimismus. Aber die Politik – und darauf wurde hingewiesen – dieser Bundesregierung ist eben gerade darauf abgestellt, jenen, die um ihren Arbeitsplatz Sorge haben, einen – in vielen Fällen einen andersgearteten und neuen – Arbeitsplatz anzubieten; jenen, die sich auf eine bestimmte


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 22

Form der Grundversorgung, der Mindestversorgung, der Absicherung eingestellt haben, möglicherweise eine andere, aber gleichwertige Versorgung anzubieten.

Wenn wir von Flexibilität auf so vielen Gebieten reden, dann kann diese Flexibilität politisch nicht mit einer Vernichtung von in vielen Jahrzehnten gewachsenen Rechtsausstattungen gleichgesetzt werden, Rechtsausstattungen zugunsten der Bürger, sondern Flexibilisierung muß mehr Möglichkeiten bieten, aber das gleiche Maß an Sicherheit und Absicherung.

Wenn hier ein leidenschaftliches Bekenntnis gegen jeden Manchester-Liberalismus ausgesprochen wurde, dann ist auch klar, was wir damit meinen. Flexibilisierung in der Arbeitswelt heißt Nutzung von Ressourcen, es bedeutet nicht eine günstigere Gestaltung der Arbeitskosten durch eine Vernichtung von Arbeitnehmerrechten. Flexibilisierung in der sozialen Versorgung heißt, auf konkrete und zum Teil neu entstandene Bedürfnisse eingehen, heißt, vom Gießkannenprinzip abgehen und hinorientieren auf jene, bei denen das Bedürfnis am größten ist. Es kann aber nicht heißen, daß die große Mehrheit der Bevölkerung in ihren sozialen Rechten, in ihren Anspruchserwartungen beschnitten wird.

Diese Bundesregierung hat auf der Basis eines Programms, das sie sich vor einem Jahr gegeben hat, manches, in ihrer bisherigen Zusammensetzung für die kurze Zeit vieles erreicht. Sie hat große Aufgaben vor sich, und es ist keine Frage, daß die konstruktive Mitarbeit des Parlaments, der Bevölkerung und der Medien erforderlich ist.

Die personelle Neugestaltung der Bundesregierung stellt ein inhaltliches, ein politisches Signal dar. Es ist keine Frage, daß eine neue Generation von Politikern angetreten ist, daß in einer neuen Zeit – wir sprechen alle von der Jahrtausendwende – in vielen Bereichen andere politische Methoden, auch andere persönliche Vorgangsweisen, aber jedenfalls eine neue Generation erforderlich sind.

Was mich mit großer Freude erfüllt, ist die Tatsache, daß in dieser kurzen Zeit ganz offensichtlich in diesem Land sehr viele Menschen verstanden haben, worum es geht. Viele Menschen geben bei Meinungsumfragen und in persönlichen Stellungnahmen zu erkennen, wie sehr sie bereit sind, an einem solchen Aufbruch – und es ist ein Aufbruch – mitzuarbeiten und diesen zu unterstützen.

Wir sollten in unserer politischen Arbeit, in unserem kritischen Dialog mit der Regierung eine Haltung entwickeln, die deutlich macht, wie sehr diese Aufbruchsstimmung für Neues genutzt werden kann. Das ist eine Einladung, die letztlich an uns alle ergeht. Es ist keine Frage, daß ein Wettstreit der Ideen und der Konzepte notwendig ist, aber es soll ein Wettstreit des Optimismus sein, ein Wettstreit der Zukunftsgestaltung und eben nicht ein Wettstreit des Kleinmuts.

"Österreich über alles, wenn es nur will" ist eine berühmte Schrift aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das bleibt unverändert richtig. Ob wir wollen, das hängt von uns ab. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Professor Dr. Schambeck. – Bitte.

10.27

Bundesrat Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Eine Regierungserklärung ist ein Erfüllungsversprechen und kein Hoffnungskauf und auch kein ungedeckter Wechsel. Sie ist eine Absichtserklärung, und wir freuen uns, daß Sie, Herr Bundeskanzler, die Tradition fortsetzen, die unter Bundeskanzler Ing. Julius Raab begonnen wurde, daß nämlich neben der Vorstellung der neugebildeten Bundesregierung und der Erklärung des Bundeskanzlers im Nationalrat auch eine Erklärung im Hinblick auf den Föderalismus in der Länderkammer erfolgt, obgleich der Nationalrat und nicht der Bundesrat das Recht zur Mißtrauensvotierung hat und hier eine qualifizierte politische Verantwortung besteht.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 23

Im Hinblick auf die Entwicklung der politischen Kontrollrechte der Länderkammer in den letzten Jahren – in begrüßenswerter Weise besteht eine politische und rechtliche Verantwortung, die aber sanktionslos ist – wissen wir es zu schätzen, daß Sie sich heute in freier Rede dieser offenen Aussprache mit dem Schwerpunkt Föderalismus stellen, für den Sie, Herr Bundeskanzler, so wie Ihr Vorgänger Dr. Vranitzky, schon als Finanzminister entsprechende Vorkehrungen getroffen haben, und Sie haben mit Recht auf den Finanzausgleich hingewiesen, was wir zu schätzen wissen.

Eine Regierungserklärung mit parlamentarischer Debatte, meine Damen und Herren, Hoher Bundesrat, drückt in einem parlamentarischen Regierungssystem, wie es Österreich eigen ist, die Mitverantwortung von Parlament, nämlich Nationalrat und Bundesrat, sowie Bundesregierung aus.

Österreich hat sich 1918 für das Proportionalwahlsystem nach dem Mehrheitswahlsystem entschieden, und daher haben wir in der Geschichte Österreichs, weil der Repräsentationseffekt stärker ist als der Integrationseffekt, im Unterschied zum britischen Mehrheitswahlsystem, ganz selten absolute Mehrheiten. Relative Mehrheiten führen zu Koalitionsbildungen verschiedenster Art. Auch die Freiheitliche Partei hat in den achtziger Jahren erlebt, wie es ist, Koalitionspartner zu sein.

Meine Damen und Herren! Die Österreichische Volkspartei trägt seit 1986 Mitverantwortung, wobei die politische Verantwortung innerhalb einer Koalition aufgrund des Proportionalwahlsystems zum Nationalrat nie die Erfüllung sämtlicher Wünsche gibt, sondern eine Kompromißlösung bietet. Eine Koalition ist ja keine Liebesehe, sondern eine Vernunftsehe, und Sie wissen, meine Damen und Herren, daß viele solcher Gemeinschaften auch sehr glücklich werden können. Sie können sich, um mit Aristoteles zu sprechen, entelechial weiterentwickeln. Dabei ist es nicht einmal notwendig, mit Hamlet zu sagen: "Sein oder Nichtsein".

Österreich steht im Mittelpunkt, und gerade die Jahre, die vor uns liegen – Frau Kollegin Riess hat schon darauf hingewiesen –, bedingen eine europäische Verantwortung. Es ist begrüßenswert, daß sich diese Regierungserklärung bewußt ist, daß wir uns auf dem Weg von Maastricht I zu Maastricht II befinden – nach der Eröffnung der Regierungskonferenz in Turin, die jetzt in Brüssel ihre Fortsetzung finden wird.

Der Bundesrat, mit Herrn Bundesrat Ing. Penz an der Spitze des EU-Ausschusses, beschäftigt sich, im Einvernehmen mit Vizekanzler und Außenminister Dr. Wolfgang Schüssel, Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner und den übrigen Damen und Herren Bundesräten, im EU-Ausschuß laufend mit der Entwicklung der Europäischen Integration.

Ich möchte allerdings dort fortsetzen, wo ich beim letzten EU-Bericht geschlossen habe: Wir werden nur dann ein Mitgehen der Österreicherinnen und Österreicher bezüglich EU erreichen können, wenn wir es ihnen ermöglichen, Herr Bundeskanzler, neben einem Heimatbewußtsein und Staatsbewußtsein ein Europabewußtsein zu erleben, damit sie all die Pflichten und die Notwendigkeiten, die sich jetzt bei der europapolitischen Umstrukturierung ergeben, auch mitvollziehen können. Andernfalls wird der Weg nach Europa so aussehen, daß die Lok immer schneller fährt, es nur einen starken Lokführer gibt, aber in den Waggons nicht jene mitfahren, die eigentlich mitfahren sollten.

Sie sehen, ich habe eine starke Beziehung zur Bundesbahn, es folgen dann auch noch weitere entsprechende Beispiele.

Wir sehen also ganz deutlich, welche Notwendigkeiten sich auch für eine Erklärung der Regierung und auch für die gesetzgebenden Organe hier ergeben.

Herr Bundeskanzler! Sie haben heute in der Länderkammer auf Ihre Verantwortung gegenüber den Bundesländern hingewiesen. Sie werden zu den Landeshauptleuten fahren – wir freuen uns, daß Sie das vorhaben. Ich darf Ihnen sagen, daß das Bundesratspräsidium das jetzt laufend macht. Wir waren vor wenigen Tagen erst – und ich danke allen drei Fraktionen – in Oberösterreich: Wir haben in Linz – die Frau und Herr Vizepräsident waren dabei – eine sehr


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 24

wertvolle Aussprache mit dem Präsidium des Oberösterreichischen Landtages gehabt, bei der alle Fraktionen anwesend waren, und wir haben vor, auch in Zukunft in die Bundesländer zu fahren. Mein Vorgänger, Herr Präsident Pfeifer, hat gleiches auch im Kärntner Landtag getan.

Ich möchte heute, obwohl ich weiß, daß Dank keine politische Kategorie ist – wobei ich jedem von Ihnen, ganz gleich, welcher Partei Sie angehören, wünsche, die Richtigkeit dieser Aussage nicht am eigenen Leib verspüren zu müssen – und obwohl ich nicht seiner Partei angehöre, Herrn Bundeskanzler Dr. Vranitzky meinen Respekt bekunden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP und Beifall des Bundeskanzlers Mag. Klima. )

Ich habe 1986 nach einem Vortrag über das österreichische Regierungssystem – ich darf Ihnen diesen dann schriftlich überreichen – vor der Akademie der Wissenschaften in Düsseldorf auf eine längere Debatte in dieser Akademie verzichtet und bin sofort zurückgeflogen, um am nächsten Tag zur ersten Regierungserklärung Vranitzky zu sprechen.

Als ich vor zwei Jahren zur vorletzten Regierungserklärung Vranitzky sprach, habe ich gesagt: Herr Bundeskanzler, ich habe zu allen Regierungserklärungen von Dr. Kreisky gesprochen, ich glaube, das wird jetzt meine letzte Regierungserklärung sein, zu der ich spreche. – Ich hätte mir nicht gedacht, daß ich ihn "überlebe", ich habe eigentlich gedacht, er wird mich "überleben".

Als ich dann vergangenes Jahr überraschenderweise wieder eine Regierungserklärung zu besprechen hatte, habe ich gesagt: Jetzt ist es wirklich die letzte!

Das ist nicht der Fall, aber ich hoffe sehr, daß nicht in den nächsten sechs Monaten wieder eine Umbildung stattfindet – es ist für mich dann wirklich die letzte Regierungserklärung.

Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht hier stehen, ohne zu sagen, daß es für mich ein beglückendes Erlebnis war – nicht nur als Niederösterreicher, sondern als Bundesrat –, daß ein Parteivorsitzender der SPÖ, der aufgrund des Wahlergebnisses Bundeskanzler ist, mit dem Repräsentanten der Bundesländer, meinem Freund und damaligen Landeshauptmann von Niederösterreich, Mag. Siegfried Ludwig, nach einstimmigen Beschlüssen der Landeshauptmännerkonferenz – der Herr Finanzminister, dessen Karriere ich kenne, wird verstehen, daß ich jetzt auch sage: und aller Landesfinanzreferenten – ein Perchtoldsdorfer Abkommen geschlossen hat.

Meine Damen und Herren! Wenn man die Position der Sozialistischen Partei – von Danneberg beginnend, den wir nicht vergessen wollen, bis heute; auch Hans Mayr und viele andere sind zu nennen – im Zusammenhang mit Spitalsfinanzierung und Finanzausgleich vergleicht, muß man sagen: Es war eine große Tat, daß mit einer sozialistischen Unterschrift, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Perchtoldsdorfer Abkommen zustande gekommen ist.

Wir alle haben dessen Ausführung immer wieder moniert – alle drei Fraktionen, wenn Sie mir gestatten, das zu sagen –, und ich habe es außerordentlich bedauert, daß wir auch drei Föderalismusminister hatten und keine Gelegenheit hatten, als 1974 und 1984 Föderalismus-Novellen zu verabschieden waren, obwohl hier größtes Engagement bestanden hat – ich freue mich, das in Anwesenheit unseres Freundes, des Herrn Vizepräsidenten Jürgen Weiss sagen zu können, der dazu Bleibendes geleistet hat, so wie Martin Purtscher und wie Herr Landeshauptmann Stix (Beifall bei ÖVP und SPÖ) –, mit Bundeskanzler Dr. Vranitzky die Ausführung des Perchtoldsdorfer Abkommens einzubringen.

Herr Bundeskanzler, ich bitte Sie, daß Sie bei dem, was Sie an politischer Verantwortung haben und was demnächst sicherlich auch – ohne meine Stimme – Ihr Parteitag dann hier auch beschließen wird (Heiterkeit) , auch das in die Waagschale werfen ... (Bundeskanzler Mag. Klima: Sie können ja eine Empfehlung geben!) – Nein, ich mische mich nicht in fremde Angelegenheiten, ich mische mich nur in die Angelegenheiten, die mich angehen – aber das total! Das total! (Beifall bei der ÖVP.)

Hohes Haus! Herr Bundeskanzler! Wir können stolz sein, daß Österreich ein Bundesstaat ist. Wir können stolz sein auf unsere Bürgermeister in den Gemeinden und Städten – einer von


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 25

ihnen wurde ja auch in die Funktion des Staatssekretärs berufen, einer, den ich noch als Bürgermeister, auch in Wiener Neustadt, erlebt habe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können stolz sein auf das, was die Länder erbringen. Auch die Finanzpolitik der Länder, etwa von Vorarlberg, kann vorbildlich sein für die Republik Österreich – ich denke hier etwa an den früheren Vorarlberger Statthalter Dr. Mandl, könnte aber noch andere hinzufügen – oder die Bemühungen eines Ratzenböck mit Mayr zu Spitalsfinanzierung und Finanzausgleich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre wirklich an der Zeit, jetzt die Bundesstaatsreform durchzuführen, dann kann man sich anderen Themen widmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns hier mit fraktionsüberschreitender Einhelligkeit – wenn Sie mir das zu sagen gestatten, Frau Dr. Riess, Herr Kollege Konečny, und ich denke bei dieser Gelegenheit natürlich auch an Walter Strutzenberger – immer für eine EU- oder EG-gerechte Kompetenzverteilung ausgesprochen. Es grenzt geradezu schon an Rechtsverweigerung – ich wiederhole das, was ich bei unserer Aussprache in Linz gesagt habe –, nicht Landesverwaltungsgerichte einzuführen. Da brauchen Sie nur Herrn Präsidenten Jabloner zu fragen: Der Verwaltungsgerichtshof kann gar nicht all seinen Aufgaben nachkommen, und darum bietet das hier auch – und vor allem in der nötigen Zeit –, daß hier ... (Bundeskanzler Mag. Klima: Aber damit würde das eine oder andere Bezirksgericht hinfällig!) Jawohl.

Herr Bundeskanzler! Ich sage Ihnen gleich: Ich möchte keine "compensatio lucri cum damno" eingehen, was die Rechtssicherheit betrifft, und ich bin in der Länderkammer nicht berechtigt, für die Landeshauptleute zu sprechen – obwohl mir bisweilen dazu einiges einfallen würde. (Heiterkeit.) Ich meine aber – und da gebe ich Ihnen recht –, daß man nicht vom Sparpaket reden und einiges andere aufrechterhalten kann. Wir dürfen nämlich eines nicht vergessen: das Rechtssicherheitsbedürfnis der Bevölkerung; darauf komme ich noch zu sprechen.

Alle Gesetzgebung und Politik wäre fragmentarisch, wenn sie nicht mit der Rechtsinformation verbunden wäre. Und da glaube ich, daß auch die Debatte mit der Opposition ungeheuer wichtig ist – wer immer die Opposition stellt; man soll keine politischen Entscheidungen treffen nur aufgrund augenblicklicher Mehrheitsverhältnisse, denn diese können sich ja ändern. – Ich hoffe, zum Guten, damit auch die ÖVP weiterhin Regierungsverantwortung trägt – das nur, damit Sie nicht mit dieser Frage belastet spazierengehen müssen. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es sind ganz wichtige Wegweisungen im Perchtoldsdorfer Abkommen. Ich habe daher gestern auch Herrn Bundeskanzler Dr. Vranitzky geschrieben, daß für mich das Perchtoldsdorfer Abkommen weiter ein Wegweiser für unsere Politik in Österreich ist. Und damit keine anderen Meinungen aufkommen: Die Unterschriften im Perchtoldsdorfer Abkommen, Hoher Bundesrat, sind nach wie vor gültig, dieses Abkommen harrt nach wie vor der Ausführung. Das ist nicht davon berührt, daß es jetzt einen neuen Bundeskanzler gibt.

Und eines ist ja hochinteressant: Auch seinerzeit ist der Finanzminister Bundeskanzler geworden. Dr. Vranitzky hat seinerzeit auch schon als Finanzminister Verhandlungen mit den Ländern geführt – ähnlich wie Sie; vorher war das nicht immer so –, und jetzt haben wir wieder einen Bundeskanzler, dem man ein gewisses Maß an föderalistischem Engagement nicht absprechen kann. Herr Bundeskanzler, das möchte ich durchaus unterstreichen.

Aber ich sage Ihnen: Jetzt haben wir bereits das Jahr 1997, und die Unterschrift erfolgte im Jahre 1992. Es sind bereits fünf Jahre vergangen, und es gibt kaum ein Thema, Hoher Bundesrat, das so ausdiskutiert ist wie die Bundesstaats- und die Bundesratsreform. Man muß nur wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und dieses Wollen möchte ich namens der ÖVP-Bundesratsfraktion in den Raum stellen und ganz deutlich betonen. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben auch auf den Konsultationsmechanismus hingewiesen. Ja, natürlich ist er etwas ganz Besonderes! Nächste Woche wird einem der ersten Staatsrechts


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 26

lehrer Deutschlands, Klaus Stern, ein Mann, der Standardwerke geschrieben hat, zu seinem 65. Geburtstag in Köln eine Festschrift überreicht. Dann habe ich über Verfassungsrecht und Verfassungspolitik geschrieben, und ich habe mich schon vor einigen Monaten mit diesem Problem auseinandergesetzt.

Professor Pichler von der Wirtschaftsuniversität hat jetzt eine Festschrift überreicht bekommen, in der ich über Recht und Politik in Österreich geschrieben habe, näher ausführend, was ich jetzt nur andeute.

Meine Damen und Herren! Damit wir uns keiner Illusion bezüglich des Konsultationsmechanismus hingeben: Das Parlament entwickelt sich mehr und mehr zu einem Ratifikationsorgan des außerparlamentarisch Vereinbarten und Fixierten. Ich habe das in meiner Antrittsrede als Bundesratspräsident gesagt, ich sage das jetzt als Fraktionsobmann. Es gibt ganz wenige Punkte, in denen Herr Kollege Fischer und ich – "Kollege" kann ich aus akademischen Gründen sagen, weil er habilitiert und Titularprofessor ist, mit beachtenswerten Publikationen – einer Meinung sind, aber in diesem Punkt bin ich mit ihm ganz einer Meinung. Ich bin also erstaunt, wer sich aller für den Konsultationsmechanismus einsetzt, wobei die Nationalräte und Nationalrätinnen noch mehr "schluchzen" sollten als die Bundesräte, aber denen ist das anscheinend bei dieser Gesetzesflut noch gar nicht bewußt geworden, was da auf sie zukommt.

Aus staatsrechtlicher Sicht möchte ich gleich folgendes dazu sagen: Hier entscheiden die Exekutivorgane, was die Legislativorgane tun müssen! Schade, daß das Montesquieu nicht mehr erlebt! – Die Geschichte der Gewaltenteilung reicht ja von Hesiod über Aristoteles, John Locke, Montesquieu herauf bis Max Imboden. Ich könnte auch Kollegen Winkler und Professor Welan zitieren.

In meinem letzten Vortrag in der ETH in Zürich, kürzlich erschienen in der Zeitschrift für Schweizer Recht, habe ich neue Formen der Gewaltenteilung schon vor einem Jahr dargelegt. Aber ich sage Ihnen gleich, meine Damen und Herren: Hier verschiebt sich der Föderalismus vom Konstitutionellen immer mehr zum Existentiellen, was weder mit Sartre etwas zu tun hat noch mit dem Gabriel Marcel, je nachdem, ob Sie die nihilistische oder die christliche Prägung wollen.

Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren: Sie werden das verantworten müssen. Sie werden nämlich dann im Hohen Haus das verabschieden müssen, was außerhalb des Hohen Hauses vorbereitet und durchgeführt wurde. Ich lade Sie ein, die Kommentare in der Schrift über die Gehaltspyramide zu lesen, das, was über die Parlamentarier dort veröffentlicht wurde, denn danach werden wir ja bewertet – Sie wahrscheinlich länger als ich, weil ich meine Lebenszeit dann bald anders einteilen werde und dann freier schreiben kann, auch darüber noch mehr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! All das hat verheerende Folgen für alle Beteiligten. Wer das nicht liest, denkt wahrscheinlich: Travnicek, für was braucht man das? Es wird Papier verbraucht und der Umweltschutz gefährdet.

Der Konsultationsmechanismus ist nur deshalb möglich geworden, weil man in den letzten Jahren von den politischen Parteien her die Parlamentarier gezwungen hat, öfters gegen Länderinteressen zu entscheiden, aufgrund einer Prägung des sogenannten freien Mandates, das sich Abbe Sieyes bei der Französischen Revolution, um auch diese zu zitieren, anders vorgestellt hat. Das ergibt sich aus seinen Schriften "Was ist der dritte Stand?", nachlesbar im Neudruck.

Man tut jetzt außerhalb des Parlaments das, was wir innerhalb des Parlaments schon immer tun wollten und sollten. Wir Bundesräte wollten niemals Gesetzen zustimmen, die ohne Zustimmung der Länder diese finanziell belastet haben. Und jeder von Ihnen hier kann ja sein Schicksal erzählen, wenn er zu Hause gesagt hat, er möchte nicht dafür sein, weil damit sind finanzielle Belastungen verbunden. Ich wollte das heute sagen, daß das einmal im Protokoll steht, nicht daß die Leute in der Geschichtsschreibung glauben, wir hätten das übersehen – ich am wenigsten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 27

Meine Damen und Herren! Wir wissen das, aber unter uns Pfarrerskindern sei das ausgesprochen. All diese Stimmgewaltigen kommen mir bisweilen vor wie Leute, die große Aktienpakete haben und hier halt ihre Coupons vorlegen, wobei unser heutiges Geburtstagskind damit viel mehr Erfahrung hat als ich als schlichter Gewerkschafter. (Heiterkeit.) Aber ich weiß jedenfalls aus der Sozialpartnerschaft heraus, was mit den Coupons beiläufig verbunden ist. Außerdem bin ich der Sohn eines Kommerzialrates. (Lebhafte Heiterkeit.)

Hier, darf ich Ihnen ehrlich sagen, ist die Geschichte mit dem Konsultationsmechanismus nicht problemlos, und ich bitte Sie, Herr Bundeskanzler – es kommt ja in die Behandlung –, daß wir auch als Bundesrat in einer bestimmten Weise dabei mitwirken können. Denn wenn man von uns im nachhinein Wohlverhalten verlangt, dann soll man uns im vorhinein das Mitwirken ermöglichen. Und ich glaube, da können wir doch alle einer Meinung sein (Beifall bei der ÖVP.) Oder verschweigen wir uns jetzt aus parteidisziplinären Gründen? – Wer das tun muß, dem drücke ich mein aufrichtiges Bedauern aus, weil ich konnte das eigentlich in den letzten 28 Jahren immer tun und war auch nicht auf das Wohlwollen bestimmter Leute angewiesen. – Ich hoffe, Sie auch nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hinzu kommt – und das ist ein ganz großes Problem, und das wollen wir heute nicht übersehen –, daß der Bundeskanzler der Vorsitzende des Kollegialorgans Bundesregierung ist, wobei man sich keiner Illusion hingeben soll: Der deutsche Bundeskanzler – und es reizt ja geradezu dazu – hat nach dem deutschen Reichskanzlersystem seit Bismarck bis zur Gegenwart – Weimarer Republik, Bonner Grundgesetz1949 – die Richtlinienkompetenz. Der deutsche Bundeskanzler kann jedem Bundesminister in seiner Ressortführung schriftlich oder mündlich dreinreden, und die deutschen Bundeskanzler, ganz gleich, wer sie stellt, haben immer davon Gebrauch gemacht. Und weil wir jetzt Fasching haben, könnte ich Ihnen einige Köstlichkeiten dazu erzählen, tue es aber nicht. Ich freue mich, das in Anwesenheit einer hier anwesenden Spitzenvertreterin der deutschen Diplomatie tun zu können, die sich sicherlich zu diesem Thema auch das Ihre erdenken wird, was sie aber hier nicht sagen kann, weil sie nicht Mitglied der Länderkammer Österreichs ist. (Heiterkeit.)

Ich sage Ihnen, der österreichische Bundeskanzler hat keine Richtlinienkompetenz – überfordern Sie ihn nicht! –, er hat Koordinationskompetenz, und zwar schon deshalb, weil er die Regierungserklärung abgibt und daher eine Verpflichtung hat, daß diese Erklärung ausgeführt wird und wie sein Kabinett dementsprechend vorgeht.

Ich gratuliere Ihnen, Herr Bundeskanzler, daß es Ihnen in verhältnismäßig kurzer Zeit möglich war, die Regierungserklärung zustande zu bringen. Als ich noch in meinen akademischen und politischen Elevenzeiten war, so mit 25, 26, bin ich in meiner politischen Reichshälfte mit Taus und Kohlmaier immer einer gewesen, der bei den Vorbereitungen zu Regierungserklärungen zugearbeitet hat. Ich weiß beiläufig, wie man das macht, und ich habe das immer mit Aufmerksamkeit bei anderen verfolgt. Wenn ich einmal mehr Zeit habe, werde ich auch Regierungserklärungen herausgeben und kommentieren. (Heiterkeit.) Und als ich unlängst zu meiner Überraschung am Samstag in der Früh erfahren habe, daß es zu einem Kabinettswechsel gekommen ist, habe ich mir gedacht: Nicht schlecht, so etwas in so kurzer Zeit zusammenzubringen! Da ist einiges gelungen.

Und weil Frau Dr. Riess-Passer gemeint hat, wer da mitgearbeitet hat: Wir können uns nur freuen, wenn es gute Mitarbeiter gibt, denn je mehr heranarbeiten, desto mehr kann die Spitze politisch denken, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie sind ja insoferne ein Quereinsteiger. Sie sind ja, so wie Ihr Vorgänger, nicht im Parlament "auf die Welt gekommen". Das hat seine Vorteile und seine Nachteile. Bei Engelbert Dolfuß war das auch nicht der Fall, bei Josef Klaus war das ebenfalls nicht der Fall, und viele andere haben auch ihr eigenes Schicksal. Und das ist doch das Schöne, daß die demokratische Republik durchlässig ist, daß es verschiedene Wege gibt! Wir alle müssen gemeinsam für das Volk dasein, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind hier nicht zum Selbstzweck, es ist das hier keine Zufallsbegegnung oder ein nettes Rendezvous am Donnerstag vormittag.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 28

Herr Bundeskanzler! Neben dem Vorsitzenden in der Bundesregierung sind Sie gleichzeitig – Sie haben das auch treffend bemerkt – auch der Chef, der Minister des Bundeskanzleramtes, Sie haben Ressortverantwortung, Sie haben den Vorsitz im Kollegialorgan Bundesregierung und – Herr Professor Böhm und ich sind da, glaube ich, über Fraktionsgrenzen hinweg einer Meinung – sind gleichzeitig auch der Ressortverantwortliche des Bundeskanzleramtes, wobei ein glänzender Präsidialvorstand, Herr Sektionschef Dr. Alfred Mayer, Ihnen so wie Ihren Vorgängern zur Seite steht; ich gratuliere zu ihm!

Und Sie haben noch etwas: einen höchst beachtenswerten Verfassungsdienst. Herr Bundeskanzler, und wenn ich die Ehre habe, hier stehen zu dürfen – auf Wunsch meiner Partei, ich hätte mich eigentlich heute mehr zurückgehalten –, eines noch: Wir haben seit langem neben der Erfüllung des Perchtoldsdorfer Abkommens den Wunsch, daß es zu einer Neukodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 kommt. Bedeutende Staatsrechtslehrer – ich nenne Kollegen Robert Walter, ich nenne Herrn Kollegen Heinz Schäffer aus Salzburg – haben in beachtenswerten Gutachten – Klecatsky kommt in anderer Weise vor; ich freue mich, daß Sie ihn zitieren, ich habe ihn am Freitag bei meinem Vortrag über das Südtirolpaket in Bozen auch zitiert – dieses Thema erörtert. Ich möchte Ihnen sagen, es wäre wichtig, wenn man nach dem Jubiläum der Republik Österreich, dem Millennium, an das Jubiläum des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 denkt. Verdienstvollerweise denkt Kollege Fischer jetzt schon daran, daß er 1998 etwas tun muß, es ist auch eine Festschrift erschienen.

Wir brauchen eine Neukodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes. Sie können doch nicht Peter Zapfl oder einer Tante Gusti in St. Martin am Frostaufbruch erklären, warum der umfassende Umweltschutz in einem eigenen Bundesverfassungsgesetz – ohne Bindestrich jetzt – geregelt ist, die umfassende Landesverteidigung hingegen in Artikel 9a des B-VG.

Da kann man sagen, Ermacora hat sich für das eine so eingesetzt und für das andere anders. Leider gibt es den Felix nicht mehr. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ein Rechtsfeld Pluralismus, und jetzt sei Hans Klecatsky zitiert, der schon in dem von mir 1980 herausgegebenen Buch "Das österreichische Bundes-Verfassungsgesetz und seine Entwicklung" geschrieben hat, wir haben eine Ruinenhaftigkeit des österreichischen Verfassungsrechtes mit Verfassungsgesetzen des Bundes, der Länder, in einfachen Gesetzen enthaltenen Verfassungsbestimmungen und verfassungsändernden Staatsverträgen.

Meine Damen und Herren! Ich werde in wenigen Tagen die Ehre haben, in Oxford eine Gastvorlesung über "Constitutional trends in modern democracy" zu geben, und da werde ich darauf hinweisen, was gravierender ist: eine nicht geschriebene Verfassung Großbritanniens – aber mit einem starken Verfassungsbewußtsein – oder eine Unzahl von geschriebenen Verfassungsrechtsbänden und keinem Verfassungsbewußtsein, denn die Art und Weise, wie auch dieses Haus mit der Verfassung umgeht, ist bisweilen diskutabel.

In diesem Zusammenhang erwähne ich die Publikationen und glänzenden Vorträge auch der letzten Zeit des Herrn Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes Ludwig Adamovich junior – obwohl über sechzig –, aber auch der Vater ließe sich zitieren, meine sehr verehrten Damen und Herren, und viele andere, denn es ist bedauerlich, daß wir das alles ausdiskutiert haben und nichts geschieht. Ich sage Ihnen, es ist bedauerlich, daß es zu keiner Neukodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes kommt.

Herr Bundeskanzler! Ich würde Sie bitten, daß man die glänzenden Vorarbeiten, die schon durch die Leiter des Verfassungsdienstes Adamovich und Dr. Holzinger erfolgt sind, einbringt und weiterführt. Das ist alles bereits vorhanden, man muß nur politisch wollen.

Warum sage ich das, meine Damen und Herren? – Weil die österreichische Politik vor allem von Kammern und von freien Interessenverbänden mit sogenannter freier Mitgliedschaft getragen wird. Und dort, wo es das nicht gibt, wie etwa beim Recht, bleibt alles liegen. Bezüglich Föderalismus werden Sie sagen, es gibt ja die Landeshauptmännerkonferenz. Natürlich, aber die setzen sich ja für ihre Kompetenzen ein, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe selbst daran mitgewirkt, daß der Gemeinde- und Städtebund in die Verfassung gekommen sind.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 29

Darüber waren nicht alle erfreut, das ist interessant, wer da dafür und dagegen war. Die Aufnahme dieser Landeshauptmänner in das B-VG ist auch ein Wunsch der Landeshauptleute, der aber sicherlich in diesem Jahrtausend nicht erfüllt werden wird. Das schmälert nicht das Selbstbewußtsein der Landeshauptleute, aber es ist notwendig, daß wir gemeinsam, die Landeshauptmänner und die Frau Landeshauptmann, die im Bundesrat begonnen hat, vorgehen.

Ich hoffe übrigens, Herr Altstadtrat von Wien, daß wir auch einmal den Bürgermeister von Wien als Landeshauptmann hier auf der Regierungsbank sehen, das darf ich Ihnen ehrlich sagen. Es ist bedauernswert, daß der Bürgermeister von Wien noch nie bei uns gewesen ist, obwohl er uns von allen Landeshauptleuten am nächsten ist. Nicht, daß Sie glauben, Herr Finanzminister, wir würden an Entzugserscheinungen leiden, oder wir hätten in der Zwischenzeit Minderwertigkeitskomplexe gehabt. Ich bin im Rahmen meiner letzten Präsidentschaft sogar ins Rathaus gegangen und habe Herrn Professor Zilk, der uns gegenüber sehr aufgeschlossen war und dem ich auch Achtung entgegenbringe, jedem auf andere Weise begründet, sogar eine Glaskugel gebracht mit dem Parlament darin und habe gesagt: Vergiß nicht, du wirst bei uns erwartet. – Es ist sich nicht ausgegangen. Es wäre aber wirklich wertvoll, wenn dieser Dialog möglich wäre.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Begegnen und sprechen kann man mit vielen – im Frack, ohne Frack, im Smoking, ohne Smoking, in Jeans auf der Straße stehend und Zettel verteilend, was mir am angenehmsten ist, allerdings ohne Jeans –, aber am angenehmsten wäre, wenn wir mit den ersten Repräsentanten der Bundesregierung, mit den ersten Repräsentanten der Länder, den Landeshauptleuten und den Landtagspräsidenten mehr als bisher kooperieren könnten. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie in Ihrer heutigen Erklärung darauf hingewiesen haben, Sie werden auch in die Länder fahren. Wir haben nämlich die Landeshauptleutekonferenz und die Landtagspräsidentenkonferenz schon wiederholt gebeten, daß das Bundesratspräsidium mit ihnen zusammenwirken kann, denn mehr als bisher müssen wir zueinander stehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie haben in einer sehr klugen Weise – ich habe mir das heute in der Früh zwischen halb fünf und halb sechs Uhr, weil da läutet noch nicht das Telefon, in Ruhe genau angesehen – mit Ihrer Erklärung etwas gesagt, was kaum einer Ihrer Vorgänger gesagt hat. Sie haben nämlich gesagt, man soll doch ehrlich sein, es ist noch nicht alles fertig, wir bemühen uns um eine neue Kompetenzverteilung. – Schauen Sie, mein Freund, der ehemalige Bundeskanzler Dr. Josef Klaus, dem es, obwohl hochbetagt, gesundheitlich verhältnismäßig gut geht, hat sich schon in den sechziger Jahren um ein Bundesministeriengesetz bemüht – Kompetenzverteilung, Stellung des Bundeskanzlers und so weiter –, was übrigens eine ewige Prüfungsfrage im öffentlichen Recht ist, wenn man jemanden doch durchkommen lassen will. Ich sage immer zu den Studenten: Ich will, daß Sie durchkommen, lassen Sie sich mit mir nicht auf ein Kräftemessen ein, im Zweifelsfall bin ich der Stärkere – außer er ist ein Masochist, Lust durch Leiden, dann kann man ihm nicht helfen. (Allgemeine Heiterkeit.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist von größter Notwendigkeit, sich diese Kompetenzverteilung genau anzusehen. Im demokratischen Verfassungsstaat gibt es zwei Begriffspaare: Zuständigkeit und Verantwortung, Verantwortung und Kontrolle. Wenn von mir jemand eine Intervention auf einem Gebiet, für das ich nicht zuständig bin – auch Journalisten –, will, sage ich immer: Sie haben sich in der Adresse geirrt, dafür bin ich nicht zuständig. Aber die Zuständigkeiten in Nationalrat und Bundesrat sollte man sich genau anschauen, weil das beschließen ja wir, und daher ein Danke, daß Sie die Absicht haben, das mit den übrigen Mitgliedern der Bundesregierung und den Staatssekretären zu besprechen.

Ich bedaure es außerordentlich, daß bei den Lebensläufen – und ich freue mich, das in Anwesenheit des Kollegen Schlögl sagen zu können – der neuen Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretäre immer mit ihrer Zeit im Nationalrat begonnen wird. Wir freuen uns aber außerordentlich, daß Sie auch eine Zeit im Bundesrat verbracht haben – wenn Sie das, Herr Kollege Schlögl, Ihrem Biographen mitteilen könnten. Sie waren schon vor dem Nationalrat im Parlament, weil Sie Bundesrat waren, und ich habe damals schon meinen Leuten gesagt, auf


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 30

den gebt acht, aus dem wird noch viel werden. Ich freue mich, daß ich mich da nicht geirrt habe! Nur sollten das Ihre Biographen auch angeben. Ich geniere mich als Staatsrechtler auch nicht, auf meine Mitgliedschaft im Bundesrat hinzuweisen, weil ich gerne hier bin und es mir eines Tages als Ehre anrechnen werde, hier gewesen zu sein.

Ich möchte hier wirklich sagen: Wir sollten mehr als bisher zusammenwirken. Und was die Kompetenzen betrifft, so sind diese bisweilen nicht allen erklärbar.

Herr Bundeskanzler! Ich danke Ihnen auch dafür, daß Sie mir bei unserem letzten Beisammensein am Donnerstag vor 14 Tagen, als wir noch nicht gewußt haben, was uns bevorsteht, mitgeteilt haben – ich freue mich, daß Kollege Farthofer wieder hier ist –, daß wir ein Gespräch haben über die Bundesbahnen. Aber nur daß Sie das wissen, werte Mitglieder der Bundesregierung und Herr Staatssekretär: Obwohl ich seit Jahren Präsident beziehungsweise Vizepräsident des Bundesrates bin und Fraktionsobmann der Mehrheitspartei hier herinnen – jetzt können Sie sich vorstellen, was Peter Zapfl gelingt –, ist es mir durch Jahre hindurch nie gelungen – Kollege Hums kann das bestätigen, auch der von mir hochgeachtete ehemalige Bundesminister Lausecker, Löschnak wurde dieses Erlebnis erspart, der mußte wieder anderes mitmachen –, ein Gespräch über die Bundesbahn zu haben. Das war wirklich berührend. Ich werde das eines Tages in meinen Memoiren schreiben, und ich sage es jedem, der mich fragt, ob diese Regierungsumbildung bedacht war: Niemals, weil Herr Mag. Klima mir über sein Sekretariat mitteilen hat lassen und liebenswürdigerweise auch persönlich am Präsidium gesagt hat, am Donnerstag um 16 Uhr – ich habe auch daran gedacht, obwohl die Rollen inzwischen anders verteilt waren – treffen wir uns mit Scholten, mit Hums und einigen anderen ausgewählten Persönlichkeiten, um das Thema Bundesbahn zu besprechen.

Wenn wir jetzt wieder die Ressortverteilung, Wissenschaft, Kunst und Verkehr haben, kann ich dazu nur sagen: Der Sachzusammenhang kann nur darin liegen, daß es eine Kunst und eine Wissenschaft ist, für den Verkehr ein Budget zustandezubringen. (Allgemeine Heiterkeit.) Aber sonst sehe ich bei meiner fragmentarischen und beiläufigen Kenntnis als Nichtautofahrer – was mein Beitrag zur Verkehrssicherheit ist –, der ständig mit der Bahn fährt, keinen Zusammenhang in der Sachkompetenz. Mein erstes Buch aus dem Jahr 1964 – Sie werden es vielleicht bestätigen – ist dem Begriff der Natur der Sache gewidmet gewesen, aber die Sachlogik erkenne ich hier nicht. (Bundeskanzler Mag. Klima: Die Kunst kommt ins Bundeskanzleramt!)

Das, darf ich sagen, ist ein Zeichen des hohen Ranges, den die Kunst im Kulturstaat Österreich hat. Lassen Sie sich von den andern nicht kritisieren, es gibt Leute, die müssen das tun, weil sonst fallen sie nicht auf. Notwendig ist, darauf zu achten, daß die Kunst nicht verideologisiert wird, weder in der Inlands- noch in der Auslandskulturarbeit. Versuchen wir, auch auf akademischen Boden um Verständnis für die Lehre, die Forschung und die Wissenschaft zu werben – leider kann ich das nicht in Anwesenheit des Herrn Bundesministers Einem sagen, aber das Gespräch werden wir nachholen –, daß es wirklich notwendig ist, daß Kontinuität und Ruhe einziehen. – Dazu ließe sich viel sagen. Leider lebt Hertha Firnberg nicht mehr, ich darf meinem respektvollen Gedenken Ausdruck geben.

Meine Damen und Herren! Ich bin der einzige in diesem Raum – wie früher immer Dr. Maleta gesagt hat, ich habe damals schon gesagt, wie schaurig, und jetzt mache ich es auch –: Ich war der Redner der ÖVP bezüglich Bundesministerium Firnberg, ich habe also all diese Kompetenzverschiebungen erlebt. Wie immer man dazu stehen mag, eines muß ich Ihnen sagen: Als Weinheber bei einem Herrn in Berlin war, dessen Namen ich nicht einmal aussprechen möchte, obwohl er ständig im Fernsehen vorkommt, weil er in der Zeitgeschichte eine so gräßliche Erscheinung war, hat dieser mit einer Gönnerhaftigkeit, die seinem geistigen Horizont entsprochen hat – er ist aber nicht ungefährlich gewesen –, zu ihm gesagt: Herr Professor, was kann man für die Dichter und Schriftsteller tun? Und Josef Weinheber hat darauf gesagt: Am besten in Ruh lassen! (Allgemeiner Beifall.)

Und ich sage Ihnen ehrlich: Mein Respekt gilt den österreichischen Lehrkräften in den Volksschulen, in den Pflichtschulen, an den Universitäten, denjenigen, die sich entscheiden, weniger zu verdienen als die anderen, die sich dafür verspotten und verhöhnen lassen, daß sie diesen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 31

Lehrberuf ergreifen, und den Assistenten, die die akademische Laufbahn einschlagen. Als wir das taten – wenn Sie gestatten, Herr Professor –, haben wir beiläufig gewußt, was uns bevorsteht. Es war eine Berufslaufbahn, die absehbar war. Heute wissen sie gar nicht, wer über sie verfügt und was sie wie auf akademischem Boden werden können.

Ich soll demnächst einen Assistenten bekommen, weil man mir einen Posten weggenommen hat, ich weiß aber gar nicht, wer konkret zuständig ist, weil so viele ineinander verzahnende Kompetenzen gegeben sind. Noch dazu hat man eine Universitätsreform in beachtenswerter Weise durchgeführt, ohne zu bedenken, daß dann ein Sparpaket kommt und die finanziellen Voraussetzungen dazu gar nicht gegeben sind. Der Herr Staatssekretär wird sich damit zu beschäftigen haben, und seine wertvolle Erfahrung in der Wirtschaft wird dabei sicherlich auch wegweisend sein, das möchte ich nicht bestreiten.

Hohes Haus! Es wird notwendig sein, den Menschen endlich die Verunsicherung zu nehmen. In der Nacht kaufe ich mir immer eine Zeitung – ich sage nicht, welche – vom nächsten Tag. In der Elektrischen lese ich sie, und beim Aussteigen schmeiße ich sie gleich weg, weil ich alleinstehend bin und sie sonst selbst in den Container tragen muß. Ich schmeiße sie also gleich weg, oder ich lasse sie liegen, mache jemandem eine Freude und schenke ihm noch etwas zum Lesen vor dem Einschlafen.

Ich sage Ihnen ehrlich, ich bin entsetzt darüber – es tut mir weh, Politiker dieser Republik zu sein, weil wir das verteidigen müssen, die Leute wissen ja nicht Bescheid über die Kompetenzen –, wer hier aller verunsichert wird. Wenn Sie heute die Zeitungen aufschlagen, stellen Sie fest: Ein Berufsstand nach dem anderen wird verunsichert. Und das ist doch traurig. Mir tun die älteren Menschen leid, die bei jeder Budgeterstellung um ihre Ersparnisse, ihre Rente und ihre Pension Angst haben. Bemühen wir uns doch gemeinsam – Opposition und Regierungsparteien, Regierung und Parlament – auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene, den Menschen die Angst zu nehmen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die Generation, die vor uns gelebt hat, die es uns ermöglicht hat, daß wir studieren durften, daß wir Parlamentarier wurden, die uns ihr Vertrauen geschenkt hat, hat es doch nicht verdient, jetzt im Alter verunsichert zu werden.

Ich habe in Ihrem Lebenslauf gelesen, daß Sie der Sohn eines Berufsschuldirektors sind. Ich sage Ihnen, ich habe eine hohe Achtung vor dem berufsbildenden Schulwesen. Ich habe in meiner Partei jahrelang die Ehre gehabt, dazu zu sprechen. Das berufsbildende, auch mittlere und höhere Schulwesen, etwa das TGM in Wien, das sich mit der ETH in Zürich vergleichen läßt, und viele andere haben viel geleistet. Sie wissen es besser als ich, weil ich nur ein Jurist bin. Wir denken in manchen Dingen mehr formaljuristisch, obwohl wir die Realität erkennen, sonst könnten wir ja nicht Gesetze vorbereiten. Es ist traurig, daß ein Berufsstand nach dem anderen heute verunsichert wird – auch innerhalb des öffentlichen Dienstes und innerhalb der privaten Wirtschaft.

Wir haben heute schon das Thema Verprivatisierung angeschnitten: Ich habe hier jahrelang über die Milliarden geredet, die manchen Leuten in der Verstaatlichten in den Rachen geworfen wurden, die noch bei roten Zahlen in der Bilanz tolle Abfertigungen, tolle Pensionen und noch anderes mehr bekommen haben. Dagegen habe ich jahrelang geredet, das ist alles nachlesbar. Das ist auf ÖVP-Wunsch geändert worden – damit da kein Irrtum entsteht, Hohes Haus –, mit Verständnis des damaligen Bundeskanzlers Dr. Vranitzky. Ohne ihn wäre die ÖVP 1986 nicht in die Koalition gekommen, das dürfen wir auch nicht vergessen, weil die damaligen Machthaber der SPÖ für eine Weiterführung der Koalition mit der Freiheitlichen Partei waren. Da hat Dr. Haider noch nicht alles gesagt, was er sich gedacht hat, und alle waren noch für die Koalition mit der FPÖ. Sie wären erstaunt, wenn Sie nachlesen würden, wer sich aller dafür ausgesprochen hat – zu meiner Verwunderung. Diejenigen wollen heute nicht mehr daran erinnert werden, auch Spitzenrepräsentanten in diesem Hohen Haus. Das hat sich dann geändert.

Aber eines möchte ich schon in den Raum stellen, das kann man auch bei den Bundesbahnen feststellen: Wenn eine Privatisierung stattfindet, verdoppeln und verdreifachen die Spitzenreprä


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 32

sentanten als erstes ihre Gehälter. Auf diesen Effekt – das sage ich Ihnen ehrlich – können wir verzichten! Das möchte ich ganz deutlich sagen. (Allgemeiner Beifall. – Bundeskanzler Mag. Klima: Das war Populismus! Das entspricht nicht Ihrem Niveau!)

Ich sage es ganz deutlich: Mein Vater war 35 Jahre lang Vorstandsmitglied, ich bin in diesem Milieu aufgewachsen. Ich bin trotzdem Gewerkschafter geworden und mit 18 Jahren freiwillig, obwohl ich keinen sozialen Bedarf hatte, in die Korksteinfabrik Mödling als Hilfsarbeiter gegangen.

Es ist erstaunlich, daß, wenn die Privatisierungen stattfinden, die Bezüge gigantisch hinaufschnellen. Und ich sage Ihnen, das ist oft nicht zur Stärkung unserer finanziellen Möglichkeiten. (Bundeskanzler Mag. Klima: Was ist der Schluß daraus? Es nicht zu tun?)

Für die anderen, ich will nicht sagen, die so dumm sind, in die Hoheitsverwaltung oder in den Staatsdienst zu gehen – es hat jeder sein Schicksal selbst in der Hand, ich würde meine Karriere genauso wieder machen, wieder akademischer Lehrer sein, wieder für die Jugend dasein, wieder in den Bundesrat gehen, wieder Sie sehen, meine Damen und Herren –, ist es traurig: Schauen Sie sich einmal die Rechnungshofberichte an. Es ist hochinteressant, wenn Sie sich anschauen, welche Bezüge für welche Tätigkeiten bezahlt werden und was da herauskommt. Diejenigen, die sich mit uns beschäftigen, sollten sich auch damit beschäftigen, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Für diese Transparenz bin ich, vor allem hinsichtlich dessen, meine Damen und Herren, was sie Ihnen für die späteren Zeiten zudenken und wofür ich Ihnen aus ganzem Herzen in kollegialer Verbundenheit das Allerbeste wünsche.

Eines wollte ich heute auch ganz besonders hervorstreichen: Aus der Regierungserklärung des Kanzlers, in freier Rede gehalten, ist ganz deutlich geworden, daß das seine Überzeugung ist, sonst wäre er doch bitte nicht vom Vorstand der OMV Finanzminister geworden. Und den anderen, die das tun, gebührt auch meine Achtung, weil sie sonst ein anderes Wochenende, andere Bezüge hätten. Sie werden sich wundern, wie Sie nervlich beisammen sind, wenn Sie einmal aus Ihrer Funktion herausgehen. (Allgemeine Heiterkeit.) Das ist ja keine Frage, ich kenne das, mir kann doch niemand etwas erzählen. Ich habe während meiner parlamentarischen Tätigkeit auch Operationen am eigenen Leib erlebt. Wenn der Anästhesist kommt und Sie fragt, wie Ihr Herz beisammen ist, ist die Situation ganz anders, als wenn Sie eine andere Tätigkeit haben. Der Dank ist ganz anders. Die Leute auf der Straße grüßen Sie ganz anders, wenn Sie in einem Vorstand sind, als wenn Sie Politiker sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Entscheidend ist das eigene Gewissen. Lassen Sie sich von niemandem das eigene Gewissen verbieten. Und lassen Sie sich, ganz gleich welcher Partei Sie angehören, von niemandem die Ideale nehmen, ohne die Sie nie hier hereingegangen wären, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ und Beifall des Bundesrates DDr. Königshofer. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie für die Zukunft: Wenn Sie das eine oder andere kritisieren – auch ich mache das bisweilen –, bemühen Sie sich um das Gespräch mit dem jeweiligen. Ich bin überzeugt davon, daß der Kanzler, die Regierungsmitglieder und die Staatssekretäre sicherlich auch zu Gesprächen im vorhinein bereit sind, damit wir uns nicht bloß im Plakativen jakobinerhaft erschöpfen.

Bemühen wir uns gemeinsam, auch das Gute in den Raum zu stellen. Man liest unentwegt das Schlechte, und das ist so traurig. Es werden viele Leistungen erbracht, jeder von Ihnen kann auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene Leistungen erwähnen. Frau Bundesrätin Moser ist Gemeinderätin in Linz. Ich kann für beide Dimensionen sprechen. Da ich in Linz Professor bin, weiß ich auch die Tätigkeit eines Gemeinderates einer großen Landeshauptstadt zu schätzen.

Jeder von Ihnen bringt das Seine ein, aber was bei uns verlorengeht, möchte ich Ihnen sagen: Die Politik in Österreich wird mehr und mehr zu einem Clearing House der Gruppeninteressen. Wir sollten uns bemühen, mehr als bisher Solidargesinnung zum Ausdruck zu bringen. Ich weiß


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 33

nicht, ob Frau Dr. Riess heute die Absicht gehabt hat, über die Oppositionsgrenzen hinweg Solidargesinnung zu zeigen. Ich habe aber heute in Ihren Ausführungen Anklänge von Solidargesinnung gehört. Dafür danke ich Ihnen.

Ich danke auch allen drei Fraktionen, vor allem Kollegen Konečny, Frau Vizepräsidentin Haselbach und Herrn Vizepräsidenten Weiss, daß es möglich war, uns in einem eigenen Arbeitskreis zu treffen, der sich mit Bundesstaats- und Bundesratsfragen beschäftigt. Wir hoffen, ohne Zeitdruck, in Ruhe, gemeinsam auch mit dieser Bundesregierung einiges zustande zu bringen. Und bitte seien Sie nicht erstaunt, Herr Kanzler, wenn wir vielleicht in dem einen oder anderen unterschiedlicher Meinung sind, etwa hinsichtlich des Konsultationsmechanismus und so weiter. Wir wissen um die Grenzen unserer Möglichkeiten, aber man soll bitte nicht glauben, daß wir die Situation nicht real zu erfassen vermögen. Außerdem sage ich Ihnen: Wie schön der Konsultationsmechanismus auch sein mag – keinem Kanzler, keinem Minister wird die Ministerverantwortlichkeit abgenommen. Sie kann auch nicht mit einem Konsultationsmechanismus abgeschafft werden, auch jeder Landeshauptmann trägt seine Verantwortung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! All das, was sich hier ereignet, ereignet sich in Solidargesinnung vor einer pluralen Gesellschaft. Ich bitte Sie, egal ob Sie manuell oder intellektuell tätig sind, selbständig oder unselbständig erwerbstätig: Würdigen wir doch auch in einem europäischen Zeitalter die Leistungen der Landwirte, die unsere Heimat für uns pflegen! Anerkennen wir doch bitte schön, welche Leistung es ist, wenn ein junger Mensch den Betrieb seines Vaters übernimmt, wenn er selbst einen Betrieb gründet. Ich bin jedesmal erstaunt, wenn ich in Niederösterreich zu Versammlungen fahre, wie sich auch in kleinen Tälern Unternehmerpersönlichkeiten entfalten – ich nenne nur das Triestingtal in meinem Heimbezirk Baden. Dort ist Großes geleistet worden.

Es ist heute schon auf das duale System hingewiesen worden, das eine Kraftquelle für das Österreich im größeren Europa ist. Die Frage der Lehrlingsausbildung müssen wir gemeinsam lösen, das ist die fortgesetzte, konkrete, soziale Partnerschaft. Wie immer die Kompetenzen bei der Forschung verteilt werden, es wird notwendig sein, die akademische auch mit der praktischen technologischen Forschung zu verbinden. Diesbezüglich ist Großes in den Betrieben geleistet worden.

Mein sehr verehrten Damen und Herren! Wir sollten uns mehr als bisher bemühen, all das zu verwirklichen. Das möchte ich Dr. Vranitzky auch noch nachsagen: Er hat sicherlich nicht alles tun können, was er wollte, aber er hat sich auf diesem Weg über die Fraktionsgrenze hinweg immer bemüht, all das, was er getan hat, mit einem bestimmten Maß an Kultur zu tun. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! In einer Zeit, in der die Formlosigkeit nur eine milde Form des Terrors ist – ich befürchte nicht, daß heute abend beim Opernball wieder Krawalle stattfinden, obwohl das nicht das größte Problem ist, es wird ohnehin nicht der Fall sein –, sollten wir uns bemühen, ein bestimmtes Maß an Kultur miteinzubringen. Denn es gibt eine Reihe von Leuten – Sie werden es in Ihren Sprechstunden oder bei Versammlungen bemerken –, die oft die eine oder andere Äußerung, die aus dem Zusammenhang gerissen ist, nach vielen anderen Dingen, die viel wichtiger sind, beurteilen, dann aber darüber hinwegsehen. Der Herr Bundeskanzler hat es schon gesagt: Wir sollten uns mehr als bisher bemühen, auf den Menschen zuzugehen.

Da der Präsident der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft in Wien, Manfred Mautner Markhof, heute – unter Anführungszeichen – unser "Geburtstagskind" ist, erlauben Sie mir, mit einigen Sätzen zu schließen, die Sie, meine Herren von der Regierungsbank, vielleicht schon gelesen haben, beziehungsweise wünsche ich mir, daß Sie sie in der Zukunft lesen werden.

Wenn Sie bei der St. Patriks Cathedral an der Fifth Avenue in New York zum Rockefeller-Center gehen, in dem man nicht mit dem Lift fahren kann, weil die Japaner das jetzt nicht mehr erlauben, dann können Sie die in Stein gehauenen Sätze des Rockefeller lesen: "I believe". – Ich nehme an, daß Sie alle viel besser Englisch können als ich, ich zitiere jetzt aber trotzdem auf


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 34

deutsch: Jede Position ist kein Privileg, sondern sie ist eine Verpflichtung. Jedes Gesetz ist für die Menschen da und nicht die Menschen für die Gesetze.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Ende dieser Zeilen steht: Ich glaube – das schreibt Rockefeller, aber an dem ist er nicht alleine gestorben –, die Liebe ist das Wichtigste im Leben. – Das ist sicherlich auch sehr wichtig, aber ich würde sagen, Freundschaft und Humanität sind noch wichtiger, denn sie überwinden den Haß und den Gegensatz.

Meine Damen und Herren! Mit einem Gesetzesbeschluß wird Recht beschlossen und normiert. Wir sind einer Meinung, wir sollten uns bemühen – das wünsche ich Ihrer Regierung –, und wir sollten es uns gemeinsam, auch das Parlament, vornehmen, daß wir normieren und motivieren, wir sollten uns gemeinsam bemühen, daß die Legalität mit der Humanität zu einer glaubwürdigen Menschlichkeit in unserem Staate führen kann. Lassen Sie mich das heute, in einer Zeit sagen, in der immer weniger Menschen wissen, warum sie etwas tun, zahlen oder leisten sollen, und in der auch wegen einer nicht von allen verstandenen Staatsordnung eine immer größere Zahl von Alternativ- und Kontroversiellstatisten in unser pluralistischen Gesellschaft auftreten.

Wir sollten daher auch die Gelegenheit dieser Regierungsumbildung, die ein Wunsch der SPÖ war, in jeder Partei dazu nehmen, die Politik in pro und kontra verständlicher zu machen.

Herr Bundeskanzler! Ich danke Ihnen für Ihre Erklärung. Wir sind in der Koalitionsverantwortung, wir werden im Rahmen des uns Möglichen Ihre Entscheidungen mittragen. Ich wünsche aber Ihnen allen, daß wir zum Zeitpunkt X, denn Wahltag ist Zahltag, im Jahre 1999 – dazu werde ich hier keine Kommentare mehr abgeben, aber mir als Staatsbürger einiges denken – nicht die Empfindung haben müssen, das Recht, das vom Volk ausging, wäre am Volk ausgegangen, sondern daß man mit dem Volk das richtige Recht setzt. Wir im Bundesrat sind dazu gerne bereit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Rockenschaub. – Bitte.

11.15

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Frau Präsidentin! Mein Vorredner, Herr Präsident Schambeck, hat das politische System in Österreich so gut durchleuchtet und auch massiv kritisiert, daß dem in vielen Dingen nichts hinzuzufügen ist und man auch aus oppositioneller Sicht in vielen Äußerungen bis hin zur Begeisterung zustimmen und mitgehen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, Bundeskanzler Vranitzky war die letzten Jahre vielleicht der konservativste Regierungschef, der in Europa an der Macht war. Mit dem Abgang des Bundeskanzlers Vranitzky endet in Österreich de facto die Nachkriegsordnung, die Zweite Republik. Der neue Bundeskanzler hat ja eine Andeutung in diese Richtung gemacht, indem er von den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 50 Jahre gesprochen und darauf hingewiesen hat, daß man auch endlich im politischen System zu Veränderungen bereit sein müßte. Mit dem Abgang des Bundeskanzlers Vranitzky hat das politische System in Österreich eine neue Chance auf Ideenwettbewerb statt Hexenverfolgung, eine Chance auf Diskussion statt hysterischer Unterstellung.

Ich möchte auf ein Prinzip der Psychologie verweisen, das lautet: Wenn der Leidensdruck steigt, dann steigt auch die Reformbereitschaft. – Das gilt aber auch umgekehrt: Wenn der Leidensdruck sinkt, dann sinkt die Reformbereitschaft. – Insofern habe ich eine gewisse Skepsis, ob die angekündigten Reformen auch angesichts der Hochstimmung bei den Sozialdemokraten durchgeführt werden. Das heißt, es könnte durchaus sein, daß aufgrund dieser Hochstimmung die Bereitschaft in der Sozialdemokratischen Partei, dem neuen Vorsitzenden und Kanzler zu folgen, ab- statt zunimmt, weil die Meinungsumfragen jetzt wieder wesentlich günstiger sind als vor einigen Monaten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 35

Präsident Schambeck hat auch davon gesprochen, daß man Beiträge leisten sollte, um den Menschen Angst zu nehmen und nicht durch falsche Politik das Gegenteil zu erreichen. In diesem Zusammenhang fällt mir die Sache mit der Sparbuchanonymität ein, meine Damen und Herren! Jeder Interessierte weiß, daß die Sparbuchanonymität spätestens mit der Einführung des Euro fallen wird. Aber der ehemalige Finanzminister und jetzige Bundeskanzler versucht, in der Öffentlichkeit hinhaltenden Widerstand zu leisten, anstatt der Bevölkerung die Wahrheit zu sagen. Genau das ist ein Beitrag dazu, wie man Angst bei Sparern erzeugt und nicht vermeidet.

Der neue Bundeskanzler hat sich in Überschriften ein großes Reformprogramm vorgenommen. Er hat von der notwendigen Eigenkapitalbildung, der Reform der Gewerbeordnung, des Arbeitsrechtes, einer Exportoffensive, der Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe gesprochen, der Staat soll als Dienstleister ausgebaut werden, eine Ausbildungsoffensive sei gefordert. All das ist richtig, ich kann dem zustimmen. Allerdings sind wir Freiheitlichen – und da bitte ich um Verständnis – natürlich skeptisch und mißtrauisch geworden, denn diese Ankündigungen hören wir im Grunde genommen seit dem Jahre 1986 mit jeweils etwas veränderten Überschriften und Phrasen, aber das ist uns alles nicht neu. Wir werden sehen, ob es diesmal wieder nur bei Ankündigungen bleibt oder ob mehr dahinter steckt.

Ich komme auf das Beispiel der Sicherheitspolitik zu sprechen, in bezug auf die der Bundeskanzler in seiner heutigen Erklärung völlig ausgewichen ist. Er spricht von Optionen, die Österreich in der europäischen Sicherheitspolitik hätte, nennt jedoch diese Optionen nicht. Er meinte, man wolle beobachten. – Das ist aber keine besonders starke Leistung, wenn sich ein EU-Mitglied im Herzen Europas auf eine Beobachterrolle zurückzieht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich hätte endlich einmal gerne von dieser Bundesregierung gewußt, welches Konzept ... (Bundesrat Prähauser: Er hat von Mitarbeit gesprochen! – Bundesrat Ing. Penz: Das Wort "Mitarbeit" kennt die FPÖ nicht!) – Nein, er hat von beobachten gesprochen, Herr Kollege, da habe ich genau aufgepaßt. Meinetwegen hat er sogar von Mitarbeit gesprochen, nur das Ziel ist wiederum nicht definiert worden. Eine Bundesregierung, die in Sachen europäischer Sicherheitspolitik zu keiner Zielformulierung bereit ist, Herr Kollege, ist doch eine mehr als schwache Sache. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt ja mehrere Optionen. Vielleicht wollen manche eine Art Sicherheitsinsel, eine Insel der Seligen innerhalb eines NATO-Gebietes werden und warten, bis wir von NATO-Staaten umzingelt sind (Bundesrat Meier: Na und?) , und dann mit dem Bundesheer etwas anfangen oder auch nicht. Man kann über jedes Ziel diskutieren.

Einige – Kollege Cap zum Beispiel – wollen der NATO beitreten, ein Berufsheer machen. Da wären wir auf einer Linie. Es ist aber unheimlich mühsam, bis das auf Regierungsseite durchgeht – die Freiheitlichen haben ja seit 1990 diesbezügliche Diskussion geführt und das als erste erkannt. Jetzt sind sieben Jahre vergangen, und die Regierung ist immer noch nicht bereit, sich hier zu positionieren. Das finde ich, noch einmal gesagt, eine schwache Angelegenheit.

Man muß verstärkt folgende Fragen stellen: Kommt die Auflösung des Reformstaus? Kommt der Abbau der Gesetzesflut? – Unternehmer und Bürger stöhnen aufgrund der vielen Vorschriften und dem Gesetzesdschungel. – Kommt das neue Gewerberecht? Kommt der Abbau von Privilegien und – mein Vorredner hat davon gesprochen – unverschämten Gehältern in den geschützten Bereichen? Kommt die Liberalisierung im Medienrecht? Kommt die Abschaffung des ORF-Monopols? Werden all diese Ankündigungen umgesetzt, oder werden sie im Funktionärsapparat der Regierungsparteien hängenbleiben?

Meine Damen und Herren! Eine etwas seltsame Rolle hat die kleinere Regierungspartei bei der ganzen Sache gespielt, also die ÖVP. Mir ist aufgefallen, daß der Vizekanzler angesichts der Meldung im Fernsehen zum Kanzlerwechsel sichtbar beleidigt war, weil er davon so spät erfahren hätte. Er hat in der Folge als eine Art Trotzreaktion eine Mitsprache bei der Bestellung des Finanzministers verlangt. Diese Mitsprache hat ihm der neue Bundeskanzler anscheinend auch eingeräumt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 36

Das Desaster in dieser ganzen Angelegenheit, was den neuen Finanzminister betrifft, ist ja allen bekannt, braucht nicht extra erwähnt zu werden, weil diese Mitsprache des Vizekanzlers so ausgegangen ist, daß der Wunschfinanzminister nicht in die entsprechende Position gebracht werden konnte. Jetzt ist plötzlich der neue Bundeskanzler eine Art Traumpartner, nachdem er ein Monat zuvor bei der Umsetzung des CA-Verkaufes noch so eine Art Verräter oder ganz böser Finsterling gewesen ist, dem man mit Mißtrauen und nicht mit Vertrauen gegenübertreten sollte.

Herr Kollege Konečny ist jetzt nicht hier, das ist schade. Bei der Lektüre des Rohprotokolls der letzten Bundesratssitzung ist mir folgendes aufgefallen: Kollege Konečny hat sich bei der dringlichen Anfrage an die Frauenministerin zu Wort gemeldet. Und wenn nun der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokratischen Partei recht hat, dann ist die ganze Regierungsumbildung ein glatter Flop und eine Katastrophe. Denn Kollege Konečny hat großes Lob für Frau Bundesministerin Konrad geäußert, er hat gesagt: Es gibt in der Bundesregierung wenige, die sich mit Konrad messen können.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob die falschen Minister ausgetauscht wurden. Man hat die besten Köpfe abserviert, nämlich jene, mit denen sich wenige messen können. Sollte Konečny recht haben, dann ist das eine Katastrophe für die Republik. Ich gehe aber einmal davon aus, daß Konečny nicht recht hat und sich in einer Art Pflichtübung eines Parteisoldaten entsprechend vor die Ministerin gestellt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aus Sicht der Freiheitlichen muß man natürlich dem Bundeskanzler zu gewissen Dingen, zum Beispiel was die Regierungsumbildung betrifft, auch neidlos gratulieren, denn mit dem Abzug von Vranitzky, Scholten und Einem aus den bisherigen Positionen haben wir Freiheitlichen wichtige Wahlhelfer verloren. Das ist zuzugestehen. Warten wir ab, wie lange die Euphorie auf sozialdemokratischer Seite darüber anhält.

In der Regierungserklärung ist auch eine Bemerkung des Kanzlers zur Währungsunion gefallen, und zwar – wie schon öfters hier artikuliert – eine geradezu euphorische Bemerkung zur Währungsunion – mit ausgebreiteten Händen, als ob hier ein Allheilmittel und ein Rezept zur Bewältigung der Wirtschaftskrise auf uns herniederprasseln würde. Ich möchte in Erinnerung rufen, daß in der Bundesrepublik Deutschland als einem der hauptbetroffenen Länder der Währungsunion die Diskussion ganz anders verläuft als in Österreich. In Deutschland wird von den Medien breit berichtet, und insbesondere auf sozialdemokratischer Seite hört man diesbezüglich ganz andere Töne. Ich verweise insbesondere auf den Niedersächsischen Ministerpräsidenten Schröder, der vor möglichen katastrophalen Konsequenzen für die Hartwährungsländer warnt und wesentliche kritischer an diese Sache herangeht, als dies offensichtlich unser neuer Bundeskanzler tut.

