Stenographisches Protokoll

629. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 24., und Freitag, 25. Juli 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

629. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 24., und Freitag, 25. Juli 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 24. Juli 1997: 9.03 – 20.57 Uhr

Freitag, 25. Juli 1997: 9.03 – 14.45 Uhr

*****

Tagesordnung

Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich

1. Bundesgesetz, mit dem ein Polizeikooperationsgesetz erlassen und das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird

2. Bundesgesetz, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden

3. Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, die Kaiserliche Verordnung über die Einführung einer Konkursordnung, einer Ausgleichsordnung und einer Anfechtungsordnung, das Rechtspflegergesetz, das Handelsgesetzbuch, das Aktiengesetz, das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Reorganisation von Unternehmen (Unternehmensreorganisationsgesetz – URG) geschaffen wird (Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 – IRÄG 1997)

4. Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

5. Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden

6. Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (2. BDG-Novelle 1997), das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, das Universitäts-Organisationsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Bundesgesetz BGBl. Nr. 148/1988 geändert werden

7. Bundesgesetz, mit dem das Kunstförderungsgesetz geändert wird

8. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einbringung der Anteilsrechte des Bundes an den Bundesstraßengesellschaften in die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft und der Einräumung des Rechts der Fruchtnießung zugunsten dieser Gesellschaft (ASFINAG-Ermächtigungsgesetz


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 2

1997) erlassen und mit dem das ASFINAG-Gesetz 1982, das BIG-Gesetz, das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz, das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996, das Bundesministeriengesetz 1986, das Bundesgesetz betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften und das Bundesfinanzgesetz 1997 geändert werden (Infrastrukturfinanzierungsgesetz 1997)

9. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Maßnahmen in den Bereichen der Wasserwirtschaft, der Umwelt, der Altlastensanierung und zum Schutz der Umwelt im Ausland (Umweltförderungsgesetz – UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, das Bundesgesetz über die Förderung des Wasserbaues aus Bundesmitteln (Wasserbautenförderungsgesetz 1985 – WBFG), BGBl. Nr. 148/1985, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 516/1994, sowie das Bundesgesetz zur Finanzierung und Durchführung der Altlastensanierung (Altlastensanierungsgesetz), BGBl. Nr. 299/1989, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, geändert werden

10. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG) erlassen wird sowie das Krankenpflegegesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Ärztegesetz 1984 geändert werden

11. Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (19. KFG Novelle), die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle und das Gebührengesetz 1957 geändert werden

12. Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG)

13. Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird

14. Bundesgesetz, mit dem ein Telekommunikationsgesetz erlassen wird, das Telegraphenwegegesetz, das Fernmeldegebührengesetz und das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz geändert werden sowie ergänzende Bestimmungen zum Rundfunkgesetz und zur Rundfunkverordnung getroffen werden

15. Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden

16. Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 1997 (BGzLV 1997)

17. Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird

18. Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird

19. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten (UOG 1993) geändert wird

20. Bundesgesetz über die Veräußerung von Aktien der Bank Austria Aktiengesellschaft

21. Bundesgesetz, mit dem das Nullkuponfondsgesetz geändert wird

22. Bundesgesetz über die Veräußerung von Bundesvermögen (Privatisierungsgesetz)

23. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Abschluß von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen geändert wird

24. Bundesgesetz über die Leistung eines zusätzlichen Beitrages zum Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD)


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629. Sitzung / Seite 3

25. Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bundessozialämtergesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Sonderunterstützungsgesetz geändert werden

26. Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG) geändert wird

27. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über soziale Sicherheit

28. Österreichisch-mazedonisches Abkommen über soziale Sicherheit

29. Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande betreffend die rechtliche Stellung der österreichischen Bediensteten der Europol-Drogenstelle

30. Abkommen zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über die Errichtung und Verwaltung eines gemeinsamen Fonds zur Finanzierung größerer Reparaturen und Erneuerungen in deren Amtssitzen im Internationalen Zentrum Wien

31. Übereinkommen über nukleare Sicherheit

32. Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits samt Anhängen und Protokollen

33. Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den im Rahmen der Europäischen Union handelnden Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Slowenien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlußakte

34. Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über den Amtssitz der Vereinten Nationen in Wien

35. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über den Amtssitz der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung

36. Bundesgesetz über die Rechtsstellung des Sekretariats des Wassenaar Arrangements in Österreich

*****

Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache des Präsidenten Dr. Günther Hummer 19

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat 18

Unterbrechungen der Sitzung 107 und 167

Angelobung des Bundesrates Alfred Schöls 18


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629. Sitzung / Seite 4

Personalien

Krankmeldungen 18

Entschuldigung 18

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 21

Ausschüsse

Zuweisungen 21

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Paul Tremmel, Dr. Peter Böhm, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Andreas Eisl, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, DDr. Franz Werner Königshofer, Helga Moser, Monika Mühlwerth, Helena Ramsbacher, Gottfried Waldhäusl, Engelbert Weilharter und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kollaps des Rechtsstaates durch Überlastung der Höchstgerichte und Gefährdung der Länderrechte (1300/J-BR/97)

Begründung: Dr. Susanne Riess-Passer 108

Beantwortung: Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 111

Redner:

Dr. Paul Tremmel 115

Josef Rauchenberger 117

Jürgen Weiss 119

Dr. Reinhard Eugen Bösch 122

Dr. Peter Böhm 124

Mag. John Gudenus 126

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Michael Rockenschaub, Mag. John Gudenus und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend aktuelle Fragen der Landesverteidigungspolitik, insbesondere hinsichtlich eines allfälligen NATO-Beitritts (1301/J-BR/97)

Begründung: Dr. Reinhard Eugen Bösch 129

Beantwortung: Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 131

Redner:

Dr. Michael Rockenschaub 136 und 150

Peter Rieser 138

Albrecht Konečny 140

Engelbert Weilharter 143

Mag. John Gudenus 145

Ludwig Bieringer 147

Stefan Prähauser 148

DDr. Franz Werner Königshofer 148

Dr. Paul Tremmel 151

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen betreffend Beziehung Österreichs zur NATO 144


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 5

Ablehnung 152

der Bundesräte Dr. Michael Rockenschaub, DDr. Franz Werner Königshofer, Dr. Peter Harring, Dr. Peter Böhm, Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die geplante Kapitalerhöhung bei der Nationalbank (1319/J-BR/97)

Begründung: Dr. Michael Rockenschaub 233

Beantwortung: Bundesminister Rudolf Edlinger 234

Redner:

DDr. Franz Werner Königshofer 235 und 244

Erhard Meier 238

Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof 240


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 6

Dr. Paul Tremmel 241

Bundesminister Rudolf Edlinger 242

Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich

Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer 22

Debatte:

Dr. Michael Rockenschaub 26

Hedda Kainz 29

Anton Hüttmayr 33

Helga Moser 36

Ferdinand Gstöttner 37

Mag. Gerhard Tusek 39

Leopold Steinbichler 41

Dr. Paul Tremmel 43

Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer 45

DDr. Franz Werner Königshofer 49

Gemeinsame Beratung über

(1) Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Polizeikooperationsgesetz erlassen und das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird (746 und 774/NR sowie 5505/BR d. B.)

(2) Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Sicherheitspolizeigestz geändert werden (49 und 812/NR sowie 5491 und 5506/BR d. B.)

Berichterstatterin: Hedda Kainz 50

[Antrag, zu (1) und (2) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Peter Böhm 51

Franz Richau 54

Johann Payer 56

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 58

Dr. Reinhard Eugen Bösch 59

Peter Rieser 60

Mag. Harald Repar 61

Dr. Paul Tremmel 62

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 63 und 66

DDr. Franz Werner Königshofer 65


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 7

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (1) und (2) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP, der SPÖ und einiger Bundesräte der Freiheitlichen, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der Freiheitlichen 67

(3) Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, die Kaiserliche Verordnung über die Einführung einer Konkursordnung, einer Ausgleichsordnung und einer Anfechtungsordnung, das Rechtspflegergesetz, das Handelsgesetzbuch, das Aktiengesetz, das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Reorganisation von Unternehmen (Unternehmensreorganisationsgesetz – URG) geschaffen wird (Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 – IRÄG 1997) (734 und 813/NR sowie 5492 und 5507/BR d. B.)

Berichterstatterin: Hedda Kainz 68

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Harring 68

Dr. Kurt Kaufmann 72

Herbert Platzer 74

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 75 und 80

Helena Ramsbacher 77

Ilse Giesinger 79

Dr. Michael Rockenschaub 80

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 81

Gemeinsame Beratung über

(4) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (494/A und 785/NR sowie 5486 und 5509/BR d. B.)

(5) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (576 und 784/NR sowie 5487 und 5510/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Pischl 81

[Antrag, zu (4) der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, und zu (5) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Peter Böhm 82

Erich Farthofer 83

Jürgen Weiss 84

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (4) der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, mit den Stimmen des Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 85

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (5) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 86

(6) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (2. BDG-Novelle 1997), das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, das Universitäts-Organisationsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Bundesgesetz BGBl. Nr. 148/1988 geändert werden (691 und 783/NR sowie 5511/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Kurt Kaufmann 86

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Böhm 87

Johann Payer 89

Alfred Schöls 90

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 91

(7) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kunstförderungsgesetz geändert wird (738 und 826/NR sowie 5512/BR d. B.)

Berichterstatter: Anton Hüttmayr 92

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Johann Grillenberger 92

Mag. Harald Himmer 93

Helena Ramsbacher 93

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 93

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 94

(8) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einbringung der Anteilsrechte des Bundes an den Bundesstraßengesellschaften in die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft und der Einräumung des Rechts der Fruchtnießung zugunsten dieser Gesellschaft (ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997) erlassen und mit dem das ASFINAG-Gesetz 1982, das BIG-Gesetz, das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz, das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996, das Bundesministeriengesetz 1986, das Bundesgesetz betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften und das Bundesfinanzgesetz 1997 geändert werden (Infrastrukturfinanzierungsgesetz 1997) (698, 765 und 828/NR sowie 5513/BR d. B.)


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 8

Berichterstatter: Erhard Meier 95

(Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Andreas Eisl 95

Gottfried Jaud 96

Erich Farthofer 98 und 104

DDr. Franz Werner Königshofer 98 und 105

Dr. Kurt Kaufmann 100

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 102

Gottfried Waldhäusl 103

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 107

Entschließungsantrag der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen betreffend Ausnahme von der Pickerlmaut für den Bereich Kufstein 99

Ablehnung 107

Entschließungsantrag der Bundesräte Gottfried Waldhäusl und Kollegen betreffend Semmering-Basistunnel 103

Ablehnung 107

(9) Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Maßnahmen in den Bereichen der Wasserwirtschaft, der Umwelt, der Altlastensanierung und zum Schutz der Umwelt im Ausland (Umweltförderungsgesetz – UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, das Bundesgesetz über die Förderung des Wasserbaues aus Bundesmitteln (Wasserbautenförderungsgesetz 1985 – WBFG), BGBl. Nr. 148/1985, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 516/1994, sowie das Bundesgesetz zur Finanzierung und Durchführung der Altlastensanierung (Altlastensanierungsgesetz), BGBl. Nr. 299/1989, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, geändert werden (743 und 798/NR sowie 5514/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Payer 153

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Paul Tremmel 153

Ing. Walter Grasberger 155

Josef Pfeifer 157

Mag. Karl Wilfing 158

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 159

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 160


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 9

(10) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG) erlassen wird sowie das Krankenpflegegesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Ärztegesetz 1984 geändert werden (709 und 777/NR sowie 5494 und 5515/BR d. B.)

Berichterstatterin: Helga Moser 160

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Horst Freiberger 160

Aloisia Fischer 162

Dr. Paul Tremmel 163

Monika Mühlwerth 163

Bundesministerin Eleonora Hostasch 165

einstimmige


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 10

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben 167


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 11

Gemeinsame Beratung über

(11) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (19. KFG Novelle), die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (712 und 823/NR sowie 5496/BR d. B.)

(12) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG) (714 und 823/NR sowie 5488 und 5497/BR d. B.)

(13) Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (708 und 823/NR sowie 5498/BR d. B.)

Berichterstatter: Horst Freiberger 168

[Antrag, zu (11), (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Engelbert Weilharter 168

Anton Hüttmayr 170

Erich Farthofer 172

Dr. Reinhard Eugen Bösch 174

Karl Pischl 175

Wolfgang Hager 178

Dr. Paul Tremmel 179

Gottfried Waldhäusl 180

Dr. Michael Rockenschaub 182

Antrag der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen auf Einspruch des Bundesrates gegen einen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 42 B-VG, eingebracht im Zuge der Beratungen über das Führerscheingesetz 175

Ablehnung 182

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (11), (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 182

Gemeinsame Beratung über

(14) Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Telekommunikationsgesetz erlassen wird, das Telegraphenwegegesetz, das Fernmeldegebührengesetz und das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz geändert werden sowie ergänzende Bestimmungen zum Rundfunkgesetz und zur Rundfunkverordnung getroffen werden (759 und 824/NR sowie 5499/BR d. B.)

(15) Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden (825/NR sowie 5489 und 5500/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Rauchenberger 183

[Antrag, zu (14) und (15) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

DDr. Franz Werner Königshofer 184 und 189

Ing. Peter Polleruhs 186 und 191

Dr. Michael Ludwig 187

Alfred Schöls 188

Mag. Harald Himmer 190

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (14) und (15) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 192

Gemeinsame Beratung über

(16) Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 1997 (BGzLV 1997) (741 und 787/NR sowie 5501/BR d. B.)

(17) Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (758 und 788/NR sowie 5502/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Rauchenberger 193

[Antrag, zu (16) und (17) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Andreas Eisl 193

Gottfried Jaud 193

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (16) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP, der SPÖ und einiger Bundesräte der Freiheitlichen, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der Freiheitlichen 195

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (17) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 195

Gemeinsame Beratung über

(18) Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (701 und 780/NR sowie 5490 und 5503/BR d. B.)

(19) Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten (UOG 1993) geändert wird (692 und 781/NR sowie 5504/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer 195

[Antrag, zu (18) und (19) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Helga Moser 196

Anna Elisabeth Haselbach 198

Dr. Vincenz Liechtenstein 199

Mag. Gerhard Tusek 200

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (18) und (19) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 201

Gemeinsame Beratung über

(20) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von Aktien der Bank Austria Aktiengesellschaft (486/A und 814/NR sowie 5516/BR d. B.)

(21) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nullkuponfondsgesetz geändert wird (487/A und 815/NR sowie 5517/BR d. B.)

(22) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von Bundesvermögen (Privatisierungsgesetz) (736 und 818/NR sowie 5518/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Hager 202

[Antrag, zu (20), (21) und (22) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Michael Rockenschaub 203

Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof 203

Albrecht Konečny 205

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (20), (21) und (22) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 207

Gemeinsame Beratung über

(23) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Abschluß von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen geändert wird (740 und 819/NR sowie 5519/BR d. B.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 12

(24) Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Leistung eines zusätzlichen Beitrages zum Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) (744 und 820/NR sowie 5520/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Hager 207

[Antrag, zu (23) und (24) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Mag. John Gudenus 208

Ing. Johann Penz 209

DDr. Franz Werner Königshofer 211

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (23) keinen Einspruch zu erheben 213

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (24) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 213

Gemeinsame Beratung über

(25) Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bundessozialämtergesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Sonderunterstützungsgesetz geändert werden (737 und 802/NR sowie 5493 und 5521/BR d. B.)

(26) Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG) geändert wird (499/A und 808/NR sowie 5522/BR d. B.)

Berichterstatterin: Hedda Kainz 214

[Antrag, zu (25) und (26) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Engelbert Weilharter 214

Engelbert Schaufler 215

Horst Freiberger 218

Bundesministerin Eleonora Hostasch 219

DDr. Franz Werner Königshofer 220

Dr. Michael Rockenschaub 221

Albrecht Konečny 221

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (25) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 222

einstimmige Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (26) keinen Einspruch zu erheben 222

Gemeinsame Beratung über

(27) Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über soziale Sicherheit (735 und 810/NR sowie 5523/BR d. B.)

(28) Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Österreichisch-mazedonisches Abkommen über soziale Sicherheit (769 und 811/NR sowie 5524/BR d. B.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 13

Berichterstatter: Wolfgang Hager 222

[Antrag, zu (27) und (28) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Engelbert Schaufler 223

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (27) und (28) keinen Einspruch zu erheben 224

Gemeinsame Beratung über

(29) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande betreffend die rechtliche Stellung der österreichischen Bediensteten der Europol-Drogenstelle (426 und 790/NR sowie 5525/BR d. B.)

(30) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über die Errichtung und Verwaltung eines gemeinsamen Fonds zur Finanzierung größerer Reparaturen und Erneuerungen in deren Amtssitzen im Internationalen Zentrum Wien (589 und 791/NR sowie 5526/BR d. B.)

(31) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Übereinkommen über nukleare Sicherheit (610 und 795/NR sowie 5495 und 5527/BR d. B.)

(32) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits samt Anhängen und Protokollen (613 und 796/NR sowie 5528/BR d. B.)

(33) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den im Rahmen der Europäischen Union handelnden Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Slowenien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlußakte (651 und 797/NR sowie 5529/BR d. B.)

(34) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über den Amtssitz der Vereinten Nationen in Wien (668 und 792/NR sowie
5530/BR d. B.)

(35) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über den Amtssitz der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung (669 und 793/NR sowie 5531/BR d. B.)

(36) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtsstellung des Sekretariats des Wassenaar Arrangements in Österreich (702 und 794/NR sowie 5532/BR d. B.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 14

Berichterstatter: Mag. Karl Wilfing 226

[Antrag, zu (29), (30), (32), (33) und (36) keinen Einspruch zu erheben, zu (31) 1. den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Übereinkommen über nukleare Sicherheit gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG, den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, zu (34) und (35) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]

Redner:

Mag. John Gudenus 227

Staatssekretärin Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner 229

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (29), (30) und (36) keinen Einspruch zu erheben 231

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (31) 1. den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Übereinkommen über nukleare Sicherheit gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG, den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben 231

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (32) und (33) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 231

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (34) und (35) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 2. Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen 232

Eingebracht wurden

Berichte

27174-28899-EU über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG

Anfragen

der Bundesräte Peter Rieser und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Tiertransporte (1299/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Paul Tremmel, Dr. Peter Böhm, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Andreas Eisl, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, DDr. Franz Werner Königshofer, Helga Moser, Monika Mühlwerth, Helena Ramsbacher, Gottfried Waldhäusl, Engelbert Weilharter und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kollaps des Rechtsstaates durch Überlastung der Höchstgerichte und Gefährdung der Länderrechte (1300/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Michael Rockenschaub, Mag. John Gudenus und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend aktuelle Fragen der Landesverteidigungspolitik, insbesondere hinsichtlich eines allfälligen NATO-Beitritts (1301/J-BR/97)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 15

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Helga Moser und Dr. Paul Tremmel an den Bundeskanzler betreffend Einstellung der Schüler-Gesundheitsstatistik (1302/J-BR/97)

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Paul Tremmel und Helga Moser an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Einstellung der Schüler-Gesundheitsstatistik (1303/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Peter Böhm, Monika Mühlwerth und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Transport und Dislozierung von Schönbrunner Zootieren in andere Bundesländer – tödliche Pannen (1304/J-BR/97)

der Bundesräte Jürgen Weiss, Gottfried Jaud, Mag. Gerhard Tusek, Ilse Giesinger und Karl Pischl an den Bundesminister für Finanzen betreffend Vereinfachung des Gebühren- und Abgabenrechts (1305/J-BR/97)

der Bundesräte Hedda Kainz und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Änderung des ASVG bezüglich des festsitzenden Zahnersatzes – Zahnambulatorien der Gebietskrankenkassen (1306/J-BR/97)

der Bundesräte Gottfried Waldhäusl, Andreas Eisl und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Hochwasserschäden 1997 (1307/J-BR/97)

der Bundesräte Irene Crepaz und Genossen an den Präsidenten des Bundesrates betreffend Nichteinziehung von Fahrausweisen (1308/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Peter Harring und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend § 33 und § 67 EStG (1309/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Peter Harring und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend "Adaptierungen bestehender Gesetze" (1310/J-BR/97)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 16

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend EURO-Gehirnwäsche durch die Bundesregierung
(1311/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Behinderungen der Ermittlungen im Fall Oberwart
(1312/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ermittlungsaufträge von Klaus Kufner an die EBT und an die SOKO (1313/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kontakte des Lokalpolitikers Bernhard Amann mit dem per Haftbefehl gesuchten Journalisten Wolfgang Purtscheller (1314/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Bombendrohungen gegen Roma in Oberwart (1315/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Europäischer Rat in Amsterdam (1316/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Einflußnahme von österreichischen Diplomaten auf ausländische Journalisten (1317/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend EURO-Gehirnwäsche durch die Bundesregierung (1318/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Michael Rockenschaub, DDr. Franz Werner Königshofer, Dr. Peter Harring, Dr. Peter Böhm, Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die geplante Kapitalerhöhung bei der Nationalbank (1319/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Vincenz Liechtenstein und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Pflege des Andenkens von Opfern des Widerstandes gegen die NS-Diktatur innerhalb des österreichischen Bundesheeres (1320/J-BR/97)

der Bundesräte Irene Crepaz und Genossen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend AltenfachbetreuerInnen (1321/J-BR/97)

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Paul Tremmel, Helga Moser und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Änderungen im Sozialversicherungssystem (1322/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einbrüche in ORF-Sendestationen (1323/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Mißachtung des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz durch das Innenministerium (1324/J-BR/97)

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer, Dr. Michael Rockenschaub und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Lockerung der Deckungspolitik gegenüber den GUS-Staaten (1325/J-BR/97)

der Bundesräte Helga Moser und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Umfahrung Lenzing (1326/J-BR/97)

der Bundesräte Helga Moser und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Umfahrung Schwanenstadt, B1 (1327/J-BR/97)

der Bundesräte Helga Moser und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Umfahrung Timelkam (1328/J-BR/97)

der Bundesräte Helga Moser und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Raumbereitstellung Bundesrealgymnasium Vöcklabruck (1329/J-BR/97)

der Bundesräte Helga Moser und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Raumbereitstellung Bundeshandelsakademie Vöcklabruck (1330/J-BR/97)

der Bundesräte Helga Moser und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Raumbereitstellung Bundesrealgymnasium Vöcklabruck (1331/J-BR/97)

der Bundesräte Helga Moser und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Raumbereitstellung Bundeshandelsakademie Vöcklabruck (1332/J-BR/97)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 17

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Helga Moser und Kollegen (1188/AB-BR/97 zu 1286/J-BR/97)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Erhard Meier und Genossen (1189/AB-BR/97 zu 1285/J-BR/97)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Dr. Paul Tremmel, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1190/AB-BR/97 zu 1287/J-BR/97)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1191/AB-BR/97 zu 1291/J-BR/97)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Gottfried Waldhäusl und Mag. John Gudenus (1192/AB-BR/97 zu 1290/J-BR/97)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1193/AB-BR/97 zu 1294/J-BR/97)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 18

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich eröffne die 629. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 628. Sitzung des Bundesrates vom 26. Juni 1997 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Therese Lukasser, Irene Crepaz, Karl Drochter und Dr. Milan Linzer.