Meine Damen und Herren! Wie wird es politisch weitergehen? – Ich glaube, daß wir in den letzten Jahren in Österreich so eine Art Rennen um das Kippen des rot-schwarzen Proporzstaates und dieser schon geschilderten Nachkriegsordnung hatten und daß dabei eine Oppositionspartei, nämlich die Freiheitlichen, von der Bezirksliga in die Finalrunde aufgestiegen ist. Wenn man die Interviews von ÖVP-Altvorderen im heutigen "News" liest, dann muß sich der Eindruck bestätigen, daß die ÖVP im Halbfinale bereits ausgeschieden ist. Wir Freiheitlichen sehen dem Finale Klima-Haider mit Spannung entgegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Farthofer. – Bitte.

12.27

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorerst zu meinem Vorredner, zu Kollegen Rockenschaub. Ich war in der glücklichen Situation, diese sehr turbulente innenpolitische Szene der letzten drei Wochen im Moorheilbad Haarbach – ich war auf Kur – zu verfolgen. Deshalb hatte ich auch sehr viel Zeit, mir über die verschiedensten Kommentare, sei es in den Printmedien oder sei es in den elektronischen Medien, aber auch über die Reaktion der Freiheitlichen Partei Gedanken zu machen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 37

Die Äußerungen des Kollegen Rockenschaub hinsichtlich unseres Bundeskanzlers, hysterische Unterstellungen und Hexenverfolgung betrieben zu haben, verleiten mich ganz einfach aus meiner politische Arbeit in meinem Wahlkreis dazu, einige Dinge hier anzusprechen.

Ich behaupte, die ganze Diskussion über Ausgrenzung und Abgrenzung ist eigentlich sinnlos. Die letzte Sitzung des Nationalrates hat dokumentiert, daß Herr Bundeskanzler Dr. Vranitzky die Freiheitliche Partei nicht ausgegrenzt hat. Er hat dem Herrn Oppositionsführer die Hand gereicht. Aber dieser hat sich selbst ausgegrenzt. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Na toll!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Oppositionsführer hat sich mit seiner anschließenden Wortmeldung ausgegrenzt. Denn er hat es für notwendig befunden, einen Bundeskanzler, der zehn Jahre sehr wohl erfolgreich diesem Österreich vorgestanden ist, nur zu kritisieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt darf ich Ihnen etwas sagen: Ich grenze die Freiheitlichen nicht aus. Aber wissen Sie, was ich tue? – Ich frage am Wirtshaustisch, ich gehe zu meinen Versammlungen, ich gehe in die Betriebe und frage dort die Arbeiterinnen und Arbeiter, ob sie einen Bundeskanzler einer Partei wollen, der mit Hubschraubern herumfliegt, ob sie einen Bundeskanzler in Österreich wollen, der einen schwarzen Porsche fährt und hinten die Rollerskater drinnen hat und vorgibt, sehr viel für die arbeitenden Menschen zu tun, der in Wien und in New York Marathon läuft, obwohl jeder Sportler weiß, daß man, wenn man Marathon läuft, mindestens dreieinhalb Stunden bis vier Stunden täglich trainieren muß. Er hat also sehr viel Zeit für diese sportlichen Tätigkeiten. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wollen Sie einen Bundeskanzler einer Partei in Österreich – ich habe das im Europaparlament persönlich erleben dürfen –, die einerseits sagt, wir sind für den Brenner-Basistunnel, andererseits in Straßburg sagt, wir sind gegen einen Brenner-Basistunnel. Die Freiheitliche Partei kritisiert, daß 300 Millionen Schilling nach Palästina gegangen sind, die Freiheitliche Partei tritt im Europaparlament gegen eine verschärfte Kontrolle für die Entwicklungshilfe ein. – Es gibt also immer wieder kontroversielle Standpunkte. Redet der Führer der Freiheitlichen Partei bei den Bauern, dann ist er gegen die Eisenbahner, redet er bei den Beamten, dann ist er gegen die Bauern.

Liebe Freunde! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie können das nachvollziehen. Ich bin als Politiker im Wahlkreis zwar leider nur auf regionaler Ebene sehr erfolgreich, denn eben in diesem Wahlkreis hat die Sozialdemokratische Partei bei der vergangenen Wahl wesentlich weniger verloren als im Gesamtdurchschnitt (Bundesrat Dr. Bösch: Bravo!) , die Freiheitliche Partei wesentlich weniger gewonnen als in anderen Regionalwahlkreisen. Das ist ein ganz einfaches Mittel, um der Bevölkerung zu erklären, wo es langgeht und wie unterschiedlich die Freiheitlichen eigentlich agieren. (Zwischenrufe.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt zur Regierungserklärung aus niederösterreichischer Sicht eine persönliche Anmerkung: Der Herr Verkehrsminister ist leider nicht da, aber er kennt meinen persönlichen Standpunkt zum Ausbau der Infrastruktur der Bahn, der eine unabdingbare Notwendigkeit in Österreich ist. Also ich denke da an die West- und die Südbahn. Herr Staatssekretär! Sie sind ja auch im Finanzministerium, und ich möchte Ihnen sagen, es wird wichtig sein, den Ausbau der Südbahn zu forcieren. Und ein Teil dieser Südbahn ist der Semmering-Basistunnel. Und das richtet sich natürlich auch an die Kollegen der niederösterreichischen ÖVP: Es ist eine unabdingbare Notwendigkeit, diese Südbahn auszubauen. Der ehemalige Verkehrsminister hat das zugesagt. Und ich bitte Sie, Ihrem Landesparteivorsitzenden und ersten Repräsentanten des Landes auszurichten, daß es notwendig ist, daß dieser Semmering-Basistunnel errichtet wird, meine sehr Verehrten! (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. )

Herr Kollege! Das ist wieder ein Beispiel dafür, was ich vorhin gesagt habe: Die Freiheitliche Partei ist in der Steiermark für den Ausbau des Semmering-Basistunnels. Die Freiheitliche Partei ist aber in Niederösterreich gegen den Ausbau des Semmering-Basistunnels. Und das macht natürlich auch die Bevölkerung unsicher, ebenso die Argumente, die Sie bringen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 38

Die niederösterreichischen Sozialdemokraten, die Steirer, die Kärntner und alle südlichen und westlichen Bundesländer bestehen auf diesen Ausbau, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Als Niederösterreicher möchte ich noch ein zweites Thema ansprechen, die Ostöffnung. Das wird sehr kritisch von der Freiheitlichen Partei kommentiert. Da gibt es natürlich Vorbehalte, das verstehe ich. Aber als Vertreter eines Bundeslandes, das 450 km Ostgrenze hat, muß ich sagen: Wir müssen diese Reformländer in die Europäische Union integrieren, und wir müssen der Bevölkerung klarlegen, daß das eine Notwendigkeit ist, aber es muß auch klar sein, daß das nur schrittweise vonstatten gehen kann.

Ein Letztes, meine Damen und Herren – und das ist wichtig für uns alle –: Es geht darum, daß man nicht mit der Wirtschafts- und Währungsunion Populismus betreibt. Sie geben vor, sich für die Klein- und Mittelbetriebe einzusetzen. Und genau für diese Klein- und Mittelbetriebe ist es wichtig, diese Wirtschafts- und Währungsunion einzuführen, damit wir mit den Nachbarländern konkurrenzfähig sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gäbe eine Reihe von Dingen aufzuzeigen. Der Herr Bundeskanzler hat dies ausführlich getan. Ich möchte aber an dieser Stelle als Vertreter der Sozialdemokratischen Partei, meine sehr verehrten Damen und Herren, eines abschließend bemerken: Die Reaktionen einiger Journalisten zum Abgang des Herrn Bundeskanzlers Dr. Franz Vranitzky waren für mich erschütternd. Ich sage das mit aller Deutlichkeit. Denn wenn sich hier Aus-dem-Fenster-Guckende und täglich Nichts-Sehende und Nichts-Hörende anmaßen, alles zu wissen, alles zu verstehen und die Politik nur zu kritisieren, dann tut man der Politik im Land damit an sich nichts Gutes.

Es sollen nicht nur die Politiker von den Journalisten kritisiert werden, sondern ich glaube, wir haben auch das Recht, die Journalisten zu kritisieren, denn durch die Verrohung der Sprache, wie es teilweise von Journalisten, aber auch von Ihrem Parteiführer betrieben wird, kommt die Radikalisierung des Handelns. Und das sollten wir in der Zukunft hier in Österreich zu vermeiden versuchen, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich von dieser Stelle aus unserem scheidenden Bundeskanzler Dr. Franz Vranitzky – ich habe ja das Glück, ihn in Zukunft wahrscheinlich viel öfter zu sehen, denn er hat in meinem Bezirk einen Zweitwohnsitz – ein herzliches Dankeschön dafür sagen, daß er dieses Österreich so hervorragend geführt hat! (Beifall bei der SPÖ.)

11.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof. – Bitte.

11.34

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Wenn auch ich heute auf die Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers eingehe, so möchte ich vorausschicken, daß ich mich als Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses des Bundesrates insbesondere auf die Rolle Österreichs im internationalen Kontext konzentrieren werde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als der Herr Bundeskanzler das letzte Mal noch als Finanzminister bei uns im Bundesrat war, konnte man deutlich seine positive Einstellung zur Europäischen Währungsunion sehen, und ich freue mich daher besonders, daß er das auch heute wieder unterstrichen hat. Angesichts der sich nun zeigenden Erfolge bei der Budgetkonsolidierung, die selbstverständlich fortgeführt werden muß – der Herr Bundeskanzler hat auch sehr richtig darauf hingewiesen –, zweifle ich auch nicht daran, daß Österreich zu den ersten Teilnehmern an der Währungsunion zählen wird. Was aber dabei keineswegs zu kurz kommen darf, ist die genaue und rechtzeitige Information der österreichischen Bevölkerung über Sinn und Zweck der Währungsunion, über die Beweggründe, die hinter der Einführung des Euro stehen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 39

Wir müssen der Öffentlichkeit überzeugend darlegen, warum eine Teilnahme Österreichs an der Währungsunion so wichtig ist. Wir müssen verdeutlichen, daß ein Gemeinsamer Markt, zu dem wir uns einmal entschlossen haben, als wir der EU beigetreten sind, ohne gemeinsame Währung im Grunde kein Gemeinsamer Markt ist. Und es muß auch klar und deutlich gesagt werden, daß die Teilnahme unseres Landes an der Währungsunion zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Österreich beiträgt. Der Bundeskanzler hat dies ja auch in seiner Erklärung vor dem Hohen Haus ausgesprochen, und deshalb hege ich auch keinen Zweifel, daß er sich auch als Regierungschef der Überzeugungsarbeit in punkto Euro entsprechend widmen wird.

Meine Damen und Herren! Nicht zu vergessen ist auch die Tatsache, daß das Jahr 1998 nicht mehr weit entfernt ist und damit die EU-Präsidentschaft Österreichs immer näher kommt. Österreich wird somit im zweiten Halbjahr 1998 in ganz besonderem Maße im Lichte der Weltöffentlichkeit stehen. Der EU-Vorsitz bedeutet nämlich nicht nur, daß Österreich in jenen sechs Monaten die gesamte EU-Politik leitet und steuert, sondern mit dem EU-Vorsitz verbindet sich auch die große und wichtige Aufgabe Österreichs, sich der Welt entsprechend zu präsentieren. (Bundeskanzler Mag. Klima hat wieder auf der Regierungsbank Platz genommen.) – Ich darf auch den Herrn Bundeskanzler herzlich begrüßen.

In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, daß 1998 ein europapolitisches Schlüsseljahr werden könnte. Man denke etwa an die Themen wie die Vorbereitung der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, an die Vorbereitung der Osterweiterung der EU, die Reform des Gemeinschaftshaushaltes und an eine Reihe anderer sensibler Bereiche, die dann auf der Tagesordnung stehen werden und die Bundeskanzler Klima in seiner Erklärung auch angesprochen hat.

Meine Damen und Herren! Ich habe soeben auch das Thema Osterweiterung erwähnt, zu dem ich noch folgendes bemerken möchte: Ein EU-Beitritt der zentral- und osteuropäischen Reformstaaten in absehbarer Zeit ist für uns Österreicher nicht nur aufgrund der historisch gewachsenen guten Beziehungen eine Selbstverständlichkeit. Die Vertiefung der Europäischen Union ist zweifellos ein wichtiges und notwendiges Anliegen. Das darf jedoch, wie ich meine, nicht dazu führen, den Beitrittskandidaten die Hoffnung auf eine in absehbarer Zeit stattfindende Mitgliedschaft zu nehmen. Gerade Österreich ist meiner Ansicht nach dazu prädestiniert, diese Länder bei ihren diesbezüglichen Bestrebungen tatkräftig zu unterstützen.

An dieser Stelle möchte ich auch das Thema "Institutionenreform der EU" nicht unerwähnt lassen. Wie Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, ja wissen, zähle ich zu den Fürsprechern eines Zweikammernsystems in der EU, was sicherlich nicht erstaunt, wenn man seit einiger Zeit Mitglied des Bundesrates in Österreich ist. Natürlich bin ich mir bewußt, daß dieser Vorschlag aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen der einzelnen Staaten nicht überall auf freudige Zustimmung trifft und daß es bis zur endgültigen Lösung noch ein relativ langer Weg sein wird. Aber ich meine doch, daß die Zweikammernvariante im Zusammenhang mit der Institutionenreform, die unter dem Aspekt zukünftiger EU-Erweiterungen zu sehen ist, durchaus ihre Reize hat und gegenüber anderen Lösungsansätzen zweifellos Vorteile bietet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Erklärung von "Mut zur Veränderung" gesprochen. Dies halte ich deshalb für besonders wichtig, weil in Österreich doch immer wieder eine gewisse Skepsis gegenüber Neuem festzustellen ist. Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, an dieser Stelle ein weiteres Thema anzusprechen, das mir sehr am Herzen liegt, nämlich die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, die der Herr Bundeskanzler auch schon angesprochen hat.

Ein bekannter österreichischer Chefredakteur meinte einmal in einem Gespräch mit mir: Mit der österreichischen Neutralität scheint es so zu sein, daß zwar die wenigsten wirklich genau wissen, was sie eigentlich wirklich bedeutet, daß aber die meisten das Gefühl haben, dadurch etwas Besonderes zu sein.

Dieses Gefühl, etwas Besonderes zu sein, sollten wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, langsam, aber sicher in ein Gefühl der europäischen Solidarität umwandeln, und damit meine


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 40

ich ganz konkret die sicherheitspolitische europäische Solidarität. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Die leidvollen Ereignisse am Balkan haben drastisch gezeigt, wie groß der Handlungsbedarf und Koordinierungsbedarf in der europäischen Sicherheitspolitik ist. Und wenn man dazu die Bestrebungen zentral- und osteuropäischer Staaten beobachtet, so ist ja auch die Notwendigkeit sicherheitspolitischer Veränderungen in unserem Land sichtbar.

Meine Damen und Herren! Wir stehen in verschiedensten Bereichen gewaltigen Herausforderungen gegenüber, die nur gemeinsam gemeistert werden können. Nicht nur im Hinblick auf das Jahr 1998 hoffe ich, daß die Koalitionsregierung unter dem neuen Bundeskanzler Mag. Klima diesen Herausforderungen aktiv begegnet und jene Schritte setzt, die für das Wohl und die Zukunft Österreichs und Europas von entscheidender Bedeutung sind. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Prasch. – Bitte.

11.41

Bundesrat Dr. Helmut Prasch (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Lassen Sie mich eingangs in Abwesenheit von Kollegen Farthofer auf seine politische Erfolgsrezeptur und auf die Porsche-Theorie eingehen. Ich muß Kollegen Farthofer einmal sagen: Ein schwarzer Porsche ist halt einmal schneller als eine rote Eisenbahn. Darum geht es auch in der Politik, daß man rascher und schneller Antworten und Lösungen auf die Fragen unserer Zeit zur Hand hat. Das müßte sich Kollege Farthofer auch einmal merken. (Bundesrätin Schicker: Der Vergleich hinkt aber schon sehr! Der kleine Mann kann sich die Eisenbahn leisten!)

Na ja, Sie könnten auch den leider verhinderten Finanzminister, Landeshauptmann Stix, fragen, er hat nämlich auch einen Porsche. Er ist auch deswegen vielleicht nicht so ein schlechter Mann und war in der Auswahl für diese Bundesregierung.

Zur Regierungserklärung selbst darf ich mir erlauben, nur ein paar Anmerkungen zu machen, die ich außerhalb des parteipolitischen Hickhacks sehen möchte. Für mich drängt sich nach dem mit Aufatmen in der österreichischen Bevölkerung begrüßten Abgang des Bundeskanzlers Vranitzky die große Frage auf, was aus diesem frischen Wind, der mit Ihnen, Herr Mag. Klima, angeblich hätte einziehen sollen, geworden ist. Denn ich muß nach den ersten drei Wochen feststellen, daß bestenfalls noch ein laues Lüfterl davon übriggeblieben ist, und ich bin auch ein bißchen enttäuscht, weil ich mir etwas anderes erwartet hätte.

Zum Beispiel drängt sich die Frage auf: Warum haben Sie diese Bundesregierung nicht verkleinert? – Jetzt sitzen in diesem neuen Kabinett immerhin drei Manager mit einer veritablen Ausbildung, mit hoher Qualifikation, die allesamt schon in ihrem Bereich in der Privatwirtschaft den Begriff Lean-management kennengelernt haben, nur in der Bundesregierung, in der Politik kommt dieser Begriff nicht zum Tragen. Wir brauchen nicht 17 Regierungsmitglieder, sondern wir brauchen ein paar Minister weniger, und mit dem eingesparten Geld könnten wir einige tausend Arbeitsplätze mehr für die österreichische Bevölkerung schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich frage mich auch, Herr Bundeskanzler, warum Sie in diese Regierung – Sie hätten die Kraft dazu und eigentlich eine historische Chance gehabt – nicht tatsächliche Experten für die jeweiligen Bereiche geholt haben, mit Ausnahme des Herrn Dr. Ruttenstorfer. Sie haben – das ist, glaube ich, nicht nur mein Eindruck – in Ihre Regierung mehr oder weniger brave oder mehr oder weniger stramme Parteifunktionäre geholt, und ich glaube, daß das ein falsches Signal ist. Es wäre im Sinne eines Aufbruchs darum gegangen, daß man tatsächliche Fachkräfte aus der Privatwirtschaft oder auch aus dem internationalen Bereich geholt hätte, die die Aufgaben dieser Ressorts bei entsprechender Verkleinerung durchaus besser hätten erledigen können. (Bundesrat Ing. Penz: Sie standen ja nicht zur Verfügung! – Bundesrat Meier: Das sind Experten!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 41

Dritter Punkt, Herr Bundeskanzler – das ist ein Thema, mit dem wir Sie, solange Sie Bundeskanzler sind, ständig konfrontieren werden –, sind die Politikerprivilegien. Herr Bundeskanzler! Warum haben Sie nicht den Mut gehabt, die aus ihren Ämtern scheidenden Regierungsmitglieder einfach aufzufordern, auf ihre Abfertigungen, auf ihre Lohnentgeltfortzahlungen, auf die Ministergehälter, die sie jetzt weiter kassieren, zu verzichten? Warum haben Sie da nicht ein echtes Zeichen gesetzt, indem Sie diesen Verzicht einfordern?

Ich habe mir die Mühe gemacht und nachgeschaut, wie viele ehemalige Minister jetzt im Parlament sitzen. Es sind – eingeschlossen der zwei freiheitlichen – immerhin 13 Minister, die jetzt im Parlament sitzen. Das ist für mich nicht nur Zeichen dafür, daß der Grundsatz der Trennung zwischen Exekutive und Legislative allmählich verschwimmt, sondern auch dafür, daß die Parlamentssitze nichts anderes mehr sind als Versorgungsposten für ehemalige Minister, ehemalige gescheiterte Regierungsmitglieder.

Rufen Sie sich das Verhalten der ehemaligen Gesundheitsministerin Krammer in Erinnerung – das ist in einigen Zeitungen nachzulesen –: Sie ist gestern in ihre ehemalige Schule gestürmt, in der sie sich neun Jahre nicht hat blicken lassen, und verlangt jetzt auch noch einen Direktorsposten – zusätzlich zum fortgezahlten Ministergehalt, zusätzlich zum Nationalratsmandat! Das ist etwas, was ich nicht verstehe, und ich erwarte mir von einer ernstzunehmenden neuen Regierung, die sich auf ihre Fahnen geschrieben hat, einen Neubeginn zu starten, hier eine klare Antwort. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe mich auch sehr darüber gewundert, Herr Bundeskanzler, daß Sie bisher kein Wort darüber verloren haben, daß Ihr Vorgänger Dr. Vranitzky mittlerweile eine monatliche Pension in Höhe von 356 000 S kassiert, wie das "Wirtschaftsblatt" recherchiert hat. 356 000 S – da werden jetzt einige sagen, das ist aus einem privatwirtschaftlichen Dienstverhältnis mit der Länderbank, nur so ist es nicht, denn in dieser Zeit, als dieser Pensionsvertrag ausverhandelt wurde, hat die Länderbank 10 Milliarden österreichische Steuerschillinge kassiert und damit auch diesen Pensionsvertrag des Dr. Vranitzky finanziert.

Dieses Privilegienthema ist für uns besonders wichtig, und ich möchte Ihnen folgende Zahlen in Erinnerung rufen: Wir haben in Österreich ungefähr 1,5 Millionen ASVG-versicherte Pensionisten. Von diesen 1,5 Millionen Menschen bekommen genau 5 000 die ASVG-Höchstpension, die bei 27 000 S brutto liegt. Das sind aber Leute, die ihr Leben lang fleißig am Monatsersten ihre Pensionsbeiträge eingezahlt haben und dann mit einem Bruchteil von dem im Jahr auskommen müssen, was der ehemalige Bundeskanzler Vranitzky in einem Monat einstreift. Das ist ein ungeheurer Skandal, der auch in diesem Hohen Haus wieder einmal aufgezeigt werden muß. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler Mag. Klima! Solange Sie zu diesem Thema schweigen, machen Sie sich auch ein bißchen mitschuldig an der ganzen Geschichte, und Sie dürfen sich dann nicht wundern, wenn nicht nur die Zeitungen, sondern auch die Opposition hinterfragen, warum Sie schweigen. Vielleicht schweigen Sie unter anderem auch deshalb, weil Sie als noch recht junger Bundeskanzler bereits einen nicht gerade nicht privilegierten Pensionsvertrag mit der OMV in der Tasche haben. Da darf man sich dann nicht wundern, wenn diese Themen auf die Tagesordnung kommen.

Es gibt auch keine Stellungnahme der neuen Bundesregierung zur bevorstehenden Beschlußfassung über die Bezügepyramide für Politiker. Solange die neue Bundesregierung beziehungsweise der Herr Bundeskanzler dazu schweigt, kann man nur vermuten, daß er deshalb schweigt, weil die Bezügepyramide vorsieht, daß der neue Bundeskanzler immerhin um 1 Million Schilling mehr bekommen soll, als sein Vorgänger noch bekommen hat.

Herr Bundeskanzler! Professor Schambeck hat heute sehr deutliche Worte gefunden und auch aus unserer Sicht durchaus zu unterstützende Punkte gesagt, die den Bundesrat betreffen. Ich möchte aber noch einige Punkte ergänzen, die vor allen Dingen den Umgang mit diesem Hohen Haus betreffen. Ich glaube, die Bundesregierungen der letzten Jahre haben dieses Hohe Haus


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 42

ziemlich verschaukelt. Ich sage das ganz bewußt und so deftig, weil wir hier in diesem Hohen Haus schon so viel erlebt haben. Ich möchte ein paar Beispiele erwähnen:

In regelmäßigen Abständen kommen rote oder schwarze Minister zu uns und erklären uns: Diese Autobahnmaut ist ein tadelloses System, das ist hieb- und stichfest, und kein Mensch redet über das Chaos rund um die Vignette, obwohl sich schon ganz Österreich darüber aufregt. Dann kommt der nächste Minister und erklärt uns, daß die Werkvertragsregelung eh so toll und so super ist. Dieser geht kaum hinaus, regen sich in den Ländern schon die Parteiorganisationen von SPÖ und ÖVP über das Thema auf. Dann kommt die Krankenscheingebühr auf die Tagesordnung, und der ehemalige Minister Hums erzählt uns, wie toll diese Regelung ist. Mit Ausnahme von Bundesrat Gerstl und unserer Fraktion hat niemand zu diesem Zeitpunkt darauf hingewiesen ... (Bundesrat Schaufler: Was nicht stimmt!) Das ist immerhin erst eineinhalb oder zwei Monate her, das darf man nicht vergessen! Herr Hums hat erst darauf reagiert, indem er gesagt hat, daß diese Chipkarte auch eine Möglichkeit wäre.

Oder – das hat Kollege Rockenschaub bereits angesprochen –: Der Auftritt von Frau Konrad in der letzten Plenarsitzung des Bundesrates ist ganz signifikant: Da kommt eine Frau herein, erzählt uns, sie hat das volle Vertrauen der SPÖ, sie ist auf ewige Zeiten Frauenministerin – sie zählt zu den hellsten Köpfen, das hat, glaube ich, Kollege Konečny gesagt –, und nicht einmal drei Wochen später ist sie von der Bildfläche verschwunden. Ja wenn wir ihr das nicht mit der dringlichen Anfrage ermöglicht hätten, hätte sie überhaupt nie dem Hohen Haus nur irgend etwas von ihrer Politik berichten können. Kollege Konečny hat sich auch umsonst letztes Mal das Leiberl "halbe-halbe" übergestreift, denn auch diese Aktion ist mittlerweile gestorben – nicht zu unserer Unzufriedenheit, nur nebenbei gesagt. (Bundesrat Dr. Tremmel: Aber das Leiberl hat er noch! – Bundesrat Konečny: Aber ich mache auch "halbe-halbe"!)

Ich meine, daß sich das Verhältnis der Regierungsmitglieder zu den Bundesräten in der Weise ändern muß, daß die Damen und Herren Minister nicht glauben, daß es eine Art lästige Verpflichtung ist, hier vor dem Hohen Haus Rede und Antwort zu stehen. Wir wollen, daß hier ein fruchtbarer Diskussionsaustausch, ein Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedern der Bundesregierung und den Ländervertretern stattfindet. Wir wollen nicht, daß die diversen Termine und Stellungnahmen, die die Bundesminister hier abgeben, ein lustiges Plauderstündchen sind, bei der man einen Parteifreund begrüßt, ein bißchen auf die Uhr schaut und dann einen Kaffee trinken geht, sondern wir wollen eine ernsthafte Diskussion mit den Regierungsmitgliedern führen!

Das fängt schon bei Herrn Bundeskanzler Mag. Klima an, der beispielsweise in der letzten Sitzung zu Beginn seiner Ausführungen ganz lässig auf die Uhr geschaut hat, quasi mit der Frage auf den Lippen: Burschen, wie wollt ihr es haben? – Eine kurze oder eine lange Stellungnahme?, um nicht zu sagen: offiziell oder inoffiziell? – Ich habe nämlich nicht viel Zeit!

So wird es in Zukunft nicht gehen. Wir wollen, daß in den Bundesratssitzungen ausführlich diskutiert wird, daß nicht in Parteiblöcken gedacht wird, daß hier nicht die Apparatschiks von SPÖ und ÖVP auf der einen Seite sitzen und einige Freigeister von den Freiheitlichen auf der anderen (Bundesrat Konečny: Woher nehmen Sie den Anspruch auf Geist? – Bundesrat Dr. Linzer: Sie sind der Parade-Apparatschik vom Haider! – weitere lebhafte Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP) , sondern daß hier eine intensive Diskussion über die Probleme der Länder geführt wird. Das wollen wir haben, und so stellen wir uns einen lebendigen Bundesrat vor! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Abschließend möchte ich Sie nur ganz sanft darauf aufmerksam machen (Bundesrat Dr. Linzer: Sie sind der Parade-Apparatschik von Haider!), daß Sie als designierter Parteivorsitzender der SPÖ vielleicht auch in den Landesorganisationen einmal ein bißchen für Ordnung sorgen sollten, denn Ihre Nachdenkpause, die Sie seit dem Auftreten des Urkundenfälschungsskandals in Kärnten gemacht haben, hat immerhin fast eine Woche gedauert. (Bundesrat Konečny: Soll ich einen Geschäftsordnungsantrag stellen und sagen, daß Sie alle bewaffnet sind? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 43

Herr Kollege Konečny! Ich will das Thema wirklich nicht im Detail aufs Tapet bringen, aber es muß gesagt werden, daß dort ein unglaublicher Skandal passiert ist und daß der Herr Bundeskanzler als designierter SPÖ-Vorsitzender selbstverständlich dazu aufgerufen ist, diese Dinge – diese gibt es ja nicht nur in Kärnten – ein für allemal in Ordnung zu bringen. (Zwischenruf des Bundeskanzlers Mag. Klima. ) Da hätten wir uns halt etwas mehr Geschwindigkeit im Handeln gewünscht, wenn man schon davon spricht, daß jetzt mit dem neuen Bundeskanzler ein frischer Wind im Bundeskanzleramt weht, sonst muß ich leider bei meiner Feststellung bleiben, daß es sich tatsächlich nur um ein laues Lüfterl handelt. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Linzer: Kehrt vor eurer eigenen Tür! Da hätte Haider schon längst zurücktreten müssen!)

11.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Meier. – Bitte.

11.52

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Regierungserklärungen finden im allgemeinen am Beginn einer Legislaturperiode, also nach Nationalratswahlen, zu wichtigen und aktuellen Themen und anläßlich von Regierungsumbildungen statt. Ich sage dies deshalb, weil es sich bei der heutigen Regierungserklärung um eine Erklärung anläßlich einer Regierungsumbildung handelt, mit neu ernanntem Bundeskanzler, mit neuen Ministern und Ministerinnen, aber innerhalb der gleichen Gesetzgebungsperiode des Nationalrates, für die SPÖ und ÖVP ein Koalitionsabkommen geschlossen haben, das weiterhin bestehenbleibt und dessen Grundsätze nicht geändert werden.

Es ist positiv anzumerken, daß die Regierungserklärung zwischen den Koalitionspartnern akkordiert wurde: Es ist die gemeinsame Erklärung der Regierung.

Natürlich gab es auch personelle Fragen, auf die ich hier aber nicht näher eingehen will. Ich kann jedenfalls versichern – jeder weiß das –, daß im Rahmen der Sozialdemokratischen Partei in vielen Sparten mehrere ausgezeichnete Persönlichkeiten auch für Regierungsämter zur Verfügung stehen. Es ist also keineswegs so, daß man für bestimmte Aufgaben jeweils nur eine Frau oder nur einen Mann zur Verfügung hätte.

Herr Professor Schambeck hat heute gesagt – dies ist ein allgemeiner Ausspruch –: Dank ist keine politische Kategorie. – Ich möchte aber dennoch anläßlich dieser Regierungsumbildung den Dank an die ausgeschiedenen Minister und den immerhin zehneinhalb Jahre im Amt gewesenen Bundeskanzler Dr. Vranitzky aussprechen. Bei aller Kritik – das ist nun einmal die Hauptrolle der Opposition – sollten doch auch die menschlichen Leistungen gewürdigt werden, sollte das Bemühen um Ausgleich und Gemeinsamkeit anerkannt werden, sollte der Beitrag Österreichs zur Europäischen Integration, die Bemühungen um gegenseitiges Verständnis innerhalb der europäischen Völkerfamilie und der Beitritt Österreichs zur EU hervorgehoben und jene Achtung betont werden, die Österreich in Europa und der Welt genießt.

Mit der Feststellung, daß Österreich in einer international gesehen schwierigen Zeit – Globalisierung, Ostöffnung, Arbeitsplatzfrage und so weiter – eine Reihe von positiven, über dem Durchschnitt liegenden Indizes aufweisen kann, möchte ich von der Regierung Vranitzky zur neuen Regierung unter Bundeskanzler Mag. Klima und dessen Regierungserklärung kommen und darauf eingehen.

Kritiker werden natürlich von vornherein bemängeln, daß manches zu wenig betont wurde, daß ihnen wichtig erscheinende Punkte nicht im entsprechenden Ausmaß Erwähnung gefunden haben. Aber auch eine wichtige Regierungserklärung kann nicht auf alle Einzelheiten und alle daraus resultierenden Folgerungen eingehen. Ich unterstreiche daher folgende grundsätzliche Feststellungen dieser Regierungserklärung: Die Leitlinien für die Regierungsarbeit dieser Legislaturperiode sind im Koalitionsübereinkommen festgelegt. Es ist dies ein Bekenntnis zur Zusammenarbeit innerhalb der Koalition und zum Gespräch mit den Bürgern und jenen demokratischen Gruppen, die sie vertreten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 44

Ich möchte sagen, was ich glaube, daß die Österreicher und Österreicherinnen wollen: Sie wollen, daß ihre Interessen vertreten werden, daß die Lage verbessert und die Probleme gelöst werden. Sie wollen keinen internen Streit und kein Hickhack, sondern Zusammenarbeit und das Ziehen an einem Strang. Sie wollen das vehemente Anstreben gesteckter Ziele in angemessenen Entscheidungsfristen.

Bundeskanzler Klima hat gesagt, daß Detailpunkte der letzten Regierungserklärung weiterhin gültig sind. Das muß man in die vorliegende Regierungserklärung noch miteinbeziehen.

Ich nenne einige dieser Punkte, die mir besonders wichtig erscheinen. Es ist wichtig, das Budgetdefizit in kontrollierbare Bahnen zu lenken und in jene Richtung zu entwickeln, die den Eintritt in die Europäische Währungsunion ermöglicht. – Vergleichen Sie bitte die Probleme der anderen EU-Staaten auf dem Weg in die Währungsunion mit der österreichischen Situation. Ich glaube, diese Vergleiche sind notwendig und wichtig.

Die Länder, Städte und Gemeinden konnten bei der Finanzplanung miteinbezogen werden. Das war wahrlich keine leichte Aufgabe! Trotz Kritik und Abwehrhaltung kam ein Konsultationsmechanismus zustande, dem die Bundesländer, die uns in den Bundesrat entsenden, zustimmten – und dies trotz mancher Bedenken der Legislative.

Zum Punkt Beschäftigungssicherung möchte ich sagen, daß es kein detailliertes und überall wirksames Rezept gibt. Aber die Bemühungen und Erfolge, die sich durch Firmenansiedlungen und Firmengründungen schon abzeichnen, werden durch die grundsätzliche Aussage in der Regierungserklärung unterstützt. (Bundesrat Dr. Tremmel: 300 000 Arbeitslose!)

Herr Dr. Tremmel! Es kommt immer die Frage: Wie viele Arbeitsplätze hat dies oder jenes gebracht? (Bundesrat Dr. Tremmel: 300 000 Arbeitslose!) Ich gebe jedem den Rat, keine konkrete Zahl zu nennen, weil tagtäglich Arbeitsplätze verlorengehen, aber auch tagtäglich neue geschaffen werden. Kehren wir doch die Frage einmal um: Wie viele Arbeitsplätze wären ohne diese oder jene Maßnahme, ohne diese oder jene Entwicklung, die gefördert wurde, noch zusätzlich verlorengegangen? – Beide Zahlen lassen sich natürlich im nachhinein schwer verifizieren. Tatsache ist aber, daß wir insgesamt eine stabile Beschäftigtenanzahl haben und sich auch andere Ursachen – ich komme noch darauf zurück, welche – statistisch auswirken.

Bedenken wir nur etwa – besonders hinsichtlich der Statistik –, wie viele Frauen in den letzten 20 Jahren erstmalig in den Arbeitsprozeß eingetreten sind. Diese Frauen haben früher deshalb nicht als Arbeitslose gegolten, weil sie schlicht und einfach unter der Berufsbezeichnung "Hausfrau" in den Bögen der Volkszählung geführt wurden. Heute werden diese Frauen, wenn sie arbeitslos werden, als Arbeitslose mitgezählt. Das möchte ich nur in bezug auf die Statistik feststellen, ohne irgendeine Wertung vorzunehmen.

Die Art der Finanzierung der Spitäler wurde umgestellt. All das ist freilich noch nicht erledigt. Die Umsetzung beginnt gerade jetzt wirksam zu werden, die enorme Arbeit der Durchführung muß bewältigt werden.

Zum Problem Gewalt in der Familie: Es ist zu hoffen, daß die Situation durch gesetzliche Grundlagen einer Verbesserung zugeführt werden kann.

Trotz hohen Wohlstands – Österreich ist ein reiches Land – wächst die Armut. Die Schere zwischen Wohlstand und Armut scheint sich weiter zu öffnen. Es müssen daher auch jene, die es sich leisten können, einen Beitrag zur Gesamtverbesserung leisten. Das heißt nun nicht, daß den – unter Anführungszeichen – "Reichen" und "Tüchtigen" etwas weggenommen werden sollte – damit hier ja nichts falsch interpretiert wird! Es kann mir aber niemand weismachen, daß all jene, die auf dem unteren Ende der Einkommens- und Pensionsskala liegen, Sozialschmarotzer und Faulpelze seien und einzig und allein selbst die Schuld an ihrer Lage hätten. Zu diesem Umdenken beizutragen, ist auch eine Sache unserer Gesellschaft.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß jetzt das Liberale Forum ein garantiertes Mindesteinkommen, und zwar auch ohne Arbeit, für jeden oder jede fordert. Früher hat man solche


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 45

Forderungen eher der linken Seite zugeschrieben. Ich mache nur als Anmerkung darauf aufmerksam, weil diese Forderung ein Beweis dafür ist, wie schwer es ist, wenn man auf das Thema tatsächlich eingeht, ein generell richtiges Rezept, vor allem aber eine Antwort darauf zu finden, wer die – unter Anführungszeichen – "besten Ideen" letztlich wieder finanzieren soll.

Ich denke, daß der Weg Bundeskanzler Klimas von seinen realistischen Einschätzungen her ein gangbarer Weg ist, der nicht jedem alles verspricht, der aber in Erkenntnis der Probleme Lösungen anstrebt, die – in Diskussion und möglichster Übereinstimmung mit den Interessengruppen, aber auch mit den Sozialpartnern – verwirklichbar sind.

So wie eine Schere zwei Hebel hat, hat unsere Gesellschaft neben vielen kleineren Gruppen auch zwei Hauptgruppen, nämlich jene, die sich auf der einen Seite, auf dem einen Hebel der Wohlstandsschere befinden, und jene auf der anderen Seite. Diese beiden Gruppen muß man einander näherbringen!

Internationalisierung, Globalisierung, Automatisierung, Kommunikationstechniken, Verkehr, Umwelt, Gentechnik, Ernährungsfragen, Forschung und Technologie, Bildung, Schule, Wissenschaft, Gleichberechtigung, Sicherheit – um nur einige Beispiele anzuführen – schaffen neue Herausforderungen. Und diese Herausforderungen sind wahrlich nicht klein.

Diese Hauptpunkte hat Bundeskanzler Klima in der Regierungserklärung angeführt. Was mir an Bundeskanzler Klima und seiner Darlegung gefällt, ist das Erkennen, das Analysieren der Probleme und der notwendige, realistische – nicht naive oder euphorische – Optimismus. Von dem, was die Amerikaner – siehe ihre Parteikongresse – an Gefühlen und Zukunftshoffnung oft zuviel zeigen, haben wir in Österreich vielleicht etwas zu wenig. Wir haben zu wenig von diesem Optimismus. Deshalb ist Bundeskanzler Klima auch nicht Bill Clinton, sondern – und das gefällt mir – er ist Viktor Klima – und das soll er auch bleiben, und er soll auch in der Zukunft für uns arbeiten! (Beifall bei der SPÖ.)

Sozialer Zusammenhalt und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sind keine Widersprüche, sagt Bundeskanzler Klima. Es wird auch unsere Aufgabe sein, den richtigen Weg – ich sage auch: den mittleren Weg, den gemeinsamen Weg – zu finden und die Regierung zu unterstützen, aber auch sie zu kontrollieren. Meine Damen und Herren! Wenn die Regierung einseitig würde – in welcher Richtung auch immer –, würde in Österreich schon ein kräftiges Gegengewicht spürbar werden.

Ich sage aber dem Koalitionspartner, er soll keine Abstecher machen, sondern innerhalb der Koalition verhandeln. (Beifall bei der SPÖ.) Schriftliche – unter Anführungszeichen – "außereheliche" Vereinbarungen und Abstimmungen gegeneinander – auch hier im Bundesrat schon erfolgt – bringen wenig.

Es gibt noch eine Reihe wichtiger Punkte, ich nenne einige davon stichwortartig: Die Verbesserung der Infrastruktur ist wichtig; dort, wo es notwendig ist, sind Straßenlücken zu schließen. Der Schienenverkehr ist auszubauen – manchmal auch in Form eines Tunnels. Die Förderung der Exportwirtschaft, natürlich innerhalb der EU-Regeln, erscheint mir als ganz besonders wichtig. Heute wurde schon mehrmals betont, auch die Bedeutung der kleinen und mittleren Unternehmen soll wirklich bedacht und berücksichtigt werden. Dazu tragen auch Verbesserungen auf dem Kapitalmarkt bei.

Ziel ist ferner die Fortsetzung des Budgetkonsolidierungskurses in Planung und Budgetausführung nach 1997, in den Jahren 1998 und 1999. Auch wenn es getrennt beschlossen wird, muß man für die beiden Jahre schon ein gemeinsames Konzept haben. Jede Verringerung der Zunahme der Staatsschuld ergibt für die Zukunft einen größeren Budgetspielraum und erspart Zinsen.

Ein wichtiger Punkt scheinen mir auch Schule, Ausbildung, Berufsvorbereitung, Studium, also die gesamte Bildungspolitik, zu sein. Diese bilden auch Schwerpunkte in dieser Regierungserklärung. Auch die Fachhochschulen müssen weiter verstärkt gefördert werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 46

Unter Berücksichtigung der Finanzierbarkeit der Pensionen und des Gesundheitssystems sind auch auf diesen Gebieten Reformen notwendig, die jenen Generationen, die bisher während ihres Arbeitslebens große Beiträge geleistet haben, ihre Rechte für die Zukunft sichern.

Die Regierung wird ihr Augenmerk auch auf all jene Maßnahmen legen, welche die Sicherheit in Österreich erhalten und verbessern können. Es geht dabei sicherlich auch um Solidarität in Europa, die Österreich ja bereits bewiesen hat. Aber wir sehen aus einem Ausspruch eines freiheitlichen Vorredners, was man aus Formulierungen machen kann. Kollege Rockenschaub hat gesagt: Was machen wir, wenn Österreich von der NATO umzingelt ist? (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das Wort "umzingeln" setzt eine feindliche Haltung voraus. Wenn ich hier von Ihnen, meine Damen und Herren, "umzingelt" wäre, würde ich mich nicht sehr wohl fühlen. Gott sei dank bin ich unter Ihnen, inmitten von Ihnen. – Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, daß die NATO, die sich nach Osten erweitert, eine Gefahr für Österreich darstellt. Das glaube ich absolut nicht! Darum sollte man diese Entwicklung abwarten und mitgestalten. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Tremmel: Diese Feststellung freut mich! Dann ziehen Sie aber auch die Konsequenzen daraus! Nicht einen Schritt vor und zwei zurück! – Rufe und Gegenrufe bei den Freiheitlichen und der SPÖ. ) – Da brauchen wir gar nichts zu ziehen, sondern die derzeitige Haltung ist der richtige Weg.

Einen Punkt aus der Regierungserklärung möchte ich noch hervorheben, und zwar die Europapolitik. Die EU und die damit zusammenhängenden Entwicklungen beeinflussen Österreich, und Österreich gestaltet durch die Regierungsvertreter im EU-Ministerrat die EU-Politik mit, und zwar stärker als im Europäischen Parlament. Dies betrifft etwa auch das Ergebnis der im Vorjahr begonnenen Regierungskonferenz. Da hat Österreich seine Stellungnahme zu den einzelnen Punkten sehr klar ausgedrückt. Es gibt umfangreiche Listen über die Themen, die dort behandelt wurden, mit den Stellungnahmen Österreichs: "Ja", "Nein", "Wird gefordert" und so weiter. Ich bitte alle, die das nicht kennen, das nachzulesen.

Wichtig wird für Österreich aber auch die Präsidentschaft innerhalb der EU im zweiten Halbjahr 1998 sein. Darum ist es besonders wichtig, den Standpunkt Österreichs nach außen konzertiert zu vertreten. Man kann nicht einerseits der Regierung irgendwelche Schwächen gegenüber der EU vorwerfen, während die eigene Partei – und damit meine ich dezidiert die FPÖ – in Brüssel und in Straßburg wesentlich dazu beiträgt, daß Österreich in eine Außenseiterrolle gedrängt werden könnte, wenn diese das Sagen hätte.

Daher kann ich mir auch nicht vorstellen, sehr geehrte Damen und Herren Koalitionspartner, daß die Präsidentschaft Österreichs in der zweiten Hälfte 1998 mit einem anderen Koalitionspartner als den Sozialdemokraten funktionieren könnte. Da Sie ja nach eigener Definition ein deklarierter EU-Befürworter sind, wäre das ein Bremsklotz für Ihre Politik. Es gilt nun zu beweisen, daß Österreich als kleines EU-Land – wie zum Beispiel auch Irland – eine initiative und anerkannte EU-Präsidentschaft durchführen kann und in einigen Bereichen auch bleibende Maßstäbe für die EU setzt.

Mit der Regierungserklärung hängt auch das vorliegende Bundesministeriengesetz zusammen, denn die Regierungsumbildung hat auch innerhalb der Ministerien Kompetenzveränderungen ergeben. Sie wissen, worum es sich handelt: Der Gesundheitsbereich kam zum Sozialministerium, der Konsumentenschutz zum Frauenministerium, ein Staatssekretariat für Beamte und die Währungsunion ins Finanzministerium und ein Staatssekretariat für Sport und Kultur ins Bundeskanzleramt. Wissenschaft und Verkehr sind in einem Ministerium zusammengefaßt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Natürlich kann man über diese Kompetenzverteilung diskutieren. Aber wir haben auch heute wieder die Forderung nach der Zusammenlegung von Ministerien und der Verminderung der Zahl der Ministerien gehört.

Wenn das gefordert wird, dann ist es ganz klar, daß jetzt ein Ministerium zwei oder drei Agenden anderer Ministerien innehat und diese ausüben muß. Es werden also diese Kompeten


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 47

zen zusammenlegt. Natürlich kann man über das große Bildungsministerium – Schule, Kultur, Wissenschaft und Forschung – diskutieren, aber auch dieses stößt auf Ablehnung. Es gibt eine große Koalition beziehungsweise eine Koalition zweier Parteien. Es ist auch verständlich, daß jede Partei in gewissen Sparten Verantwortung übernehmen und mittragen will. Man kann aber jetzt schon beginnen, darüber nachzudenken, wie Kompetenzen in jener Zeit, in der eine neue Regierung, eine neue Koalition gebildet wird, aufgeteilt werden.

Wichtig scheint mir jetzt bei diesen Kompetenzen etwas anderes zu sein: Wie und von wem werden die entsprechenden Agenden wahrgenommen? Welche Abteilungen stehen im Ministerium zur Verfügung? – Meine Damen und Herren! Diese gibt es, und selbst wenn man einen Minister einspart, spart man nicht sehr viel ein, denn die Agenden müssen wahrgenommen werden, und die Beamtenschaft im Ministerium bleibt erhalten.

Welche Budgetvoraussetzungen sind für die einzelnen Sparten – nehmen wir Wissenschaft und Forschung, weil darüber diskutiert wird – vorhanden? – Die Österreicher und Österreicherinnen wollen, daß die Regierung arbeitet und Probleme löst, darum war die rasche Regierungsumbildung zielführend, und sie wurde auch positiv aufgenommen. Wir von der Legislative sollten nach unseren Aufgabengebieten die Regierung unterstützen, kontrollieren, aber sie auch als Exekutive arbeiten lassen. Die vorliegende Regierungserklärung auf der Basis des Koalitionsabkommens bildet hiezu eine gute Grundlage. Ich wünsche der umgebildeten Regierung mit Bundeskanzler Mag. Klima dabei viel Erfolg. (Beifall bei der SPÖ.)

12.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile es ihm.

12.12

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Dieser neuen SPÖ-Regierungsmannschaft und Herrn Bundeskanzler Klima wurden große mediale Vorschußlorbeeren gestreut, wenngleich der Anfang nicht leicht sein wird, gilt es doch, eine Fülle von Problemen und Schwierigkeiten, die sich in den letzten Monaten angehäuft haben, wie Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, sinkende Exportzahlen, steigende Arbeitslosenzahlen, steigende Insolvenzzahlen in der mittelständischen Wirtschaft, rasch gemeinsam zu meistern. Es wird in knapp drei Jahren der Wähler sein, der diese Bundesregierung an den Taten messen wird.

Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen eine kurze Rückschau auf die vergangenen zehn Jahre große Koalition halten. Kollege Meier! Wir bekennen uns zur großen Koalition. (Bundesrat Meier: Ich habe dieses Wort nicht genannt!) Sie haben quasi von politischen Seitensprüngen gesprochen. Ich kann mich noch erinnern, als wir das Anti-Mißbrauchgesetz beschlossen haben, hat die SPÖ mit der FPÖ gestimmt. Ich würde Ihnen empfehlen, das auch Kollegen Häupl zu sagen, der schon medial Empfehlungen an den neuen Bundeskanzler gegeben hat, mit wem er zusammenarbeiten soll.

Wir bekennen uns zur großen Koalition. Wir leugnen nicht, daß wir schon seit zehn Jahren in der großen Koalition sind. (Bundesrat Rauchenberger: Da haben Sie schon kräftigere Annäherungsversuche gemacht, Herr Kollege Kaufmann!) Wir sind auch stolz darauf, weil gerade in den letzten zehn Jahren durch die Zusammenarbeit der beiden großen Parteien unserem Heimatland eine Stabilität beschert wurde, die man nicht hoch genug einschätzen kann. Wir erwarten uns vom neuen Regierungsteam mehr Schwung und Initiative, und wir werden gemeinsam diese große Koalition, wie es das Regierungsübereinkommen vorsieht, die vorgesehenen vier Jahre fortsetzen.

Meine Damen und Herren! Zehn Jahre große Koalition: In diesen letzten zehn Jahren wurden weitreichende Entscheidungen für Österreich, für dessen Bevölkerung und für die gesamte Wirtschaft dieses Landes getätigt. Es ist gelungen, die Verstaatlichte weitestgehend zu entstaatlichen – ein Produkt gemeinsamer Arbeit von ÖVP und SPÖ. Der Bundeskanzler hat bei seiner Regierungserklärung darauf hingewiesen, daß die ÖVP bei manchen Punkten nicht geklatscht hat. Einer der Gründe dafür war, daß die Schulden, auf die er hingewiesen hat, die Zinsen, die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 48

wir jährlich zahlen müssen – es sind 100 Millionen –, größtenteils aus der Kreisky-Ära stammen, aus der Zeit, in der wir in die verstaatlichte Industrie Millionen hineinpumpen mußten.

Wir sind stolz darauf, daß in den letzten zehn Jahren das Bruttonationalprodukt verdoppelt wurde. Zweifellos hat die gesamte Bevölkerung, also wir alle, daran gearbeitet.

Wir sind stolz darauf, daß über Initiative der Volkspartei zwei Steuerreformen durchgeführt wurden, vor allem eine Unternehmensteuerreform, die für unseren großen Nachbarn Deutschland Vorbild war und ist.

Wir sind stolz darauf, daß in den letzten zehn Jahren unsere heimische Wirtschaft mit 11 Milliarden Schilling unterstützt wurde. Mit dieser Mittelstandsförderung haben wir heute um 34 000 aktive Betriebe mehr als vor zehn Jahren und 260 000 Arbeitsplätze mehr. Mir ist schon klar, daß wir einerseits auf diese Zahlen stolz sein können, andererseits aber diese auch – wir haben derzeit über 300 000 Arbeitslose – in eine gewisse Relation stellen müssen. Dazu möchte ich schon den Freiheitlichen und vor allem Kollegin Riess etwas sagen: Man muß auch die 300 000 Arbeitslosen in Relation dazu stellen, wie viele Arbeitsplätze wir in Österreich insgesamt haben. (Bundesrat Dr. Tremmel: Unterm Strich sind es 300 000 Arbeitslose!)

Kollege Tremmel! Es stimmt schon, und es ist traurig genug, daß wir zwar 301 000 Arbeitslose haben, dafür aber mehr als 3 Millionen Beschäftigte. Im Jahr 1950 hatten wir auch ungefähr 300 000 Arbeitslose, aber da hatten wir nur 1,9 Millionen Arbeitsplätze. Ich glaube, man sollte das in eine gewisse Relation stellen.

Die Stellungnahme des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger hinsichtlich der letzten Zahlen lautet: Es ist das größtenteils saisonal bedingt. – Wenn man das in Relation zum vergangenen Jänner 1996 setzt, dann stellt man fest, das sind insgesamt um 440 Arbeitslose mehr.

Meine Damen und Herren! Es ist auch gelungen – darauf hat auch der Bundeskanzler hingewiesen –, das Budgetdefizit entscheidend zu senken. Es konnten in den letzten zehn Jahren entscheidende sozialpolitische Erneuerungen beschlossen werden – nicht immer zur Freude der Wirtschaft –, aber wir sollten trotzdem stolz darauf sein, daß es gelungen ist, die Pflegevorsorge und eine Karenzzeitregelung gemeinsam zu beschließen. Ich glaube, beide Großparteien können dieser Koalition der letzten zehn Jahre ein positives Zeugnis ausstellen.

Meine Damen und Herren! Es wurde heute schon erwähnt, aber man sollte es nochmals erwähnen: In diese Zeit ist auch der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union gefallen. Und hier sollte man auch Außenminister Dr. Alois Mock erwähnen, der seine erste Auslandsreise im Jahr 1986 nach Brüssel absolviert hat und nicht wie Bundeskanzler Kreisky zu Gaddafi oder zu anderen Potentaten dieser Region. (Zwischenruf des Bundesrates Rauchenberger. )

Meine Damen und Herren! Ich bin eigentlich stolz darauf – ich wollte gerade etwas Positives sagen –, daß der jetzige Bundeskanzler seine erste Auslandsreise nach Holland durchführt – ein Signal, daß wir in der Europäischen Union sind. Ich bin froh darüber, daß damit auch von der SPÖ, von der sozialdemokratischen Seite ein Bekenntnis zu diesem Europa erfolgt.

Von Kollegin Riess wurde die Abhaltung einer Volksabstimmung zum Euro verlangt. Kollegin Riess und die Freiheitlichen wissen genauso wie wir, daß, als die Maastricht-Verträge abgeschlossen wurden, der Euro ein Bestandteil dieser Maastricht-Verträge war. Es ist reiner Populismus, wenn man nachträglich eine Volksabstimmung verlangt, obwohl sich doch schon in einer Volksabstimmung eine überwältigende Mehrheit der Österreicher für Europa ausgesprochen hat.

Meine Damen und Herren! Es ist beiden Regierungsparteien gelungen, daß heute Österreich ein vollwertiges Mitglied in Europa ist, und es ist auch gelungen, daß wir damit den Wirtschaftsstandort im Herzen Europas festigen und ausbauen können und werden.

Meine Damen und Herren! Taten sind es, an denen man gemessen wird, nicht Worte. Was die österreichische Politik heute dringend braucht, ist eine ernsthafte Diskussion über die Zukunft


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 49

unseres Landes, und dazu braucht es Taten und nicht verbaler Akrobatik, Miesmache oder Schüren von Ängsten, dessen sich die Freiheitlichen immer wieder bedienen.

Meine Damen und Herren! Das Kabinett Klima hat jetzt die Pflicht, aber auch die große Chance, Österreichs Zukunft auf lange Zeit vorauszuplanen und damit zu sichern. Im Zeitalter einer immer rascheren Globalisierung unserer Wirtschaft geht es darum, den Wirtschaftsstandort Österreich zu erhalten und auszubauen.

Ich möchte nun – heute wurde es schon erwähnt – auf das Interview im dieswöchigen "Spiegel" hinweisen, in dem Bundeskanzler Klima Positionen vertritt, die aufhorchen lassen: Bürokratieabbau, Flexibilisierung in der Arbeitswelt und im Sozialbereich. Hier geht es um Verbesserungen der Rahmenbedingungen für Klein- und Mittelbetriebe. Und vielleicht, wenn wir das über die Bühne bringen, werden wir den Bundeskanzler auch zum Ehrenmitglied des Österreichischen Wirtschaftsbundes machen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Habt ihr das Vranitzky auch angeboten?)

Meine Damen und Herren! Als Niederösterreicher möchte ich natürlich noch auf ein paar Punkte in bezug auf den Wirtschaftsstandort Niederösterreich eingehen, die sicherlich für ganz Österreich gelten, aber im besonderen für Niederösterreich. Kollege Farthofer hat zuerst darauf hingewiesen.

Meine Damen und Herren! Es darf in der jetzigen wirtschaftlichen Situation zu keiner neuerlichen Steuerbelastung für Unternehmen kommen, auch wenn die Körperschaftssteuer vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde. Die zwanghafte Folge wäre eine weitere Abwanderung an andere kostengünstigere Produktionsstätten beziehungsweise eine neue höhere Belastung der kleinen und mittleren Betriebe und damit ein Wegfall von Arbeitsplätzen.

Meine Damen und Herren! Es wurden heute schon die notwendige Entbürokratisierung und die Verfahrenskonzentration erwähnt. – Beides sind Punkte, die wichtiger sind als die Wirtschaftsförderung. Sowohl in der Gewerbeordnung als auch bei den Verwaltungsverfahren müssen wir rasch handeln. Ich möchte nur auf eine Studie der Bundeswirtschaftskammer hinweisen, die heute veröffentlicht wurde und die darauf hinweist, daß in Österreich Betriebsanlagenverfahren im Durchschnitt 409 Tage brauchen, also mehr als ein Jahr, im Gegensatz dazu in Deutschland nur 210 Tage, also rund sieben Monate.

Der Bundeskanzler hat zuerst das neue Anlagenrecht erwähnt, das von Minister Farnleitner zur Begutachtung ausgeschickt wurde. Dazu muß ich sagen: Die Vorstellungen der Volkspartei waren weitergehend als jene des Koalitionspartners, und es sind nicht all unsere Wünsche berücksichtigt worden. Hier wäre sicherlich noch ein entsprechendes Potential da, wenn der Koalitionspartner mitmachen würde. (Bundesrat Dr. Tremmel: Eine Durchsetzungsfrage!)

Ein zweiter Punkt, der von Kollegen Farthofer erwähnt wurde: die Ostöffnung. Ich bekenne mich zur Ostöffnung, aber mit Maß und Ziel und Gleichbehandlung. Wir haben einen ersten Schritt mit der Tschechei erreicht; aufgrund einer Initiative des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers kommt es nun zu gemeinsamen Abfertigungsstellen an der Grenze. Aber damit ist die Duty-free-Problematik nicht bereinigt. Wir müssen alles daransetzen, um zu einer fairen und gemeinsamen Lösung mit der Tschechei zu kommen, bevor unsere Heimat, unsere heimische Wirtschaft im nördlichen Niederösterreich ausrinnt und verdorrt. Es sind aber nicht alleine die Duty-free-Shops, meine Damen und Herren, es gibt so viele verdeckte Importe von tschechischen Firmen. Ich denke hier nur an Holzimporte, an anonyme Pseudoadressen, die unbedingt von der Finanzbehörde, aber auch von den Zollbehörden kontrolliert gehören. Es ist nicht einzusehen, daß für Niederösterreich das Finanzamt Graz für Importe ausländischer Firmen zuständig ist. Da muß rascher und effizienter gehandelt werden.

Es wurde auch von der Reform der Gewerbeordnung gesprochen. Ja, wir sind für Zugangserleichterungen, aber nur bei Gleichbehandlung in steuerlicher Hinsicht und bei Erhaltung der Qualität.

Meine Damen und Herren! Ich danke dem Bundeskanzler, daß er ein Bekenntnis zum dualen Ausbildungssystem, zur dualen Lehrlingsausbildung ausgesprochen hat. Wir sind für die Förde


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 50

rung und vor allem für die Entbürokratisierung ausbildender Betriebe anstatt für neue Belastungen. Ich glaube, das wäre der richtige Schritt und nicht, darüber nachzudenken, wie man Betriebe belasten kann. Das sind wieder dirigistische Vorstellungen, die aus der untersten Lade kommen.

Meine Damen und Herren! Hier sitzt der neue Wissenschaftsminister. Herr Bundesminister! Ich darf Ihnen eine Anregung und eine Bitte auf den Weg mitgeben. Ich bin Kremser, und seit mehr als einem Jahr ist die Position des Präsidenten der Donau-Universität Krems vakant. Ich glaube, es wäre dringend notwendig, damit diese Universität endlich zum Leben erweckt wird und effizient arbeiten kann, daß rasch eine Entscheidung getroffen wird, daß rasch ein neues Führungsgremium in Krems an der Donau-Universität installiert wird.

Zum Thema Sicherheit: Der Innenminister ist nicht mehr hier. Niederösterreich hat eine EU-Außengrenze von 400 Kilometern. Es darf meines Erachtens zu keinen weiteren Schließungen von Gendarmerieposten kommen, vielmehr ist es notwendig, die Sicherungsmechanismen an der Grenze auszubauen. Meine Damen und Herren! Nur ein hoher technischer Standard und genug Sicherheitspersonal werden es ermöglichen können, daß Österreich das Schengener Abkommen erfüllt. Wir alle müssen uns dessen bewußt sein, daß in diesem Bereich ganz Europa auf Österreich schaut. Meine Damen und Herren! Nur gemeinsam wird es auch möglich sein, diese Blockade, die wir derzeit haben – die einen wollen den Eisenbahntunnel durch den Semmering, die ÖVP will den Straßentunnel –, einer Lösung zuzuführen. Hier ist Aktivität angesagt, nicht gegenseitige Blockade! Es ist für den Süden Niederösterreichs enorm wichtig, daß Entscheidungen getroffen werden, und es ist an und für sich ein Wahnsinn, wenn zwei Hochleistungsstraßen, eine von Wiener Neustadt Richtung Semmering und eine durch das Mürztal, an einem Berg enden und man sich nicht auf eine Tunnellösung einigen kann.

Der Bundeskanzler hat von einer Flexibilisierung der Arbeitszeit gesprochen. Wir sind für eine Flexibilisierung, und das Interview des Generaldirektors von BMW-Steyr dieser Woche ist ein Beispiel dafür. BMW-Steyr hat uns vorgezeigt, wie man Flexibilisierung von Arbeitszeit durchführen kann – eine Flexibilisierung, die meines Erachtens gesetzlich nicht gedeckt ist, die aber doch den Mut des Betriebsrates zeigt, sich über gesetzliche Bestimmungen hinwegzusetzen und gemeinsame betriebliche Lösungen zu finden. Das sind unsere Ideen, und das müssen wir in absehbarer Zeit durchsetzen.

Meine Damen und Herren! Die zentrale Frage für dieses Regierungsteam lautet: Wie sichern wir, wie schaffen wir, wie verteilen wir künftig Arbeit? – Das ist die globale Herausforderung für diese neue Regierungsmannschaft. Ich hoffe, daß es diesem neuen Team gelingen wird, rasch zu erfolgreichen Gesetzen und Wegen zu gelangen.

Ich hoffe, daß Worte sehr bald in Taten umgesetzt werden, damit die österreichische Bevölkerung die positiven Veränderungen zugunsten des Wirtschaftsstandortes oder Arbeitsstandortes Österreich rasch spürt und erlebt.

Seitens der Österreichischen Volkspartei werden wir die Regierungsmannschaft unterstützen, und wir werden den Mut zur Veränderung mittragen. – In diesem Sinne danke ich für die Aufmerksamkeit! (Beifall bei der ÖVP.)

12.31

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile es ihm.

12.31

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine Herren Kollegen Meier und Farthofer! Daß Franz Vranitzky ein so toller Bundeskanzler war, sollten Sie nicht uns sagen, wir glauben Ihnen das nicht. Das sollten Sie den Genossen Häupl, Androsch, Mayr, Swoboda, und wie immer Sie


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 51

heißen, sagen, diese können Sie vielleicht noch bekehren. (Bundesrat Meier: Das ist eh klar! Das haben wir auch nicht erwartet!)

Denn, meine Damen und Herren, wir haben heute hier eine Regierungserklärung gehört, die zumindest etwas Positives hat, denn sie wurde nicht von Franz Vranitzky gehalten. (Bundesrat Meier: Das ist Ihr Feindbild, nicht?)

Der Herr Bundeskanzler hat heute in der Früh sehr viel Richtiges gesagt, und wir von seiten der freiheitlichen Opposition wollen das auch anerkennen. Wir sind aber mißtrauisch, denn wenn ich mir vor Augen halte, was sein Vorgänger Franz Vranitzky vor zehn Jahren hier gesagt hat, dann muß ich sagen, es sind Parallelen festzustellen. Franz Vranitzky hat in etwa 1987 behauptet, unser Land brauche einen Modernisierungsschub; als Grundvoraussetzung gelte es, die Wirtschaft zu modernisieren; diese Bundesregierung werde durch eine wirksame Politik der Stärkung der kleinen und mittleren Betriebe einen wirtschaftspolitischen Schwerpunkt setzen.

Und da ist das Allergrößte gewesen, 1987 sagte Franz Vranitzky: Angesichts der Entwicklung des Bundeshaushaltes und der daraus resultierenden Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaftspolitik stellt die Budgetkonsolidierung ein zentrales Anliegen für die kommenden Jahre dar. Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, das Budgetdefizit bis zum Jahre 1991 auf unter 3 Prozent und bis 1992 auf 2,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu senken.

Die Bundesregierung – so Vranitzky weiter – werde die angestrebte Konsolidierung des Bundeshaushaltes primär von der Ausgabenseite her in Angriff nehmen, da eine weitere Verstärkung der Ausgabendynamik bereits mittelfristig zu einem Budgetdefizit von untragbarer Höhe führen würde.

Sie sehen also, meine Damen und Herren, auch Franz Vranitzky hat vor zehn Jahren nichts Unwahres gesagt, nur all diese Ankündigungen fanden in der Realität, in der Politik keinen Niederschlag. Vranitzky hat all diese Ankündigungen – das nährt das Mißtrauen der Opposition – nicht umgesetzt.

Meine Damen und Herren! Franz Vranitzky und mit ihm auch seine Regierung sind letzten Endes an der Opposition, der FPÖ und ihrem Obmann Dr. Jörg Haider, an seinem zögerlichen Charakter, seiner Verschwendungspolitik und am untauglichen Versuch, diese zu korrigieren, gescheitert. Sein Rücktritt war die beste Entscheidung, die er je für dieses Land getroffen hat.

Jetzt allerdings würde es gelten, den Schaden, den die Regierung Vranitzky hinterlassen hat, einer Regierung, der auch der neue Bundeskanzler angehört hat, schnellstens zu reparieren. Es sieht allerdings danach aus, daß sich der Herr Bundeskanzler nur zum Testamentsvollstrecker seines Vorgängers machen will, zum Testamentsvollstrecker einer Politik, die Österreich an den Rand des Ruins gebracht hat. Denn mehr als 25 Jahre sozialistischer Verschwendungspolitik, meine Damen und Herren, lassen sich nicht so einfach vom Tisch wischen. Dafür ist die Zeche zu zahlen, auch wenn der Herr Bundeskanzler, auch wenn "Tricky Vicky", wie ihn eine Zeitschrift sehr liebevoll bezeichnet, kaschiert – kaschiert und nicht saniert.

In seiner Zeit als Finanzminister hat Viktor Klima nämlich begonnen, die Schulden wegzuzaubern. So wurden, um den EU-Konvergenz-Fahrplan einzuhalten, neben anderen Maßnahmen, über die wir hier schon zur Genüge diskutiert haben, auch die 78 Milliarden Schilling Straßenbauschulden der ASFINAG zu privaten Schulden erklärt. Daneben war dem damaligen Finanzminister und jetzigen Bundeskanzler jedes Mittel zur Geldbeschaffung recht. Das Belastungspaket, das er der Bevölkerung zugemutet hat, war einmalig. Postuliert hat er mindestens zwei Drittel Sanierungsbeitrag aus Einsparungen und maximal ein Drittel aus Einnahmenerhöhungen. Es ist allerdings bestenfalls die Hälfte davon geworden.

Und dennoch, meine Damen und Herren, ist die OECD skeptisch, ob Österreich die Maastricht-Kriterien erreichen wird. Und Sie, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, kündigen an, es werde kein zusätzliches Belastungspaket notwendig sein. Da kann etwas nicht stimmen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 52

Wir kündigen an, daß es zusätzliche Belastungen geben wird. Wenn Sie, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, Ihre heutige Politik fortsetzen, dann werden Sie auch genauso sozial unausgewogen sein wie in der Vergangenheit, weil nicht erkennbar ist, daß Sie grundsätzliche Reformen einleiten wollen.

Viktor Klima, der jetzige Bundeskanzler, ist unter anderem der Erfinder des 100-Milliarden-Schilling-Belastungspaketes, das vor allem die sozial Schwächeren getroffen hat – Behinderte, Frauen, Familien et cetera. Er ist politisch mitverantwortlich für die unzureichenden Verhandlungen Österreichs mit der EU und zur Gänze für das unzulängliche Ergebnis in der Transitfrage.

Er will dieses Land ohne Wenn und Aber in das Abenteuer Euro treiben. Er verspricht den Österreichern weiterhin die Anonymität der Sparbücher, obwohl ihm längst bekannt ist, daß diese fallen wird.

Die Mitglieder dieser Bundesregierung haben allerdings auch eine große Chance: Sie können zum Beispiel das Werkvertragschaos beseitigen; sie können die Autobahnpickerl-Misere in den Griff bekommen; sie können die Krankenschein-Katastrophe absetzen; sie können die Privilegien beseitigen und den freiheitlichen Antrag zur Gehaltspyramide unterstützen; sie können jetzt, da sie keinen Sozialminister mehr haben, der die Stirn hatte, zu behaupten, unsere Pensionen seien gesichert, das Pensionssystem harmonisieren. Und der neue Herr Bundeskanzler kann gleich bei sich selbst und seinem Vorgänger damit beginnen. Kollege Dr. Prasch hat es schon angesprochen: Franz Vranitzky wird nicht das Schicksal eines ASVG-Pensionisten tragen müssen, sondern 16mal im Jahr 356 000 S brutto beziehen können.

Sie sehen, meine Damen und Herren der Bundesregierung, es gibt viel zu tun. Packen Sie es ruhig an! In diesen Bereichen haben Sie auch unsere Unterstützung.

Wo Sie sich, meine Damen und Herren der SPÖ, allerdings zurücklehnen können und alles seinen Gang gehen lassen dürfen, ist der Bereich Ihres Koalitionspartners. Da der Bundesparteiobmann der ÖVP Wolfgang Schüssel Ihren Bundeskanzler nach seiner Regierungserklärung geradezu angehimmelt hat, habe ich gewußt, jetzt hat Viktor Klima ein neues Mitglied für die Sozialdemokratie gewonnen, und dazu gratuliere ich ihm sehr herzlich! (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ihnen, meine Damen und Herren der ÖVP, allerdings gratuliere ich nicht. (Bundesrat Ing. Penz: Wieso nicht?) Sie haben sich durch Ihr ungeschicktes Verhalten beim CA-Verkauf und durch Ihre neuerliche Unterwerfung unter die SPÖ endgültig aus dem innenpolitischen Spiel genommen. (Bundesrat Ing. Penz: Was reden Sie denn da? Sie waren ja für den CA-Verkauf! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren der SPÖ! Wenn Sie in Kürze Ihren Bundesparteitag abhalten werden, dann wählen Sie einen Saal, in den ein paar hundert Leute mehr hineingehen, auch Herr Kollege Penz! Laden Sie die Delegierten der ÖVP ein! Diese kommen nicht nur alle, sie wählen auch alle geschlossen Ihren Viktor Klima. Und damit wäre ja beiden Regierungsparteien gedient. (Bundesrat Payer: Ich kann mich nur an einen Parteitag erinnern, bei dem der Gudenus bei uns war! Ein ÖVPler war noch nicht bei uns! Der Gudenus war schon da!)

Der Herr Bundeskanzler wäre endlich Vorsitzender der Regierungseinheitspartei SPÖVP, und Sie, meine Damen und Herren der ÖVP, könnten Ihre Obmanndiskussion elegant abkürzen, indem Sie Klima wählen.

Meine Damen und Herren der Regierungsparteien! Wir von der freiheitlichen Opposition können Ihnen hier und heute ankündigen, daß wir Sie am Ergebnis Ihrer Politik messen werden. Wir werden Ihr Regieren wie das Ihrer Vorgänger kritisch begleiten und die Interessen der österreichischen Bevölkerung auch gegenüber dieser Bundesregierung weiterhin vertreten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.40


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 53

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich erteile es ihr.

12.40

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich freue mich, daß ich anläßlich der Regierungserklärung heute die Gelegenheit habe, ein paar Worte zu sagen.

Ich möchte einleitend einige Bemerkungen zur Haltung der F machen, obwohl ich mir hundertmal geschworen habe, diese wegzulassen, aber es gelingt mir ganz einfach nicht. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

All das, was wir heute von Ihnen gehört haben, beweist ganz deutlich, daß das, was Sie immer wehleidig behaupten, nämlich daß Sie ausgegrenzt werden, Ihr eigenes Verschulden ist. Denn Oppositionspolitik – einer Opposition gestehe ich Kritik zu – kann nicht das sein, was Sie uns mit Ihrer destruktiven Art immer wieder zum besten geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte alle Damen und Herren auffordern, das, was ich jetzt als positive, konstruktive Kritik, als Wunsch der neuen Regierung mitgeben möchte, nicht zum Zeugen ihrer eigenen Aussagen zu machen, denn die Definition trennt uns meilenweit. (Bundesrat Waldhäusl: Gott sei Dank!)

Es tut mir leid, aber das muß ich auch in Richtung des Koalitionspartners sagen, denn auch dort kann ich nicht als Zeuge für oder gegen eine Stellungnahme, die von Ihnen gekommen ist, angeführt werden.

Ich habe heute sehr deutlich die Aussagen vernommen, in denen vorsichtig und kurz der Hinweis darauf gefallen ist, daß die Sanierung des Staatshaushaltes natürlich mit schmerzlichen Einschnitten verbunden war. Als Gewerkschafter und vor allem auch als Frau habe ich sehr oft Kritik an der einen oder anderen Maßnahme geübt.

Nur eines steht nämlich fest, daß diese Budgetkonsolidierung notwendig war und auch bis jetzt zum Tragen gekommen ist.

Ich bin auch sehr dankbar dafür, daß der Herr Bundeskanzler heute Bemerkungen zur Situation der Armut in Österreich, die auch wieder sehr massiv die Frauen betrifft, gemacht hat und daß er vor allem darauf hingewiesen hat, daß diese Situation nicht zum Anlaß genommen werden darf, um damit einzelne Mißbrauchsfälle in Zusammenhang zu bringen.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich kann es schon langsam nicht mehr ertragen, wenn man in Diskussionen über Mißbrauch nicht hinterfragt, warum es zu der Situation kommt, daß jemand etwas in Anspruch nehmen muß, von dem andere, die üblicherweise in einer besseren Situation leben, glauben, daß das jenen nicht zustehe.

Jetzt möchte ich zu einem mir sehr wichtigen Thema, nämlich zur Frage der Arbeitslosigkeit kommen. Ich möchte meine Bemerkungen dazu als konstruktiv verstanden wissen, als Wunsch an eine neue Regierung zur Unterstützung der Aussagen, die heute schon gefallen sind. Denn ich habe gehört, was zum Thema Arbeitslosigkeit und zu den Anstrengungen, die in diesem Bereich notwendig sind, gesagt wurde. Ich möchte dies jedoch unterstützen, vor allem aus der Situation einer, die tagtäglich mit Auswirkungen solcher Situationen umgehen muß.

Ich habe heute nicht zum erstenmal eine Liste in meiner Tasche, laut der es wiederum 50 Arbeitsplätze weniger geben wird. Eine ganze Reihe von Frauen ist massiv davon betroffen, auch aufgrund ihrer Stellung in der Arbeitswelt, die noch immer unvergleichlich schlechter ist als jene der Männer.

Wir haben in der letzten Zeit, in den letzten Tagen in den Medien gehört, daß wir derzeit über 300 000 Arbeitslose haben. Ich möchte mich gar nicht auf statistische Spielereien einlassen, ich behaupte schlichtweg: Es ist zuviel!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 54

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch etwas erwähnen, nämlich die gerade vor einiger Zeit hier beschlossene Frage der Ladenöffnungszeiten. Es wurde behauptet, daß damit zum Ausweichen in den Dienstleistungsbereich beigetragen würde. In den letzten Jahren war es auch noch sehr lange so. Jetzt bietet sich allerdings ein anderes Bild, denn es gibt im Bereich des Handels um 1 400 Vollzeitarbeitsplätze weniger, und die Aussage, die behauptet wird, nämlich daß zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, muß man sich einmal etwas genauer ansehen.

Dabei handelt es sich um Arbeitsplätze, die Teilzeitarbeit an einem Samstag – aber nicht an jedem Samstag – oder täglich zwei Stunden am Abend bedeuten. Das kann nicht unter Existenzsicherung verstanden werden!

Das trifft wiederum ganz massiv die Frauen – wieder rückverweisend auf ihre an und für sich schon sehr viel schlechtere Situation im Arbeitsleben. Ich bin dem Herrn Bundeskanzler auch sehr dankbar, daß er ausgesprochen hat, daß diese schlechte Situation der Frauen in der Arbeitswelt natürlich auch ihre Begründung in der gesellschaftlichen Situation der Frauen findet.

So ist die Tatsache zu nennen, daß Kinderbetreuungseinrichtungen nicht ausreichend vorhanden sind und vor allem nicht den notwendigen Bedürfnissen entsprechen. Wenn Sie mich jetzt auch steinigen und aufheulen, so muß ich aber doch auch das sogenannte Problem "halbe/halbe" erwähnen. Die Frage der Aufteilung der Familienpflichten ist eine Grundlage dafür, daß Frauen in der Arbeitswelt als schlechtere Arbeitskräfte gesehen werden.

Wie gesagt, das Hoffnungssegment Dienstleistungsbereich fällt, wie sich in der letzten Zeit beweist, im wesentlichen aus, und es wird alles daranzusetzen sein, daß der Beschäftigungspolitik in Österreich Vorrang eingeräumt wird. Es gibt Unternehmen – der kurzfristigen Not gehorchend, vielleicht nicht ausreichend durchdacht –, die bis jetzt in österreichischem Besitz waren. Da würden mich weniger die Besitzverhältnisse stören als vielmehr die damit verbundene Tatsache, daß mit den Besitzverhältnissen auch die Strategien von anderswo entschieden werden.

Meine Damen und Herren! Ich schildere Ihnen gerne jedes Detail meiner täglichen Arbeit, und ich behaupte, daß ich in 35 Jahren Funktionstätigkeit in der verstaatlichten Industrie nicht so viele Managementfehler erlebt hatte, wie ich sie in den letzten Jahren im Besitz eines ausländischen Unternehmens erleben mußte.

Ein weiterer Bereich, der auch im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigungspolitik zu sehen ist, ist die Frage der Lehrlingsausbildung. Wir haben heuer um 61 Prozent mehr Schulabgänger als im Jahr zuvor, die keinen Lehrplatz finden werden. Das ist eine dramatische Verschärfung der Situation, und gerade dann, wenn man jungen Menschen keine Perspektiven bieten kann, ist das besonders tragisch.

Es ist auch tragisch, wenn man einem älteren Menschen seine Lebenszielsetzungen wegnehmen muß, indem man ihm noch notdürftig Gelegenheit gibt, im sozialen Netz aufgefangen zu werden. Aber absolut schlimm ist es, wenn junge Menschen keine Perspektiven finden, und ganz besonders schlimm finde ich das auch für junge Mädchen, denn sie erregen im allgemeinen weniger Aufsehen als Burschen. Sie verschwinden leichter als Burschen im häuslichen Bereich, sie werden in der Gesellschaft weniger auffällig und erfahren dadurch auch weniger Beachtung in bezug auf diese Frage.

Ich gebe gerne zu, daß auch die traditionellen Verhaltensweisen noch immer mit ein Hindernis sind, daß Mädchen bereits bei ihrem Berufseinstieg, nämlich bei der Entscheidung, in welchem Beruf sie sich weiterentwickeln wollen, zu ihrem eigenen Schaden entscheiden. Andererseits sind wir eben jetzt in der Situation, kurzfristige und langfristige Maßnahmen setzen und verschieden einsetzen zu können. Ich bekenne mich dazu, daß jetzt auch in dieser kurzfristig zu bewältigenden Situation Mädchen in Berufen ausgebildet werden, von denen wir langfristig wissen, daß sie dem, was wir von einer Frauenberufstätigkeit erwarten, nicht entsprechen.

Es ist vom Herr Bundeskanzler auch die Frage der Flexibilisierung der Arbeitszeit angesprochen worden. Ich behaupte, daß die Gewerkschafter überwiegend strategisch denken, auch wenn wir


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 55

uns zur Schutzfunktion und zu dieser Aufgabe bekennen, aber eines möchte ich klipp und klar sagen:

Flexibilisierung bringt den Mitarbeiter und auch den einzelnen Betriebsrat in kleinen, mittleren Unternehmen in die Situation, sich völlig dem Druck der Verhältnisse auszuliefern und auch in die Sandwich-Rolle zu geraten, weil die Mitarbeiter aufgrund ihres Informationsstandes sehr oft der irrigen Meinung sind, daß sie dann flexible Arbeitszeit so gestalten können, wie sie sich das vorstellen.

Meine Damen und Herren! Die Aussage ist ganz klar: Flexibilisierung ja, jedoch nur im Rahmen der Kollektivverträge! Die daran ansetzenden notwendigen Maßnahmen in Form von Betriebsvereinbarungen können ein ergänzendes Instrument sein, denn den Schutz der übergeordneten Kollektivverträge brauchen wir, und wir werden das auch ganz massiv verlangen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt aus dem, was heute in der Regierungserklärung gesagt wurde, und aus dem, was ich jetzt kurz darauf gesagt habe, zwei Dinge herausgreifen: Wir brauchen eine funktionierende Wirtschaft, wir brauchen gezielte Wirtschaftspolitik, vor allem auch mit der Beachtung der Fragen der Industrie, also gezielte Industriepolitik, und daraus ableitend Beschäftigungsprogramme, beschäftigungsunterstützende Maßnahmen, und wir müssen auch in der EU Druck in diese Richtung ausüben. Dann werden – das behaupte ich – alle anderen Fragen, die sich daraus ergeben, vor allem soziale Fragen, bewältigbar sein, weil es im wesentlichen an der Finanzierung scheitert. Ich sage es jetzt, obwohl wir uns jetzt schon sehr oft nicht mehr trauen, von Vollbeschäftigung zu reden: Wenn es uns gelingt, den höchstmöglichen Stand der Beschäftigung zu erreichen, dann sind auch alle anderen sozialen Maßnahmen, dann ist auch ein funktionierendes soziales Netz finanzierbar. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.52

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johann Penz. Ich erteile es ihm.

12.52

Bundesrat Ing. Johann Penz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen Mut zur Veränderung: Mit diesem Grundtenor der Regierungserklärung kann ich mich voll und ganz identifizieren. Deshalb begrüße ich auch jene Veränderungen, die beim Koalitionspartner zu einer Rundumerneuerung seiner Regierungsmann- und -frauschaft geführt haben. Es war ganz offensichtlich auch Sand im Getriebe, der die Arbeit gelähmt und auch die Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner erschwert hat.

Aber der neue Wille zur Gemeinsamkeit, das Bekenntnis zur Zusammenarbeit auf der Grundlage des Arbeitsübereinkommens für die gesamte Legislaturperiode und die Bereitschaft, in partnerschaftlichem Geist zu- und anzupacken – erlauben Sie mir diese Bezugnahme und dieses Wortspiel –, lassen auf ein Klima hoffen, das für dieses Land und für die Bürger dieses Landes gedeihlich sein wird, damit nämlich diese Republik auch den Spitzenrang im europäischen wie im internationalen Vergleich, den sie sich ökonomisch, sozial und ökologisch erarbeitet hat, nicht nur festigen, sondern auch ausbauen kann.

Wir brauchen Mut zur Veränderung, aber ebenso Demut, um die Grenzen des Machens und des Machbaren zu erkennen. Lassen Sie es mich mit Karl Popper sagen, der meint: Mit jedem Schritt, den wir vorwärts machen, mit jedem Problem, das wir lösen, entdecken wir nicht nur neue ungelöste Probleme, sondern wir entdecken, daß dort, wo wir auf festem und sicherem Boden zu stehen glaubten, in Wahrheit alles unsicher und im Schwanken begriffen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine solche Einsicht ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eher ein Zeichen von Ehrlichkeit, und diese stünde auch so manchem auf der Oppositionsbank gut an, wenn da und dort den Menschen vorgegaukelt wird, eine Lösung schlechthin, eine Lösung zu 150 Prozent, eine Lösung für alles, für jedes und für alle Zeiten parat zu haben. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 56

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß der neue Stil, mit dem diese Regierung an die Arbeit geht, erfolgversprechend ist, denn Politik verlangt die Entscheidung für das Notwendige und für das Mögliche, und Politik verlangt auch das konsequente Einstehen, das Einstehen für das, was als richtig erkannt wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine effiziente Arbeit setzt auch klare Verantwortlichkeiten voraus. Zuständigkeiten müssen sachlich und fachlich gebündelt, logisch zugeordnet und verständlich gestaltet werden – nicht nur im Interesse einer kompakten Regierungsarbeit, sondern erst recht im Interesse der Bürger, denen nicht zugemutet werden darf, mit ihren Anliegen sozusagen zwischen Pontius und Pilatus hin- und herpendeln zu müssen.

Es gibt eine erste Flurbereinigung, die wir heute auch beschließen werden, die allerdings in ihrer Logik nicht für alle nachvollziehbar ist, so etwa der Umstand, daß Bereiche wie Gentechnik oder Futtermittelhygiene oder Tierärzte nun zum Frauenministerium ressortieren. Ich glaube deshalb, daß die angestrebte Abrundung der Kompetenzbereiche mit großem Nachdruck weiterverfolgt und umgesetzt werden muß.

In der gebotenen Kürze ist es nicht möglich, auf alle Akzente, die in der Regierungserklärung angeklungen sind, einzugehen. Ich möchte aber einige Schwerpunkte um Details ergänzen beziehungsweise ergänzt wissen.

Beim zentralen Anliegen der Arbeitsplätze geht es auch um den Arbeitsplatz Bauernhof. Ich habe mit großem Interesse gelesen – nicht in der Regierungserklärung, sondern in einem Nachrichtenmagazin –, daß der Herr Bundeskanzler als Ziel seiner Lebensplanung bis zum Jahre 2003 auch einen Bauernhof erwerben möchte. Ich kann nur sagen: Ich freue mich, einen künftigen Kollegen zu haben. (Bundesrat Dr. Tremmel: Ob er Vollerwerbsbauer wird ...! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich glaube nicht, daß er Mitglied des Bauernbundes wird, aber ich stelle ihm gerne die Zeitung "Bauernbündler" zur Verfügung. Sie wissen, es ist eine großartige Zeitung. Auch Kollege Waldhäusl zitiert, wenn er etwas richtig sagt, aus dem "Bauernbündler". Es kommt leider nur sehr selten vor.

Meine Damen und Herren! Sosehr ich mich freue, daß der Bundeskanzler in seinem Lebensziel die Bäuerlichkeit entdeckt, so nachdenklich macht es mich aber, daß heute viele Regionen – ich darf ein Wort des Herrn Bundeskanzlers verwenden – abgegrast werden, um ein günstiges Objekt zu finden. Gleichzeitig kämpfen aber viele bäuerliche Familienbetriebe um ihre Existenz, kämpfen junge Menschen mit der Entscheidung, ob sie den Hof übernehmen können oder ob sie auf den Arbeitsmarkt – dessen Probleme haben wir schon ausführlich diskutiert, und sie wurden auch heute mehrmals angesprochen – ausweichen müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Regierung ist den Bauern im Wort! Die Bauern erwarten, daß das Europaabkommen eingehalten wird und daher die finanziellen Rahmenbedingungen für eine umweltgerechte Landwirtschaft auch gegeben sind.

Meine Damen und Herren! Im Wort sein heißt auch Wort halten. Beim EU-Beitritt wurde den Bauern zugesagt, daß die Mehrwertsteuer an die neuen Preis- und Kostenverhältnisse angepaßt wird, und es wurde gesagt, daß die Anhebung der sogenannten Vorsteuerpauschale von 10 auf 12 Prozent den pauschalierten Betrieben eine Preisverbesserung von 2 Prozent beim Verkauf landwirtschaftlicher Produkte bringen würde. Die derzeitige Regelung kostet aber den Bauern mehr als 1,2 Milliarden Schilling.

Explizit wurde in der Regierungserklärung auch die Reform der Gewerbeordnung angesprochen. Ich bin dem Herrn Bundeskanzler dankbar, daß er das heute in aller Deutlichkeit auch gesagt hat, denn von einer Novelle der Gewerbeordnung erwarten sich die Bauern auch zukunftsweisende, flexible Regelungen, die lebendige ländliche Räume möglich machen. Für viele Bauern ist dabei die Möglichkeit der Erwerbskombination von größter Bedeutung.

Es geht dabei um einen erleichterten Zugang zu Handwerks-, Kleingewerbe- und Kleinhandelsmöglichkeiten, womit viele Bauern ihre selbständige Existenz und damit auch den Arbeitsplatz Bauernhof absichern könnten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 57

Nicht wenige Land- und Forstwirte sind nämlich heute schon auf einen Nebenerwerb angewiesen und nehmen damit die doppelte Belastung auf sich. Viele von ihnen leben deshalb in doppelter Sorge, nämlich in Sorge um ihren Betrieb und in Sorge um ihren Arbeitsplatz.

Einstimmig – ich betone: einstimmig! – hat der Niederösterreichische Landtag vor kurzem, nämlich in seiner Sitzung vom 23. Jänner, einen Antrag angenommen, um das Arbeitslosenversicherungsgesetz für Nebenerwerbslandwirte in Verhandlungen mit dem Bund zu ändern, wobei der Einheitswert von 54 000 S auf 144 000 S angehoben werden soll. (Bundesrat Waldhäusl: Das war ein freiheitlicher Antrag! Sagen Sie das auch dazu!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nämlich derzeit so, daß Bauern, wenn sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen, auch in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, aber nur dann einen Anspruch darauf haben, wenn ihr landwirtschaftlicher Betrieb einen Einheitswert hat, der nicht höher als 54 000 S ist. In der Debatte wurde dann übereinstimmend auch zum Ausdruck gebracht, es sei ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, daß auch Nebenerwerbslandwirte Arbeitslosengeld beziehen können. Dies darf ich Ihnen, sehr geehrte Frau Sozialministerin, besonders ans Herz legen, auch unter dem besonderen Hinweis auf die Ausführungen Ihres sozialdemokratischen Abgeordneten und Kollegen Schütz, der folgendes gesagt hat: Eine Novellierung des Arbeitslosengesetzes sei notwendig, da sonst viele Nebenerwerbsbauern gezwungen wären, ihre Grundstücke zu verkaufen. Im Hinblick auf Landschaft und Tourismus wäre dies, so warnte Schütz, eine katastrophale Entwicklung.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie werden uns beim entschlossenen Kampf gegen die Armut und für die soziale Grundsicherung an Ihrer Seite finden. Es gilt nämlich, beherzt zuzupacken und vor allem auch jenen stützend und gezielt unter die Arme zu greifen, die unverschuldet in Not geraten sind. Dies gilt ebenso für jene, meine sehr geehrten Damen und Herren, die ihren Arbeitsplatz verloren haben oder durch Krankheit oder Tod in eine schwierige Situation gekommen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eine Tatsache, daß wir heute zu den reichsten und wohlhabendsten Ländern dieser Welt gehören, auch wenn es ein freiheitlicher Harvardstudent – offensichtlich ohne die Verhöhnung überhaupt zu begreifen – quasi als verarmtes Entwicklungsland heruntermacht. Es geht nämlich um das gesunde Augenmaß, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Vorjahr haben die Österreicher für neue Kraftfahrzeuge über 85 Milliarden Schilling und für Glücksspiele 20 Milliarden Schilling ausgegeben, zusammen also mehr als das, was das gesamte Konsolidierungspaket ausgaben- und einnahmenseitig ausmacht.

Ich mißgönne es keinem. Wir brauchen Autos. Gar keine Frage! Aber auch solche Relationen soll man sehen, weil das laute und auch das ungenierte Gejammer vieler über das Sparpaket und über jeden Schilling Selbstbehalt den längsten Notschrei jener übertönt, die heute in bitterer Armut leben. Das sind kinderreiche Familien und auch Teilfamilien, alleinstehende Mütter oder Väter. Es gibt keine Untersuchung, die nicht bestätigen würde, daß diese Gruppe in besonderer Weise armutsgefährdet ist.

Das von Familienminister Martin Bartenstein ausgearbeitete Modell zur Familienförderung, das auf der Sicherung eines steuerlichen Existenzminimums für jedes Familienmitglied aufbaut, sollte deshalb auch zügig verhandelt und bei der nächsten Etappe der Steuerreform im Konsens auch umgesetzt werden. (Bundesrätin Crepaz: Es ist einfach ein falscher Ansatz! Das ist ein Blödsinn!) Ich kann mir nicht vorstellen, Frau Kollegin Crepaz, wo es sich ideologisch spießen sollte, denn der Vorschlag für fixe Absetzbeträge sowie zur Anhebung des Alleinverdiener- und Alleinerzieherabsetzbetrages ist einfach und klar. (Bundesrätin Crepaz: Das ist der falsche Ansatz! Das nützt den Armen gar nichts!) Genauso klar ist die Höhe der Förderungen für jene Kinder, die nicht einkommensabhängig sind. Der Staat würde damit für jedes Kind einen gleich hohen Betrag leisten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Zusammenhang mit einer sozialen Grundsicherung möchte ich auch noch ein Thema ansprechen, das für alte Menschen im bäuerlichen Bereich


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 58

ein großes Problem darstellt. Das ist die Anrechnung des fiktiven Ausgedinges bei den Ausgleichszulagenbeziehern. Derzeit ist die Regelung so, daß Bauern, die aufgrund der Jahre beziehungsweise aufgrund ihrer Beitragsleistung den Richtsatz nicht erreichen, einen Ausgleich bekommen sollten. (Bundesrat Waldhäusl: Das haben wir viele Jahre verlangt, aber es wurde immer abgelehnt! So etwas von blauäugig! Sie übertreffen damit den Minister und auch den Bundeskanzler!)

Herr Kollege Waldhäusl! Sie wissen, daß ich auf Ihre Zwischenrufe gar nicht eingehe, weil ja manche Probleme von Ihnen gar nicht erkannt werden. (Bundesrat Waldhäusl: Sie schreiben den "Bauernbündler"!)

Frau Bundesministerin! Ich darf das Problem noch einmal in aller Kürze darstellen. Es werden heute Bauernpensionisten für ihre Pension Beträge angerechnet, die auch die Betriebsübernehmer gar nicht in der Lage sind zu leisten. Heute werden einem Ehepaar an Ausgleichszulagen beziehungsweise an fiktivem Ausgedinge 3 900 S und einer alleinstehenden Person 2 760 S angerechnet. Würden das manche Betriebe leisten müssen, wäre deren Existenz in Frage gestellt. Es ist nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit, sondern auch eine Notwendigkeit, daß für die Kleinstpensionisten im bäuerlichen Bereich eine Gleichstellung geschaffen wird. Ich darf Sie ersuchen, auch diese Aufgabe umgehend in Angriff zu nehmen.

Die breite Basis, auf die sich diese Regierung stützen kann, ist auch weiterhin ein gutes Fundament dafür, daß Österreich seine Rolle in Europa offensiv wahrnehmen kann. Ich kann das unterstreichen, was heute gesagt wurde und was auch Vizekanzler und Außenminister Schüssel dazu betont hat, daß nämlich eine Außenpolitik in einem kleinen Land eine gemeinsame Außenpolitik sein muß. Die erneute Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP bürgt für Stabilität, für Kontinuität und auch für Berechenbarkeit. Dabei kommt der soliden und rechtzeitigen Vorbereitung auf die Präsidentschaft 1998 eine besondere Bedeutung zu, weil Österreich mit dem Vorsitz eine Führungsrolle in Europa zugewiesen wird.

1998 wird ein Jahr von entscheidender Weichenstellung für Europa und natürlich auch für unser Land sein, und zwar auch deshalb, weil in diesem Jahr darüber abgestimmt werden wird, welche Länder für die Teilnahme am Euro fit sind und welche es nicht sind. Österreich bekennt sich mit dieser Regierungserklärung voll zur Wirtschafts- und Währungsunion – das wurde heute vom Herrn Bundeskanzler deutlich gesagt –, und zwar auch unter Einhaltung des Zeitplanes und der vertraglich festgelegten Bedingungen. Zugegeben, es wird noch großer Anstrengungen bedürfen, den Bürgern unseres Landes die Ängste zu nehmen, die diffus sind; das wurde heute schon mehrmals richtigerweise angesprochen.

Man muß den Menschen aber klar vor Augen führen: Eine Nichtteilnahme bedeutet, den Anschluß zu verlieren. Wer nicht teilnimmt, wird durch heftige Währungsturbulenzen in den wirtschaftlichen Sturzflug geraten. Wir wollen einen Euro, der genauso hart ist wie der Schilling, und deshalb dürfen auch die Konvergenzkriterien nicht aufgeweicht werden. Es geht um eine politische Entscheidung, bei der ebenso das konsequente Einstehen für das als richtig Erkannte gefordert wird.

Das gilt auch für die Sicherheitspolitik. Es herrscht hier Übereinstimmung bei den Koalitionsparteien, daß sich Österreich zum Zweck der dauernden Gewährleistung seiner Sicherheit im Einklang mit den Zielsetzungen der Europäischen Union für die vollberechtigte Teilnahme des Landes an funktionsfähigen europäischen Sicherheitsstrukturen einsetzt und sich auch im Sinne der im EU-Vertrag verankerten Perspektive an den Bemühungen um eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik aktiv beteiligt.

Im Hinblick auf den österreichischen EU-Vorsitz verdienen aber auch eine Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik und die Reformen des Welthandelsabkommens besondere Beachtung. Ich bin dankbar, daß heute der Herr Bundeskanzler in seiner Erklärung gesagt hat, daß wir keinen Protektionismus in Österreich haben dürfen, denn das war immer die billigste Ausrede, die wir gebraucht haben, um zu sagen, wir wollen Vollbeschäftigung haben. (Präsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 59

Ich glaube aber auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß wir dieses Welthandelsabkommen, das in der Zwischenzeit mit dem "Singapur-Abkommen" auch einen Namen bekommen hat, dazu benutzen sollten, dem weiteren Abbau sämtlicher Handelshemmnisse auch ein entsprechendes Gegenüber entgegenzusetzen, denn ein weiterer Abbau jeglicher Handelsschranken bedeutet auch eine Gefährdung der Arbeitsplätze in Österreich. Es wird heute so viel über die Arbeitsplatzsicherung in der Europäischen Union gesprochen. Wir sind natürlich froh und bekennen uns auch dazu, daß im Zuge der Verhandlungen über die Weiterentwicklung des Maastricht-Vertrages der Begriff des Arbeitsplatzes im EU-Vertrag verankert werden soll. Aber alleine mit der Verankerung des Begriffs und mit dem Reden über die Arbeitsplatzsicherung werden wir keinen einzigen Arbeitsplatz zusätzlich schaffen oder erhalten. Daher ist dieses Welthandelsabkommen für Österreich so wichtig!

Ich glaube, wir sollten frühzeitig erkennen, daß mit einer weiteren Liberalisierung Arbeitsplätze nicht nur im unselbständigen Bereich, sondern genauso auch im selbständigen Bereich, etwa bei den Bauern, gefährdet sind. Und wenn wir uns vornehmen, das Problem gemeinsam anzugehen und gemeinsam auch in Europa diesbezüglich Einfluß zu nehmen, damit es zu keiner weiteren Liberalisierung, welche unsere Arbeitsplätze gefährdet, kommt, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind wir schon sehr weit.

Ich wünsche jedenfalls der neuen Bundesregierung bei ihren vielfältigen Aufgaben alles Gute und viel Erfolg! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.13

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich erteile es ihm.

13.13

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute diese Regierungserklärung besprechen und dabei die Umbildung der Regierung ein bißchen im Auge haben, dann möchte ich den vergangenen Ministern und Ministerinnen sowie den jetzigen Ministern und Ministerinnen nicht die gute Absicht absprechen, für dieses Land segensreich wirken zu wollen. Jedoch zwischen Absicht und Durchführung klafft es sehr oft. Dieses Nichtgelingen liegt nicht immer im Befinden der jeweiligen Minister. Es sind viele Umstände, die zum Mißlingen beitragen können. Ich möchte versuchen, mit diesen Worten durchaus verbindlich über die Oppositionsgrenze zu springen.

Was die Regierungserklärung anlangt, so gilt vielleicht das Zitat eines großen Dichters, der einmal in einem anderen Zusammenhang festgehalten hat: "In vielen Worten wenig Klarheit, viel Irrtum und ein bißchen Wahrheit." – Das war bei den vorangegangenen Regierungserklärungen und ist natürlich auch bei der jetzigen Regierungserklärung der Fall. Da kann natürlich nicht darüber hinwegtäuschen und darüber hinwegtrösten, wenn wir uns an das Dichterwort halten und sagen: Es kann ja nicht so kommen, wie es gesagt wurde.

Erstaunlich ist für mich, daß sich die Regierungserklärung, welche im Nationalrat zur Behandlung kam, inhaltlich doch in einem wesentlichen Punkt von der heute hier durch den Herrn Bundeskanzler abgegebenen Erklärung unterscheidet, und zwar in bezug auf den Föderalismus. Im Nationalrat wurde über den Förderalismus so gut wie keine Aussage gemacht (Bundesrat Prähauser: Das ist auch die richtige Kammer dafür!) , außer daß eben Bund, Länder und Gemeinden eine neue Zusammenarbeit gefunden haben. Das wird dann bei den Sozialversicherungen noch einmal erwähnt. Hier wird jedoch angeführt, daß weitere Schritte in Richtung Föderalismus gesetzt werden sollten, daß eine Bundesstaatsreform stattfinden sollte sowie daß der Herr Bundeskanzler Besuche bei den Landeshauptleuten vorhat.

Ich finde die Besuchsreise zu den Landeshauptleuten nett. Das ist sicherlich wichtig. Und ich finde auch diese Aussagen erfreulich. Sie sind natürlich für uns, zumindest für mich hier als Bundesrat, zuwenig. Daß der Herr Bundeskanzler zum Landeshauptmann von Wien ständig gehen kann, ist gut. Er ist ja gleich um die Ecke beziehungsweise an derselben Straße. Die Fahrt nach Bregenz wird er wahrscheinlich zur Zeit der Bregenzer Festspiele wahrnehmen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 60

Salzburg ist eigentlich auch ein Muß. Und in Villach war er ja schon beim Fasching, und durch Klagenfurt ist er durchgefahren. Eigentlich hat er jetzt schon fast alle Landeshauptstädte durch. (Bundesrat Dr. Tremmel: Mit Ausnahme der Steiermark! Wenn der Semmering-Basistunnel kommt!) Graz fehlt noch. Der Semmering-Basistunnel wird einen Besuch vielleicht erleichtern.

Das Thema "Föderalismus" wurde vom Herrn Bundeskanzler wohl sicherlich in ernsthafter Absicht erwähnt. Ich meine aber: eben nur erwähnt und nicht mit dem ihm zur Verfügung stehenden Druck ausgeführt.

Noch etwas zum Thema "Föderalismus": Ist es nicht traurig, daß kaum mehr ein Bundesland seine Ländervertretung in Wien aufrechterhalten hat? Was ist das für ein Föderalismus innerhalb dieser Republik, daß wohl die Bundesländer ihre Häuser in Brüssel stehen haben, aber das Bundesländerhaus in Wien nur noch von einem Bundesland beschickt wird? – Ich glaube, es handelt sich um die Steiermark. Dort ist das erfreulicherweise der Fall.

Ich meine, das Predigen des Föderalismus – es fehlte nur noch, daß das Wort "Subsidiarität" mehrfach in den Mund genommen worden wäre – ist sozusagen ein Predigen beim Fenster hinaus – und keiner glaubt mehr daran. Dies ist betrüblich.

Immer wieder – auch in dieser Regierungserklärung – wird die Gesundung des Gesundheitssystems, des Sozialversicherungssystems herbeigebetet. Ja, wir hören es, doch mir fehlt der Glaube! Es wurde uns dies schon zu oft versprochen.

Wir hören jetzt auch, daß wir demnächst die Präsidentschaft in der Europäischen Union übernehmen werden, welche für unser Land so wichtig ist. Ich frage Sie wirklich: Was ist für uns wichtig daran? Was ist so wichtig daran, die Präsidentschaft in der Europäischen Union führen zu können, hier in Wien ein halbes Jahr ein Spektakel zu haben, während wir mit Sicherheit wissen, daß die Zahl von 302 000 Arbeitslosen deswegen nicht geringer wird, und uns niemand die Sorge abnehmen wird, wie wir mit den 302 000 Arbeitslosen zurechtkommen? (Bundesrat Hüttmayr: Sind Sie von dem überzeugt, was Sie da eben gesagt haben?) Das ist bei Ihnen wahrscheinlich ebensooft zweifelhaft wie bei anderen, die etwas sagen. Ich spreche Ihnen also diesen Einwurf nicht ab. (Bundesrat Prähauser: Wieviel davon sind Ausländer von diesen 300 000?)

Die Aussage, die der Herr Bundeskanzler in Erinnerung an seinen Vorgänger traf, in der er die geschichtliche Beteiligung Österreichs an gräßlichen Vorgängen während der letzten 50, 60 Jahre hervorhob, genügt mir als geschichtlicher Abglitt der Republik Österreich nicht. Gerade jetzt, wo vor etwa zehn Tagen in Prag zwischen dem deutschen Bundeskanzler und seinem tschechischen Kollegen eine Klärung betreffend die Sudetenfrage, die Vertriebenen und so weiter erfolgt ist, hätte sich die österreichische Bundesregierung durch einen ihrer Minister, vielleicht sogar durch den Herrn Bundeskanzler selbst zu Wort melden müssen. Es sind Österreicher, um die es gegangen ist. Es sind Österreicher, betreffend die ein Karl Renner, ein Karl Seitz, aber auch viele Vertreter anderer Parteien im Jahre 1920 ein "Niemals vergessen!" sagten, als diese aus dem österreichischen Staatsgebiet, genau gesagt, aus dem deutschösterreichischem Staatsgebiet ausgegliedert werden mußten. Ein Drittel des damaligen Staatsgebietes, dessen Bevölkerung ein Zusammensein mit dieser Republik gewünscht hätte, wurde ausgegliedert.

Diese Regierungen, die vergangene sowie die jetzige, haben es nicht der Mühe wert gefunden, diese geschichtlichen Ereignisse zu würdigen, zu bekennen, daß da Unrecht geschehen ist. Wir können nicht immer nur vom Selbstbestimmungsrecht dieses und jenes Volkes reden und bei den Österreichern, die sich zu uns gehörig fühlten, mit Schweigen die Geschichte übergehen. So können wir es nicht machen!

Es gibt viel Armut in diesem Land. Die 302 000 Arbeitslosen habe ich schon erwähnt. Es heißt auch, daß die Grenzen zur Armut näherrücken. Angesichts dessen frage ich mich: Was macht die Bundesregierung gegen die Armut? – Es hilft auch nichts, wenn erwähnt wird, daß diese Armut in ganz Europa gegeben ist, denn es liegen mir die Staatsbürger Österreichs, die hier Wohnenden, die hier Werktätigen mehr am Herzen als die anderen. Jeder muß mit seinen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 61

Problemen fertig werden. Wird diese Bundesregierung mit dem Problem von 302 000 Arbeitslosen fertig werden? – Ich bezweifle das, denn 50 Jahre lang ist die Zweite Republik... (Bundesrat Prähauser: Mit dem Rezept der F würde es gehen: Ausländer raus!, und wir hätten das Problem nicht!) Das ist jetzt eine sehr polemische Aussage. (Bundesrat Prähauser: Aussage Ihres Parteivorsitzenden!) Sie hätten meine Worte beachten müssen. Ich habe gesagt "die hier Wohnenden", und "die hier Wohnenden" sind auch jene Gruppe, von denen Sie wünschen, daß sie gehen. Ich überlasse es Ihnen, zu beurteilen, wie geschmackvoll diese Aussage war. Ich versuche, das nicht zu machen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Ich habe nur wiederholt, was Ihr Vorsitzender gesagt hat!)

Wir springen auf einen Zug auf und meinen, es sei der richtige Zug. Die Frage ist: Vielleicht ist es der Zug in die falsche Richtung. Die Frage ist, ob der Zug, auf den wir aufgesprungen sind, überhaupt aufspringenswürdig war, ob wir nicht einen späteren Zug hätten wählen müssen. Man könnte, um wieder einmal Kreisky zu zitieren, sagen: "Lernen Sie Geschichte!" Es ist nicht immer gut, wenn man einem größeren Gebilde nachläuft, welches dann meint, unser neues Vaterland sein zu müssen. Wir hier in Österreich haben das schon erlebt. Es war nicht die bessere Lösung.

Es ist auch nicht gut, wenn man ständig von Globalisierung spricht, meine Damen und Herren! Auch in der Regierungserklärung kommen die Worte "Internationalisierung" und "Globalisierung" vor. Ich meine wie schon vor wenigen Tagen: Es ist nur wenigen Wirtschaftstreibenden vergönnt, dieses Thema positiv zu beurteilen. Der Großteil der Österreicher, der kleine Handelstreibende in Favoriten ebenso wie der Waldviertler Bauer, hat von der Globalisierung wirklich nichts. Sie empfinden bestenfalls, sofern sie ein paar Worte Englisch können, das Wort "Global player" als eine Zumutung. Denn es wird nämlich so getan, als ob da mit großem Vermögen gespielt würde. Aber es wird mit den Schicksalen von Arbeitskräften, von vielen einzelnen Personen auch hier in Österreich gespielt. Der Hilfsarbeiter in Favoriten sowie der Kaufmann in der Wiedner Hauptstraße werden bei dem Wort "Globalisierung" nicht jene Freude empfinden, die ihnen eine Regierungserklärung vielleicht als Zukunftsvision geben könnte. Schauen Sie sich in Ottakring um, gehen Sie durch die Ottakringer Hauptstraße, durch die Wiedner Hauptstraße, durch die Favoritenstraße, dann sehen Sie, wie viele Geschäfte dort geschlossen sind. Mit der Globalisierung macht kein Geschäft wieder auf. Das möchte ich Ihnen schon sagen.

Einem Problem könnte sich der Herr Bundeskanzler annehmen. Er erwähnte nämlich hier: Die Ängste können wir nicht mit Statistiken, mit objektiven Daten besänftigen. – Das wird ihm auch schwer gelingen, denn es fehlen ihm die objektiven Daten, da die Außenhandelsstatistik in Österreich seit rund zwei Jahren nicht mehr funktioniert. Das Statistische Zentralamt ist nicht in der Lage, statistische Daten zu liefern. Das Statistische Zentralamt untersteht direkt dem Herrn Bundeskanzler, und dieser wäre gut beraten, dort endlich die personellen oder aber qualitativen Verbesserungen vorzunehmen, sodaß die österreichischen Wirtschaftstreibenden die statistischen Daten zur Verfügung haben. Schweden und Finnland haben es geschafft, die Außenhandelsstatistiken à jour, wie man so schön hochdeutsch sagt, zu haben. Nur wir Österreicher sind hier nicht mitgekommen.

Mut zu Veränderungen wird in der Regierungserklärung verlangt. Ja, mein Gott! Mut zur Veränderung verlangt der Herr Bundeskanzler. Mut zur Veränderung verlangt der Herr Vizekanzler. Mut zur Veränderung mag der eine oder andere Minister fordern. Er wäre gut beraten, dies nicht zu tun, denn den Mut muß jeder selbst aufbringen, sich zu verändern oder nicht. Der Regierung steht es nicht zu, für die Gebietskörperschaft Österreich den Mut zu verlangen, den sie vielleicht persönlich gar nicht aufbrächte. Denn den Mut in der Regierung immer nur als Herausforderung zu beschreiben, ist ebenso ein Sich-lustig-machen. Es ist eben nicht nur eine Herausforderung, es ist kein Klettern auf die Eigernordwand, das sich jemand persönlich vornimmt, sondern hier ist beinharte Arbeit zu leisten, meine Herren Minister und meine Frau Ministerin, und nicht den Herausforderungen trotzen zu wollen. Den Mut, bitte, überlassen Sie den Bürgern. Übernehmen Sie gute Verwaltungstätigkeit. Das möchte ich Ihnen sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dafür wird in der Regierungserklärung der Einsatz wärmedämmender Maßnahmen in Bundesgebäuden angeführt. Bei Gott ein "großes" Programm, meine Damen und Herren, wärme


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 62

dämmende Maßnahmen in Bundesgebäuden in eine Regierungserklärung hineinzunehmen! Besser wäre es, Sie hätten soziale Wärme, Heimatliebe und Liebe den Bundesbürgern gegenüber hineingenommen, statt wärmedämmende Maßnahmen in Bundesgebäuden zu propagieren. Das ist doch ein Verkennen der sozialen Dimension, die eine Regierung wahrzunehmen hat. (Bundesrat Prähauser: Ein Wirtschaftsvorhaben, das Arbeitsplätze sichert! Aber das werden Sie ja nicht verstehen, Herr Kollege!) Zur sozialen Dimension komme ich gleich.

Die Klein- und Mittelbetriebe: Wer sind die Klein- und Mittelbetriebe? – Zählt die Firma Anker zu den Kleinbetrieben, Mittelbetrieben oder Großbetrieben, meine Damen und Herren? Auf jeden Fall: Sie ist verkauft. Das schöne Ausland, das reiche Ausland hat auch diese Firma gekauft. Wenn das der Einstieg der Bundesregierung ist, neue Taten zu setzen, so ist er grenzenlos mißglückt.

Ich erinnere mich an ein Gespräch, welches der jetzige Herr Bundeskanzler als Verkehrsminister im Rahmen einer Sitzung des Verkehrsunterausschusses führte, in dem es um Viehtransporte ging. Damals sagte er einem sehr findigen Bauern und Schlächter aus Prein an der Rax – ich glaube, Schreiber hieß er –, er wolle dessen Anliegen sehr wohl unterstützen, er wolle dessen Idee eines kleinen, fahrbaren Schlachthofs, auf einem LKW montiert, positiv beurteilen und österreichweit propagieren, aber nicht erschweren. – Nie wieder ward von dieser guten Idee die Rede! Hingegen spricht man von großen, euro-fiten Schlachthöfen in Wien und in anderen Großstädten. Jedoch das kleine Gewerbe, der kleine, findige Bauer aus Prein bleibt auf der Strecke. Der Herr Bundeskanzler, ehedem Verkehrsminister, ist avanciert. Er hatte den Mut zu einer neuen Funktion. Aber der Mut des kleinen Bauern aus Prein an der Rax wurde bis jetzt noch nicht belobt, dem wurde noch nicht geholfen. Alles sind Verbalreformen, bei denen es an tätiger Hilfe wirklich fehlt.

Es wird immer von Strukturreformen gesprochen. Wohin gehen denn die Strukturreformen, meine Damen und Herren? – Es sagt kein Mensch, welche Strukturen. Seit 30 Jahren hört man ständig das Wort "Strukturreform". Das ist wie ein Jolly Joker in der Politik, wenn man sonst nichts mehr zu sagen hat. Diese Strukturreformen finden laufend und ohne Aufforderung durch die Politiker statt. Dieses Politikerwort brauchen wir nicht, sie sollen nur nicht hindern. Das hat auch Herr Präsident Schambeck vorhin schon gesagt: Politiker sollen nicht hindern. Sie sollen die Möglichkeiten geben, aber die Strukturreform kommt von selbst. Man soll sie vielleicht erleichtern, aber nicht ständig predigen.

Das Ausgabenwachstum soll eingebremst werden. Das Ausgabenwachstum in Zeiten der Arbeitslosigkeit einzubremsen, das ist mutig, meine Herren Minister und meine Frau Ministerin! Das ist mutig, denn das heißt, der Bevölkerung etwas abzuverlangen, wozu sie nicht den Mut hat.

In Zeiten von Arbeitslosigkeit müßte man von der öffentlichen Seite her ein bißchen investieren und nicht einem Kriterium – genannt Maastricht-Kriterien – folgend eine Sparefroh-Politik machen. Die Menschen sollen den Gürtel enger schnallen! Wofür? Sagen Sie der Bevölkerung, wofür der Gürtel engergeschnallt wird. – Für die Maastricht-Kriterien? Das ist doch lächerlich! Wir werden doch nicht für die Maastricht-Kriterien die österreichische Bevölkerung gesundhungern, auch wenn die Fastenzeit vor der Türe steht. Nein, so nicht!

In Schweden hört man daher auch jetzt schon auf, das Sanierungsprogramm, welches natürlich ein Sparefroh-Programm ist, umzusetzen. Die Schweden brechen es ab, weil die schwedische Bevölkerung dem nicht mehr folgen will. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Wofür? Warum? Weshalb sparen? Wer ist schuld an diesem Mißstand? Sind nicht diese Bundesregierung, die vorangegangene Bundesregierung, insgesamt jetzt schon bald zwölf Jahre Regierung Vranitzky I, II, III – natürlich war auch Klima mit dabei – an diesen Zuständen der Staatsverschuldung mit schuld? Und jetzt wollen uns dieselben Gruppierungen – die Personen wechseln ihre Position, weil sie Mut zur Veränderung aufbringen, für die der Österreicher weniger Mut hat – einreden, daß zu sparen ist. Jetzt ist der falsche Zeitpunkt zu sparen, meine


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 63

Damen und Herren! Maastricht ist mir kein Anliegen. Das ist ein papierenes Gebilde, das unmenschlich ist.

Im britischen Oberhaus kam vor wenigen Tagen eine persönliche Vorlage zur Abstimmung, welche besagt, die Römer Verträge gehören zerschnipselt. Das ist leider nicht Gesetz geworden.

Es werden weiters hier die Freude und der Spaß am Leben und am Lernen erwähnt. Ich glaube, diese Zusammensetzung, einerseits der Mut, den die Regierung haben will und den sie den Österreichern zumutet, und andererseits der Spaß am Leben, ist vielleicht ein gewagter Sprung.

Spaß am Lernen ist prima, vom Entrümpeln der Lehrpläne hören wir seit 20 Jahren, das ist auch so ein Füllsel, aber der Jugend das Recht auf Ausbildung zu sichern, finde ich eine gute Sache. Es fehlt nur noch ein Wort dabei: Auch Pflicht gehört dazu. Denn im ganzen Spaß und im ganzen Recht kommt das Wort Pflicht nicht mehr vor. Von einer Bevölkerung, der man wohl Mut zumutet, von einer Bevölkerung, der man von oben den Sparefroh auferlegt, der man aber nicht sagt, daß sie auch ein paar Pflichten zu erfüllen hat, von einer auszubildenden Bevölkerung, der man auf Staatskosten – sehr wohl mit Steuergeldern erwirtschaftete Staatskosten – die Bildung ermöglicht, muß man auch erwarten können, daß sie die Pflicht des Lernens auf sich nimmt, denn sonst ist das ein sehr einseitiges Gebilde und trägt dazu bei, daß dieses Modell ein Auslaufmodell wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es werden erfreulicherweise der Bevölkerung auch konkrete Modelle angeboten, die die Alterssicherung in der Zukunft vorgeben sollen. Jetzt möchte ich einmal wissen, was ein konkretes Modell ist. Ist das Modell lebensgroß? Oder ist es kein konkretes Modell? Ist es vielleicht 1: 10 000 oder 1: 5? – Ich weiß es nicht. Mit Worthülsen wird hier eine gute Absicht der Regierung vorgetäuscht, die man, wenn man sie sich im Munde zergehen läßt, eigentlich nur mit Hohn betrachten kann, denn konkrete Modelle als Zukunftssicherung anzubieten, das hätten sich andere auch noch nicht getraut. Daher müßte man sagen: nicht bestanden! Treten Sie noch einmal an! Ein konkretes Modell kann man nicht anbieten. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. – Bundesrat Konečny: Wer, Kollege Gudenus?)

Es wird ein Unsicherheitsgefühl in der österreichischen Bevölkerung angeführt. Ob dieser konkreten Modelle, meine Damen und Herren, ob des erforderten Mutes, den die Bevölkerung haben soll, ob des Sparefrohs, den sie auf sich laden soll, stellt sich für mich wirklich nicht die Frage, warum die Bevölkerung ein gewisses Maß an Unsicherheit aufweist und sich beunruhigt fühlt. Es ist eben nicht so, daß man die Freude am Leben dekretieren kann. Die Bevölkerung bekommt es sehr wohl mit, wenn die Regierung meint, mit Sprechblasen Zukunftssicherung betreiben zu können.

Dazu zählt unter anderem auch der Umbau des Hoheitsstaates zum Dienstleistungsstaat. Was haben wir denn bislang in den letzten 50 Jahren gemacht? – Da wurde Gesetz über Gesetz hinausgepulvert, wir haben fleißig dazu beigetragen und meinten, daß wir mit dieser Menge an Gesetzen, die wir jährlich machen – es sind ja Tausende Seiten geworden in den letzten Jahren –, den Hoheitsstaat bekommen.

Wie wollen Sie denn das machen, meine Damen und Herren? Wie wollen Sie diesen frommen Wunsch umsetzen, zum Dienstleistungsstaat zu werden? Abgesehen davon verträgt sich dieses Ansinnen doch bei weitem nicht mit Ihrer Absicht, Österreich als Unterstaat in die Europäische Union einzugliedern, bar jeder staatlichen Befugnis.

Immerhin wird auch der Europäischen Union eine große Rolle zugedacht. "Es ist das erfolgreichste Projekt zur Sicherung der wirtschaftlichen und politischen Stabilität." – Ich kann nur sagen: Mut hat die Regierung, das zu behaupten.

Dieses kurze Sample von wenigen Jahren – wir sind jetzt zwei Jahre dabei; die EU als solche ist ein wachsendes Organ, von dem man noch nicht weiß, was es ist – als erfolgreichstes Projekt zur Sicherung der wirtschaftlichen und politischen Stabilität darzustellen, ist sicherlich die Absicht der Regierung. Ich gebe zu, sie hat die Absicht, aber ob es so kommt, das werden erst


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 64

unsere Enkel beurteilen können. Ob unsere Enkel uns dann nicht schimpfen, was wir aufgeführt haben, das ist die Frage. Das werden wir uns vielleicht gefallen lassen müssen, wenn wir bis dahin überleben.

Was ist jetzt mit den Arbeitslosen? – 302 000 Arbeitslose klagen an und empfinden das "erfolgreichste Projekt" zumindest in dem für uns übersehbaren Zeitraum von zwei Jahren als durchaus gescheitert und als nicht geglückt.

Die Arbeitslosen sind es nicht allein, es sind auch viele andere Bewohner in Österreich – jene, die in der Wirtschaft stehen, Rentner, die nicht mehr in der Wirtschaft stehen –, die das, was wir derzeit in Österreich haben, nur zutiefst beklagen können.

Fragen Sie einen Waldviertler Zuschußrentner – Kollege Penz ist leider nicht da –, wieviel er und seine Ehefrau bekommen. 5 500 S bekommen beide! Können Sie sich das vorstellen, mit 5 500 S zu leben? Ja, er darf natürlich im Ausgedinge bei seinem Sohn oder Schwiegersohn leben. Aber mit 5 500 S? Es ist ein Skandal, wenn man glaubt, das als Zukunftssicherung unserer Bevölkerung vorschlagen zu können! Denn das wäre dann das Resultat. So nicht!

Da werden die Beispiele Sozialpolitik, Menschenrechte, Umweltschutz, Tierschutz und das Stärken der demokratischen Strukturen in der Europäischen Union erwähnt. Die demokratischen Strukturen in der Europäischen Union stärken – damit ist die Katze aus dem Sack, meine Damen und Herren! Denn die Europäische Union demokratisch stärken, heißt, einen Bundesstaat aus ihr zu machen. Jede Stimme wiegt dann gleich viel.

Wir waren bis jetzt der Meinung, daß ein europäischer Staatenbund geschaffen werden soll. Einem europäischen Staatenbund, einem Europa der Vaterländer, dieser Idee kann ich folgen, aber einem europäischen Bundesstaat mit demokratischen Strukturen werde ich mit meinen schwachen Kräften stärksten Widerstand entgegensetzen. Es war nicht unsere Absicht, solch einen europäischen Bundesstaat zu schaffen. Weit davon entfernt! Das haben wir im alten Reich 1648 bis 1806 schon besser gehabt. Da hatten wir einen Staatenbund, da hatten wir viele Einzelgesetze, da hatten wir viele einzelne Möglichkeiten. Das wäre eine Vorlage für einen europäischen Staatenbund. – Vielleicht. Aber es war ein Staatenbund, der ein Oberhaupt hatte, alles andere war ungeheuer föderal organisiert in diesem alten Reich, über das Freiherr von Aretin, ein deutscher Historiker, und viele andere, die historisch bewandert sind, schreiben und sich dazu äußern.

Der heutige Staat wird ein Zentralstaat, und was wir hier im Parlament zum Teil machen, ist ein Nachzappeln hinter den Brüsseler Bestimmungen, von denen wir nur noch vorgeben, daß wir sie gesetzlich umwandeln. Jawohl, wir gießen sie mit Worten in österreichische Gesetze. Wir können nicht anders! Das kommt aus Brüssel.

Ich sage Ihnen, das ist ebenso falsch wie die Schaffung des Euro. Bei diesem Euro wird Währung mit Geld verwechselt. Am Geld hängt Gefühl, meine Damen und Herren, und Sie mißachten das Gefühl aller Österreicher, wenn Sie meinen, eine neue Währung schaffen zu müssen und den Schilling die Geschichte hinabschwimmen lassen zu können. Gerade das ist eine Unmöglichkeit! Das ist einer der Irrtümer des Konstruktivismus, wie Friedrich von Hajek gesagt hat, der nämlich meint, Naturwissenschaften und Technik ersetzen Sitte, Recht und Glauben. Das können wir nicht! Naturwissenschaften und Technik sind für den Menschen da und nicht die Menschen für diese.

Ich habe manchmal den Eindruck, die Bundesregierung zäumt das Pferd falsch auf. Es wurde vorhin gesagt: Gesetze für Menschen und nicht Menschen für Gesetze. Und ebenso ist es mit dem Euro. Der Euro ist wirklich der Unstern, unter dem Europa steht. Der Euro ist es, der die Armut in Österreich hervorbringt. Der Euro ist es, warum 302 000 Österreicher in Armut und Arbeitslosigkeit gesunken sind.

Das Wesen des Geldes – so hat es ein weiterer großer Österreicher beschrieben, und zwar Schumpeter – ist nämlich, daß es die geographische und die politische Lage widerspiegelt. Das


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 65

Geld erleidet, ist, tut und will das, was die Bevölkerung macht. Aber der Euro, die Kunstwährung, ist ein Mißbrauch, ein Mißbrauch der Österreicher für eine verfehlte Politik.

Man spricht hier auch von osteuropäischen Reformstaaten – ebenso ein Mißverstehen der Geschichte. Es handelt sich in diesem Fall um mitteleuropäische Reformstaaten, meine Damen und Herren! Das ist es! Sie sprechen von Osteuropa, als ob das etwas Schlechtes, weit Entferntes wäre. Unsere Nachbarstaaten bis weit in die Ukraine und ins Schwarze Meer hinein sind mitteleuropäische Staaten. Machen Sie sich einmal mit diesem geographischen Begriff vertraut! Denken Sie daran, Europa wurde jahrhundertelang von Prag und von Wien aus regiert, und Brüssel war eine kleine Provinzstadt, in die unliebsame spanische Granden geschickt wurden, um sich ein bißchen in der Verwaltung zu üben. Aber Wien und Prag – das war Mitteleuropa, das war Europa! Und diese Bundesregierung gibt diese Geschichte auf! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Payer. – Bitte.

13.42

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Die heutige Regierungserklärung des neuen Bundeskanzlers Viktor Klima fußt auf dem Koalitionsübereinkommen, das nach dem Dezember 1995 von SPÖ und ÖVP abgeschlossen wurde, und dieses Koalitionsübereinkommen, das nicht einfach zu erreichen war – es war ein Kompromiß –, hat mitgeholfen, ein Konsolidierungsprogramm zustande zu bringen, um das uns andere Staaten beneiden. Die von mir angesprochene Konsolidierung wurde nämlich ohne Gefahr für den sozialen Frieden erreicht und stellt gleichzeitig sicher, daß wir die Kriterien für den Eintritt in die Europäische Währungsunion erreichen werden.

In Richtung des Herrn Gudenus sei gesagt: Ohne Währungsunion wäre eine Desintegration in Europa angesagt. Ich glaube aber, wir brauchen mehr Integration.

Die heutigen Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers werte ich als eine grundlegende Bestätigung der weiteren Zusammenarbeit zwischen den beiden Regierungsparteien. Ich bin auch überzeugt davon, daß die Geschichtsschreibung die zehn Jahre der Regierung Franz Vranitzky sehr positiv bewerten wird, anders als diese Arbeit in den vergangenen Wochen, aber auch heute von einigen Oppositionsrednern kommentiert wurde. Franz Vranitzky hat das politische Leben in den letzten zehn Jahren so nachhaltig geprägt wie vor ihm Bruno Kreisky. Franz Vranitzky manövrierte unser Land aus einer internationalen Isolation. Er bewahrte uns vor einer schwarz-blauen Koalition, und er führte uns in die EU. Ich bin davon überzeugt, daß die Geschichte diesen Weg einmal als richtig darstellen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Vergessen wir nicht, daß sich die wirtschaftlichen Gegebenheiten sehr rasant ändern und daß es daher notwendig ist, auf die Entfesselung der Kräfte des Weltmarktes – ich verwende hier einen Ausdruck, den man in der Wirtschaftsliteratur in den letzten Monaten immer wieder findet – Antworten zu finden. Bedenken wir, daß durch die Globalisierung der Wirtschaft die politischen Handelsspielräume reduziert werden.

Es stimmt mich aber etwas bedenklich, wenn von der Opposition versucht wird, über den drittreichsten Staat der EU, nämlich über unser Österreich, wirtschaftliche Horrorszenarien zu malen. Gegen diese Szenarien sprechen die guten Wirtschaftdaten – der Bundeskanzler hat sie angeführt –, aber auch laut einer jüngst veröffentlichten Studie der Arbeiterkammer Wien beträgt das durchschnittliche Haushaltsvermögen der Österreicher stolze 1,8 Millionen Schilling. (Bundesrat Dr. Tremmel: Milliarden!) – Millionen Schilling. Jährlich werden hierzulande nicht weniger als 100 Milliarden – und ich betone: Milliarden – vererbt oder verschenkt, und von diesen 100 Erbschaftsmilliarden fließen nur 0,1 Prozent in die Staatskasse. Ich möchte diese 0,1 Prozent nicht weiter kommentieren, aber Sie können sich vorstellen, daß ich hier eine andere Meinung zu dieser Besteuerung habe. (Bundesrat DDr. Königshofer: Vielleicht möchten Sie gleich alles haben! Dann können Sie die Staatsschulden begleichen! 100 Milliarden zu 100 Milliarden!) Ich weiß nicht, ob diese 0,1 Prozent wirklich für diese Milliarden angemessen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 66

sind. Aber das unterscheidet uns. Das macht Sie zur Opposition und die Sozialdemokraten zur Regierungspartei.

Herr Bundeskanzler Klima hat auf die zunehmende Liberalisierung und den verstärkten Wettbewerb auf den internationalen Märkten hingewiesen, und er hat klar ausgedrückt, daß wir Mut zu Neuem, Mut zu Veränderung brauchen. Er hat darauf hingewiesen, daß es notwendig sein wird, überholte Strukturen aufzubrechen und bürokratische Hemmnisse abzubauen. Daß dabei der Frage der Bildung, der Frage der Ausbildung ein besonderer Stellenwert eingeräumt werden muß, ist schlüssig. Neue Überlegungen zur Finanzierung der Universitäten sind notwendig. Bundesminister Einem hat das ja schon angekündigt. Es geht um eine gerechte Finanzierung der Universitäten. Es geht aber auch um den Zugang für alle und um die Chancengleichheit für alle.

Das bereits historische Zitat "Bildung macht frei!" ist aktueller denn je, denn nur durch gute Bildung können junge Menschen befähigt werden, sich immer wieder neuen beruflichen Herausforderungen zu stellen, sich auf neuen Arbeitsplätzen zu bewähren. Die Bereitschaft zur Mobilität muß gefördert werden, in den Schulen müssen die neuen Technologien verstärkt Einzug halten.

Positiv zu bewerten ist, daß sich die Zahl der Jugendlichen, die am ERASMUS-Bildungsprogramm der EU teilnehmen, seit dem Beitritt Österreichs zur EU verdreifacht hat. Nicht weniger als 6 203 junge Österreicher profitierten bisher von der großen Auswahl an EU-Bildungsprogrammen. Rund 570 Jugendliche haben im Rahmen des Programms LEONARDO an Vermittlungs- und Austauschaktionen teilgenommen. Ich bin davon überzeugt, daß die kommenden Jahre hier noch Steigerungen bringen werden.

Neue Arbeitsplätze – das ist bei den meisten Rednern durchgeklungen – sind ein Gebot der Stunde. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist die Hauptaufgabe der neuen Regierung. Es muß gelingen, daß entfallenden Arbeitsplätzen neu geschaffene gegenüberstehen. Der Bundeskanzler hat sehr ehrlich gesagt, daß auch er kein Patentrezept anbieten könne. Ein Bündel von Maßnahmen, so hat er es bezeichnet, wird notwendig sein, um der drohenden Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken.

Gerade in den letzten Tagen wieder ist der Verkauf österreichischer Firmen an ausländische Firmen ein Diskussionspunkt geworden. Daß die Einflußnahme des Staates dabei oft sehr gering ist, ist aber eine nicht zu leugnende Tatsache. Daß ausländische Firmen einen Standort in Österreich suchen, ist aber auch ein Beweis dafür, daß der Industriestandort Österreich attraktiv ist.

Es ist aber auch nicht zu leugnen, daß solche Übernahmen österreichischer Firmen durch ausländische Firmen in der Bevölkerung mit Skepsis, manchmal auch mit Angst beobachtet werden. Der Hinweis der Wirtschaftsforscher, daß solche Übernahmen nicht unbedingt mit dem Verlust von Arbeitsplätzen einhergehen, wird leider überhört oder verschwiegen. Wichtig wird es sein, daß die Regierung alles versucht, daß die Entscheidungszentren von Unternehmen in wichtigen Kernbereichen in unserem Land bleiben. Wenn das gelingt, wird das die Stimmung heben und eine aktive Arbeitsmarktpolitik erleichtern.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der umfassenden Reform des Spitalssystems – ich danke hier Frau Bundesministerin Krammer, die aus meinem Bundesland kommt – wurde bereits ein sehr bedeutender Schritt in Richtung Sicherung unseres hohen Standards bei der medizinischen Versorgung getan. Der freie Zugang zur besten medizinischen Leistung für die gesamte Bevölkerung ist ein wichtiger Grundpfeiler der Politik. Um dies weiterhin zu gewährleisten, müssen allerdings die enormen Kostensteigerungen im Gesundheitssystem eingebremst werden.

Die Spitalsreform mit der Einführung der leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung ist bereits ein gewaltiger Fortschritt, weil Krankenhäuser in Zukunft nur für jene Leistungen bezahlt werden, die sie auch erbringen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 67

Bundeskanzler Klima hat auch auf eine Diskrepanz hingewiesen, die es hier gibt: Einerseits ist Österreich das drittreichste Land der EU, andererseits haben aber auch wir mit dem Problem Armut zu kämpfen. Ich halte die Aussage des Bundeskanzlers, Transferleistungen müssen sich auf jene konzentrieren, die es wirklich brauchen, für sehr richtig.

Meine Damen und Herren! Österreich hat seit 1945 ein großes Aufbauwerk zustande gebracht, seit 1986 in einer Koalitionsregierung gemeinsam mit der ÖVP. Mit Bundeskanzler Klima und seinem Team wird diese gute Arbeit sicher fortgesetzt werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.54

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner: Herr Bundesrat Pischl. – Bitte.

13.54

Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dieser großen Regierungsumbildung hat uns heute der neue Bundeskanzler seine Überlegungen und Vorstellungen über Weichenstellungen und politische Perspektiven für die Zukunft unter dem Titel "Die Chancen der Veränderung nützen" dar- und vorgestellt. Ich verstehe diese Botschaft so, daß im Rahmen des Regierungsübereinkommens von SPÖ und ÖVP, welches für die gesamte Legislaturperiode geschlossen worden ist, neue Schwerpunkte und neue Akzente von dieser Regierung gesetzt werden müssen, um Rahmenbedingungen für eine wirtschaftlich sichere Zukunft zu schaffen, die den Bürgern neue Chancen bieten soll.

Wenn wir jetzt durch diese neue Regierung die Chance der Veränderung nützen wollen, sollen wir aber auch den Mut haben, nicht nur große Dimensionen anzupeilen, wie wir sie heute von verschiedenen Debattenrednern auch gehört haben, sondern ich glaube, daß auch dort Veränderungen durchgeführt werden müssen – und zwar im kleinen Bereich –, wo verkrustete Strukturen sehr oft ein Hemmnis darstellen, das der einzelne Bürger verständnislos und oft nur mehr kopfschüttelnd hinnehmen kann. Wir brauchen also auch verstärkt den Mut für das Detail.