Entschuldigt hat sich das Mitglied des Bundesrates Johann Kraml.

Mandatsverzicht und Angelobung

Präsident Dr. Günther Hummer: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat. Ich ersuche die Frau Schriftführerin um die Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Helga Markowitsch: "Betrifft: Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates"

Sehr geehrter Herr Präsident!

Das Mitglied des Bundesrates, Herr Präsident Universitätsprofessor Dr. Herbert Schambeck, hat sein Mandat per 30. 6. 1997 zurückgelegt. Weiters hat sein Ersatzmitglied, Herr LAbg. Hans Treitler, erklärt, auf das freiwerdende Mandat als Mitglied des Bundesrates zu verzichten, jedoch als Ersatzmitglied verbleiben zu wollen.

Auf Vorschlag des NÖ Landtagsklubs der ÖVP wurden in der 53. Sitzung des NÖ Landtages, am 3. Juli 1997, anstelle von Herrn Präsidenten Universitätsprofessor Dr. Herbert Schambeck Herr Alfred Schöls, geboren am 15. 6. 1951, Beamter, wohnhaft in 3001 Mauerbach, Römerstraße 1, als Mitglied des Bundesrates und Herr LAbg. Hans Treitler als Ersatzmitglied gewählt.

Die Kanzlei des Bundesrates wurde zu Handen des Herrn Direktors des Bundesrates, Parlamentsrat Dr. Walter Labuda, verständigt. Ebenso wurde das Bundeskanzleramt, Sektion V/2, von der Wahl in Kenntnis gesetzt.

Mit freundlichen Grüßen

Franz Romeder"

Präsident Dr. Günther Hummer: Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Frau Schriftführerin wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Schriftführerin Helga Markowitsch: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP): Ich gelobe.

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich begrüße Herrn Bundesrat Alfred Schöls herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 19

Antrittsansprache des Präsidenten

9.06

Präsident Dr. Günther Hummer: Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im turnusmäßigen Wechsel übernimmt im zweiten Halbjahr 1997 das Land Oberösterreich den Vorsitz im Bundesrat. Als Erstgereihtem obliegt mir die ehrenvolle Aufgabe, den Vorsitz als Präsident zu führen. Ich danke dem Oberösterreichischen Landtag für die Wahl und das damit zum Ausdruck gebrachte Vertrauen. Ich werde mich bemühen, dieses Vertrauen zu rechtfertigen. Das zweite Halbjahr 1997 läßt ja eine Reihe föderalismuspolitischer Entscheidungen von großer Bedeutung erwarten. Es seien hiefür als Beispiele die Begriffe "Bundesstaatsreform", "Konsultationsmechanismus" und "Bundesratsreform" plakativ genannt.

Im kommenden Halbjahr soll das Land Oberösterreich in den Blickpunkt der Betrachtungen gestellt werden. Die wirtschaftlichen Kennzahlen dieses Bundeslandes, vor allem seine Arbeitsplatzsituation, liegen an Spitzenplätzen innerhalb Österreichs.

Das Land Oberösterreich hat eine landschaftliche Vielfalt von außerordentlichem Reiz, pflegt eine reiche Kultur und hält Traditionen hoch. Es ist es wert, dieses Land, das sich zwischen dem ernsten Böhmerwald, dem lieblich-romantischen Salzkammergut, den sanften Hügeln des Innviertels und der alten Eisenstadt Steyr erstreckt und mehr als 1,3 Millionen Menschen Heimat bietet, näher kennenzulernen.

Ich freue mich besonders darüber, daß der erste Repräsentant des Landes Oberösterreich, Herr Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, heute in den Bundesrat gekommen ist und von seinem Rederecht Gebrauch machen wird. Ich begrüße ihn sehr herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Überhaupt sei allen Repräsentanten des Landes Oberösterreich, die heute gekommen sind, allen lieben Gästen und Freunden, meiner lieben Gattin und meinen Töchtern ein herzlicher Gruß entboten. (Allgemeiner Beifall.)

Wenn man eine Reform des Bundesrates ernstlich will, so müssen vorerst folgende Fragen gestellt und auch beantwortet werden:

Was vermag der Bundesrat, wie er ist, in der verfassungspolitischen Realität?

Was sollte er können, um als eine effiziente Vertretung der Länder im Bereich der Bundesgesetzgebung fungieren zu können?

Bedarf es demnach wirklich einer Reform, und wenn ja, was wären die wichtigsten Reformschritte?

Obwohl der Bundesrat häufig als "Länderkammer" des Parlaments angesprochen wird, ist er von seinem verfassungsmäßigen Konzept her ein Organ des Bundes, das seine Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes kooperativ mit dem Nationalrat zu bewerkstelligen hat. Der Bundesrat ist nicht als Widerpart des Nationalrates geschaffen worden, sondern als partnerschaftliches Korrektiv des Nationalrates.

Obwohl die Mitglieder des Bundesrates nach dem Wortlaut der Verfassung als Vertreter der Länder in den Bundesrat entsandt werden, genießen sie – gleich wie Abgeordnete zum Nationalrat oder zu den Landtagen – als Parlamentarier freies Mandat und Immunität. Hier wird der kompromißhafte Charakter, ja das ansatzweise in sich widersprüchliche Konzept des Bundesrates deutlich, wie ihn das Bundes-Verfassungsgesetz vom 1. Oktober 1920 seinerzeit eingerichtet hat. Unsere Verfassung erweckt zwar den Eindruck, daß die Mitglieder des Bundesrates Delegierte der Länder wären, läßt aber ungeklärt, welchen Inhalt eine solche Delegierung bei freiem Mandat der Delegierten haben sollte.

Es bleibt also dem Bundesrat nach der geltenden Verfassung nur die Funktion eines partnerschaftlichen Korrektivs, wie erwähnt – nicht mehr und nicht weniger. Der Begriff "Länder


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 20

kammer" findet sonst weder dem Wort noch der Sache nach im österreichischen Verfassungsrecht eine Deckung. Wer aber eine echte Länderkammer will, muß die dem Bundesrat zugrunde liegende Verfassungsrechtslage ändern.

Es müßte daher die Frage gestellt werden, ob der Bundesrat nicht als ein Organ der Länder zu gestalten wäre, ferner wieweit das freie Mandat mit dem Status eines vom Lande Delegierten vereinbar ist und worin sich die Vertretungsmacht der Mitglieder des Bundesrates zu manifestieren hätte.

Eine solche Neukonstruktion des Bundesrates böte ferner die Möglichkeit, dem Verfassungsorgan Bundesrat auch im heutigen Parteienstaat einen Schritt in Richtung selbstbestimmter föderaler Politik zu eröffnen. Der Bundesrat würde damit strukturell zu einer Länderkammer, in der sich die Länder im Bereich der Bundesgesetzgebung zu artikulieren vermöchten.

Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn solch ein Vorhaben verfassungsrechtlich Realität werden könnte, sage aber in einem Atemzug dazu, daß es niemals Sinn einer solchen Reform wäre, so etwas wie eine Länderfront zu schaffen, eine Art Bremse der Politik der Bundesregierung und des Bundesgesetzgebers. Denn so etwas wie eine wechselseitige finanzielle Bremse zu sein, ist etwa Inhalt des politisch in Beratung stehenden Konsultationsmechanismus, der zu Recht in den Händen der Bundesregierung und der Landesregierungen liegt. Der Bundesrat sollte hingegen nur eine Art Notbremse in jenen Fällen bieten, in denen existentielle Beeinträchtigungen des politischen Aktionsradius der Länder durch den Bund zu befürchten wären.

Bis es so weit ist, daß aus dem Bundesrat eine Länderkammer wird, sollten jene Maßnahmen beraten werden, die sich als flankierende Maßnahmen zum exekutivbestimmten Konsultationsmechanismus anböten, wie etwa:

das Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Bundesgesetzen, die in die Vollziehung der Länder fallen oder die Aufwendungen der Länder mit sich bringen;

das Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Finanzausgleichsgesetzen;

ein Recht der Stellungnahme des Bundesrates zu Gesetzesvorhaben des Bundes bis zum Zeitpunkt der Beschlußfassung durch den zuständigen Ausschuß des Nationalrates;

die Möglichkeit der Korrektur sprachlicher Mängel oder offenbarer Unrichtigkeiten von Nationalratsbeschlüssen im Einvernehmen mit dem zuständigen Ausschuß des Nationalrates;

die Statuierung eines absoluten Widerspruchsrechtes bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union, soweit Zuständigkeiten der Länder betroffen werden.

Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates, der Reform von Bundesstaat und Bundesrat Ihre uneingeschränkte Unterstützung angedeihen zu lassen. Ich bitte das Präsidium, das Büro des Bundesrates und die Bundesratsdirektion, mich bei der Vorsitzführung allseits zu unterstützen.

Ich werde mich bemühen, in allen Bereichen des politischen Miteinanders, Nebeneinanders, das es auch gibt, und gelegentlich auch Gegeneinanders für Anstand, Fairneß und political correctness, wie man heute sagt, einzutreten und sie auch, soweit mir dies möglich ist, selbst vorzuleben – dazu sind wir alle ja berufen. Ich werde danach trachten, das Vertrauen der Bürger in die Politik, namentlich in den Parlamentarismus, zu stärken und zu rechtfertigen.

Ich glaube, daß ein solcher Vorsatz gelingen kann, und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Anhaltender allgemeiner Beifall.)

9.16

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Günther Hummer: Eingelangt sind sechs Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 21

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt sind zwei Beschlüsse des Nationalrates vom 8. Juli 1997 über

ein Bundesgesetz betreffend die Ermächtigung zum Verzicht auf Darlehensforderungen aus der bilateralen Entwicklungshilfegebarung des Bundes gegenüber Entwicklungsländern und

ein Bundesgesetz, mit dem Überschreitungen von Ausgabenansätzen der Anlage I des Bundesfinanzgesetzes 1997 bewilligt werden (Budgetüberschreitungsgesetz 1997 – BÜG 1997).

Diese genannten Beschlüsse unterliegen im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 des Bundes-Verfassungsgesetzes nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates.

Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung der vorliegenden Beschlüsse durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind ferner Berichte über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e Bundes-Verfassungsgesetz. Diese Berichte habe ich dem EU-Ausschuß zugewiesen.

In Anbetracht des Umfanges habe ich gemäß § 18 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates nach Rücksprache mit den Vizepräsidenten angeordnet, daß eine Vervielfältigung und Verteilung zu unterbleiben hat, alle Vorlagen jedoch in der Parlamentsdirektion zur Einsichtnahme aufliegen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Ich habe alle diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Ich darf weiters erwähnen, daß heute vormittag eine Ministerratssitzung betreffend den Bundeshaushalt stattfindet. Das ist der Grund dafür, daß die Bundesregierung zurzeit leider nicht durch Vertreter präsent ist.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. Günther Hummer: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 4 und 5, 11 bis 13, 14 und 15, 16 und 17, 18 und 19, 20 bis 22, 23 und 24, 25 und 26, 27 und 28 sowie 29 bis 36 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Ankündigung von dringlichen Anfragen

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich gebe bekannt, daß mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Riess-Passer und Kollegen betreffend Kollaps des Rechtsstaates durch Überlastung der Höchstgerichte und Gefährdung der Länderrechte an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 22

Es liegt mir ein zweites Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen betreffend aktuelle Fragen der Landesverteidigungspolitik, insbesondere hinsichtlich eines allfälligen NATO-Beitritts, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung vor.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung der beiden Anfragen an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Zunächst wird die Anfrage an den Herrn Bundeskanzler und sodann die Anfrage an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung zum Aufruf gelangen.

Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich gebe bekannt, daß mir der Herr Landeshauptmann von Oberösterreich, Dr. Josef Pühringer, mitgeteilt hat, eine Erklärung abgeben zu wollen.

Bevor ich dem Herrn Landeshauptmann zur Abgabe seiner Erklärung das Wort erteile, gebe ich noch bekannt, daß mir ein von fünf Bundesräten unterzeichnetes schriftliches Verlangen gemäß § 38 Abs. 4 der Geschäftsordnung vorliegt, im Anschluß an die Erklärung eine Debatte durchzuführen. Es wird daher eine solche stattfinden.

Nunmehr darf ich den Herrn Landeshauptmann um seine Erklärung bitten.

9.21

Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer: Sehr geehrter Herr Präsident Dr. Hummer! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Landeshauptmann von Oberösterreich ist es mir eine besondere Ehre und Auszeichnung, dem aus Oberösterreich stammenden neuen Präsidenten des Bundesrates, Dr. Günther Hummer, sehr herzlich zu seiner Präsidentschaft zu gratulieren und ihm für seine Tätigkeit als Präsident des Bundesrates im nächsten halben Jahr alles Gute und viel Erfolg zu wünschen. (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Sie haben mit Dr. Günther Hummer einen sehr kompetenten Präsidenten an der Spitze Ihrer Kammer. Dr. Hummer hat sich durch viele Jahre in verschiedensten politischen Tätigkeiten, unter anderem und vor allem als Bürgermeister der Messestadt Ried, durch hohe Fachkompetenz, durch hohes Engagement und nicht zuletzt durch seine menschlichen Qualitäten ausgezeichnet. Ich bin überzeugt, daß er an der Spitze der Länderkammer einen sehr guten Präsidenten abgeben wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir aber auch ein Anliegen, dem letztendlich mit heutigem Tage aus dem Bundesrat ausgeschiedenen Herrn Universitätsprofessor Dr. Herbert Schambeck ein Wort des Dankes zu sagen. Er ist ein Niederösterreicher, ist aber seit drei Jahrzehnten Lehrer an der Johannes Kepler Universität in Linz und ist ein wirklich großer Fahnenträger für den Föderalismus in all diesen Jahrzehnten gewesen. Ich danke ihm von dieser Stelle aus auch als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz für seinen Einsatz für den föderalistischen Bundesstaat sehr herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 1. Juli 1997 habe ich den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz übernommen. Die Vorsitzführung von Günther Hummer im Bundesrat und meine Vorsitzführung in der Landeshauptleutekonferenz fallen in eine Zeit, in der Fragen des Förderalismus in größerem Ausmaß zur Diskussion stehen werden als in den letzten Jahren. Warum? – Weil sich die Bundesregierung und die Länder darauf geeinigt haben, im zweiten Halbjahr 1997 nicht nur die Bundesstaatsreform, den Konsultationsmechanismus und den Stabilitätspakt ins Finale zu bringen, sondern tatsächlich auch auf den legistischen Ebenen zu beschließen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte das auch für notwendig. Würden diese Anliegen, insbesondere die Bundesstaatsreform, nochmals hinausgeschoben, würde die Politik im gesamten und der Föderalismus im besonderen Schaden nehmen und an Glaubwürdigkeit einbüßen.


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Meine Damen und Herren! Mit mehr Föderalismus und mit der Bundesstaatsreform meinen wir nicht einen kleinkarierten Kantönligeist – ich möchte das ausdrücklich betonen –, sondern wir sehen darin ein sinnvolles Zusammenwirken zwischen den verschiedenen Institutionen, die durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union noch um eine Ebene vergrößert wurden. Kompetenzfragen – um diese geht es letztendlich bei der Bundesstaatsreform – sollen nicht zu politischen Machtfragen degradiert werden. Kompetenzverteilung soll ausschließlich Sache der Sinnhaftigkeit sein. Ziel unserer Bemühungen um eine sinnvolle und bürgernahe Aufgabenverteilung soll es sein, daß man den Ländern jene Zuständigkeiten gibt, von denen wir überzeugt sind, daß sie in den Ländern auch entsprechend erledigt werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht darum, ungerechtfertigte Bevormundung der Länder auf der einen Seite und sinnlose Doppelverwaltung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auf der anderen Seite so rasch als möglich auch im Sinne des Steuerzahlers zu beseitigen. In der föderalen Struktur lassen sich Grundsätze wie Solidarität, Partnerschaft und Partizipation am besten verwirklichen. Konkret heißt das, wie immer wieder zitiert, daß eben die höhere Ebene nur jene Aufgaben übernehmen soll, zu der die untere Ebene nicht in der Lage ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der festen Überzeugung, daß staatliches Handeln, daß Politik noch mehr als bisher auf die Ebenen der Regionen und auch auf die Ebenen der Gemeinden "heruntergebrochen" werden muß, um eine höhere Bürgerakzeptanz zu finden. Nur wenn wir diesen Ansprüchen Rechnung tragen, werden wir den Menschen in unserem Land wieder das Gefühl geben, daß der Staat eigentlich für sie da ist und daß es sich lohnt, in diesem Staat, in dieser Politik mitzuwirken.

Föderalismus und Subsidiarität heißen für mich als Sohn eines Schneidermeisters, maßgeschneiderte Zustände in Politik und Verwaltung zu schaffen, wobei der Träger des Maßanzuges immer der Bürger sein muß.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über eine Verbesserung der föderalen Struktur, insbesondere über eine neue Kompetenzverteilung, wird seit langer Zeit verhandelt – ich glaube, seit es den Bundesrat gibt. Es sind aber doch in der letzten Zeit wesentliche Fortschritte erzielt worden. Ich erinnere an das Paktum von Perchtoldsdorf vom 8. Oktober 1992, bei dem Bund und Länder übereingekommen sind, die Bundesstaatsreform nicht nur zu diskutieren, sondern auch zu verwirklichen. Ursprünglich sollte gemeinsam mit den Beschlüssen zur Europäischen Union diese Bundesstaatsreform beschlossen werden. Das ist, trotz intensiver Verhandlungen, nicht passiert. Wir glauben aber, daß nun die Stunde gekommen ist, daß im heurigen Herbst tatsächlich Nationalrat und Bundesrat die Bundesstaatsreform beschließen können. – Wobei ich dazusage, daß für uns ein inhaltliches Zurückgehen, hinter die Vereinbarungen von Perchtoldsdorf, nicht vorstellbar ist.

Ich hoffe, daß die drei Expertengruppen, die eingerichtet wurden, um die Bundesstaatsreform zu finalisieren, die sich mit den Fragen der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit, mit den Fragen der Verfahrensvereinfachung und mit den Fragen der Kompetenzbereinigung beschäftigen, bis Ende August 1997 entsprechende Endformulierungen liefern, sodaß im Herbst die politische Beratung zwischen Ländern und Bund und auf parlamentarischer Ebene erfolgen kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein besonderes Ziel dieser Bundesstaatsreform muß die Auflassung der mittelbaren Bundesverwaltung sein. Die mittelbare Bundesverwaltung mag unmittelbar nach dem Krieg das Zusammenwirken zwischen Bund und Ländern auf den verschiedenen Ebenen der Verwaltung und der Politik günstig beeinflußt haben, mittlerweile aber hat sich die mittelbare Bundesverwaltung zu einem Behinderungs- und Verzögerungsinstrument entwickelt. Es ist an der Zeit, klare Kompetenzen und klare Zuständigkeiten und weniger Mitzuständigkeiten und Mitzeichnungs- und Mitbeschließungsrechte in unserem Staat zu schaffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dort liegt auch der wesentliche Vorteil der Bundesstaatsreform für den Bürger. Denn immer wieder werden wir gefragt: Was ist denn die Bundes


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staatsreform? Was hat sie denn für einen Sinn, außer für die Institutionen? Hat sie für den Staatsbürger eine Bedeutung? – Die Bedeutung für den Staatsbürger liegt darin, daß es erstens klarere Zuständigkeiten gibt, daß es zweitens zu Verkürzungen der Verfahren und der Instanzenzüge kommen kann und daß es einen einfacheren Zugang zum Recht für den Staatsbürger in vielen Bereichen geben kann, ganz abgesehen davon, daß damit auch erhebliche Einsparungen für den Steuerzahler verbunden sein können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der Föderalismusdiskussion liegen mir noch folgende Anliegen besonders am Herzen:

Die Verländerung der Bundesstraßen. – Ich halte die derzeitige Doppelverwaltung von Bund und Ländern für ineffizient, weil sie verzögert, weil sie viele personelle Ressourcen kostet, weil sie Genehmigungsverfahren unnötig verlängert und letztendlich für den Bundesstraßenbau selbst nichts bringt.

Ich nenne die stärkere Mitwirkung der Länder bei der Integration Europas die Aufwertung des Ausschusses der Regionen. Auch hier liegen eine Fülle von Vorschlägen vor: Ich nenne nur das minimale Initiativrecht in echten föderalistischen Fragen, und ich nenne vor allem auch das Klagsrecht beim Europäischen Gerichtshof.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Forderung, die in Ihrem Kreis nicht von allen mitgetragen wird, ist die verfassungsrechtliche Verankerung der Landeshauptleutekonferenz. Ich sage dazu, daß dies eigentlich nur die Herstellung eines faktischen Zustands und ein Akt der Anerkennung wäre, denn wir dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß die wirklich großen Fragen der Politik – etwa die Frage der Krankenanstaltenfinanzierung, der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union – nur im Gleichklang zwischen den Ländern und dem Bund erfolgen konnten und erfolgt sind.

Ich halte es daher für richtig, daß die Konferenz, die sich durch Jahrzehnte hindurch bewährt hat, die sich nicht als "Dreinredekonferenz" in die Bundespolitik versteht, sondern als Mitwirkungsinstrument im partnerschaftlichen Sinn, auch eine entsprechende rechtliche Anerkennung findet.

Die Einrichtung von Landesverwaltungsgerichtshöfen wird von uns selbstverständlich akzeptiert und gefordert, wobei aber die Frage der Kostenabgeltung in einem geregelt werden muß.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich unterstreiche jedes Wort, das Herr Präsident Dr. Hummer im Zusammenhang mit der Aufwertung des Bundesrates gesagt hat. Ich möchte, nicht zuletzt auch aufgrund von Irritationen infolge einer Pressekonferenz vor einem Monat in diesem Saal, nochmals zum Thema Aufwertung des Bundesrates kurz Stellung nehmen.

Ich glaube, daß es notwendig ist, damit der Bundesrat seine Aufgabe als Länderkammer tatsächlich erfüllen kann, daß der Bundesrat zu einem Instrument des Landes oder der Länder im Rahmen der Gesetzgebung gemacht wird. Der Bundesrat wird beschickt aus den Landtagen und ist das Mitgestaltungsinstrument der Länder in der Bundesgesetzgebung. Daher halte ich es für sinnvoller, wenn der Bundesrat in Zukunft angebunden an die Länder und nicht an die Nationalratsklubs agieren kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Die Bundesräte haben einen Auftrag, den sie aus den Ländern mit in die Bundesgesetzgebung nehmen, weil sie Vertreter der Bürger des jeweiligen Landes sind.

Meine Damen und Herren! Es geht uns nicht darum, Bundesräte, die ein freies Mandat haben, unter Landeskuratel zu stellen. Es sollte diese Möglichkeit der Einwirkung der Länder auf die Bundesgesetzgebung auch auf die Kernfragen des Föderalismus und auf die Kernanliegen, auf die wirklich wichtigen Fragen des Föderalismus beschränkt bleiben.