Ich möchte heute die Gelegenheit nützen, um auf einige wenige solche Detailproblemstellungen hinzuweisen. Ich möchte nicht jammern, sondern aufzeigen, daß wir bereit sein sollen, Veränderungen im kleinen einzuleiten, die dann große Auswirkungen haben könnten.

Ich war heute eigentlich sehr beeindruckt von den Ausführungen der Frau Kollegin Kainz, die hier Wünsche an diese Regierung deponiert hat. Ich war deshalb beeindruckt, weil sie hier sehr deutlich darlegen konnte, was ihr in ihrem Arbeitsleben, in ihrem Berufsleben, aber auch als Gewerkschaftsmitarbeiterin passiert.

Und ich nehme das auch für mich in Anspruch. Ich bin Leiter des Familienreferates beim Amt der Tiroler Landesregierung und werde ebenfalls immer wieder mit solchen Fragen konfrontiert, Fragen, warum etwas nicht geht, was eigentlich nach den Vorstellungen der Bürger leicht gehen müßte oder leicht veränderbar sein müßte.

Es gilt also – das möchte ich auch dieser Regierung mitgeben –, gewisse Entwicklungen auch mit dem Hausverstand zu beurteilen und daraus Konsequenzen zu ziehen und Veränderungen einzuleiten.

Beispiel eins aus den letzten Wochen und Monaten, in denen ich mich sehr stark engagiert habe: Es wird jemand arbeitslos. Die betreffende Person ist über 40 Jahre alt und hat keine Chance, einen Arbeitsplatz zu finden. Es handelt sich in diesem Fall um einen Mann, aber ich kenne auch viele Fälle von Frauen, die keine Arbeit finden.

Jetzt ist der Betreffende zwei Jahre arbeitslos und bezieht nun die Sozialhilfe. Er bemüht sich seit längerer Zeit um eine Umschulung beziehungsweise um die Möglichkeit, die Altenhilfe-Ausbildung machen zu können. Beim Arbeitsmarktservice erhält er immer wieder die gleiche Auskunft – ich habe auch mit diesen Leuten gesprochen –: Wenn diese Person einen solchen Kurs oder die Schule besucht, muß die Sozialhilfe sofort eingestellt werden. (Bundesrätin


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 68

Schicker: Herr Kollege, Sie sprechen von Notstandshilfe, nicht Sozialhilfe! Das ist etwas anderes!)

Ja, ich bitte um Entschuldigung! Die Notstandshilfe! Es muß die Notstandshilfe sofort eingestellt werden. So kann es meines Erachtens in der Praxis einfach nicht weitergehen. Von irgend etwas muß diese Person, muß diese Familie ja leben.

Auf der anderen Seite müssen wir aber die Chance wahren – weil gerade auf diesem Sektor einige Arbeitsplätze vorhanden wären –, daß der oder die Betreffende eine solche Ausbildung absolvieren kann.

Ich bemühe mich schon seit einiger Zeit, diesem Mann zu helfen und zumindest zu versuchen, daß er eine Teilzeitbeschäftigung bekommt, sodaß er keine Notstandshilfe mehr beziehen muß. Man sagt mir aber immer wieder: Ja, es ist alles gut und recht!, und man hat auch sehr viel Verständnis dafür, daß er eine Ausbildung oder diese Umschulung machen möchte, aber sie wollen eben in den Institutionen lieber ausgebildete Altenhelfer. Das heißt, hier gibt es für mich einen Teufelskreis, und wenn wir nicht den Mut zu Veränderungen haben, kommen sehr viele Menschen aus diesem Kreis nicht heraus.

Meine Damen und Herren! Dies sind keine Einzelfälle, sondern es gibt sehr viele Betroffene, und ich betone nochmals, insbesondere viele Frauen sind davon betroffen. Veränderungen würden Chancen für Menschen bringen.

Beispiel zwei – dieses wurde heute vom Herrn Bundeskanzler bereits angeschnitten, und es ist derzeit ein sehr emotional besetztes gesellschaftliches Thema –: die Kinderbetreuung in unserem Lande. Wir wissen, und wir haben uns schon damit auseinandergesetzt, es gibt die 600 Millionen Schilling aus dem Budget für 1997 und 1998. Es ist gelungen, die Richtlinien entsprechend auszuarbeiten, die Projekte können jetzt eingereicht werden. Ich glaube aber, daß wir nicht nur Projekte entwickeln sollten, sondern daß wir grundsätzlich auch Änderungen durchführen müßten, wenn uns diese Kinderbetreuung wirklich ein Anliegen ist. Es wird nämlich sehr viel Geld gerade vom Arbeitsmarktservice, aber auch von den Landesregierungen Frauen, Müttern bezahlt, welche ihr Kind in eine Betreuung geben müssen, um die Chance eines beruflichen Wiedereinstieges oder eines Neubeginnes in einen Beruf zu nützen. (Bundesrätin Schicker: Das ist ja etwas Gutes!) – Das ist sehr positiv, das möchte ich doppelt und dreifach unterstreichen.

Nur: Ein Problem stellt sich dabei für mich schon. Eine Unterstützung durch das AMS wird nämlich nur zuerkannt, wenn eine Mutter ihr Kind einer Institution, einer Kinderspielgruppe, einer Kindergruppe oder – und jetzt kommt es darauf an – einer fremden Person in Betreuung gibt. (Bundesrätin Schicker: Einer Tagesmutter, die angestellt ist!) – Einer Tagesmutter, wie immer wir es nennen wollen. Für eine Betreuung im großfamiliären Bereich aber wird keine Unterstützung gewährt, auch wenn sich dort möglicherweise eine Tagesmutter mit Pflegeberechtigung, mit Pflegeschein und so weiter befindet oder eine Oma in der Lage wäre, dieses Kind zu nehmen.

Dieser innerfamiliäre Kreis kann aber diese Kindesbetreuung auch nicht gratis machen, ich weiß das aus verschiedensten Gesprächen heraus. Omas sind ja heute oft sehr jung und haben auch Verpflichtungen, sei es sozialrechtlicher Natur oder seien es andere Verpflichtungen, um eine nahtlose Absicherung zu haben. Aber wenn jemand ein Kind im familiären Bereich betreuen lassen will, wird keine Unterstützung von AMS bezahlt. Das sollte meines Erachtens unbedingt geändert werden, und ich hoffe hier auf die neue Sozialministerin und würde auch – da sie hier anwesend ist – die neue Frau Bundesministerin für Frauenfragen sehr eindringlich ersuchen, Partnerin – wie heute der Herr Bundeskanzler gesagt hat –in diesem für mich sehr wichtigen, ja oft entscheidenden Fragen unserer Gesellschaft zu sein.

Eine weitere Überlegung – meines Erachtens ist dies in der Regierungserklärung viel zu kurz gekommen, und es hat der Herr Bundeskanzler heute auch nicht darauf hingewiesen – wäre ein verstärktes Anbieten von Teilzeitarbeit gerade für Frauen aus Familien mit Kindern. Die Teilzeitarbeit würde meiner Meinung nach viele Chancen für einen Wiedereinstieg, für ein


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 69

Herauskommen auch aus dem familiären Bereich bieten, um etwas anderes machen zu können, aber vor allem auch, um das weiterzuführen, was man einmal gelernt hat.

Wenn ich betone, daß dies in der Regierungserklärung nicht direkt angesprochen wurde, so hoffe ich doch, daß man um diese Probleme weiß. Der Herr Bundeskanzler hat ja heute in seiner Erklärung darauf hingewiesen, daß ihm auch das, was nicht angesprochen wurde, bewußt ist, so auch diese Frage.

Es gilt also, für die Menschen – vor allem für die Frauen – Möglichkeiten zu schaffen, um Hausarbeit und Erwerbsarbeit besser vereinen zu können. Hohes Haus! Das ist eine gesellschaftspolitische Herausforderung für die Politik und die Sozialpartnerschaft, die heute ja wieder sehr stark in den Vordergrund getreten ist und wozu sich auch der Herr Bundeskanzler sehr eindeutig bekannt hat. Aber wir brauchen in der Politik und vor allem auch in der Sozialpartnerschaft den Mut zur Veränderung des heute praktizierten und oft sehr starren Wirtschaftssystems.

Eine weitere Herausforderung dieser Regierung wird es meines Erachtens sein, im Rahmen der kommenden Steuerreform einen Schwerpunkt für mehr Steuergerechtigkeit in einer kinderfreundlichen Gesellschaft zu setzen. Es hat schon mein Kollege Penz darauf hingewiesen, daß wir auch an dieser Frage gemessen werden, wenn wir im Jahre 1999 erneut zu Wahlen antreten. Wir werden daran gemessen werden, ob es zu einer Berücksichtigung der Familien im Steuerrecht gekommen ist, die für jedes Familienmitglied ein steuerfreies Existenzminimum gewährleistet. Es geht einfach um die Notwendigkeit, einen gerechten Ausgleich der finanziellen Lasten in den Familien und gegenüber den Familien zu finden.

Meine Damen und Herren! Dies trifft hauptsächlich Alleinverdiener oder Alleinverdienerinnen, Alleinerzieher oder Alleinerzieherinnen, in besonderer Weise aber auch die Mehrkinderfamilien. Auch für diese Umsetzung braucht es ein zielstrebiges Wollen für Veränderungen, die nur die Politik schaffen kann. Ich hoffe – ich kann mich hier nur wiederholen und mich dem Appell des Kollegen Penz anschließen –, daß das von Familienminister Dr. Bartenstein vorgelegte Konzept der Familienbesteuerung auch die Unterstützung von Frauenministerin Dr. Prammer erhält, um eine Veränderung in dieser wichtigen Frage zu erreichen.

Mir ist natürlich klar, daß der Hauptakteur in diesen steuerrechtlichen Fragen das Finanzministerium beziehungsweise der Finanzminister sein wird, aber wenn wir einen Konsens zwischen Frauenministerium und Familienministerium finden, wird eine Lösung oder ein Durchbruch wesentlich leichter zu erzielen sein.

Ich möchte aber die heutige Sitzung auch dazu benützen, noch einige Punkte aus dem Bereich der Familienpolitik zu erwähnen, wo die Chance einer Veränderung ergriffen werden sollte. Ich meine hier vor allem eine neue Zielsetzung und eventuell neue Finanzierungskriterien für den Familienlastenausgleich, eine neue Perspektive für die Umwandlung des Familienlastenausgleichs in einen Familienleistungsausgleich.

Ein weiterer Punkt, den ich schon einige Male hier vom Rednerpult aus angeschnitten habe, ist ein Betreuungsscheck für Mütter oder Väter etwa bis zum vierten Lebensjahr des jüngsten Kindes.

Der Herr Bundeskanzler und auch einige Vorredner haben darauf hingewiesen, daß ein Schwerpunkt dieser Bundesregierung die Bekämpfung und Eindämmung der Armut sein muß. Ich möchte mich dieser grundsätzlichen Aussage anschließen, und ich glaube, es wird sich niemand in diesem Hause da verschließen. (Präsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Nur was wir brauchen, ist auch das Bewußtsein – ich bin sehr froh darüber, daß der Herr Bundeskanzler auch davon gesprochen hat –, daß sich immer mehr Menschen in Richtung Armut oder Armutsgrenze bewegen. Es müssen hier neue Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es kommt nicht darauf an, wie eine finanzielle Unterstützung oder Förderung aussieht, sondern es geht einfach darum, daß wir dem einzelnen Bürger, der in diese Situation, in diesen Strudel hineingerät, durch Rahmenbedingungen heraushelfen und ihm nicht das Gefühl einer


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 70

Abhängigkeit vom Staat vermitteln, das Gefühl, daß er als Bittsteller kommt und um Almosen ersuchen muß.

Frau Kollegin Kainz hat bereits über den Mißbrauch gesprochen. Diesen Worten kann ich mich nur anschließen. Wir reden heute zu leichtfertig über Mißbrauch. Es mag da und dort sicherlich etwas vorkommen, aber man kann nicht generalisierend sagen, jeder, der aufgrund der Rahmenbedingungen das soziale Netz des Staates in Anspruch nehmen muß, betreibe Mißbrauch gegenüber der Gesellschaft. Dagegen müssen wir uns wehren. (Beifall der Bundesrätin Kainz. )

Ich möchte heute hier nicht mehr weiter ins Detail gehen. Ich darf abschließend feststellen, daß die primäre Aufgabe der Familienpolitik darin besteht, jene Armut zu vermeiden beziehungsweise ihr entgegenzuwirken, die aus der Übernahme der Verantwortung für Kinder entsteht. Diese Bundesregierung wird bestimmt unter anderem daran gemessen werden, ob sie bereit ist, die Familienpolitik als gesellschaftspolitische Herausforderung zu sehen und neue bedarfsorientierte Rahmenbedingungen zu schaffen, um für die betroffenen Familien Entscheidungsspielraum, aber auch Möglichkeiten der Wahlfreiheit zu schaffen, damit in Zukunft Hausarbeit, Kindererziehung und außerhäusliche Arbeit besser zu vereinen sein werden. In diesem Sinne sollten wir gemeinsam die Chance der Veränderungen nützen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.12

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Dr. Tremmel kommt zum Rednerpult und bringt eine Getränkedose mit. – Bundesrat Dr. Linzer: Red Bull? – Heiterkeit.)

14.12

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Nicht Red Bull! Ein blauer Energiedrink! (Bundesrat Konečny: Das Prinzip Hoffnung: Es steht "Boss" drauf!)

Chancen zur Veränderung, Mut zur Veränderung – das haben viele meiner Vorredner hier erwähnt. Ich habe mir diese Worte auf den Entwurf des Bundesministeriengesetzes geschrieben. Unter anderem hat Kollege Meier eine Zusammenlegung, eine Verkleinerung der Zahl der Ministerien verlangt. Andererseits sagte beim letzten Mal – es wurde schon zitiert – Kollege Konečny: Die besten Köpfe – er meinte damit die Frau Ministerin a. D. Konrad – gehören in die Regierung.

Meine Damen und Herren! Gutgläubig, wie ich bin, habe ich mir gesagt: Da wird ja reduziert, da wird zusammengelegt! – Ich habe mir das dann ein bisserl angeschaut. In einem sehr sensiblen Bereich, nämlich dem der Gesundheitspolitik, kommt es zu Doppelgleisigkeiten, Mischkompetenzen, und zwar in geradezu bestürzender Weise, was wieder Kompetenzkonflikte und Vollzugsdefizite erzeugt.

Die Zuständigkeit für allgemeine Gesundheitspolitik, Gesundheitsvorsorge, Gesundheitsschutz, Gesundheitserziehung, Gesundheitsberatung und das Hygienewesen sollen etwa an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fallen, an das Bundeskanzleramt die Zuständigkeit für Nahrungsmittelkontrolle, Nahrungsmittelhygiene und Futtermittelhygiene. Kollege Penz hat schon darauf hingewiesen, aber seine Kritik war eine sehr sanfte – verständlicherweise, er ist ja Koalitionspartner. Weiters soll an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zum Beispiel das Impfwesen, das Arzneimittelwesen fallen, das Bundeskanzleramt soll im Gegenzug für die Tierimpfstoffe und für die Tierarzneimittel zuständig sein.

Warum, meine Damen und Herren, zähle ich das so lang und breit auf? – Damit werden genau jene gravierenden Fehler begangen, die der BSE-Untersuchungsausschuß des EU-Parlaments zu Recht der EU-Bürokratie vorwirft.

Gegenwärtig sind auf der Ebene der EU die gemeinschaftlichen Zuständigkeiten für die Fragen der Volksgesundheit innerhalb der Kommission auf die Generaldirektion III Industrie, Generaldirektion IV Landwirtschaft und Tiergesundheit sowie auf die Generaldirektion Gesundheit und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 71

Sicherheit und Verbraucherschutz aufgeteilt. Der Untersuchungsausschuß empfiehlt eine große Dienststelle zum Schutz der Volksgesundheit, die durch Übernahme und Koordinierung von Zuständigkeiten ein wirksames Tätigwerden im Nahrungsmittelbereich, Qualität und Hygiene von Nahrungsmitteln bei Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie Verbraucherschutz gewährleistet.

Was machen wir in Österreich? – Es wird ja sonst immer behauptet, daß man die EU als Vorbild nehmen sollte. Aber wir machen genau das Gegenteil mit diesem Bundesministeriengesetz. Im Interesse einer sachgerechten Kompetenzverteilung wäre es daher angebracht, meine Damen und Herren, daß die bisherigen Kompetenzen des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz in der Kompetenz eines Ressorts vereinigt bleiben, wofür unserer Meinung nach das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit in Betracht käme.

Es wurde des langen und breiten auch darüber gesprochen, meine Damen und Herren, daß zwischen den Koalitionspartnern das Einvernehmen hergestellt wurde, daß die besten Köpfe tätig sind, waren und sein werden. Nur: Eines ist mir irgendwo abgegangen: Gestatten Sie, Frau Ministerin, daß ich auch über diese Angelegenheiten rede, weil wir beim letzten Mal über eine sinnvolle Zusammenlegung gesprochen haben. Wenn das Ministerium für Frauenangelegenheiten ein Gesetz wäre, dann wäre es eine lex imperfecta, weil es nämlich kaum Kompetenzen hat. Das sollte man etwa mit dem Familienministerium zusammenlegen. – Das ist ein Denkfehler von mir: Das gehört ja dem Koalitionspartner, und ich weiß nicht, ob man über diese Grenzen hinweggedacht hätte. Ich hätte aber diesen Wunsch gehabt. Aufgrund meiner Gutgläubigkeit bin ich aber schwer enttäuscht worden, und aus diesem Grund werden wir, meine Damen und Herren, dieser Vorlage des Bundesministeriengesetzes auch nicht unsere Zustimmung geben.

Gestatten Sie mir noch einige Worte zur Regierungserklärung. Sie war moderat im Ton, einladend, ja hilfreich – unserer Fraktionssprecherin wurde vom Bundeskanzler sogar geholfen, das Rednerpult hochzufahren –, beruhigend, geprägt von Bekenntnissen und Absichten des Kabinetts, an echten Schwerpunkten hat es allerdings gemangelt, das muß ich feststellen.

Ein Schwerpunkt war vorhanden: Das Thema Arbeitsplätze ist angeschnitten worden, aber auch sehr vage. Kollegin Kainz hat das, obwohl sie uns vorher gerügt hat (Bundesrätin Kainz: Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal!) – beschimpft hat sie uns nicht –, konkreter gemacht als der Herr Bundeskanzler. Ich habe mich gefragt, warum das so moderat, so über die Dinge hinweg geschehen ist. – In der Realität, meine Damen und Herren, sieht man die Klippen einer monströsen Arbeitslosigkeit – 302 000 Arbeitslose, es wurde bereits ausgeführt –, und der bitterkalte Jänner hat diese Zahl natürlich noch hinaufschnellen lassen, und leider ist zu befürchten, daß dieser Nachzieheffekt der Arbeitslosigkeit das ganze Jahr 1997 anhält. Der Wirtschaftsforscher Dr. Gelder hat das auch prognostiziert. Die Zahl der Arbeitslosen wird im Jahresdurchschnitt von 230 000 auf 250 000 steigen, und jeder vierte unselbständig Beschäftigte – und das können nicht nur Ausländer sein –, nämlich rund 780 000 Österreicher, wird heuer zumindest einmal von der Arbeitslosigkeit betroffen sein.

Es ist schon das sehr kritisch, meine Damen und Herren, aber noch wesentlich kritischer ist, daß in Österreich wieder das Gespenst der Jugendarbeitslosigkeit umgeht, und zwar erstmals in dieser Massivität. Geburtenstarke Jahrgänge drängen auf den Arbeitsmarkt. Das wahre Ausmaß ist in den Statistiken und auch in den Prognosen noch nicht sichtbar, weil viele, die keinen Lehrplatz gefunden haben, im Wartesaal der Schulen geblieben sind. Gleichzeitig hält der Stellenabbau an, und es werden auch nur nebulose Modelle errichtet. Nicht nur in den Palästen sollte entschieden werden. Da muß man etwas Konkretes sagen! Nebulose Modelle gegen die Wegrationalisierung werden genannt, und da geht es nicht nur um Jobs an den Maschinen, sondern auch um jene an den Schreibtischen. Ich hoffe, daß diese Hiobsbotschaft – es ist schon ein etwas abgegriffenes Wort – kein "Klima"-Schock ist.

Für mich stellt sich hier die Frage, ob der Bundeskanzler überhaupt ein Rezept hat. Die Zukunft wird es weisen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 72

Die Arbeitslosenstatistik wird zusätzlich durch die steigende Anzahl von Frühpensionisten verfälscht und spiegelt daher die Realität noch immer nicht ganz wider. Der Anteil der Frühpensionisten hat zugenommen. Einer der Hauptgründe für die triste Arbeitsmarktsituation, meine Damen und Herren, ist eine noch nie dagewesene Insolvenzwelle – eine weitere Klippe, die es zu umschiffen gälte –, die einen Nachkriegsrekord darstellt. Für 1996 dürfte die Zahl der Unternehmenszusammenbrüche zwischen 5 300 und 5 400 liegen, das sind um 8 Prozent mehr als im Vorjahr.

Die Schulden der insolventen Firmen – passen Sie auf! – werden einen Wert von zirka 39 Milliarden erreichen, zuzüglich der 11 Milliarden des Konzerns Maculan. Im Vergleich dazu betrugen die Schulden 1995 37 Milliarden, 1985 waren es – ich gebe schon zu, das ist ein großer Sprung – 11,5 Milliarden. Auch diesbezüglich haben wir kein Rezept gehört, wie diese Klippen umschifft werden sollten.

Verständlicherweise – das ehrt den Herrn Bundeskanzler – wurde hier auch das Thema Föderalismus angeschnitten. Ich habe hier einen Zeitungsausschnitt vom 8. Dezember, also noch lange vor der Regierungsumbildung, als Parlamentspräsident Fischer in Graz war und blitzartig die Themen Parteienproporz, Parteibuchwirtschaft und Realverfassung behandelt wurden, natürlich auch der Föderalismus. Letzteres rief Fischer als Verteidiger der Kompetenzen des Parlaments, des Nationalrats auf den Plan, und ich nehme an, er hat auch für den Bundesrat gesprochen.

Es gehe nicht an, sagte Fischer, daß sich Landesregierungen mit der Bundesregierung Dinge ausmachen, die Verfassungsänderungen erfordern, und die Änderungen vom Parlament danach schlicht vollzogen werden müßten – also daß der Nationalrat und der Bundesrat Apportiermaschinen der Regierungen sind.

Ich habe mit großem Interesse den Worten des Herrn Präsidenten Schambeck zum Konsultationsmechanismus gelauscht, und es ist eigentlich so darüber hinweggewischt worden, daß es, wenn dieser eingerichtet wird, zu einer maßgeblichen Beschneidung der Kompetenzen des Bundesrates kommt. Es ist vom Herrn Bundeskanzler nicht ausgesprochen worden, daß ein anderer Weg gewählt werden sollte, daß nämlich diejenigen, die föderalistische Anliegen zu vertreten haben, sich zuerst dazu äußern müßten.

Herr Professor Schambeck! Entschuldigen Sie, man spricht einen Vorsitzenden, einen Präsidenten an und für sich nicht an, weil er nicht replizieren, sondern höchstens zur Ordnung rufen kann, deswegen bitte ich um Verständnis: Nur mit Mühe ist es uns gelungen, allen drei Fraktionen hier, endlich zu einem Ausschuß zu kommen, der diese Thematik behandeln wird.

Sie werden verstehen, meine Damen und Herren, daß ich Ihnen einiges aus der Vergangenheit vorlesen muß und auch vorhalten möchte. Wir hatten in der 577. Sitzung des Bundesrates, am 10. Dezember 1993, wieder einmal eine dringliche Anfrage zum Thema Föderalismus an den Herrn Bundeskanzler, jetzt emeritierten Bundeskanzler und Vollgolfer Vranitzky gestellt, und ich bat in meinen Schlußworten, hier dezidiert zu erklären, wie es mit dieser Föderalismusreform und mit der Reform des Bundesrates und des Bundesstaates stehe.

Bundeskanzler Vranitzky – ich zitiere wörtlich aus dem Protokoll –: "Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich gehe sofort auf die Frage des Herrn Bundesrates ein und erlaube mir, ihm erinnerungshalber zur Kenntnis zu bringen, daß im Schlußsatz der Perchtoldsdorfer Vereinbarung folgendes steht – ich zitiere das wörtlich –:

,Die genannten bundesverfassungsgesetzlichen Maßnahmen sollen bis längstens zur Volksabstimmung über die bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung zum EG-Beitritt als beschlußreife Regierungsvorlage textlich fixiert und spätestens in der aus Anlaß des EG-Beitritts erforderlichen Novelle zum Bundes-Verfassungsgesetz beschlossen werden.’"

Meine Damen und Herren! Lassen Sie die Zeit Revue passieren. Ich glaube, das ist schon längst vorbei. Wieder ein Versprechen, das hier in diesem Haus abgegeben und nicht


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 73

eingehalten wurde. Und leider, meine Damen und Herren, glaube ich, daß es auch in Zukunft so sein wird.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich muß auch eine Aussage von Ihnen hier zitieren. Sie forderten in der 577. Sitzung des Bundesrates, Seite 28393 – ich zitiere –:

"Ich fordere die Freiheitliche Partei heute von dieser Stelle aus auf, daß sie, genau wie die ÖVP in der Kreisky-Ära, in der Sinowatz-Ära und in der Vranitzky-Ära bereit war, als Minderheitspartner oder als Opposition bei den Verfassungsreformen mitzutun, auch bereit ist, mitzutun bei einer Föderalismusreform, damit ein möglichst einheitliches Ja zum Föderalismus zustande kommt."

Wir waren immer schon bereit, nur offensichtlich sind die Einlader weggeblieben, weil wir diese Reform sonst schon hätten, sonst hätten wir die Sicherheit für die Bundesländer, sonst hätten wir die Sicherheit im Bereich der Gemeinden, wir hätten ein Zustimmungsrecht zum Finanzausgleich, wir hätten einen Vermittlungsausschuß, und wir hätten einen wirksamen Bundesrat, der diese föderalistischen Ideen, die nicht nur hier in Österreich notwendig sind, sondern auch in der EU, einbringt. Die einen sagen es offen, die anderen versteckt: Ändern muß man da etwas, weil sonst wird dieses gewünschte Europa deswegen auseinanderbrechen, weil der Bürger an diesem Europa verzweifelt, weil der Bürger glaubt, daß seine Interessen in diesem Europa nicht vertreten sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wäre noch vieles zu sagen. Ich bin selbst Beamter, das zuständige Regierungsmitglied für Beamte ist momentan nicht anwesend. Es heißt, 3,7 Prozent Bezugserhöhung für Beamte wäre zuviel. – Möglicherweise durchaus richtig, aber dann, meine Dame und meine Herren auf der Regierungsbank, sollte man auch andere artähnliche Bereiche bedenken, etwa für die der heutige Bundeskanzler seinerzeit zuständig war, nämlich für die Bundesbahnen. Wie ist es da mit dem Pensionsantrittsalter? – Nicht daß das Neid ist, aber die anderen haben genauso ein Anrecht darauf, daß es zu einer Gleichbehandlung kommt.

Wie ist es bei den Kammern, die ja auch von öffentlichen Geldern leben? Ist da eine Gleichbehandlung gegeben? Wie ist es mit der versprochenen Reform der Nationalbank? Ist da eine Gleichbehandlung im Vergleich zu den übrigen Bereichen gegeben? – All das, meine Damen und Herren, sind Themen, deren Behandlung wirklich notwendig ist.

Ich erwähne nur noch einen Punkt, ein vitales Thema für Österreich, und komme dann zur abschließenden Zusammenfassung, ich komme zur Transitfrage und zum Brenner-Basistunnel. Klima hat als Verkehrsminister, dann aber auch als Finanzminister gesagt: "Die EU hat die Mitfinanzierung des Brenner-Basistunnels zugesichert." – Zitat Klima vom 12.4.1994.

Als der Verkehrskommissar der EU befragt wurde, wie es mit der Finanzierung stehe, hat er gesagt, daß diese Finanzierung geplatzt ist. EU-Verkehrskommissar Neil Kinnock wörtlich: "Jeder, der glaubt, die EU finanziert den Brennertunnel, ist ein Narr." – Brüssel, Jänner 1995.

Ich verbiete mir natürlich, daß Herr Kinnock unseren Bundeskanzler als Narren bezeichnet. Aber wahrscheinlich hat sich der Ausdruck "Narr" auf die Dinge bezogen, die hier an die Wand gezaubert wurden, wie einstmals in Babylon, die aber nicht stattfinden.

Meine Damen und Herren! Da – das war nur ein kleines Beispiel – hat eine große Täuschung der Bevölkerung stattgefunden, damit der Beitritt, aus welchen Gründen auch immer, schnell erfolgen kann. Es wurden gravierende Interessen dieses Staates, dieses Landes, dieser Menschen bei diesem Beitritt nicht beachtet.

Kollege Bösch hat es schon ausgeführt: Vorhaben, meine Damen und Herren, gäbe es genug. Wir fühlen uns weit mehr als als Opposition, ich habe es schon das letzte Mal gesagt. Wir sind bereit, überall dort mitzuwirken, wo es sinnvoll ist und wo es diesem Land dient. Wir wären bereit, bei einer Flexibilisierung der Arbeitszeit mitzuwirken. Das Modell, das Kollegin Kainz genannt hat, ist durchaus überlegenswert. (Bundesrätin Kainz: Ist auch Ihres?) Wir wären


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 74

bereit, bei Ausländergesetzen mitzuwirken, wenn uns nicht immer pauschal auf den Kopf geknallt würde, daß wir wollen, daß alle Ausländer das Land zu verlassen haben.

Meine Damen und Herren! Dann vollziehen Sie im geheimen genau das, was wir jahrelang schon gesagt haben. Zuerst müssen diejenigen versorgt werden, die bereits da sind. Erst dann können wir andere reinlassen, sonst gefährden wir die Arbeitsplätze der Österreicher.

Vorhin saß der frühere Innenminister Einem hier, jetzt ist er in den Bereichen Kultur und Verkehr tätig. Ich habe ihn gefragt, ob er nicht bereit wäre, die Inländer etwa bei der Verleihung von Staatsbürgerschaften mitwirken zu lassen. Das ist ein Landesgesetz. Man sollte dem Gemeinderat ein zwingendes Anhörrecht geben. Darauf hat er gesagt: Nein, das wollen wir nicht. – Ja, bitte, wenn die Leute draußen das Gefühl haben, daß sie nicht mitwirken können, dann wird zuerst Passivität und zuletzt Ablehnung entstehen.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben diese Ablehnung zu verantworten. Daß sie noch nicht so kraß ist, das verdanken Sie uns, weil Sie zwar spät, manchmal zu spät Dinge aufgegriffen haben, die wir richtigerweise gesagt haben.

Oder: das Bundesheer. Hier wird über NATO oder Nicht-NATO gesprochen. Das Wichtigste puncto Sicherheit ist, daß wir dieses Bundesheer wieder fitmachen. Darüber redet man nicht mehr. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Dann können wir uns etwas suchen, was in größeren Bereichen das Schutzbedürfnis befriedigt.

Innere Sicherheit: Gerade heute ist durch den Herrn Bundeskanzler gesagt worden, die Kriminalität geht zurück. Ich habe beim letzten oder vorletzten Mal die deutsche Zeitschrift "Focus" zitiert, die sehr genaue Erhebungen über die Kriminalität in Europa und über die Zentren der Kriminalität und Bandenkriminalität gemacht hat. Hiebei hat sich herausgestellt, daß neben der Hauptstadt des Verbrechens, Berlin, Wien an zweiter Stelle steht. Das ist bedenklich, meine Damen und Herren! Das beunruhigt die Leute, wenn Sie heute ein Auto kaum in einer unsicheren Gegend stehen lassen können, weil der Bandendiebstahl überbordend ist.

Über die Krankenkassen wurde schon gesprochen: Schaffen Sie dieses sinnlose System mit den 50 S endlich ab! Sie bringen so viele Novellierungen ein.

Zum Kapitalmarkt wurde eine klitzekleine Anmerkung gemacht.

Die Liberalisierung und Entrümpelung der Gewerbeordnung – ein Jahrzehnt und länger haben Sie Zeit gehabt. Machen Sie es doch endlich! Wir wirken auch mit.

Medien: Es gibt ein Urteil aus Straßburg. Der ORF ist immer noch ein Monopol einzigartigen Ausmaßes.

Den öffentlichen Dienst habe ich schon gestreift.

Schengen ist schon erwähnt worden.

Zum Sozialsystem: Ich könnte Ihnen jetzt aus dem Sozialbericht vorlesen. Wir haben damals Frau Ministerin Konrad gesagt, daß es grundsätzlich zu unterstützen ist, wenn Frauenanliegen artikuliert werden. Es war aber die falsche Zielrichtung. Im Sozialbericht war die Zielrichtung vorgegeben. Die Tatsache, daß durchschnittlich die Fraueneinkommen um 20 Prozent niedriger sind, gilt es zu beseitigen. Das muß unsere Zielrichtung sein.

Meine Damen und Herren! Zum Abschluß: Ich hoffe, daß das nicht ein Leerlauf mit Vollgas ist. Der Turboantrieb, den seinerzeit der resignierte Bundeskanzler für die Regierungsarbeit einschalten wollte, hat sich in einen Umkehrschub verwandelt. Meine Damen und Herren! Der Gesundheitssprecher der ÖVP, mein Freund Alfred Gerstl, hat mir hier einen blauen Riesen gegeben. Damit das in Zukunft nicht so kraß ist, darf ich Ihnen, Frau Ministerin, für den Herrn Bundeskanzler und für die Regierungsmannschaft ein blaues Dopingmittel überreichen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 75

Vielleicht gelingt es so. (Der Redner stellt auf die Regierungsbank eine Dose "The Boss, Energy Drink".)

Meine Damen und Herren! Ich bekunde meine Bereitschaft, Sie zu unterstützen. Aber wir müssen einmal wissen, wo, und das sollten Sie sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.37

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Weiss. Ich erteile es dem Herrn Vizepräsidenten.

14.37

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Herr Bundeskanzler Klima hat in seiner heute abgegebenen Regierungserklärung die Länder und Gemeinden deutlich häufiger erwähnt, als das im Nationalrat der Fall war. Das können wir als eine Geste der Höflichkeit diesem Kreis und der Länderkammer gegenüber sehen. Notwendig gewesen wäre es in erster Linie im Nationalrat, weil dort ja bekanntermaßen die beharrenden Kräfte sitzen.

Die einzige konkrete und mit einem konkreten Zeithorizont versehene Ankündigung in diesem Zusammenhang war allerdings nur jene, innerhalb der nächsten sechs Wochen allen Herren Landeshauptmännern und der Frau Landeshauptfrau in der Steiermark einen Besuch abzustatten. Das andere blieb so wie bisher vage, wobei ich die Absicht durchaus anerkenne, bei der Erfüllung der den Ländern und Gemeinden gegebenen Zusagen erfolgreicher sein zu wollen als sein Vorgänger, weil es natürlich kein angenehmes Gefühl sein muß, mit der Einlösung einer durch die eigene Unterschrift gegebenen Zusage so im Regen stehen gelassen zu werden.

Es hat mir gut gefallen, daß der Herr Bundeskanzler den notwendigen Wandel des Staates angesprochen hat. Dazu gehört auch ein Wandel unter dem Gesichtspunkt der stärkeren Dezentralisierung, der Stärkung der kleinen Einheiten, da nur so die von uns allen angestrebte Bürgernähe möglich sein wird.

Ein kurzes Wort zu der Faszination, die – berechtigterweise – die Möglichkeiten der modernen Datenkommunikation und der Leistungsfähigkeit des Bundesrechenamtes auf den Herrn Bundeskanzler ausüben. Ich glaube, da muß man ein bißchen acht geben. Man könnte diese Vorteile der Vernetzung und des Zugriffs auf Daten auch in Richtung einer stärkeren Zentralisierung sehen, weil es künftig ja relativ leicht möglich sein wird, daß man das, was man bisher in den Gemeinden, in den Bezirkshauptmannschaften und in den Landesregierungen aufgrund der eingebrachten Anträge entschieden hat, künftig einer großen, zentralen Stelle überantwortet. Das wäre natürlich eine Interpretation dieser Möglichkeiten, die nicht im Sinne der Bürger läge.

Wir sollten das vielmehr so verstehen, daß diese neuen Möglichkeiten der Vernetzung und der Datenkommunikation genutzt werden, um Entscheidungen möglichst stark zu dezentralisieren und dorthin zu verlagern, wo der Bürger notwendigerweise zuerst mit einer Behörde in Kontakt tritt. Das ist in erster Linie das Gemeindeamt und in zweiter Linie die Bezirkshauptmannschaft. Da bietet die moderne Datenkommunikation tatsächlich ganz faszinierende Möglichkeiten, Entscheidungen an diese Stellen zu verlagern.

Der Herr Bundeskanzler hat, wie auch schon im Nationalrat, zu Recht die Notwendigkeit erwähnt, behördliche Verfahren zu beschleunigen. Er hat in erster Linie natürlich die gewerbebehördlichen Verfahren, kurz und gut das, was man auch Anlageverfahren nennt, im Auge. Da haben wir ohne Zweifel Handlungsbedarf, in erster Linie auf Bundesebene, weil die Gemeinden, Bezirkshauptmannschaften, die Landesregierungen, aber auch die Bundesministerien selbst ja nur mit dem Handwerkszeug arbeiten können, das ihnen der Bundesgesetzgeber mit den Verwaltungsverfahrensgesetzen und anderen verfahrensrechtlichen Bestimmungen in die Hand gibt. Daß diese Instrumentarien heute nicht mehr zeitgemäß sind, ist hinlänglich bekannt.

Genauso wichtig ist aber eine Verfahrensbeschleunigung im Schoße der Bundesregierung und der Bundesministerien selbst. Dazu möchte ich einige wesentliche Punkte ansprechen. Wichtig ist zunächst einmal eine schlüssige Zuständigkeitsverteilung. Das wurde heute schon mehrfach


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 76

erwähnt, teilweise auch kritisch beurteilt. Ich halte beispielsweise die Zusammenlegung des Sozialministeriums mit dem bisherigen Gesundheitsministerium für durchaus zweckmäßig. Diesen Umstand sollten sich auch jene vor Augen halten, die die Kompetenzarmut des Gesundheitsministeriums bisher immer kritisiert haben.

Auf der anderen Seite halte ich es nicht für der Weisheit letzter Schluß, was alles an Zuständigkeiten beim Bundeskanzleramt sozusagen zwischengeparkt wurde. Das Bundeskanzleramt hat einerseits – obwohl es in erster Linie für die Koordinierung der Regierungsarbeit und der wesentlichen Instrumentarien der Regierungspolitik zuständig wäre – eine ganz wesentliche Koordinierungskompetenz, nämlich jene hinsichtlich des Personals, abgegeben und hat sie für ein Sammelsurium sonstiger Zuständigkeiten eingetauscht.

Das Bundeskanzleramt ist nun in der Person der Frau Bundesministerin für Frauenangelegenheiten nicht nur für Frauen zuständig, in der Person des Herrn Staatssekretärs nicht nur für Sport und Kunst, sondern auch für den Konsumentenschutz, das Veterinärwesen, den Giftverkehr, die Gentechnik, die Tierkörperbeseitigung und dergleichen mehr. Als Kuriosität besonderen Ranges wird die Frau Bundesministerin für Frauenangelegenheiten im Rahmen der Zuständigkeiten, die aus dem Gesundheitsministerium übernommen wurden, nicht nur für den Schutz vor erotisierenden Strahlen, sondern auch für den Schutz vor ionisierenden Strahlen zuständig sein.

Das ist der eine Gesichtspunkt, wobei ich zugebe, daß dieses Problem nie ganz zufriedenstellend gelöst werden wird können, weil es die ideale Zuständigkeitsverteilung nicht geben wird. Wir kennen das auch von ausländischen Diskussionen.

Womit wir in Österreich ein Problem haben, ist, daß wir verhältnismäßig wenig Kontinuität in der Zuordnung von Aufgaben zu den Bundesministerien haben. Das hat ein bißchen den Charakter der Beliebigkeit. Es vergeht kaum eine Regierungsumbildung, bei der nicht Ministerialverwaltungen hin- und hergeschoben werden mit einem nicht ganz unbeachtlichen Aufwand an Folgekosten, die in diesem Zusammenhang im Bundesministeriengesetz in der beantragten Änderung völlig im dunkeln bleiben, und zwar zwangsläufig im dunkeln bleiben, weil es sich um einen Initiativantrag gehandelt hat und der Nationalrat bekanntermaßen durch das Bundeshaushaltsgesetz nicht verpflichtet ist, sich über die Folgekosten Gedanken zu machen. Es wäre aber nicht schlecht, wenn man es trotzdem täte.

Zu einer schlüssigen Zuständigkeitsverteilung gehört natürlich auch, daß die zahlreichen Doppelgleisigkeiten und Doppelzuständigkeiten vermindert werden. Es gibt ja nur mehr verhältnismäßig wenig behördliche Akte der Bundesministerien oder Verordnungsermächtigungen, für die nicht auch die Mitzeichnung eines zweiten, dritten oder sogar vierten Bundesministeriums erforderlich ist. Das ist in der Verwaltungspraxis außerordentlich hemmend.

Ich begrüße daher ausdrücklich die feste Entschlossenheit des Herrn Bundeskanzlers, die Zuständigkeitsverteilung der Bundesregierung nachhaltig zu verändern und besser zu strukturieren. Ich gehe davon aus, daß in absehbarer Zeit eine Novelle zum Bundesministeriengesetz eingebracht werden wird, die diesen genannten Gesichtspunkten der Verwaltungsökonomie und der Reibungslosigkeit der politischen Koordinierung besser Rechnung trägt.

Zu einer reibungsloseren Regierungsarbeit gehört natürlich, daß sich die Ministerien von jenem Ballast befreien, der in diesen zahlreichen behördlichen Einzelfallgenehmigungen liegt, in der Weise zustande kommend, daß für eine Rodungsbewilligung, die bei der Bezirkshauptmannschaft anhängig ist, der Akt über die Landesregierung nach Wien geschickt wird, dort auf eine Rundreise durch die Ministerien geht und dann wieder zurück zu den Antragstellern kommt.

Diesbezüglich gab es im Jahre 1990 eine sehr revolutionäre Zielsetzung der damaligen Koalitionsregierung, daß nämlich die behördlichen Zuständigkeiten der Bundesministerien auf jene Fälle zu beschränken seien, in denen eine bundesweit zentrale Entscheidung absolut unerläßlich ist.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 77

Wir wissen, welcher Sand dann im Getriebe feststellbar war und daß wir heute weit davon entfernt sind, daß die Bundesministerien diese Zuständigkeiten abgegeben hätten. Das führt natürlich dazu, daß sie überlastet sind, schwer zusammengelegt und rationalisiert werden können. Bei diesem Gesichtspunkt schließt sich auch der Kreis zu der notwendigen Stärkung der Länder und Gemeinden. Nur auf diese Art und Weise der Dezentralisierung können die Bundesministerien in die Lage versetzt werden, sich mit einem vertretbaren Aufwand den wirklich wichtigen Dingen in diesem Land zu widmen. Das ist nicht die Erlassung von einzelnen Bescheiden, sondern das sind die strategischen Vorgaben, das Vorausdenken in die Zukunft. Die Ankündigungen des Herrn Bundeskanzlers lassen hoffen, daß wir hier doch eine Wende zum Besseren feststellen werden können.

Abschließend möchte ich sehr anerkennen, daß der Herr Bundeskanzler nicht von Verwaltungsreform, sondern von Staatsreform gesprochen hat, weil sich ohne diesen ersten wichtigen Schritt jede Verwaltungsreform letztlich wie der Hamster im Rad ewig dreht, aber nicht vom Fleck kommt.

Diese Staatsreform ist eine Gesamtverantwortung auch des Gesetzgebers, in besonderer Weise des Nationalrates, aber natürlich auch der Länder. Ohne die Länder wäre 1918 und 1945 kein Staat zu machen gewesen. Ohne Stärkung der Länder und Gemeinden wird es aber auch künftig zu keiner erfolgreichen Staatsreform kommen können. In diesem Sinne hat der Herr Bundeskanzler unsere volle Unterstützung, wenn er auf diesem von ihm angekündigten Weg weiter fortschreiten will. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.49

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Dr. Königshofer. – Bitte.

14.49

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der neuernannte Bundeskanzler Mag. Klima, der leider im Plenum nicht mehr anwesend ist, hat seine Regierungserklärung mit dem Problemfeld der Budgetsanierung begonnen.

Er hat gemeint, der Staatshaushalt müsse in Ordnung gebracht und dann in Ordnung gehalten werden. Aus diesem Grund hat schon die letzte Bundesregierung ein sogenanntes Sparpaket entworfen, das von der Bevölkerung doch einige Opfer verlangt, wobei die Bevölkerung aber bereit ist, diese Opfer zu tragen. Daher kann er der Bevölkerung zu der hohen Steuerleistung, die sie zu erbringen bereit war, gratulieren.

Bundeskanzler Klima hat davon gesprochen, daß es nicht die anonymen Maastricht-Kriterien sind, die dazu führen, daß wir unseren Staatshaushalt in Ordnung bringen müssen. Dazu kann ich nur sagen, der Herr Bundeskanzler hat mit dieser Aussage recht. Es sind nicht die Maastricht-Kriterien, die nur ganz normale Budgetkriterien darstellen, sondern es ist dezidiert –ich spreche es hier aus – die sozialistische Finanz- und Schuldenpolitik der letzten 26 Jahre, die es notwendig macht, den Staatshaushalt zu sanieren.

Meine Damen und Herren! Im Jahr 1970 hat ÖVP-Bundeskanzler Klaus die Regierungsgeschäfte bei einem Staatsschuldenstand von 47 Milliarden Schilling übergeben. In den Jahren der sozialistischen Regierungstätigkeit ist die Staatsschuld, die Budgetschuld, auf rund 1 700 Milliarden oder 1,7 Billionen Schilling angewachsen.

Ich habe nachgerechnet, und siehe da, es handelt sich dabei um eine Steigerung von sage und schreibe 3 500 Prozent. Die Sozialdemokraten haben es zustande gebracht, die Staatsschuld Österreichs in 26 Jahren um 3 500 Prozent zu erhöhen. Das ist der Grund für diese Maßnahme, die wir nicht als Spar-, sondern als Belastungspaket für die Bevölkerung bezeichnen.

Die Bevölkerung hat diese Maßnahmen sehr wohl gespürt. Mag. Klima hat zwar gesagt, es wurde nicht laut protestiert, es wurde nicht auf den Straßen demonstriert. Aber reden Sie mit den Leuten, und Sie werden sehen, welch großer Unmut derzeit in der Bevölkerung herrscht. Ich


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 78

habe direkt Angst davor, denn der kleine Mann wird langsam böse, wirklich böse aufgrund der Maßnahmen, die von dieser Regierung gesetzt werden, weil die Regierung mit ihren Maßnahmen vor allem das Volk, die breite Masse, erreicht, denn dort kann sie am meisten abkassieren, während Privilegienritter nach wie vor ungeschoren davonkommen. Siehe die Debatte über das Bezügegesetz.

Weiters hat der Herr Bundeskanzler drei Problemkreise angesprochen, die ich als die drei "A" bezeichnen möchte: Arbeitslosigkeit, Armutsgrenze und Ausverkauf in Österreich. Die Arbeitslosigkeit – kein Geheimnis mehr – ist mittlerweile auf eine Rekordmarke von über 300 000 gestiegen, was die höchste Zahl in den letzten Jahrzehnten darstellt. Frage: Wie konnte das geschehen?

Die Armutsgrenze wird von immer mehr Bürgern, von Hunderttausenden Bürgern in diesem Lande, vor allem auch von Kindern, erreicht. Wie können Kinder die Armutsgrenze erreichen? Kollege Pischl hat schon einiges dazu gesagt, weil er sich mit Familienpolitik befaßt. Kinder erreichen nur dann diese Armutsgrenze oder durchstoßen sie nach unten, wenn etwas in der Familienpolitik nicht mehr stimmt. Da scheint es wirklich Nachholbedarf zu geben.

Der dritte Punkt ist der Ausverkauf. Es sind nicht nur private Unternehmen, die ans Ausland verkauft werden, wie Billa und andere, es sind auch staatliche, halbstaatliche und im staatlichen Einflußbereich stehende Unternehmen. Ich verweise nur auf Head-Tyrolia-Mares – HTM, ein Unternehmen, das an einen schwedischen Börsenspekulanten verkauft wurde.

Jetzt gibt es ein neues, sehr plakatives Beispiel, nämlich das Beispiel der Wiener Ankerbäckerei. Das ist wieder ein Bereich, der auf Ihre Urheberschaft zurückgeht, meine Damen und Herren von der SPÖ, denn Sie können die Kette nachvollziehen: SPÖ – Konsum – Ährenstolz-Bäckerei – Übernahme durch Ankerbrot – Schwierigkeiten der Ankerbrot und jetzige Übernahme der Ankerbrot-Anteile durch die bayerische Müller-Bäckerei. – So funktioniert Ihre Wirtschaftspolitik! Wenn Sie so weitermachen, wird bald ganz Österreich ausverkauft sein. Da wird auch die Firma Rosenbauer bald im Ausland produzieren.

Der nächste Themenkreis, der angesprochen wurde, ist die EU und hier vor allem der Euro. Da entstehen jetzt große Zukunftsvisionen – das gemeinsame Europa. Die nächste große Aufgabe ist die Bewältigung der Regierungskonferenz und die Vision einer gemeinsamen Währung, des Euro.

Sie haben damals vor der Abstimmung im Jahr 1994 und noch vor dem Beitritt gesagt, der EU-Beitritt werde ein derartiges Wachstum in Österreich auslösen, daß wir so viele Steuereinnahmen haben werden, daß wir mit den erhöhten Steuereinnahmen leicht die Beiträge, die wir an die EU zahlen müssen, bewältigen können. Anscheinend geht dieses Konzept aber nicht auf.

Wenn ich die heutige Ausgabe des "Kurier" – den Wirtschaftsteil auf Seite 17 – lese, so kann ich sagen, die Situation schaut etwas anders aus. Hier steht:

"Aus Vorreiter wird Nachzügler

Österreich droht heuer erstmals Minus im gesamten Ost-Handel – Exportwirtschaft verliert drastisch Marktanteile."

Weiter unten steht:

"Österreich in der EU als Schlußlicht

1995" – unser erstes Jahr in der EU – "das niedrigste Wirtschaftswachstum."

Jetzt frage ich Sie: Wo wollen Sie die Mehreinnahmen bei den Steuern hernehmen, um die Beiträge bezahlen zu können? – Sie haben die Mehreinnahmen nicht. Dieses Konzept ist wie eine Seifenblase geplatzt. Jetzt müssen Sie die Beiträge eben von der Bevölkerung nehmen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 79

denn Sie müssen 30 Milliarden Schilling pro Jahr nach Brüssel zahlen. Im Falle der Osterweiterung wird es noch viel mehr sein. Das ist das Problem.

Zum Euro möchte ich als Banker, als jemand, der mit der Geldwirtschaft zu tun hat, sagen: Es handelt sich um ein sehr gefährliches Spiel, das hier betrieben wird. Beim Euro gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder wird von Deutschland und seinen Nachbarn ein Hartwährungsblock gebildet, wie das ein deutscher Zentral- oder Bundesbanker in SAT 1 gesagt hat, und alle anderen, die mitspielen wollen, müssen sich dann an die Spielregeln halten. Oder Sie führen politische Entscheidungen herbei und öffnen diesen Euro über die Konvergenzkriterien – das muß man auch jetzt schon tun, sogar bei Deutschland – auch für süd- und nordeuropäische Länder. Dann wird es passieren, daß der Euro keine Hartwährung mehr sein, sondern an Härte verlieren wird, weil die anderen Volkswirtschaften diese harte Währung ganz sicher nicht verkraften können.

Seien Sie hier bitte der Bevölkerung gegenüber ehrlich. Wenn Sie im Innersten vorhaben, über einen schwachen Euro und eine inflationäre Dynamik Ihre Staatsschulden loszuwerden, was auf der anderen Seite aber auch die Geldeinlagen, das heißt, die Anlagen der Staatsbürger auffressen wird, dann sagen Sie das den Bürgern! Es ist nicht richtig, sich jetzt in den Euro hineinzuschwindeln und dann zu sagen: Was später passiert, ist die Schuld Brüssels, und falls es zu einer Inflation kommt, wird diese auch die Staatsschulden auffressen, dann sind wir das Problem los. – Das müssen Sie der Bevölkerung sagen. Denn dann werden die Bürger auch ihre Spareinlagen und ihre anderen Geld- und Wertanlagen verlieren.

Nun zur Beschäftigungspolitik. Der Herr Bundeskanzler hat sehr viele Worte darüber verloren, aber nichts Konkretes gesagt. Er hat gemeint, es gebe keine Patentrezepte. Man müsse ein Bündel von Maßnahmen schnüren. Er hat vom Kapitalmarkt, von der Belebung desselben gesprochen. Der Mann, der die Wiener Börse vor zehn Jahren zum Leben erweckt hat – ein Amerikaner, dessen Name mir jetzt entfallen ist –, hat vor kurzem in einer Zeitung geschrieben, er werde nie mehr in Wien etwas investieren, denn lieber gehe er nach Korea, wo unabhängige Betriebe an der Börse gehandelt werden und nicht Staatsbetriebe, die von Funktionären beeinflußt und gegängelt werden.

Ein Bündel von Maßnahmen soll geschnürt werden. Das geht in Richtung Arbeitszeitflexibilisierung, Genehmigungsverfahren und so weiter. Auch Herr Kollege Payer, der jetzt auch nicht anwesend ist, hat davon gesprochen, Arbeitsplätze zu schaffen, Beschäftigung zu schaffen, Kosten zu senken, aber er hat nicht gesagt, auf welche Weise er das erreichen will. Ich habe kein Beispiel gefunden.

Jetzt, meine Damen und Herren, gehe ich her und zeige Ihnen an neun Punkten konkrete Beispiele auf, wie Sie in unserem Land Beschäftigung schaffen könnten. Messen wir uns auf dem Bereich der Sachebene! Treten wir in einen Wettstreit der Ideen! – Das haben Sie gesagt, und diese Herausforderungen nehmen wir an.

Erster Punkt: Eigenkapital. Wir wissen genau, daß alle oder die meisten österreichischen Unternehmen über eine sehr geringe Eigenkapitalausstattung verfügen. Das ist der Grund dafür, daß zu wenig investiert wird. Das ist aber auch der Grund dafür, daß es sehr viele Insolvenzen in diesem Lande gibt. Denn das Eigenkapital ist der Puffer für eine Zeit, in der es einem Unternehmen nicht so gut geht.

Setzen Sie Maßnahmen und ändern Sie die Steuergesetze dahin gehend, daß die Gewinne, die nicht aus dem Unternehmen entnommen werden, die im Unternehmen für weitere Investitionen belassen werden, geringer besteuert werden als Gewinne, die herausgenommen oder ausgeschüttet werden. – Eine Maßnahme.

Zweite Maßnahme: direkte Investitionsförderungen. Führen Sie wieder eine außerordentliche Abschreibung ein, wie es sie vor 15 Jahren schon gegeben hat! Erhöhen Sie den Investitionsfreibetrag! Schaffen Sie eine Investitionsrücklage, damit Unternehmen für die Zukunft Rücklagen bilden können, um Investitionen zu tätigen. Zahlen Sie Investitionsprämien! Schaffen Sie


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 80

einen Investitionswettbewerb! Da können Sie Staatspreise vergeben. Das schafft Arbeitsplätze und zukünftige Steuereinnahmen.

Dritter Bereich: Bürokratie. Da geht es um die Zusammenlegung und um die Verkürzung von Verfahren. Im Bankenbereich spricht man bei größeren Krediten, an denen sich mehrere beteiligen, von Konsortialkrediten. Führen Sie das Konsortialverfahren in der Verwaltung ein! Das heißt, daß ein Konsortialführer, ein Behördenleiter, als verantwortlicher Koordinator für mehrere anhängige Verfahren zuständig ist, sodaß bei ihm auch der Bürger bezüglich eines Wasserrechtsverfahrens, bezüglich des Bauverfahrens und Gewerbeverfahrens und so weiter nachfragen kann.

Dieser Behördenleiter soll eine Anlaufstelle für den Bürger sein. Er wird auch anderen Behörden auf die Sprünge helfen, wenn der Antragsteller wöchentlich bei diesem Koordinator auftaucht. Einer muß gegenüber dem Bürger zuständig sein, damit in der Bürokratie etwas weitergeht.

Viertens: die Gebühren. – Schaffen Sie endlich die investitionshemmenden und investitionsbremsenden Gebühren ab, zum Beispiel die Kreditvertragsgebühr! So investiert etwa ein Hotelbetrieb 25 Millionen und nimmt über 20 Millionen einen Kredit auf. Dafür muß das Unternehmen sofort 0,8 Prozent Kreditvertragsgebühr bezahlen. Von 20 Millionen sind das 160 000 S. Da frage ich Sie: Warum muß dieser Unternehmer, der sein Haus aus- oder umbaut und Arbeitsplätze schafft, 160 000 S Gebühr an den Staat bezahlen, wenn er ein noch höheres Risiko auf sich nimmt? Er muß sich bereits überlegen, wie er die 20 Millionen zurückzahlen kann. Und dafür muß er noch 160 000 S Steuern zahlen!

Oder denken Sie etwa an die Gebühren für Mietverträge! Wenn jemand zum Beispiel ein Büro mietet, dann bekommt er eine Vorschreibung über die Gebühr, die er für den Mietvertrag zu entrichten hat. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) – Das habe ich ja gesagt: Wozu hebt der Staat etwas dafür ein, daß einer einem anderen etwas vermietet? – Da liegt ein privatrechtliches Geschäft vor, und schon greift der Staat dem Bürger in die Tasche! Heben Sie diese Gebühren auf! Das ist eine unnötige Manipulation! So können Sie sich Hunderte Steuerbeamte ersparen und sich einfallen lassen, wie Sie diese dann sinnvoller einsetzen.

Fünftens: Klein- und Mittelbetriebe. – Welche Förderungsmaßnahmen gibt es denn heute für Jungunternehmer? – Sehr wenige! Wenn ein Jungunternehmer, der eine Idee und die Motivation hat, etwas Neues zu machen, zu einer Bank geht, weil er ein paar hunderttausend Schilling Kredit braucht, dann fängt für ihn der Spießrutenlauf an. – Schaffen Sie doch eine Haftungsübernahmestelle, durch die eine solche Unternehmensidee geprüft wird und die dem Unternehmer eine Haftungszusage gegenüber der Bank machen könnte! So muß zunächst kein Geld in die Hand genommen werden. Wenn das ordentlich geprüft wird, dann werden auch die Ausfälle nicht so groß sein. Sie müssen auch "venture capital" bilden. Schaffen Sie einen Fonds, bei dem private und auch öffentliche Gelder in einem Pool zusammengeschlossen werden, der dann Jungunternehmern günstige Darlehen zur Verfügung stellen kann.

Sechstens: der Bereich der Lehrlinge. – Schaffen Sie auf diesem Gebiet eine steuerliche Entlastung! Es ist Unsinn, daß die Kommunalabgabe auch von der Lehrlingsentschädigung eingehoben wird. Das muß abgeschafft werden! In Vorarlberg, in Tirol und vielleicht in anderen Bundesländern gibt es Gemeinden, die freiwillig darauf verzichten. (Bundesrat Ing. Grasberger: Auch in Niederösterreich!) Ja, auch in Niederösterreich!

In welchem Staat leben wir denn, daß es eine Steuer gibt, die die einen einheben, andere jedoch nicht, weil sie freiwillig darauf verzichten? – Da geht es ja zu wie im Busch! (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Penz. ) – Herr Kollege! Es geht gar nicht in erster Linie um den steuerlichen Aspekt. Bei den Lehrlingen geht es um etwas ganz anderes. Das ist an die Adresse des ÖGB gerichtet: Die Lehrherren müssen bereit und motiviert sein, Lehrlinge aufzunehmen. Das ist aber nicht der Fall, wenn man heute durch eine überdrehte Sozialgesetzgebung aus den Lehrlingen Herren macht. Früher hat es geheißen: Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Der ÖGB macht aber aus den Lehrjahren Herrenjahre. Unter solchen Umständen werden Sie die Lehrherren kaum mehr dazu bewegen, Lehrlinge aufzunehmen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 81

Mir hat ein Friseur im Zusammenhang mit den sogenannten niedrigeren Tätigkeiten gesagt: Glauben Sie, ich als Meister stelle mich hin und kehre in meinem Geschäft zusammen, während der Lehrling daneben steht und zusieht? – So weit sind wir schon! Sie müssen daher entsprechende Motivationen schaffen, daß die Meister und die Meisterbetriebe wieder bereit sind, Lehrlinge anzustellen!

Siebenter Bereich: Exporte. – Sorgen Sie dafür, daß die Österreichische Kontrollbank wieder mehr Garantien für gewinnbringende Exporte privater Unternehmen übernimmt und weniger Garantien für Staatsexporte in Länder, deren Zahlungsfähigkeit zweifelhaft ist. Sehen Sie sich einmal an, wenn etwas nach China oder nach Nordkorea geliefert wird, wie dann die Zahlungen eingehen: Der Staatsbetrieb, der in diese Länder geliefert hat, hat damit keine Probleme gehabt. Er kann die Garantien bei der Kontrollbank abrufen. Das war auch bei den Lieferungen in die frühere Sowjetunion der Fall. Die Kontrollbank hatte jedoch die Ausfälle zu tragen und konnte ihre Haftungen den Privatunternehmen nicht mehr im erforderlichen Ausmaß zur Verfügung stellen. Ich spreche etwa von Rosenbauer, Plasser und Theurer, Swarovsky, dem Plansee-Werk oder von der Engel Maschinenfabrik und so weiter. All diese hervorragenden österreichischen Unternehmen müssen dann als Bittsteller auftreten, damit sie Garantien für ihre Exporte bekommen. Ändern Sie dieses System!

Achtens: das Sozialwesen. – Fördern Sie die private Vorsorge im Pensions- und im Gesundheitsbereich! Damit entlasten Sie die staatliche Vorsorge, die Sozialversicherungsanstalten, die ohnehin alle schon aus dem letzten Loch pfeifen. Das führt indirekt auch zu einer Entlastung bei den Lohnnebenkosten, weil die Betriebe damit nicht mehr so stark in die Ziehung genommen werden. Und wenn es bei den Betrieben eine Kostenreduzierung gibt, können sie wieder Arbeitskräfte aufnehmen.

Neuntens hätte ich noch einen Vorschlag: Locken Sie doch ausländische Unternehmen, große wie kleine, nicht nur General Motors und Chrysler, sondern auch Mittelbetriebe, zum Beispiel Gewerbebetriebe, kleine Software-Betriebe, damit nach Österreich, indem Sie ihnen drei, fünf oder sieben Jahre Erwerbssteuerfreiheit in diesem Lande zusagen. Dann werden diese hier investieren, Arbeitsplätze schaffen und Arbeitskräfte einsetzen. Diese Arbeitskräfte werden bezahlt und zahlen wiederum Lohnsteuer, und sie geben Geld im Lande aus. Auf diese Weise können Sie die Kosten für die Arbeitslosen sparen.

Man kann jetzt fragen: Warum sollen wir auf eine Steuer verzichten? – Wenn Sie die Unternehmen nicht mit entsprechenden Maßnahmen ins Land holen, dann werden sie nicht kommen, und dann kann diese Steuer von vornherein nicht entstehen. Wenn jedoch die Steuerfreiheit nach fünf oder sieben Jahren ausläuft, dann sind diese Betriebe wahrscheinlich ohnehin in der Gewinnzone und werden an den Staat Österreich Steuern zahlen.

Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt neun konkrete Maßnahmen dargestellt. Wir werden sehen, wie diese Bundesregierung ... (Bundesrat Hüttmayr: Rechnen Sie sich einmal aus, auf wieviel Steuer der Staat in diesem Fall unter dem Strich verzichten müßte! Wie soll sich das ausgehen?) Wir können gern rechnen, Herr Kollege! Ich gebe das gern auch den anwesenden Regierungsmitgliedern mit. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Hüttmayr .) Das lege ich hin, und dann stellen wir die Gegenrechnung an, wieviel an neuen Steuereinnahmen durch Ansiedelung ausländischer Unternehmen hereinkommt. Ich habe nicht den entsprechenden Stab, Herr Kollege! Ich habe als selbständiger Unternehmer nur ein kleines Büro. Die Regierung hat jedoch die Stäbe, ihr stehen ganze Ministerien zur Verfügung. Wir werden uns anschauen, wieviel die Regierung umsetzt.

Abschließen möchte ich mit einem Zitat aus der heutigen "Kronen-Zeitung", das sicher für den heutigen Tag passend ist. Da schreibt Herr Wolfgang Martinek unter "In den Wind gereimt" – vielleicht haben Sie es schon gelesen –: Wie man den Haider kleiner macht, sinnt die Regierung Tag und Nacht. Jedoch was hilft, ist allzu schwer: Sie müssen besser sein als er. – Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Endlich bringen Sie hohes Niveau ins Hohe Haus! Das ist super!)

15.08


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 82

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht gegeben.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 29. Jänner 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesministeriengesetz 1986 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. -Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

3. Punkt

Bericht des Bundeskanzlers über den 12. Sportbericht 1995 (III-153/BR sowie 5383/BR der Beilagen)

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Herrn Bundeskanzlers über den 12. Sportbericht 1995.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.

Berichterstatter Dr. Kurt Kaufmann: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus hat in seiner letzten Sitzung den 12. Sportbericht 1995 behandelt.

Dieser Sportbericht ist in folgende Abschnitte gegliedert: Außerschulischer Sport, Organisation und Vereine sowie Anhang. (Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Da Ihnen der Bericht vorliegt, brauche ich diesen Bericht nicht vorzulesen.

Der Ausschuß stellt mit Stimmenmehrheit den Antrag , den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke dem Herrn Berichterstatter.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

15.10

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich wurde um Kürze bei meiner Rede gebeten. – Ich werde versuchen, mich daran zu halten.

Trotzdem möchte ich sagen: Sport ist die wichtigste Nebensache der Welt. Das kommt auch in den einzelnen Vorworten zum Ausdruck, wenn etwa der Bundeskanzler a.D. schreibt: "Die wichtigsten Aufgabenstellungen des Jahres 1995 waren zweifellos die Erstellung des Budgets ..." Weiter unten heißt es: "Besondere Bedeutung kommt der Förderung des Breitensports sowie der Sicherung möglichst optimaler Rahmenbedingungen für die neuen Formen des Freizeitsports und der Förderung des Spitzensports zu. Gerade Spitzensportlern kommt eine ganz besondere Rolle ... zu."


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 83

Ich habe dann ein bißchen in diesem Bericht geblättert und gesehen, daß über den Breitensport auf ungefähr einer halben Seite berichtet wird, was relativ kläglich ist. Ich habe im Ausschuß gefragt: Wie steht es denn mit dem Schulsport? – Es ist nämlich bereits erkennbar, daß der Schulsport der wichtigste Bereich ist, damit eine Basis geschaffen wird, um nicht nur für den Sport, sondern auch für die Gesundheit Vorsorge zu treffen. Dieser wurde jedoch nicht behandelt. Über weiteres Befragen wurde mir mitgeteilt, daß die zuständige Bundesministerin Gehrer das eigentlich nicht wollte.

Aber ich bleibe noch bei den Vorworten.

Weiters schreibt der Herr Bundeskanzler, daß es auch wichtig ist, Großveranstaltungen ins Land zu bringen. Dann tut er einen Blick in die unmittelbare Zukunft und schreibt: "Gerade deshalb freue ich mich auch ganz besonders, daß St. Anton den Zuschlag für die Skiweltmeisterschaft 2001 erhalten hat, unser Land über mehrere potentielle Bewerber für die Austragung olympischer Winterspiele verfügt und über eine österreichische Bewerbung für die Fußball-Europameisterschaft nachgedacht wird."

Vergessen wurde dabei, daß in unmittelbarer Zukunft in der Ramsau die nordischen Skiweltmeisterschaften 1999 stattfinden werden. Es wäre daher sehr wünschenswert, wenn das Denken auch in Richtung Steiermark ginge. Staatssekretär a.D. Schlögl muß ich hingegen zugestehen, daß er daran gedacht hat.

Eine Passage des Vorwortes von Dr. Vranitzky möchte ich noch zitieren: "Daneben wird es in Zukunft darauf ankommen, die Verbindung zwischen Schule und Sport so eng wie möglich zu gestalten" – im Bericht merkt man von solchen Bestrebungen jedoch nichts; diese Gestaltungsmöglichkeit ist offensichtlich auch interministeriell gescheitert –, "gilt es doch, junge Menschen so früh wie möglich für den Sport zu begeistern und zu sinnvoller sportlicher Betätigung zu animieren. Damit kann ein wichtiger Beitrag dazu geleistet werden, Jugendlichen einen Weg zur eröffnen, die Probleme und die Herausforderungen des täglichen Lebens ohne Zuhilfenahme von Drogen oder ähnlichen Suchtmitteln bewältigen zu können."