Mir geht es darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, aus dem Bundesrat mehr zu machen, denn er führt zu Unrecht – ich betone das ganz ausdrücklich: zu Unrecht! – ein gewisses Schattendasein in der Landschaft der österreichischen politischen Institutionen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte, wenn ich von der Kompetenzverteilung spreche, ausdrücklich dazusagen, daß den Ländern klar ist, daß, wenn es zu einer Umgestaltung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern kommt, auch die Gemeinden neue Aufgaben von den Ländern übernehmen sollen, daß diese Kompetenzveränderung nicht auf der Ebene der Länder enden darf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Frage, die den Föderalismus natürlich im besonderen angeht, ist die Frage der Zukunft des Österreichischen Rundfunks. Lassen Sie mich auch dazu ein paar Worte sagen. Ich bekenne mich zu einem föderalistischen Rundfunk, ich sage aber in aller Deutlichkeit, daß die österreichischen Bundesländer für Scheinlösungen sicherlich nicht zur Verfügung stehen. Wenn es zu einer Aktiengesellschaft kommt, dann werden wir darauf beharren, daß den Ländern gemeinsam 50 Prozent der Aktien zukommen.

Es kommt uns nicht auf die Rechtsform an. Wenn man von Bundesseite will, daß die Länder im ORF stärker mitwirken – auch auf der Ebene der Eigentümer und des Managements –, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, in echter Partnerschaft zwischen Bund und Ländern, aber nicht in Alibiform. Dazu sind die Länder sicherlich nicht bereit.

Ich möchte den Beschluß der Landeshauptleute von Ossiach hier noch einmal wiederholen: Wir haben ersucht, daß die Berichterstattung aus den Ländern im Österreichischen Rundfunk verstärkt wird, insbesondere daß die Sendung "Bundesland heute" auch an Wochenendtagen, Samstag und Sonntag, gezeigt wird. Das Leben in den Ländern, vor allem in den ländlichen Regionen, spielt sich im wesentlichen an diesen Tagen ab.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Soweit meine und unsere Vorschläge in Sachen Föderalismus, und ich bitte den Bundesrat von Herzen, hier Mitstreiter und Mitunterstützer zu sein.

Ich darf abschließend noch darauf hinweisen, daß die Oberösterreichische Landesregierung vor kurzem einstimmig beschlossen hat, ein Forderungspaket an den Bund heranzutragen, das wir in Kürze der Regierungsspitze auf Bundesebene überreichen werden. Ich darf den Bundesrat einladen, uns auch diesbezüglich in besonderer Weise zu unterstützen.

Oberösterreich ist ein starkes Bundesland. Wir liegen mit Salzburg gemeinsam bei den Arbeitsmarktdaten an der absoluten Spitze, mit derzeit nur 4,3 Prozent Arbeitslosen. Wir haben ein sehr gutes Wirtschaftswachstum, im letzten Jahr von 4 Prozent. Wir haben seit zwei Jahren ausgeglichene Budgets, ohne Neuverschuldung, und wir konnten die Verschuldung des Landes von 13 Milliarden auf 7,5 Milliarden – Stand Ende 1997 – reduzieren. Dennoch brauchen wir zu großen Vorhaben die Unterstützung des Bundes beziehungsweise müssen wir das Handeln des Bundes auch in unserem Bundesland entsprechend einmahnen. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Fertigstellung der Pyhrn Autobahn, inklusive der Welser Westspange. – Ich glaube, das ist ein überregionales Anliegen, sodaß meine Bitte an den Bundesrat gerechtfertigt ist. – Ich nenne den Bau der vierten Linzer Donaubrücke und die Verwirklichung des Nahverkehrskonzeptes der Landeshauptstadt Linz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein besonderes Anliegen ist es für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich, daß der öffentliche Verkehr, insbesondere die Summerauer Bahn Linz – Budweis – Prag und die Innviertler Bahn Linz – Braunau – Simbach – München, rasch errichtet und ausgebaut wird. Wir glauben, daß diese beiden Maßnahmen für die infrastrukturelle Ausstattung Oberösterreichs und zur Aufwertung des Wirtschaftsstandortes Oberösterreich von eminenter Bedeutung sind.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich bitte Sie aber auch um Ihre Unterstützung im Bereich der Bildung, zum weiteren Ausbau der Fachhochschulen, der Johannes Kepler Universität. Insbesondere ersuche ich den Bundesrat, dafür zu sorgen, daß die Technologiemilliarden, die die Bundesregierung in den nächsten Jahren ausgibt, auch die Länder erreichen. Ich kann für Oberösterreich festhalten, daß wir selbst bereit sind, in den nächsten Jahren eine Technologiemilliarde zu verwirklichen. Wir glauben, daß wir daher ein besonderes Anrecht darauf haben, auch auf die Technologiemittel des Bundes zu greifen.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme zum Schluß und möchte ganz bewußt ein Anliegen an den österreichischen Bundesrat stellen, das für mich persönlich und sicherlich auch für viele von Ihnen von ganz großer Bedeutung ist: Bitte lassen wir nicht zu, daß der ländliche Raum in unseren Bundesländern ausgedünnt wird! Lassen wir nicht zu, daß Gendarmerieposten, daß Postämter, daß Nebenbahnen, daß Post-Buslinien, daß Bezirksgerichte und dergleichen geschlossen werden und der ländliche Raum eine ständige Abwertung erfährt! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Der ländliche Raum muß ein lebendiger Raum bleiben, sonst wird er als Lebensort, vor allem für die Jugend unseres Landes, seine Attraktivität verlieren.

Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gratuliere nochmals Herrn Präsidenten Dr. Hummer zur Vorsitzführung hier im Bundesrat und wünsche dem österreichisch Bundesrat unter seiner Präsidentschaft eine sehr erfolgreiche Arbeit. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

9.40

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann für seine Ausführungen.

Wir gehen nun in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub.

9.40

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Zunächst darf ich mich bei meinen beiden Vorrednern, dem Herrn Präsidenten und dem Herrn Landeshauptmann, für die Offenheit in einer Diskussion bedanken, die in den letzten Jahren sehr oft beschönigend und verdeckt geführt wurde, und für die Tatsache, daß jetzt offensichtlich mit den Schönfärbereien, was den Bundesrat betrifft, aufgeräumt werden soll. Zumindest für mich war das in diesen beiden Wortmeldungen spürbar.

Herr Präsident Hummer hat auf einige Grundsatzprobleme des Bundesrates verwiesen. Ich darf hier ergänzen, daß sich Ihre Hinweise, Herr Präsident, mit langjährigen Vorschlägen der Freiheitlichen Partei decken, die allerdings in den Kammern dieses Hauses von den Mehrheiten immer abgelehnt wurden. Wir wünschen Ihnen dennoch vom Grunde her viel Erfolg, auch wenn wir vielleicht in Details nicht immer einer Meinung sind.

Herr Präsident Hummer hat in den Medien von einem "Geburtsfehler des Bundesrates" gesprochen. Ich glaube, daß dieser Geburtsfehler durch die Praxis der Koalitionsabkommen gebührend verstärkt wurde. Auch dafür trägt die Verantwortung die Mehrheit dieses Hauses, die Mehrheit des Nationalrates. Das hat nicht unbedingt etwas mit der Verfassung an sich zu tun. Denn auch ohne Verfassungsänderungen könnte der Bundesrat wesentlich mehr aus sich machen, wenn es die Mehrheit zuläßt, Herr Landeshauptmann!

Die Bundesstaatsreform wurde von Herrn Landeshauptmann Dr. Pühringer eingemahnt. Sie haben gesagt, Herr Landeshauptmann, man dürfe sie nicht noch einmal verschieben, weil sonst die Glaubwürdigkeit der Politik im allgemeinen Schaden nehmen würde. Als ich das gehört habe, habe ich mich an die Rede von Bundeskanzler Klima am vergangenen Sonntag anläßlich der Eröffnung der Salzburger Festspiele erinnert. Er hat darin als Kritik an der österreichischen Politik angeführt, daß "Politiker zu oft alte Geschichten erzählen" – wörtliches Zitat –, "die immer weniger auf Interesse stoßen".

Und wenn nun jemand wie ich, der immerhin schon sechs Jahre im Bundesrat ist, diese Geschichten – ich sage jetzt: diese "alten Geschichten" – im Halbjahrestakt von einem Landeshauptmann zum anderen hört, im Grunde immer dieselben Aufforderungen hört, dieselben Begehren hört, dieselben Appelle, ja Beschwörungen an den Bundesrat hört, dann darf es nicht wundern, wenn so mancher den Eindruck hat, hier werden – laut Diktion von Bundeskanzler Klima – "alte Geschichten" zum besten gegeben. Der Glaube geht zunehmend verloren, der


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Reformstau wird immer größer, und in Wahrheit tut sich nichts über die Jahre, ausgenommen vieler beschwörender Reden in diesem Hause.

Meine Damen und Herren! Ich habe durch diese jahrelangen Diskussionen den Eindruck, daß reine Parteimachtspiele, die wir als Opposition – das gebe ich zu – nicht immer ganz durchblicken und verstehen, und vielleicht auch persönliche Eitelkeiten eine wirkliche staatliche Strukturreform verhindern. Und das wollen und können wir nicht länger hinnehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen. )

Die Bundesstaatsreform gemäß Perchtoldsdorfer Pakt wird ständig von den Landeshauptleuten, insbesondere von jenen Ihrer Partei, Herr Landeshauptmann, gefordert. Sie wird aber nicht einmal schrittweise angegangen, und wenn Vorstöße durch entsprechende Entschließungsanträge versucht wurden, so wurden diese auch von den Bundesräten der Volkspartei immer abgelehnt.

Ähnlich ist es mit der Direktwahl des Landeshauptmannes. Diese setzt sich zunehmend durch, immer mehr Bundesländer und Landeshauptleute können dieser Idee etwas abgewinnen. Wenn wir jedoch hier – wir haben das in diesem Haus getan – entsprechende Anträge einbringen, doch zumindest Überlegungen in diese Richtung anzustellen, dann wird das von den Bundesräten derselben Landesparteien abgelehnt.

Von Ihnen, Herr Landeshauptmann, wurde eine 50prozentige Beteiligung der Länder am ORF gefordert. Ich gebe zu, die freiheitliche Fraktion hat meines Wissens nach diesbezüglich noch keinen Entschließungsantrag in diesem Hause gestellt, aber ich prophezeie: Wenn wir das heute tun werden, werden Ihre Bundesräte, Herr Landeshauptmann, diesen Antrag hier ablehnen. Daher dürfen Sie sich und dürfen wir alle uns nicht wundern, wenn so mancher Zuhörer, so mancher Journalist diesen Bundesrat nicht ganz ernst nimmt beziehungsweise nicht ernst nehmen kann.

Sie haben von der Verländerung der Bundesstraßen gesprochen. Ich kann Ihnen vollinhaltlich zustimmen. Von den Doppelgleisigkeiten, von den zusätzlichen Kosten, die dadurch entstehen, weiß im Grunde genommen seit Jahren jeder. Aber es ist, als ob man gegen einen Betonklotz marschiert. Es ist offensichtlich nicht zu ändern. Wir haben in diesem Hause im Vorjahr einen Entschließungsantrag gestellt, die Verländerung der Bundesstraßen anzugehen, zu bearbeiten. Auch dieser wurde von den Bundesräten, auch von jenen Ihrer Partei, Herr Landeshauptmann, abgelehnt.

Das Land Oberösterreich geht daran, dem Bund ein milliardenschweres Forderungspaket auf den Tisch zu legen. Ich weiß nicht, ob es taktisch funktionieren wird und besonders geschickt ist, wenn man sich einerseits als wirtschaftskräftig, als stark, als reich darstellt und andererseits zentrale Gelder in überdurchschnittlicher Höhe haben will. Ich kann mir leicht vorstellen, wie der Bund argumentieren wird: Ihr Oberösterreicher rechnet uns ohnehin ununterbrochen vor, wie toll ihr seid, wie gut ihr wirtschaftet, wie stark ihr seid, wie gut euer Arbeitsmarkt funktioniert, und jetzt wollt ihr einen Haufen Geld von uns haben? – Ich glaube nicht, daß das funktionieren wird, zumal Landesfinanzreferent Dr. Leitl auch noch den Bundesfinanzminister schulmeistert, was Zinsberechnungen und optimale Verschuldungen betrifft. Also das ist, so glaube ich, nicht die richtige Ausgangslage, wenn man von wo Geld haben will.

Ich finde dieses milliardenschwere Forderungspaket schon gut, und alles, was darin steht, hat seine Berechtigung; keine Frage. Aber auch diesbezüglich, Herr Landeshauptmann, darf ich Ihnen mitteilen, daß Initiativen in diese Richtung von Ihren Mandataren in Wien nicht unterstützt werden. Und angesichts dessen dürfen Sie sich nicht wundern, wenn die Glaubwürdigkeit entsprechend beschädigt wird.

In dem vor kurzem verabschiedeten Forderungspaket des Landes Oberösterreich war auch ein Punkt zur Gewerbeordnung enthalten, und zeitgleich, ja beinahe am gleichen Tag, als wir hier in diesem Hause die Gewerbeordnungsreform beschlossen haben, die von unserer Seite entsprechend kritisiert wurde, haben die Führungsfunktionäre und Spitzenrepräsentanten der ÖVP Oberösterreich Reformforderungen an den Bund gerichtet. Dies an einem Tag, an dem Ihre Mandatare hier im Haus ein gegenteiliges Abstimmungsverhalten gezeigt haben! Da dürfen Sie


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sich nicht wundern, wenn zumindest bei der Opposition der Verdacht aufkommt: Also ganz ernst kann das alles nicht gemeint sein!

Es wird vom Land Oberösterreich die Einführung eines familienfreundlichen Steuersystems gefordert. Eine hervorragende Forderung, die zu unterstützen ist! Wir haben diesbezüglich Initiativen im Nationalrat und hier im Bundesrat eingebracht, und zwar in den Ausschüssen und im Plenum. Aber das wurde alles samt und sonders von den Mandataren auch Ihrer Partei, Herr Landeshauptmann, abgelehnt.

Zusammenfassend möchte ich, wenn ich diese Beispiele subsumiere, von einer Irreführung der Bevölkerung und der Bürger sprechen. Denn ich stelle folgendes fest: Die Landeshauptleute, insbesondere Sie, Herr Dr. Pühringer, gehen vor allem in Vorwahlzeiten sehr gerne auf Distanz zum Bund. Man will mit dem "bösen Wiener Wasserkopf" nicht allzuviel zu tun haben, man betont seine Unabhängigkeit und kennt die Parteifreunde in Wien fast nicht, trifft sie nur ganz selten. Der Landeshauptmann läßt aber dann seine Bundesräte, die Bundesräte seiner Landespartei, durch ein Koalitionsabkommen binden. Und weiters geht der Landeshauptmann her – gemeint sind nicht nur Sie, Herr Landeshauptmann Pühringer, sondern all Ihre Amtskollegen von Ihrer Partei – und beklagt dann die Wirkungslosigkeit – Sie haben gemeint: "das unberechtigte Schattendasein" – des Bundesrates.

Was soll man davon halten? – Das ist niemandem mehr zu erklären! Vielleicht bin ich politisch zu naiv und verstehe das nicht. Ich lasse mir aber gerne erklären, was davon ernst gemeint und was davon ein Schauspiel ist.

Die Landeshauptleutekonferenz soll in die Verfassung eingeführt werden, wurde gefordert. Über dieses Thema kann man auch mit den Freiheitlichen reden, das ist sicherlich eine diskussionswürdige Alternative. Aber, meine Damen und Herren: Sowohl eine Stärkung des Bundesrates zu verlangen, als auch gleichzeitig die Landeshauptleutekonferenz mit entsprechenden formalrechtlichen Kompetenzen in der Verfassung zu institutionalisieren, das ist meines Erachtens eine Neueinführung von Doppelgleisigkeiten, das ist eine überwuchernde Bürokratie. Es ist auch keine Linie drinnen, wenn man auf der einen Seite die Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung beklagt, kritisiert und auf der anderen Seite verfassungsmäßig Institutionen aufwerten und hochspielen will.

Ja was glauben Sie denn, was das Ergebnis sein wird? – Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wenn wir die Landeshauptleutekonferenz institutionalisieren und mit Kompetenzen in der Verfassung verankern, dann kann das nur die Abschaffung des Bundesrates zur Konsequenz haben. Alles andere wäre Funktionärsversorgung, und ich weiß nicht, wozu das noch gut sein sollte, jedenfalls ist es schade um das Geld! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der koalitionsfreie Raum wurde gestern offiziell beendet. Ich habe mich gewundert, daß das nicht still und heimlich passiert ist. Nein, die Klubobleute der Regierungsparteien sind noch stolz darauf und verkünden das in den Medien! Das ist im Grunde genommen eine beschämende Sache für uns alle, für alle Mandatare und für das Ansehen der Politik. Und das wird dann noch hinausposaunt! Ich bin wirklich entsetzt gewesen, und zwar nicht aus parteipolitischer Sicht, sondern als Staatsbürger und einfacher Mandatar, daß man damit noch hausieren geht, daß man jetzt dekretiert hat, das freie Mandat habe zu unterbleiben.

Gut, was im Nationalrat passiert, ist nicht unbedingt unsere primäre Angelegenheit, aber auch das, meine Damen und Herren, ist eine weitere psychologische Demütigung des Bundesrates, denn die kleinen Versuche und die kümmerlichen Pflänzchen eines selbständigen Abstimmungsverhaltens, die wir in diesem Haus schon gesehen haben, sind nun natürlich parteiamtlich abgedreht. Das ist eine Vorgangsweise, die dem Ansehen der Politik alles andere als nützt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abschließend darf ich Ihnen sagen, Herr Landeshauptmann Dr. Pühringer, daß der Bundesrat nicht ganz der richtige Adressat Ihrer vielen berechtigten Wünsche und Anregungen ist, weil der Bundesrat ein Tochter- oder Enkeltochterbetrieb der Koalition und der Parteiobleute ist. Und wenn ich heute von einem Konzern etwas will, dann gehe ich nicht zur kleinen operativen Enkel


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tochter, weil diese wenig zu entscheiden hat, sondern ich gehe dorthin, wo die Dinge entschieden werden. Und die Dinge werden nicht im Bundesrat entschieden! Sie, Herr Landeshauptmann, haben ja selbst von der Realpolitik, von der Realverfassung gesprochen. Als Sie die Institutionalisierung der Landeshauptleutekonferenz verlangt haben, haben Sie gesagt: Na ja, das wäre ja nicht so schlimm, es würde doch nur die Realverfassung in die Formalverfassung umgewandelt!

Und wenn wir schon bei der Realverfassung sind: Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihren Verhandlungen mit Bundeskanzler Klima, mit Klubobmann Kostelka und mit Ihrem eigenen Bundesparteiobmann, mit Klubobmann Dr. Khol! Wenn Sie sich dort einigen, dann werden Sie sich wundern, wie schnell das hier im Bundesrat funktioniert. Sie werden nicht die geringsten Probleme vorfinden, wenn dann die legistischen Maßnahmen durchgespielt werden sollen.

Ich bin sehr viel in der Wirtschaft unterwegs, und wenn ich sehe, wie die politische Führung dieses Landes und aller anderen EU-Länder die Globalisierung vorantreibt, mit welchem Tempo und mit welchem Druck die Betriebe dieser Globalisierung ausgesetzt werden und mit welchem Hochdruck sich die Betriebe wandeln müssen, wenn sie nicht untergehen wollen – viele gehen unter, die Pleitewelle ist bekannt –, dann muß ich sagen: Es schmerzt der Vergleich mit der Politik, wenn man sieht, wie langsam, wie zäh, wie unentschlossen die Politik den notwendigen Wandel durchzieht.

Die Politik befindet sich im geschützten Bereich, sie unterliegt nicht dem freien Markt und kann nicht durch Konkurs hinweggespült werden. Das ist schon richtig. Aber ich fordere alle – wieder im Sinne des Bundeskanzlers – auf, mit dem "Erzählen von alten Geschichten" aufzuhören und endlich zu handeln. Denn nur durch Handeln werden wir in Österreich politische Strukturen bekommen, die zur Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten der Globalisierung gehören. Wir können es den Bürgern und der Wirtschaft nicht zumuten, immer höhere Steuern und Gebühren zu bezahlen, damit ein träges, aufgeblähtes politisches System weiterexistiert. Dafür wollen wir uns alle einsetzen! Wenn Sie Interesse an Gesprächen mit der Opposition in diese Richtung haben, sind wir selbstverständlich dazu bereit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.56

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich erteile es ihr.

9.56

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Die Aussagen, die heute zur Bundesstaatsreform getroffen wurden, waren vorauszusehen. Auch die Reaktion der Freiheitlichen darauf war vorauszusehen. Es wurden Widersprüche aufgezeigt, von denen ich ebenfalls sagen muß, daß sie tatsächlich vorhanden sind, wenn wir auch bei den sich daraus ergebenden notwendigen Schlußfolgerungen nicht auf einer Linie liegen.

Der Pakt von Perchtoldsdorf ist ausschließlich zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen verhandelt worden und daher dementsprechend exekutivlastig ausgefallen. Ich denke, Herr Landeshauptmann, das wird selbst mit der Unterlegung der politischen Forderungen, die dem zugrunde liegen, also nach einer Bundesstaatsreform, nicht wegzuleugnen sein.

Die Verschiebung von Kompetenzen betrifft fast ausschließlich die Vollziehung, und die Landesregierungen werden in ihren Kompetenzen, ich möchte fast sagen, drastisch beschränkt. Die politische Willensbildung passiert nicht dort, wo sie eigentlich passieren soll, nämlich im Rahmen der gewählten Mandatare, wobei ich zugebe, daß die Verflechtung und Vernetzung von Problemen sehr groß ist und auch die dazu notwendigen fachlichen Fähigkeiten für einen Mandatar, der sehr oft den Zugang zu diesen Vorgängen nicht in dieser Form hat, immer schwieriger erwerbbar sind.

Aber es ist in Perchtoldsdorf nicht einmal gelungen, in kleinen Bereichen klare Definitionen und Kompetenzabklärungen vorzunehmen. Ich möchte hier nur ein wirklich winziges Detail – nicht von der Wertigkeit her – wie zum Beispiel die Luftreinhaltung anführen. Die Luftreinhaltung be


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ziehungsweise die Umweltsituation ist eine sehr ernsthafte Angelegenheit, aber ich glaube, im Rahmen der Bundesstaatsreform ist sie wirklich nur ein Spotlight.

Ich meine, daß es tatsächlich notwendig sein wird, einen neuen Anlauf zu nehmen, um in diesen Fragen zu einem ernsthaften Kompromiß zu kommen. Ich denke, es wird auf einen Kompromiß hinauslaufen müssen. Ansonsten würden die Schlußfolgerungen, die Herr Kollege Rockenschaub angestellt hat, tatsächlich eintreten. Und wenn ich etwas als gemeinsame Meinung feststelle – das konnte ich auch Ihren Aussagen entnehmen –, dann dies, daß es offensichtlich nicht gewollt ist, durch solche Vorgangsweisen, bei denen man sich offensichtlich nicht einigen kann, den Bundesrat aufzulösen. Aber diese Schlußfolgerung ergibt sich zwangsläufig, wenn es nicht zu Kompromissen kommen kann.