Wie richtig! Das findet jedoch in der Sportförderung überhaupt nicht statt! Wenn ich jetzt ohne Hinweis auf diesen Schlußsatz des ehemaligen Bundeskanzlers darüber gesprochen hätte, dann wäre von Ihnen sicherlich der Einwand gekommen: Das gehört gar nicht hierher, erkundigen Sie sich bei einem anderen Ressort!

Indirekt hat der Herr Bundeskanzler durchaus erkannt, daß es mit der Sportförderung, so wie sie derzeit gehandhabt wird, nicht zum besten steht. Der wichtigste Bereich, nämlich die Schulen, ist ausgeklammert.

Die Kinder sind heute sozusagen "Sitzkinder". Die Kinder sitzen zu Hause, sie sitzen im Schulbus, sie sitzen in der Schule; dann sitzen sie wieder im Schulbus, und schließlich sitzen sie vor dem Fernseher.

Die Probleme, die sich daraus ergeben, werden etwa anhand der Protokolle der Untersuchungen beim Bundesheer deutlich. Die Untauglichkeitsfälle, die aufgrund entsprechender Schäden auftreten, liegen in einer Dimension von 20 Prozent und mehr. Das muß uns doch zu denken geben! Das ist nicht nur für das Bundesheer von Wichtigkeit: Die betroffenen Menschen leiden weiter und werden mit 40 oder 50 Jahren berufsunfähig.

Der Sport ist nicht nur zur Ertüchtigung da, sondern er ist ein ganz wichtiger Teil der Volksgesundheit. – So hat es Gerstl seinerzeit in seiner Antrittsrede als Präsident des Bundesrates formuliert und gesagt, daß das ein ganz wichtiger Bereich ist. Er hat das am Beispiel von Managern aufgezeigt, die einfach nicht mehr in der Lage sind, ihre Verantwortung zu tragen, weil sie physisch nicht mehr durchhalten.

Meine Damen und Herren! Dieser Bereich wurde jedoch gestrichen! Und da hilft es gar nichts, wenn der heutige Minister und damalige Staatssekretär Schlögl schreibt: "Zur Schaffung der


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 84

notwendigen Rahmenbedingungen bedarf es einer starken Bewußtseinsbildung, um dem Umfang und der Bedeutung des Sportes für Österreich Rechnung zu tragen."

Weiter unten schreibt er: "Großes finanzielles Engagement von Bund, Ländern und Gemeinden erfordern die zahlreichen Sportanlagen ..." – Wie richtig! Der Bund hat sich mit seinem Bundessportförderungsgesetz die Rosinen herausgesucht. Man sagt, daß man Großveranstaltungen ins Land bringen möchte, um das Image Österreichs zu heben. Was machen aber kleine Gemeinden oder kleine Vereine? – Wenn eine mittelgroße Gemeinde heute zusätzlich einen Turnsaal und ein Schwimmbad errichtet, dann müssen 300 bis 400 Millionen Schilling dafür bezahlt werden, aber in der Gemeinde sieht man vom Bund niemals Geld, meine Damen und Herren.

Im Bundesbudget sind für diesen Bereich samt den Totomitteln insgesamt eine Förderung von 598 Millionen enthalten. Da stimmt irgendwo die Dimension nicht!

Überhaupt wurde der Sport – eine Dame dieses Hauses hat das treffend definiert – "wie ein Wanderpokal" behandelt. Zuerst war er bei Bundesminister Dr. Ausserwinkler, dann ist er durch verschiedene Bereiche gewandert und ist letztlich im Bundeskanzleramt hängengeblieben, und zwar nicht nur der Sport, sondern auch die Gesundheit. Das ist die Wertigkeit, die sie diesem gesamten Bereich zugeordnet haben!

In diesem Zusammenhang ist der Bericht des Verfassungsausschusses – das muß ich sagen – ein bißchen dezidierter. Denn in seiner Einbegleitung heißt es wenigstens: "Träger des Sports sind Verbände und Vereine." Ich möchte noch hinzufügen: Träger sind vor allem die vielen Tausende, die in Österreich ehrenamtlich tätig sind und somit das Sportwesen überhaupt aufrechterhalten. Ich werde ihn nicht mehr zitieren, denn sonst ist es ihm möglicherweise peinlich, aber Bundesrat Gerstl sitzt hier: Er war durch mehrere Jahrzehnte auf diesem Gebiet ehrenamtlich tätig und hat mit der Förderung von Schwarzenegger und anderen mehr für das Image Österreichs erreicht als eine jahrelange Sportförderung in Österreich. Meine Damen und Herren! Ich wünsche mir ein ähnliches Engagement wie das der Frauen und Männer, die ehrenamtlich tätig sind, auch in anderen Bereichen, etwa im Bereich des Ministeriums. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zuerst wollte ich eigentlich sagen: Das ist ein ordentlicher Sachbericht betreffend die Segmente, die davon betroffen sind, wenn auch nicht alles enthalten ist. Dann habe ich mir das Ganze aber ein bißchen genauer angeschaut und bin draufgekommen, wie die Förderungsbereiche verteilt wurden:

Da steht auf Seite 17 unter "SONSTIGES: ASKÖ Wintersportwoche 95: 350 000 S; UNION Sommerspiele 95, Rate 95" – es sind also noch weitere Raten geflossen –: "3 160 000 S; ÖTB Bundesturnfest 96, Krems: 100 000 S" (Bundesrat Prähauser: Das ist der Österreichische Turnerbund!) Jetzt möge man nur den Turnerbund mit seinen vielen Tausenden Mitgliedern vergleichen mit dem Bereich American Football, das auch mit 250 000 S gefördert wurde, bei dem es aber nur einige Hundert Mitglieder gibt. Wo bleibt denn da die Gleichbehandlung? – Das kann man vom Budget verlangen, beziehungsweise kann man das nicht nur verlangen, sondern man muß es verlangen, denn das Gleichbehandlungsprinzip ist ein ganz wichtiges Prinzip in der Finanzbewirtschaftung.

Jetzt darf ich noch auf die Steiermark zu sprechen kommen: Es werden auch in diesem Zusammenhang einige Beträge genannt. Es wird das Stadion Liebenau errichtet.

Meine Damen und Herren! Sie können sich vielleicht erinnern, als ich in einer Anfrage gebeten habe – es ist ja im Bundessportförderungsgesetz verankert, daß besondere Projekte, Spitzensport et cetera gefördert werden –, auch für den Ö-Ring entsprechende Investitionen vorzunehmen. 298 Millionen Schilling wurden vorgerechnet, die Gemeinden bringen 15 Millionen auf, vom Bund wurden 120 Millionen erbeten. Es hat für viele Verwendungserklärungen Prüfungszusagen gegeben.

Dann habe ich die Antwort des damaligen Finanzministers Staribacher bekommen, der gesagt hat, es sei nicht ganz sicher. – Ich zitiere: Im Finanzministerium wird derzeit geprüft, ob und in


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 85

welcher Höhe ein Bundeszuschuß zum Vorhaben des Ausbaues des Österreichringes gewährt werden kann. – Man hat nie mehr darüber gehört, was mit dieser Prüfung ist.

Dann hat man gesagt, die Marketingbeträge seien nicht richtig geschätzt, und dann hat man in Zweifel gezogen, ob ein Formel-1-Rennen überhaupt stattfinden wird. Bitte schauen Sie im Rennkalender nach: Dieses Rennen findet statt, die Einnahmenerwartungen liegen bei 600 Millionen Schilling für den Bund, und der Bund hat sich enthalten, nur einen Schilling zu geben. Das ist jetzt nicht nur knauserig, das ist eine äußerst große Disparität der Förderung, meine Damen und Herren! Das ist im Sinne des Föderalismus äußerst negativ zu bewerten.

Es wurde in den pompösen Vorworten zum Sportbericht groß aufgetrumpft, was alles in Österreich geschieht. Ich habe mir gedacht, dann muß es irgendwo einen Leistungsvergleich geben. Wo habe ich einen solchen Leistungsvergleich? – Die Olympischen Spiele in Atlanta bieten einen solchen Leistungsbereich. Ich sage nochmals: 598 Millionen Schilling stehen für die Sportförderung zur Verfügung. Wenn ich das genauer betrachte, so kann man schon sehen, daß Österreich bei der Medaillenauswertung, die natürlich eine Zeugnisdarstellung ist, an 57.  Stelle ist. Vor uns rangiert Slowenien, rangiert natürlich die Slowakei – ich zähle nur die Nachbarländer auf –, das ehemalige Jugoslawien, die Schweiz an 18. Stelle, Tschechien an 17. Stelle, Ungarn an 12. Stelle und Italien an 6. Stelle.

Meine Damen und Herren! Wenn ich, wie es schon ein paarmal verlangt wurde, einen Strich ziehe und nachrechne, dann muß ich sagen, es kommt ein äußerst schlechtes Resultat heraus. Irgendwo funktioniert unsere Sportförderung in dieser Art und Weise nicht. Dieses österreichische Sportwesen – das bestreitet auch niemand mehr – ist äußerst reformbedürftig.

Meine Damen und Herren! Die öffentliche Hand hat bei ihrer Zielsetzung zu bedenken, daß sie animieren, daß sie Anregungen geben muß, daß sie zu anderen Bereichen kommt. In Graz haben wir bereits vor 20 Jahren versucht, die Sportstätten zu öffnen. Es sind daraus die Bezirkssportplätze geworden. Wenn ein Projekt gefördert wird, dann verlange ich, daß auch Nicht-Vereinsangehörige tätig sein dürfen. Ich weiß schon, dem werden organisatorische Probleme entgegengehalten, wie zum Beispiel: Wer betreut denn den Schulsportplatz am Wochenende? – Es gibt genügend Studenten, die froh wären, auch in Art eines – vielleicht gibt es in Zukunft einen bisserl besseren Werkvertrag – Werkvertrages tätig sein und den Platz betreuen zu können.

Daß der Sport natürlich – ich habe es schon einmal gesagt – eine große Wertigkeit für die Gesundheit hat, zeigen nicht nur die Haltungsschäden, sondern zeigen auch die Kreislaufschäden, das zeigen die Pensionierungsakte, bei denen die Haltungsschäden und die Kreislaufschäden an vorderster Stelle stehen. Meine Damen und Herren! Es wäre notwendig, daß die Bevölkerung durch diese Animation einen breiteren Zugang hätte.

Die wichtigste Aufgabe ist die Förderung des Schulsports. Mir tut es von Herzen leid, daß das hier nicht behandelt wurde, denn wenn die Kinder in diesem Bereich nicht ausreichend erzogen werden und wenn es vielleicht nur 20, 30, 100 Leute in einem Bewerb gibt, dann kann man nicht von einem Breitensport reden. Was Hänschen nicht lernt, wird Hans ... (Bundesrat Dr. Linzer: Bundesministerin Gehrer hat das in einer noch besseren Form verwirklicht!) – Das weiß ich nicht. Bis jetzt hat sich die noch bessere Form nicht ausgewirkt. Wenn Sie das Resultat anschauen, dann sehen Sie, daß das Resultat miserabel ist!

Wenn sie eine tägliche Turnstunde verlangen würde, dann würde das zu einem besseren Resultat führen. Die Kinder sitzen heute sozusagen durch die Gegend. Wo Sie auch ein bisserl einsparen könnten, wäre bei der überbordenden Regelung des Schulbusses. Wenn man diesen einschränken würde und – wie in anderen Staaten – ein gesicherter Schulweg für die Kinder geschaffen, dann hätten diese wieder das Erlebnis, gemeinsam zur Schule zu gehen. – Das wären Möglichkeiten, die gar nicht viel kosten, sie kosten ein bisserl Nachdenken. (Bundesrat Dr. Linzer: Das müssen Sie zur linken Seite sagen!) – Ob links, ob rechts, Sie sind beide in der Regierung. Sie sollten sich den Kopf zerbrechen, nicht ich. Wir sollten Anregungen bringen, und Sie sollten diese Anregungen umsetzen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 86

Diese Zersplitterung des Sportwesens in Schulsport und in außerschulischen Sport ist unverantwortlich und ist auch nicht zulässig, meine Damen und Herren! Das gehört wieder zusammengefaßt, und es gehört wieder eine Wertigkeit für den Sport vorgegeben, die letztlich auch ermöglichen könnte, daß es nicht nur zu einem Breitensport kommt, sondern daß es auch zu entsprechenden spitzensportlichen Leistungen kommt.

Wir meinen, und wir fordern, daß es einen Bundesministerienbereich geben muß, in dem die gesamten Sportagenden, wie ich sie hier dargestellt habe, zusammengefaßt werden. Ich verwehre mich dagegen, daß es quasi zu einer Verpolitisierung des Sportbereichs kommt, laut der gewisse Bereiche wie ASKÖ, UNION, ASFÖ Geldbeträge bekommen. Die kleinen Vereine mit ihren ehrenamtlichen Mitgliedern sind nicht sonder Zahl, diese wird man erfassen und direkt Subventionen geben können. Warum macht man immer Zwischenstationen? – Da fällt wieder einmal ein bisserl etwas ab.

Ein Kollege hat heute gesagt – es war wieder Freund Gerstl –, wenn eine Delegation ins Ausland fährt, dann ist es meistens so, daß X Funktionäre und zwei Betreuer für drei Sportler mitfahren. So ist es bei uns in Österreich. Schauen Sie sich andere große Sportnationen an, wie es dort ist! Der Pomp ist uns offensichtlich in diesen Bereichen manchmal ins Hirn gestiegen! Daher: mehr Einfluß für die kleinen Verbände, Entpolitisierung, eine neue Form der Bundessportheime, bei denen der Zugang verallgemeinert werden und eine lockere Verwaltung gegeben sein sollte. Natürlich sollte auch der Bund Einfluß darauf haben.

Meine Damen und Herren! Wir haben heute schon sehr viel Zeit verbraucht, aber wenn ich jetzt noch anfange, mich zu ärgern, dann rede ich noch ein bisserl länger. (Bundesrat Prähauser: Das macht ja nichts!)

Nur noch eines: Es wurde im Ausschuß geschätzt, daß die Tätigkeit der Ehrenamtlichen, wenn man das finanziell umlegt, 7 bis 8 Milliarden Schilling und der Sport, der gesamte Bereich, ungefähr 2 bis 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht. Das sind rund 100 Milliarden Schilling und mehr. Es wäre notwendig, neben der Gesundheit auch der wirtschaftlichen Wichtigkeit besondere Beachtung zu schenken.

Meine Damen und Herren! Ich habe gesagt, dieser Bericht ist für mich fragmenthaft. Ich nehme ihn so nicht zur Kenntnis. Meine Fraktion ist daher zum Schluß gekommen, daß wir diesem Bericht nicht unsere Zustimmung geben werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Repar. – Bitte.

15.30

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur einige Sätze zu meinem Vorredner bemerken: Ich unterstreiche Ihre Forderung, daß es wichtig ist, den Schulsport zu fördern, vor allem im Hinblick auf die Freizeitgestaltung der Jugendlichen und auf die Gesundheitsvorsorge, ich meine aber, daß Kritik am Sportbericht deshalb nicht angebracht ist, weil das einfach zuständigkeitshalber ins Unterrichtsministerium gehört und nicht in diesem Bericht des Staatssekretärs seinen Niederschlag zu finden hat. – Punkt 1.

Punkt 2: Was Ihre Kritik am Förderungswesen anlangt, so ist dazu auch zu sagen, daß das Budget natürlich nicht so exorbitant hoch ist, um sich jetzt in Hunderttausende Einzelfälle zu verzetteln – es wäre auch administrativ nicht sehr klug, dies zu tun –, sondern es sind ja auch die Länder – weil Sie den Föderalismus angesprochen haben – dazu verhalten, nach der 15a-Vereinbarung selbst Sportförderungen auszuschütten, was ja auch geschieht, und diesbezüglich vor Ort die richtigen Förderungsrichtlinien zu erlassen.

Im Zusammenhang mit dem nun vorliegenden Sportbericht 1995 möchte ich die oftmals unterschätzte gesellschaftliche Bedeutung des Sports deutlich hervorheben, und zwar sowohl die Wichtigkeit des Breiten- als auch des Spitzensports.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 87

Wir wissen, daß die Prävention in der Gesundheitspolitik einen immer wichtigeren Stellenwert erhält. Sport ist dabei wohl das probateste Mittel, die Gesundheit der Menschen möglichst lange zu erhalten und somit Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte hintanzuhalten.

Dies muß unser Ziel sein – im Interesse der Menschen, aber auch im Interesse eines langfristig finanzierbaren Gesundheitssystems. Investitionen in den Breitensport sind meiner Meinung nach Investitionen, die sich immer rechnen, nicht nur aus gesundheitspolitischer Sicht, sondern auch weil wir damit beispielsweise der Jugend eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung anbieten können.

Nicht unterschätzt werden darf die Signalwirkung des Spitzensports. Immer wieder zeigen österreichische Spitzensportler mit ihren Leistungen, daß sie in diesem Bereich vor allem auf die Jugend eine Vorbildwirkung ausüben. Die Ermunterung zum Breiten- oder Leistungssport durch internationale Spitzenleistungen verdient daher ebenfalls unsere volle Unterstützung.

Nicht aus den Augen verlieren sollten wir allerdings die Bedeutung von Sport-Großveranstaltungen in Österreich. Dabei ist es selbstverständlich, daß gerade in Zeiten der Budgetkonsolidierung und eines allgemeinen Spargebotes die Vor- und Nachteile derartiger Großveranstaltungen genau abgewogen werden müssen. Ich glaube aber doch, daß alleine die mit Welt- oder Europameisterschaften oder gar Olympischen Spiele verbundene enorme Publizität – ausgedrückt im Werbewert – für ein Tourismusland wie Österreich von großem Vorteil ist. Österreich hat sich ja als Veranstalter zahlreicher großer Sportereignisse einen international ausgezeichneten Ruf erworben.

Erlauben Sie mir als Kärntner Abgeordneter nun, auf die Bewerbung Kärntens für die Olympischen Winterspiele im Jahr 2006 kurz einzugehen. Das hervorragende, ja einmalige an dieser Bewerbung ist, daß sich Kärnten gemeinsam mit der italienischen Region Friaul-Julisch Venetien sowie Slowenien um diese Spiele bewirbt. Da wird ganz konkret das politische Wort vom gemeinsamen Europa als Antwort auf ein Europa aufkeimender Nationalismen in die Tat umgesetzt. Konsequenterweise nennt sich diese gemeinsame Kandidatur auch "Senza Confini", also "ohne Grenzen". – Selbstverständlich teilen sich die drei Regionen auch die anfallenden Bewerbungskosten.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, diese erstmalige Ausrichtung von Olympischen Spielen über Staatsgrenzen hinaus würde für das Fremdenverkehrsland Kärnten eine enorme Werbewirkung bringen.

Doch die Bewerbung um die Winterspiele 2006 ist nicht nur aus der Sicht eines Europas ohne Grenzen einzigartig, sondern auch aus der Sicht des Umweltschutzes und der Notwendigkeit des sparsamen Umganges mit öffentlichen Mitteln. 80 Prozent der Sportanlagen bestehen bereits, sie bedürfen lediglich der Anpassung. Darüber hinaus ist eine Nachnutzung von 100 Prozent gesichert. Auch sind keine infrastrukturellen Großinvestitionen notwendig, da Autobahnen, Straßen, Eisenbahnen, Flughäfen und Energieinstallationen bereits vorhanden sind.

Mehr als zehn Jahre intensiver Planung und Vorbereitung stecken in der gemeinsamen Bewerbung von Kärnten, Friaul und Slowenien. Sogar eine Änderung der Olympischen Charta konnte erreicht werden, die bis dahin gemeinsame Spiele verschiedener Länder nicht vorsah.

Durch die leider nicht erfolgreiche Bewerbung für die Spiele 2002 konnte man aber trotzdem enorme Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit und Sportwelt erzielen. Mit einem finanziellen Aufwand von 4,7 Millionen Schilling konnte ein errechneter Werbeeffekt von nicht weniger als 165 Millionen Schilling erzielt werden. Eine derartige weltweite Aufmerksamkeit und positive Botschaft kann sicherlich keine andere Kandidatur erreichen.

Während beispielsweise andere Kandidaten für ihre Bewerbungen nur lokales Medieninteresse erreichen, sorgte die Drei-Länder-Bewerbung für Schlagzeilen in der ganzen Welt. Die Zuerkennung der Spiele an Kärnten, Friaul und Slowenien würde nicht eine Dreiteilung, sondern einen sogenannten dreifachen Sieg für uns bedeuten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 88

Das Projekt wurde vom IOC-Experten offiziell überprüft: Es besteht in jeder Hinsicht eine solide Grundlage. Kärnten kann nicht nur auf die Unterstützung von international renommierten Sympathieträgern wie unserem Franz Klammer bauen, sondern auch auf eine politische Einigkeit, was ja nicht selbstverständlich ist – selbst die FPÖ hat nach einer ihrer üblichen Kehrtwendungen von 180 Grad vor einiger Zeit die von der SPÖ initiierte und von der ÖVP mitgetragene Olympiabewerbung Kärntens unterstützt.

Wenn ich nun zusammenfassen darf, so möchte ich Ihnen sagen, daß keine andere Kandidatur eine bessere Verbindung von olympischen Idealen, sportlicher Ausstattung, Umweltfreundlichkeit und kulturellem Angebot bieten kann, keine andere Kandidatur hat eine bessere Relation von Kosten zu Ergebnissen. Ich möchte daher hier und heute Sie, Herr Staatssekretär, ersuchen, unsere Bewerbung von Kärnten für die Olympischen Spiele im Jahr 2006 zu unterstützen.

Ganz besonders für Kärnten, das nach wie vor eine wirtschaftlich schwierige Randlage in Österreich einnimmt und um jede Chance auf wirtschaftliche Impulse kämpfen muß und darauf angewiesen ist, wäre die Zuerkennung der Spiele eine sehr große Chance. Wer die gemeinsam Kandidatur "Senza Confini" von Kärnten, Friaul und Slowenien unterstützt, gibt Österreich und wohl auch Kärnten damit eine große Chance und Siegeschance. Unsere Kandidatur liegt in jeder Hinsicht voll im Trend, und es wäre großartig, wenn Kärnten und damit auch Österreich ein weiteres Kapitel, ein neues Kapitel in der Geschichte der Olympischen Spiele schreiben könnte.

In diesem Sinne ersuche ich Sie noch einmal um Unterstützung und sage für meine Fraktion, daß wir dem vorliegenden Sportbericht, der sehr ausführlich und gut vorgelegt wurde, unsere Zustimmung erteilen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

15.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerstl. – Bitte.

15.38

Bundesrat Alfred Gerstl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Mir wurde die ehrenvolle Aufgabe gestellt, namens meiner Fraktion zum vorliegenden Sportbericht 1995 eine Stellungnahme im Hohen Haus einzubringen. Erlauben Sie mir bitte, diese Gelegenheit wahrzunehmen, um einige Gedanken – resultierend aus meinen Erfahrungen als jahrzehntelanger ehrenamtlich tätiger Sportfunktionär – für die Verantwortlichen des österreichischen Sportwesens als Diskussionsbeitrag miteinzubinden.

In meiner Antrittsrede zum Vorsitzenden des Bundesrates am 26. Jänner 1994 habe ich Ihnen, meine Damen und Herren, einige Ideen mit der Hoffnung, daß diese in der Prioritätenreihung des österreichischen Sportwesens vorne Eingang finden mögen, vorgebracht. Zur Erinnerung erlaubte ich mir deshalb Ihnen, noch vor unserer heutigen Plenarsitzung, einen Auszug aus meiner Rede das Sportwesen betreffend zukommen zu lassen.

Als Ergänzung zu diesen Gedanken seien ein Pressebericht über den größten, das gesamte Sportwesen betreffenden Weltkongreß mit Wissenschaftern, Sportärzten, Funktionären sowie aktiven Sportlern und politisch Verantwortlichen für das Gesundheitswesen von fast 100 Ländern im Jahre 1990 aus Chicago und einen Bericht aus der deutschen "Sport Revue" genannt, der meine jahrzehntelangen Bemühungen um die Jugend, Sport als Weg zu Fitneß und Lebensfreude zu betreiben, aufzeigt.

Aus dem Sportbericht 1995 ersehen wir, daß wir bei internationalen Wettkämpfen – Europa- und Weltmeisterschaften – immer weniger Spitzenplätze in den traditionellen Sportdisziplinen, wohl aber bei in Österreich relativ jungen Sportarten erreicht haben. Eine dieser, nämlich der Bodybuilding-Sport, der Körperbildungssport, hat zur großen, ganzjährig greifenden Fitneßsportbewegung durch die Etablierung vieler Hunderter Fitneßcentren in Österreich geführt, aber der Bodybuilding-Sport ist auch zum wirksamen Basistraining für zahlreiche Sportdisziplinen geworden. Diese gewerblich geführten Fitneßcentren wurden ohne Mittel der öffentlichen Hand errichtet und werden ohne Förderungsmittel betrieben und bezahlen dem Staat Steuern. Zehn


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 89

tausende Österreicher wurden durch den über spezifische Geräte betriebenen Körperbildungssport zum wertvollen Fitneßsport motiviert.

Ich danke der Bundesanstalt für Leibeserziehung, welche die Initiative der steirischen Landessportorganisation vor zirka einem Jahrzehnt aufgegriffen und die Ausbildung für Fitneßsporttrainer aus dem Kreise der Spitzensportler der Bodybuilding-Vereine durch die Lehrwarteausbildung auf das heutige Niveau angehoben hat. Diese Sportler haben ihre eigenen Erfahrungen als Spitzensportler mit sportwissenschaftlichen Erkenntnissen ergänzt und ihr Wissen in zahlreiche Fitneßcentren für diese Fitneßsportbewegung nutzbar eingebracht.

Mit einem ersten Platz für Paare im Bodybuilding und im Einzel mit einem zweiten sowie dritten Platz in der 90-Kilo-Kategorie der Männer und einem dritten Platz in der 57-Kilo-Kategorie der Frauen bei der Weltmeisterschaft des fünftgrößten Sportweltverbandes, in dem 135 Nationen organisiert sind, der International Federation of Bodybuilding, kurz IFBB genannt, haben diese Österreicher einen großen Beitrag zum Ansehen ihrer Heimat geleistet. – Auch das steht erfreulicherweise im Sportbericht 1995 zu lesen.

Die im Jahre 1995 erreichten internationalen Erfolge im Kraftleistungs-Dreikampf haben nicht zuletzt ihre Wurzeln ebenfalls im Bodybuilding-Sport.

Da der Bundesfachverband für Bodybuilding acht Jahre hindurch keine Förderungsmittel bekommen hat, sondern immer nur Kosten für Forderungen der Bundessportorganisation, die ihm auferlegt wurden, aufzubringen hatte, hat der Bundesverband für Bodybuilding seine Bewerbung um die Aufnahme in die Bundessportorganisation zurückgezogen. Dadurch wird es auch in diesem Bereich zu einem Rückgang der Spitzenleistungen bei Europa- und Weltmeisterschaften kommen, aber in ausländischen Zeitungen werden diese Spitzensportler sicherlich – so wie viele Österreicher im Ausland – mehr geehrt werden und zu Anerkennung kommen.

Umgekehrt verhielt es sich bei den ostasiatischen Sportdisziplinen. Ich komme deshalb darauf zu sprechen, weil ich einen Artikel über Karate der "Kleinen Zeitung" vor mir liegen habe. Diese bis zum Jahre 1975 in Österreich unter der Patronanz ostasiatischer Karatemeister gelehrte geist- und körpererziehende Sportdisziplin schien sich durch die bis dahin ohne Förderungsmittel wirkenden Karatevereine, vor allem aber auch durch die organisatorischen Impulse des seinerzeitigen Bundesfachverbandes, der "All Austrian Karate Association", zum Breitensport zu entfalten.

Jedoch durch Sportbürokratie – ich empfand in der Zeit meiner Sportfunktionärstätigkeit auch eine gewisse "Filzokratie" im Sportwesen – sowie in weiterer Folge durch die Inaktivität nachrückender Funktionäre für den Basissport oder für die Ausrichtung internationaler Meisterschaften in Österreich sackte das traditionelle Karatesportgeschehen trotz nun einfließender Förderungsmittel in die Unbedeutsamkeit ab.

Damit ging nicht nur die Chance, an die einstmaligen Erfolge anzuknüpfen, verloren, sondern auch die übergeordnete Zielsetzung dieser Sportdisziplin, nämlich die Meisterung des Ichs, durch eine Sportdisziplin der Jugend zugänglich zu machen: Selbstdisziplin, Aggressivität zu beherrschen, Angriffslust durch Verteidigungsbereitschaft zu ersetzen.

Durch die offizielle Anerkennung der verwestlichten Karatesportdisziplin mit der Bezeichnung "Kickboxing", die laut Bericht 1995 die meisten internationalen Erfolge aller Sportdisziplinen aufzuweisen hatte, als Sektion des Amateurboxsportverbandes 1982 und dadurch, daß 1991 die Anerkennung als Bundesfachverband folgte, konnte – wie aus vorliegendem Bericht ersichtlich – Österreich wieder zahlreiche internationale Spitzenplätze erkämpfen.

Die in Graz in den vorher erwähnten Disziplinen, Bodybuilding, Karate, Kickboxing und so weiter, ausgetragenen internationalen Meisterschaften, Europa- und Weltmeisterschaften, bewirkten auch durch hervorragende Organisation weltweite Anerkennung des österreichischen Sportwesens. Der Kickboxing-Sport sowie der Box-Sport können jedoch im Hinblick auf ihre Zielsetzung keine Breitensportbewegung auslösen. Jedoch die gymnastischen und sporttechnischen Elemente – aus dem Karatesport entlehnt –, welche in das Trainingsprogramm in


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 90

volviert sind, sowie Leichtkontaktkarate haben dennoch zu einem großen Sportverband mit zahlreichen Vereinen in ganz Österreich geführt.

Auch im Judo, im Gras-Schilauf, beim Paragleiten und so weiter, also in den neueren Sportdisziplinen, waren die österreichischen Spitzensportler erfolgreich. Wenn aber nicht unverzüglich Maßnahmen durch eine Reform des österreichischen Sportwesens für vermehrte Nutzung von Freizeit, in der Sport, Kultur, Familientradition und Besinnung gepflegt und ins Bewußtsein gerufen werden – ungeachtet dessen, daß auch dieser Bereich eine gewaltige Wirtschaftsschiene ist –, gesetzt werden, scheint mir die Weichenstellung der Politik durch das neue Gesetz für Offenhaltezeiten im Handel mit seiner Zielsetzung "Einkaufserlebnis" eine Gefährdung für sinnvolle Nutzung von Freizeit zu werden. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage bei Jugendlichen sind für die überwiegende Mehrheit dieser nicht das Lernen um des Wissens willen, nicht Sport für körperliche Ertüchtigung und Lebensfreude zu betreiben, nicht musisches Erleben als kultureller Impuls für Lebensqualität die Zielsetzung, sondern Geld zu verdienen und auszugeben.

Meine Frage ist: Wie soll dies ohne vorgenannte Grundlagen erreicht und sinnvoll umgesetzt werden? – Die Förderung körperlicher und geistiger Aktivität einer Nation ist nicht nur der Weg zu deren Lebensfreude, sondern auch das Fundament für Kraft, Wohlstand und Stärkung ihrer Identität, sie ist das Zeichen einer Kulturnation, wofür die politisch Verantwortlichen verpflichtet sind, die Weichen zu stellen. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Es ist ein Glück für Österreich, daß Sport auch als Landeskompetenz rechtlich wahrgenommen wird und dadurch auch zusätzlich experimentelle Ideen für körperliche Ertüchtigung regional gefördert werden. In dankenswerter Weise wird dies in der Steiermark praktiziert, und der Körperbildungssport mit seinen Impulsen für den Fitneßsport hat von dort aus zur vorher erwähnten Verbreitung von privatwirtschaftlich geführten Fitneßcentren in ganz Österreich geführt. (Bundesrat Prähauser: Werden da auch Dopingkontrollen durchgeführt?)

Auch die Durchführung der Olympischen Spiele für Mehrfachbehinderte, die im Jahre 1993 erstmals außerhalb Amerikas in der Steiermark und in Salzburg stattfanden, ist auf eine steirische Initiative zurückzuführen, die Österreich in das internationale Blickfeld rückte.

Aber auch die Initiative im Jahre 1968 eines ehemaligen bekannten Leichtathleten, des Regierungsrates im steirischen Sportamt, Richard Stiger, für den Sportgrenzverkehr mit Jugoslawien und Ungarn durchbrach schon viel früher als die politischen Gremien den Eisernen Vorhang. Später ist daraus der Alpen-Adria-Cup mit seinen Jugend-Sommer- und -Winterspielen in Slowenien, Kroatien, Ungarn, Italien und Österreich entstanden.

Vom 27. bis 30. Jänner wurden die Alpen-Adria-Jugend-Winterspiele in der Obersteiermark ausgetragen. Im Jänner waren aber auch der Weltcup im Naturbahn-Rennrodeln in Obdach und der Weltcup-Slalom der Herren in Schladming. Und in diesem Monat wird die Alpine Junioren-Weltmeisterschaft in Schladming stattfinden. Im kommenden Monat wird die Tanz-Europameisterschaft in Graz abgehalten werden und so weiter.

Ich möchte noch darauf hinweisen, daß auch für den Fitneßsport in der Steiermark 1 000 Kilometer Radwege fertiggestellt und zur Verfügung stehen und weitere 600 Kilometer in Bau und rund 400 Kilometer in Planung sind. Noch im heurigen Sommer wird man von Graz aus ungehindert mit dem Rad nach Mariazell fahren können. (Bundesrat Dr. Kaufmann: Endlich! – Beifall bei Bundesräten der ÖVP, der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Das Sportreferat der Stadt Graz war es, welches sich auch um den Kleinkindsport bemühte. Am Anfang stand die Erkenntnis, daß gerade vom ersten bis zum vierten Lebensjahr die wirksamsten Weichen für eine nachhaltige körperliche Aktivität der Menschen gestellt werden. Deshalb hat bereits vor Mitte der siebziger Jahre an und danach über zehn Jahre hinaus das Sportreferat der Stadt Graz zum ersten Geburtstag der kleinsten Bürger diesen ein als Fotoalbum gestaltetes Kindersportbuch mit dem Titel "Komm, mach mit!" als Familienleitfaden für Kinder vom ersten bis zum vierten Lebensjahr geschenkt, in welchem die Anleitung für sinn


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 91

volle Bewegung bis hin zum Mutter-Kind-Schwimmen, aber auch Entspannungsübungen augenscheinlich gemacht und beschrieben wurden.

Die Aktion "Mutter-und-Kind-Schwimmen" mit Babies ab dem dritten Lebensjahr, nach dem System Johnny Weißmüllers, sowie Schwimmlehrkurse ab dem fünften Lebensjahr und vieles mehr werden ebenfalls seit Mitte der siebziger Jahre auch für Kinder ohne Vereins- oder Verbandsbindung in Graz angeboten.

Selbstverständlich wird der Seniorensport in der Steiermark ebenfalls gefördert, wobei ich erwähnen möchte, daß durch eine Privatinitiative das erste Senioren-Sportbuch in Österreich unter dem Titel "Ewig jung durch Bewegung" unter Anleitung von Arnold Schwarzenegger als Leitfaden für Fitneß ab dem 40. Lebensjahr herausgegeben wurde.

Zahlreiche andere Aktivitäten für Jung und Alt wurden in der Steiermark von für das Sportwesen politisch Verantwortlichen über Empfehlung ehrenamtlich tätiger Sportfunktionäre ins Leben gerufen, aber manches wurde wieder durch die Bürokratie eingebremst oder schubladisiert – nicht so in den USA, wo selbst die aus Österreich eingebrachte Idee der Entwicklung von Zeit- und Distanzgefühl für traditionelle Sportdisziplinen am Weltkongreß 1990 für Fitneß, Ernährung und Sport in Chicago in Diskussion genommen wurde. Diese Idee wurde sogar in das Forschungsprogramm der Universität von San Diego aufgenommen und bereits 1994 im Universitäts-Sportangebot wettkampfmäßig umgesetzt.

Es ist für mich unverständlich, daß die vom steirischen Landessportreferenten, Landesrat Dr. Gerhard Hirschmann, ergriffenen Initiativen, wie zum Beispiel die Durchführung der Olympischen Spiele in der Steiermark oder der Ausbau des Ö-Ringes, ins politische Hickhack geraten konnten. Ich vermute, die mediale Erziehung zur Neidgesellschaft macht auch vor zukunftsorientierten Ideen nicht mehr halt. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Es gibt viele Aktivitäten für den Sport in allen Bundesländern, doch das Beispiel Vorarlberg, das früher auch international im Spitzenfeld mit seinen Geräteturnern lag, weist darauf hin, wie notwendig es ist, daß das österreichische Sportwesen auch in der Länderkompetenz liegt und auf Bundesebene jedoch Reformen erfordert.

Bedauern muß ich daher deshalb, daß sich die Länder seinerzeit bei der Gründung der Bundessport-Organisation nicht um einen gebührenden Einfluß bemühten und sich die Bundessport-Organisation später dafür nicht mehr interessiert zeigte.

Damit komme ich zu einer wichtigen Forderung, nämlich zur Einbindung der Sportreferenten-Konferenz der österreichischen Bundesländer in die Entscheidungsorgane der Bundessport-Organisation. Leider hat sich der Bund in den letzten Jahren sukzessive von der direkten Länder-Sportförderung zurückgezogen und somit zu einer spürbaren, bedauerlichen Verminderung der Sportaktivitäten im Bereich der Bundesländer beigetragen. Ich erlaube mir, einige Beispiele zu nennen: die Sistierung der Lotto- und Totomittel für zwei Jahre, 1996 und 1997, die Einstellung der Sportstätten-Investitionsförderung des Bundeskanzleramtes. Bislang ist kein einziges Sportleistungsprojekt eines Landes-Sportverbandes seitens des beim Bundeskanzleramt eingerichteten Spitzensportausschusses gefördert worden.

Die Kritik geht dahin, daß Förderungsmittel des Spitzensportausschusses immer wieder von denselben Bundessportverbänden in Anspruch genommen werden.

Sinnvolle Leistungsprojekte der Landesverbände bleiben stets auf der Strecke, wobei mir in einigen Fällen auch die Bundessport-Organisation nicht als schuldlos erscheint.

Mein Vorschlag: Ein Teil dieser Mittel soll Leistungsmodellen der Landesverbände in den Bundesländern zweckgebunden zur Verfügung gestellt werden.

Die wichtigste Aufgabe in der heutigen Zeit ist für die politisch Verantwortlichen aber ganz sicher, zukunftsorientierte Entscheidungen für den Vorschul- und Pflichtschulsport zu treffen. Vor allem in den Volksschulen sollte neben dem im Lehrplan mit mindestens vier Stunden pro


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 92

Woche zu inkludierendem Unterricht für Leibeserziehung erst nach täglich 20 Minuten gymnastischer und isometrischer Übungen im Klassenzimmer der Lernbetrieb beginnen.

In allen Haupt- und Mittelschulen sind zumindest vier Wochenstunden für Sport in den Lehrplan aufzunehmen, darüber hinaus sind Haltungs-, Gesundheits- und Pausenturnen einzuführen.

Die gewonnene Autonomie der Schulen hat, wie nun die Praxis zeigte, durchwegs zur Reduzierung der Stundentafel auf Kosten der Leibeserziehung geführt – in der Neuen Hauptschule Tirol sogar zur Halbierung. Der Gegenstand Leibeserziehung – oder wie immer man es nennen mag – muß aus der Autonomie herausgenommen werden und eine feste Wochenstundenanzahl den Anforderungen der Schülerhöchstzahl entsprechend zugesprochen bekommen.

Die Turnsäle sind wieder mit den traditionellen Geräten wie Hanteln, Seile, Leitern, die entfernt wurden und oft noch in den Kellern gelagert sind, auszustatten und für sinnvolles Ganzkörpertraining unter Anleitung von hiefür fachlich ausgebildeten Lehrern den Schülern zugänglich zu machen.

Durch die ständige Modernisierung in den gewerblichen Fitneßzentren könnten nicht mehr gebrauchte Geräte über einen Spendenaufruf den Schulen geschenkt werden. Eine solche Initiative gab es erstmals in Österreich in der Grazer Grieskai-Hauptschule vor zirka zehn Jahren, und zwar durch den damaligen Hauptschullehrer und derzeitigen Leiter der Dr.-Otto-Möbes-Akademie Graz Mag. Albert Kaufmann.

Die seinerzeit dort aufgestellten Geräte werden noch heute mit großer Begeisterung von den Schülern genützt.

Die Zielsetzung des Schulsportes sollte nicht in Richtung Sieg gehen, sondern vor allem zu einem vermehrten Bedürfnis zur Widerstandsüberwindung und zum Erkennen persönlicher Grenzen führen, wofür das Training mit Hanteln eine einfache, aber doch sehr wirksame Methode ist. Damit würde nicht nur ein Beitrag zur Gesundung unserer von Haltungsschäden befallenen Jugend geleistet werden, sondern man würde auch die Motivation für das Betreiben spezifischer Sportdisziplinen steigern und die Jugend vom Scheinvergnügen zu sinnvoller Freizeitgestaltung führen.

Unsere Aufgabe ist es nicht zuletzt, die künftigen Leistungsträger unserer Gesellschaft für ihre Aufgaben im Berufsleben physisch und psychisch fit zu machen und dadurch einen weiteren Beitrag dafür zu leisten, daß Österreich mit einem entsprechenden Humankapital auf Dauer international konkurrenzfähig bleibt.

Letztendlich würde auch eine viel größere Anzahl von zu Spitzenleistungen Befähigten dem österreichischen Sportwesen zugeführt werden können. Voraussetzung dafür ist aber nicht zuletzt, daß die Schiene Schule und Sportverein als sinnvolle Symbiose geschaffen wird.

Leider wird – bedauerlicherweise – der freiwillig organisierte Sport immer mehr in Frage gestellt. Die Schätzungen haben ergeben, daß die Leistungen der ehrenamtlichen Funktionäre jährlich mit vielen Milliarden Schilling zu bewerten sind. Deshalb ist es erforderlich, die Sportstrukturen, Sportverbände, Sportvereine sowie auch die vereins- und verbandsungebundenen Aktivitäten zu fördern, den Schulsport aber an die erste Stelle der Prioritätenreihung zu setzen.

Das für mich in diesem Sportbericht 1995 Hoffnungsvolle ist das Vorwort des ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Franz Vranitzky, vor allem der letzte Absatz dieses Vorwortes, dem ich die Aufforderung zur Verbesserung der Schiene Schule und Sport entnehme und in dem ich viele von mir erhofften Zielsetzungen – umsetzbar modifiziert – erkennen kann. Ich hoffe, daß diese zukunftsorientierten Weichenstellungen konsequent genützt werden, und möchte daher abschließend Herrn Dr. Franz Vranitzky meinen besonderen Dank aussprechen.

Danken möchte ich ihm aber auch nicht zuletzt dafür, daß er, wie mir Präsident Beppo Mauhart mitteilte, die Weichen für die Fußball-Europameisterschaft nach Österreich gestellt hat. Mein


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 93

Dank gilt aber auch Herrn Minister Schlögl, der als Staatssekretär in seinem Vorwort eindrucksvoll auf die Leistungen der ehrenamtlich tätigen Sportfunktionäre aufmerksam machte.

Der steirischen Landtagsabgeordneten Beate Hartinger möchte ich dafür danken, daß sie den Karatesport – richtig erkannt – als Erziehungsmodell für körperliche Ertüchtigung, für Selbstbeherrschung, in den Schulen einführen will. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich möchte dazu ein Beispiel aus der Zeit von vor über 20 Jahren erzählen, in der sich Hunderte, ja Tausende junge Menschen – zuerst natürlich mit der Zielsetzung, stärker als der andere zu werden – der Disziplin und der Schulung japanischer Meister unterworfen haben. Mein Kollege hat früher gesagt: Menschen, die lernen, auf irgendeine Zielscheibe zu schießen, verlernen das Schießen nicht nur auf Vögel, sondern wissen auch mit einer Waffe sorgfältig umzugehen. Genauso ist es mit der körperlichen Ertüchtigung durch den Karatesport: Durch das Erlernen von Disziplin und Selbstbeherrschung ist die Angriffslust, die Agressivität dieser Menschen weitgehend zurückgegangen – obwohl natürlich auch eine gewisse Abwehrmöglichkeit gegenüber Angreifern damit verbunden ist. Wir waren damals anscheinend noch nicht reif genug, um diesen Weg in ganz Österreich weiterzuverfolgen.

Wir sollten aber daraus lernen, wenn wir in Japan oder in China vor Fabriken stehen und sehen, daß die Menschen dort auch während der Arbeitszeit Übungen machen, und zwar: nicht um aggressiv zu werden, sondern um sich fit zu machen, um Selbstbeherrschung zu finden und die Arbeit dann auch nicht mehr als Belastung, sondern als einen Teil ihrer Lebensfreude zu empfinden! – Das ist die Grundlage, auf der Österreich aufbauen sollte. Dann ist mir nicht mehr bange für die Zukunft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.06

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Wittmann. – Bitte.

16.06

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als nunmehr im Bereich des Bundeskanzleramtes für Sport Zuständiger darf ich mich hier zu Wort melden und diesen Sportbericht ein wenig kommentieren, gleichzeitig aber auch darüber Auskunft geben, wie wir uns die zukünftige Arbeit im Bereich des Sports vorstellen.

Der Sportbericht 1995 ist der erste, der seitens des Bundeskanzleramtes vorgelegt wurde, weil 1995 die Angelegenheiten des Sports seit diesem Jahr zu den Agenden des Bundeskanzleramtes gewandert sind und damit der Bundeskanzler selbst der zuständige Sportminister war. Diese Zugehörigkeit hat sich, wie ich glaube, schon deshalb bewährt, weil damit eine allgemein koordinierende Kompetenz an der richtigen Stelle angesiedelt wurde. In bezug auf die Zuständigkeit hat sich für den Sport auch günstig ausgewirkt, daß die Kompetenz trotz personeller Veränderung beim Bundeskanzleramt geblieben ist. Ich kann der letzten sogenannten personellen Veränderung, meinem Vorgänger, jedenfalls nur meinen Dank aussprechen, weil mir Herr Mag. Schlögl ein sehr geordnetes Haus hinterlassen hat. Ich glaube auch, daß die Übernahme sehr problemlos stattgefunden hat und wir im wesentlichen auf neue Weichenstellungen zurückgreifen können, aber noch das eine oder andere hinzufügen werden.

In Kürze nun zu den Schwerpunkten des Jahres 1995: Einer der Schwerpunkte war unter anderem eine Neuerung von Sportförderungsprojekten durch die Einführung eines Nachwuchsförderungsprogrammes für Trainer, aber auch für Vereine. Dieses Projekt hat mittlerweile positive Auswirkungen gezeigt. Erwähnen kann man an dieser Stelle, daß bei der Ernennung des Kandidaten für Rudern der zuständige Mann an der Nachwuchstrainer-Akademie zum Nationaltrainer bestellt wurde. Man kann also davon ausgehen, daß sich dieses Modell bewährt hat.

Nicht zu vergessen ist auch die Durchführung diverser Spitzensportprojekte, die insbesondere auf die Olympischen Spiele 1996 in Atlanta ausgerichtet waren. Darauf möchte ich später noch zurückkommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 94

Da hier vom Interesse am Breitensport die Rede war, möchte ich nochmals auf den Artikel 15 der Bundesverfassung hinweisen, der besagt, daß diese Interessen von den Ländern gewahrt werden müssen. Bundesweit werden diese Aktivitäten in erster Linie in den Dachverbänden koordiniert. Diese Dachverbände haben im Jahr 1995 immerhin Beträge im Umfang von etwa 55 Millionen Schilling erhalten. Ich unterstreiche, daß ohne die unentgeltliche Arbeit der Funktionäre der Sportbetrieb in Österreich nicht aufrechtzuerhalten wäre. Das ist, wie ich glaube, jedem klar, und daß diesen Damen und Herren, die sich engagieren, unserer besonderer Dank gilt, ist keine Frage. Aber man darf nicht vergessen, daß auch unter den Dachverbänden Sportvereine und Projektgruppen vereinigt sind, die über solche freiwillige Mitarbeiter verfügen, sodaß sich die gewährten Zuwendungen in Höhe von 55 Millionen Schilling durch diese freiwillige Mitarbeit, die unbezahlt geleistet wird, im Minimalfall wahrscheinlich verzehnfachen. Somit ist eine Breitensportförderung durch den Bund sehr wohl gegeben. Lassen Sie mich einige Schwerpunkte der zukünftigen Arbeit als Staatssekretär im Sport ganz kurz umreißen. Wir haben sicherlich einen der Schwerpunkte in die Förderungsprojekte des Spitzensports und in die Neuorganisierung des Spitzensports zu legen.

Wir haben die Ergebnisse von Atlanta sehr wohl analysiert und versucht, ein Projekt auf die Beine zu stellen, wodurch es schon im Vorfeld weg vom Gießkannenprinzip hin zur gezielten Förderung einiger weniger Projekte kommt. Dieses Projekt steht auf Schiene, die Vorbereitungsarbeiten sind de facto abgeschlossen. Wir wollen mit einem wissenschaftlichen Begleitrat oder Beirat einzelne Projekte evaluieren, gezielt betreuen und ihnen ein entsprechend effizientes Controlling zur Seite stellen, damit man auch sieht, wie die Entwicklung in der sportlichen Höchstleistung ist.

Es gehört natürlich auch zu den wesentlichsten Aufgaben des Ressorts, für die Spitzensportler, die ja in den meisten Fällen ihre berufliche Laufbahn zurückstellen müssen, um im Sport erfolgreich zu sein, auch eine soziale Absicherung zu gewährleisten. Ich denke, das wird einer jener Schwerpunkte sein, dem wir uns mit voller Kraft widmen müssen. Einige Ansätze, die diesbezüglich schon gegeben sind, sollten meiner Meinung nach nicht verändert werden, so zum Beispiel das derzeitige System der HSNS. Wir werden auch weiterhin dafür eintreten, daß es bestehenbleibt und daß eine Möglichkeit geschaffen wird, es gesetzlich abzusichern. Wir werden uns bemühen.

Wir werden natürlich auch die Frage aufwerfen, ob dieses System auch für Frauen zugänglich gemacht werden sollte. Das ist eine Frage, die ansteht und wahrscheinlich auch besondere Aufmerksamkeit erfordert, da wir in diesem Bereich von einer Gleichberechtigung noch sehr weit entfernt sind.

Eine Neuerung kann ich hier ebenfalls schon ankündigen, weil sie kurz vor der Fertigstellung steht. Wir wissen, daß die Spitzensportausbildung das Alter des Beginns der Ausbildung immer weiter nach unten drückt, das heißt, man muß als Sportler in viel jüngerem Alter als früher beginnen, sich dem Spitzensport zu widmen, weil es einen wissenschaftlich erwiesenen Aufbau von Sporthöchstleistung gibt. In vielen Fällen kommt es dann dazu, daß der schulische Erfolg hintangehalten wird, weil man sich dem Sport widmet. Diese Sportler bringen sehr viel Erfahrung in eine Ausbildung für Sportler ein, besonders dann, wenn sie selbst Höchstleistungssportler waren, hatten aber vielleicht nicht die Zeit, die Matura zu machen. Um nun diese Leute nicht von einem Hochschulstudium, das sportbezogen ist, auszuschließen, ist in Wr. Neustadt ein Fortbildungslehrgang auf Volkshochschulbasis installiert worden, der für Spitzensportler die Studienzugangsberechtigung zum Sportstudium gewährleistet. Das ist in Zukunft eine Absicherung für Spitzensportler.

Ein ganz wesentlicher Punkt der finanziellen und sozialen Absicherung ist aber auch die weiterhin gute Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Politik und Sport, die sich in der sehr erfolgreich geführten Arbeit der österreichischen Sporthilfe äußert. Auch darauf werden wir ein Augenmerk haben.

Auch sportliche Großveranstaltungen in Österreich werden sowohl von der sportlichen als auch von der gesellschaftlichen Seite her einen Schwerpunkt darstellen, weil diese Veranstaltungen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 95

nicht nur für den Sport an sich einen Impuls darstellen, sondern auch für den Fremdenverkehr und für das Image des Landes. Wir haben in den letzten Jahren bereits sportliche Großveranstaltungen durchgeführt. Wir können das, wir sind auch international gerne als ausführender Staat gesehen, weil wir die notwendige Erfahrung darin haben.

Es finden 1999 zum Beispiel die Nordischen Skiweltmeisterschaften statt. Die Volleyball- und die Eiskunstlauf-Europameisterschaften sollen in Österreich stattfinden. Die schon angesprochenen Skiweltmeisterschaften sollen im Jahr 2001 in Österreich durchgeführt werden. Selbstverständlich werden wir uns auch bemühen, die Bestrebungen hinsichtlich der Bewerbung um die Fußball-Europameisterschaften im Jahr 2004 beziehungsweise um die Olympischen Winterspiele im Jahre 2006 nach Kräften zu unterstützen.

Neben diesen Überlegungen zum Spitzensport möchte ich aber schon noch anmerken, daß wir auch den Breitensport nicht vergessen werden. Auch in diesem Bereich haben wir uns Neuerungen vorgestellt, es ist aber noch zu früh, diese hier darzulegen. Ich meine jedenfalls, daß es durchaus ein Zusammenwirken zwischen verschiedensten Ministerien geben kann, um im Breitensport auch die notwendige medizinische Betreuung, aber auch etwa schulische Aspekte nicht zu vergessen.

Eines der besonderen Anliegen, die für die Zukunft zu erwähnen sind, ist der Behindertensport, der meiner Meinung nach in Österreich derzeit noch zu kurz kommt. Es ist grandios, was diese Sportler an sportlichen Leistungen und an menschlicher Überwindung vollbringen, um zu diesen sportlichen Leistungen zu kommen. Ich denke, da ist eine ganz besonders hohe Förderungswürdigkeit gegeben, weil wir in diesem Bereich eine Lebenshilfe durch den Sport unterstützen müssen.

Erlauben Sie mir eine abschließende Bemerkung. Ich meine, daß der Sport – da kann ich den Rednern, die hier vor mir das Wort ergriffen haben, nur recht geben –, auch in Zukunft davon leben wird, daß er ein ressortübergreifendes Thema ist. Ich habe es schon angekündigt, es wird das Gesundheitsministerium betreffen, und es betrifft ganz eindeutig das Unterrichtsministerium.

Ich werde mich auch persönlich darum bemühen, den besten Kontakt zu den betroffenen Ressorts zu halten, um diese beiden Ministerien koordinierend einzubinden und zu einem Gesamtergebnis zu kommen. Wir müssen uns bemühen, dem Sport an sich in Österreich einen Stellenwert zu geben, der das Selbstverständnis, das Selbstwertgefühl und durchaus auch den Stolz der Österreicher hebt.

Das Thema ist aber auch eine ungeheure sozialpolitische Herausforderung. Man verfügt über mehr Freizeit, daher soll diese auch sinnvoll genützt werden.

Schließlich: Gesundheit, Sport und Erfolg im Beruf sind drei Begriffe, die sich nicht konkurrenzieren, sondern einander ergänzen. Der Sport spielt dabei eine der wesentlichsten Rollen als sozialer Faktor, als gesundheitsstabilisierender Faktor, aber auch als jener Faktor, der die notwendige Zielstrebigkeit "anerzieht", um erfolgreich im Beruf zu sein.

In diesem Sinne wird die Zukunft des Sports angegangen. Wir werden mit den ersten Maßnahmen bereits in den nächsten Wochen beginnen. Sie werden sehen, daß in diesem Bereich einiges Neues auf Sie zukommen wird und daß wir im Dienste des Sports einen gemeinsamen, erfolgreichen Weg beschreiten werden. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

16.18

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Gerstl hat den Sportbericht schon so eingehend und detailliert besprochen, daß für seine Nachredner nicht mehr viel übrig bleibt. Ich


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 96

greife aber trotzdem etwas heraus, und zwar möchte ich besonders die Situation der kleinen Vereine aufzeigen.

Es wird im Sportbericht 1995 – wie es auch der Herr Staatssekretär vorhin angesprochen hat – auf die besondere Bedeutung der Förderung des Breitensportes hingewiesen. Es gibt in dem Sportbericht auch eine Empfehlung des Ministerkomitees unter Hinweis auf die Konvention der Vereinten Nationen von 1989 – ich zitiere –: "... das Recht des Kindes auf Spiel und Freizeitaktivitäten, die dem Alter des Kindes angemessen sind." – All das sind richtige Erkenntnisse, und wir können das auch unterstützen, ebenso wie den Hinweis, daß sich die Kinder innerhalb der Schulen und auch außerhalb des Schulbereiches sportlich betätigen sollen.

Leider steht das oft genug im Widerspruch zur Wirklichkeit. Denn betrachten wir den Verlauf von Turnstunden in einer Schule – alle, die Kinder in einer Schule haben oder selbst in einer Schule tätig sind, wissen, wie sich oft genug der Turnunterricht gestaltet –: Die Turnsäle sind oftmals zu klein, daher sind die Schüler gezwungen, in einen anderen, größeren Turnsaal auszuweichen, was schon mit einer Wegzeit verbunden ist. Das heißt, bis man dort ist, bis sich die Kinder umgezogen haben – wenn man dann noch die Zeit abrechnet, die sie brauchen, bis sie sich wieder angezogen haben –, bleibt von einer Doppelturnstunde gerade noch eine Turnstunde über.

Es ist auch leider eine Tatsache, daß die traditionellen Turngeräte, so wie es Kollege Gerstl richtigerweise gefordert hat, nicht mehr verwendet werden. Das ist nicht der Fall, weil es oft heißt: Macht halt, was euch Spaß macht! – Mit viel Glück wird das ein Ballspiel sein. Es schadet auch nicht, wenn die Kinder laufen. Ein Turnunterricht aber in dem Sinne, daß ich sage, der gesamte Körper wird trainiert, ist es wohl nicht.

Gefördert werden in dem Sportbericht vor allem große Vereine. Die großen Dachverbände, die großen Vereine finden dort ihre Förderungen auch in Zahlen wieder. Die kleinen Vereine, die keinem großen Dachverband unterstehen – davon gibt es genug –, werden dieser Förderungen leider nicht teilhaftig. Im Zuge der Schulautonomie, die es jetzt gibt, können jetzt im Gegensatz zu früher von den Bundesschulen Mieten verlangt werden. Früher hat der Schulwart für die Reinigung ein gewisses Entgelt bekommen, oder man hat eine kleine Miete gezahlt. Jetzt hat sich die Höhe der Miete oft verdoppelt, sodaß kleine Turnvereine – um diese geht es im wesentlichen – kaum mehr in der Lage sind, das zu finanzieren, weil sie auch nicht von ihren Mitgliedern solch hohe Mitgliedsbeiträge einfordern können, die diese Mieten abdecken würden. Das heißt, es wird immer schwieriger und immer weniger leistbar, auch kleinen Vereinen ihre Lebensberechtigung zu geben.

In den Medien wird immer wieder aufgezeigt, daß unsere Kinder Haltungsschäden haben, daß das Aggressionspotential steigt, weil es nirgendwo ausgelebt werden kann. Parks gibt es auch immer weniger, und auf dem Fußballplatz in einem größeren Park herrscht meistens der große Streit, weil ihn schon eine Gruppe besetzt hält und sagt: Ihr kommt da jetzt nicht mehr hinein! – Im Gegensatz zu früher, als man noch auf der Straße Fußball spielen oder Fangen spielen konnte, wird jetzt immer mehr eingeschränkt, sodaß wir auf kleinere Vereine angewiesen sind, damit die Kinder wenigstens dort die Möglichkeit haben, sich körperlich zu betätigen. All das wird aber in diesem Sinne immer schwieriger.

Über die Schulschikurse – diese hat man zusätzlich zum Turnunterricht auch noch mit hineingenommen – war erst in dieser Woche im "Kurier" ein Artikel, daß sich immer weniger Familien diese Schulschikurse leisten können. Ich habe das jetzt bei meiner Tochter gesehen, deren Klasse in zwei Wochen auf Schulschikurs fährt. Es können sieben Kinder aus finanziellen Gründen nicht mitfahren. Es wird dann auch dem Elternverein irgendwann einmal zuviel, daß er da helfend einspringen kann. Es ist dies in diesem Fall ein Drittel der Klasse, und das ist nicht gerade wenig.

Der Breitensport – und damit auch diese kleinen Vereine, auf die ich hinweisen wollte – ist natürlich auch wichtig, denn je größer das Reservoir ist, aus dem ich schöpfen kann, umso mehr Spitzensportler kann ich dann "heranzüchten". Es nützt nichts, wenn ich sage: Der Spitzensport


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 97

als solches wird gefördert – das soll er durchaus –, aber ich muß auch die Nachwuchskräfte haben, die aber nicht nur aus den großen Vereinen kommen. – Irgendein Fußballtrainer hat einmal gesagt: Früher war das einfach, da haben die Buben auf der Straße Fußball gespielt, und man hat dort zum Teil die Talente entdeckt und hat sie herangezogen und in die Vereine aufgenommen. All das fällt weg.

Da aber heute auch vom Herrn Staatssekretär gesagt wurde, wie wichtig der Breitensport ist, habe ich die Hoffnung, daß vielleicht im nächsten Sportbericht die kleinen Vereine mit Förderungen auch ihren Niederschlag finden können, damit die kleinen Vereine überleben können. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

16.25

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie wir dem Sportbericht 1995 entnehmen können, kommt der Förderung des Breitensports sowie der Sicherung möglichst optimaler Rahmenbedingungen für die neuen Formen des Freizeitsports und der Förderung des Spitzensports großes Augenmerk zu.

Gerade Spitzensportlern kommt eine ganz besondere Rolle als Vorbilder und Idole vor allem für die Jugend zu, die weit über den Sport hinausgeht. Zur Erbringung internationaler Spitzenleistungen ist insbesondere ein spitzensportgerechtes Umfeld erforderlich. Das umfaßt selbstverständlich möglichst optimale Trainings- und Vorbereitungsbedingungen, eine bestmögliche sportmedizinische Betreuung und sportwissenschaftliche Basisarbeit sowie gut ausgebildete Trainer und gut ausgebildete Funktionäre.

Meine Damen und Herren! Unter spitzensportgerechtem Umfeld ist aber auch ein Mindestmaß an sozialer Absicherung zu verstehen. Die finanziellen Leistungen etwa der Sporthilfe gehören da ebenso dazu wie die indirekte Sportförderung durch die Möglichkeit der Dienstleistung an der Heeressport- und Nahkampfschule des Bundesheeres oder großzügige Karenzierungen für im öffentlichen Dienst tätige Trainer und Spitzensportler. Die Absicherung des sozialen Umfeldes der Spitzensportler muß eines der zentralen Ziele einer effizienten Sportpolitik sein.

Meine Damen und Herren! Als besonders wichtig hat sich in den vergangenen Jahren die enge Zusammenarbeit von Sport, Politik, Wirtschaft sowie Kunst und Kultur herausgestellt. In diesem Konnex ist auch die Wirkung von internationalen Großsportveranstaltungen zu sehen. Was die Ausrichtung großer internationaler Wettkämpfe betrifft, hat Österreich eine langjährige Tradition aufzuweisen. Viele Welt- und Europameisterschaften oder sonstige internationale Turniere sind in den vergangenen Jahren mit großem Erfolg in Österreich ausgetragen worden. Daraus resultiert auch der gute Ruf, den unser Land als Veranstalter bei internationalen Sportverbänden genießt.

Meine Damen und Herren! Große internationale Sportveranstaltungen können zu Markenzeichen für Regionen werden und sind eine gute Gelegenheit, ein Land, eine Stadt beziehungsweise einen Ort einem breiteren internationalen Publikum präsentieren zu können. Das ist für ein Land wie Österreich, in dem der Tourismus einen wichtigen Wirtschaftsfaktor darstellt, ganz besonders wichtig.

In vielen Sportdisziplinen hat Österreich bereits den Zuschlag als Veranstalter namhafter internationaler Bewerbe erhalten. Zu den größten bevorstehenden Ereignissen des Wintersports zählen die Nordische Schiweltmeisterschaft 1999 in der Ramsau und die Alpine Schiweltmeisterschaft in St. Anton am Arlberg im Jahre 2001. In weiterer Ferne winken Sportereignisse wie die Fußballeuropameisterschaft 2004 oder sogar die Olympischen Winterspiele 2006, für die jetzt der Wettbewerb unter den Bundesländern entbrannt ist.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 98

Meine Damen und Herren! Die herausragendsten Vertreter des Sports sind jene, die für unser Land bei internationalen Bewerben an den Start gehen. Für sie stand das Jahr 1995 in vielen Bereichen im Zeichen der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele, die im Sommer 1996 in Atlanta stattfanden. Solche Ereignisse bieten immer wieder den Anlaß zu Analysen und zur Überprüfung der angepeilten Zielvorstellungen. Auf dieser Basis gilt es nun, die künftigen Schwerpunkte im Spitzensport zu formulieren.

Sportliche Erfolge stellen für unser Land eine Visitenkarte dar, die weit über unsere Grenzen hinaus einen unschätzbaren Wert darstellt. Es muß daher unser aller Bestreben sein, alles zu tun, um die Voraussetzungen für künftige Erfolge bestmöglich und effizient zu unterstützen.

Meine Damen und Herren! Besonderes Augenmerk muß den kommenden Sportgroßveranstaltungen gewidmet werden. Solche Ereignisse haben Österreich schon in der Vergangenheit in der ganzen Welt bekannt gemacht. Neben den sportlichen Aspekten bringt das Engagement bei Welt- und Europameisterschaften bis hin zu Olympischen Spielen unserem Land enorme Publizität.

Meine Damen und Herren! Wir werden daher dem Sportbericht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

16.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hüttmayr. – Bitte.

16.30

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Gestern hat bei der Ehrung unseres Jubilars Manfred Mautner Markhof ein Kollege spaßhalber zu mir gesagt: Ich rauch’ mir jetzt eine Zigarette an, weil ich morgen zum Sportbericht rede. – Warum sage ich das heute? – Weil damit sichtbar wird, daß Sport und Gesundheit zusammenhängen. Das ist bei uns verankert. Das ist in unseren Köpfen richtig plaziert.

Der Sport dient der körperlichen Ertüchtigung, dem Wohlbefinden, und manches ist natürlich auch mit der Mode und einer Fitnesswelle verbunden. Insgesamt ist es ein sehr umfassender Bereich, wie wir auch aufgrund der zahlreichen Wortmeldungen zu dem heutigen Bericht feststellen können. Der Sport ist umfassend in seiner gesamten Breite, in den verschiedenen Arten. Es gibt eine ganze Menge verschiedener Sportarten, und würden wir sie aufzählen, würde man einen sehr langen Katalog haben. Alles ist mit Leistung verbunden, wir bekennen uns zur Leistung, und ich bekenne mich zur Leistungsgesellschaft. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Leistung muß gemessen werden. Der Sport lebt vom Wettbewerb, und weil der Sport vom Wettbewerb lebt, werden immer die Sieger herausgestellt. Der Spitzensport wurde heute schon beleuchtet, und der Herr Staatssekretär hat dazu relativ ausführlich berichtet. Ich bin davon überzeugt, daß Spitzensport das eine ist und Breitensport und Freizeitsport das andere.

Mit Freizeitsport, geschätzte Damen und Herren, meine ich nicht den Fernsehsportler. Mit Freizeitsport meine ich jene, die sich aktiv betätigen. Von meinen Vorrednern wurde vielfach beklagt – mit Recht –, daß der Schulsport durchaus mehr Beachtung verdienen würde. Ich glaube, das ist in der Tat so. Es muß uns daher gelingen, mit unseren Aushängeschildern – da meine ich wieder die Spitzensportler, die ja in der Auslage stehen – den Sport schmackhaft zu machen. Wir haben ja, was den Spitzensport anlangt – wir brauchen nur wenige Tage zurückzuschauen; aber natürlich wieder nur in einer Sportart –, international Erfolg, und den darf man ruhig herzeigen.

Sport ist insgesamt auch für unsere Wirtschaft bedeutend – für die Wirtschaft direkt und indirekt: durch die Schaffung von Sportstätten, durch die Anschaffung von Geräten, durch die Dienstleistungen, die direkt und indirekt mit dem Sport verbunden sind. Wissenschaft und Medizin seien hier nur vollständigkeitshalber angeführt. Sport ist auch bedeutend für unsere Freizeitwirtschaft,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 99

für unsere Tourismusbetriebe. Für diese Branche ist Österreich ein Sportland, und zwar nicht nur aufgrund unserer guten topographischen Voraussetzungen, sondern weil wir auch tüchtige Leute sind. Ich weiß nicht, von wem heute ein wenig diese Großereignisse kritisiert wurden, ich muß sagen, ich sehe das nicht so.