Für mich ist es allerdings ein sehr schmerzlicher Umstand, und ich denke, im Lichte der Ausführungen über die Konsequenzen, nämlich den Bundesrat aufzulösen, müßte das eigentlich auch von jedem einzelnen, der hier sitzt, so empfunden werden – ausgesprochen wurde es schon –, daß ganz offensichtlich die Landeshauptleute mit ihrer Forderung betreffend die Landeshauptleutekonferenz – ich verstehe schon, da Sie hier als der derzeit amtierende Vorsitzende dieser Konferenz sitzen, daß Sie auch die Interessen dieses Gremiums vertreten –, nämlich deren Verankerung in der Verfassung, auch den Wunsch verbinden, sich im Rahmen der Landeshauptleutekonferenz einen realpolitischen Freiraum zu schaffen.

Ich glaube aber, daß wir das damit verbundene Mißtrauen gegen die Vertretung der Länderinteressen im Bundesrat nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen können. Deshalb lehnen wir es ab, daß aufgrund der Verankerung der Landeshauptleutekonferenz der Bundesrat als das Organ der Länder auf Bundesebene praktisch außer Funktion gesetzt und überflüssig wird. Die Lösung dieses meiner Ansicht nach wesentlichen Problems wird im Rahmen eines Kompromisses zu erfolgen haben und zugleich eine grundsätzliche Aussage, ein Bekenntnis darüber erfordern, ob man das eine oder aber das andere haben will. Um eine entsprechende unmißverständliche Deklaration werden wir nicht herumkommen, und das wird die Grundsatzfrage sein. Für alles andere – das sehe ich als ein Mensch, der gewohnt ist, Kompromisse zu schließen – wird man im Rahmen von Diskussionen befriedigende Lösungen herbeiführen können.

Noch etwas möchte ich in diesem Zusammenhang klarstellen: Sicherlich sehen wir alle, daß das freie Mandat mit gewissen Problemen verbunden ist. Dennoch möchte ich – trotz all der Schwierigkeiten, die wir neben der Aufgabe, die Länder zu vertreten, auch mit den eigenen Fraktionen haben, wenn es darum geht, den verschiedenen Wünschen zu entsprechen – als politisch tätiger Mensch nicht hier stehen und in jeder Beziehung und in jedem Faktum einen Auftrag erfüllen müssen. Mir liegt persönlich viel daran – und viele von Ihnen kenne ich so gut, daß ich glaube, Sie teilen diese Ansicht –, daß es beim freien Mandat und der Forderung nach Direktwahl der Bundesräte bleibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Landeshauptmann hat heute zu Recht die Bürgernähe hervorgehoben. Darum glaube ich, daß die Frage der Bundesstaatsreform so schnell wie möglich einer kurzen, inhaltlich prägnanten Diskussion zu unterwerfen und zu einem Abschluß zu bringen ist. Meiner Ansicht nach laufen wir Gefahr, mit unserem Procedere den Menschen draußen absolut unverständlich zu sein. Ich denke, daß dieses Procedere als Voraussetzung dafür, Politik in die Praxis umzusetzen, notwendig ist, doch ist es für den Bürger nicht das, was ihn in erster Linie beschäftigt. Wir müssen das Procedere klarstellen, die Kompetenzen verteilen und unsere Möglichkeiten festlegen, um aufgrund dessen die inhaltliche Arbeit so voranzutreiben, wie das der Bürger von uns erwartet.

Herr Landeshauptmann! Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir, auf ein paar oberösterreichische Anliegen überzuleiten – nicht weil ich Ihnen sagen möchte, was in Oberösterreich geschieht, denn das wissen Sie sicherlich selbst zur Genüge. Ich glaube aber, daß all die Geschehnisse in Oberösterreich nicht losgelöst und nur auf ein Bundesland bezogen zu sehen sind. Vielmehr ist hier die richtige Stelle, die aktuellen Probleme anhand von zwei Punkten aufzuzeigen, auf die ich jetzt zu sprechen kommen möchte. Daraus ergeben sich Auswirkungen so


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wohl auf die Bundesländer als auch auf den Bund, und auf beiden Seiten müssen sich daraus Konsequenzen ergeben.

Ich beziehe mich dabei zunächst auf die Situation der OKA. In der letzten Landtagssitzung ist es bekanntlich gelungen, diese leidige, von heftigen Diskussionen begleitete Angelegenheit zu einem vernünftigen Abschluß zu bringen. Der Beschluß, der im Landtag gefaßt wurde, bedeutet, daß ein Ad-hoc-Verkauf verhindert worden ist, der – ich behaupte und unterstelle das jetzt und denke, daß ich mit dieser Meinung nicht allein stehe – in erster Linie eine positive Wirkung für das Landesbudget erbringen sollte. Herr Landeshauptmann! Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Damit spreche ich den für viele Menschen deutlich erkennbaren Zusammenhang zwischen der Absicht, die Eigentumsverhältnisse bei der OKA zu verändern, und dem Landesbudget an.

Ebenfalls unter dem Motto "Man merkt die Absicht und ist verstimmt" stehend sehen kann man die kurze Ausschreibungsfrist, die meiner Meinung nach auf eine gewollte Strategie zurückzuführen ist, mit deren Hilfe bestimmte Dinge erreicht und andere unmöglich gemacht werden sollten. Damit möchte ich nur den kurzen Hinweis darauf verbinden, daß es innerhalb einer so kurzen Ausschreibungsfrist für diejenigen, die nicht von vornherein in die Überlegungen eingebunden wurden, nicht möglich ist, sich an dem Prozeß zu beteiligen. Dabei denke ich konkret an die ESG.

Die oberösterreichische Energiepolitik – das betrifft in erster Linie die OKA – ist vor allem für Oberösterreich selbst von existentieller Bedeutung, hat aber darüber hinaus im Hinblick auf die unumgängliche Vernetzung im Energiebereich auch Auswirkungen auf die anderen Bundesländer und den Bund. Es bestand ursprünglich die Absicht, daß sich einige Unternehmen aus dem Bereich der Energiewirtschaft zusammentun und an der OKA beteiligen können sollten, ohne daß die OKA die Möglichkeit gehabt hätte, in umgekehrter Richtung tätig zu werden und sich ihrerseits an anderen Unternehmen zu beteiligen. Nunmehr wurde die Verkaufsmöglichkeit eingeschränkt, und in weiterer Folge wird alles daranzusetzen sein, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sich die OKA – ohne daß das Verstaatlichungsgesetz geändert werden muß – aktiv an Zusammenschlüssen beteiligen kann.

An dem erreichten Kompromiß ist für Oberösterreich auch sehr wichtig, daß eine eventuell erforderliche Kapitalerhöhung nicht von der OKA und damit von den Oberösterreichern allein zu tragen sein wird. Wie ich bereits festgestellt habe, wird die erforderliche Verschränkung der Stromversorgung in Zukunft zu größeren Einheiten führen, und dabei wird es die Frage sein, wie gegenüber solchen Einheiten der politische Einfluß gesichert werden kann, damit ein existentielles Bedürfnis wie die Stromversorgung erfüllt und ein zumutbarer Strompreis sichergestellt werden kann sowie weiterhin die Energieversorgung für die Menschen in Österreich und insbesondere in Oberösterreich gewährleistet bleibt.

Die Verschränkungen in der E-Wirtschaft sind wichtig, dennoch – ich wiederhole dieses Bekenntnis – muß der politische Einfluß sichergestellt werden, und diesem Ziel wurde mit der 51-Prozent-Bindung Rechnung getragen. Leider war die Diskussion darüber in Oberösterreich nicht immer fair und erfreulich, insbesondere deshalb, weil bereits andere Interessen ihre Schatten vorausgeworfen haben und in der Diskussion um die OKA stark zu spüren waren. Herr Landeshauptmann! Wenn der Geist, der dem gefundenen Kompromiß zugrunde liegt, auch in die weiteren notwendigen Maßnahmen einfließen kann, wird die oberösterreichische Energiewirtschaft auf einer vernünftigen Grundlage stehen.

Ich weiß, daß wir heute unter großem Zeitdruck stehen, bitte aber trotzdem um Ihr Verständnis dafür, daß ich nunmehr auf ein Problem zu sprechen komme, das mir sehr am Herzen liegt: die Lehrlingsausbildung und die Situation der Lehrlinge. Auch in diesem Fall gehe ich vor allem auf die Lage in Oberösterreich ein, obwohl davon wiederum keineswegs nur Oberösterreich oder einzelne andere Bundesländer, sondern wir alle und der Bund insgesamt betroffen sind. Es ist dabei unbedingt ein konzertiertes Vorgehen erforderlich, um zum Erfolg zu kommen.

Wie die Lage in einer Vereinbarung von der Arbeiterkammer und der Wirtschaftskammer in Oberösterreich dargestellt wird, brauche ich Ihnen nicht im Detail zu erläutern, sondern möchte


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daraus nur ein paar Zahlen nennen. Im Jänner 1997 waren mehr als 1 600 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Heute gibt es 177 Lehrstellensuchende mehr, an offenen Lehrplätzen stehen 194 Plätze weniger zur Verfügung.

Aufgrund dieser Zahlen ist bereits die Dramatik der jüngsten Entwicklung erkennbar, wenn wir davon ausgehen, daß im Herbst 2 400 junge Menschen in Oberösterreich vor der Tatsache stehen werden, für ihr Leben keine Perspektive zu sehen. Sie haben damit nicht die Möglichkeit, ein positives Leben einzuleiten. Meiner Ansicht nach ist die Berufsausbildung – auch in Form kurzfristiger Maßnahmen, die auf längere Sicht als Basis für eine Weiterbildung dienen können – die Grundlage dafür, einen Menschen zu entwickeln, der im Gefüge des Staates seine Rolle findet, dort positiv seinen Stellenwert bekommt und das Miteinander positiv beeinflussen kann.

Ich möchte auf die negativen Folgen der Jugendarbeitslosigkeit – wie Kriminalität und Drogensucht – nicht eingehen, sondern Ihnen eine Bitte mit auf den Weg geben, Herr Landeshauptmann! Sie mögen zur Erfüllung der vorhandenen Zusagen – ich befürchte allerdings, daß das in mancher Hinsicht nur Lippenbekenntnisse sind – gemeinsam mit allen anderen Partnern in Oberösterreich so viel Druck entwickeln, daß die Ergebnisse noch vor Jahresende, also vor dem Zeitpunkt der sich jetzt ankündigenden Wirksamkeit, zum Tragen kommen. Denn ich halte es angesichts der Tatsache, daß Lehr- und Schuljahre im September beginnen, für keine geeignete Vorgangsweise, erst zu Beginn des nächsten Jahres Maßnahmen wirksam werden zu lassen und somit den betroffenen Menschen noch einmal eine Phase zuzumuten, in der sie ihrer Unsicherheit und ihren großen Sorgen ausgeliefert sind.

Ich bitte Sie, alles an die Erreichung dieses Zieles zu setzen, insbesondere gegenüber den Unternehmervertretern, die ursprünglich zusagten, ihre Vorstellungen mit 10. Juli einzubringen, um anschließend zu gemeinsamen Entscheidungen zu kommen. Aber inzwischen ist die Entscheidung auf August vertagt worden. Ich halte dieses Hinausschieben für den Ausdruck einer völlig unverantwortlichen Haltung und bitte Sie nachdrücklich, dahinter – auf gut oberösterreichisch – Dampf zu machen.

Wir haben in Oberösterreich die Bildungseinrichtung des "Triathlon". Es wurde im heurigen Frühjahr auf Initiative der oberösterreichischen Arbeiterkammer im BFI gestartet, ist regional sehr gut verteilt und zur Bekämpfung regionaler Probleme geeignet, wie an den entsprechenden Erfahrungen zu sehen ist. Diese Initiativen müssen auch mit Unterstützung des Landes ausgewertet werden, sodaß sich zwangsläufig die Bitte an Sie, Herr Landeshauptmann, ergibt, die dafür notwendigen Mittel in ausreichendem Ausmaß zur Verfügung zu stellen.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich das Modell der Berufsschule "Plus", das im Sonderprogramm der Bundesregierung vorgesehen ist. Es gibt also, wie gesagt, Ideen, Vorschläge und konkret ausgearbeitete Programme, aber die Umsetzung scheint derzeit unter politischem Druck nur schleppend vor sich zu gehen. Meiner Ansicht nach müssen alle Überlegungen darüber, was einer Gruppe nützlich ist oder nicht, in den Hintergrund treten, wenn es darum geht, die Voraussetzungen zu schaffen, daß junge Menschen den Start in ihr Leben finden.

Herr Landeshauptmann! Was Sie heute in Ihrer ersten Rede zum Bundesrat neben den grundsätzlichen Problemen ... (Landeshauptmann Dr. Pühringer: Zweite!) Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich Ihnen eine weggenommen habe; aber Sie werden noch öfter kommen, und ich darf das dann dazurechnen. – Neben den grundsätzlichen Problemen, die uns im Rahmen der Bundesstaatsreform ins Haus stehen und mit denen wir fertigwerden müssen, um eine Grundlage für unsere Arbeit zu gewinnen, geht es auch um das Procedere, mit dem wir unsere inhaltliche politische Arbeit zum Wohl der Bürger abwickeln. Wir befinden uns in einer Situation, in der die Probleme hautnah sind. Neben zahlreichen anderen Punkten haben Sie den Verkehr genannt. Dabei geht es – auch wenn Sie vielleicht sagen, daß der städtische Verkehr nicht unmittelbar in Ihre Kompetenz fällt – um die Verschränkung zwischen dem Verkehr draußen in den Regionen und dem innerstädtischen Verkehr. Auch dabei müssen die Probleme an der Nahtstelle bewältigt werden.


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Insgesamt geht es darum, in der Bundesstaatsreform Kompromisse zu finden und auf diese Weise alle Nahtstellen nicht mit Kanten, sondern mit glatten Flächen zu versehen, damit die Reform wirksam werden kann und gemeinsame Lösungen gefunden werden können. Das ist eine notwendige Voraussetzung, und dafür werden Kompromisse erforderlich sein, doch ist das in weiterer Folge nur die Grundlage dafür, die vorhandenen Probleme, die wir zugunsten der Menschen zu bewältigen haben, auch in einer Situation wie der heutigen, in der es an Ressourcen mangelt und in der die finanziellen Mittel beschränkt sind, so gut wie möglich zu bewältigen.

Herr Landeshauptmann! Ich bitte Sie, diese Meinung der oberösterreichischen Bundesräte – ich glaube, damit habe ich nicht viel Konfliktstoff angesprochen, das war heute auch nicht meine Absicht – mit nach Hause zu nehmen und diese positive Einstellung, diesen guten Willen überdies zur Landeshauptleutekonferenz mitzunehmen sowie dort entsprechend zu vertreten. (Beifall bei der SPÖ.)

10.16

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Anton Hüttmayr. Ich erteile es ihm.

10.16

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Der Herr Landeshauptmann und der Herr Präsident haben unser Bundesland schon beleuchtet und über einige seiner Facetten berichtet. Ich möchte eingangs einige grundsätzliche Anmerkungen machen und werde mir anschließend erlauben, ebenfalls auf unser Bundesland im speziellen einzugehen sowie auf einige meiner Vorredner Bezug zu nehmen.

Faktum ist, daß wir einer sehr schnellebigen Zeit angehören und unsere Gesellschaft vom technischen Fortschritt geprägt ist. Der technische Fortschritt hat uns zwar Wohlstand gebracht, bereitet uns aber andererseits auch viele Sorgen. Trotzdem – das glaube und das weiß ich auch – haben Politiker die Aufgabe, Optimisten zu sein. Wenn wir über die Zukunft lesen und reden, dann taucht stets der Begriff der Solidarität auf: Solidarität als Balance zwischen dem Ich und dem Wir. Auf die Solidarität, auf diese Balance wird es ankommen, wenn wir es ernst meinen mit einem verantwortungsvollen Umgang der Generationen miteinander, aber auch dem Umgang zwischen denjenigen, die mehr haben, und denen, die weniger haben, sowie dem Umgang zwischen den Menschen, die auf dem Land leben, und jenen, die in der Stadt wohnen.

Geschätzte Damen und Herren! Es geht darum, Brückenfunktionen zu schaffen. Brücken müssen auf festen Fundamenten erbaut werden. Es sind Säulen zu errichten, und in der heutigen Zeit gilt das vor allem für die wirtschaftliche Basis. Sie ist die Grundlage für all unser Tun. Es kommt auf die wirtschaftliche Basis und auf soziale Gerechtigkeit an, was immer soziale Gerechtigkeit für jede einzelne und jeden einzelnen bedeuten mag. Ich bin davon überzeugt, daß das Kapital zurzeit sehr stark gestaltet und all das mit vielen Fragezeichen zu versehen ist. "Globalisierung" ist der zentrale Begriff, der zurzeit herumgeistert.

Eben deshalb, weil das Kapital derzeit so stark ist, bin ich davon überzeugt, daß es zu einer Rückbesinnung auf Werte und auf wertorientierte Politik kommen muß. Zu Pfingsten hat Professor Zauner in Reichersberg erklärt, daß der Begriff "Wert" schon in der Bibel kein theologischer, sondern ein ökonomischer Begriff war, der sich am Markt als dem Ort orientiert, an dem man Leistung mit Gegenleistung bewertet.

Kollege Rockenschaub! Du hast Bundeskanzler Klima zitiert und gesagt, er solle mit dem Geschichten-Erzählen aufhören. Ich frage dich, lieber Kollege Rocken


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schaub: Was hast du gemacht? Hast nicht auch du Geschichten erzählt? Welchen Punkt aller Ausführungen hast du nicht angezweifelt? Welchen Punkt hast du nicht kritisiert? – Du hast sogar kritisiert, daß, wenn das Land Oberösterreich zum Bund geht und ein Forderungspaket auf den Tisch legt, das auch nicht richtig sei. Es sei auch nicht richtig, daß wir von Familienpolitik reden. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Das muß eine andere Rede gewesen sein!) Du hast von der Irreführung der Bevölkerung gesprochen. – Ich habe dir sehr wohl zugehört. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Völlig daneben!) Du hast davon gesprochen, daß die Länder auf Distanz gehen. Ich meine, du hast geglaubt, bei einer Wahlveranstaltung zu sein.

Ich bin davon überzeugt, daß es wichtig ist – ganz egal wo wir auftreten –, daß wir uns miteinander bemühen. Man kann nicht sagen, der Landeshauptmann redet vor dem Bundesrat, das ist überhaupt nicht das zuständige Gremium. – Umkehrschluß: Rede nicht vor dem Bundesrat! – So kann es nicht sein. Ich bin davon überzeugt, daß wir die Gespräche suchen müssen. Wenn wir sie suchen, dann finden wir sie auch. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Bösch. ) Das gilt auch für Sie, Herr Kollege Bösch!

In diesem Sinne glaube ich auch, daß, wenn der Forderung nachgegeben wird, die Landeshauptleutekonferenz in der Verfassung zu verankern, dies nicht automatisch bedeutet, daß der Bundesrat überflüssig ist. Das, glaube ich, kann so nicht gemeint sein und ist auch so nicht gemeint. De facto ist die Landeshauptleutekonferenz jetzt schon bei verschiedenen Gesetzen zuständig und hat jetzt schon gewisse Möglichkeiten. Ich bin davon überzeugt: Wenn die Verankerung der Landeshauptleutekonferenz dazu dient, um effizienter im politischen Gestalten zu sein, dann wird der Bürger den Vorteil sehen, und dann soll es recht sein.

Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich besteht aus selbständigen Bundesländern. Wir müssen in der Tat danach trachten, daß die Selbständigkeit dieser Bundesländer auch erhalten bleibt. Ich glaube, es ist notwendig, daß wir die Themen, die gelegt wurden, ständig hinterfragen. Die föderale Struktur der Jahrtausendwende sieht sicherlich vom Grundsatz her nichts anderes vor; nur die direkten Einbindungen sind zu sehen.

Wir haben uns vor zwei Wochen bei einer Enquete auf die Bundesstaatsreform vorbereitet. Verschiedenes wurde präzisiert, das Perchtoldsdorfer Abkommen wurde erneut als Forderung erhoben. Der Herr Landeshauptmann ist darauf schon eingegangen. Faktum ist, daß es wahrlich notwendig ist, die Kompetenzen zwischen Bund und den einzelnen Ländern, aber auch innerhalb und zu den Gemeinden zu diskutieren. Die Auflösung der mittelbaren Bundesverwaltung als zentrale Forderung spüre ich als Vertreter einer Region, als Mandatar einer Region schon sehr deutlich. Wenn dadurch der Vorteil entsteht, daß die Politik bürgernäher ist, daß die Wege nicht mehr so lange sind und daß dadurch die Politik treffsicherer ist, dann bin ich davon überzeugt, daß es ein richtiger Ansatz ist und daß wir alle dazu unseren Beitrag leisten sollten.

Stichwort wertorientierte Politik: Wertorientierte Politik bedeutet, Verantwortung zu tragen und die Probleme nicht zu delegieren. Wir dürfen nicht auf Kosten jener, die nach uns kommen, Politik machen. Jede Generation – davon bin ich zutiefst überzeugt – hat ihre Probleme zu lösen. Das gilt bei der Wirtschaft, bei der Umwelt, aber auch beim sozialen Gefüge.

Eines möchte ich als Oberösterreicher mit Stolz anmerken: Wenn wir in der Lage sind, gute Wirtschaftsdaten zu legen, dann mögen viele Faktoren dazu beigetragen haben, aber einige richtungsweisende, entscheidende Faktoren im politischen Gestalten waren ganz bestimmt auch notwendig, damit all das erreicht werden konnte, daß wir Schulden abbauen konnten und daß wir letztendlich sogar einen Überschuß im Budget haben.

Schulden-Abbauen bedeutet nicht, daß man Familiensilber veräußert und so weiter, Schulden Abbauen bedeutet, daß man Spielraum für die notwendigen Problemlösungen erreicht. Früher haben wir an die Banken Zinsen gezahlt, und heute können wir mit diesen Ersparnissen aus Zinsenzahlungen die Probleme lösen, die wir durchaus auch ohne Privatisierungserlöse gehabt hätten, nur wären sie viel teurer zu lösen. Daher bin ich davon überzeugt, daß diese Politik richtig ist, nämlich die Politik der maßvollen Privatisierung, aber vor allem auch des sparsamen Ausgebens und des sparsamen Umgangs mit Steuergeldern, wie wir es in Oberösterreich zu tun versuchen. Es heißt schon beim "kleinen Fritz": "Spare in der Zeit, dann hast du in der Not." – In der Tat ist es so. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wie heißt der?) Wir sind jetzt in der Lage, Frau Kollegin Riess, da wir uns vorbereitet haben. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Können Sie das Buch noch einmal nennen?) Die Probleme, die wir in der heutigen Zeit vorfinden, sind dadurch lösbar. Letztendlich ist die beste Anlage der Politik die Investition in die Zukunft; und


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das ist die Jugend. Aus- und Weiterbildung wurde von all meinen Vorrednern gefordert. In der Tat sind wir in der Lage, das zu tun.