Ich bin davon überzeugt, daß wir diese Großereignisse brauchen – ganz egal, ob das jetzt Europameisterschaften in diesem oder jenem Bereich sind, ob das Weltmeisterschaften sind oder die Olympia im Bundesland Salzburg im Jahr 2006. Ich bin schon davon überzeugt, daß es richtig ist, daß man diese Dinge erwähnt und auch durchführt, sind sie doch dazu angetan, die Scheinwerfer der anderen Länder auf unseren Kontinent, auf Österreich zu richten, und darauf dürfen wir stolz sein.

Geschätzte Damen und Herren! Politik hat im Sport nur einen Rahmen zu geben – ich freue mich, daß die Jugend jetzt so zahlreich im Saal ist –, innerhalb dessen das Wesentliche ermöglicht wird. Sport muß zielgerichtet sein, wobei im Mittelpunkt der Mensch zu stehen hat – der Mensch mit seinen umfassenden Fähigkeiten, mit seinen Entwicklungsmöglichkeiten. Und diese Entwicklungsmöglichkeiten, diese Chancen sind zu fördern und werden gerade durch den Sport und durch eine sinnvolle Freizeitbetätigung gefördert.

Geschätzte Damen und Herren! Der Bericht verweist auf verschiedene Dinge. Er verweist auf der einen Seite auf ein Organigramm, es wird mit Dachverbänden – der Herr Staatssekretär hat es erwähnt –, Bundesverbänden, Landesverbänden und und und gearbeitet, und auf der anderen Seite wissen wir, daß die direkte Umsetzung trotzdem vor Ort im einzelnen Verein passiert. Daß wir in Österreich viele Hunderte verschiedene Vereine haben, zeigt, wie richtig es ist, daß man trotzdem eine straffe Organisation hat. Die Keimzelle des sportlichen Tätigseins – davon bin ich überzeugt – ist der Verein mit seiner Lebenskraft, mit seiner Aufgabe, die er in der Gesellschaft hat. Und ich wage zu behaupten: Gebe es keine Vereine, könnten wir diese zielgerichtete Sportarbeit für die Leute gar nicht bewältigen.

Zum zweiten weist der Bericht einige Zahlen aus. Zahlen sind natürlich eine trockene Materie. Keine Angst, ich erspare sie Ihnen, ich werde keine Zahlen nennen. Sie haben sie ja ohnehin – ich nehme das an – zum großen Teil gelesen. Trotzdem will ich mich zum Punkt Finanzen ein wenig äußern. Wir wissen, Geld und Budgetmittel sind notwendig, um Dinge in die richtige Richtung zu bewegen. Im Sportbericht sehen wir die öffentlichen Mittel oder die halböffentlichen Mittel – Sporthilfe, Toto – ausgewiesen, aber nicht die privaten Mittel. Wir wissen, geschätzte Damen und Herren, daß der Sport ohne diese privaten Möglichkeiten, ohne diese Sponsortätigkeit überhaupt nicht mehr möglich wäre.

Einige meiner Vorredner haben schon auf die Funktionäre verwiesen, die ehrenamtlich tätig sind. Ich kann mich diesbezüglich kurz fassen, möchte aber, Herr Staatssekretär – das bringe ich als echte Kritik an diesem Sportbericht an –, darauf verweisen, daß diese ehrenamtlichen Funktionäre, von denen wir wissen, daß sie enorm wichtig sind und eigentlich auf diesen vielen Tausenden Damen und Herren der Erfolg ruht, in diesem Bericht nicht einmal mit einer Zeile erwähnt sind. Ich bitte – Sie haben die Chancen dazu und Ihre Vorstellungen dargelegt, die ich im übrigen teile –, daß diese Funktionäre und diese Funktionärsarbeit beim nächsten Sportbericht Beachtung finden, daß wir sie hervorheben. Ich glaube, das ist notwendig, und das verdienen sich auch diese Frauen und Männer.

Geschätzte Damen und Herren! Ansonsten ist dieser Bericht, wie gesagt, ein Zahlenwerk, eine Statistik, die notwendig ist. Dieser Bericht ist aber auch zu Kontrollzwecken notwendig, daß wir wissen, wohin das Geld fließt und welche Kanäle gezogen werden. Ich bin froh, daß die Parteipolitik im Sportgeschehen eine nicht zu große Bedeutung hat und daß man das Sportlich-tätig-Sein in den Vordergrund stellt.

Ich habe von privatem Sponsoring gesprochen. Die Wirtschaft macht Werbung, die Wirtschaft muß Werbung machen. Geschätzte Damen und Herren! Aber Werbung muß sich auch rechnen. In Zeiten der knappen Kassen – ob das im öffentlichen oder im privaten Bereich ist, das ist ganz egal – muß sich Werbung rechnen, muß sich rentieren. Und da schließt sich für mich der


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 100

Kreis. Wir müssen diesen Ansatz auch in Richtung Medien weitergeben. Wie kann sich ein Unternehmen beim Sponsoring präsentieren? – Nur bei der Öffentlichkeitsarbeit. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der ORF entscheidet mit seiner Programmauswahl – davon bin ich überzeugt –, welche Sportart wieviel Geld bekommt. Und hier müssen wir schon, Herr Staatssekretär, die Breite beachten, daß nicht nur die großen Sportarten – Wintersport und Fußball; ich bekenne mich dazu, aber nicht nur diese – beleuchtet werden, sondern daß auch die anderen kleinen Sportarten eine Chance bekommen und ausgeübt werden können. (Beifall bei der ÖVP.)

Es kommt nicht immer auf die Quantität an, es kommt auch – davon bin ich überzeugt – auf die Qualität an. Hinter jeder Sportart steht die körperliche Ertüchtigung, und das ist für mich sehr wichtig. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bin froh, daß ich in diesem Zusammenhang auf ein Beispiel von Oberösterreich verweisen kann. Wir haben eine ARGE, Arbeitsgemeinschaft, der oberösterreichischen Kabelbetreiber – Kabelfernsehen, nichts Neues. Diese – das ist neu – haben sich zusammengetan, um zum Beispiel Fußballmeisterschaftsspiele der Landesliga zu übertragen, der Öffentlichkeit also breiter zugänglich zu machen. Ich glaube, das ist enorm wichtig. Wir können also feststellen, daß das private Sponsoring eigentlich ein wesentliches Fundament für das sportliche Tätigsein und für die sportliche Betätigung ist.

Geschätzte Damen und Herren! Eines sei auch noch erwähnt: Sport wird vielfach – Gott sei Dank – in jungen Jahren begonnen. Es gibt keine Altersgrenze nach oben, das ist auch richtig. In jungen Jahren wird mit Sport begonnen. Die Jugend hat verschiedene Vorstellungen, und die Jugend hat auch ein Recht, daß sie optimal betreut wird. Daß enorme Verantwortung auf den Betreuern, auf den Trainern, auf den Funktionären lastet, ist, glaube ich, jedem der hier anwesenden Damen und Herren bewußt, und ich möchte aber auch diese Verantwortung an die Spitzensportler geben.

Vielfach werden Spitzensportler – sie stehen in der Auslage, ich habe es schon gesagt – natürlich von der Jugend als Vorbilder gesehen. Das ist richtig so, nur gelegentlich, im Einzelfall, benehmen sich dann diese Spitzensportler oder einzelne davon nicht so, wie man sich als Vorbild benimmt, und da sollten wir auch eine Hilfestellung geben.

Mir gefällt das Modell, Herr Staatssekretär, das Sie vorgestellt haben, mit der Begleitung im schulischen Bereich und mit der Studienberechtigungsmöglichkeit sehr gut, weil es meiner Meinung nach in die richtige Richtung weist.

Nun noch drei Anmerkungen: Die soziale Absicherung habe ich mir als ersten Punkt aufgeschrieben. Sie haben es schon erwähnt. Gerade das Bundesheer, der Heeressport leistet diesbezüglich Großes. Bei den Damen müssen wir uns aber sehr nüchtern vor Augen führen, daß die Absicherung noch nicht vorhanden ist, und es ist enorm wichtig, daß wir in der nächsten Zeit einen Schritt weiterkommen.

Zweiter Punkt: Ich habe die Spitzensportler schon mehrmals erwähnt. Wir sind stolz auf unsere Spitzensportler, sind sie doch die "Leuchttürme in der Brandung". Man schaut auf sie, und darum ist es auch notwendig, daß wir viele Spitzensportler sowohl national als auch international hervorbringen.

Ich würde schon vorschlagen – ich weiß, es ist eine gewagte Forderung, aber wenn man ein wenig hinter die Kulissen sieht, stellt man fest, manche verdienen im Sport sehr viel Geld –, daß man ein Bonusmodell einrichtet. Diese Spitzensportler sind natürlich Spitzensportler geworden, weil sie tüchtige Leute sind und Fähigkeiten haben und und und, aber auch weil sie eine optimale Förderung erhalten haben. Diese optimale Förderung soll auch unserer Jugend zuteil werden können, und da denke ich, es wäre legitim, daß ein Spitzensportler, bevor er sich darüber Gedanken macht, in welches Land er seine Siegesgelder transferiert, einen Beitrag zur Jugendförderung leistet. Ich werde dieses Thema sicher noch manches Mal transportieren.

Abschließend – das hat meine Vorrednerin schon angesprochen –: Das Thema ist mir ein Anliegen, weil ich es in meinem Wahlkreis – Sie wahrscheinlich auch – immer spüre, und zwar


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 101

meine ich die Sporthallenbenützungsgebühren. In Zeiten der knappen Kassen ist es natürlich auch ein Thema, und ich bekenne mich dazu, daß man den Verursachern, ganz egal wo, sagt: Das müßt ihr bezahlen, diese Kosten sind entstanden!

Aber in diesem Fall weiß ich aufgrund meiner Recherchen, daß die Administration dieser Hallenbenützungsgebühren für diese Administration, für diese Einkassierung und für diese Zuweisung fast aufgeht.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Diesen Punkt müßten wir interministeriell klären, den Transfer müßte man anders gestalten, denn die Vereine müssen letztendlich wieder Mittel finden. Noch dazu ist der Erlös für die Republik, für unseren Staat kein großer, wie gesagt, die Administration verursacht hohe Kosten. Hier, so glaube ich, sollte man – ich glaube es eigentlich nicht, sondern ich bin überzeugt davon – den Hebel ansetzen und sich das genau anschauen.

Geschätzte Damen und Herren! Sport hat eine enorme Bedeutung. Ich habe die Wirtschaft erwähnt, ich habe die Umwegrentabilität erwähnt, aber ich erwähne ganz besonders die Gesundheit, die körperliche Ertüchtigung.

In diesem Sinne ist der Sportbericht ein guter Bericht. Er geht in die richtige Richtung. Wir von der ÖVP werden diesem Sportbericht gerne zustimmen und wünschen Ihnen, sehr geehrter Herr Staatssekretär, daß Sie diese Arbeit in dieser Art fortführen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

16.45

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

16.45

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wohl niemand hier in diesem Raum und darüber hinaus respektiert nicht und anerkennt nicht die Leistungen unserer Sportler. Es steht, glaube ich, auch außer Zweifel, daß der Sport in Österreich und über Österreich hinaus eine Bedeutung hat, daß sehr viel Idealismus von seiten ehrenamtlicher Funktionäre dahintersteckt, daß sehr viel Idealismus von seiten der Sportler erbracht wird, und nicht zu vergessen ist, daß eine große Bereitschaft der Wirtschaft gegeben ist, diesen unseren Sport zu unterstützen.

Ich darf von dieser Stelle aus namens meiner Fraktion allen Sportlern, allen, die diesen Sport unterstützen, Respekt und Anerkennung zollen.

Meine Damen und Herren! Ich wäre fast geneigt zu sagen: Hätten wir diesen Geist innerhalb der Regierung, wie ihn unsere Sportler haben, so würden wir nicht stundenlang über eine Regierungserklärung debattieren müssen, sondern wäre unsere Regierung auch bei ihren Aufgaben – wie unsere Sportler – gut trainiert, gut vorbereitet und vor allem mit klaren Zielen ausgestattet, dann könnten wir auch diese Diskussionen in kürzerer Zeit abführen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es steht außer Zweifel, daß sich unsere Sportler diesen nationalen und internationalen Herausforderungen hervorragend stellen. Der Sportbericht, meine Damen und Herren, listet auch im Detail viele Zuwendungen auf – größere Positionen, kleinere Positionen –, und ich meine, dieser Sportbericht, wie er jetzt zur Beratung vorliegt, befaßt sich sehr wohl auch mit den sogenannten kleinen Dingen. Ich nenne nur ein paar Beispiele: Für den Salzburger Marathon wird ein Betrag in der Höhe von 5 000 S aufgewendet. Für ein Hallenhockeyturnier in Wien werden 5 000 S aufgewendet, für einen Stockschützenbewerb in Lafnitz 5 000 S und vieles dergleichen mehr.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dieser Bericht wurde von den Beamten in penibler Kleinarbeit sehr genau erstellt, und hier gebührt den Beamten, die damit befaßt waren, Dank und Anerkennung.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 102

Meine Damen und Herren! Die großen Beträge in diesem Bericht sind nur zum Teil wiedergegeben, und zwar nicht deswegen, weil sie von der Beamtenschaft und von den Sportverbänden nicht an das Sportministerium berichtet worden sind, sondern weil sie in der Tat nicht stattgefunden haben, weil viele Großveranstaltungen in Wahlzeiten und Vorwahlzeiten nur angekündigt worden sind, aber tatsächlich nicht stattgefunden haben.

Ich zitiere hiezu eine steirische Zeitung vom 23. August 1995:

"Ö-Ring: Bundeszusage über 120 Millionen Schilling.

Entsprechende Freude in der Steiermark: Vor der gestrigen Sitzung des Ministerrats einigten sich Kanzler Vranitzky und Vizekanzler Schüssel grundsätzlich darauf, für den Umbau und den Betrieb des Ö-Rings entsprechende Mittel bereitzustellen." – Angekündigt, daher nicht im Bericht, da nicht stattgefunden.

Wiederum ein Zitat aus einer steirischen Zeitung, etwa vier Monate danach: "Kein Geld vom Bund für den Ö-Ring

Bundeskanzler Franz Vranitzky: Nein zu Beteiligung des Bundes am Formel-1-Projekt."

Das ist Faktum, das ist die Wahrheit, daß eben solch große Dinge wie ein Formel-1-Bewerb am Ö-Ring nicht in diesem Bericht aufscheinen können.

Meine Damen und Herren! Wenn man diese Medienberichte und dieses Hü-Hott der Regierung in der Frage Sport verfolgt, dann kommt man eigentlich zur Meinung und zur Überzeugung, daß der Sport insgesamt ein ungeliebtes Thema, ein ungeliebtes Kind innerhalb der Regierung ist.

Ein weiterer Beweis dafür: Der Sport war ursprünglich ressortmäßig dem Unterrichtsministerium zugeteilt. In der Folge wurde dann ein Staatssekretariat für den Sport geschaffen. Jetzt wird wiederum das Staatssekretariat für Sport in das Bundeskanzleramt eingegliedert, und der Kompetenzwirrwarr bleibt aufrecht. Ist in Hinkunft der Herr Staatssekretär oder der Herr Bundeskanzler für den Sport zuständig? – Niemand kann dazu klare Aussagen treffen. Der Wirrwarr bleibt weiterhin aufrecht.

Meine Damen und Herren! Das ist ein weiterer Beweis, daß die Koalition mit dem Kapitel Sport keine echte Freude und kein echtes Bekenntnis dazu abgibt. Nicht nur für die Regierung ist der Sport ein ungeliebtes Thema, sondern auch den beiden Koalitionsparteien ist der Sport genauso fern. Das bestätigt mir der gemeinsame Beschluß von SPÖ und ÖVP im Hinblick auf das Überwachungsgebührengesetz.

Hier haben Sie in trauter koalitionärer Zweisamkeit ein Gesetz beschlossen, mit dem Sie dem Sport in Österreich einen "Bärendienst" erweisen, mit dem Sie den Sport in Österreich wirtschaftlich gefährden.

Der Ö-Ring mit der Formel 1 wird mit Kosten in der Höhe von 1 Million Schilling im Jahr belastet. Die Marathons, der Grazer Stadt-Marathon, der Wiener Marathon, werden in Hinkunft nicht mehr finanzierbar sein. Die Radstraßen-Rennen werden aufgrund der hohen Überwachungsgebühren nicht mehr finanzierbar sein. Ähnlich verhält es sich beim Fußball.

Sie erweisen mit diesem Beschluß nicht nur dem Spitzensport, sondern auch dem Breitensport einen "Bärendienst".

Meine Damen und Herren! Gerade aus dieser Sorge heraus wurde ich von vielen verantwortungsvollen und verantwortungsbewußten Sportfunktionären gebeten, diese Thematik, diese Problematik, die sich für die Vereine ergibt, bei der Bundesregierung zu hinterfragen.

Ich habe am 14. November des Vorjahres eine Anfrage an den damals zuständigen Innenminister Dr. Einem gestellt. Ich wollte wissen – nicht für mich, sondern für die vielen Sportveranstalter –, wie dieses Überwachungsgebührengesetz in Hinkunft gehandhabt wird, mit wieviel die Sportvereine, die Sportveranstalter in Hinkunft finanziell belastet werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 103

Die vier Fragen meinerseits lauteten: Bei welchen Sportveranstaltungen muß es Gendarmerie- beziehungsweise Polizeiüberwachung geben, und nach welchen Kriterien wird dabei vorgegangen? Wer bestimmt, wie viele Gendarmerie- beziehungsweise Polizeibeamte mit beziehungsweise ohne Dienstfahrzeuge eine Sportveranstaltung überwachen? Wie hoch sind die einzelnen Gebühren in den einzelnen Bundesländern? Wer hat in den einzelnen Bundesländern für die Überwachungskosten aufzukommen?

Meine Damen und Herren! Hören Sie genau her: Die Antwort gibt es bis dato nicht. Ich meine, dies zeigt einmal mehr und treffender die Arroganz dieser Bundesregierung gegenüber allen Sporttreibenden in Österreich!

Meine Damen und Herren! Nicht nur, daß es die Geschäftsordnung, die auf unserer Verfassung fußt, dem zuständigen Ressortminister vorschreibt, binnen zwei Monaten zu antworten – nein, bis dato gibt es noch keine Antwort. Das heißt, nicht nur das Parlament, nicht nur die Abgeordneten, nicht nur die Länderkammer werden ignoriert, sondern auch der Sport. Das ist das Faktum, meine Damen und Herren, wie diese Regierung den Sport in Österreich "ernst nimmt"! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus und hoffe, nachdem ein neuer Staatssekretär den Sport ressortmäßig in der Regierung innehaben wird, daß in Hinkunft diese Arroganz vor allem den Idealisten, den Sportlern gegenüber nicht mehr gegeben ist. Der Herr Staatssekretär hat in seiner ersten Rede vor der Länderkammer versucht, darauf hinzuweisen, daß er künftighin darauf Bedacht nehmen wird.

Herr Staatssekretär! Nicht nur, daß wir es uns wünschen – ich glaube, es ist eine Pflicht unseren Idealisten, unseren ehrenamtlichen Sportfunktionären, unseren Sportlern und vor allem dem Leistungssport in Österreich gegenüber. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.54

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Präsident Professor Dr. Herbert Schambeck. Ich erteile es ihm.

16.54

Bundesrat Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Nicht, daß ich Ihnen jetzt aus meinem Erleben als aktiver Sportler berichten kann – das überlasse ich gerne anderen und vor allem meinen Vorrednern und vor allem unserem jugendlichen Senior, Herrn Bundesrat Gerstl.

Aber Sie werden es vielleicht nicht glauben, der juristische Teil des Sportförderungsgesetzes geht auf mich zurück, ebenso wie ein Artikel In der Österreichischen Juristenzeitung aus dem Jahr 1967, in dem ich damals über Österreichs Sportförderung im Lichte des Rechts- und Bundesstaates geschrieben habe. Das war die Ära des Bundesministers Dr. Piffl-Per#evi%, der mich darum ersucht hat. Er und Bundeskanzler Dr. Klaus haben mich damals dazu veranlaßt.

Der Sport selbst – das erleben wir alle ganz deutlich – zeigt sich auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene als sehr integrativ, und wir erleben es auch sehr deutlich, wie auch schulische Einrichtungen und Vereine für eine Unzahl von Mitbürgerinnen und Mitbürgern geöffnet werden, die dort für ihre Gesundheit etwas tun können und damit imstande sind, auch ihre Frau und ihren Mann im wirtschaftlichen und im sozialen Leben zu stellen und ein bestimmtes Maß an Europatüchtigkeit zu erlangen. Wir geben damit auch im Konzert der Völker eine bedeutende Visitkarte ab, und es ist erstaunlich, welche Sportangebote auch in Fremdenverkehrszentren geboten werden, womit wir auch etwas zur Fremdenverkehrswirtschaft beitragen können.

In einer Zeit – da knüpfe ich an das an, womit ich in meiner letzten Rede vorhin zur Regierungserklärung geschlossen habe –, in der Formlosigkeit eine milde Form des Terrors ist, kann doch niemand leugnen, daß der Sport zur Erziehung im Volk beiträgt, weil die Einhaltung bestimmter Regeln die Voraussetzung dafür ist, daß man Sport betreiben kann, und gerade aus diesem Grund ist er auch von größter Wichtigkeit.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 104

Das Einhalten von bestimmten Regeln möchte ich auch heute in den Raum stellen und ergänzen, was ich in meiner Rede zur Regierungserklärung sagte: Es sind bestimmte Maßnahmen notwendig, und sie werden im Nationalrat beschlossen. Sie kommen in den Bundesrat, und die Regierung verfügt mit den Ministerien über einen sehr umfangreichen Apparat, den das Parlament nicht hat. Wir haben zum Beispiel einen hervorragenden Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt, aber das entspricht nicht im entferntesten einem Verfassungsdienst im Parlament, worüber man sich nur wundern kann, denn im Durchschnitt der Welt hat ein Parlament nach der Gewaltenteilung auch einen Verfassungsdienst. Es ist erstaunlich, was manchen Leuten überhaupt nicht abgeht, meine sehr Verehrten, und was aber eine Notwendigkeit wäre!

Aber eines möchte ich in dem Zusammenhang sagen, und deshalb habe ich mir erlaubt, mich aus diesem Anlaß noch zusätzlich zu Wort zu melden: Folgendes wäre von Wichtigkeit am Beginn dieses Jahres: Da wir in diesen Tagen auch im Bundesratspräsidium den Terminkalender machen und wenn die Regierung und der Nationalrat es erwarten – das möchte ich auch in meiner jetzigen Präsidentenfunktion sagen –, daß der Bundesrat, die Länderkammer rechtzeitig die Gesetze verabschiedet, so empfehle ich dieser Bundesregierung – Herr Staatssekretär, wenn Sie das bitte weitergeben würden –, die Regierungsvorlagen rechtzeitig einzubringen.

Ich möchte auch sagen, daß der Bundesrat imstande ist, seine Termine selbst wahrzunehmen. Wir danken daher der Aufmerksamkeit, die uns das Nationalratspräsidium gewidmet hat, das uns einen Terminkalender geschickt hat, in dem es bereits seine Vorstellung von den Sitzungen des Bundesrates im Dezember fixiert hat, aber der Bundesrat ist nicht eine nachgeordnete Dienststelle des österreichischen Nationalrates, sondern er ist die zweite Kammer in der gleichen Bundesgesetzgebung – außer ich hätte ein falsches Verfassungsverständnis, aber ich glaube, das ist nach meiner spärlichen Kenntnis des österreichischen Staatsrechtes nicht gegeben.

Wir haben uns in der letzten Sitzung des Bundesratspräsidiums auch vorbehalten, unsere Termine zu fixieren. Auch dort, wo wir die Gesetzesvorlagen und die Gesetzesbeschlüsse im Dezember zu spät bekommen, werden sie im Jänner 1998 verabschiedet werden, weil es sich der Bundesrat in den letzten Jahren zur Gewohnheit gemacht hat, die Stellungnahmen der Länder in einem Abstand von 14 Tagen einzuholen. Der Herr Bundeskanzler hat schon treffend darauf hingewiesen, daß er sich um den Kontakt zu den Ländern bemühen wird.

Ich darf daher auch in dieser Homogenität, die auch in meiner Rede zum Ausdruck gekommen ist, darum ersuchen, daß die Regierungsvorlagen – das sage ich gleich am Beginn dieses Kalenderjahres, wenn wir uns den Terminkalender machen – rechtzeitig eingebracht werden. Wenn zum Budget wie jedes Jahr – ich erlebe das seit 28 Jahren – Begleitgesetze notwendig sind, dann wird dieser Bundesregierung und auch dem Finanzminister und allen übrigen empfohlen, die Gesetze auch nach dem Sommer so rechtzeitig einzubringen, daß sie nicht im letzten Moment im Nationalrat im Dezember verabschiedet werden, sondern mit der genau derselben Sorgfalt, mit der wir die anderen Gesetze behandeln, mit einem Abstand von 14 Tagen ebenfalls rechtzeitig eingebracht werden.

Im übrigen wäre es einmal sehr interessant, eine Studie zu machen, wie in Österreich ein Budget vorbereitet wird, mit welchem zeitlichen Abstand, und wie das in anderen Ländern geschieht, etwa in Bonn. Nachdem ich oft vergleichende Verfassungsstudien und Verwaltungsstudien anstelle, habe ich dazu meine eigene Meinung. Da könnte man sich manchen Zustand begnadeter Angst ersparen, wenn man vom Urlaub zurückkommt, dann innerhalb kürzester Zeit etwas zustande zu bringen. So etwas hat vor einiger Zeit zu Neuwahlen geführt.

Ich würde nur zur politischen Kultur empfehlen – damit schließe ich schon –, daß all diese Regierungsvorlagen, die zu erwarten sind – das kann man ja beiläufig absehen –, rechtzeitig eingebracht werden. Es war beeindruckend, wie der Herr Bundeskanzler heute sein Programm dargelegt hat, in freier Rede, kein Blatthüstler, auch das ist ein Beitrag zur politischen Kultur und ein Ausdruck der persönlichen Note. In einem solchen Fall muß man sich auch überlegen, wann ergreife ich welche Initiative zu dieser und jener Materie, und dann bringt man die Regie


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 105

rungsvorlage rechtzeitig ein, und dann wird es auch mit dem entsprechendem Abstand im Bundesrat verabschiedet werden.

Das möchte ich heute schon zu Protokoll geben, damit man das dann entsprechend berücksichtigt. Dazu wünsche ich Ihnen viel Glück! Ich werde das dann als schlichter Bürger mit Aufmerksamkeit verfolgen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme ist somit angenommen.

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 23. Jänner 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mietrechtsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 1975 und die Zivilprozeßordnung geändert werden (555 und 573/NR sowie 5382 und 5384/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung: ein Bundesgesetz, mit dem das Mietrechtsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 1975 und die Zivilprozeßordnung geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werter Bundesrat! Der Bericht des Rechtsausschusses zu den angesprochenen Materien liegt schriftlich auf. Ich möchte deshalb davon Abstand nehmen, ihn noch einmal zu verlesen.

Ich beschränke mich daher auf das Stellen des Antrages des Ausschusses:

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Rieser. – Bitte

17.02

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Sehr geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Mitte Dezember wurde die Regierungsvorlage zur Änderung dieser Bundesgesetze im Hohen Haus eingebracht. Der Nationalrat hat diese Gesetze am 23. Jänner 1997 verabschiedet.

Mit diesen Gesetzesänderungen sollen die vordringlichen Probleme des Wohnrechts gelöst werden, nämlich einerseits die Frage der Fristenverträge und andererseits die Verrechnung von


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 106

Hauptmietzinseinnahmen, da durch das Strukturanpassungsgesetz die Möglichkeit zur Bildung steuerfreier Rücklagen entfallen ist.

Diese Gesetzesänderungen dienen in konsequenter Weise aber auch der Fortsetzung der begonnenen Harmonisierung der rechtlichen Behandlung von Miet- und Eigentumswohnungen durch sogenannte "Mietwohnhäuser". Die Änderung der Befristungsmöglichkeiten der Mietrechtverhältnisse dienen in erster Linie dem Schutz der Mieter, geben aber auch dem Hausherrn die Möglichkeit, die Wohnung nach Ablauf der Befristung leer zu bekommen.

Auch die Anpassung der Erhöhung der Hauptmietzinsreserven an die geänderten Gegebenheiten wurde durch die Einführung des Pauschalbetrages gelöst.

Neben der Änderung bei den Zeitverträgen sieht dieses Gesetz auch die Angleichung der Aufteilung der Betriebskosten und sonstigen Aufwendungen in den sogenannten Miethäusern vor. Gleichlautende Bestimmungen bestehen für gemischt genutzte Häuser, in denen sowohl Mietwohnungen als auch Eigentumswohnungen vorhanden sind.

Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Als Landesvertreter bin ich nicht zufrieden damit, daß aufgrund des Strukturanpassungsgesetzes 1996 die Abzugsfähigkeit von Sanierungsaufwendungen als Sonderausgaben für Steuerpflichtige einzelnen Mietern gestrichen wurde, und zwar dann, wenn der Sanierungsauftrag nicht durch den Mieter selbst erfolgte. Zehntausende Bürger werden damit geschädigt, denn sie haben der Haussanierung meistens in der Schlichtungsstelle aufgrund des Hinweises auf diese Steuerbegünstigung gemäß § 7, später § 18, zugestimmt.

Hohes Haus! Die Bauwirtschaft – das möchte ich heute besonders erwähnen – wird die Zeche bezahlen, denn gegenwärtig sind über hunderttausend Menschen aus der Bauwirtschaft arbeitslos. Die Mieter werden sich in Hinkunft gegen Haussanierungen wehren. Ich hoffe, daß auf diesem Gebiet kurzfristig eine Bereinigung vorgenommen wird und vergleichbare Förderungsmaßnahmen beschlossen werden. Es wurde uns jedenfalls gestern im Rechtsausschuß versichert, daß mit dem Finanzminister – es geht in diesem Fall um eine steuerrechtliche Angelegenheit – Gespräche aufgenommen werden.

Hohes Haus! Das Vorhandensein von Wohnbauförderungen und Wohnungsgemeinnützigkeit ist meines Erachtens eine wichtige Garantie für einen sozialen Staat. Wenn sich Tausende Bürger Wohnungen nicht mehr leisten können, dann sind wir hier im Hohen Haus gefordert. Nicht der Mann von der Straße hat sich die Frage zu stellen, ob das der richtige Weg ist und wohin dieser Weg führt. Wir brauchen einerseits einfache und transparente Gesetze, die vor dem Verfassungsgerichtshof halten, und wir brauchen andererseits aber auch Gesetze, die wirtschaftsfreundlich und kundenfreundlich sind. In diesem Zusammenhang halte ich die in der gestrigen Rechtsausschußsitzung gemeinsam geführte Diskussion für einen wesentlichen Beitrag für die Zukunft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. – Bitte.

17.08

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Wie sehr Fragen des Wohnens und das Mietrecht jeden einzelnen von uns betreffen, hat sich gestern bei der Ausschußsitzung gezeigt. In einer mehr als einstündigen Diskussion mit zehn Wortmeldungen zeigte sich einerseits das Unbehagen, das im Zusammenhang mit diesem Gesetz besteht, andererseits aber auch das starke Interesse an dem Thema Wohnen. Schließlich braucht jeder von uns eine Wohnung, und nur wenige können sich den Traum vom eigenen Grund und Boden erfüllen. – Allein von diesem Gesichtspunkt betrachtet haben wir eine besondere Verantwortung für die vom Mietrecht betroffenen Menschen.

Es ist mir deshalb auch ein persönliches Bedürfnis, gleich zu Beginn meiner Ausführungen festzustellen, daß die beabsichtigten Änderungen des Mietrechtsgesetzes, Wohnungseigentums


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 107

gesetzes und Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes einen Kompromiß mit dem Koalitionspartner darstellen und deshalb nicht den Idealvorstellungen sozialdemokratischer Wohnungspolitik entsprechen können. Aufgrund bisheriger Erfahrungen in den seit Jahren erfolglosen Bemühungen auf dem Gebiet des Wohnrechtes, Detailprobleme durch immer neue Regelungen in den Griff zu bekommen, muß ich der Effizienz der gegenständlichen Novelle in der Praxis leider mit gehöriger Skepsis entgegenblicken. Ich muß allerdings auch dazu sagen, daß es auch in der SPÖ-Alleinregierung nicht möglich war, sozialdemokratische Grundsätze und Vorstellungen betreffend das Wohnrecht umzusetzen.

Warum ich dennoch diese Änderungen begrüße, kann ich mit einer wesentlichen Verbesserung für die Mieter gegenüber der gegenwärtigen rechtlichen Stellung begründen. Sie wissen, daß der durch das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz neu geschaffene Fristvertragstyp lediglich eine Mietdauer von drei Jahren kennt und keine befristete Verlängerungsmöglichkeit zuläßt. Angesichts der Vorbehalte vieler Vermieter gegen unbefristete Mietverhältnisse hätte dies ohne gesetzgeberisches Einschreiten ab März dieses Jahres für viele Mieter den Verlust ihrer Wohnung zur Folge gehabt.

Erinnern wir uns zurück an die bis zum 1. März 1994 gültige Regelung, nach welcher es bis dahin eine ständig zunehmende Zahl von Halbjahres- und Jahresverträgen gab. Dies führte in fast allen Ballungsräumen, insbesondere aber in Wien, zu Wohnungsspekulation, zur Entstehung von Massenquartieren und zur Ausbeutung der schlimmsten Art, wobei insbesondere jene Menschen unter die Räder kamen, die ihrer sozialen Stellung nach ohnehin schon benachteiligt waren.

Aufgrund dieser Umstände kam es zum 3. Wohnrechtsänderungsgesetz mit Wirkung vom 1. März 1994, wobei ein allgemeiner neuer Befristungstatbestand, der sogenannte "Drei-Jahres-Vertrag", geschaffen wurde. Leider brachte diese Regelung keine endgültige, vor allem aber auch keine zufriedenstellende Lösung des Mietrechtes mit sich. Würden wir nun vor dem 1. März dieses Jahres keine gesetzliche Änderung vorsehen, käme bei der geltenden Rechtslage von Drei-Jahres-Verträgen nur eine Beendigung mit Räumung oder eine unbefristete Verlängerung in Frage.

Wir haben gestern im Ausschuß gehört, daß das für 20 000 bis 30 000 Mieter die Beendigung ihres Mietverhältnisses bedeuten könnte. Wie von Mietervertretern bereits anläßlich der von mir vorher angeführten und 1994 beschlossenen Regelung befürchtet, wurde in der Praxis von der generellen Befristungsmöglichkeit auf drei Jahre tatsächlich wesentlich häufiger Gebrauch gemacht, als dies seinerzeit von Vertretern der Vermieter als möglich angesehen wurde. Allein in Wien werden jährlich rund 70 000 neue Mietverträge abgeschlossen, und rund 10 Prozent davon sind – leider – befristet. Wenn ich "leider befristet" sage, dann deshalb, weil ich beziehungsweise wir Sozialdemokraten allgemein nach wie vor für den unbefristeten Mietvertrag als den "Regelvertrag" eintreten.

Nur ein unbefristeter Mietvertrag bietet dem Mieter tatsächliche Sicherheit und Schutz. Der Mieter selbst braucht keine Befristung, er kann das Mietverhältnis beenden, wann immer er will, und dies bringt, entgegen anders lautenden Erklärungen, auch für den Vermieter keine Nachteile. Befristete Verträge soll es daher nach meiner Auffassung – abgesehen von den bisherigen Ausnahmen beim Einfamilienhaus oder bei der Einzel-Eigentumswohnung – im Zinshaus nur bei sachlich gerechtfertigten Tatbeständen geben. Solche sind Eigenbedarf in absehbarer Zeit oder Zwischennutzung vor umfassender Wohnhaussanierung. In diesen sachlich begründeten Fällen von Befristungen soll es auch keine Abschläge bei der Mietzinsberechnung geben. Dies hätte insbesondere in sanierungsbedürftigen Althäusern Vorteile durch eine höhere Mietzinsreserve.

Befristungsregelungen dienten bisher ausschließlich dem Nutzen des Vermieters und gingen immer zu Lasten des Mieters. Meiner Einschätzung nach hat nämlich noch kein Vermieter bei Auflösung eines unbefristeten Vertrages seine Wohnung unter dem bisher vereinnahmten Mietzins vermietet.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 108

Mit der gegenständlichen Vorlage sollen die bisherigen Drei-Jahres-Verträge bei Hauptmietwohnungen und vermieteten Eigentumswohnungen in Gebäuden, deren Baubewilligung vor dem 9. Mai 1945 liegt, auf die Dauer von bis zu elf Jahren insgesamt verlängert werden können. Die Mindestdauer beträgt demnach drei, die Höchstdauer – auch bei Zusammenrechnung von Vertragsverlängerungen – elf Jahre. Durch diese flexiblere Handhabung besteht nun nicht mehr die Gefahr, daß Mieter aus einer Wohnung ausziehen müssen, nur weil sich Vermieter weigern, Drei-Jahres-Verträge unbefristet zu verlängern. Einzig und allein diese Regelung betrachte ich als ausreichendes Ergebnis eines Kompromisses mit dem Regierungspartner, weshalb ich auch darauf verzichte, das gegenständliche Gesetz als besondere Leistung beschönigen zu wollen.

Erfreulich finde ich jedoch die Tatsache, daß aufgrund der besonderen Forderung meiner Fraktion für die Dauer der Befristung, und ein halbes Jahr darüber hinaus, eine Rückforderungsmöglichkeit von überhöhtem Mietzins gegeben sein wird. Dies ist im Gegensatz zu der im Handelsrecht üblichen Rückforderungsmöglichkeit von drei Jahren ein sehr starkes Mieterrecht, und ich hoffe, daß betroffene Mieter dieses Recht auch tatsächlich in Anspruch nehmen werden und nicht deshalb darauf verzichten, weil sie vergeblich auf die Umwandlung in einen unbefristeten Vertrag hoffen.

Enthalten ist weiters eine Bestimmung, wonach bei befristeten Mietverträgen eine Reduktion der Miete eintritt, und zwar in Höhe von 30 Prozent bei einer Vertragsdauer von weniger als vier Jahren, 20 Prozent bei einer Vertragsdauer von bis zu sieben Jahren und schließlich 10 Prozent bei einer maximalen Vertragsdauer von zehn Jahren. Die dafür in § 16 Abs. 7, Abs. 7a und Abs. 7b vorgesehenen Bestimmungen sehen eine Minderung des Mietzinses allerdings nur bei solchen Mietverträgen vor, die nach dem Richtwertsystem oder zum Kategorie-D-Mietzins vermietet werden. Eine erhebliche Anzahl von Mietverträgen kann aufgrund von § 16 Abs. 1 beziehungsweise § 46c aber zu einem angemessenen Mietzins abgeschlossen werden. Auch in diesen Fällen hat ein befristeter Mietvertrag nicht dieselbe Qualität wie ein unbefristeter Mietvertrag, weshalb meiner Meinung nach auch in diesen Fällen ein Abschlag vorzusehen wäre.

Nicht einsichtig ist weiters die in § 20 Abs. 1 Z 2 lit. f vorgesehene Regelung, wonach der Vermieter einen mit 40 Prozent des Überschusses pauschalierten Betrag zur Abgeltung seiner Einkommensteuer in der Hauptmietzinsabrechnung verrechnen darf. Diese Regelung wird auch nach Ansicht von Mietrechtsexperten zu einer finanziellen Benachteiligung von Mietern in Verfahren nach § 18 Mietrechtsgesetz führen und entspricht faktisch einer Überwälzung der Steuerlast des Vermieters auf den Mieter.

Die durch das Strukturanpassungsgesetz geltende steuerliche Begünstigung der Mietzinsreserve war systemwidrig. Die Absicht, sich mit der vorgeschlagenen Regelung zu Lasten der Mieter aus einer ausgewogenen Belastung des Sparpaketes zu verabschieden, ist eine zumindest entbehrliche Maßnahme dieses Gesetzentwurfes.

Abschließend möchte ich mein Bedauern ausdrücken, daß ich leider nur wenige positive Signale in dieser Gesetzesnovelle erkenne. Einzig und allein die Tatsache, daß es zu verhindern gilt, unzählige Mieter mit 1. März einer ungewollten Wanderungsbewegung auszusetzen, veranlaßt mich, dem Vorschlag des Berichterstatters folgend namens meiner Fraktion zu empfehlen, gegen diesen Gesetzesbeschluß keinen Einwand zu erheben.

Darüber hinaus bedauere ich, daß offenbar unter dem Diktat des Minimalkonsenses wieder einmal nur Detailretuschen vorgenommen, die dringend notwendigen großen Reformschritte des Wohnrechtes jedoch wieder nicht in Angriff genommen wurden.

Dessenungeachtet halte ich nochmals ausdrücklich fest, daß eine ausreichende Wohnsicherheit für Mieter nur durch unbefristete Verträge gewährleistet werden kann. Befristete Verträge soll es deshalb – abgesehen von den bisherigen Ausnahmen – nur bei den von mir bereits ausführlich dargestellten und sachlich gerechtfertigten Tatbeständen geben. (Beifall bei der SPÖ.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 109

17.16

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr das Wort.

17.16

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Positive an der Änderung des Mietrechtsgesetzes ist die Verlängerung der Befristungsmöglichkeiten. Es handelt sich dabei jedoch um ein Reparaturgesetz, das dringend notwendig geworden war.

Entgegen allen Mahnungen von Mietrechtsexperten wurde 1994 die Drei-Jahres-Befristung für Mietverträge ohne Verlängerungsmöglichkeit eingeführt. In Wien hat sich die Einführung dieser Regelung besonders extrem ausgewirkt. Sie hat nämlich zu einem wahren Ansturm auf die Wohnberatungsstellen der Gemeinde Wien geführt, da sich viele Familien vor dem Auslaufen ihrer befristeten Mietverträge gesehen haben und günstige Wohnungen, wie man weiß, gerade in Wien sehr rar sind. Das hat in Summe zu einem wahren Stadt-Nomadentum geführt, dessen Auswüchse jetzt repariert werden müssen. Eine Reform ist das aber deswegen noch lange nicht.

So ist zum Beispiel keine Reform des Richtwertsystems vorgesehen. Die Zu- und Abschläge sind wesentliche Ursachen für die Schwierigkeiten, die mit der Anwendung des Mietrechts verbunden sind. Der Ansturm auf die Schlichtungsstellen wird wieder nur mit einem Aufwand im Verwaltungsbereich abgefangen werden können. Die drei Zinsabschlagssätze bei den befristeten Mieten von mindestens drei und höchstens zehn Jahren sind nicht nur rechtlich sehr kompliziert, sondern werden wahrscheinlich auch nur schwer zu kontrollieren sein.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Auflösung der Mietzinsrücklage bis 1998 durch den Vermieter. Gelinde gesagt ist das ein Unfug! Gerade in Wien werden laufend Häuser saniert, sodaß es dem jeweiligen Vermieter unmöglich sein wird, die Rücklagen durch Investitionen aufzulösen, weil nach der Gesetzeslage die Investitionen nur dann gegen die Rücklage aufgelöst werden können, wenn die Investitionen Instandsetzungsmaßnahmen betreffen. Wenn jetzt ein Haus bereits saniert wurde, dann frage ich mich: Wo liegt der Sinn?

Warum kann die Auflösung nicht auch dann stattfinden, wenn jemand zum Beispiel neuen Wohnraum schafft? In Wien wäre das etwa gerade beim Dachbodenausbau interessant. In Wien sind Dachbodenausbauten nämlich sehr gefragte Objekte. Es wäre damit mehr Wohnraum vorhanden, und je mehr Wohnraum vorhanden ist, desto günstiger können die Mieten werden.

Insgesamt betrachtet ist das Mietrechtsgesetz für Laien viel zu kompliziert, nicht zu durchschauen und unverständlich, und es gibt auch genügend Juristen, die zugeben, daß der Zugang zum Mietrechtsgesetz auch für sie als Sachkundige nicht gerade leicht ist. Das ist angesichts der Lippenbekenntnisse, Gesetze auch für den Normalbürger verständlich abfassen zu wollen, umso bedauerlicher.

Die Änderung des Mietrechtsgesetzes, auch wenn ich anfangs den positiven Aspekt vorangestellt habe, ist die Fortsetzung eines Kompromisses, und dem werden sicher noch einige andere folgen müssen. Eine Verwaltungsvereinfachung oder überhaupt eine Eindämmung der Gesetzesflut, wie sie von den obersten Gerichtshöfen immer wieder gefordert wird, ist das leider nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.20

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. Ich erteile ihr das Wort.

17.20

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Das Mietrechtsgesetz, mit dem wir gleichzeitig das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 1975 und die Zivilprozeßordnung ändern, ist meiner Meinung nach – auch Juristen und Fachleute sagen dies – nach wie vor sehr kompliziert.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 110

Wir halten zwar im Parlament Enqueten zur Vereinfachung von Gesetzen ab, aber es ist uns noch nicht gelungen, dies auch in die Praxis umzusetzen. Wann wird das endlich geschehen?

Positiv an diesem Gesetz ist, daß nach wie vor befristete Mietverträge möglich sind. Allerdings bin ich besorgt, weil uns im Ausschuß Generalanwalt Dr. Tschugguell vom Justizministerium mitgeteilt hat, daß das Ziel des Justizministeriums ist, keine befristeten Mietverträge zu erlauben. Auch Bundesminister Dr. Michalek hat das im Nationalrat bestätigt. Ich bin hingegen der Meinung, daß dies an der Realität und an den Bedürfnissen der Vermieter, aber auch der Mieter vorbeigeht. In Belgien zum Beispiel gibt es häufig befristete Mietverträge, und Belgien ist ein Land, in dem es relativ leicht ist, Wohnungen zu finden.

Allerdings denke ich, daß in Österreich der Wohnungsmarkt dies selbst regeln wird, wie auch die Realität geregelt hat, daß wir heute, nach knapp drei Jahren, das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz verbessern. Nach Schätzungen des Justizministeriums würden ohne Verbesserung des 3. Wohnrechtsänderungsgesetzes rund 80 Prozent der Mieter mit Drei-Jahres-Verträgen die Wohnung verlieren. Ich bedauere, daß diese Erkenntnis erst heute kommt.

Ebenso bin ich überzeugt davon, daß, da in den einzelnen Bundesländern ganz verschiedene Wohnverhältnisse herrschen, das Mietrechtsgesetz den Ländern die Möglichkeit geben sollte, auf regionale Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Es ist eine langjährige Forderung des Vorarlberger Landtages, den Ländern folgende Kompetenzen zu übertragen: erstens größere Freiheit bei der Mietzinsbildung einzuräumen und zweitens den Kündigungsschutz bei begründetem Eigenbedarf zu lockern. (Beifall bei der ÖVP.)

So wie die Verländerung der Wohnbauförderung gezeigt hat, daß das für die Bürgerinnen und Bürger Vorarlbergs von Vorteil war, so würde die teilweise Verländerung des Mietrechtes dem Land Vorarlberg und auch den anderen Bundesländern die Möglichkeit geben, Gesetze auf die Notwendigkeit und Bedürfnisse der Bürger abzustimmen.

Da in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Verhältnisse herrschen, was Mieten, Wohnungen und so weiter betrifft, bin ich der Meinung, daß es unbedingt notwendig ist, auch das Mietrecht teilweise zu verländern. Ich bin auch aus tiefstem Herzen davon überzeugt, daß Gesetze dem Bürger dienen sollten und nicht umgekehrt.

Was mich ebenfalls stört, ist, daß Vermieter und Mieter verschiedene Kündigungsmöglichkeiten haben. Dies widerspricht meiner Meinung nach der Verantwortung des einzelnen und dem Gleichheitsgrundsatz. Auch sind keine konkreten Kosten im Gesetz angeführt, sondern die erforderlichen Planstellen bereits durch das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz nach Meinung des Ministeriums gedeckt. Ich bin gespannt, ob diese Einschätzung der Realität standhält.

Trotz meiner ablehnenden Haltung gestern im Ausschuß und meiner damaligen Ablehnung des 3. Wohnrechtsänderungsgesetzes stimme ich heute diesem Gesetz aufgrund des Umstandes, daß weiterhin befristete Mietverträge abgeschlossen werden können, zu. Würde das heutige Gesetz abgelehnt, stünden wahrscheinlich viele Mieter auf der Straße, und das kann ich nicht verantworten.

Allerdings ist dies der einzige Grund meiner Zustimmung. Ansonsten lehne ich verschiedene Inhalte dieses Gesetzes ab, wie zum Beispiel: erstens: keine Teilverländerung des Mietrechtsgesetzes, zweitens: die Kompliziertheit des Gesetzes, drittens: die Abschläge bei den Richtwertmieten, viertens: die verschiedenen Kündigungsmöglichkeiten von Mietern und Vermietern, fünftens: allgemeine, meiner Meinung nach viel zu enge und starre Regelungen, anstatt großzügige Rahmenbedingungen, und sechstens: die Rückforderbarkeit von zu hohen Mieten nicht auf drei Jahre zu beschränken, sondern auf bis zu zehneinhalb Jahre zu verlängern. Es wird wahrscheinlich sehr viel Verwaltungsaufwand entstehen, wenn dann zu Gericht gegangen wird, abgesehen von den Beweisen, die dann noch erbracht werden müssen.

Abschließend möchte ich bemerken, daß mir bewußt ist, daß sowohl das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz als auch das Mietrechtsgesetz aufgrund verschiedener Kompromisse und nach langen und zähen Verhandlungen zustande kamen. (Beifall bei der ÖVP.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 111

17.26

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Rauchenberger zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, daß sie die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und auf die Darstellung des berichtigten Sachverhaltes zu beschränken. – Ich erteile Herrn Bundesrat Rauchenberger das Wort.

17.26

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Danke, Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Frau Kollegin Giesinger hat vorhin in Ihrer Rede ausgeführt, daß der Vertreter des Justizministeriums gestern im Ausschuß festgestellt hätte, daß das Justizministerium an einer Lösung arbeitet, die keine unbefristeten Verträge im Mietrecht zulassen soll.

Diese Feststellung ist ebenso unrichtig wie die Behauptung, daß auch der Bundesminister für Justiz dies im Nationalrat festgestellt hätte. Wahr ist, daß die klare Aussage des Vertreters des Ministeriums lautete, daß befristete Mietverträge der Ausnahmefall sein sollen. Das heißt, der Regelfall ist ein unbefristeter Mietvertrag. Eine Lösung, befristete Mietverträge generell nicht zuzulassen, wird nicht angestrebt. (Beifall bei der SPÖ.)

17.27

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile es ihm.

17.27

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Dem vorliegenden Gesetzesbeschluß des Nationalrates wird meine Fraktion, wie schon von Kollegin Mühlwerth angekündigt, die Zustimmung erteilen – dies allerdings einzig und allein um des Hauptanliegens dieses Gesetzesvorhabens willen, nämlich der Sanierung der mit drei Jahren befristeten Mietverhältnisse, weil sonst die betroffenen Mieter der Gefahr ausgesetzt wären, nach Ablauf dieser befristeten Mietverhältnisse auf der Straße zu stehen.

Keineswegs aber stimmen wir deshalb zu, weil wir von der inhaltlichen Qualität des zu beschließenden Gesetzes überzeugt wären. Ist es doch kein wesentlicher Schritt in Richtung der gebotenen grundlegenden und umfassenden Reform des gesamten österreichischen Wohnungsrechts. Man hat sogar manche Gelegenheit versäumt, die eklatanten Defizite der bisherigen Regelungen zu beheben.

Diese Kritik richte ich, wie ich betonen möchte, gar nicht primär an das Bundesministerium für Justiz; ist mir doch völlig bewußt, daß dieses ganz punktuelle und tagespolitisch relevante Vorgaben einzulösen hatte, und das noch dazu unter dem größten Zeitdruck des dringenden Reparaturbedarfs der erwähnten befristeten Mietverhältnisse.

Überdies ist zu bedenken, in welch erheblichem Ausmaß diese komplexe Regelungsmaterie in Sachbereiche hinüberwirkt, für die ganz andere Bundesminister zuständig sind. Man denke nur an gebotene steuerrechtliche Regelungen, für die der Finanzminister verantwortlich wäre, oder an den Wildwuchs der Förderungen, die in die Kompetenzen der Bundesländer fallen. Da wäre politischer Wille gefragt. Dennoch muß auf einige Unterlassungssünden und Schwachstellen des hier zu behandelnden Bundesgesetzes kritisch hingewiesen werden. So bedauere ich vor allem, daß die vorliegende Novellierung nicht zum Anlaß genommen worden ist, das ineffiziente, schwerfällige und kostspielige Verfahren zur Festsetzung der Richtwerte grundlegend zu überdenken. Es hat sich einfach nicht bewährt, und es wird vor allem dem erklärten Ziel nicht gerecht, nicht zuletzt auch im Interesse des Mieters zu angemessenen Mietzinshöhen zu gelangen.

Ebensowenig überzeugt die Regelung, die für unterschiedlich lange Mietverhältnisse auf bestimmte Dauer degressiv abgestufte Mietzinsabschläge vorsieht. Wie sehr diese Differenzierung


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 112

auch im Prinzip richtig ist – ich trete nicht etwa für einheitliche Abschläge ein –, so sehr befürchte ich, daß letztlich der bloß 10prozentige Mietzinsabstrich bei Mietverträgen von zehnjähriger Dauer ins Leere gehen wird.

Da sehe ich die Gefahr, daß es für den Vermieter attraktiver sein kann, solche mit zehn Jahren begrenzte Mietverhältnisse einem Mietvertrag auf unbestimmte Dauer vorzuziehen, dies ungeachtet dessen, daß wir doch gewiß weithin darin übereinstimmen, daß der Mietvertrag auf unbestimmte Dauer den Regelfall bilden sollte. Das ist ja auch die Meinung des Bundesministers.

Aber selbst die von uns an sich begrüßte Abhilfe für die von der dreijährigen Befristung betroffenen Mieter kommt eigentlich zeitlich so spät, daß diese, falls ihnen keine einvernehmliche Verlängerung des Mietverhältnisses zugute kommt, vielfach nicht mehr rechtzeitig Ersatzwohnungen finden werden – dies trotz der vorgesehenen einseitigen Option, die ihnen allenfalls noch ein weiteres Jahr ermöglicht.

Was die für Investitionen völlig kontraproduktive Besteuerung der Mietzinsrücklagen anlangt, ist jetzt wenigstens eine technisch korrekte Lösung getroffen worden, wenn auch immer noch keine substantielle Bereinigung erzielt worden ist; auch darauf hat Kollegin Mühlwerth bereits hingewiesen.

Was gerade die Hausabrechnung nach den Regeln der ÖNORMEN anlangt, ist diese mit den Erfordernissen des Mietrechtsgesetzes nicht abgestimmt. Zudem sind die Mehrkosten durch Änderungen von Formularen und EDV-Programmen durch das Verwaltungskostenpauschale nicht gedeckt. Dessen Erhöhung ist aber wohl nicht vertretbar, wenn für die Mieter mit der neuen Abrechnungsmodalität keine bessere Information verbunden ist. Die vorgesehene Verordnung, mit der die ÖNORMEN aber nicht einmal für verbindlich erklärt werden, läuft überdies allen Bemühungen um Verwaltungsvereinfachung und Deregulierung klar zuwider.

Die Regelung des Verfahrens zur Überprüfung der Betriebskosten nach § 37 erscheint mir in mehrfacher Hinsicht verfehlt. Die Einbeziehung sowohl von Wohnungseigentümern als auch von Mietern verkennt zum einen die nicht vergleichbare Interessenlage und zum anderen die ganz unterschiedliche Antragslegitimation. Antragsgegner für den Mieter ist der Hauseigentümer, für den Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, was sich nun bei Häusern mit gemischter Nutzung in einem einheitlichen Verfahren nachteilig und verwirrend auswirkt.

Die vorgesehene Rechtskrafterstreckung ist zwar gut gemeint, denn die Klarstellung der Höhe der geschuldeten Zahlungen, die der antragstellende Mieter erreicht, soll unter den gleichen Voraussetzungen auch den anderen Mietern materiell zugute kommen. Das ist in Ordnung. Dennoch wirft diese prozessuale Neuregelung eine Reihe von Folgeproblemen auf, wie zum Beispiel die Frage: Sollen zum Beispiel die Verfahrenskosten auf alle Betroffenen verteilt werden, die von der Entscheidung begünstigt werden, auch wenn sie sich am Verfahren nicht beteiligt haben? Oder die Frage: Wie sieht es mit der Verständigung und mit der Beteiligungsmöglichkeit aller Betroffenen am Überprüfungsverfahren aus? und ähnliches mehr.

In bezug auf Artikel 2 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ist anzumerken, daß in manchen Bundesländern, etwa in Vorarlberg, die Übung besteht, Kaufanwartschaftsverträge zu schließen, wobei zum Buchwert übernommen wird. Die neue Rechtslage, die ausschließlich und unabdingbar auf den Einheitswert abstellt, macht das aber unmöglich und verteuert die Übernahme in unangemessener Weise.

Unverständlich erscheint mir, daß eine Bauvereinigung, der der Charakter der Gemeinnützigkeit entzogen wird, nicht schlechter gestellt ist als im Falle einer gesetzeskonformen Auflösung. Das hat auch der Rechnungshof zu Recht kritisiert. Leider hat auch dieses Mal der politische Wille gefehlt, das derzeitige Unrecht an den Genossenschaftsmietern zu beseitigen. Es besteht darin, daß diese Mieter nicht nur für alle Kosten aufkommen müssen, als wären sie Wohnungseigentümer, sondern oft auch noch nach voller Bezahlung der Grund- und Baukosten sowie nach Tilgung aller Kredite und nach Rückzahlung der vom Bauträger eingesetzten Eigenmittel


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 113

noch immer Zahlungsverpflichtungen in unvermindertem Ausmaß unterliegen. Das Ergebnis, daß dann der Mieter vielfach über dem fiktiven Kaufpreis Zahlungen geleistet hat, das Objekt aber weiterhin im Eigentum der gemeinnützigen Wohnbauvereinigung verbleibt – was dann gemeinnützig ist, weiß ich nicht –, ist untragbar. Dieses Unrecht müßte durch die Schaffung einer vorzeitigen Tilgungsmöglichkeit und durch die Erleichterung des Erwerbs von Eigentum an Genossenschaftswohnungen behoben werden.

In bezug auf das Wohnungseigentumsgesetz ist zum Artikel 3 kritisch festzuhalten, daß die Betriebskostenabrechnung unverändert nicht vereinheitlicht ist, denn für die Rücklage und Instandhaltungs- und Verbesserungsarbeiten soll weiterhin nach den Nutzwerten abgerechnet werden. Zu überlegen wäre daher gewesen, ob der Nutzwert nicht ganz allgemein die sachgerechte Aufteilungsgrundlage wäre, die auch für die Mieter durchaus in Betracht käme.

Erlauben Sie mir abschließend eine strukturelle Bemerkung. Das bereits gestern im Rechtsausschuß quer durch alle Fraktionen angesprochene Fernziel, daß auch die wohnungsrechtlichen Gesetze in einer für den existentiell von ihnen betroffenen Bürger verständlichen Weise formuliert sein sollten, kann ich nur mit Nachdruck unterstreichen. Ich bin mir freilich dessen bewußt, daß dieses demokratiepolitisch vorrangige Anliegen wohl nicht nur an der Schwierigkeit der Sachmaterie, die ja sehr technisch ist, scheitert, sondern wohl mehr noch daran, daß es eine Zurückhaltung und Selbstrücknahme der Interessenvertretungen auf diesem sensiblen Gebiet verlangen würde, die bei deren Selbstverständnis fast schon an Abstinenz und Selbstverleugnung grenzen würden.

Alles in allem muß ich daher bei dieser Novelle von einem Gesetz der versäumten Gelegenheiten sprechen oder, mit anderen Worten, von einer bloß weiteren Episode in einer unendlichen Geschichte der glücklosen und jedes Gesamtkonzepts entbehrenden österreichischen Wohnrechtsgesetzgebung. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Martin Bartenstein. Ich erteile ihm das Wort.

17.37

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Hohen Bundesrates! In Vertretung des Herrn Justizministers, der durch einen Auslandsaufenthalt an der Teilnahme an der heutigen Bundesratssitzung verhindert ist, darf ich folgende Erklärung zum Verhandlungsgegenstand abgeben:

Meine Damen und Herren des Bundesrates! Von den drei Schwerpunkten der gegenständlichen Vorlage haben die Befristungsregelungen und die Abrechnungsbestimmungen in "Mischhäusern" ihre Wurzeln im 3. Wohnrechtsänderungsgesetz beziehungsweise in den Umständen dessen Gesetzwerdung, in deren Neuregelung im Zusammenhang mit der Mietzinsreserve im Wegfall der früheren steuerlichen Regelung durch das Strukturanpassungsgesetz 1996.

Wenn auch das geltende Mietrechtsgesetz 1981 vom Mietengesetz das Grundverständnis übernommen hat, daß der vom Vermieter bloß beschränkt kündbare Mietvertrag auf unbestimmte Zeit der Regelfall sein soll – darauf haben ja verschiedene Damen und Herren jetzt gerade Bezug genommen –, so hat es doch befristete Mietverhältnisse bis zu einer Dauer von höchstens einem halben Jahr zur Gänze aus seinem Geltungsbereich ausgenommen und Fristverträge bis zu einer Höchstdauer von einem Jahr gestattet. Vor allem die Halbjahresverträge hatten in der Praxis gerade für sozial schwächere Mieter zu den heute schon angesprochenen erheblichen Problemen und Benachteiligungen geführt und waren auch Ansatzpunkt für viele Umgehungsversuche. Ihre Beseitigung war daher eines der wichtigsten Anliegen des 3. Wohnrechtsänderungsgesetzes.

Zugleich wurde anstelle der Ein-Jahres-Mietverträge die Möglichkeit zum Abschluß eines Wohnungsmietvertrages auf genau drei Jahre ohne befristete Verlängerungsmöglichkeit geschaffen. Diese starre gesetzliche Vorgabe verhindert zum einen die individuelle Wahl einer den Bedürfnissen der Vertragsparteien entsprechenden Vertragsdauer und stellt zum anderen den


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 114

Vermieter nach Ablauf der drei Jahre vor die Alternative, entweder auf dem Auszug des Mieters zu beharren oder durch ein unbefristetes Mietverhältnis die Disposition über das Mietobjekt auf unbestimmte, jedenfalls lange Zeit zu verlieren. Dies nahm man offenbar in der Erwartung in Kauf, daß von den neuen Dreijahresfristvertragstypen nicht zuletzt wegen der vorgeschlagenen Abschlagsregelung in der Praxis nur geringer Gebrauch gemacht wurde. Tatsächlich – auch das wurde heute schon gesagt – wurden viele, sicher einige Zigtausende solcher Zeitmietverträge abgeschlossen, die ab März des Jahres 1997 sukzessive auslaufen werden beziehungsweise würden.

Da viele Vermieter nicht gewillt sind, durch ein Belassen des Mieters in der Wohnung ein unbefristetes Mietverhältnis herbeizuführen, wäre ohne ein gesetzgeberisches Einschreiten wohl der allergrößte Teil der Fristmieter zu einem Auszug aus der Wohnung und zur Suche nach einem neuen Mietobjekt genötigt, wobei sie häufig wohl wieder nur befristet mietbare Wohnmöglichkeiten erhalten würden.

Eine von manchen angeregte anlaßbezogene Gesetzesreparatur, beispielsweise durch Schaffung bloß einer Verlängerungsmöglichkeit für derzeit bestehende befristete Mietverträge, würde aber das in Bälde akut werdende Problem in Wahrheit nicht beseitigen, sondern nur um einige Zeit wiederum aufschieben.

Demgegenüber schien es uns sinnvoller, wenn nun einmal der Schritt in Richtung befristete Mietverträge gemacht wurde, eine grundlegende, zeitgemäße Erneuerung der Befristung im Mietrecht einzuleiten. Ich bin überzeugt davon, daß der hier vorgeschlagene Weg einer Flexibilisierung der mietvertraglichen Befristung innerhalb zeitlicher Ober- und Untergrenzen einen angemessenen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der Mieter nach gesicherter Wohnversorgung – zumindest über überschaubare Zeiträume hinweg – einerseits und den legitimen Interessen der Vermieter an einer mittel- bis längerfristigen Wiederverfügbarkeit ihrer Wohnungen andererseits darstellt sowie eine zukunftsorientierte Perspektive bietet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das dem Mietrechtsgesetz seit seiner Entstehung innewohnende Grundverständnis, wonach der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit der Regelfall sein soll, bleibt als Prinzip aufrecht und soll durch eine Art Bonus-Malus-System sichergestellt werden, so etwa durch die Bestimmungen über die Befristungsabschläge, wobei deren Staffelung gegenüber einer einheitlichen Abschlagsregelung der Vorzug gegeben wurde, weil es innerhalb der Höchstbefristung Anreiz zu einer im Interesse des Mieters gelegenen möglichst langfristigen Dauer bietet, oder etwa durch Bestimmungen über die für den Vermieter Anreiz bietende Mietzinsnachzahlung bei einer Umwandlung in ein unbefristetes Mietverhältnis.

Den liberalisierten Befristungsmöglichkeiten werden zur Gewährleistung auch künftigen Mieterschutzes eine Reihe von Regelungen zur Sicherung der Rechtsposition der Mieter gegenübergestellt, zum Beispiel die Verlängerung der Fristen für die gerichtliche Mietzinsprüfung und für die Rückforderung überhöhter Mietzinszahlungen – das wurde ebenfalls bereits erwähnt –, die Option des Mieters zur Verlängerung des Mietverhältnisses um ein Jahr, die adaptierten Möglichkeiten zur vorzeitigen Auflösung des Vertrages durch den Mieter, der damit die Marktgegebenheiten zu seinen Gunsten nutzen kann, und einiges mehr. Um Umgehungen zu vermeiden, gelten alle diese Bestimmungen auch für Eigentumswohnungen in Althäusern, ausgenommen die höchstzulässige Gesamtbefristungsdauer von zehn Jahren, die künftig weder für Eigentumswohnungen in Althäusern noch für Eigentumswohnungen in jüngeren Häusern gilt.

Abschließend meine ich, daß die vorgelegte Mietrechtsnovelle auf dringende Fragen des Wohnrechts durchwegs sachgerechte, zweckmäßige und großteils auch in die Zukunft weisende Antworten bereithält. Es wird allerdings in den kommenden Jahren genau zu beobachten sein, welche faktischen Auswirkungen von den nunmehrigen Neuregelungen ausgehen werden. Überhaupt aber ist die Fortentwicklung des Wohnrechts im Hinblick auf seine wirtschaftliche und soziale Dimension ein permanenter Diskussionsprozeß, in den sicher auch die heute gemachten weitergehenden Vorschläge und Anregungen seitens des Bundesministeriums für Justiz und des Herrn Justizministers in dessen fortführende Überlegungen einfließen werden. – Herr Präsident! Ich danke für die Worterteilung. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 115

17.43

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

5. Punkt

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1995 (III-155/BR sowie 5385/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1995.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Aloisia Fischer übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Aloisia Fischer: Der Bericht des Herrn Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Österreichischen Waldbericht 1995 liegt Ihnen schriftlich vor. Ich darf also auf eine neuerliche Verlesung verzichten.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bedanke mich für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

17.44

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Den Waldbericht 1995 zu behandeln, ist aus mehreren Gründen interessant. Zum einen, weil die Stückkosten dieses schönen Berichtes nur 80 S ausmachen. Wir haben schon teurere Berichte behandelt. Er ist das Geld sicherlich wert, wenn man auch in manchen Teilen mit dem Inhalt dieses Berichtes unzufrieden sein muß. Aber darauf komme ich noch zu sprechen.

Es ist ja nicht so, wie es in dem Lied des Johann Wilhelm Jakob Bornemann heißt, der um 1816 geschrieben hat: "Im Wald und auf der Heide, da such´ ich meine Freude". Nun: Die Heiden sind weitgehend drainagiert oder aufgeforstet worden, und der Wald wird manchem, der ihn selbst bewirtschaftet, zum Kümmernis – "zur Belastung" möchte ich nicht sagen, obwohl auch das vielfach der Fall ist.

Wir haben also hier den Waldbericht über das Jahr 1995 und müssen uns, da wir das Jahr 1996 vor etwa einem Monat hinter uns gelassen haben, daher wundern, warum dieser Bericht so spät zu uns gelangt ist. Das, was uns in dem Waldbericht, abgesehen von vielen anderen Dingen, auch interessiert, sind die wirtschaftlichen Ergebnisse. Und wenn für das Jahr 1995 ein positives


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 116

Betriebsergebnis ausgewiesen ist, dann, muß ich sagen, ist das vorgegaukelt, weil die 42 S Gewinn, die pro Festmeter gemacht werden, nicht mehr stimmen. Im Jahr 1996 ist dieser Gewinn zu einem Verlust von 20 bis 30 S pro Festmeter geworden.

Deswegen zeige ich das berühmte Taferl, damit man sich das ansehen kann (der Redner zeigt eine Schautafel – Bundesrat Ing. Penz: Ihr Chef hat es besser gemacht!) : Da ist das Jahr 1995, da wird ein Gewinn vorgegaukelt. Und da ist das Jahr 1996, da zeigt sich schon deutlich der Verlust. Es sind dies Zahlen, die wir dem Waldbericht entnommen haben, Herr Bundesminister! Das Rote sind die Gesamterträge, das Blaue sind die Gesamtkosten.

Sie können ruhig lachen, Herr Kollege Penz! Sie sind der Vertreter der Bauern und lachen über ein Betriebsergebnis, welches für die Bauern betrüblich ist! (Bundesrat Ing. Penz: Herr Kollege, das ist eine sehr eigenwillige Interpretation! Ich habe gelacht über Ihren Aktionismus!) Es ist kein Aktionismus, Ihnen deutlich zu zeigen, daß der Waldbericht... (Bundesrat Ing. Penz: Sie wissen ganz genau, wir diskutieren über den Waldbericht 1995, und Sie reden über 1996!)

Lassen Sie doch diese Banalitäten! Ich habe Ihnen doch genau erklärt, warum das so ist. Ich will Ihnen eines sagen: Das einzige, was mich beruhigt, Herr Kollege Penz, ist: Sie sind Bauernbündler, und ich bin es zum Glück nicht. Denn mir laufen die Wähler nicht davon. (Bundesrat Dr. Schambeck: Aber es gibt freiwillige Mitgliedschaft! Ich bin beigetreten! – Heiterkeit.) Man kann auch freiwillig austreten, und das tun mehr. (Zwischenrufe.)

Herr Kollege Penz! Wir sprechen also derzeit über den Waldbericht 1995 (Bundesrat Konečny: Das ist nicht zu erkennen!) , der ein positives Betriebsergebnis aufzeigt, wissen aber, ohne den Waldbericht 1996 zu haben, daß es in ein negatives Betriebsergebnis übergegangen ist. Und es stimmt mich traurig, wenn Sie darüber lachen und meinen, ich mache Aktionismus. Ich versuche nur, die Daten zu aktualisieren, die man nicht genauer bekommen kann. Der Vorwurf trifft sicher nicht den Beamten im Ministerium, der Vorwurf trifft eine Organisation im Ministerium, für die dieser Beamte nichts kann.

Wir meinen daher, daß der Waldbericht 1996 schon im Jahr 1997 behandelt werden sollte und nicht erst im Jahr 1998, weil Sie dann wiederum die Möglichkeit hätten, mich des Aktionismus zu zeihen, obwohl Sie eigentlich sagen müßten: Himmelherrgott, der Gudenus hat recht, der stellt die Zahlen deutlich dar, und ich, der arme Penz, lebe noch mit den alten Zahlen und möchte sie eigentlich nicht haben. So ist es! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Ing. Penz: Aber das haben wir gestern im Ausschuß alles geklärt!)

Sie waren im Ausschuß, aber es waren einige Damen und Herren hier nicht im Ausschuß. Wenn Sie meinen, daß die Ausschußtätigkeit genügt, dann können Sie ja wegbleiben. Sie können hinausgehen. Es wäre vielleicht manchem damit geholfen. (Bundesrat Konečny: Kollegen Penz sicher!)

Herr Kollege Penz! Alle, die mit dem Forst zu tun haben, unterliegen einer Vielzahl von Gesetzen: dem Forstgesetz, dem Zivilrecht, dem Wasserrecht, dem Umweltschutzrecht, Naturschutzgesetzen, Ländergesetzen vieler Art und den Jagdgesetzen. Ich will damit ausdrücken, daß jeder, der mit dem Forst zu tun hat, einer Unzahl von bürokratischen Hemmnissen und Erschwernissen, vielfach auch Hilfen gegenübersteht. Denn hilfreich sind die Forstorgane in den Bezirken. Das muß ich einschränkungslos sagen. Jene, die mit den Bezirksforstbehörden zu tun haben, haben – vielleicht mit wenigen persönlichen Ausnahmen – nur gute Erfahrungen gemacht. Das ist eine Serviceeinrichtung, die wir Waldbesitzer sehr schätzen können. Man muß sie nützen.

Wir haben einen sehr hohen Verwaltungsaufwand in Österreich. Es hat sich in einem internationalen Vergleich gezeigt, daß wir 22 Prozent öffentlich Bedienstete haben, im OECD-Durchschnitt sind es 15 Prozent. Sie sehen also, wir liegen weit darüber. Diese hohe Verbürokratisierung hemmt und bremst das Wirtschaftswachstum und zum Teil auch die Absatzmöglichkeiten der Betriebe.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 117

Wenn wir im Waldbericht blättern, dann finden wir sehr wichtige Daten nicht, und es sind dies die Daten über den Außenhandel. Ich habe das heute schon in der Kritik betreffend die Regierungserklärung eingebracht: Das Statistische Zentralamt untersteht dem Bundeskanzleramt, und das Bundeskanzleramt hat aus welchen Gründen auch immer kein großes Interesse daran, aktualisierte Außenhandelszahlen zu bekommen. Ich wiederhole noch einmal: Schweden und Finnland sind etwa gleichzeitig mit uns in die Europäische Union eingetreten, und ihnen gelingt es, aktualisierte Außenhandelszahlen zu bekommen. Bei uns – Sie werden das sehen, wenn Sie sich den Bericht anschauen, Herr Kollege Penz, und ich gehe davon aus, daß Sie das getan haben – ist eine Vielzahl von Daten mit Pünktchen angeführt. (Bundesrat Ing. Penz: Herr Kollege Gudenus! Sie wissen genau, daß in Schweden und Finnland die Daten über die Industrie abgerufen werden, und daher sind sie gleich da!) – Wissen Sie, wie das den Forstbesitzern gleichgültig ist, wo die Daten abgerufen werden? Wissen Sie, wie mir das gleichgültig ist, wenn ich einen Bericht bekomme? Ich habe einen Bericht da, der unvollständig und "unvollzählig" ist, weil die Zahlen fehlen. (Bundesrat Ing. Penz: Außer polemisieren tun Sie gar nichts!)

Herr Kollege Penz! Ihre Einstellung zum Thema ist eigentlich bauernschädigend. Ich sage es Ihnen, sagen Sie es weiter. Sagen Sie, daß Sie bauernschädigend sind. (Bundesrat Ing. Penz: Wie kommen Sie zu dieser Feststellung?) Aufgrund von Tatsachen: Es sind die Zahlen nicht vorhanden. (Bundesrat Ing. Penz: Sie behaupten etwas, was Sie sich aus den Fingern saugen, sonst gar nichts!) Ich sauge mir keine Zahlen aus den Fingern. Sie sind einfach nicht vorhanden.

Sie haben eben gesagt, ich soll mir die Zahlen bei der Industrie holen. Das ist ja wirklich nicht die Aufgabe. (Bundesrat Ing. Penz: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt, in Schweden und Finnland holen sich die Statistiker die Zahlen aus den Betrieben! Dort ist es weitaus einfacher!) Sie sitzen in der Regierung, nicht ich. Sorgen Sie dafür, daß es bei uns einfacher wird. Wir sind überverwaltet und bekommen deswegen die Zahlen nicht. Das ist wahrscheinlich das Ergebnis, Herr Kollege Penz! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im echten Würgegriff hingegen ist die österreichische Forstwirtschaft, und zwar nicht nur durch die Bürokratie, nicht nur dadurch, daß es keine Informationen über den für die Forstwirtschaft wichtigen Außenhandel gibt, sondern durch den steigenden Einsatz von Altpapier in der Papierproduktion. Hier mein nächstes Taferl (der Redner zeigt eine Schautafel) : Wir erkennen da die steigende Kurve des Absatzes von Altpapier – rund 44 Prozent werden importiert, auch aus Nicht-EU-Ländern, die Hälfte ist also importiertes Altpapier –, und die blaue Kurve ist der leicht abnehmende Einsatz von österreichischem Primärholz. Das muß man sich als Forstwirt anschauen, dann weiß man auch, warum es vielfach mit der Forstwirtschaft so schlecht steht. Der Absatz ist am Hund. Wir erzielen für Schleifholz und Industrieware kaum mehr Preise, die Durchforstungen bleiben daher auf der Strecke. Ich werde darauf noch zurückkommen.

40 Prozent des Altpapierverbrauchs wird von der Papierindustrie importiert. Das habe ich schon gesagt. Wäre es nur der österreichische Altpapierverbrauch, dann könnte man noch sagen: Na gut, hier wird ein österreichisches Produkt verwendet, welches auch aus österreichischen Hölzern stammt, und so weiter und so fort. Aber daß hiezu noch importiert wird, auch aus Nicht-EU-Ländern, müßte uns doch allen, insbesondere jenen, die sich der Bauernschaft so annehmen, sehr zu denken geben. Ich glaube, hier muß ehest Abhilfe geschaffen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Seitens der Forstwirtschaft erhebe ich daher die Forderung, verstärkt die Verbrennung von Altpapier in den verschiedensten Heizwerken vorzusehen; diese brauchen das nämlich. Aber das Papier soll verstärkt aus österreichischem Holz gemacht werden. Das ist eine Lösung, das ist ein Vorschlag, das ist auch etwas, was Sie im Kreis Ihrer Ministerkollegen vortragen könnten. Herr Kollege Penz wird sicherlich, wenn er das sagt, bei seinen Versammlungen Zustimmung bei den Bauern finden. Ich gebe Ihnen einen Rat: Sagen Sie das einmal, dann bekommen Sie sicher Applaus, Herr Kollege Penz! (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Penz. )

Es muß nämlich klar aufgezeigt werden, daß die Verwendung ausländischen Altpapiers einen absolut negativen Einfluß auf die Waldpflege hat. Diese ist nicht mehr kostendeckend von den


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 118

Forstbesitzern zu erledigen. Es ist daher die Bedeutung des österreichischen Waldholzes in der Papierindustrie besonders zu propagieren.

Ein anderer Würgegriff für die österreichischen Forstbetriebe ist die österreichische Energiepolitik. Diese ermöglicht es, daß wir natürlich sehr kommode Energien haben. Der Strom kommt aus dem Stecker, hat jemand schon einmal gesagt. Aber wenn in ländliche Bereiche Erdgas geleitet wird, in Leitungen durch bäuerliche Betriebe, wogegen sich die Bauern gar nicht wehren können, denn es gibt ein Erdgasleitungsgesetz, welches eine Enteignung vorsieht, wenn dem nicht nachgekommen wird, dann wird klarerweise, weil Erdgas wirklich eine der praktischsten Energieformen ist, die man im Haushalt haben kann, auch im bäuerlichen Bereich Holz durch Erdgas substituiert. Das heißt, Herr Bauer und Frau Bäuerin werden ihrem Durchholzauftrag in ihrem Wald nicht mehr nachkommen, kommod heizen und den Wald Wald sein lassen. Überall dort, wo Erdgasleitungen hingelegt werden – ich bin aus dem Waldviertel, ich weiß, was ich hier sage –, jammern die Forstinspektionen über nicht mehr erfolgte Waldpflege.

Der Energieträger Holz kann natürlich im Preis nicht mit den fossilen Energien Schritt halten. Das ist mir schon bekannt. Warum kann er nicht mithalten? – Weil die fossilen Energieträger in einer Art und Weise günstig angeboten werden, die nicht mehr vertretbar ist, denn die Wegekosten fallen kaum mehr ins Gewicht, und sie wären die Differenz, die wir für die heimische Energie bräuchten.

Es sprechen viele Gründe für die österreichische Biomasse. Erstens: Die hohe Importquote an Energien, Erdöl, Erdgas, wirkt sich negativ auf die Außenhandelsstatistik aus. Zweitens: Der Einsatz der heimischen Biomasse führt dazu, daß die Wertschöpfung im Inland bleibt. Drittens: Die Durchforstung der österreichischen Wälder legt die Grundlage, um die Stabilität der Wälder sicherzustellen.

Viertens: Es sind so viele Reserven an Biomasse vorhanden, daß nur zwei Drittel des Zuwachses der Holzreserven genutzt werden.

Fünftens: Wir machen uns in einem Maße abhängig, daß wir politische Umbrüche in Lieferländern oder in Ländern, durch die Leitungen führen, nicht auffangen können, wenn wir uns ständig nur noch auf importierte Energien stützen.

Schlußendlich gehen die Vorräte an fossilen Energieträgern weltweit zurück.

Wir brauchen daher eine Unterstützung für den Absatz des Holzes. Ich meine, wer Holz nutzt, schützt den österreichischen Wald, so komisch es tönt. Vor Jahren hat man immer gesagt: Schützt den Baum und so weiter. Wir wissen jetzt genau, wir müssen den Wald schützen.

Und wie schützen wir unter anderem den Wald? – Die phytosanitären Kontrollen, meine Damen und Herren, lassen zu wünschen übrig. Sie finden nämlich nicht mehr an der Grenze statt. Wie wir gestern hören konnten, Herr Kollege Penz, wird das Holz zum großen Teil auf der Donau hereingebracht und dort wird es dann ... (Bundesrat Steinbichler: Da muß man wieder administrieren! Zuerst haben Sie gesagt, wir haben zuviel gemacht!) Ja. Ein großer Teil, von dem wir vielfach nichts merken, kommt auch über die Grenze im Waldviertel herein. Da führt man böhmisches Holz, slowakisches Holz, wahrscheinlich sogar russisches Holz herein. Die Proben werden nicht mehr immer an der Grenze vorgenommen, sondern im Landesinneren. In dem Moment, wo man im Landesinneren zu kontrollieren beginnt, heißt das, daß das Käferholz schon einmal nach Österreich hereingebracht worden ist. Es wird hier transportiert, es wird hier abgelagert, und die süßen kleinen Borkenkäferlein machen keinen Unterschied. Sie wissen nicht, wo sie ausfliegen, sie fliegen einfach aus und bleiben in unseren Wäldern.

Vom Holzeinschlag des vorletzten Jahres – rund 19 Millionen Festmeter – ist etwa ein Siebentel käfergeschädigt und daher auch wertgemindert. Viel Käferholz steht im Wald, weil die Kosten der Schlägerung für die Forstwirte nicht tragbar sind.

Wir reden immer vom Wildverbiß. Der Wildverbiß ist eine Seite. Er ist hier deutlich ausgewiesen. Er geht zum Teil zurück, und darüber sind wir froh. Aber eine besondere Gefahr für die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 119

Wälder ist die soziale Übernutzung. Die soziale Übernutzung der Wälder ist meistens im städtischen Nahbereich gegeben, wo Herr und Frau Österreicher ihre Spaziergänge machen. Dort sehen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht, sagt man. Jawohl, Bäume gibt es viele, aber der Wald besteht nicht nur aus Bäumen, sondern er besteht aus einer Unzahl weiterer Pflanzen, von Großtieren und Kleintieren, die, wenn die soziale Übernutzung vorhanden ist, sich nicht in dem Maße entfalten oder nur einseitig entfalten können. Und Wildverbiß ist eindeutig auch eine Folge des sozialen Stresses, dem das Wild ausgesetzt ist.

Wir wissen auch, daß im Bereich von Schipisten die soziale Belastung des Waldes sehr stark ist, weil ja nicht jeder nur auf Pisten fährt. Elegant ist es – speziell im Frühjahr – neben der Piste zwischen den jungen Bäumen zu fahren und – so ähnlich wie das Wild die Wipfel abbeißt – die Wipfeln abzuhacken. Das Wild frißt sie noch auf, aber der Schifahrer hackt den Wipfel weg, und der Baum ist dann in seinem Wuchs geschädigt.

Die Situation für den Wald ist so schlecht oder so gut, wie sie jetzt ist, sie ist auf jeden Fall besser als vor 250 Jahren. Vor 250 Jahren war die Situation für den österreichischen Wald katastrophal. Er war nämlich die Energiequelle schlechthin, die wir hatten, auch in der Industrie. Es gab Überholzungen, und erst vor etwa 250 Jahren begann man, sich der Nachhaltigkeit der Nutzung der Wälder zu besinnen – natürlich mit dem jeweiligen technischen oder sachlichen Verstand, den man damals aufbringen konnte, und es entstanden – aus heutiger Sicht fürchterliche – Monokulturen. Diese Monokulturen werden aber schon seit rund 50 Jahren – vielleicht länger, vielleicht weniger lang – durch Mischwaldkulturen ersetzt und tragen dazu bei, daß der österreichische Wald durchaus seinen vier Funktionen – Naturfunktion, Schutzfunktion, Produktionsfunktion und Kulturfunktion – nachkommen kann.

Wir können wahrscheinlich sagen, unsere Waldungen dienen als Vorbild für viele europäische, aber auch außereuropäische Wälder, denn 25 Prozent der österreichischen Wälder sind naturnahe, 41 Prozent mäßig verändert, 27 Prozent stark verändert und nur 7 Prozent künstlich.

Wer mit Wald wirtschaftet, macht eine Gratwanderung zwischen Naturnutzung und Naturerhaltung. Es gibt einige Organisationen in Österreich, die sich sehr um den Wald und um den Holzabsatz bemühen. In Oberösterreich zum Beispiel gibt es die Organisation "Holzpark Böhmerwald". "Holz aus der Region für die Region" ist ein weiteres Schlagwort dafür.

Ich glaube, das muß es werden, denn das Holz eignet sich vielleicht als einer der wenigen Werkstoffe für viel mehr als nur zum Verbrennen oder dafür, schwere Balken daraus zu machen, es eignet sich auch in Bereichen, wo man meint, daß es aus feuertechnischen Gründen nicht verwendet werden kann. Holz ist gerade unter Berücksichtigung feuertechnischer Gründe viel besser verwendbar als Metall, denn Holz hat einen höheren Dämmwert, also hohen Feuerwiderstand, es ist nicht hellhörig in Bauten – es geht ihm nur ein falscher Ruf voraus, daß es hellhörig wäre, weil einzelne Bauleute das Holz nicht richtig einsetzen; es ist nicht hellhörig –, und es hat eine längere Lebensdauer als Metall und Beton, wobei wir bei Beton noch nicht einmal entsprechende Erfahrungswerte haben. Bei Holz wissen wir, daß Bauten ohne Aufbereitung länger als hundert Jahre halten können. Sie müssen nur ein bißchen gepflegt werden. Wir wissen, daß das Holz mit entsprechenden Imprägnierungen oder modernem Holzschutz weit über hundert Jahre halten kann.

In Murau in der Steiermark – die grüne Mark, die hat es gezeigt – ist eine Hauptstraße mit einer Brücke versehen worden, die aus Holz gebaut worden ist, eine Brücke aus Holz, die alle Belastungen der modernen Verkehrswirtschaft aushält und sicherlich nicht nur als Hobby der Benützer gebaut worden ist, sondern um zu zeigen: Hier ist Holz technisch vielseitig verwendbar. Und diese vielseitige Verwendbarkeit gehört von seiten des Ministeriums viel mehr noch propagiert. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Bartenstein. )

Ja, Sie sagen etwas Wichtiges, Herr Bundesminister. Die Bauordnungen sind Landessache. Es liegt aber an Ihnen, Herr Bundesminister, ein bißchen darauf einzuwirken, daß die Landesbauordnungen nicht so angeglichen werden, daß sie identisch sind, sondern so novelliert werden, daß sie das Holz nicht mehr diskriminieren. Derzeit wird Holz noch in der Mehrzahl der


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 120

Fälle diskriminiert, in der Steiermark jedoch wurde das Holz aus der Diskriminierung herausgenommen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Zum Schluß kommend möchte ich festhalten, daß der Forstbericht Mängel aufweist, die nicht am Bericht als solches liegen. Die Leute, die den Bericht gemacht haben, können nichts dafür, aber das, was drinnensteht, gereicht den Holz- und Waldbesitzern nicht zur Freude. Der Waldbesitzer ist das Opfer einer verfehlten Wirtschaftspolitik, welche das Holz diskriminiert. Es muß wieder festgelegt werden – das habe ich vorhin schon gesagt –: Wer Holz nutzt, nützt Österreich und schützt den österreichischen Wald! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hager. – Bitte.

18.10

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der vorliegende österreichische Waldbericht 1995 des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft bietet eine ganze Fülle von Informationen. Dominierend sind naturgemäß die wirtschaftliche Lage der Forstwirtschaft und der Waldzustandsbericht, sind doch diese Themen für die österreichischen Waldbesitzer, wie wir es jetzt auch von Kollegen Gudenus gehört haben, am wichtigsten.

Für mich persönlich bedeutet Wald nicht Besitz, für mich persönlich bedeutet Wald auch nicht Wirtschaftsbetrieb, meine Damen und Herren, nicht Raum, um den Jagdtrieb auszuleben, denn Wald ist für mich Erholungsraum und Sinnbild für eine lebenswerte Umwelt.

Das Forstgesetz 1975 widmet der Benützung des Waldes zu Erholungszwecken einen eigenen Abschnitt. § 33 Abs. 1 des Gesetzes besagt: "Jedermann darf Wald zu Erholungszwecken betreten und sich dort aufhalten." – Alleine dieser Paragraph, meine Damen und Herren, zeigt, welche Bedeutung der Gesetzgeber dem Erholungsraum Wald beimißt. Die Eigentumsrechte der Waldbesitzer werden hinter das Recht der Allgemeinheit auf freien Zutritt in den Lebensraum Wald gestellt. Natürlich sind Benützungsbeschränkungen gegeben, die zweifellos ihren Sinn zum Schutz des Waldes haben.

Der Gesetzgeber geht aber im Forstgesetz 1975 noch weiter. Mit § 36 schafft er die legistische Möglichkeit der Erklärung von Waldgebieten zum Erholungswald. Und an dieser Stelle kehre ich wieder zum österreichischen Waldbericht zurück. Diese umfangreiche Sammlung von Fakten bietet leider keine direkte Information über den Wald als Erholungsraum für den Menschen in unserem Land. Im Waldbericht 1995 findet sich leider auch kein Kapitel über den Erholungswald gemäß § 36 des Forstgesetzes, lediglich im Kapitel "Forstliche Raumplanung" wird dieser Bereich kürzest angerissen.

In der Einleitung zum Waldbericht 1995 steht noch geschrieben – ich zitiere wörtlich –: "Die Ressource Wald wird von der Öffentlichkeit zunehmend als jener Lebensbereich angesehen, der einerseits Schutz, Wohlfahrt, Erholung und Einkommen bietet, aber andererseits weit über diese Wirkungen hinaus Qualitäten entfaltet, die nachhaltig zur Verbesserung auch anderer ökologischer Systeme beitragen." – Zitatende.

Der Waldbericht 1995 geht ein auf den Schutz, geht ein auf die Wohlfahrt und das Einkommen, das der Wald bietet, aber zur Erholungswirkung des Waldes verschweigt er sich komplett. Nur indirekt finden sich im Waldbericht Hinweise auf den Erholungswald. Tabelle 39 weist aus, daß 1995 rund 1,8 Milliarden Schilling für forstwirtschaftliche Maßnahmen ausgegeben wurden. Davon entfielen auf Maßnahmen, die die Erholungswirkung des Waldes betreffen, bescheidene 16,8 Millionen Schilling. In Tabelle 43 findet sich dieser Betrag aufgeschlüsselt nach Bundesländern wieder. Daraus geht hervor, daß in der Steiermark, die mit einer Waldfläche von rund 891 000 Hektar, somit einem Viertel der gesamten Waldfläche Österreichs ausgestattet ist, 1995 unter dem Titel "Erholungswirkung des Waldes" überhaupt nur 40 000 S ausgegeben wurden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 121

Meine Damen und Herren! Ich habe volles Verständnis für die Anliegen der österreichischen Forstwirtschaft und für die wirtschaftlichen Sorgen der Waldbesitzer Österreichs. Ich möchte aber doch darum bitten, den Zugang zum Thema "Wald" nicht ausschließlich über Rundholz- und Schnittholzpreise zu suchen. Der Anteil der Forstwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt betrug 1995 12,8 Milliarden Schilling, das sind 0,5 Prozent. Eine respektable Leistung, würde ich sagen. Im Verhältnis zur Größe des Ökosystems Wald wage ich aber zu behaupten, daß wir mit dem Begriff "Wald" wesentlich bedeutendere Werte verbinden müssen als rein ökonomische.

So würde ich mir wünschen, daß in künftigen Waldberichten die enorme Bedeutung des Waldes als Erholungsraum, den nicht nur wir Österreicher selbst nützen, den wir auch als wesentlichen Werbefaktor in der Fremdenverkehrswirtschaft einsetzen, deutlicher herausgearbeitet und mit konkreten Zahlen unterlegt wird.

Im übrigen darf ich feststellen, daß meine Fraktion den österreichischen Waldbericht 1995 zur Kenntnis nimmt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schaufler. – Bitte.

18.15

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Damen und Herren! Da wir jetzt Taferl mit nicht sehr eindrucksvollen Darstellungen gesehen haben, auf denen der Wald als Kümmernis bezeichnet wurde, möchte ich feststellen: Ich schätze den Wald und betrachte ihn nicht als Kümmernis. Mich hat aber auch der Beitrag des letzten Redners doch ein bißchen verwirrt – möchte ich fast sagen –, denn den Wald so kalt zu enteignen, ist eigentlich nicht unser Ziel, denn Eigentum muß Eigentum bleiben, und mit Eigentum soll auch, wenn dort Arbeit eingebracht wird, Einkommen erzielt werden können. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Waldbericht 1995 unterscheidet sich im wesentlichen nicht so sehr vom letzten Bericht 1994. Das ist nur natürlich, denn der Wald hat eine lange Umtriebszeit, und so mancher Förster, der einen Wald aufgeforstet, ausgepflanzt hat, hat ihn nie als reifen Wald erlebt, weil das halt länger dauert als ein Arbeitsleben oder das Leben eines Menschen.

Wenn man den Waldbericht betrachtet, ist es so, daß sich die Tendenz der Vermehrung der Waldfläche auch in den letzten Jahren nicht geändert hat. Der jährliche Zuwachs an Wald beträgt zirka 2 000 Hektar und hält unverändert seit 1980 – vorher war es sogar etwas mehr – an.

Bei den zunehmenden Waldflächen ist positiv zu vermerken – daran zeigt sich, daß forstliche Maßnahmen greifen –, daß doch der Mischwald mehr wird und die Fichtenmonokulturen – oder der sogenannte Fichtenacker, wie es der Waldviertel-Beauftrage Direktor Kastner immer zum Ausdruck bringt; das hätte ich gern auch Kollegen Gudenus mitgegeben – zurückgedrängt werden. Diese forstlichen Maßnahmen mit dem Ziel, gesunde Laub- und Mischwälder zustande zu bringen, sind ein Beweis dafür – das ist aus dem Waldbericht herauslesbar –, daß die Richtung stimmt. Mischwälder sind einmal grundsätzlich ganz einfach naturnähere Wälder, sie sind widerstandsfähiger gegen Wind, gegen Schädlingsbefall und andere schädigende Einflüsse.

Endgültig vorbei ist die Zeit, in der man Buchenschößlinge als Unkraut bezeichnet und vernichtet hat. Wie in anderen Bereichen ist es auch in der Forstwirtschaft so, daß man dazulernt, aber – ich sage es noch einmal – durch die lange Umtriebsdauer geht die Veränderung natürlich wesentlich langsamer vor sich.

Dem Wald setzt vieles zu, dem Wald wird vieles, allzu vieles zugemutet. Nun, was setzt dem Wald so stark zu, daß wir oft schon von nicht mehr ganz gesunden Wäldern sprechen? – Schädlinge, allen voran der Borkenkäfer. Mein Vorredner Gudenus hat sehr umfangreich über vieles gesprochen, aber über diese Schädlinge nicht, und er hat, obwohl Waldviertler Waldbesitzer, auch nicht über den Eis- oder Rauhreifbruch des vorangegangenen Jahres gesprochen. Das hat natürlich auf die gesamtwirtschaftliche Situation der Waldbesitzer ganz wesent


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 122

lichen Einfluß gehabt. Seit dem großen Windbruch hat sich ja im Wald keine Phase mehr ergeben, von der man sagen könnte, es sei wieder alles in Ordnung. Es waren immer wieder große schädigende Einflüsse vorhanden.

Obwohl der Waldbericht auch zum Ausdruck bringt, daß die Entwicklungsbedingungen für den Borkenkäfer im Jahr 1995 etwas ungünstiger waren, sind die Schäden dennoch sehr hoch. 1,7 Millionen Festmeter Schadholz sind durch den Borkenkäfer angefallen.

Ein Problem zeigt sich auch darin, daß der Borkenkäfer heute in Höhenlagen auftritt, die vor zehn Jahren kein Problem darstellten, weil es ihm dort ganz einfach zu kalt war. Es sind halt viele Faktoren, die zusammenspielen und dem Käfer de facto Bedingungen geschaffen haben, die uns wiederum Probleme schaffen.

Ich denke, daß das Jahr 1996 als nasses Jahr vielleicht – neben forstlichen Maßnahmen wie Fangbäume et cetera – doch mitgeholfen hat, den Borkenkäfer etwas zurückzudrängen, sodaß sich 1997 die Situation in diesem Bereich etwas entschärfen wird können.

In Niederösterreich ist ein besonderes Sorgenkind der Kiefernbestand. Hier gibt es eine dramatische Zunahme an Schäden durch diverse Schädlinge. Nicht nur der Borkenkäfer, auch Pilze sind Ursache für das Absterben vieler Schwarz- und Weißkiefern.

Aber auch die Luftverunreinigungen tragen ganz wesentlich zur Schwächung unseres Waldes bei. Österreich selbst kann ja stolz sein, und hier darf ich den Herrn Umweltminister hervorheben, daß die hausgemachte Schadstoffbelastung zurückgegangen ist. Es ist uns gelungen, diese Belastungen zu vermindern. Dieser Weg ist gezielt fortzusetzen. Auf europäischer, ja auf internationaler Ebene ist alles zu unternehmen, damit die Schadstoffbelastungen verringert werden können, damit unsere Lebensgrundlage, die grüne Lunge Wald, nicht nur Bestand hat, sondern auch wieder gesunden kann.

Natürlich setzt dem Wald auch das Wild zu, durch Verbißschäden et cetera. Das möchte ich gar nicht verschweigen. Ich möchte aber auch feststellen, daß Verbiß- und Schälschäden derzeit meist nicht mehr auf überhöhte Wildbestände zurückzuführen sind, sondern andere Ursachen haben. Es wird dem Wald seitens der Gesellschaft vieles, allzu vieles zugemutet. Es gibt keinen Einwand gegen eine Öffnung des Waldes für Wanderer und Erholungssuchende, aber der Wald kann nicht zum Sportplatz, zum Rummelplatz, zur Rennpiste werden. Der Wald und seine Bewohner benötigen Ruhe. Das Wild braucht den Wald als letzte Zufluchtsstätte, als Ruheort. Verbiß- und Schälschäden treten dort am häufigsten auf, wo ständig Unruhe herrscht.

Ich habe in den letzten Tagen ein großes Revier besichtigt, eine große Forstverwaltung. In dieser Forstverwaltung eingebettet gibt es ein Gatter mit zirka 400 Hektar, in dem ein sehr hoher Rotwildbestand vorhanden ist und das dennoch nur ganz geringe Wildschäden und Verbißschäden aufweist. Des Rätsels Lösung ist einfach: Das Wild hat dort Ruhe. Das sollten wir bedenken, wenn wir in den Wald, den Dom der Natur, eintreten.

Und noch eines zum Thema Wald-Wild. Ich habe dieses Problem auch wieder in einer großen Forstverwaltung Niederösterreichs angesprochen, und der Forstmeister hat auf meine Frage klar zum Ausdruck gebracht, daß der Rehwildbestand um ein Drittel unter dem forstlich erträglichen Maß liege. Wir haben als verantwortungsvolle Österreicher schon auch dafür Sorge zu tragen, daß die Vielfalt in der Fauna erhalten bleibt. Ein Land ohne Wild bezeichne ich schlichtweg als steril. Das kann und darf nicht die Zielrichtung sein, und ich meine, daß auch die Österreichischen Bundesforste in diesem Bereich umdenken werden müssen.

Der Wald als unser aller Freund ist in vielen Bereichen in einem nicht beneidenswerten Zustand. Viel Pflege, viel Durchforstungsmaßnahmen wären notwendig. Arbeit und damit Arbeitsplätze wären in diesem Bereich vorhanden, aber der Wald, das Holz bringt zu geringe Erlöse. Daher werden Großmaschinen, wie Harvesters, Prozessoren et cetera zur Durchforstung und zu den Arbeiten, bei denen es aufgrund der geographischen Lage eben möglich ist, eingesetzt, um einigermaßen wirtschaftlich diese Durchforstungsmaßnahmen durchführen zu können.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 123

Es bleibt dabei eine Menge brennbares Material zurück, es kann aber aufgrund der zu erzielenden Erlöse nicht aus dem Wald herausgebracht werden. Wir sollten meiner Meinung nach nicht den Weg der Schweden gehen, die dem Motto huldigen: keinen Fuß auf den Waldboden und keine Hand an das Holz. – Das ist die Holznutzung nach schwedischem Muster, und ich meine, das wäre für uns in Österreich der falsche Weg. Wir sollten diesen Weg nicht gehen.

Es wäre nach meinem Dafürhalten zielführender, zumindest im Wald, diesem sensiblen Bereich, statt Großmaschinen Menschen einzusetzen, auch wenn das nur mit Zuschüssen der Gesellschaft möglich wäre. Wie mein Vorredner schon ausgeführt hat, ist der Wald ja für die gesamte Gesellschaft nutzbar. Dann muß auch verlangt werden können, daß für Durchforstungsmaßnahmen, die, was den Erlös angeht, die Arbeit nicht mehr decken, ein Zuschuß gewährt wird.

Ich wende mich nun den Beschäftigtenzahlen im Bericht 1995 zu. Dort stoße ich auf eine Steigerung der Anzahl der Forstarbeiter um 1 106 auf insgesamt 5 807. Das wäre ein Personalzuwachs von beinahe 25 Prozent. Das wäre eine Entwicklung, wie wir sie uns wünschen.

Die Realität, verehrte Damen, geschätzte Herren, ist bedauerlicherweise eine andere. Die Zahl der Forstarbeiter, des gesamten Forstpersonals, also der Arbeiter und Angestellten, ist nach wie vor bedauerlicherweise rückläufig. Die positiven Zahlen des Berichtes sind lediglich auf neue statistische Richtlinien zurückzuführen, wurde uns im Ausschuß auf Befragen erklärt. Das sollte aber doch in künftigen Waldberichten angeführt sein, denn das verfälscht ja doch einigermaßen das Bild. Ich hoffe, damit zur Aufklärung beigetragen zu haben.

Geben wir dem Wald eine Chance, indem wir die vorhandenen Ressourcen nutzen. Dazu brauchen wir holzfreundlichere Bauordnungen, eine Möbelindustrie, die dem österreichischen Rohstoff Holz den Vorzug gibt, und ich meine auch, daß wir diese nachwachsenden Energien besser nutzen sollten. Geben wir dem Wald eine Chance, indem wir, notfalls mit Unterstützung der öffentlichen Hand, genügend Arbeitskräfte zu seiner Pflege zur Verfügung stellen.

Um dem Wald, der Holznutzung einen zusätzlichen Impuls zu geben, aber auch, um die Tätigkeit der in der Forstwirtschaft Beschäftigten einer großen Öffentlichkeit vorzustellen, haben wir vom Österreichischen Landarbeiterkammertag uns bemüht, erstmals die Forstfacharbeiter-Weltmeisterschaft nach Österreich zu bringen; sie wird 1998 in Österreich stattfinden. Es werden etwa 25 bis 30 Nationen daran teilnehmen, und ich meine, daß das für die Waldwirtschaft, daß das für die Holzindustrie eine Chance sein wird, sich ins Schaufenster der Welt zu stellen, um hier neue Impulse für diesen Bereich zu setzen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Waldhäusl. – Bitte.

18.28

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen des Hohen Hauses! Eingangs möchte ich kurz auf zwei meiner Vorredner eingehen, zuerst auf Kollegen Hager – er ist leider nicht mehr im Haus... (Rufe bei der SPÖ: Im Haus schon, aber nicht im Saal!) Sie wissen also, daß er noch im Haus ist. Ich kann es nicht garantieren, denn ich sehe nicht hinaus. Sie können wahrscheinlich durch die Türen sehen. (Ruf bei der SPÖ: Blankounterschriften gibt es bei uns in der Form auch nicht!) Bei euch geht es sogar so weit, daß ihr genau wißt, wenn jemand zu unterschreiben hat oder unterschreiben würde, auch wenn er nicht unterschrieben hat. Sogar so weit geht ihr, ja. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber jetzt sind wir beim Waldbericht. Kollege Hager sähe den Wald am liebsten nur als Erholungslandschaft, als Erholungsgebiet. Über die primäre Funktion des Waldes hat er ja eigentlich nicht gesprochen, aber ich nehme an, daß einige Redner der SPÖ noch auf den eigentlichen Kern zu sprechen kommen werden. Es kann ja nicht die einzige Funktion des Waldes sein, für Fußgänger und ein bißchen für Mountainbiker und für Urlauber zur Verfügung zu stehen. Auch zu dieser Funktion des Waldes stehen wir Freiheitlichen sehr wohl, aber es soll nicht die einzige sein. Wir schließen auch überhaupt nicht aus, daß der Wald in seiner Funktion als Erholungs


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 124

raum den Besuchern, den Urlaubern zur Verfügung steht, jedoch muß aus bäuerlicher Sicht auch die Haftungsfrage, die immer noch nicht geklärt ist, andiskutiert werden. Bei Unfällen haftet nämlich nach wie vor der Besitzer. Es kann doch nicht so sein, daß, wenn sich ein Mountainbiker im Wald verletzt, der betroffene Bauer haftet oder daß, wenn das betreffende Waldstück im Besitz der Bundesforste – jetzt schon ausgegliedert – ist, hier andere haften müssen.

Wenn all diese Dinge einmal geklärt sind, dann kann man über diese weiteren Maßnahmen sehr wohl verhandeln. Ansonsten muß ich den Schutz des Besitzers einfordern, und diesbezüglich unterscheiden wir uns wieder einmal grundlegend, denn Kollege Hager hat gesagt, der Besitzer und die Wirtschaftlichkeit stehen über dem Erholungswert. – Jawohl, wir Freiheitlichen... (Bundesrat Schaufler: Das hat er nicht gesagt!)

Sie selbst haben gesagt, daß es zu keiner Enteignung kommen soll und daß Besitz noch immer etwas ist, wofür wir einzutreten haben. Da bin ich wieder einmal Ihrer Meinung, das bin ich des öfteren, wenn Sie vernünftige Vorschläge machen. Wir Freiheitliche treten für Besitz ein und sind gegen Enteignung. Ich glaube, daß wir das auch weiterhin... (Bundesrat Schaufler: Kollege Hager hat überhaupt nichts von Enteignung gesagt! – Ruf bei der SPÖ: Das ist eine Unterstellung!) Von Enteignung hat er nichts gesagt. Das ist keine Unterstellung, hätten Sie genau zugehört! (Bundesrat Konečny: Das ist schwer!) Herr Kollege Konečny! Es ist schwer, Ihrem Kollegen zuzuhören, das ist richtig, weil er im Wald nur einen Erholungsraum sieht, aber das ist Ihr Problem (Bundesrat Konečny: Nein, nein, überhaupt kein Problem!), und dieses ist in einer anderen Sitzung zu behandeln, aber nicht beim Waldbericht.

Es ist auch über die Einkünfte aus der Forstwirtschaft gesprochen worden. Dazu möchte ich festhalten, daß die Einkünfte aus der Forstwirtschaft sicher nicht mehr so lukrativ sind, daß man sich eine goldene Nase verdienen könnte. Seien wir doch froh, daß es noch Forstbesitzer gibt, die den Wald als Erholungsraum, als wichtigen Faktor im Bereich Umwelt für uns erhalten. Hätten wir den kleinen Forstbesitzer und die großen Bundesforste und Gutsbesitzer nicht, dann wäre das sicher von Nachteil für den gesamten Umwelthaushalt in Österreich, in Europa und auch weltweit.

Noch eine kurze Anmerkung: Wenn Kollege Hager so vehement dafür eintritt, daß in Zukunft die Menschen mehr miteingebunden werden können, dann muß ich sagen, das hätten die Regierungsparteien ja schon verwirklichen können. Wir haben vor der Ausgliederung Wald im Staatsbesitz gehabt, und da war er nicht für den kleinen Mann. Da standen der Wald und sämtliche Immobilien in diesem Bereich nur für Ministerjagden et cetera zur Verfügung, aber der kleine Mann, für den angeblich irgendwann einmal die Sozialdemokraten eingetreten sind, hat davon nie etwas zu spüren bekommen.

Diesen Ball spiele ich eindeutig zurück. Sie hätten lange genug die Möglichkeit gehabt, aber... (Bundesrat Konečny: Aber von den Badeplätzen der Bundesforste haben Sie noch nichts gehört! – Auf welchem Mond leben Sie?)

Wasser predigen und Wein trinken, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, das kann man nicht!

Kollege Schaufler, eines zur Klärung: Kollege Gudenus hat in keiner Weise den Wald als "kümmerlich" bezeichnet. (Bundesrat Konečny: Als "Kümmernis"!) Auch nicht als Kümmernis.

Und weil Sie Kastner und die Fichten und Mischwälder angesprochen haben: Ich bin Ihrer Meinung, daß diese Trendumkehr absolut richtig ist. Auch diesbezüglich hat Kollege Gudenus nicht gesagt, daß der andere Weg der richtige wäre. Kollege Gudenus als Forstwirt wird sicher wissen, daß der Mischwald in Zukunft der bessere Weg sein wird. Ich teile Ihre Meinung, Mischwald ist besser. Ob es Kollege Kastner sagt, ob Sie es sagen, ob ich es sage – wir wissen, daß dieser Weg der richtige sein wird. (Bundesrat Schaufler: Fragen Sie den Forstwirt Gudenus, wie viele Forstarbeiter er hat!) Kollege Schaufler! Fragen an den Kollegen Gudenus richten sie besser an ihn direkt, da geht es schneller.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 125

Sie haben gesagt, bei der Bauordnung sollten Veränderungen eintreten. Nachdem wir beide aus Niederösterreich sind, können wir uns glücklich schätzen, daß es im Zuge der neuen Bautechnik-Verordnung gelungen ist – wieder einmal federführend unter einem freiheitlichen Landesrat; das muß ich auch erwähnen, nachdem jeder ÖVP-Mann immer betont, wenn sein Regierungsmitglied zuständig ist; ich sage: unter Einbindung eines freiheitlichen Landesrates, weil die Kammern und alle Vorfeldorganisationen selbstverständlich mitgearbeitet haben –, etwas Lobenswertes zu realisieren, denn nach der niederösterreichischen Bautechnik-Verordnung ist es jetzt sehr wohl möglich, Holz als Baustoff viel stärker zu nutzen.

Was den Waldbericht an sich angeht: Es ist immer wesentlich, zu sehen, wie der Zustand des Waldes, der Zustand der Schutzwälder tatsächlich ist, weil speziell die Schutzwälder und Bannwälder eine wichtige Funktion haben. Besonders Schutzwälder sind an Standorten, die durch Wind, Wasser oder Erosion beeinträchtigt sind, immer wieder gefährdet. Es ist unverzichtbar, Geld zu investieren und eine Wiederbewaldung sicherzustellen, weil es speziell im Bannwaldbereich die wichtigste Aufgabe ist, Siedlungen, Verkehrswege und nicht zuletzt auch Menschen zu schützen.

In diesem Bereich ist das Augenmerk verstärkt darauf zu legen, daß die Funktion des Schutzwaldes und der Bannwälder aufrechterhalten wird. Ein geschädigter Wald, das wissen wir alle, kann diesen Aufgaben leider nicht mehr gerecht werden.

Eine Anmerkung möchte ich auch noch zu den Rodungen machen. Es geht aus dem Bericht hervor, daß zirka 490 Hektar Rodungen für die Landwirtschaft stattgefunden haben, für Straßen- und Wegebau, Rodungen, die amtlich bewilligt wurden. Es sind auch Ersatzaufforstungen von etwas über 200 Hektar vorgeschrieben worden.

Weniger streng – und ich sage das jetzt aus bäuerlicher Sicht – geht es bei Gewerbe und Industrie zu. An Rodungen für Anlagenerrichtungen sind nur etwa 170 Hektar gemeldet worden, obwohl es – das geht auch aus dem Bericht hervor – weitaus mehr ist. Da gibt es befristete Rodungen gemäß § 18 Abs. 4 und 5 Forstgesetz. Hier sollte in irgendeiner Weise eine Gleichstellung mit der Landwirtschaft erfolgen.

Wir haben heute schon gehört, zirka 2 000 Hektar wachsen jährlich zu, und angesichts dieser Zahl ist es fraglich, ob Ersatzaufforstungen in dieser Größenordnung wirklich notwendig sind. Vor allem im Schutz- und Bannwaldbereich beziehungsweise im normalen Wirtschaftsbereich wäre das sicher einmal zu überdenken.

Das Problem der Verwaldung – das möchte ich noch kurz erwähnen – ist auch noch unter einem weiteren Aspekt zu sehen. Ich komme aus dem Waldviertel und weiß, daß Gebiete, die aufgrund anderer Probleme entsiedelt werden, viel stärker verwalden. Die Dörfer werden leider bis zu 50 Prozent ausgesiedelt. Die Eltern bleiben im Dorf, die Kinder sind meist in Wien und können die Landwirtschaft nicht mehr weiter betreiben, und das hat zur Folge, daß Wiesen und Äcker verwalden.

Das hat natürlich auf die noch bestehenden Betriebe in dieser Region und auf den Fremdenverkehr negative Auswirkungen, weil dadurch das Landschaftsbild und die Erholungsfunktion nicht immer positiv beeinflußt werden. Eine Verwaldung ist nicht immer nur positiv, speziell dann nicht, wenn aus verschiedenen politischen Gründen, die heute nicht zu diskutieren sind, Dörfer sterben, ganze Regionen aussterben. Das ist sicher nicht Sache des Waldes, es ist Sache der Politik, es ist Sache derjenigen, die Politik an vorderster Stelle betreiben: Ich spreche hier die Regierungsparteien an. Es sollte eben wieder einmal Politik für die Dörfer, für den dünn besiedelten ländlichen Raum gemacht werden, dann könnten diese Probleme, wie sie auch im Waldbericht aufgezeigt sind, ein wenig besser bewältigt werden.

Abschließend möchte ich noch, wie heute schon erwähnt, zur Holzkontrolle kommen. Ich habe an dieser Stelle bereits schon einmal dazu gesprochen und immer wieder auf die Problematik hingewiesen, daß, wenn sich das Holz bereits am Lagerplatz befindet und dann erst kontrolliert wird, bezüglich des Borkenkäferbefalls keine effiziente Kontrolle mehr durchgeführt werden kann. Wie oft wird dann dieses schadhafte Holz wieder aufgeladen, von diesem Lagerplatz


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 126

entfernt und anderen Verwertungen zugeführt! Dieses Problem habe ich und haben wir Freiheitlichen des öfteren erwähnt.

Leider Gottes ist es uns nicht gelungen, dieses Gesetz zu verhindern. Ich behaupte hier und heute, daß auch aufgrund dieses Gesetzes der Schädlingsbefall stark gestiegen ist. Ich verweise hier auf Einfuhren aus dem Osten, die über Grenzen im Waldviertel stark zugenommen haben. Vorher – das kann man anhand statistischer Zahlen nachvollziehen – sind viele Transporte an der Grenze Neu-Nagelberg-Gmünd gestoppt worden, weil schadhaftes, schädlingsbefallenes Holz eingeführt worden wäre.

Jetzt fehlen diese statistischen Zahlen, wie oft solches Holz wieder zurückgeschickt wird, weil es kann ja nicht so sein, daß nur, weil sich ein Gesetz geändert hat, plötzlich nicht mehr versucht wird, schädlingbefallenes Holz zu importieren. So ist es ja nicht! Aber wenn es einmal hier ist, bleibt es hier. Das ist so, wie es die Regierung mit den Ausländern macht: Wenn sie einmal da sind, lassen wir sie halt da.

Wir reden heute über den Waldbericht, darum bleibe ich beim Holz. Es ist so, daß aufgrund der Gesetzesänderung auf Kosten der Forstbesitzer eine wirkliche Schlamperei entstanden ist, und wir müssen die Rechnung bezahlen.

Abschließend zum Bericht: Ich wiederhole meine Aussage im Ausschuß, daß der Bericht zu spät eingelangt ist. Wir diskutieren einen Bericht aus dem Jahr 1995, daher muß man über die Aussagen sehr wohl Zweifel haben, denn ein Bericht soll etwas über den aktuellen Zustand des heimischen Waldes aussagen. In diesem Bericht sind in keiner Weise der Schneebruch und die Rauhreifschäden der letzten Jahre beinhaltet. (Bundesrat Schaufler: Aber natürlich steht es drinnen!) Nicht einmal zum Beispiel der Bericht über das Gebiet um den Mannhartsberg, das aufgrund Schädlingsbefall sehr stark betroffen ist, wurde vollständig aktualisiert. Unter anderem lehnen wir diesen Bericht deshalb ab, weil er komplett, so wie viele Berichte, die aus diesem Ministerium kommen, an den Tatsachen vorbeigeht. (Bundesrat Ing. Grasberger: Auf Seite 25 steht das!) So wie der Grüne Bericht ist auch der Waldbericht eine Ansammlung von Statistiken, die letztendlich an den konkreten Maßnahmen und an der Wirklichkeit vorbeigehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Crepaz. – Bitte.

18.43

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Das Schlagwort der achtziger Jahre, das Waldsterben, ist aus den Schlagzeilen und damit aus dem öffentlichen Bewußtsein gerückt. Wenn man Landwirtschaftsminister Molterer Glauben schenken darf, dann hat die Qualität der österreichischen Wälder ein international hohes Niveau. (Bundesrat Ing. Penz: Minister Molterer kann man alles glauben!) Der österreichische Waldbericht 1995, der heute auf der Tagesordnung steht, gibt jedoch nur bedingt Anlaß zur Freude.

Laut Bericht beläuft sich die Waldfläche in Österreich auf 3,88 Millionen Hektar, das sind 46,2 Prozent der Gesamtfläche. Wegen der natürlichen Wiederbewaldung und Aufforstungen im Schutzwald und ehemaligen Acker- und Weideflächen nimmt die Waldfläche in Österreich ständig zu, und das seit Jahrzehnten. Zurzeit nimmt der Wald jährlich um 2 000 Hektar zu.

Der Wald ist ein wichtiges ökologisches System. Er ist ein Lebensraum, der Schutz, Erholung und Einkommen bietet und nachhaltig zur Verbesserung der Umwelt beiträgt. Im Waldbericht wird zum Beispiel festgehalten, daß der Wald einen beachtlichen Beitrag zur Verbesserung der Kohlendioxid-Bilanz leistet. Im österreichischen Holzvorrat sind 155 Millionen Tonnen Kohlendioxid gespeichert. Das sind rund 25 Prozent der von Menschen produzierten Kohlendioxidbelastung.

Obwohl aus dem öffentlichen Bewußtsein ein wenig verdrängt, ist der Wald noch immer gefährdet. Im Zuge der Waldschadensbeobachtung wurde ein unbefriedigender Zustand der Baumkro


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 127

nen festgestellt, vor allem wegen einer übermäßigen Beeinträchtigung durch die Luftverschmutzung. Weite Teile der Waldböden sind versauert. Gerade die Alpen sind gefährdet, die Großflächendeponie der europäischen Luftschadstoffe zu werden. Cadmium und Blei sind in Österreichs Waldböden verbreitet nachzuweisen. Obwohl in Österreich seit 1980 die inländischen Emissionen zum Teil erheblich gesenkt werden konnten, schwächen sogenannte weiträumig verfrachtete Luftschadstoffe, insbesondere Schwefeldioxid, Stickoxide und Ammoniak, die Bäume weiterhin maßgeblich.

In diesem Zusammenhang möchte ich eines klar feststellen: Nur ein europäischer, über die EU hinausgehender Umweltschutz schützt den österreichischen Wald. Der Schutz der Wälder ist ein hervorragendes Beispiel für die Tatsache, daß man weit über die eigenen Grenzen hinausschauen muß, um bestimmte Probleme lösen zu können.

Mit dem Beitritt von Österreich, Schweden und Finnland zur Europäischen Union hat sich die Waldfläche der EU fast verdoppelt. Dementsprechend ist der Stellenwert des Waldes innerhalb der EU gestiegen. Wir müssen aber innerhalb der EU verstärkt auf die Probleme und Schwierigkeiten der alpinen Wälder hinweisen.

Die allgemeine Wirtschaftsentwicklung und vor allem die Öffnung zum europäischen Markt haben der österreichischen Forstwirtschaft kurzfristig einen leichten Aufschwung gebracht. Es wurden eine zunehmende Nachfrage und bessere Wechselkursrelationen registriert. Doch die Marktöffnung brachte auch einen Rückgang des Holzpreises. Wie so viele Wirtschaftsbereiche steht auch die österreichische Forstwirtschaft vor großen europäischen Herausforderungen. Ich hoffe, daß auch die seit 1. Jänner ausgegliederten Bundesforste die Situation meistern werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte jetzt zu einer weiteren grenzüberschreitenden, vor allem für den alpinen Raum wichtigen Initiative kommen, der Alpenkonvention. Leider gibt es zwischen den Unterzeichnern der Rahmenkonvention zum Schutz der Alpen in einigen Bereichen, vor allem bei der Energie und beim Verkehr, große Differenzen. Das Protokoll zum Bergwald liegt bereits ausverhandelt, wenn auch noch nicht unterzeichnet, vor. In diesem Protokoll bekennen sich Österreich, Deutschland, die Schweiz, Frankreich, Liechtenstein, Monaco, Italien, Slowenien und die EU zur Erhaltung, Stärkung und Wiederherstellung der Waldfunktionen, insbesondere der Schutzfunktionen.

Um dieses Ziel erreichen zu können, muß zum einen die Luftverschmutzung reduziert werden, aber auch die Schalenwildbestände und, wenn erforderlich, die Waldweide müssen reduziert werden. Vor allem die Verbißschäden gefährden die sensiblen Waldregionen, die Schutzwälder. 1995 wiesen 69 Prozent der Waldgebiete Verbißschäden auf. Der Wildbestand ist in vielen Gebieten einfach zu hoch. Ein für Jäger attraktives Jagdgebiet mit einem hohen Wildbestand ist für den Wald eindeutig schädlich. Es muß wieder ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Wald und Wild erreicht werden. Dazu müßten aber vor allem die Jäger bereit sein.

In meinem Bundesland Tirol ist der Anteil der Verbißschäden mit rund 25 Prozent durch Weidevieh sehr hoch. Vor allem in Schutzwaldgebieten müssen Wald und Weide stärker getrennt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Abschließend möchte ich mich noch kurz mit den Schutzwäldern beschäftigen. 19,1 Prozent der österreichischen Wälder sind Schutzwälder. Das sind, um Mißverständnissen vorzubeugen, zu schützende Wälder, Wälder, deren Standorte durch abtragende Kräfte wie Wind, Wasser und Schwerkraft gefährdet sind. Es sind Wälder, die ökologisch besonders empfindsam sind. Der Zustand dieser Wälder ist in Österreich höchst unbefriedigend. Knapp ein Viertel dieser Wälder ist vom Verfall betroffen. Vor allem Schutzwälder, in denen kein Holzertrag erwirtschaftet wird, sind überaltert. Und hier schließt sich der Kreis. Gerade die notwendige Verjüngung der Schutzwälder wird durch Wildverbiß und Weideverbiß extrem erschwert.

Gerade der alpine Waldbestand ist ein ökologisch sensibler. Zum einen zeigt der Waldbericht 1995 ganz klar, daß vor allem der hohe Wildbestand dem Wald nicht zuträglich ist. Hier sind die österreichischen Jäger gefordert, umzudenken. Zum anderen wird aus dem Bericht klar, daß die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 128

Luftverschmutzung, die dem Wald besonders zusetzt, zu einem hohen Anteil im Ausland verursacht wird. Um zu verhindern, daß die Alpen eine Großflächendeponie werden, muß die Luftverschmutzung international bekämpft werden. Das ist zum einen innerhalb der EU möglich, zum anderen könnten die Vereinbarungen innerhalb der Alpenkonvention ein taugliches Mittel zum Schutz der alpinen Wälder darstellen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.50

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Steinbichler. – Bitte.

18.50

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf meine Freude zum Ausdruck bringen, daß ich hier in der Länderkammer die Interessen Oberösterreichs vertreten darf, und es gereicht mir persönlich, aber auch meinem Bezirk zur Ehre, daß ich hier sein darf.

Vieles zum vorliegenden Waldbericht wurde von meinen Vorrednern bereits gesagt. Ich darf mir aber trotzdem eine persönliche Anmerkung zu Kollegen Hager erlauben. Sie haben den Wald als Erholungsraum dargestellt. Ich komme aus einem Tourismusbezirk, wo das wirklich ein Thema ist, und wir selbstverständlich mit dieser Thematik beschäftigt sind. Ich verweise aber doch zum Beispiel auf die Problematik, weil es angesprochen wurde, des Schneedrucks. Wenn im Winter Äste, Bäume geknickt werden, kann es durchaus passieren, daß dann in der Sommerzeit, in der Wanderzeit dürre Äste zu Boden fallen und leider Wanderer verletzt werden. Und dann gibt es die offene Haftungsfrage und Versicherungsfrage. Ich denke, bevor diese Fragen nicht gelöst sind, muß man mit diesem Thema sehr vorsichtig umgehen.

Herr Kollege Waldhäusl ist nicht hier. Ich werde ihn später ansprechen und darf zur aktuellen Ausgangslage einige Fakten einbringen.

Es wurde kritisiert, daß der Bericht schon etwas überaltert ist, daß sich die Preissituation seit dem Jahr 1995 natürlich verschlechtert hat. Bei Schleifholz können wir aktuell einen Preis von etwa minus 30 Prozent erzielen und bei Rundholz von minus 20 Prozent.

Ein weiteres Faktum ist, daß die bäuerlichen Forstpflanzenzüchter im letzten Jahr zirka 750 000 Jungpflanzen nicht verkaufen konnten, was einen Wert von zirka 2,2 Millionen Schilling darstellt.

Die Arbeitsmarktlage wurde angesprochen. Da gibt es Zahlen, die das sehr gut vor Augen führen. Ich denke, Präsident Dipl.-Ing. Stefan Schenker, seines Zeichens Vorsitzender des Hauptverbandes der Land- und Forstwirtschaftsbetriebe, hat im Jahr 1950 153 Mitarbeiter beschäftigt, 1983 waren es noch 40, und zum aktuellen Zeitpunkt sind es acht Mitarbeiter. Auch hier kommt die Thematik Mensch/Maschine zum Tragen. Es werden aus Kostengründen verstärkt Prozessoren eingesetzt, es schlägt sich also auch hier die Arbeitsplatzproblematik voll nieder. Dies gibt aber auch wiederum Ausdruck über die Entwicklung in die Zukunft. Eine sinkende Wertschöpfung, fehlende Investitionen führen zu weiterer Zentralisierung und Abwanderung in den Landgemeinden.

Manche eher sehr grün orientierte Zeitgenossen verweisen immer auf die positive Entwicklung und Zunahme der Waldfläche. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß ich aus einem Tourismusgebiet komme, und wir haben das gegensätzliche Problem: Wir haben eine zu starke Verwaldung. Aufgrund der schlechten Ertragslage im Grünland werden leider immer mehr wertvolle Wiesenflächen aufgeforstet, und wir stehen wirklich vor dem Problem, daß zum Beispiel am Attersee der Wald zum See hinzuwächst.

Ein wesentlicher Punkt, der heute auch schon öfter andiskutiert wurde, ist sicherlich der Markt, auf den wir uns mit dem Holz begeben müssen. Es wurde schon die Novellierung der Bauordnung erwähnt, die sicherlich auch in Oberösterreich ein wesentliches Hemmnis dargestellt hat – ich verweise nur auf die bisherige Bestimmung bei Holz und auf die Schlechterstellung gegenüber den anderen Bauträgern. Man muß 3 Meter Abstand zur Grundstücksgrenze halten, bei Holz waren es bisher 8 Meter, das ist aber aufgehoben worden. Ich denke an das Pyro


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 129

technikgesetz, es wurde aber auch schon auf die Möbelproblematik hingewiesen. Ich glaube, es sollte wirklich auf den Möbelhandel Druck gemacht werden, wieder mehr in Richtung einheimisches Vollholz zu produzieren und das Tropenholz zurückzudrängen. Und auch im öffentlichen Bau könnte man verstärkt Holz einsetzen.

Der deutsche Bundesrat Hermann Scheer, er ist seines Zeichens Präsident von EUROSOLAR, sagte kürzlich bei der Hafner-Tagung in Wels: Holz heißt Arbeitsplätze. Und er führte weiter aus: Pflanzen sind natürliche Solarzellen. – Leider sieht ein Teil der in der Forstwirtschaft Tätigen die riesigen Mengen an Restholz immer noch als Abfall.

Warum, geschätzte Damen und Herren, komme ich auf dieses Thema zu sprechen? – Auf hohem wissenschaftlichen Niveau werden in den Gremien, aber auch in den Medien über Ozonloch, über die ganze CO2-Thematik Diskussionen geführt und diesbezüglich Konzepte präsentiert. In vielen Energiekonzepten der letzten Jahre wurden Maßnahmen zum verstärktem Einsatz von erneuerbarer Energie beschlossen – anfangs oftmals von wesentlichen Entscheidungsträgern belächelt. Aber dieser Weg setzt sich Gott sei Dank immer mehr durch.

Herr Gudenus, es ehrt mich, daß Oberösterreich hier als Vorzeigebundesland bestätigt wurde. Es ist tatsächlich so: Wir haben zirka 6 000 Hackschnitzelheizungen, noch übersichtlicher und aussagekräftiger sind aber die Zahlen aus dem Bezirk Vöcklabruck. Dort werden mit vier genossenschaftlichen Hackschnitzelheizungen 260 Objekte beheizt, davon auch viele öffentliche Gebäude, Gemeindeämter und Schulen. Der Jahresbedarf dieser vier Anlagen beträgt 37 000 Schüttraummeter und entspricht einer Verwertung von Pflegeholz im Ausmaß einer Fläche von 750 Hektar. Dazu kommen noch die privaten Hackschnitzelheizungen in Privathaushalten und bäuerlichen Betrieben, wo in 500 Anlagen durchschnittlich 40 Schüttraummeter verheizt werden, was wiederum 20 000 Schüttraummeter sind. Im gesamten Bezirk Vöcklabruck wurden also im heurigen Winter zirka 1 000 Hektar Pflegeholz verwertet – ich denke, sehr sinnvoll und sehr ökologisch.

Infolge des langen, kalten Winters gibt es immer wieder Beiträge in den Medien hinsichtlich der langen Heizperiode, der teuren Heizkosten. Wir in Vöcklabruck beweisen – und das ist nachvollziehbar, ich lade ein zu Exkursionen –, daß die Hackschnitzelheizung sehr wohl mit den fossilen Energieträgern konkurrieren kann, weil durch einen Mischpreis die Konsumenten bei den Nahwärmewerken dieselbe Preisbasis haben – ich sage bewußt: bei den Nahwärmewerken. Es ist dies natürlich eine ökologisch verträgliche Variante, und gleichzeitig – ich denke, auch ein wesentlicher Vorteil für die Konsumenten – handelt es sich um eine krisensichere Energie. Die Konsumenten müssen nicht befürchten, daß Terroristen irgendwann bei politischen Spannungen eine Pipeline sprengen.

Zum Abschluß einige Fakten hinsichtlich CO2: Der Wald leistet einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der CO2-Bilanz. 60 Millionen Tonnen Kohlendioxidbelastung verursachen wir Menschen durch unsere Lebensweise, 16 Millionen Tonnen CO2 – sprich: Treibhausgas – werden im Holzvorrat gespeichert. Jeder zusätzliche Einsatz von Holz und Holzprodukten verbessert diese Bilanz positiv.

Dieser Einsatz muß durch zusätzliche Maßnahmen gefördert werden, ich denke hierbei auch an die Kooperation der Ministerien. Ich glaube, es ist zuwenig, wenn sich nur das Landwirtschaftsministerium damit befaßt, sondern, geschätzter Herr Minister, auch Umwelt-, Wissenschafts- und Kulturministerium müßten Hand anlegen, um diesen Weg zu unterstützen.

Ich darf mich jetzt, weil Kollege Waldhäusl hereingekommen ist, auch für die positive Erwähnung der Kammern bedanken. Als Kammerobmann ist es schön, wenn unsere Arbeit auch von der Opposition anerkannt wird. (Bundesrat Waldhäusl: Auch meine Arbeit, ich war nämlich auch da drinnen!) Wunderbar! Wir haben nämlich in Oberösterreich gerade Kammerwahlen gehabt, und lange Zeit hat die FPÖ ja die Abschaffung der Kammer gefordert. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Der Zwangsmitgliedschaft!) Der Zwangsmitgliedschaft, okay. (Bundesrat Waldhäusl: Wie sind die eigentlich ausgegangen?) Ich kann dich beruhigen: Eine satte Mehrheit von 90 Prozent hat meinen Weg bestätigt. Es hat uns seitens der FPÖ nur an der offiziellen Bestätigung gefehlt, in der täglichen Arbeit ist unsere Hilfe sowieso immer schon in Anspruch


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 130

genommen worden. Aber jetzt haben wir diese auch noch – ich bedanke mich recht herzlich dafür. (Beifall bei der ÖVP und Beifall der Bundesräte Meier und Mag. Gudenus. )

Kollege Waldhäusl, ich habe den Waldbericht wirklich gelesen und darf doch darauf verweisen, daß die Schneebruchthematik sehr wohl angedeutet ist, und zwar auf Seite 25. (Bundesrat Waldhäusl: Nicht im aktuellen!) Bitte zuhören, sonst wissen Sie es das nächste Mal wieder nicht – ich zitiere wörtlich –:

"Die von Mitte November 1995 bis in den Januar 1996 reichende feuchtkalte Witterung hat im Osten und Süden Östereichs zu schweren Bruchschäden geführt. Infolge Rauhreifs, Eis und Schnees wurden in Niederösterreich rund 600 000 fm Schadholz, in Kärnten rund 550 000 fm Schadholz und in der Steiermark zirka 350 000 fm gemeldet." (Rufe bei der ÖVP: Hört! Hört! – Bundesrat Waldhäusl: Eine Frage im Ausschuß hat bestätigt, daß diese Zahlen nicht so zu übernehmen sind, daß sie nicht aktuell sind! Ich glaube den Leuten vom Ministerium mehr!)

Herr Kollege! Ich darf darauf verweisen, daß ich ein sehr gutes Verhältnis zum Ministerium habe. Ich glaube allerdings nicht, daß ich eine Extraausgabe bekommen habe, sondern es handelt sich, wie ich meine, um jene Ausgabe, die alle erhalten haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir können uns dann gerne noch über diese Fragen unterhalten, aber nun zurück zum Thema. Der freie Wirtschaftsjournalist Ernst Swietly verweist in einem Gastkommentar am 30. Jänner 1997 auf die verstärkten Bemühungen der EU – das wurde heute schon angesprochen – im Hinblick auf die Einführung einer europaweiten CO2-Steuer.

Die Holländer, die bis Mitte 1997 in den wesentlichen Gremien den Vorsitz führen, sind sicherlich auch aus eigenem Interesse bemüht, verstärkt Druck zu machen, weil sie genau wissen, daß sie, wenn das Polareis schmilzt und die Meeresoberfläche steigt, zu den Erstbetroffenen gehören. Wir können nur hoffen, daß wirklich flott nach vorne gearbeitet wird.

Diese CO2-Steuer müßte aufkommensneutral sein und die zu Treibhauseffekten führende Energie belasten. Das heißt konkret, Österreich müßte seine 1996 eingeführte Energieabgabe umgestalten und den Einsatz umweltschonender Energien entlasten.

Geschätzte Damen und Herren! Ich komme zum Ende meiner Ausführungen. Nützen wir die Chance! Die Zahlen aus dem Jahr 1995 zeigen folgendes Bild: Von 100 Wohnungen werden zurzeit 27 mit Öl, 23 mit Gas, 19 mit Holz, 12 mit Fernwärme, 10 mit Strom und 9 mit Kohle geheizt. Ich glaube, wir haben da großen Handlungsbedarf und auch große Möglichkeiten. Leisten wir einen aktiven Beitrag zum Generationenvertrag! Gerade bei der Waldwirtschaft muß über Generationen gedacht werden. Unsere Kinder werden es zu schätzen wissen, wenn wir ihnen eine intakte und gesunde Umwelt hinterlassen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.03

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte.

19.03

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Es war insbesondere in den letzten Diskussionsbeiträgen zum Waldbericht einerseits davon die Rede, daß – fraglos richtig – der Wald durch Luftverschmutzung gefährdet war, gefährdet ist, betroffen ist, andererseits davon, welch wichtige Rolle der Wald als Träger erneuerbarer CO2-neutraler Energie spielt. In beiden Bereichen fühle ich mich als Umweltminister direkt angesprochen. Daher einige kurze Bemerkungen.