Ich freue mich auch, daß der Landeshauptmann den ländlichen Raum angesprochen hat. Es ist notwendig, daß wir die Infrastruktur in den Dörfern und in den Gemeinden erhalten. Man darf nicht nach der "Salamitaktik" vorgehen und sagen: Da machen wir das Postamt zu und da den Gendarmerieposten, und die Eisenbahn rechnet sich auch nicht mehr. – Wir müssen furchtbar achtgeben, und zwar alle.

Oberösterreich hat eine landschaftliche Schönheit, der Herr Präsident hat schon darauf verwiesen. Über die wirtschaftliche Kraft kann man einiges nachlesen, einige meiner Nachredner werden dies wahrscheinlich noch beleuchten. Mir geht es hier um die kulturelle Vielfalt, die in unserem Land vorhanden ist und vielfach auch kritisiert wird, gerade von Oppositionspolitikern. Kultur kostet sehr viel Geld, nur Unkultur kostet noch mehr. Ich bin davon überzeugt, daß Kultur gar kein schlechtes Geschäft ist, wenn wir es aus der Verantwortung heraus sehen und wenn wir die jungen Leute berücksichtigen.

Wir waren im letzten Jahr und heuer vielfach in den Gemeinden, bei verschiedenen Veranstaltungen, bei Vereinen, bei Organisationen unterwegs, wo Jubiläen gefeiert wurden – man feiert teilweise 50jährige Jubiläen. Ich denke, man hat nach dem Krieg nur das gemacht, was für diese unsere Gesellschaft tatsächlich notwendig war. Anscheinend hat man dort richtig erkannt, daß die Kultur eine sehr bedeutende Säule für das gesellschaftliche Miteinander ist. Ich bin davon überzeugt, daß es auch in der Zukunft so sein muß und daß diese Kultur erhalten bleiben muß. Wir in Oberösterreich tun dazu das Beste. Viele Tausende helfen uns dabei. Wir haben im letzten Jahr und heuer noch das Jahr der Ehrenamtlichkeit begangen. Wir haben sehr viele Persönlichkeiten in das Scheinwerferlicht stellen können, um auf ihre Tätigkeiten hinzuweisen und Dank zu sagen. Das ließe sich jetzt an einigen Beispielen fortsetzen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Geschätzte Damen und Herren! Wir wollen eine Politik des Handelns: Ziele formulieren und dann vor allem diese verfolgen. Das gelingt uns, Gott sei Dank, in unserem Bundesland recht gut. Das verlangt natürlich das eine oder andere Mal Verständnis.

Kollegin Kainz hat von der OKA-Privatisierung gesprochen. Sie hat in der Tat recht, daß dabei natürlich noch viel Informationen notwendig sind. Es ist aber auch ein Faktum, daß die Entscheidungen, wenn man sie den Leuten erklärt, als richtig empfunden werden.

Wenn wir in einem maßvollen Anteil privatisieren und wenn wir uns einen strategischen Partner suchen, dann ist das immer gut, wenn wir das selbst tun können und nicht andere tun müssen.

Energiepolitik bedeutet Absicherung für die Zukunft, sie bedeutet, daß wir Energie sparen, daß wir die benötigte Energie naturschonend erzeugen können, sie bedeutet aber auch, uns an Grundsätzen zu orientieren, und dabei sind wir auf dem richtigen Weg.

Geschätzte Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, daß das politische Handeln den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen hat und daß die Politik nicht den Menschen entwickeln muß, Frau Kollegin Kainz, sondern daß sie dem Menschen die Chance gibt, daß er sich entwickeln kann. Davon bin ich überzeugt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich warne davor, daß wir Politik nach dem Motto machen, die Fahne in den Wind zu stellen – das wäre zu billig, das wäre auch teilweise verantwortungslos –, sondern wir müssen den Mut aufbringen, das Richtige zur richtigen Zeit zu tun. Wir brauchen Politik, die berechenbar ist, die Handschlagqualität hat.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Du bist einer, der diese Politik verkörpert. Wir bedanken uns bei dir für dieses dein Tun. Wir wünschen dir, wir wünschen uns, daß es uns noch lange möglich ist, für dieses schöne Land Politik zu machen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.32


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629. Sitzung / Seite 36

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Helga Moser. Ich erteile es ihr.

10.32

Bundesrätin Helga Moser (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Ich möchte gar nicht so sehr auf oberösterreichische Fragen eingehen, sondern ich möchte mich in meinen Ausführungen mehr auf die Situation des Bundesrates beziehen.

Herr Landeshauptmann! Sie haben in Ihren Ausführungen auf die Wertigkeit des Bundesrates hingewiesen, auf die wertvolle Arbeit, die hier im Bundesrat als Vertretungskammer der Länder geleistet wird. Gegen Ende Ihrer Rede haben Sie allerdings die Forderung erhoben, daß sich die Bundesräte in ihrem Stimmverhalten am Willen der Bundesländer eindeutig orientieren sollen, also ein gebundenes Mandat ausüben sollen.

Ich glaube, viele von uns – ich möchte sagen: alle hier – haben diesen Balanceakt immer wieder zu bewältigen, nämlich Länder- und Bundesinteressen gegeneinander abzuwägen und dann die eigene Entscheidung zu treffen. Ich glaube, es ist auch sehr wichtig, daß wir ein gewisses Maß an Eigenentscheidung im Hinblick auf die Gesetzgebung, die vom Nationalrat kommt, beibehalten können. Ich glaube nicht, daß der Bundesrat durch ein gebundenes Mandat der Abgeordneten gestärkt wird.

Auch mit Ihrer Forderung nach rascher Einführung des Konsultationsmechanismus und der Forderung nach der verfassungsmäßigen Verankerung der Landeshauptleutekonferenz wird meiner Meinung nach der Bundesrat noch um einiges mehr abgewertet. Die verfassungsmäßige Verankerung der Landeshauptleutekonferenz sehe ich persönlich so, daß man dann den Bundesrat ersatzlos streichen könnte.

Der Föderalismus wird zurzeit durch Gremien wie den Bundesrat, die Landeshauptleutekonferenz, die Landtagspräsidentenkonferenz, die Finanzreferentenkonferenz, den Gemeindebund, den Städtebund, aber auch die Kammern und die Verbände gelebt und dokumentiert. Ich glaube, wir haben genügend Entscheidungsebenen in unterschiedlicher Wertigkeit, die die Länderinteressen tatsächlich vertreten.

Für uns Freiheitlichen stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Konsultationsmechanismus in diesem System überhaupt noch Platz findet. Im Zuge der Bundesstaatsreform wäre es unserer Meinung nach wichtiger, die Länderkammer aufzuwerten. Es ist nicht Empfindlichkeit, wenn die Abgeordneten zum Bundesrat beklagen, daß alle sachpolitischen Entscheidungen von anderen getroffen werden.

Herr Präsident Dr. Herbert Schambeck hat beim Besuch der Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, die am 6. Mai dieses Jahres den Bundesrat besucht hat, folgendes formuliert – ich zitiere wörtlich –: Wir sind das ungeliebte Kind, weil die Repräsentanten in den Ländern darüber gekränkt sind, daß man nicht alle ihre Wünsche im Parlament erfüllt, und weil die Repräsentanten in Wien darüber verärgert sind, daß man ihnen auf die Nerven geht, wenn man Länderinteressen vertritt. – Ende des Zitats.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Ich bin erst ein Jahr in diesem Gremium. Die Erfahrung und das Wissen, das Ihren Parteikollegen Dr. Herbert Schambeck ausgezeichnet hat, habe ich nicht. Ich kann aber dieser Aussage von meiner Wahrnehmung her vollinhaltlich zustimmen.

Herr Präsident Dr. Hummer hat heute zu Beginn formuliert, der Landeshauptmann von Oberösterreich nimmt heute sein Rederecht in Anspruch. Meine Forderung hier und heute an Sie: Ermöglichen Sie als Landeshauptmann von Oberösterreich auch den Bundesräten im Oberösterreichischen Landtag das Rederecht. Dies wäre meiner Auffassung nach eine Geste Ihrerseits, die den Bundesräten aller Fraktionen zeigt, wie sehr Sie die Länderkammer und ihre Mandatare schätzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Herr Landeshauptmann! Zum Schluß meiner Ausführungen möchte ich noch eine Bitte aussprechen: Ich bitte Sie, daß Sie in Ihrer Funktion als Landeshauptmann, wenn es um Themen geht, die uns als Mitglieder des Bundesrates betreffen, mit uns Gespräche im Vorfeld aufnehmen, daß Sie alle Fraktionen über Ihre Überlegungen informieren, wenn es darum geht, wie Sie im ÖVP-Informationsdienst geschrieben haben, daß die Bundesräte mit ihrem Stimmverhalten am Willen der Bundesländer eindeutig orientiert und gebunden sein sollten. Ich würde bitten und mir wünschen, daß Sie jene demokratischen Entscheidungen, die uns betreffen, im Vorfeld auch mit uns besprechen. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.38

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner. Ich erteile es ihm.

10.38

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Erlauben Sie mir einleitend, daß ich dem Innviertler und Nachbarn, dem Herrn Präsidenten, meine aufrichtigen Glückwünsche ausdrücke und viel Erfolg für seine Tätigkeit wünsche.

Ich darf mit der Feststellung beginnen, daß natürlich unterschiedliche Zuständigkeiten – Länder, Bund, Gemeinden – gegeben sind, dies für die Bürger in den Bezirken jedoch eigentlich nicht von Bedeutung ist. Sie spüren lediglich die Auswirkungen.

Es ist selbstverständlich, daß sich die Bürger bei verschiedenen Fragen betroffen fühlen. Ein Beispiel: Die durchaus positiven Begleitumstände im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt brachten besonders im Grenzbereich Auswirkungen beim Zoll und bei der Zollwache. Eine Verringerung des Personalstandes, andere, oft weit entfernte Dienstorte, Umorganisationen waren die Folge.

Weitere Beispiele, die die Bürger beschäftigen: Auflösung und Zusammenlegung der Gendarmerieposten, Umstrukturierungen bei der Bundesbahn, bei der Post, die Schließung der Postämter – wie schon erwähnt wurde –, Überlegungen der Zusammenlegung beziehungsweise teilweisen Auflösung der Bezirksgerichte, der Vermessungsämter, der Finanzämter und auch bei den Krankenhäusern. Dabei darf man auch die Auflösung von Straßenmeistereien und OKA-Rayonsleitungen, die in den Bereich des Landes fallen, nicht außer acht lassen.

Diese Auflösungen und Zusammenlegungen haben aber auch andere Begleitumstände, die wir nicht übersehen dürfen: weitere und beschwerliche An- und Rückreisewege für die betroffenen Bewohner der ländlichen Bezirke und das in einer Zeit, in der die Fahrpläne der Bahn und der Post eher nicht kundenfreundlich gestaltet sind. Es wird sogar von seiten der Bahn und der Post von Finanzspritzen gesprochen, die natürlich von den Ländern und Gemeinden bezahlt werden sollen.

Abgesehen von der Zumutbarkeit für die Bevölkerung, was die Bedeutung der öffentlichen Verkehrsmittel anlangt, sehe ich auch den Tourismusbereich, der für die Zukunft gefährdet sein könnte.

Es darf zu keinen Einstellungen von Linien der Bahn und der Post kommen, denn es wäre unvorstellbar, wenn solche Linien eingestellt werden und zusätzlich die schon geschilderten Zusammenlegungen und Verlagerungen der Ämter erfolgen. Das wäre eine echte Benachteiligung des ländlichen Raumes.

Mit solchen Maßnahmen treibt man eigentlich – das soll nicht unerwähnt sein – die Pendler zurück in ihre eigenen PKWs, und es besteht daher die große Gefahr, daß der öffentliche Nahverkehr wieder an Bedeutung verliert.

Geschätzte Damen und Herren! Abgesehen davon, daß die geschilderten Maßnahmen letztlich zu einer Reduzierung der Arbeitsplätze führen, sei das nun direkt oder auch dadurch, daß bei Pensionierungen nicht mehr nachbesetzt wird, sind die Chancen für unsere Jugend dadurch


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nicht besser, sondern schlechter geworden. Die Frage der Betriebsansiedlung und der Lehrlinge wurde schon angeschnitten – ich möchte mich daher nicht mehr damit beschäftigen, sondern lediglich ihre große Bedeutung nochmals unterstreichen.

Im Vergleich der Arbeitslosenzahlen liegt mein Bezirk Schärding in Oberösterreich und auch in Österreich recht gut. Ein Begleitumstand, der dazu beiträgt, ist, daß wir viele Pendler haben – Pendler, die die tägliche Belastung, in den Zentralraum zu fahren, um 4.30 Uhr in den Zug einzusteigen und nach 12, 13 Stunden Arbeitszeit wieder zurückzukehren, auf sich nehmen, oder auch Pendler, die am Montag in den Kombi einsteigen, zur Baustelle fahren und am Freitag zurückkehren. Das sind Belastungen für die Betroffenen, auch für die Familien, die letzten Endes nicht übersehen werden dürfen. Man ersieht daraus, wie wichtig die Schaffung von Arbeitsplätzen und Betrieben im eigenen Bezirk ist.

Es gäbe natürlich noch viele Fragen und Beispiele. Einige davon möchte ich noch nennen, zum Beispiel die Bildung – Schulen, Kindergärten –, bei der sicherlich ein Nachholbedarf für die ländlichen Bereiche und Bezirke gegeben ist, sowie die Senioreneinrichtungen und Sozialdienste. In diesem Zusammenhang muß die Bedeutung des Einsatzes von Zivildienern besonders unterstrichen werden und auch für die Zukunft als wichtig gelten.

Wenn man es auch nicht gerne hört: Ich glaube, daß man auch hinsichtlich der Bäder der Gemeinden eine Lösung finden sollte. Es könnte vielleicht eine gewisse Mitfinanzierung des Betriebes durch die Nachbargemeinden erreicht werden. Denn es ist schwer verständlich, wenn eine Gemeinde, die sich ein Bad erspart und dadurch keine Ausgaben hat, auch noch Eintrittskarten vergünstigt an ihre Einwohner abgibt, jene Gemeinde aber, die die vollen Kosten des Bades zu tragen hat, solche Vergünstigungen nicht anbieten kann.

Ich möchte auch anregen, über Gastschulbeiträge an den Musikschulen zur Senkung der Betriebskosten für die Standortgemeinde nachzudenken.

Zusätzlich wäre es wichtig und ist schon oft angesprochen worden, Vereinen, die eigene Sportanlagen betreiben, auch für den Betrieb – beim Bau wird ohnehin geholfen – Unterstützung zu gewähren.

Was das Wohnen anlangt, so ist in Oberösterreich ein Antrag der SPÖ auf Senkung der Wohnkosten eingebracht und von der Landesregierung einstimmig beschlossen worden. Das ist, ohne daß ich näher darauf eingehe, als sehr positiv zu werten, denn zur Lebensqualität gehört nun einmal das Wohnen, nur muß man sich dieses auch leisten können.

Geschätzte Damen und Herren! Fast allen ist klar, daß nicht nur der Bund und die Länder den Sparstift kräftig ansetzen mußten – auch die Gemeinden waren dazu gezwungen. Hier soll nicht unerwähnt sein, daß sich das vieldiskutierte Sparpaket des Bundes durchaus positiv ausgewirkt hat. Die Mehreinnahmen aus dem Bundestopf haben sich im Landesbudget und auch in den Gemeinden wohltuend bemerkbar gemacht.

Festhalten möchte ich, daß der finanzielle Spielraum in den Städten und Gemeinden immer geringer wird. Dabei waren in der letzten Zeit und auch jetzt die Aufträge der öffentlichen Hand für unsere Wirtschaft und damit für die Sicherung der Arbeitsplätze sehr wichtig. Umso mehr muß die Handlungsfähigkeit der Gemeinden gestärkt werden.

Sehr genau wird man sich die von Herrn Landeshauptmann Dr. Pühringer angesprochene Übertragung von bisherigen Aufgaben des Landes an die Gemeinden ansehen müssen. Es ist sicherlich zu prüfen, welche Aufgaben von den Gemeinden aufgrund der bereits sehr stark eingeschränkten Personalsituation überhaupt noch übernommen werden können, und es ist auch genau zu durchleuchten, mit welchen Belastungen die Gemeinden dann zu rechnen hätten. Denn eines ist sicher: Die Gemeinden dürfen nicht auf der Strecke bleiben. Es muß eher danach getrachtet werden, eine Entlastung zu erreichen.

Manche Städte und Gemeinden haben es seit der Abschaffung der Gewerbe- und Lohnsummensteuer – wenn ich das kurz erwähnen darf – und der Einführung der Kommunalsteuer


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nicht leicht, denn die früheren Einnahmen können oftmals nicht mehr erreicht werden. In diesem Zusammenhang müssen wir – ich meine jene Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates, die auch Gemeindevertreter sind – auf die Bedeutung der Getränkesteuer hinweisen und die Forderung aufstellen, daß diese in der derzeitigen Form und Art als Gemeindesteuer bestehen bleibt – alles andere wäre im Hinblick auf unsere Gemeinden unverantwortlich.

Es muß überhaupt darüber nachgedacht werden – das gilt für alle Bundesländer –, daß den Gemeinden und Städten möglichst keine neuen Belastungen mehr auferlegt werden. Es muß, im Gegenteil – ich habe das schon erwähnt –, zu einer Entlastung der Gemeindehaushalte kommen.

Der SPÖ-Klub hat ein mittelfristiges Investitionskonzept im Oberösterreichischen Landtag eingebracht. Der SPÖ-Klub bekennt sich natürlich zur Sparpolitik des Landes. Diese darf und soll jedoch nicht Selbstzweck sein, sondern es müssen jetzt mit den erwirtschafteten Überschüssen beschäftigungswirksame, standortverbessernde Maßnahmen für die Zukunft finanziert werden. Es ist erfreulich, daß der derzeitige Schuldenstand auf den Stand von 1993 abgesenkt werden konnte – eine Folge des eigenen Sparens im Lande und der durchaus positiven Auswirkungen des Sparpaketes des Bundes. Die derzeitige Tilgung des Landes beträgt 2 Milliarden Schilling. Der SPÖ-Klub meint, daß die Hälfte davon für ein Investitionskonzept zur Schaffung von Arbeitsplätzen verwendet werden sollte.

Geschätzte Damen und Herren! Ein guter alter Freund hat kürzlich bei einem Referat folgenden Spruch gebracht: Wenn wir die Probleme der Zukunft nicht bewältigen, werden wir sie erleiden. – Ich teile dies. Ich halte daher auch nichts von gegenseitigen Vorwürfen und Beschuldigungen. Ich bin der Ansicht, daß wir mit Vernunft und Augenmaß, in gegenseitiger Achtung in einen Wettstreit der Ideen eintreten sollten. Das würde uns allen guttun, vor allem den Bürgern, für die zu arbeiten wir unsere Mandate übernommen haben. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.47

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gerhard Tusek. Ich erteile es ihm.

10.47

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Landeshauptmann! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Antrittsrede unseres Präsidenten Dr. Günther Hummer und die Erklärung von Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer geben uns heute Gelegenheit, über die wesentlichen Fragen des Föderalismus zu debattieren. Ich halte es für gut, daß hier so offen über die Lage des Föderalismus gesprochen wird und alle Probleme und Widersprüche, wie sie Kollege Dr. Rockenschaub aufgezeigt hat, klar auf den Tisch gelegt werden.

Es ist richtig, daß es, gerade was Föderalismus und was den Bundesrat betrifft, unterschiedliche Meinungen in den einzelnen Fraktionen gibt. – Frau Kollegin Moser! Sie haben gesagt, die Verankerung der Landeshauptleutekonferenz in der Verfassung sei das Ende des Bundesrates. Diese Befürchtung teile ich überhaupt nicht, denn – der Herr Landeshauptmann hat es bereits angeschnitten – die Verankerung der Landeshauptleutekonferenz in der Verfassung ist nichts anderes als ein Nachvollzug der Entwicklung, die sich in den letzten Jahren ergeben hat. Die Landeshauptleutekonferenz gibt es ... (Bundesrat Dr. Tremmel: Der erste Grabstein für den Bundesrat!)

Kollege Tremmel! Sie als Jurist wissen ganz genau, daß es zwei Bereiche, die Legislative und die Exekutive, gibt (Bundesrat Dr. Tremmel: Die Exekutive ist eh schon so schwach vertreten!), und die Landeshauptleutekonferenz ist der Ausdruck der gemeinsamen Meinung der Exekutivgewalt. Im Bundesrat muß es Veränderungen dahin gehend geben, daß diese Kammer im Bereich der Legislative tatsächlich jenes Ansehen erhält, das sie auch verdient.

Ich kann bei Kollegen Gstöttner lückenlos anschließen, der gesagt hat, daß es wichtig ist, nicht nur im Bereich Bund – Länder, sondern auch im Bereich von Land und Gemeinden entsprechende Voraussetzungen zu treffen, damit ein echter Föderalismus einsetzen kann.


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Es wird wichtig sein, den Gemeinden, die eine wesentliche Aufgabe im Föderalismus haben, die Möglichkeiten zu geben, ihre Aufgaben auch tatsächlich erfüllen zu können. Gerade das Land Oberösterreich ist vorbildlich, was die Aufgaben der Gemeinden betrifft. Dort, wo es Dinge gibt, die im Sinne der vom Herrn Landeshauptmann zitierten Subsidiarität die einzelne Gemeinde überlastet, vor allem hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen, ist das Land Oberösterreich bereit, für seine Gemeinden einzutreten und Hilfestellung zu geben. Das verstehe ich unter gelebter Solidarität, wie wir sie in Oberösterreich haben.

Wir können uns in Oberösterreich einiges leisten, was in anderen Bundesländern nicht möglich ist. Das hängt vor allem damit zusammen, daß in den letzten beiden Jahren – der Herr Landeshauptmann hat das erwähnt – die Verschuldung des Landes fast halbiert werden konnte. Die geplanten 13 Milliarden Schilling Verschuldung des Landes können bis Ende dieses Jahres auf 7,5 Milliarden reduziert werden, und das letzte Budget ergab Überschüsse von immerhin 1 500 Millionen Schilling. Diese Überschüsse können und müssen verantwortungsbewußt für entsprechende Maßnahmen eingesetzt werden, wobei sehr klar und deutlich zu sagen ist, daß es Maßnahmen sind, die langfristige Wirkung haben.

Ich gebe Kollegen Gstöttner recht, daß es wichtig sein wird, im Bereich der Arbeitsplätze sehr vieles zu tun. Aber ich glaube, nur mit Geld kann man Arbeitsplätze nicht wirklich auf Dauer sichern. Es ist notwendig, zu gestalten und im Rahmen dieser Gestaltung entsprechend zu investieren. Für mich sind Maßnahmen zur Sicherung der Jugendbeschäftigung und vor allem zur Sicherung der Ausbildung das erste und wichtigste Ziel, das vom Land Oberösterreich auch in hervorragender Weise umgesetzt wird. (Bundesrätin Kainz: Nicht nur!)

Um den Wirtschaftsstandort Oberösterreich auch in Zukunft erfolgreich sichern zu können, wird es notwendig sein, Technologieprojekte in verstärktem Ausmaß in Angriff zu nehmen. Als Grundlage für neue Techniken, für neue Technologien muß ein Schwerpunkt die Forschung und Entwicklung sein. Ich sehe das in der Gesamtheit als notwendige Maßnahmen, um die Absicherung und den Ausbau des Wirtschaftsstandortes Oberösterreich für die Zukunft zu ermöglichen.

Gute Politik von heute ist der beste Garant für ein sicheres Morgen. Und Oberösterreich kann sich diesbezüglich durchaus sehen lassen.

Wir haben in der heutigen Debatte schon gehört, die Wirtschaftsdaten in meinem Bundesland sind gut. Wir haben steigende Zahlen von unselbständig Beschäftigten: Mit derzeit 517 771 unselbständig Beschäftigten hat Oberösterreich eine Steigerung und einen Beschäftigtenrekord erreicht.

Dem gegenüber ist die Zahl der Arbeitslosen auf derzeit 4,3 Prozent zurückgegangen. Im Reigen der vergleichbaren Bundesländer, aber auch der Nachbarstaaten wie der Schweiz, Bayern oder Baden-Württemberg können wir uns mit diesen Zahlen sehen lassen. Gepaart mit einem Wirtschaftswachstum, das im Vorjahr 4 Prozent betragen hat, ist die Ausgangssituation sehr gut.

Wichtig ist vor allem – ich erwähnte das bereits –, daß die Ausbildung der Jugend entsprechend erfolgen kann. Die Oberösterreichische Landesregierung hat ein Jugendbeschäftigungs- und Ausbildungsprogramm erarbeitet und wird dieses in den nächsten Wochen auch durchziehen.

Es ist wichtig, daß jeder junge Mensch, der eine Ausbildung will, auch zu einer Ausbildung kommt. Das Land Oberösterreich beteiligt sich mit Mitteln aus dem oberösterreichischen Zukunftsfonds an diesen wesentlichen und notwendigen Maßnahmen, deren Kosten mehr als 650 Millionen Schilling betragen. Das Ziel ist – das ist realistisch und erreichbar –, daß 3 000 bis 4 000 neue Lehr- und Schulplätze geschaffen werden, und zwar durch Unterstützung der Wirtschaft: All jene Betriebe, die Lehrlinge einstellen, werden vom Land mit 1 000 S pro Monat für die Dauer der gesamten Lehrzeit gefördert.

Es werden vom Land, obwohl das klar und deutlich nicht die Aufgabe des Landes ist, zusätzliche Klassen in berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, also in Bundesschulen, eingerichtet, wobei die Mehrkosten das Land übernimmt.


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Auch das Land Oberösterreich selbst geht mit gutem Beispiel voran und hat in diesem Jahr bereits 105 Lehrlinge aufgenommen. Es ist dies ein kleiner Schritt, aber es ist wichtig, daß das Land zeigt, daß wir nicht nur über Dinge reden, sondern Probleme dort anpacken, wo es sie zu lösen gilt.

Ein ganz wesentlicher Schwerpunkt für Oberösterreich, vor allem für die Österreichische Volkspartei in Oberösterreich, ist die Frage der Familien. Die oberösterreichische ÖVP hat ein Familienpaket initiiert, und auf Antrag der ÖVP ist dieses Familienpaket Realität geworden.

Gerade Familien, die besonders betroffen sind, Familien mit mehr Kindern werden, wenn sie über nicht sehr hohe Einkommen verfügen, die Chance haben, in den Genuß von Unterstützungen durch das Land zu kommen. Das beginnt mit einem "Schulbeginnscheck" und der Hilfe für Mehrkinderfamilien, die zwei oder mehr Kinder auf Schullandwoche entsenden.

Weiters ist der Arbeitsplatz Haushalt für das Land Oberösterreich wichtig. Es gibt bereits eine Unfallversicherung bis zum dritten Lebensjahr eines Kindes, deren Prämien das Land bezahlt.

Bei Krankenhausaufenthalten können die Eltern ihre Kinder ins Krankenhaus begleiten, und das Land übernimmt die Mehrkosten.

Die Frage der Kinderbetreuungseinrichtungen wurde auch schon von Kollegen Gstöttner angeschnitten. Es ist so, daß diese Frage mit nächstem Jahr für Oberösterreich gelöst sein wird. Es wird 1998 eine Vollversorgung an Kindergartenplätzen in Oberösterreich geben. Allen 3- bis 6jährigen, die einen Kindergartenplatz brauchen, wird ein solcher zur Verfügung gestellt werden.

Der Gesamtausbau kostet etwa 650 Millionen Schilling, wobei nicht verschwiegen werden darf, daß in dieser Summe auch Bundesmittel in der Höhe von etwa 90 Millionen enthalten sind. Aber, meine Damen und Herren, Sie sehen klar und deutlich, daß der wesentliche Brocken vom Land Oberösterreich übernommen wird.

Zusammenfassend und abschließend: Das Land Oberösterreich unter Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer kann sich sehen lassen. Und wir sind stolz darauf, Oberösterreicher zu sein. (Beifall bei der ÖVP.)

10.59

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Leopold Steinbichler. – Bitte.

11.00

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hoher Bundesrat! Wichtige Punkte wurden heute von den Kolleginnen und Kollegen bereits angesprochen, wie etwa die Bundesstaatsreform und der Föderalismus. Ich möchte auf einige länderspezifische Vorreiterrollen Oberösterreichs in Anwesenheit unseres Landeshauptmannes hinweisen und an Toni Hüttmayr, der die Brückenfunktion unserer Politik vom Zentralraum zum ländlichen Raum angesprochen hat, und an den Herrn Landeshauptmann, der in seinen Ausführungen auf die Ausdünnung des ländlichen Raumes hingewiesen hat, anschließen.

Die Bedeutung des ländlichen Raumes wird Gott sei Dank wieder mehr und richtigerweise erkannt, und ich darf hier die Beispiele Oberösterreichs, die trotz strenger Budgetpolitik in vielen Ansätzen eine Vorreiterrolle einnehmen, anführen. Herr Dr. Rockenschaub hat erstaunlicherweise kritisiert, daß Wirtschaftslandesrat Leitl den Herrn Finanzminister kritisiert hat. Ich denke, gerade in Ihrer Partei ist Kritik kein verstecktes Blümchen, und mich wundert es, warum ihr jetzt auf einmal die Vorreiterrolle Oberösterreichs nicht anerkennt. Ich denke, es ist gut, wenn man Beispiele zum Vorzeigen hat, woran man sich orientieren kann. Ich habe es nicht ganz verstanden (Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist etwas anderes!), daß gerade von Ihrer Seite, Herr Kollege, hier Kritik gekommen ist. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Kennen Sie sich mit Zinsen aus?) – Bitte, ich glaube, das hat keinen Sinn, wenn wir uns hier in Detailfragen verirren. Außerdem seid ihr nicht bereit, zuzuhören, deshalb würde das keinen Sinn machen.


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Es gäbe hier noch einiges zu erwähnen, etwa die Kritik, daß sich die Landes-ÖVP von der Bundes-ÖVP distanziert. Natürlich ist das ein großer Gegensatz zur FPÖ, da man sich immer an einem populistischen starken Bundesparteiobmann orientiert. Wir hingegen haben eine vorbildliche Länderpolitik aufzuweisen, und wir schämen uns dafür nicht. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Das ist der Neid der Besitzlosen!) Und gerade bei Landtagswahlen, Herr Kollege, wird bekanntlicherweise der Landeshauptmann gewählt und nicht der Bundesparteiobmann. Das ist der große Unterschied. (Bundesrat DDr. Königshofer: Der Landtag wird gewählt!) – Und in weiterer Folge der Herr Landeshauptmann!

Ich darf jetzt einige Beispiele aufzeigen, anhand derer man sieht, daß Oberösterreich sehr vorbildlich ist, etwa im Kultur- und Sportbereich, in denen weit über die üblichen Budgetpositionen hinaus investiert wird. Ich darf als positives Beispiel, vertretend für alle, den Musikschulbereich nennen. Im Musikschulbereich werden Zigtausende Musikschüler ausgebildet, die in weiterer Folge draußen in den ländlichen Regionen, in den Musikkapellen, in den Städten mitmusizieren. Hier wird so wie in vielen anderen Vereinen wirklich Wertvolles geleistet. Es ist sinnvoll, daß diese Leistung der zigtausend ehrenamtlichen Funktionäre heuer mit dem "Jahr des Ehrenamtes" anerkannt wurde. Ich glaube, es ist höchste Zeit, daß auch von offizieller politischer Seite diese Leistung gewürdigt wird. Ohne die Arbeit dieser unzähligen Funktionäre wäre es unmöglich, dieses so wichtige Vereinswesen aufrechtzuerhalten.

Es wurde auch die Problematik der Jugend angesprochen: Ich denke, daß gerade für unsere Jugendlichen dieses Vereinswesen sehr wichtig ist, denn in diesen Sport-, Freizeit- und Kulturvereinigungen können sie eine sinnvolle und lehrreiche Freizeitgestaltung erleben.

Ein weiteres positives Beispiel ist der Umweltbereich. Es wird die bäuerliche kleinstrukturierte Landwirtschaft gefördert und danach getrachtet, sie zu erhalten, beispielsweise durch die Verdoppelung der BSE-Hilfe für die so leidgeprüften Rinderbauern. (Bundesrat Waldhäusl: Sie reden wie der Blinde von der Farbe! Das ist eine Katastrophe! Das ist nicht zum Anhören!) – Herr Kollege Waldhäusl, bitte zuhören!

Nächstes Beispiel: Von der Oberösterreichischen Landesregierung wurde in der letzten Landtagssitzung die Einführung einer Grünlandprämie beschlossen. (Bundesrat Waldhäusl: Wie der Blinde von der Farbe!) – Herr Kollege Waldhäusl, bitte zuhören, sonst muß ich Sie später wieder richtigstellen. – Mit dieser Prämie werden nicht nur in Zukunft die wertvollen Grünlandflächen gesichert, sondern damit werden auch der Naherholungsraum für unsere Bürger und die Reize der Landschaft für unsere geschätzten Tourismusgäste gesichert – und damit indirekt der momentan schwer geprüften Tourismusbranche Unterstützung gegeben.

Völlig unterschätzt wird immer wieder die Investitionskraft einer funktionierenden Landwirtschaft auf regionaler Ebene für das Gewerbe und die nachgelagerten Bereiche, welche wiederum einen sehr positiven Effekt aus der Sicht des Arbeitsmarktes für den ländlichen Raum haben.

Weiters möchte ich an dieser Stelle die Innovationen und Bestrebungen im ländlichen Wasserbau und im Kanalbau erwähnen. Nach längeren Bestrebungen ist es jetzt durch deine Unterstützung, Herr Landeshauptmann, in meiner eigenen Heimatgemeinde gelungen, mit einem sehr innovativen Pilotprojekt wieder die Musterstellung Oberösterreichs im kostengünstigen Kanalbau zu unterstreichen.

Im Energiebereich, was den Ausbau und die Nutzung der Wasserkraft betrifft, sollte man sich am Beispiel Tirols orientieren. Alle Kolleginnen und Kollegen Bundesräte haben ja die Musterbroschüre von der Tiroler Elektrizitätswirtschaft bekommen. Der Bau und die Errichtung weiterer Biomasseanlagen, von denen es in Oberösterreich bereits eine Vielzahl gibt, sollte ebenfalls weiter forciert werden, um die Toronto-Ziele schneller zu erreichen.

Vorbildlich ist auch die Rolle Oberösterreichs bei der Familienpolitik. Angefangen bei den Kindergärten über das Bildungssystem bis zur Betreuung unserer Senioren haben wir trotz der angespannten und strengen Budgetpolitik weitere wesentliche Fortschritte erzielt. Die Familienpolitik Oberösterreichs läßt die Bedeutung der funktionierenden Familie, auch der Großfamilie nicht außer acht. Es geht darum, daß sich die Kinder später einmal um die Versorgung und die


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Betreuung der Senioren im eigenen Haus kümmern. Ich glaube, auch hier ist ein wesentlicher Ansatz zu höherer Lebensqualität im fortgeschrittenen Alter gegeben.

Der Wirtschaftsstandort Oberösterreich mit seinen Arbeitsmarkt- und Budgetdaten sollte öfter als bisher als positives Beispiel erwähnt werden. Kollege Tusek hat vor mir die wesentlichen Daten und Zahlen angesprochen.

Abschließend darf ich anmerken: Ziel für uns alle, für alle Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat, sollte es sein, die positiven Taten weiterzutragen, die Politik der Taten und des Tuns, wofür Oberösterreich als Beispiel steht und an vorderster Stelle unser Landeshauptmann Pühringer, wozu ich recht herzlich gratulieren möchte. (Bundesrat Eisl: Und wenn es keine positiven Taten gibt? Was sollen wir dann weitertragen?)

Das ist das Problem der FPÖ, daß sie den Blick für das Positive immer mehr verschließt. Ich darf bitten, den Blick zu öffnen, weil ich glaube ... (Zwischenruf des Bundesrates Waldhäusl. )

Herr Kollege Waldhäusl! Eigentlich wollte ich meine Rede beenden, aber wenn Sie mich darum bitten, darf ich Ihnen eines sagen: Manchmal paßt der Vergleich der FPÖ mit einem jungen Betriebsübernehmer oder Hoferben, der ständig die Eltern während ihrer aktiven Wirtschaftsphase kritisiert. Erst später, wenn er einmal aktiv im Wirtschaftsleben steht, begreift er, wieviel an seiner Kritik nicht richtig war und wie richtig es seine Vorgänger gemacht haben. Das Problem der FPÖ ist es, daß sie als Oppositionspartei ständig kritisieren muß und natürlich es nicht zugesteht, daß hervorragende Leistungen erbracht werden. In diesem Sinne würde ich die FPÖ bitten, auch manchmal über das Positive zu sprechen, sonst könnte die Glaubwürdigkeit der FPÖ sehr großen Schaden erleiden.

Herr Landeshauptmann! Ich darf zu Ihrer Politik gratulieren und darf bitten, so weiterzumachen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. )

11.08

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm.

11.08

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann Dr. Pühringer! Herr Vorredner! Der wirkliche Souverän ist der Wähler, und der weiß ganz genau, wie er uns zu bewerten hat. Sie haben das bei den letzten Wahlen verfolgen können. Vielleicht ist Ihre Bemerkung dazu ein kleines Detail, aber es wiegt das an und für sich nicht auf. Wir unterwerfen uns – nehmen Sie das zur Kenntnis! – dem Willen des Bürgers und des Wählers. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Repar: 80 Prozent wollen Sie nicht! )

Es werden bald 70 Prozent sein, dann werden es bald 60 Prozent sein. Sie können das verfolgen. Schauen Sie sich die entsprechende Kurve an, dann können Sie sich ausrechnen, wann wir die Mehrheit haben. Herr Kollege, ich habe Ihnen das gesagt, schauen Sie sich das an, das ist eine statistische Durchschnittsrechnung. Nehmen Sie sich diese her, und dann wissen Sie, wann uns die Mehrheit der Wähler will. Und wir werden auch nicht schlechter, das verspreche ich Ihnen auch noch.

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Gestatten Sie, daß ich als Nicht-Oberösterreicher, und zwar als Steirer, zu Ihren Ausführungen Stellung nehme. Ich wollte Ihren Worten glauben. (Landeshauptmann Dr. Pühringer: Sie dürfen!) Darf ich das? Die politische Realität, Herr Landeshauptmann, verbietet mir das leider Gottes. Ich wollte, aber ich kann nicht. (Bundesrat


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Konečny: Das passiert öfters bei Ihnen!) Und ich darf ein paar Dinge zu dieser politischen Realität beitragen.

Vor zwei Tagen wurde im Ausschuß für Föderalismus ein Antrag Ihres Parteikollegen, des Herrn Präsidenten Weiss, der Frau Giesinger und des Dr. Bösch zur Abstimmung gebracht. Er hat wesentliche Elemente der Bundesrats- und der Bundesstaatsreform beinhaltet. Dieser wurde aufgrund des Antrages des Fraktionsführers der Mehrheitsfraktion vertagt. (Bundesrat Konečny: Wir wären es gerne, aber wir sind es nicht, Herr Kollege!) – Danke sehr! Im Nationalrat sind Sie es, im Bundesrat werden Sie es nicht mehr werden, Herr Kollege! (Bundesrat Bieringer: Die Mehrheitsfraktion in diesem Haus ist schon noch die ÖVP!) Ja, wie lange noch? – Warten wir ab! (Bundesrat Konečny: Politische Desorientierung ist Ihre Stärke!)

Die Behandlung dieses Antrages also wurde auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt. Das ist leider Gottes, Herr Landeshauptmann, der erste Schritt in der politischen Realität. Daß da auch noch ein Schönheitsfehler passiert ist – leider Gottes! –, weil auch der EU-Ausschuß, den wir mittlerweile beschlossen haben, auch mit drinnen ist, das tut eigentlich nichts mehr zur Sache. So hat jetzt die Mehrheit im Bundesrat wirklich ihre Meinung zur Bundesstaatsreform kundgetan.

Sie haben, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, den Konsultationsmechanismus erwähnt. Das ist an und für sich eine hervorragende Vorlage. Ich sehe sie quasi als Notwehraktion der Bundesländer an, weil das Perchtoldsdorfer Paktum gescheitert ist. Einen kleinen Schönheitsfehler hat sie, einen demokratiepolitischen Schönheitsfehler. Da heißt es unter anderem in der Einbegleitung zu Artikel 1: "Der Bund, vertreten durch die Bundesregierung, und die Länder ..." – hier folgt eine Aufzählung der neun Bundesländer –, "jeweils vertreten durch den Landeshauptmann ..."

Man tut hier so, als ob es überhaupt keine Länderparlamente mehr gäbe. Es ist kein einziger Parlamentarier – weder des Nationalrates noch des Bundesrates noch der Länderparlamente – in diesem Bereich vertreten. Präsident Fischer, den ich sonst in seinen Meinungen nicht immer unterstütze, meint in diesem Zusammenhang sehr treffend: Es kann doch nicht sein, daß der Nationalrat und der Bundesrat und die Länderparlamente – er hat das nicht expressis verbis ausgesprochen – nur mehr die Apportiermaschinen der Exekutivgewaltigen sind. Das ist doch keine Möglichkeit!

Ich glaube nicht, Herr Landeshauptmann, daß Sie nicht entsprechende Verfassungsjuristen haben, die sich das Finanz-Verfassungsgesetz angeschaut haben. Da gibt es § 9, der den 26er-Ausschuß beinhaltet. Die Adaptierung, die Novellierung dieses § 9 würde das demokratiepolitische Gleichgewicht einigermaßen wiederherstellen. Sollten Sie das nicht tun, dann muß man hier in der Konsequenz weiterdenken, wie es mein Freund und Parteifreund Michael Rockenschaub bereits getan hat. Auch Kollegin Kainz hat das wirklich treffend charakterisiert. Michael Rockenschaub hat gesagt: Dann muß ich nicht nur den Bundesrat in Frage stellen, dann muß ich auch die Länderparlamente in Frage stellen.

Lassen Sie sich direkt von den Wählern wählen, richten Sie ein Management ein, schaffen Sie die Landesregierungen ab, schaffen Sie die Landesparlamente ab – dann haben Sie den wirklichen Durchgriff! – Aber es gibt wieder einen Schönheitsfehler: Sie schaffen damit die Demokratie ab!

Ich werde nicht mehr das Wort "Ermächtigung" im Zusammenhang mit Gesetz hier in den Mund nehmen, denn sonst wird Kollege Payer einen Zwischenruf machen. Ich habe allerdings seinerzeit das Kriegswirtschafts-Ermächtigungsgesetz gemeint. Ich sage Ihnen, dieser Konsultationsmechanismus – ich weiß nicht, ob Sie damals schon den Vorsitz in der Landeshauptmännerkonferenz hatten, das war am 13. 9. 1996 – stellt ein Entmachtungsgesetz für die Parlamente dar.

Das ist ein erster Schritt, den Sie hier direkt tun könnten, und das ist meine Bitte an Sie, Herr Landeshauptmann: Versuchen Sie nochmals, den Novellierungsapparat einzuschalten und das demokratiepolitisch Notwendige zu tun und auch die Parlamente in dieses Finanz-Verfassungsgesetz entsprechend einzubauen. – Ersuchen Nummer 1.

Ersuchen Nummer 2: Sie haben hier über Doppelgleisigkeiten, über die Kasuistik der Gesetze, über die Vielzahl der Gesetze gesprochen. Hier gäbe es eine einfache Möglichkeit zur Abhilfe, ohne daß man viele Änderungen, Novellierungen oder Adaptierungen machen muß: Es gibt Legistik-Richtlinien für den Bereich des Bundes, die unter dem ehemaligen Föderalismusminister Weiss ausgearbeitet wurden, und es gibt auch solche Legistik-Richtlinien für den Bereich der einzelnen Länder. Bitte, beginnen Sie hier zu koordinieren! Das wäre eine ganz einfache Möglichkeit, wie man hier sehr schnell helfen könnte.


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Als einen der Punkte haben Sie auch Rundfunk und Fernsehen genannt. Vor kurzem wurde für diesen Bereich ein Gesetz beschlossen, das bereits in Rechtskraft ist, und zwar das Regionalradiogesetz und das Kabel- und Rundfunkgesetz. Hier ist ebenso etwas passiert – und da glaube ich nicht mehr an Zufälle –: Es ist die Länderbeteiligung darin enthalten, aber wieder unter Ausschaltung der Länderparlamente, des Nationalrates und des Bundesrates. In diesem Gesetz, Herr Landeshauptmann, ist die Landeshauptmännerkonferenz bereits gesetzlich verankert. Sie brauchen diese Verankerung eigentlich gar nicht mehr, es sei denn, Sie wollen, entgegen Ihren Worten, den Bundesrat und die Länderparlamente noch mehr schwächen. Hier hätten Sie bereits die Möglichkeit, auf diesen Rundfunk und auf dieses Fernsehen entsprechend Einfluß zu nehmen. Bitte, tun Sie es! – Tun Sie es dahin gehend, indem Sie heute sagen, bitte, erstens einmal die Parlamentarier der Länder miteinschalten, tun Sie es dahin gehend, indem Sie entsprechende Verordnungsbereiche erlassen, und tun Sie es dahin gehend, indem Sie zum Beispiel die Ausschreibung der entsprechenden Intendantenposten – was wirklich ein Merkmal der Objektivität wäre – durchführen lassen!

Sie haben auch noch über den Föderalismus gesprochen, über den zweigliedrigen Föderalismus. Bürgermeister sind hier im Bundesrat vertreten. Aber an und für sich sollten wir in Österreich – Professor Schambeck hat das oftmals gesagt – einen dreigliedrigen Föderalismus haben (Landeshauptmann Dr. Pühringer: Habe ich gesagt!): von der untersten und von der wichtigsten Basis, von der Gemeinde, zu der der Bürger direkt hinkommen kann, über die Länder bis zur obersten Stufe. Das wäre ebenso eine Möglichkeit.