Ich meine, daß wir im Bereich der Luftverschmutzung auf das stolz sein können, was Österreich in den letzten Jahren erreicht hat. Österreich ist Weltmeister – noch nicht in Sestriere –, was die Reduktion des Gases, das den sauren Regen verursacht, nämlich des Schwefeldioxids, betrifft. Österreichs Emissionen an Schwefeldioxid sind in den letzten Jahren um nicht weniger als 83 Prozent zurückgegangen. Mehr als vier Fünftel konnten durch Entschwefelung unserer kalo


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 131

rischen Kraftwerke, durch Schwefelreduktionsmaßnahmen im Bereich unserer Treibstoffe konsequent heruntergefahren werden. Das ist eine sehr erfreuliche Tatsache. (Beifall bei der ÖVP.)

Auf der anderen Seite wurde aber schon erwähnt, unter anderem von Frau Bundesrätin Crepaz, daß Österreich als Binnenland in hohem Maße ausländischen Einflüssen ausgesetzt ist. So darf ich Ihnen sagen, daß Österreichs Gesamtemissionen zwar bereits auf rund 75 000 Tonnen reduziert werden konnten, von diesen 75 000 Tonnen SO2 in Österreich selbst deutlich nur mehr unter 10 000 Tonnen emittiert werden. Also wir emittieren 75 000 Tonnen, zwischen 6 000 und 8 000 Tonnen kommen wieder als saurer Regen herunter. Aber mehr als 90 000 Tonnen kommen zusätzlich aus dem Ausland zu uns.

Auch da eine Vergleichszahl: Während Österreich – ich wiederhole das – mehr als 80, nämlich 83 Prozent seiner Emissionen weggebracht hat, sind die Immissionen von rund 200 000 Tonnen auf rund 100 000 Tonnen, also nur um die Hälfte, zurückgegangen.

Daraus ist ableitbar, daß Österreich den Weg der Unterstützung von Entschwefelungsmaßnahmen bei seinen Nachbarn, vor allem bei seinen östlichen Nachbarn weitergehen soll. Es ist mit verhältnismäßig geringen Mitteln möglich, hohe Tonnagen an SO2 wegzubekommen. Allein vier Projekte mit Entschwefelungsanlagen in der Slowakei, in Ungarn, auch in Slowenien – ich erwähne nur Šoštanj, das in Richtung der steirischen und Kärntner Bundesräte – haben zu einem Rückgang der Emissionen im Ausmaß von 231 000 Tonnen geführt.

Es steht jetzt im übrigen die Vergabe des Blocks 5 kurz vor dem Abschluß, des größten Blocks des kalorischen Kraftwerks Šoštanj, das sich nur 40 Kilometer südlich der steirisch-kärntnerisch-slowenischen Grenze befindet, etwa direkt südlich von Lavamünd. Das ist ein weiterer Meilenstein auf diesem Gebiet, auch zur besseren Erhaltung des österreichischen Waldes. In dieser Richtung müssen wir weitermachen. Wir sind auf gutem Wege.

Nun lassen Sie mich aber auch noch einige Bemerkungen zur CO2-Thematik und zur großen Rolle des Waldes als CO2-Senker – das ist schon erwähnt worden –, aber auch zum Träger erneuerbarer Energie machen.

Lieber Bundesrat Steinbichler! Ich darf dir versichern, daß nicht nur das Landwirtschaftsministerium, sondern insbesondere das Umweltressort Mittel für erneuerbare Energieträger unter dem Titel Klimaschutz bereitstellt. Das ist jetzt nicht politisch zu werten, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion! Unter dem Titel Klimaschutz stellen wir 200 Millionen Schilling und damit die Hälfte unserer Umweltförderungsmittel zur Verfügung. Ich darf gerade die Bundesrätinnen und Bundesräte daran erinnern, daß der Länderertragsanteil an der Energiesteuer im Finanzausgleichsgesetz zweckgebunden ist – daran sind insbesondere die Finanzreferenten der Länder immer wieder zu erinnern – für umweltschonende und energiesparende Maßnahmen. Es handelt sich um etwa 840 Millionen Schilling pro Jahr. Beides zusammen ergibt die Klimaschutzmilliarde.

Wir schneiden auch im internationalen Vergleich nicht schlecht ab. Mehr als ein Viertel unserer Primärenergie kommt aus erneuerbaren Energieträgern, davon wiederum etwa die Hälfte aus der Wasserkraft, die andere Hälfte aus der Biomasse. Es ist schon gesagt worden, durchschnittlich bleiben 10 Millionen Festmeter pro Jahr in unseren Wäldern ungenutzt. So viele Biomasseprojekte gibt es gar nicht, daß man diese 10 Millionen aufbrauchen würde. Es braucht also niemand Angst zu haben, daß Biomasseprojekte unseren Wald gefährden. Ganz im Gegenteil, sie würden nur nützen. Herr Gudenus hat ja gesagt: Wer das Holz nützt, nützt auch den Wald. – Die Durchforstung ist ein wichtiges Element in diesem Bereich. Da gilt es weiterzumachen.

Es ist schon richtig: Dort, wo einmal Erdgas ist, kommt die Biomasse nicht mehr hin. Ich plädiere daher durchaus für Raumordnungsvorgaben, die da einen klaren Trennstrich setzen. Da wir uns aufgrund von mehr als 300 000 Arbeitslosen im Jänner dieses Jahres Gedanken machen müssen, möchte ich doch sagen: Es ist für die regionale Wirtschaftsentwicklung, für die regionale Arbeitsmarktsituation von großer Bedeutung – das ist ein Zusatznutzen CO2-neutraler Energieträger abgesehen vom Klimaschutzeffekt –, wenn Energieträger lokal produziert und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 132

genützt werden können und nicht fossile Energieträger in Form von Erdgas oder Erdöl – im wesentlichen natürlich, abgesehen von Niederösterreich – importiert werden müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Hoher Bundesrat! Ich darf abschließend festhalten, es geht jetzt auf EU-Ebene in die Schlußrunde. Die niederländische Präsidentschaft – weil es erwähnt worden ist – arbeitet an einer vernünftigen EU-Position zur Etablierung eines CO2-Mandates für die dritte Vertragsstaatenkonferenz der Klimaschutzkonvention in Kioto im Dezember dieses Jahres.

Weshalb sage ich das? – Geben wir uns bitte keiner Illusion hin, daß es in Kürze zu einer europaweiten CO2-Abgabe kommen wird. Das wird es nicht spielen.

Wichtig ist, daß Österreich gemeinsam mit Dänemark und Deutschland weiterhin ein Vorreiterland dort ist, wo es um ein nationales Commitment, um ein nationales Versprechen hinsichtlich nationaler CO2-Reduktionen geht. Das Toronto-Ziel lautet: minus 20 Prozent bis zum Jahr 2005.

Meine Damen und Herren Bundesräte! Wir verhandeln – ich hoffe, in der Schlußrunde – eine Artikel 15a-Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern, die sogar den Titel "Toronto-Vereinbarung" trägt. Nicht weniger als 60 Einzelmaßnahmen sind in dieser Toronto-Vereinbarung aufgelistet. Wenn Bund und Länder diese Vereinbarung umsetzen, glaube ich, gewährleisten zu können, daß wir bis zum Jahre 2005 die CO2-Reduktion um 20 Prozent auf Basis 1988 noch schaffen können.

Im Moment sind wir etwa auf Stabilitätskurs, wir halten unsere CO2-Emissionen, wir wollen sie aber um 20 Prozent senken. Und da ist die Unterstützung der Länder und natürlich der von den Ländern in den Bundesrat entsandten Vertreter von großer Bedeutung. – Ich bedanke mich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme ist somit angenommen.

6. Punkt

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Gewässerschutzbericht 1996 (III-156/BR sowie 5386/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Gewässerschutzbericht 1996.

Die Berichterstattung hat wieder Frau Bundesrätin Fischer übernommen. Ich darf sie um den Bericht bitten.

Berichterstatterin Aloisia Fischer: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Der Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über den Gewässerschutzbericht 1996 liegt ebenfalls schriftlich auf. Ich darf auch hier auf die Verlesung verzichten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 133

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 5. Februar 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke der Berichterstatterin.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Waldhäusl. – Bitte.

19.12

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen des Hohen Hauses! Ich möchte zunächst über die Wasserqualität, über die Wassergüte im allgemeinen sprechen, speziell auf Fließgewässer und Grundwasser bezogen, denn dieser Bericht soll ja Auskunft darüber geben, wie die Qualität tatsächlich ausschaut und wie diese in Zukunft durch entsprechende Maßnahmen verbessert werden kann.

Bei Fließgewässern unterscheiden wir bekannterweise Güteklassen von I bis IV, die von "kaum verunreinigt" bis "außergewöhnlich stark verunreinigt" reichen. Sie sagen also etwas über den Verschmutzungsgrad aus.

Eine positive Entwicklung ist, daß nun mehr Gewässer der Güteklasse II zuzurechnen sind, das heißt, es hat eine Verlagerung von Güteklasse III, also von stark verunreinigten, zu Güteklasse II, zu mäßig verunreinigten Gewässern, stattgefunden. Bedauerlicherweise ist allerdings eine leichte Abnahme bei der Zahl jener Gewässer, die in Güteklasse I fallen, festzustellen. Dabei handelt es sich um Fließgewässer, bei denen man von kleinen Ökojuwelen sprechen konnte, die kaum verunreinigt waren. Es wäre sicherlich erstrebenswert, diese noch vorhandenen Fließgewässer in dieser Güteklasse zu erhalten.

Die Gründe für diese positive Entwicklung liegen vor allem darin, daß die Zahl der Abwasserreinigungsanlagen zugenommen hat – das heißt, daß die Kanäle verstärkt an Reinigungsanlagen angeschlossen worden sind – und daß auch ein Umdenken in der gesamten Wasserbauwirtschaft eingesetzt hat. Regulierungsmaßnahmen vor 10, 15 Jahren gingen in die Richtung, daß das Wasser so schnell wie möglich und kerzengerade wegfließen soll. Jetzt hat man Gott sei Dank festgestellt – es soll den Leuten allerdings kein Vorwurf gemacht werden –, daß es sich um so positiver auf die Wassergüte auswirkt, je langsamer das Wasser fließt. Positiv sind Rückstaus, Bepflanzungen, Kurven und Beschattungen. Dieser Weg sollte, so meine ich, weitergegangen werden, um eben verstärkt die Fließgewässer in den Bereich der Güteklasse II führen und die Fließgewässer mit Güteklasse I, eben diese Ökojuwelen, erhalten zu können.

Der zweite Bereich, in dem Messungen stattgefunden haben, auf den ich jetzt eingehen möchte, ist das Grundwasser. Es gibt Messungen im Bereich von Nitrat, Pflanzenschutz und halogenierten Kohlenwasserstoffen. Bei Nitrat sind durchwegs gute Ergebnisse erzielt worden, jedoch mit verstärkt regionalen Problemen. Wir können sicherlich nicht ausschließen, daß es vor allem in Gebieten mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung, in denen es große Viehbestände beziehungsweise Überdüngung gibt – etwa in Kärnten, Niederösterreich, in der Steiermark und Oberösterreich –, einige Probleme mit den Nitratwerten gibt. Jedoch möchte ich festhalten, daß es an und für sich sehr gute Ergebnisse gibt.

Bei Messungen im Bereich von Pflanzenschutzmittelrückständen kann man auch zusammenfassend sagen, daß es sehr zufriedenstellende Ergebnisse gegeben hat, jedoch sind Pflanzenschutzmittelrückstände sporadisch doch stärker aufgetreten. Auch hier muß man ehrlicherweise zugeben, daß es durch verstärkte landwirtschaftliche Produktion in bestimmten Gebieten und durch unsachgemäße Handhabung zu Problemen gekommen ist.

Das größte Problem im Pflanzenschutzmittelbereich stellt Atrazin dar. Wir werden dieses Problem verstärkt in Angriff nehmen müssen. Es wird schon seit längerem darüber diskutiert, und man weiß, daß da ein Problem entstanden ist, das unsere Nachkommen und die Nachnachkommen belasten wird und das wir und die Generation, die es verursacht hat, zu verant


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 134

worten haben. Und darum glaube ich, daß man dieses Problem, speziell Atrazin, nicht aus den Augen lassen und sich weiter vehement damit beschäftigen sollte.

Zu den halogenierten Kohlenwasserstoffen möchte ich nur kurz zusammenfassend feststellen, daß es sehr selten hohe Konzentrationen gegeben hat, allerdings ist eine leichte Zunahme zu verzeichnen. Man sollte versuchen, positive Veränderungen herbeizuführen. Geeignete Maßnahmen wären in der Abwasserentsorgung beziehungsweise in der Abwasserreinigung zu setzen. Ich möchte viel lieber den Ausdruck "Reinigung" verwenden, denn Abwasser ist ein Produkt, das man nicht entsorgen sollte. Dort, wo es anfällt, sollte es auch bleiben, da sonst der komplette Grundwasserhaushalt und der komplette Wasserhaushalt beeinträchtigt werden. Somit ist speziell die Abwasserreinigung ein Faktor, der die Güteklasse von Fließwasser beeinflussen kann. Wir haben ja festgestellt, daß speziell im dünnbesiedelten Raum, wo eben der Anschlußgrad noch nicht so hoch ist, besonders die Fließgewässer die Güteklassen II bis III aufweisen, oft auch leider Gottes noch darüber.

Ich verweise hier nur auf ein niederösterreichisches Problem: Wir haben im Waldviertel einen Anschlußgrad von 51 Prozent, wobei wir zum Beispiel im Industrieviertel bereits 84 Prozent haben. Und darum sollten wir uns vermehrt vehement diesen Bereichen, den dünnbesiedelten Bereichen zuwenden, um dort die noch bestehenden kleinen Vorfluter zu erhalten, um die Güteklasse in Richtung II zu verbessern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie das möglich ist. Ich komme noch darauf zu sprechen, werte Kollegen!

Es ist sicherlich so, daß im Zuge der Abwasserreinigung im ländlichen Raum immer wieder die Frage gestellt wurde: zentrale Lösungen, wie es die Zentralisten in unserem Bundesstaat immer wieder gefordert haben, oder doch eher dezentrale Lösungen. Ich kann wirklich jetzt stolz darauf hinweisen: Seit es freiheitliche Wasserlandesräte in den Ländern gibt (ironische Heiterkeit bei der ÖVP), ist Gott sei Dank ein Umdenken in dieser Frage erfolgt. In Niederösterreich ist, seit Schimanek dieses Ressort überhat, wirklich etwas gemacht worden. Vorher hat man dieses Thema verschlafen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist nur dieser Vorgangsweise zu verdanken, in den Ländern eine Diskussion über zentral oder dezentral gestartet zu haben. Ich möchte überhaupt nicht sagen, daß man generell als Variante die dezentrale Lösung ankündigen soll. Man muß es von Standort zu Standort verschieden betrachten und danach entscheiden. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Als Entscheidungsfaktoren stehen sicherlich die geplanten Kosten der Anlagen, die Eignung der Vorfluter, die Wasserführung, die Niedrigstwassermenge in dem bestehenden Vorfluter, die Geländeverhältnisse in bezug auf Transportleitungen und die Aussagen der Planer im Mittelpunkt. Außerdem bedient sich letztendlich jede Kommune eines Planers, eines Architekten.

Ein niederösterreichisches Problem sei hier kurz erzählt: Bevor ein freiheitlicher Landesrat die Agenden übergehabt hat, war es so, daß sich einige Planer, sieben an der Zahl, Niederösterreich aufgeteilt haben; diese haben auch entschieden. All das ist in Niederösterreich unter der Führung von Rot und Schwarz passiert. Ich weiß, daß es schwer ist, das jetzt zu hören. Nur, meine Damen und Herren: Der Tag der Wahrheit kommt für alle. Heute kommt er für Sie. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Heiterkeit bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Als Kriterium ist letztendlich auch die Meinung der Bürgermeister ausschlaggebend. Denn in den Gemeinden, in denen es fortschrittliche Bürgermeister gab, ist diese Diskussion nach tatsächlich objektiven Gutachten und Entscheidungen durchgesetzt worden. Ich verweise auf einen ÖVP-Bürgermeister in meiner Nähe, auf Erwin Hornek in Kautzen – der Herr Minister kennt ihn, er war beim Umwelttag dort –, der ein Bürgermeister ist, den ich hochschätze, und ich wünschte, er wäre nicht der einzige der ÖVP-Riege. (Bundesrat Ing. Penz: Wir haben mehrere von der ÖVP!) – Aber nicht in dem Ausmaß! Die Bürgermeister, die ich jetzt meine, treffen sich mit dem zuständigen Planer in einem Raum, in dem keiner ist, und aus irgendeinem Grund gehen sie auseinander, und plötzlich wird die teuerste und nicht die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 135

sinnvollste Variante gewählt. Da war es wirklich an der Zeit, daß die Freiheitlichen endlich reinen Tisch gemacht haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Darum, meine Damen und Herren, ist es jetzt Gott sei Dank so, daß es im dünn besiedelten ländlichen Raum eine starke Tendenz zu dezentralen Anlagen gibt. Die Vorteile sind eindeutig und klar erkennbar. Ich spreche das große Problem der Schlammverwertung an: Klärschlamm läßt sich in diesen kleinen dörflichen, bäuerlichen Strukturen landwirtschaftlich verwerten. Die Betroffenen wissen, was drinnen ist. Es gibt nicht das Problem, daß in einer großen, zentralen Anlage ein von Betrieben mit Schwermetallen belasteter Klärschlamm entsteht.

Meine Damen und Herren Kollegen des Bundesrates! Die Kosten für den Bürger sind ein Faktor, der, wie auch aus dem Gewässerschutzbericht hervorgeht, im dünn besiedelten ländlichen Raum meistens für die dezentrale Lösung spricht.

Ein weiterer Faktor ist sicher auch die Belebung von trockenfallenden Vorflutern. Wir haben oft das Problem, daß speziell in Trockenzeiten, im Sommer, die Vorfluter in diesen ländlichen Gebieten trockenfallen und der Wasserhaushalt dadurch natürlich gefährdet ist. Schafft man es durch eine dezentrale Lösung, das gereinigte Abwasser wieder in diesen Vorfluter einzuleiten – mit einer Beschattung und mit einem Rückstaumechanismus, sodaß das Wasser nicht so schnell abläuft –, so kann man dadurch ökologisch wertvolle Maßnahmen für den Wasserhaushalt treffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Außerdem gibt uns diese dezentrale Lösung auch die Möglichkeit zur Bildung von Abwassergenossenschaften, in denen sich vernünftige Bürger zusammenschließen, wie wir es schon in Wasserversorgungsgebieten haben, die Hand anlegen und dieses Problem der Abwasserreinigung selbst zu lösen versuchen.

Jetzt möchte ich ganz kurz auf die Frage eingehen, wie all das technisch möglich sein wird beziehungsweise wie es jetzt schon möglich ist. Bisher ist es möglich, bei Einwohnergleichwerten bis zu 50 reine Pflanzenkläranlagen als Stand der Technik bezeichnen zu können, sofern sie bis zu 5 Quadratmeter Fläche pro Einwohnergleichwert aufweisen. Dabei geht man natürlich von einer vertikal-horizontalen Durchströmung der Anlage mit dem Aufbau von Sand, Kies und Schotter und einer dementsprechend zweckmäßigen und standortbezogenen Bepflanzung aus. Aus technischer Sicht wäre da eventuell eine mechanische Vorreinigung als erste Stufe der Pflanzenanlage von Vorteil.

Bei Anlagen bis zu 500 Einwohnergleichwerten, bei denen wir noch immer von dezentral sprechen, setzt sich immer mehr eine kombinierte ein- und zweistufige Lösung durch. Entscheidend dafür, ob man eine zweite Stufe braucht oder nicht, sind der Vorfluter, die Wasserführung, die Wassergüte des Vorfluters und auch die Niedrigstwassermenge des Vorfluters. Die erste Stufe beinhaltet eindeutig die technische Stufe, in der Nitrifikation und Denitrifikation stattfinden. Die zweite, nachgeschaltete Stufe sollte ein Pflanzenbett oder, wie es des öfteren schon gemacht wird, ein Schönteich sein, bei dem jederzeit eine Fläche von 1 bis 2 Quadratmetern pro Einwohnergleichwert ausreicht. Abhängig ist es sicher davon, wie der Vorfluter aussieht. Es ist jedoch so, daß sie von der Immissionsverordnung mehr vorgeschrieben bekommen, als in der Emissionsverordnung gefordert wird.

Ich möchte auf einen Kritikpunkt eingehen, der immer wieder vorgebracht wird, wenn es heißt, die dezentrale Variante sei aus Gründen der Wartung zu teuer. Da verweise ich auf die Möglichkeit der Bildung von Wartungsverbänden, in denen sich mehrere Kommunen beziehungsweise in einer größeren Gemeinde drei, vier oder fünf Betreiber zusammenschließen und dadurch die Kosten senken können. Letztendlich sollte die Entscheidung jedoch ökologisch verträglich sein und vor allem für die Volkswirtschaft die geringsten Kosten entstehen lassen. Wenn nach diesen Gesichtspunkten objektiv, fair und neutral entschieden wird, dann glaube ich, daß für die Umwelt und für die betroffenen Bürger, die nach dem Wasserrechtsgesetz dafür verantwortlich sind, das anfallende Abwasser zu reinigen, sicherlich die sinnvollste Lösung getroffen wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 136

Anzumerken wäre in bezug auf die dezentrale Lösung noch der momentane Wahnsinn der Förderungspolitik. Ich führe hier als Beispiel Niederösterreich an, wo aufgrund der Förderungsmechanismen über ÖKK – Kommunalkredit – die Eigenleistung noch immer zu wenig berücksichtigt wird. Ich gehe davon aus, wenn es im dezentralen Bereich zu einer kleinen Einheit kommt – sprich Abwassergenossenschaft; die Leute bringen sehr wohl sehr viel Eigenleistung ein –, wird sie nicht in der Weise berücksichtigt, wie man es möchte, denn der Grad der Förderung richtet sich leider Gottes noch immer nach der Höhe der Gesamtkosten. Es kann ja nicht so sein, daß, wenn jemand eine billigere Lösung vorantreibt, die ökologisch auch in Ordnung und Stand der Technik ist, der Grad der Förderung nicht ausreicht. (Zwischenruf des Bundesrates Hüttmayr. )

Diesbezüglich spreche ich nicht alleine, Kollege! Das ist etwas, wogegen Schimanek und Blochberger schon längst ankämpfen. (Bundesrat Hüttmayr: Und Achatz!)

Doch Sie werden ja selbst wissen, wo die Förderungspolitik zu Hause ist – vor allem auf Bundesebene. Der Herr Minister hat gerade selbst gezeigt, wo Sie zu Hause sind. Ich nehme an, Sie wissen noch immer, daß Sie in der Regierung sitzen. Sie müssen also, wenn Sie Ball spielen, schon schauen, wo Sie ihn hinschießen. Sie dürfen sich nicht immer ein Eigentor schießen. Letztendlich sind Sie selbst dafür verantwortlich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber der Minister wird uns das Problem der Förderungspolitik sicherlich erklären.

Im Waldviertel sind wir Vorreiter: ÖVP-Vizebürgermeister Bruckner von Großschönau, ein Pilotprojekt in Niederösterreich, in Wörnharts, das Schimanek gemeinsam mit Blochberger gemacht hat, hat dieses Problem des Förderungsmechanismus auch aufgezeigt. Wir stehen also nicht alleine, da sind die Betroffenen – ohne Parteipolitik, lassen wir jetzt das schwarze und das blaue Mascherl weg – die Geschädigten. Ich hoffe wirklich, daß wir gemeinsam etwas für die Bürger erreichen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der nächste Punkt meiner Ausführung betrifft den Klärschlamm. Wie wir ja wissen, ist der Klärschlamm jenes Produkt, das bei der Abwasserreinigung anfällt, das immer wieder zu Problemen führt und leider Gottes, speziell in Niederösterreich, vermehrt zu Problemen geführt hat, da die Entsorgung Schwierigkeiten macht, da dieser Schlamm bereits in vielen bestehenden Anlagen Rückstände aufweist beziehungsweise der Behälter nicht mehr ausreicht. Viele Klärwärter klagen bereits und fragen, was wir in Zukunft damit machen sollten. – Wir sollten wirtschaftlich das Beste daraus machen, weil eine sinnvolle Entsorgung von höchster Bedeutung ist. Das ist das Produkt, das bei der Abwasserreinigung anfällt. Wir alle sind dafür verantwortlich, und es soll auch umweltbewußt entsorgt werden.

Der Mengenanfall ist abhängig davon, ob wir mit Mischsystem oder mit Trennsystem arbeiten, und letztendlich auch von der Art der Phosphorbehandlung abhängig. Bei Anlagen, bei denen wir noch keine Phosphorbehandlung – sprich Phosphatfällung – haben, ist er geringer. Bei Phosphatfällung wissen wir, daß er 20 bis 25 Prozent höher ist. Der Vorteil der dezentralen Varianten der Abwasserreinigung ist sicherlich, daß die landwirtschaftliche Ausbringung von Vorteil ist und sich die Bürger vor Ort ihres Problems bewußt sind und auch den Klärschlamm landwirtschaftlich ausbringen können.

Die derzeitigen Wege der Entsorgung sehen österreichweit folgendermaßen aus: Zirka 31 Prozent werden auf Deponien gelagert – natürlich getrocknet –, zirka 34 Prozent werden verbrannt – das ist leider Gottes die teuerste Lösung, und die Asche muß auch wieder gelagert werden; speziell bei Großanlagen ist dies der Fall –, und 22 Prozent werden landwirtschaftlich ausgebracht. Das wäre sicherlich der sinnvollste Weg, schon alleine von der Kreislaufwirtschaft her gesehen.

13 Prozent werden momentan aufbereitet beziehungsweise kompostiert, vererdet. Da gibt es schon viele Maßnahmen; sowohl in der Steiermark als auch in Niederösterreich, speziell im Waldviertel, werden diesbezüglich schon viele Pilotprojekte gestartet, und es wird eine Vorreiterrolle übernommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 137

Diese Zahlen beziehen sich auf den kommunalen und nicht auf den industriellen Bereich, das möchte ich anmerken. Im industriellen Bereich wird natürlich der übergroße Teil verbrannt und fast nichts landwirtschaftlich ausgebracht und nur ein Teil auf Deponien gelagert beziehungsweise die Asche von der Verbrennung gelagert.

Die Vorteile von landwirtschaftlicher Ausbringung im Zuge einer vernünftigen Kreislaufwirtschaft bestehen sicherlich darin, daß in dem Klärschlamm Nährstoffe wie Phosphor, Stickstoff und auch organische Substanzen für den Humusaufbau enthalten sind. Die Nachteile sind sicherlich die potentiellen Schadstoffe für Boden, Grundwasser und auch für die Nahrungsmittel, die in landwirtschaftlichen Betrieben erzeugt werden.

Faktum ist jedenfalls, daß die Menge des Klärschlammes weiter ansteigt und wir derzeit einen Anfall von Klärschlamm in der Höhe von 186 000 Tonnen Trockensubstanz im kommunalen Bereich und von zirka 130 000 Tonnen im Industriebereich haben. Der ständige Anstieg von Klärschlamm resultiert natürlich auch daraus, daß immer wieder ein höherer Anschlußgrad zustande kommt und eine stärkere Zunahme der Phosphatfällung vom Gesetz her gefordert wird. Wir wissen, daß aufgrund einer Phosphatfällung 20 bis 25 Prozent mehr Schlamm anfällt.

Im Gegenzug nimmt die landwirtschaftliche Verwertung immer mehr ab. Dazu können wir auch ganz klar und deutlich die Probleme und die Kriterien aufzählen. Wir haben Klärschlammverordnungen, die in Länderkompetenz sind, laut denen an und für sich – vom Gesetz her – bis zu 2,5 Tonnen pro Hektar möglich wären, jedoch haben wir seit dem EU-Beitritt ein ÖPUL-Programm, außerdem gilt ein Düngemittelgesetz, wonach fast alle Düngemittel "gestrichen" sind. Aufgrund dieses ÖPUL-Programmes ist eine Ausbringung auf landwirtschaftlichen Böden in der Art und Weise, wie wir sie bisher gehabt haben, nicht mehr möglich.

Ich trete eindeutig auf die Seite der Bauern und sage mit aller Vehemenz: Solange keine Garantie für die Bauern vorhanden ist, daß sie in Zukunft abgesichert sind, speziell im Bereich von Schadstoffen, so lange können wir nicht verlangen, daß die Bauern dieses Problem alleine bewältigen.

In Niederösterreich gibt es schon ein Modell, einen Stiftungsfonds, der für aufgetretene Schäden aufkommen soll. Ich glaube aber, bevor hier keine gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen sind, kann man sich nicht eindeutig darauf verlassen, daß man sagt, die Bauern sollen das in Zukunft für uns übernehmen, speziell in einer Phase, in der wir im Nahrungsmittelbereich immer wieder – ob durch die BSE-Krise oder durch Genmanipulation – den Konsumenten verunsichern, der jedoch Anspruch auf gesunde Nahrungsmittel ohne Rückstände hat. Die Gefahr liegt eindeutig auf der Hand, ich habe es schon angesprochen: Es sind die Schwermetalle. Wir wissen, daß Blei, Kadmium, Quecksilber, Kupfer, Zink, Molybdän enthalten sind. Die Grenzwerte sind zwar von Bundesland zu Bundesland verschieden, letztendlich ist es jedoch so, daß wir aufgrund der Untersuchungen nie wirklich aussagekräftig sagen können – wir können nie 100prozentig garantieren –, daß es keine Rückstände in den Nahrungsmitteln geben wird.

In den Kommunen gibt es weiterhin Quellen, bei denen diese Schwermetalle anfallen werden. Wir werden also diese Bereiche nicht wegbringen können. In der Industrie wäre es möglich, indem man verschiedene Stoffe verbieten könnte. Bei den Gemeinden ist dies nicht möglich, es sind die einzelnen Haushalte beziehungsweise die Waschmittel, Seifen, Haarshampoos, die dazu führen, daß das Abwasser verschmutzt wird. Ich spreche nur von den Tensiden, die auch zum Fischsterben führen, und von den Autoabgasen – Zink, Quecksilber, Blei –, die letztendlich auch im Oberflächenwasser landen.

Aus Sicht der Landwirtschaft ist also eine Ausbringung nur unter einer Absicherung möglich. Außerdem ist es ein bißchen viel verlangt, in Zeiten, in denen ein akutes Bauernsterben stattfindet, auf diese Berufsgruppe zurückzugreifen und zu sagen: Dafür seid ihr uns gut genug, das sollt ihr machen, weil ihr seid ja doch noch vorhanden, und irgendwie werden wir das schon lösen. Mit dieser Variante können wir Freiheitlichen uns sicherlich nicht anfreunden, und ich bin froh darüber, daß die Diskussion nicht ganz in diese Richtung geht.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 138

Wir treten sicherlich in diesem dünnbesiedelten Raum für eine dezentrale Lösung, wenn sie sinnvoll und wirtschaftlich ist, ein. Ich möchte folgendes noch einmal erwähnen: Setzen wir die Beispiele, die wir in Niederösterreich unter der Führung von Hans Jörg Schimanek vorgezeigt haben, österreichweit fort, und wir werden am richtigen Weg sein.

Ich möchte außerdem noch auf die geplante Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union eingehen. Wie werden die Auswirkungen auf die Wirtschaft, auf den Lebensstandard und auf Österreich sein? – Die geplante Wasserrahmenrichtlinie der EU ist nach längerer Vorbereitung der Kommission im Dezember vorgelegt worden, und sie sieht solch einschneidende Veränderungen vor, daß man eigentlich von einem Ende der eigenständigen österreichischen Wasserpolitik sprechen kann.

Wo sind bei dieser Rahmenrichtlinie die Neuerungen? – Die Neuerungen, meine Damen und Herren, sind sicherlich die Bildung von Flußbeckenverwaltung und Flußbeckenbehörden. Worum geht es hier? – Die Einführung von Flußbeckenbehörden sollte laut Entwurf bis 31. 12. 1999 verwirklicht sein. Nach der Definition dieser Richtlinie fällt Österreich in drei Flußbecken: in jenes der Elbe – das sind Teile des Mühlviertels und des Waldviertels –, in jenes des Rheins – Vorarlberg – und der Donau – das ist Restösterreich. Da Österreich jetzt aber überall nur einen Teil dieses Flußbeckens bildet, wird es in Hinkunft keine eigene österreichische Wasserbehörde mehr geben. Ich wiederhole noch einmal: Österreich hat dann keine eigene Wasserbehörde mehr.

Nach der geplanten Osterweiterung, nachdem ja alle davon sprechen, wären zum Beispiel bei der Flußbeckenbehörde Donau auch Slowenien, Kroatien, Ungarn et cetera dabei. Da kann sich jetzt jeder denken, wie diese Behörde in Zukunft aussehen und wie das Arbeiten vor sich gehen wird.

Auf die Auswirkungen dieses Systems möchte ich ganz kurz eingehen. In Mitteleuropa wird es nur internationale Behörden mit riesigen Gebieten geben. Das ist ganz klar. Allein im Flußbecken des Rheins wohnen zirka 60 Millionen Menschen, um nur einmal die Größe hier klar und deutlich aufzuzeigen. Die Donau mit ihrer Länge von rund 3 000 Kilometern wird eine Mammutbehörde zur Folge haben. Die Dimension, die sich hier abzeichnet, kann ich in ihrer Auswirkung wirklich nur als katastrophal bezeichnen. Das, was diese Flußbeckenbehörde zu tun hat, sind die Analyse der Wassernutzung, die Ausweisung von Schutzgebieten, selbstverständlich auch die Überprüfung der Wassergüte, ebenso muß sie schauen, daß die Umweltziele erreicht werden. Es ist aber klar, daß das geregelt sein muß, denn irgend jemand muß ja unsere Kompetenzen übernehmen.

Ich möchte jetzt auf die kostendeckende Wassergebührenberechnung, und zwar nach dem Verursacherprinzip, eingehen. Nach dieser Richtlinie ist jede signifikante Wassernutzung vom Verbraucher in der Höhe der tatsächlichen wirtschaftlichen Kosten, einschließlich der Umweltkosten, zu bezahlen. Ausgenommen davon sind Kommunen und private Haushalte, aber – und das steht leider Gottes auch dabei – nur, wenn die Ausnahmen in einem Flußbeckenverwaltungsplan der Behörde vorgesehen sind. Ich verweise hier auf das Sparpaket: Die Bürger werden immer mehr zur Kasse gebeten, und wir unterstützen die Anschlüsse in diesem Bereich, um die Familien nicht zu sehr zu belasten. Aber diese Unterstützung kann laut EU-Richtlinie nur dann gewährt werden, wenn diese Ausnahmen im Flußbeckenverwaltungsplan ausgewiesen sind.

Ich möchte das wirklich noch einmal sagen, weil speziell die Leute von der ÖVP jetzt nur mehr lachen. Das Problem ist aber so ernst für die betroffenen Bürger. Mir vergeht das Lachen, wenn ich an eine Familie denke – die Frau ist bei drei Kindern zu Hause – mit einem Einkommen in Höhe von 12 000, 13 000 S netto. Und da stehen drei Bundesräte, die außer Lachen nichts zu tun haben. Das, meine Damen und Herren, ist die größte Frechheit, die ich in diesem Hause erlebt habe! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Ing. Penz: Sie wissen ja gar nicht, warum wir lachen! Sie nehmen sich da immer Dinge heraus, die Ihnen gar nicht zustehen! – Woher wollen Sie wissen, worüber wir hier lachen? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 139

Kollege Penz! Sie haben die Möglichkeit, hier herauszugehen (Bundesrat Ing. Penz: Ich gehe hinaus! Darauf können Sie sich verlassen!) und über das, was Ihre Kollegen denken, tun, worüber sie lachen, zu sprechen.

Ich wiederhole noch einmal: Bei dem Gedanken, daß die EU mitentscheidet, wieweit wir in Österreich sozial gefährdete Familien unterstützen, kann ich nicht lachen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wie werden die Auswirkungen auf Österreich aussehen? – Es wird dafür eine internationale Behörde zuständig sein, und Österreich würde die Kompetenzen dadurch verlieren. Die Einführung verschiedener Qualitätsklassen für Grundwasser wäre an und für sich, wenn wir uns den momentanen Stand anschauen, fast ein Rückschritt in diesem Bereich. Ich gehe sogar so weit, daß ich sage, die Milliardenausgaben in diesem Bereich wären mit einem Schlag verloren. Wir sind wieder einmal durch den EU-Beitritt und durch die Übernahme dieser Richtlinie einen Schritt zurück anstatt nach vorne gegangen.

Die Festlegung bezüglich Opfergewässer, Schutzgebiete und großräumige Wasserverteilung geht schon wieder in Richtung Fernwasserleitungen, worauf ich später noch ganz kurz eingehen möchte.

Das Prinzip der Kostenwahrheit bedeutet, daß das Ende des österreichischen Fördersystems in diesem Bereich tatsächlich eintreten wird, und das würde zu einer nicht abschätzbaren Erhöhung der Wasser- und Kanalgebühren führen.

Noch einmal: Wir stehen hier auf der Seite der Bürger. Ich glaube, daß wir den Familien weitere Belastungen – sie haben ja aufgrund des Sparpaketes und der sonstigen Auswirkungen, die es wegen einer verfehlten Politik unserer Regierung gibt, genug Belastungen zu tragen – ersparen sollten.

Ich möchte jetzt abschließend auf den Punkt dieser EU-Richtlinie kommen. Es geht mir hier um das Einstimmigkeitsprinzip. Ich habe im Ausschuß gefragt, ob dieser Entwurf in der Frage der Mehrstimmigkeit auf Einstimmigkeit geändert wird oder ob er so der Kommission vorgelegt wird. Laut Aussage des Ausschusses, wie auch dem Entwurf zu entnehmen ist, wird es, so ist mir gesagt worden, juristisch gesehen, beim Mehrstimmigkeitsprinzip bleiben.

Das heißt, daß mit qualifizierter Mehrheit – obwohl auch die Bewirtschaftung der Wasserressourcen darin geregelt wird – in Zukunft entschieden wird. Das, meine Kollegen des Bundesrates, ist eine der vielen EU-Lügen. Denn vor dem EU-Beitritt ist allen Bürgern versprochen worden, es wird das Einstimmigkeitsprinzip geben, und Österreich kann verhindern, daß Transportleitungen aus unseren Gletschergebieten, aus unseren Wasserressourcen in andere Teile Europas gebaut werden und wir unser Wasser verkaufen, verschenken oder hergeben müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir Freiheitlichen haben davor gewarnt und die Wahrheit gesagt. Wir haben darauf hingewiesen, daß allein dieses Problem ein so wichtiger Punkt ist, daß man die Bürger vorher darüber aufklären muß, denn jetzt, meine Damen und Herren, wie man sieht, ist es zu spät. Wir lehnen deshalb diesen Bericht ab und werden weiter zum Wohle und zum Schutz der österreichischen Bevölkerung für unser Wasser kämpfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meier. – Bitte.

19.47

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zuerst für die Erstellung dieses Gewässerschutzberichtes – die Jahre 1993 bis 1995 umfassend – danken. Er bietet eine Reihe von Informationen statistischer Art, gesetzliche Hinweise, Berichte aus den einzelnen Bundesländern, Hinweise auf die EU-Richtlinien und ist ein wertvoller Behelf für die zukünftige Arbeit zum The


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 140

ma Gewässerschutz, denn über eines sind wir uns sicher alle einig: Wasser wird immer wertvoller. Wasserreinhaltung und Gewässerschutz haben große Priorität.

Ich möchte nun nicht auf die Argumente meines Vorredners eingehen, glaube aber doch, daß er den Einfluß seiner Partei in einigen Landesregierungen in dieser Angelegenheit überschätzt, denn es wird ja in ganz Österreich in dieser Richtung gearbeitet. Sie haben eines richtig gesagt: Es ist dies eigentlich keine Frage der Parteizugehörigkeit und keine Frage der Ideologie, sondern es geht um die Erhaltung und Schaffung der Lebensqualität in Österreich, in unserem ganzen Land.

Vorweg möchte ich auch zu diesem Entwurf einer EU-Richtlinie etwas sagen. Sie kommt ja von der Kommission und nicht vom Rat. Sie hat noch keine Rechtskraft. Die Schauermärchen aber, die Sie glauben, den Bürgern erzählen zu müssen, daß jetzt Österreich sein Wasser nicht nur bis Spanien, sondern sogar bis in die Sahara liefern muß, haben damit überhaupt nichts zu tun.

Es ist auch unrichtig, daß in Österreich aufgrund dieser europäischen Flußbeckeneinteilung keine Zuständigkeit mehr verbliebe. Es ist natürlich klar, daß man die großen Flußsysteme Europas sehen muß, etwa den Rhein oder auch die Donau, und daß natürlich der Schmutz grenzüberschreitend ist. Wir müssen Konzepte und Richtlinien finden, die für alle Länder gleich gelten. Es kann nicht ein Land sagen, wir lassen soundso viel Verschmutzung in den Flüssen zu, und im Nachbarland ist dieser Prozentsatz geringer oder größer. Da müssen wir zu Einheiten zusammenfinden. Das ist das Ziel dieser EU-Richtlinie.

Was die Donau betrifft, so ist es so, daß das auf jeden Fall für die Mitgliedsländer zu gelten hat. Ich habe keine Sorgen, daß Rumänien und alle Länder bis zur Donaumündung so rasch Mitglieder der EU werden. Zu behaupten, daß uns diese heute schon dreinreden und wir nichts mehr zu reden hätten, das kann wirklich nicht richtig sein.

Ich glaube, daß Österreich auf diesem Sektor sehr viel geleistet hat. Es gibt viele Projekte. 75 Prozent der Haushalte Österreichs sind an öffentliche Abwasserreinigungsanlagen angeschlossen, und das Ziel ist, in den nächsten zehn Jahren 10 Prozent mehr anzuschließen. Jetzt könnte man sagen, na ja, 20, 25 Prozent sind noch nicht angeschlossen, das ist doch noch recht viel. Es handelt sich dabei aber eher um die dünner besiedelten Gebiete, wo natürlich die Errichtung einer Abwasseranlage pro Laufmeter und pro Hausanschluß teurer kommt. Es muß sicherlich nicht alles zentralisiert sein. Ich stehe diesem Problem insofern ganz locker gegenüber. Es hat sachlich geprüft zu werden, welche Art der Reinigung aufgrund der gegebenen Verhältnisse die zweckmäßigste ist. Und Sie haben auch richtig gesagt, es gibt Vorfluter, die im Sommer trocken sind, und es gibt auch solche, die im Winter trocken oder zugefroren sind. Das hängt auch von der Höhenlage ab. Und dort ist auch mit der Pflanzenkläranlage schwer zu arbeiten, weil im Winter kein Reinigungsgrad erreicht werden kann. Das muß also technisch geprüft werden und soll nach dem Stand der Technik behandelt werden. Daß man natürlich keine 30 Kilometer lange Leitung baut, um zu einer zentralen Kläranlage zu kommen, auch wenn es in kleinen Regionen oder mit 50 Anschlüssen möglich ist, muß auch klar sein.

Wir haben eine große Leistung erbracht – ich spreche als ehemaliger Bürgermeister –, weil wir im steirischen Salzkammergut für 8 000 Einwohner mit 25 000 Einwohnergleichwerten für den Tourismus, der auch Abwasserprobleme mit sich bringt, 300 Millionen Schilling am Ursprung der Traun investiert und in diesen Salzkammergutseen sozusagen Trinkwasserqualität erreicht haben.

Wer hat das getragen? – Zuerst einmal die Bewohner selbst durch sehr hohe Anschlußbeiträge und weiters auch durch Gebühren, zweitens die Gemeinden, die jene Differenzen gezahlt haben, die den Bürgern gar nicht mehr zumutbar waren, damit das kostendeckend ist, drittens die Bundesländer und letzten Endes auch der Bund im Wege des früheren Wasserwirtschaftsfonds und des späteren Umweltfonds und der Kommunalkreditbank.

Ich glaube, man sollte auch das Positive der Vergangenheit sehen, und wenn man in diesem Bericht liest, welche Qualität diese Seen und Gewässer erreicht haben, wenn man sich die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 141

Flußgütetabelle anschaut, dann muß man sagen, es ist wirklich viel Positives erreicht worden, und das drückt sich auch in diesem Bericht für die drei Jahre aus.

Gott sei Dank haben wir in Österreich viele Niederschläge, vor allem nördlich des Alpenhauptkammes – Salzburger Schnürlregen; bei uns daheim regnet es auch hie und da –, nämlich 1 170 Millimeter im Durchschnitt. Das ist doch ganz gewaltig. Es stehen also 84 Milliarden Kubikmeter Wasser zur Verfügung stehen, davon ist ein Drittel allein Grundwasser. Nur ein geringer Teil dieser Menge wird für wirtschaftliche Zwecke genützt. Das heißt, die Ressourcen sind groß, aber diese Ressourcen können nicht früh genug geschützt werden, sowohl von ihrer Quantität als auch von ihrer Qualität her, und das geschieht mit den Maßnahmen, die auch im Bericht dargestellt worden sind.

Der Bericht führt über die Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 als gesetzliche Grundlage der Maßnahmen die Allgemeine Abwasseremissionsverordnung einschließlich der EU-Richtlinien, die Emissionsverordnung für kommunale Abwasser in der Neufassung aus dem Jahre 1996 und die Reinigung der industriellen Abwässer an. Es wird die Situation in den einzelnen Bundesländern, die recht erfreulich ist, auf den Seiten 198 bis 226 dargestellt. Es wird über die Abwasserentsorgung in den Ballungszentren und in den dünner besiedelten Gebieten berichtet, es werden die Gewässergüte und die Auswertung der österreichischen Fließgewässer angegeben – und viele andere Übersichten auch, die bei der Beurteilung der zukünftigen Maßnahmen dienlich sind.

Es werden auch die Sanierung von Altanlagen und die Erstellung von Sanierungsprojekten angeschnitten, und gerade an diesem Kapitel erkennt man, wie wichtig die Vorsorge ist, denn die Sanierung von alten Sünden ist immer viel teurer, als wenn man sie vorher schon verhindert hätte, aber sie sind nun einmal da.

Ein wichtiges Thema sind zweifellos die Landwirtschaft und der Gewässerschutz sowie die Anforderungen im ländlichen Raum. Der Klärschlamm ist immer wieder ein Problem. Es gibt natürlich Klärschlamm, der ohne weiteres aufgebracht werden kann, denn in einem ländlichen Gebiet, in dem es keine Industrien gibt, in dem Schwermetalle ausgeschieden werden, ist der Klärschlamm wesentlich unbedenklicher als in stärker industrialisierten Gebieten. Was tun wir mit dem Klärschlamm?, ist oft die Frage. Neben der Aufbringung in der Landwirtschaft muß er entsorgt oder gelagert werden, und zwar so, daß keine Rückstände mehr in das Grundwasser gelangen.

Es gibt derzeit schon Kommissionen für die grenzüberschreitenden Gewässer. Diese haben wir in alle Richtungen: mit Ungarn, mit Slowenien – Mur und Drau –, die Rhein-Kommission, die internationale Kommission für den Bodensee, mit Tschechien und auch mit der Slowakei, bei Italien ist der Alpenhauptkamm sozusagen nahezu eine Grenze, sodaß wir kaum gemeinsame Gewässer haben.

Ich glaube, wir müssen die Folgerungen aus diesem Bericht ziehen, wie weitergearbeitet werden muß – und vielleicht kann der Herr Minister dann dazu noch einige Worte sagen –, aber eine positive Grundlage, die uns Hoffnung geben soll, ist jedenfalls, daß wir jene 10, 20 Prozent, die uns noch fehlen und Lücken auf der Landkarte darstellen, in den nächsten 10, 15 Jahren erreichen werden.

Aus diesem Grund sehen wir von der sozialdemokratischen Fraktion diesen Bericht als sehr positiv und schlagen vor, ihm die Zustimmung zu geben. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.56

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Penz. – Bitte.

19.56


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 142

Bundesrat Ing. Johann Penz
(ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat gemäß dem Wasserrechtsgesetz 1990 einen Bericht über den Gewässerschutz in einem Abstand, der nicht größer sein soll als drei Jahre, vorzulegen. Wir diskutieren heute über den zweiten Gewässerschutzbericht. Und auch ich möchte sehr herzlich jenen Damen und Herren danken, die zur Erstellung dieses Berichtes beigetragen haben, und es sind ja beide Autoren heute hier, denen in besonderer Weise unser Dank gilt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich glaube aber, daß es auch notwendig ist, aus der Vorbemerkung dieses Berichtes zu zitieren, in der wörtlich steht: "Der nunmehr vorliegende zweite Gewässerschutzbericht bildet im wesentlichen eine Fortschreibung dieses ersten Berichtes, um Entwicklungen im Bereich des Gewässerschutzes deutlich erkennbar werden zu lassen." – Und tatsächlich haben sich innerhalb von nur drei Jahren im Gewässerschutz wesentliche Entwicklungen vollzogen, die ich überspitzt formuliert auch als Rückkehr zum richtigen Augenmaß bezeichnen möchte. (Beifall bei der ÖVP.)

Was meine ich damit? – Ich glaube, daß wir uns darüber einig sind, daß die Erhaltung unserer Wasservorkommen in ihrer natürlichen Beschaffenheit und die Sicherung unserer Trinkwasservorkommen höchste Priorität genießen. Das haben alle Parteien zum Ausdruck gebracht. Das ist nicht nur gesetzlich verankert, sondern für uns auch eine Überlebensfrage. Die Frage war und ist allerdings, wie diese Ziele zu erreichen sind. Wie auch dieser aktuelle Gewässerschutzbericht einräumt, wurden die Vorgaben für die Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 zu hoch angesetzt.

Damals meinte der Gesetzgeber – wörtliches Zitat –: "... mit der Schaffung jeweils fachspezifisch strengster Rechtsnormen dem zwischenzeitlich gestiegenen Stellenwert des Umweltschutzes gerecht werden zu müssen." – Wir alle wissen – ich nenne nur das Stichwort Nitrat im Trinkwasser oder die Nitratverordnung –, daß es hier zu wirtschaftlichen, aber auch zu ökologischen Umsetzungsproblemen gekommen ist, die diese Vorhaben teilweise unrealisierbar gemacht haben.

Bleiben wir bei der Abwasserbeseitigung. Ich habe vor drei Jahren in meiner Rede zum Gewässerschutzbericht 1993 vor diesem Hohen Haus auch kritisiert, daß die Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 den ganzheitlichen Ansatz im Bereich der Abwasserentsorgung vermissen läßt, daß sich die zuständigen Behörden unter Berufung auf die Gesetzesbestimmungen ausschließlich auf technische Maßnahmen konzentriert haben und bei der Abwasserentsorgung im ländlichen Raum so wichtige Faktoren wie nachhaltige, ökologische, soziale, raumplanerische und auch wirtschaftliche Faktoren völlig außer acht gelassen haben.

Die Konsequenz daraus war, daß Abwasserentsorgungssysteme, die für urbane, also für geschlossene Siedlungsräume entwickelt wurden – nämlich die gemeinsame Erfassung aller Abwässer in eine Kanalisation und deren Ableitung in eine zentrale Kläranlage –, 1 :  1 für den komplett anders strukturierten ländlichen Raum übernommen wurden. In der Praxis ist es dadurch, wie schon gesagt, zu wirtschaftlichen, aber auch zu ökologischen Problemen gekommen.

Umso erfreulicher ist es für mich – das wird auch aus dem Gewässerschutzbericht 1996 deutlich –, daß in diesem Bereich mittlerweile ein gewaltiger Umdenkprozeß stattgefunden hat. Ein Beispiel: Der Gewässerschutzbericht räumt ein, daß Pflanzenkläranlagen, die vor drei Jahren noch heftig umstritten waren, die geforderte Reinigungsleistung erbringen können.

Ich möchte das Weltbild meines Vorredners, des Herrn Kollegen Waldhäusl, nicht zerstören, aber Tatsache ist – wenn ich diesbezüglich Ihren Horizont erweitern darf, so ist das für mich ein großer Erfolg –, daß wir bereits im Jahre 1984 in Niederösterreich Versuche mit Pflanzenkläranlagen gemacht haben. Aber damals war genau das, wovon Kollege Meier gesprochen hat – etwa auch die Frage, wie diese Anlagen im Winter funktionieren –, nicht geklärt. Es war aber dann dank der Universität für Bodenkultur – dank Professor Biffl und Dozent Haberl, die ich hier nennen darf – möglich, in großflächigen Versuchen in Oberösterreich nachzuweisen, daß Pflanzenkläranlagen unter bestimmten Voraussetzungen dem Stand der Technik entsprechen können. Es war also nicht Herr Landesrat Schimanek, der diesbezüglich einen wesentlichen Schritt


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 143

zur Nutzung der Pflanzenkläranlagen getan hat, sondern ... (Bundesrat Waldhäusl: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe von einer dezentralen Lösung gesprochen! Passen Sie auf, was Sie sagen!) Das ist ja dezentral, Herr Kollege! Pflanzenkläranlagen sind ja dezentrale Lösungen. Pflanzenkläranlagen können Sie ja nur ... (Bundesrat Waldhäusl: Sie kennen sich überhaupt nicht aus!) Das wollte ich Ihnen gerade sagen. Ich wollte sagen, daß das nur für 50 bis 500 Einwohnergleichwerte möglich ist, daher kann das nicht für zentrale ... (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl. )

Ich darf das für die anderen Kollegen noch sagen – Herr Kollege Waldhäusl, bei Ihnen ist es zwecklos –: Bei 50 Einwohnergleichwerten kann es sich natürlich um keine zentralen Anlagen handeln.

Es hat aber nicht nur in dieser Detailfrage ein Umdenken stattgefunden. Ich meine, wir sollten uns hier nicht in Details verlieren, sondern die Situation generell beurteilen.

Die ersten Versuche fanden also in Niederösterreich statt, und ich darf hiemit allen Kollegen, die geglaubt haben, Herr Landesrat Schimanek macht eine großartige Umweltpolitik und Abwasserentsorgung, sagen: Es war Herr Umweltlandesrat Blochberger, der auf Basis des Wasserrechtsgesetzes (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl ) auch ein Konzept für eine gesamtökologische Prüfung der Abwasserreinigung im ländlichen Raum vorgestellt und auch ein Modell für die Beurteilung der Umweltverträglichkeit von Abwasseranlagen erarbeitet hat. Dabei finden nicht nur die Bewertungsumfänge statt, werden nicht nur die Auswirkungen auf die Gewässer geprüft, sondern auch die Auswirkungen auf die Land- und Lebensräume und auch auf den jeweiligen Ressourcenverbrauch.

Die ökologische Bewertung kann damit neben den Investitions- und Betriebskosten auch ein wesentliches Kriterium für die Förderungswürdigkeit eines Abwasserprojektes darstellen. Mit der Anwendung des gesamtökologischen Prüfungsansatzes gelingt es, ökologische Betrachtungen nicht nur aus Gründen des Zeitgeistes anzustellen, sondern damit auch klare Entscheidungsgrundlagen für nachhaltige und umweltgerechte Lösungen zu erreichen.

Umweltgerechte Lösungen in der Abwasserbeseitigung geben aber auch Hoffnung, daß man das Klärschlammproblem in den Griff bekommen kann. Bekanntlich ist ja mangels anderer Entsorgungsmöglichkeiten gerade in den letzten Jahren ein enormer Druck auf die Landwirtschaft entstanden, die Klärschlämme zu entsorgen. Dem stehen allerdings nicht nur die Bedenken der Bauern, die Bedenken der Konsumenten, sondern auch eine Reihe von rechtlichen Vorschriften im Zusammenhang mit den Förderprogrammen der Europäischen Union – ich nenne etwa das ÖPUL-Programm – entgegen. Einen Kompromiß sehe ich diesem Zusammenhang, den zum Beispiel Niederösterreich vorgeschlagen hat, nämlich: kleinräumige, dezentrale Anlagen zu schaffen und damit auch den anfallenden Klärschlamm unmittelbar zu entsorgen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht nicht an, daß man auf der einen Seite die Landwirtschaft mit immer strengeren Umweltauflagen traktiert und härteren Produktionsbedingungen konfrontiert und gleichzeitig auch als Verursacher von Umweltschäden – ich nenne dazu nur das Stichwort Nitrat im Grundwasser – anprangert, sie aber auf der anderen Seite dort, wo es opportun erscheint, zum Entsorgen von belasteten Materialien, wie zum Beispiel Klärschlamm, benützen möchte.

Bleiben wir beim Nitrat. Wenn ich davon gesprochen habe, daß in der Gewässerschutzpolitik wieder ein vernünftiges Augenmaß eingekehrt ist, dann gilt das auch für die Nitratgrenzwerte. Mit der Novellierung der Trinkwassernitratverordnung im vergangenen Jahr wurde das Anforderungsniveau auf international vergleichbare Grenzwerte abgestimmt. Konkret heißt das, daß der sicherlich überzogene Grenzwert für Nitrat von 30 Milligramm je Liter, der ab 1. Juli 1999 hätte gelten sollen, aufgehoben wurde und der derzeit gültige Nitratgrenzwert von 50 Milligramm unbefristet gilt.

In der öffentlichen Diskussion um die Verursacher von Nitrateintragungen fehlt allerdings nach wie vor das rechte Augenmaß. Erst im vergangenen Sommer haben wir erlebt, daß sich eine Zeitschrift, die auch hier im Bundesrat sehr oft zitiert wird, nämlich "News", in einem mehrteiligen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 144

Umweltreport nicht scheute, eine ganze Berufsgruppe, nämlich die Bauern, pauschal als Flußkiller und hemmungslose Brunnenvergifter darzustellen. Organisatorisch mitgetragen wurde diese Aktion leider auch vom WWF.

Bei einer einseitigen Schuldzuweisung werden von den Betroffenen üblicherweise reflexartig auch andere Verursacher aufgelistet. Diese gibt es auch, wir müssen sie hier nicht eigens aufzählen. Ich sage dazu nur, daß gegenseitige Schuldzuweisungen überhaupt nichts bringen und uns in der Sache keinen Schritt weiterbringen werden.

Selbstverständlich werden von der Landwirtschaft zahlreiche Umweltschutzmaßnahmen gesetzt. Mehr als 90 Prozent der österreichischen Agrarfläche sind heute vom ÖPUL-Programm erfaßt, das heißt, die nach diesem Programm arbeitenden Bauern produzieren umweltgerecht und halten sich an die strengen Vorschriften, die mit der Europäischen Union vereinbart wurden.

Für rund zwei Drittel der Ackerfläche wurde auch eine Fruchtfolgevielfalt eingegangen, die nur einen 75prozentigen Anteil von Getreide und Mais toleriert und überdies einen Zwischenfruchtanbau im Ausmaß von 15 bis 35 Prozent der Ackerfläche verpflichtend vorsieht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das heißt, daß etwa 245 000 Hektar begrünt werden, und die Zwischenschaltung einer Gründecke zählt zu den effektivsten Maßnahmen im Grundwasserschutz, erbringt sie doch vor der Sickerwasserperiode im Winter eine bis zu 90prozentige Reduktion des Nitratgehaltes im Boden.

Nicht verschweigen wollen wir auch, daß es in Niederösterreich zwei Grundwassersanierungsgebiete gibt, über die diskutiert wird, über die auch Erhebungen durchgeführt werden. Wir sehen, daß die Maßnahmen, welche die Landwirtschaft seit zwei Jahren durchführt, auch entsprechenden Erfolg bringen.

Aber natürlich ist es nicht nur die Landwirtschaft, die dafür sorgt, daß der Gewässerschutz ernstgenommen wird. Die Gemeinden – Kollege Meier hat davon gesprochen – investieren enorme Summen ihrer Budgets in die ordnungsgemäße Abwasserentsorgung. Allein in Niederösterreich werden dafür Investitionen in der Höhe von 50 Milliarden Schilling benötigt, die in den nächsten 10 bis 15 Jahren aufzubringen sind.

In den letzten Jahren wurden österreichweit auch mehr als 26 000 Verdachtsflächen von Altlasten erhoben und ein Altlastenfonds zur Sanierung umweltgefährdeter Deponien eingerichtet. Allein in Niederösterreich sind Sanierungsprojekte, die mehr als 1 Milliarde Schilling erfordern, geplant. Auch die Industrie investiert jährlich Hunderte Millionen Schilling, um Wasserreinigungsanlagen zu bauen, die für entsprechend reines Wasser sorgen. Ich meine generell, daß wir gut beraten sind, wenn wir gerade im Bereich des Gewässerschutzes auf die Kooperation aller Beteiligten und nicht auf Konfrontation setzen.

Wir sind in Österreich in der glücklichen Lage, daß es um die Qualität und um die Quantität unserer Wasservorkommen gut bestellt ist. Das kommt in diesem Bericht auch sehr deutlich zum Ausdruck. Gerade in den letzten Jahren wurden Gewässergüte- und Grundwassergüte-Überwachungssysteme aufgebaut und auch laufend kontrolliert. Diese bestätigen eine zufriedenstellende Wasserbeschaffenheit. Strengen wir uns daher gemeinsam an, diesen wichtigen Schatz, den wir in Österreich haben, reinzuhalten – im Interesse unserer Bevölkerung! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

20.11

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ebenso wie bei der Debatte über den Waldbericht 1995, bei der ich den Herrn Landwirtschaftsminister, der leider verhindert ist,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 145

vertreten durfte, fühle ich mich auch jetzt, in der Debatte zum Gewässerschutzbericht 1996, mehr als einmal angesprochen und darf mich in aller Kürze nicht nur als Umweltminister, sondern insgesamt zu Wort melden.

Als Umweltminister spreche ich deswegen dazu, weil die Zuständigkeit für die Finanzierung der meisten Abwasserreinigungsprojekte in meinen Ressortbereich fällt. Ich darf Ihnen mitteilen, daß es nicht nur gelungen ist, die aus den Mitteln des Finanzausgleiches und damit zu 30 Prozent von den Ländern und Gemeinden kofinanzierten Mittel für die Siedlungswasserwirtschaft in Höhe von jährlich 3,9 Milliarden Schilling konstant zu halten, sondern für die Jahre 1996 und 1997 diese aus ökologischen, aber auch aus arbeitsmarktpolitischen Gründen um jeweils 1 Milliarde aufzustocken. Ich darf sagen, daß die Mittel in Höhe von 4,9 Milliarden Schilling für das Jahr 1996 zu 100 Prozent zugesagt und damit zu 100 Prozent bauwirksam geworden sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Damit wird es auch gelingen, den Weg fortzusetzen, der schon beschrieben worden ist, und innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre auf einen Anschlußgrad von 80 bis 85 Prozent aller Haushalte in Österreich für Abwasserreinigungsanlagen zu kommen. Danach wird es allerdings aus wirtschaftlichen Gründen zu einem Ende kommen, weil dann ökonomische Grenzen maßgeblich sein werden.

Über die Fortschritte im Bereich der Gewässergüte in den letzten Jahren ist schon eingehend berichtet worden. Ich darf mich daher auf einige Anmerkungen des Herrn Bundesrates Waldhäusl beschränken, die so nicht stehenbleiben können.

Es ist absolut unrichtig, daß sich Bürgermeister – welcher Couleur auch immer – in Zimmern – welchen Belegungsgrades auch immer – treffen und Auftragsvarianten, die dann die teuersten sind, vergeben können. Das Umweltförderungsgesetz weist ja eindeutig aus, daß das jeweils zuständige Land – damit wäre in Niederösterreich wieder ein Ihnen nahestehender Landesrat zuständig, Herr Kollege Waldhäusl – eine sogenannte Variantenprüfung durchführen muß und nur die kostengünstigste Variante zur Beauftragung kommen darf, wenn man die Förderungsmittel in Höhe von 20 bis 60 Prozent der Bausumme aus dem Umweltförderungsfonds lukrieren will. – Ich betone: 20 bis 60 Prozent! – Bis zu 60 Prozent können wir dort fördern, wo es sich um Streusiedlungen, um dezentrale Projekte handelt.

Ich darf Ihnen sagen, daß das auch sehr schlüssig ist. Da die dichter besiedelten Gebiete in Österreich nämlich großteils bereits ausgebaut sind, stoßen wir jetzt in die dünner besiedelten Gebiete vor, zum Beispiel ins Waldviertel, und erzielen dort natürlich immer höhere Förderungsquoten.

Da Sie von "Wahnsinn" sprechen, Herr Bundesrat Waldhäusl, und damit das Problem der Eigenleistung ansprechen, darf ich Ihnen mitteilen, daß es grundsätzlich problematisch ist, eine Eigenleistung zu bemessen und daß man mit Steuermitteln – und um solche handelt es sich bei Förderungsmitteln – eben entsprechend sorgfältig umgehen muß. Ich kann Ihnen daher heute noch nicht in Aussicht stellen, daß Eigenleistungen im Sinne einer Selbstabrechnung dann auch zur Bemessung von Förderungen herangezogen werden können. Das hat gute Gründe, obwohl ich andererseits auch Ihre Position in dieser Frage verstehe. Ich meine aber, daß die Problematik der insgesamt extrem korrekten Verwendung von Steuermitteln auch zu berücksichtigen ist.

Überhaupt nicht folgen kann ich Ihnen, Herr Bundesrat Waldhäusl, wenn Sie uns in Ihrer Rede neuerlich die schon stadt- und landesbekannte freiheitliche Tour des "gefährdeten österreichischen Wassers" vor Augen führen. Sie – übrigens nicht nur Sie persönlich, sondern auch Ihr Herr Parteiobmann – haben völlig unrecht mit Ihren Aussagen, daß Österreichs Wasser nach Spanien abtransportiert würde und daß das Einstimmigkeitsprinzip des Artikels 130s Abs. 2 in Frage stehen könnte. Es stand nie in Frage! Österreich würde das auch nicht zur Kenntnis nehmen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 146

Ebenso unrecht haben Sie damit, daß Sie meinen, Österreichs Wasserbehörden würden plötzlich aufhören zu existieren. Es kann keine Rede davon sein, daß die zu etablierenden Flußbeckenbehörden – die natürlich ihren Sinn haben, weil eine Gesamtbetrachtung des Donauraumes, des Rheinraumes aus Wasserqualitätsgründen Sinn macht – in irgendeiner Form Kompetenzen aus Österreich abziehen würden – ganz im Gegenteil! Ich selbst habe mit dem Mandat des Herrn Landwirtschaftsministers und des Landwirtschaftsministeriums bei der letzten Erörterung der Wasserrahmenrichtlinie zusammen mit anderen EU-Mitgliedsländern darauf gedrungen, daß kein zusätzlicher Behördenapparat etabliert werden darf, sondern daß diese Flußbeckenbetrachtungsweise sehr sparsam und unter Nutzung der bestehenden personellen Ressourcen in den jeweiligen Mitgliedsländern zu erfolgen hat.

Herr Bundesrat Waldhäusl! Abschließend darf ich Ihnen auch sagen: Ihre Analyse des jetzigen Diskussionsstandes der Wasserrahmenrichtlinie, die nach unserer Auffassung von der Kommission richtigerweise auf Artikel 130s Abs. 1 basierend gesehen wird und damit dem Mehrstimmigkeitsprinzip unterliegt, Ihre Ansicht, daß das wiederum eine Wasserbewirtschaftung ermöglichen würde – und zwar auch gegen den Willen eines Mitgliedslandes, auch gegen den Willen Österreichs –, ist einmal mehr nicht teilbar und nicht haltbar. Davon kann keine Rede sein!

Die Diskussion der Wasserrahmenrichtlinie befindet sich in einem relativ frühen Stadium. Unsere und die Linie anderer Mitgliedsstaaten ist hier völlig klar. Die von Ihnen einmal mehr, nämlich schon zum zweitenmal, an die Wand gemalten Horrorszenarien bezüglich des Rohstoffes Wasser – 93 Milliarden Kubikmeter Trinkwasser schlummern in unseren Reserven –, diese düstere Prophezeiung der Ableitung in andere Länder – all das sind Horrorszenarien, das sind Gespinste, die nicht nachvollziehbar sind, weder auf Basis einer anderen Version des Artikels 130s Abs. 2 noch auf Basis einer Wasserrahmenrichtlinie, die plötzlich die Bewirtschaftung von Wasserressourcen auf dieser Grundlage erlauben würde. Das kann ich Ihnen auch im Namen des Landwirtschaftsministers und im Namen der Bundesregierung hier eindeutig zusagen und darf Sie dessen versichern! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

20.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist mit Stimmenmehrheit so geschehen.

Der Antrag auf Kenntnisnahme ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt acht Anfragen eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 13. März 1997, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
622. Sitzung / Seite 147

Weiters wird in der nächsten Sitzung eine Fragestunde abgehalten werden. Es kommen Anfragen an den Bundesminister für Inneres zum Aufruf.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 11. März 1997, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 20.20 Uhr