Ich bitte Sie, nehmen Sie darauf Einfluß, Herr Landeshauptmann, daß die Gespräche bezüglich Föderalismus, da sich doch der Bundesrat über Parteigrenzen hinweg endlich aufraffen konnte, weiter fortgeführt werden! Derzeit sind sie vertagt. Ich höre, es soll eine Regierungsvorlage zum Perchtoldsdorfer Paktum geben – das wurde uns schon ein paarmal versprochen; es wurde von Bundeskanzler Dr. Vranitzky und dem seinerzeitigen Landeshauptmann Ludwig unterzeichnet. Es wurde gesagt, anläßlich der EU-Begleitgesetze wird diese Vorlage da sein – sie ist bis jetzt nicht da. Vielleicht kommt sie, vielleicht werden die Doppelgleisigkeiten hier ausgeschaltet. – Dieses wäre meine Bitte.

Ein Letztes, und darauf bin ich als Steirer ein bißchen stolz: Wir in der Steiermark haben das Rederecht der Bundesräte im Landtag. Sie wurden von Ihren Bundesräten aus Ihrem Bundesland ersucht – ich wollte fast sagen, angefleht –, daß Sie sich dafür einsetzen. Verschaffen Sie dieses Rederecht Ihren Bundesräten auch, verschaffen Sie ihnen entsprechende Informationen, dann kann ich glauben, daß der Föderalismus noch nicht ganz gestorben ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.20

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer. Ich erteile es ihm.

11.20

Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Josef Pühringer: Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Sehr geschätzter Herr Präsident! Zum ersten möchte ich danken, daß Sie meinen Ausführungen und den Ausführungen des Herrn Präsidenten Hummer so große Bedeutung und Aufmerksamkeit durch eine zweistündige Debatte zumessen. Ich erachte das als besondere Wertschätzung. Ich bin ein sehr positiv denkender Mensch und stelle immer das Gemeinsame vor das Trennende und glaube daher, daß föderalistisch denkende Bundesräte und Landeshauptleute gemeinsam viel für den föderalistischen Bundesstaat und für die Stärken der Länder tun können. Ich habe deshalb, Herr Doktor, ganz bewußt von einem dreigliedrigen Föderalismus gesprochen und habe die Gemeinden in meiner Rede mehrmals dezidiert angesprochen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte nur auf einige mir ganz wichtig erscheinende Punkte eingehen, denn es ist unmöglich, nochmals auf jedes in dieser Debatte vorgebrachte Argument zurückzukommen.


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Vom "alte Geschichten erzählen" war die Rede. Ich glaube, das Entscheidende ist nicht, ob eine Geschichte alt oder neu ist, sondern ob sie wichtig und ob sie richtig ist. (Beifall bei der ÖVP.) Und wenn etwas wichtig ist, dann werden wir wahrscheinlich noch einmal darüber reden müssen, und zwar so lange, bis wir es durchgesetzt haben.

Meine Damen und Herren! Es wurde die Landeshauptmanndirektwahl angesprochen. Ich sage ganz offen: Ich stehe sehr positiv dazu, aber ich akzeptiere, daß es hiezu Pro- und Kontrameinungen gibt, daß auf beiden Seiten sehr wohlüberlegte und sehr berechtigte Argumente gegeben sind und daß man daher bei dieser so wichtigen Frage natürlich in eine ausführliche Diskussion einsteigen muß. Zum Einstieg in die Debatte bin ich gerne bereit, und ich persönlich bedauere es, daß am 5. Oktober 1997 eine Direktwahl gesetzlich noch nicht möglich ist. Es ist aber – das möchte ich schon sagen – mit einer Landeshauptmanndirektwahl natürlich eine Änderung der Verfassung, der Geschäftsordnungen und so weiter auf Bundes- und Landesebene notwendig, und ich plädiere dafür, daß man bei Verfassungsfragen immer sehr vorsichtig und sehr gründlich vorgeht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was unser Forderungspaket und das gute Darstellen des Landes in finanzieller Hinsicht anlangt, bin ich, Herr Kollege Rockenschaub, nicht Ihrer Meinung, daß man sich zuerst so verhalten muß, daß das Land in finanzielle Schwierigkeiten kommt, damit man dann das Recht hat, fordernd beim Bund aufzutreten. Ich glaube ganz im Gegenteil, daß die Bundesregierung und der Bund stolz und froh sein sollen, daß es Länder gibt, die gut dastehen. Und wenn es Länder gibt, die gut dastehen, kann das nicht zur Folge haben, daß diese Länder ihre berechtigten Forderungen beim Bund nicht vortragen dürfen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es kann keine Benachteiligung geben für ordentlich Wirtschaftende und für solche, die schauen, daß sie das eigene Haus gut bestellen. Ich bin nicht bereit, in das Kleid des Bettlers zu schlüpfen, um bei der Bundesregierung dann vielleicht mehr Gehör zu finden. Ich hoffe, daß die Bundesregierung nicht so denkt, wie Sie das dargestellt haben. Es kann nicht so sein, daß man zuerst abwirtschaften muß, damit man nachher berechtigte Forderungen durchsetzen kann.

Darüber hinaus halte ich fest, daß die meisten Forderungen in diesem Paket nicht Forderungen um Subventionen, nicht Bitten um Unterstützungen sind, sondern die meisten Forderungen beziehen sich darauf, daß der Bund in unserem Bundesland in seinem ureigensten Wirkungsbereich – wie etwa im Bundesstraßenbau oder im Verkehrswesen – selbst tätig wird.

Hinsichtlich dessen, was Sie zu den Widersprüchen über das Abstimmen im Bundesrat und über die Diskussion im Bereich des Föderalismus gesagt haben, gebe ich Ihnen zum Teil recht, aber dann müssen Sie mir wiederum recht geben, daß das eine Folge der Tatsache ist, daß der Bundesrat bis hin zu seinem Stimmverhalten zu direkt an die Bundespolitik und zu wenig an die Länder gebunden ist. Wenn die Bundesräte tatsächlich Ländervertreter sind, wenn sie Vertreter ihres Landes und damit auch der Interessen ihres Landes sind, dann kommen sie automatisch stärker aus den Fängen etwa der Nationalratsklubs oder der Bundespolitik heraus, in denen sie sich derzeit doch in einem hohen Ausmaß befinden.

Ich möchte eigentlich eine Länderkammer, die den Titel Länder kammer wirklich verdient, weil hier die Länderinteressen in die Bundespolitik eingebracht werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Jemand hat gemeint, der Landeshauptmann gehe auf Distanz zur Bundespolitik. Lassen Sie mich auch dazu ein Wort sagen, das soll nicht unwidersprochen im Raum stehenbleiben. Selbstverständlich gibt es eine natürliche Konkurrenzsituation zwischen Ländern, Gemeinden und Bund. Das ist natürlich, und das ist auch gesund, denn Wettbewerb ist immer gesund, auch Wettbewerb zwischen den verschiedenen Ebenen eines föderalistischen Bundesstaates. Da bedarf es oft auch klarer Worte, mit denen man seine eigene Position gegenüber anderen Körperschaften darlegt. Das ist erstens nicht immer Streit, das ist zweitens ein Zeichen des Selbstbewußtseins, ein Zeichen der Selbstachtung, das ist ein notwendiges Zeichen für starke Länder.


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Meine Damen und Herren! Eines möchte ich aber auch klar sagen: Es war nie mein Stil, und es wird nie mein Stil sein, mich auf dem Rücken der Bundespolitik billig zu profilieren, womöglich noch auf dem Rücken der eigenen Leute. Das war nie meine Sache, das wird auch in Zukunft nie meine Sache sein, denn das ist für mich im weitesten Sinne des Wortes eine Charakterangelegenheit. (Beifall bei der ÖVP.)

Kollege Rockenschaub hat gemeint – das ist ein Punkt, der mich etwas verwundert hat –, der Landeshauptmann soll nicht zum Bundesrat gehen, denn da wird er wahrscheinlich nichts erreichen, sondern er soll zu den Machtstellen gehen. Ich glaube, wenn man den Bundesrat selbst in dieser Form darstellt, dann darf man sich nicht wundern, wenn er nach außen auch das Bild bietet, daß er in seiner Wertigkeit innerhalb des Bundesstaates nicht sehr hoch anzusiedeln ist. Ich teile diese Meinung nicht, und ich bin bewußt innerhalb von zwei Jahren bereits zum zweiten Mal hier in der Länderkammer, um als Landeshauptmann die Interessen der Länder gegenüber den Länderabgeordneten entsprechend darzulegen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich glaube, daß mehr Rechte für den Bundesrat auf der einen Seite notwendig sind – ich werde darauf noch kurz eingehen –, daß aber auch auf der anderen Seite mehr Selbstwertgefühl, mehr Selbstverständnis, mehr Identifikation mit dem Bundesrat als Länderkammer dieser Einrichtung ebenso not tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Kainz hat die Bedeutung des Perchtoldsdorfer Paktums in seiner Bedeutung sehr stark relativiert. Ich kann das, ehrlich gesagt, nicht verstehen und erinnere an die Rede von Dr. Vranitzky aus dem Jahr 1992, in der er meinte, daß das Paktum von Perchtoldsdorf für die Verwirklichung des föderalistischen Bundesstaates einen Quantensprung bedeute. Jetzt wird es an uns liegen, diesen Quantensprung auch in die Realität umzusetzen.

Wenn gesagt wird, daß das Parlament nicht eingeschaltet wurde, dann muß ich Ihnen schon entgegenhalten: Seit 1992 liegt dieses Paktum auf dem Tisch, und es ist einfach Sache des Parlaments, sich einzuschalten, sich hier zu Wort zu melden. Es kann ihm niemand verbieten, über dieses Paktum zu reden, zu diskutieren und auch seine Zuständigkeit entsprechend wahrzunehmen. In den Reihen meiner Fraktion ist das mit Sicherheit geschehen.

Noch ein Wort zur OKA, Frau Kollegin Kainz, denn das bedarf wohl einer Aufklärung. Sie haben es so dargestellt, als wäre das etwas, was man nicht tut, daß man nämlich einen Betrieb verkauft und das Geld in das Budget hineinnimmt. Sie haben das als durchsichtiges Vorgehen bezeichnet. Frau Kollegin Kainz! Ich muß Ihnen schon eines sagen: Der Bund hat eine ganze Reihe von Betrieben durch Anteilsverkäufe zum Teil an andere Partner gebracht, und der Bund hat, ohne mit der Wimper zu zucken oder irgend jemanden zu fragen, dieses Geld ins Bundesbudget hineintransferiert. Also was dort möglich war, das kann bei uns nicht unmoralisch sein. Das möchte ich schon deutlich festhalten. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates DDr. Königshofer .)

Wenn noch dazu das Land dadurch Gelder lukriert, die dann etwa der Jugendbeschäftigung zugeführt werden, die der Ausbildung junger Menschen zugeführt werden, die der Festigung des Wirtschaftsstandortes zugeführt werden, kann ich als Landeshauptmann nur sagen, daß das eine vernünftige Sache und gut angelegtes Geld der Bürger unseres Landes ist.

Wenn Sie meinen, man sollte vom Ertrag in Höhe von 2 Milliarden Schilling 1 Milliarde der Jugendbeschäftigung zuführen und 1 Milliarde ins Budget geben, so kann ich dem nicht folgen. Ich bin der Meinung, daß wir es beim derzeitigen Stand unserer Landesfinanzen nicht nötig haben, das Geld hineinzugeben, um alte Schulden zu zahlen, wohl aber, um jährlich aus den Erträgen der nicht mehr zu zahlenden Annuitäten und Zinsen alle Jahre wieder, jedes Jahr wieder einige 100 Millionen Schilling zur Verfügung zu haben, um beschäftigungs- und investitionsfördernde Impulse zu setzen. Ich glaube, daß wir so, wie wir es durchgeführt haben, mit dem Geld der Steuerzahler sehr gut umgehen.

Hinsichtlich der kurzen Ausschreibungsfrist haben Sie durchaus recht. Das war beabsichtigt! Aber nicht wegen der ESG. Die ESG ist zu jeder Stunde ein willkommener Partner. Niemand


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kennt die OKA so gut wie die ESG. Sie hätte am nächsten Tag schon mit einem Angebot kommen können, denn sie ist jenes Unternehmen, das von allen möglichen Partnern die OKA am besten kennt. Die kurze Anbotsfrist haben wir gesetzt, weil wir nicht wollen, daß sich zum jetzigen Zeitpunkt Ausländer an der OKA beteiligen – ich sage das ganz offen –, und wir haben dieses Ziel auch erreicht, weil wir nur Angebote von inländischen Elektrizitätsunternehmen auf dem Tisch liegen haben. Diese Überlegung ist 100prozentig aufgegangen.

Bezüglich dessen, daß sich die OKA auch an anderen Unternehmen beteiligen soll, bin ich ganz Ihrer Meinung. Das war aber immer so, dazu hätte es des Landtagsbeschlusses mit Sicherheit nicht bedurft.

Ich bin mit Ihnen einer Meinung, daß wir nichts Wichtigeres zu tun haben, als dafür zu sorgen, daß unsere Jugend nicht beschäftigungslos auf der Straße steht, und ich kann Ihnen sagen, daß ich sehr froh bin, daß wir im Land ein Beschäftigungs- und Ausbildungsprogramm beschlossen haben, das uns in den nächsten fünf Jahren mehr als 1 Milliarde Schilling kosten wird. Dazu stehen wir! Da ist kein Schilling zuviel, wenn es um unsere Jugend, um Ausbildung und um Arbeit für unsere Jugend geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nie – um noch auf die Frage des Verhaltens der Ländervertreter im Bundesrat einzugehen – war es unsere Absicht, mit unseren Vorschlägen ein Unter-Kuratel-Stellen des Bundesrates zu initiieren. Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben daher immer gesagt: Wenn es um wirkliche Existenzfragen der Länder geht, muß es doch eine Möglichkeit geben, daß die Länder selbst über die Bundesräte stärker in die Bundespolitik hineinwirken. Das führt nicht dazu, daß ihr freies Mandat abgewertet wird, das führt dazu, daß der Stellenwert der Länderkammer in der Politik erhöht wird. Davon bin ich fest überzeugt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben nicht nur den Konsultationsmechanismus gefordert und unterstützt, sondern wir haben, weil uns das notwendig scheint, auch unterstützt, daß der Bundesrat gerade in Fragen, bei denen es um finanzielle Belastungen der Länder geht, nicht nur ein aufschiebendes Vetorecht haben, sondern auch ein Zustimmungsrecht bekommen soll. Man muß beide Seiten dieses Vorschlages sehen, und ich stehe dazu, daß man gerade in dieser Frage, wenn man eine Länderkammer ernst nimmt, eine Aufwertung des Bundesrates vorzunehmen hat.

Die Ausführungen über den ländlichen Raum, welche meine Kollegen aus der Fraktion hier gebracht haben, möchte ich alle unterstreichen. Wir dürfen uns hier wirklich auf keine Experimente einlassen. Der ländliche Raum ist gefährdeter, als wir glauben. Wenn wir ihn in seiner Lebensqualität abwerten, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Leute von dort wegziehen.

Ich möchte allerdings hinzufügen, daß es schon ein gradueller Unterschied ist, lieber Ferry Gstöttner, ob ich eine Straßenmeisterei oder ein Bezirksgericht oder einen Gendarmerieposten auflöse. Auflösen darf ich das nicht, was Dienstleistungszentrum ist und Parteienverkehr hat, reine Verwaltungsstellen hingegen, wie sie Straßenmeistereien darstellen, sind ausschließlich nach dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit anzuordnen.

Nun zur letzten, ganz entscheidenden Frage, die immer wieder gekommen ist: Landeshauptleutekonferenz – Bundesrat. Auch dazu ein klares Wort.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten im Interesse starker Länder nicht Einrichtungen der Länder – ob LH-Konferenz, ob Bundesrat oder andere Konferenzen – gegeneinander ausspielen und damit abwerten, sondern wir sollten alle Institutionen, die Länderinteressen vertreten, gemeinsam stärken, denn dann bekommen wir stärkere Länder in einem föderalistischen Bundesstaat. Nicht ausspielen, sondern stärken, muß die Devise lauten! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe nie gesagt, daß die Landeshauptleutekonferenz die Funktion des Bundesrates übernehmen soll. Ich habe gesagt, daß es an der Zeit wäre, sie – dem faktischen Zustand entsprechend – zumindest im Aufbau des föderalistischen Bundesstaates in der Verfassung zu erwähnen. Das halte ich für notwendig. Sie selbst – der letzte Redner hat es gesagt – haben es


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mehrmals gefordert. Das Privatradiogesetz ist nämlich nicht das einzige Gesetz, in dem die Landeshauptleutekonferenz vorkommt. Es gibt das Bundesgesetz zur Einrichtung des Rates für Fragen der österreichischen Integrationspolitik, es gibt das Bundesgesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, es gibt das Fernmeldegesetz, es gibt das Regionalradiogesetz, es gibt das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz, es gibt das Bundesgesetz über die Krankenanstaltenfinanzierung. – In all diesen Bundesgesetzen ist bereits die Einrichtung der Landeshauptleutekonferenz – auch mit Ihrer Zustimmung – verankert. Daher ist es nur ein logischer Schritt, daß man diese Anerkennung auch in den entsprechenden Verfassungsrang erhebt.

Das heißt nicht – ich sage es noch einmal – Abwertung des Bundesrates, ganz im Gegenteil, ich glaube, daß eine starke Landeshauptleutekonferenz und ein aufgewerteter, starker Bundesrat – vor allem mit Zustimmungsrechten in finanziellen Fragen – gemeinsam dazu beitragen können, daß die Länder im föderalen Bundesstaat Österreich eine bedeutende Rolle spielen. Wir sollten nicht nach außen den Eindruck erwecken, daß da Landeshauptleute und da der Bundesrat über irgendwelche Formalismen streiten: Wer ist wo erwähnt? Wer hat wo einen besseren Rang? Wer wird wodurch abgewertet?, denn das, meine Damen und Herren, interessiert die Bürger überhaupt nicht. Wir sollten gemeinsam für stärkere Länder kämpfen. Und dazu möchte ich als Landeshauptmann und Vorsitzender der LH-Konferenz den Bundesrat herzlich einladen: Kämpfen Sie mit uns gemeinsam!

Ich danke, daß Sie meinen Ausführungen so große Bedeutung gegeben haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen zur Erklärung des Herrn Landeshauptmannes liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte sehr, Herr Bundesrat DDr. Königshofer.

11.36

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Meine Damen und Herren! Ich bin zwar nur abstammungsmäßig ein Oberösterreicher, weil meine Eltern aus dem Inn- beziehungsweise Mühlviertel stammen, geboren bin ich in Tirol, wo ich auch aufgewachsen und heute noch ansässig bin. Trotzdem erlaube ich mir, im Zuge dieser Oberösterreich-Debatte noch einmal ganz kurz das Wort zu ergreifen.

Meine Damen und Herren! Wir haben heute wieder einige sehr salbungsvolle Reden bezüglich Föderalismus und Bundesstaatlichkeit gehört. Wir haben auch einiges an Flehen herausgehört bezüglich Bundesrats- und Bundesstaatsreform. Da muß ich mir jetzt schon die Frage stellen: Warum geschieht in diese Richtung nichts? Und gerade die Damen und Herren von den Koalitionsparteien frage ich: Wer hindert Sie denn eigentlich daran, diese große Bundesstaatsreform durchzuführen? Sie haben im Nationalrat die Zweidrittelmehrheit, Sie haben hier im Bundesrat sogar eine Dreiviertelmehrheit. Wer hindert Sie an dieser Reformtätigkeit, wenn nicht Sie selbst? Deshalb werden wir Freiheitlichen nicht müde werden, hier heraußen, hier im Bundesrat, hier in diesen Räumlichkeiten diese Reformen immer wieder einzumahnen.

Allerdings kommt es auch auf die Einstellung der einzelnen Mandatare aus den jeweiligen Ländern an, wie sie mit diesem Mandat hier herinnen umgehen. Sehe ich mich hier herinnen als reinen Parteienvertreter oder sehe ich mich als Ländervertreter? – Es wird Ihnen, Herr Landeshauptmann, die beste Reform nichts nützen, wenn sich die Bundesräte hier herinnen weiterhin so wie bisher als Wurmfortsatz des Nationalrates betrachten, wenn ihr Abstimmungsverhalten weiterhin so sein wird wie bisher, wenn nicht im Interesse der Länder abgestimmt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Gehen wir doch einmal auf diesen Kernpunkt ein!

Ich stelle fest: Heute wurden wiederum Forderungen aufgestellt – sehr wünschenswerte Forderungen –, aber wir warten auf die Umsetzung. Sie sollten sich daher die Frage stellen, wie lange sich die Bürger, vor allem die Bürger in den Bundesländern, die oft sehr kritisch nach Wien schauen, das noch gefallen lassen, daß hier große Ankündigungen gemacht werden, in der Umsetzung jedoch sehr wenig weitergeht. Sie sind in Wahrheit Ankündigungsriesen und Umset


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zungszwerge, und die Bürger fragen sich, warum eine Regierung, die über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügt, in diese Richtung nicht mehr weiterbringen kann.

Ich sage Ihnen dazu folgendes: Die Bürger beobachten Ihr Verhalten, und sie werden bei den nächsten Wahlen – bei Ihnen im Bundesland stehen schon am 5. Oktober Landtagswahlen an – diese Politik beurteilen und bewerten. Wir werden uns dann anschauen, was dabei herauskommt. Vielleicht ändern sich die Mehrheiten, vielleicht ändern sich die Verhältnisse im Land, und es können wirklich einmal Reformen angegangen und durchgeführt werden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.39

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Polizeikooperationsgesetz erlassen und das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird (746 und 774/NR sowie 5505/BR der Beilagen)

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden (49 und 812/NR sowie 5491 und 5506/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 und 2, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem ein Polizeikooperationsgesetz erlassen und das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Kainz. Ich bitte sie um den Bericht.

Berichterstatterin Hedda Kainz: Meine Damen und Herren! Der Bericht des Rechtsausschusses zum vom Herrn Präsidenten angesprochenen Beschluß des Nationalrates betreffend Punkt 1 der Tagesordnung liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht des Rechtsausschusses zum Punkt 2 der Tagesordnung liegt Ihnen ebenfalls vor.

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. Ich erteile es ihm.


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11.41

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Das vom Nationalrat am 10. Juli 1997 beschlossene Gesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität führt "besondere Ermittlungsmaßnahmen" ein; so heißt es farblos wie wertneutral.

Ich mache gar kein Hehl daraus, daß ich dem Gesetzesvorhaben in der vorliegenden Form nicht zustimmen kann. Zur Klarstellung meiner kritischen Position halte ich vorweg fest, daß es nicht der Bundesminister für Justiz, Herr Dr. Michalek, war, der auf diese einschneidenden Neuregelungen gedrängt hat. Vielmehr hat er in der 77. Sitzung des Nationalrates am 11. Juni 1997 im Zuge der Aktuellen Stunde zu dieser Thematik wörtlich folgendes ausgeführt:

"Das Bundesministerium für Justiz war, wie Sie wissen, nie ein Vorreiter oder Bannerträger von Ermittlungsmethoden wie Lauschangriff und Rasterfahndung. Ich habe", so Herr Dr. Michalek, "von Beginn an auf den schwerwiegenden Charakter der damit verbundenen Grundrechtseingriffe hingewiesen und bin deshalb für restriktive Lösungen, für eine angemessene Rechtskontrolle und für eine besonders gründliche Gesetzesvorbereitung eingetreten."

Demgegenüber war es das Bundesministerium für Inneres, das die Einführung beziehungsweise den Ausbau der elektronischen Ermittlungsinstrumente vehement gefordert hat. In der Sache verstehe ich das durchaus, weil auch ich den Ernst der Lage, die bedrohliche Entwicklung der grenzüberschreitend agierenden kriminellen Organisationen nicht verkenne. Angesichts des hohen Niveaus, das deren technische Ausstattung bereits erreicht hat, wird man der Exekutive Fahndungsmittel und Ermittlungsmethoden auf einem vergleichbaren Stand der modernen Technik zubilligen müssen. Mit anderen Worten: Es geht um die Herstellung der "Waffengleichheit" – im wahrsten Sinne des Wortes.

Nicht zuletzt räume ich ein, daß ursprünglich auch meine Fraktion für eine solche Neuregelung plädiert hat.

All das entlastet mich aber nicht von einer eigenverantwortlichen Abwägung des Für und Wider des gegenständlichen Vorhabens. Vornehmlich die weitreichenden Eingriffe in mehrere verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechte beziehungsweise auch in völkerrechtlich verankerte Menschenrechte mahnen zu ernsthafter, kritischer Prüfung. Ich weiß mich dabei wieder mit dem Justizminister eines Sinnes, der im Zuge der Gesetzesvorbereitung stets um die Eingrenzung der mit den neu zugelassenen kriminaltechnischen Mitteln verbundenen Eingriffe in die Privatsphäre und in die Persönlichkeitsrechte des einzelnen bemüht war.

Gewiß stehen auch die angesprochenen fundamentalen Rechte in aller Regel unter Gesetzesvorbehalten; und auch insoweit, als das nicht zutrifft, sind wenigstens immanente Schranken jener Verbürgungen anzuerkennen, insbesondere dann, wenn es um miteinander kollidierende Grundrechte geht.

Zweifellos berührt die Gefährdung der elementaren Sicherheit der Bevölkerung durch die internationale Bandenkriminalität ein vorrangiges Rechtsgut, beziehen doch jeder Staat und seine Rechtsordnung aus der Gewährleistung der inneren und der äußeren Sicherheit ihre primäre Legitimation. Freilich gilt selbst hierbei, daß der Zweck die Mittel nicht heiligt; präziser: daß jeder Staatseingriff – und zwar umso mehr, je intensiver er ist – dem Grundsatz der Erforderlichkeit, der Angemessenheit und der Verhältnismäßigkeit unterliegt. Ob diesem Maßstab sachlicher Gerechtigkeit mit dem vorliegenden Gesetz entsprochen wird, eben das ist die Frage.

Von den künftig zugelassenen neuen elektronischen Ermittlungsmethoden erscheint mir im Gegensatz zu zahlreichen Kritikern, insbesondere aus den Reihen des Liberalen Forums und der Grün-Alternativen, der automationsunterstützte Datenabgleich, die sogenannte Rasterfahndung, noch als das vergleichsweise problemlosere Instrument. Das nicht nur deshalb, weil meines Erachtens der Datenschutz im Verhältnis zu anderen klassischen Grundrechten in seiner Bedeutung überbewertet ist, sondern vielmehr auch deshalb, weil bei der Rasterfahndung bloß Daten elektronisch miteinander verknüpft werden, die an sich bereits gesammelt, gespeichert und insofern nicht mehr unbekannt sind. Schon bisher hätten sie die Organe der


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öffentlichen Sicherheit – wenngleich mit weit höherem Arbeits- und Zeitaufwand – ermitteln und kombinieren können.

Der plakativ herausgestellte Ausschluß bestimmter individueller Merkmale von der Rasterfahndung versteht sich ohnehin als bloße Kosmetik. Weshalb nämlich zum Beispiel die Abstammung, die Rasse – ein zweifellos grundlegendes Identitätsmerkmal –, von den aufzunehmenden Daten ausgeschlossen worden ist, entzieht sich jeder rationalen Begründung. Hat das doch mit einer Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse überhaupt nichts zu tun.

Mit der Rasterfahndung vermag ich daher alles in allem zu leben, solange sie nicht mißbräuchlich eingesetzt wird.

Ganz anders stellt sich für mich hingegen die Rechtslage beim sogenannten großen Lauschangriff dar, der amtlich als "akustische und optische Überwachung von Personen unter Verwendung technischer Mittel" bezeichnet wird. Diese Ermittlungsart verursacht nämlich einen Einbruch in mehrere Grundrechte, insbesondere in das Hausrecht, das Recht auf die Privatsphäre, das Familienleben, die private Kommunikation und andere mehr.

Zwangsläufig beschränkt sich dabei der Eingriff nicht bloß auf den schon einer schweren Straftat und die als seine Komplizen Verdächtigen, sondern bezieht auch Familienmitglieder und sonstige unverdächtige Dritte mit ein. Selbst das wäre im Rahmen einer vernünftigen Güterabwägung gegebenenfalls gerade noch akzeptabel.

Unvertretbar ist nach meiner Rechtsüberzeugung jedoch, daß der Lauschangriff nicht einmal vor solchen Vertrauenspersonen Halt macht, die als Träger eines Berufsgeheimnisses staatlich anerkannt sind.

Für diese überschießende Tendenz erscheint mir bezeichnend, daß ursprünglich sogar beabsichtigt war, nicht einmal Beichtstühle oder vergleichbare Orte der vertraulichen religiösen Aussprache auszunehmen. Darin, daß das später nicht aufrechterhalten worden ist, sehe ich keine grundsätzliche Umkehr von einem höchst bedenklichen Weg. Den Gesetzesverfassern wurde in diesem Punkt offenbar lediglich bewußt, daß sie mit einer solchen Regelung das Konkordat mit der katholischen Kirche eklatant verletzen würden. Wohl aus Erwägungen der verfassungsgesetzlich gebotenen Gleichbehandlung wollten sie dann die übrigen anerkannten Religionsgemeinschaften nicht schlechter stellen.

Im Gegensatz zu dieser eher formalen Betrachtung geht es mir jedoch dabei primär um einen substantiellen Gesichtspunkt. Das Vertrauen eines hilfesuchenden Rechtsgenossen, sei er medizinischer, psychologischer oder rechtlicher Hilfe bedürftig, in jene zur entsprechenden professionellen Hilfestellung berufenen Personen und den Schutz dieses Vertrauens an jenen Orten, an denen diese Berufe typischerweise ausgeübt werden, gilt es zu wahren und nicht nachhaltig zu erschüttern. Eben dieser für eine lebenswerte Gemeinschaft so elementaren wie fundamentalen Verbürgung wird die gegenständliche Vorlage aber keineswegs gerecht.

Im Klartext: Zumindest die Ordinationsräume von Ärzten oder Psychologen beziehungsweise Psychiatern und die Kanzleiräume von Rechtsanwälten, Notaren oder Wirtschaftstreuhändern hätten jedenfalls vom Lauschangriff ausgenommen werden müssen!

Eine solche generelle Immunität wäre sachlich umso mehr vertretbar, als es in Österreich erfreulicherweise – anders als in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit der Anschläge der RAF-Terroristen – nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür gibt, daß Angehörige der von mir genannten Berufsgruppen an Aktivitäten der organisierten Kriminalität, insbesondere im Bereich des Terrorismus, als dem erklärten Anlaß der Regelung, persönlich beteiligt sind. Demnach besteht keine echte Rechtfertigung dafür, selbst diese Vertrauenspersonen in den Lauschangriff miteinzubeziehen; der gesamtgesellschaftliche Schaden wäre dabei meines Erachtens größer als der mögliche Nutzen.

Erlauben Sie mir als einem Repräsentanten einer heutigen Oppositionspartei auch einen gewissen Mißtrauensvorschuß. Wie sehr mir auch der personelle Wechsel in der Leitung des


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Innenressorts bewußt ist – ich habe das erst vor kurzem bei der Debatte über den Sicherheitsbericht 1995 anerkannt –, muß ich doch an ein Ereignis der Vergangenheit erinnern.

Als unter dem früheren Ressortchef Dr. Einem noch eine völlig einseitige Perspektive bei der Verfolgung der leider bis heute nicht ausgeforschten Urheber der Briefbombenanschläge vorherrschte, kam es zu folgendem rechtsstaatswidrigem Vorgehen: Allein aufgrund eines vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes erstellten hypothetischen Täterprofils beantragte die Staatsanwaltschaft beziehungsweise genehmigte ein Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Eisenstadt die Beschlagnahme der Kartei aller Bezieher der in Graz herausgegebenen Monatszeitschrift "Die Aula"; also einer zugelassenen Publikation, ob man sie nun schätzt oder nicht.

In weiterer Folge führte dieser Eingriff zu einer Fülle von Hausdurchsuchungen oder Einvernahmen von Beziehern dieser Zeitschrift (Bundesrat Dr. Tremmel: Unglaublich!), zum Teil auch von aktiven oder emeritierten Professoren beziehungsweise von Personen im Alter von über achtzig Jahren. (Bundesrat Eisl: Darum ist er jetzt Verkehrsminister!)

Es bedarf daher heute keiner Erörterung mehr dahin gehend, daß bei diesen Recherchen, wie vorherzusehen, kein Erfolg erzielt werden konnte. Wohl aber stellt sich die Frage, ob unter den Auspizien solch ideologischer Voreingenommenheit eines Ressortchefs der große Lauschangriff vertretbar wäre. – Ich räume vorbehaltlos ein: Das gilt natürlich auch unter anderen politischen Vorzeichen.

Die unkritische Mitwirkung von Justizorganen an der vorhin erwähnten Aktion gibt gleichfalls zu denken. Anscheinend vermochten auch sie sich dem damaligen Druck der über die Medien politisch gesteuerten Öffentlichkeit nicht zu entziehen. Gerade einer solchen Resistenz bedürfte es aber, um in brisanten Fällen volles Vertrauen in die Kontrollfunktion von Untersuchungsrichter und Ratskammer setzen zu können.

Mit gewisser Reserve stehe ich auch dem neugeschaffenen Kontrollorgan des "Rechtsschutzbeauftragten" gegenüber. Handelt es sich bei ihm doch um ein von der Exekutive bestelltes, nicht der Justiz zugehöriges Organ, das die richterlichen Verfügungen überprüft, seinerseits aber keinerlei parlamentarischer Kontrolle unterliegt. Diese Lösung gefällt mir weder vom Grundsatz der Gewaltenteilung und der richterlichen Unabhängigkeit noch vom Aspekt einer erneuten indirekten Stärkung der Exekutive her.

Zweifel sind auch gegenüber einer weiteren, an sich richtigen Vorkehrung zur Vermeidung von Mißbräuchen und Übergriffen angebracht: Die im Gesetz verankerten Beweisverwertungsverbote, die Zufallsergebnisse des Lauschangriffs in bezug auf nicht untersuchte Delikte des Verdächtigten oder hinsichtlich unbeteiligter Dritter betreffen, sind meines Erachtens weder ausreichend noch effektiv. Das liegt für jeden in der Praxis mit derartigen Fragen Befaßten auf der Hand. Ähnlich wie die Veröffentlichungsverbote werden sie ihre Schutzfunktion nicht voll erfüllen und dienen somit primär der Beruhigung des rechtsstaatlichen Gewissens.

Da es mir in meiner Wortmeldung um die Darlegung meiner grundsätzlichen Bedenken geht, ergänze ich diese nur der Vollständigkeit halber um pragmatische Argumente. Hinzuweisen ist sowohl auf die durchaus bekannt hohen Kosten des elektronischen Lauschangriffs und die international belegbare geringe Effizienz dieses Mittels bei der Verbrechensaufklärung als auch auf den technischen und logistischen Vorsprung der mafiosen, kriminellen Organisationen, der den Einsatz der neuen Ermittlungsmethoden weitgehend paralysieren wird. Rechtfertigt ein dermaßen geringer Effekt, der vorweg absehbar ist, dann überhaupt noch den Verlust an Rechtsstaatlichkeit durch derart intensive Grundrechtseingriffe?

Nicht zuletzt ist aus meiner Sicht auch die sogenannte "Kronzeugen-Regelung" äußerst problematisch. Ein Rechtsstaat, der sich nicht bereits selbst aufgegeben hat, kann doch einen Mittäter oder an der Haupttat verantwortlich Teilnehmenden nicht allein deshalb weitestgehend von der der Schuld angemessenen Strafe für ein schweres Delikt befreien, weil dieser nach eigener Mitwirkung an der Tat später zu ihrer Aufdeckung und zur Überführung anderer Mitglieder der kriminellen Organisation durch Offenlegung ihrer Struktur beigetragen hat. Das rechtsstaatliche Prinzip wie auch der Gleichheitssatz werden dabei völlig außer acht gelassen.


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Gewiß ist das Interesse legitim, die organisierte Kriminalität mit zeitgemäßen technischen Mitteln möglichst wirksam zu bekämpfen – ja es ist das sogar ein vorrangiges sicherheitspolitisches Anliegen. Dennoch ist es nach meiner Überzeugung mit dem vorliegenden Gesetz nicht geglückt, ein ausgewogenes Verhältnis zur Wahrung fundamentaler Rechte herzustellen. Das ist umso kritikwürdiger, als dieselben Regierungsparteien, die für den bedrohlichen Zustand unserer inneren Sicherheit nicht zuletzt durch ihre langjährige Ausländerpolitik hauptverantwortlich sind (Bundesrat Wöllert: Das ist so ein Blödsinn!), jetzt gleichsam den Staatsnotstand ausrufen und die Grundrechte der eigenen Bürger spürbar beschneiden. (Bundesrat Wöllert: Sie glauben ja nicht einmal Ihre eigenen Worte! – Doch, aber Sie wollen eben die Tatsachen nicht sehen!)

Sowohl aus rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Bedenken als auch aus demokratiepolitischen Überlegungen werde ich daher – so wie viele meiner Kollegen – dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Franz Richau. Ich erteile es ihm.

11.57

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte eingangs auf die Ausführungen meines Vorredners eingehen.

Herr Dr. Böhm! Konträr zu Ihren Aussagen sprechen Ihre eigenen Funktionäre innerhalb der Exekutive und im Parlament, die von Aufgaben der Exekutive unmittelbar betroffen sind. Ich akzeptiere und verstehe Ihre Bedenken, versuchen aber auch Sie, die Bedenken der Exekutive zu akzeptieren. (Bundesrat Dr. Böhm: Habe ich getan! Mehrfach!)

"Das Böse besiegen", so lautete in der vergangenen Woche ein Artikel In der "Kronen-Zeitung", der sich in einem Vergleich mit Deutschland mit dem allgemeinen Sicherheitsdenken in Österreich und den damit befaßten Politikern beschäftigte. Mit der Einführung des Lauschangriffes und der Rasterfahndung sieht man die Privatsphäre gefährdet. Man spricht vom Polizeistaat. Der gläserne Mensch von Orwell scheint Einzug gehalten zu haben. Mit Ach und Krach hat man sich in Österreich dazu durchgerungen, ein mildes Lauschgesetz und ein wenig Rasterfahndung durchzusetzen. – Solche und ähnliche Aussagen konnte man in den letzten Monaten im Zuge der Erarbeitung dieses Gesetzes immer wieder hören. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich verstehe und akzeptiere jene Stimmen, die sich mit dem Mißbrauch von Daten auseinandersetzen, die Bedenken aufgrund von Rechtsschutzproblematiken haben und die das oberste Menschenrecht in Frage stellen. Ich verweise aber darauf, daß gerade jene im Parlament dagegen sind – ich mache in diesem Zusammenhang bewußt den Hinweis auf das Liberale Forum und die Grünen –, die es immer wieder verstehen, Österreich im Ausland gerade ob seiner Sicherheitspolitik zu beschmutzen – ich nenne es so – und die die Drogenfreigabe als oberstes Gebot und als einen der ersten Anträge im Parlament eingebracht haben.

Ich möchte zu beiden Punkten kurz Stellung nehmen:

Im Polizeikooperationsgesetz ist neben der internationalen Zusammenarbeit im Bereich des Datenaustausches, ja der gesamten Tätigkeit der Exekutive auch die sogenannte Nacheile und damit auch die Arbeit ausländischer Behörden auf unserem Staatsgebiet und österreichischer Behörden auf fremdem Staatsgebiet geregelt. Für mich stellt dieses Gesetz in vielen Bereichen ein Nachjustieren der derzeitigen Lage dar, weil aufgrund persönlicher Kontakte von Exekutivbeamten in allen Bereichen internationaler Zusammenarbeit sehr viele aufsehenerregende Kriminalitätsfälle erledigt und aufgeklärt werden konnten. Verbrechensbekämpfung ist nicht nur die Zusammenarbeit, sondern auch der Datenaustausch. Ich glaube, wir haben somit ein gutes Gesetz geschaffen.


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Obwohl ich dem Polizeikooperationsgesetz zustimmen werde, möchte ich doch in zwei Punkten leichte Bedenken anmelden.

Was die Auslegung von § 7 hinsichtlich der unmittelbaren Inanspruchnahme von angrenzenden Ländern betrifft, scheint die Gefahr einer Zentralisierung auf das Landesinnere wieder gegeben zu sein. Ich meine, daß einerseits für die Bezirksgendarmeriekommanden und andererseits für die Polizeidirektionen eine unmittelbare Inanspruchnahme sehr wohl möglich sein sollte. Eine Verbesserung würde ich darin sehen, wenn auch die Polizeidirektionen als nicht unmittelbar angrenzende Stellen hineingenommen werden würden.

Zum zweiten scheint mir im dritten Abschnitt im Bereich der wechselseitigen Nacheilmöglichkeit ein wunder Punkt vorhanden zu sein. Ich nehme zur Kenntnis, daß in den österreichischen Gesetzen die Handhabung dieser Nacheile genauestens geregelt ist, ich habe aber Bedenken, ob trotz intensiver Bemühungen und internationaler Verhandlungen diese Tätigkeit auf diese Art und Weise auch von den ausländischen Behörden in Österreich so vollzogen wird. Ich meine, es sollte nicht so sein, daß wir zwar zur Nacheile ermächtigt, die anderen Staaten jedoch zur Voreile berechtigt sind. Ich hoffe, daß es da aufgrund des Drucks bei den Schengen-Verhandlungen doch zu einer interessanten und gerechten Lösung gekommen ist.

Nun zu den Punkten Lauschangriff und Rasterfahndung: 720 Millionen Schilling Schwarzgeld aus dem Osten werden nach Informationen im EU-Bereich reingewaschen, Gelder erworben durch Drogenhandel, Menschenhandel, Prostitution und vieles andere mehr. Die internationale Mafia ist in Wien tätig. Österreich ist aufgrund mangelnder gesetzlicher Voraussetzungen ein ideales Land für das Tätigwerden von Verbrechensorganisationen. Diese Aussagen und vieles andere mehr konnten wir zu diesem Gesetz in den letzten Monaten immer wieder hören.

Diesen vielen Meldungen ist durch den Beschluß hinsichtlich Rasterfahndung und Lauschangriff zumindest der Versuch entgegengestellt worden, der Exekutive ein taugliches, vor allem aber auch den internationalen Gegebenheiten entsprechendes Mittel zur Verbrechensbekämpfung beizustellen. Ich nehme zur Kenntnis, daß es viele Beschwerden und Bedenken hinsichtlich der genauen Einhaltung des Datenschutzes, der Grundrechte, der Menschenrechte und des österreichischen Rechts insgesamt gibt, ich möchte aber auch anhand eines Beispieles aufzeigen, wie schwierig es wird, diesem Gesetz gerecht zu werden.

Wenn die Exekutive heute im Rahmen der Verbrechensbekämpfung bei den im Gesetz genannten Problembereichen die Aufgabe bekommt, diese Möglichkeit einzusetzen, so sollte man wissen, daß etwa vor Überwachung eines Hauses von seiten der Justiz dazu ein Auftrag erteilt werden muß. Sollten die gesuchten Personen im Haus gesichtet werden, so bedarf dies einer längeren Beobachtung, um alle möglichen Fakten, Ausgänge dieser Personen et cetera festzuhalten. Für den Fall, daß diese Personen Absprachen in einem Fahrzeug durchführen, bedarf diese Überwachung eines neuerlichen Auftrags von seiten der Justiz. Ich glaube, daß hiefür bestens ausgebildete Beamte zur Verfügung stehen und auch beigezogen werden müssen.

Angesichts der Schwierigkeiten bei der Bewältigung dieser Aufgabe scheint es mir aber auch wichtig zu sein, festzustellen, daß in dem beschlossenen Gesetz genau festgelegt ist, wann, wo, in welchem Ausmaß und wie diese Aufgabe der Verbrechensbekämpfung zu bewerkstelligen ist.

Ich glaube, daß im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Justiz, Rechtsschutz und Exekutive dieses Gesetz eine ausgezeichnete Grundlage für die nationale und internationale Verbrechensbekämpfung darstellt und ein weiterer Baustein im Rahmen des hohen Sicherheitsstandards Österreichs ist.

Ich danke allen, die zu dieser Gesetzwerdung beigetragen haben. Ich möchte auch dem leider kürzlich verstorbenen Kollegen von der SPÖ Robert Elmecker für seine Tätigkeit in den Anfangsstadien dieses Gesetzes danke sagen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


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12.06

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Payer. – Bitte.

12.06

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren Bundesminister! Die vorliegenden Gesetze sind in der breiten Öffentlichkeit unter den Schlagworten Lauschangriff und Rasterfahndung bekannt. Allein diese große Bekanntheit ist meiner Meinung nach der Beweis dafür, daß diese besonderen Ermittlungsmaßnahmen sehr eingehend diskutiert wurden. Auch die Medien – das finde ich positiv – haben eine sehr intensive Berichterstattung über diese wichtigen Themen durchgeführt. Ich halte die Entstehung dieser Gesetze auch für demokratiepolitisch sehr wichtig.

Als ich persönlich vor zirka eineinhalb Jahren mit diesen besonderen Ermittlungsmaßnahmen zum ersten Mal konfrontiert wurde, war meine spontane Reaktion darauf Ablehnung. Ich glaubte, daß sich verdeckte Maßnahmen beim einzelnen Bürger mit meinem persönlichen Freiheitsbegriff nicht vereinbaren ließen. Als Folge dieser ersten Reaktion habe ich die Entstehung dieses Gesetzes von der Regierungsvorlage bis zu dem heute hier vorliegenden Gesetz sehr genau verfolgt. Ich gebe zu, daß sich meine Meinung geändert hat und ich heute dieser Gesetzesmaterie positiv gegenüberstehe.

Ausschlaggebend für meinen Sinneswandel war die Arbeit des Unterausschusses des Nationalrates, der, so glaube ich, in fünf Sitzungen gute Arbeit geleistet hat. Dazu kamen noch das Expertenhearing im Oktober des Vorjahres und die vielen internationalen Erfahrungen auf diesen Gebieten. Persönlich habe ich in der Fragestunde mit Bundesminister Michalek hier im Bundesrat die Gelegenheit genützt, um seine Meinung, inwieweit durch die neuen Ermittlungsmethoden die demokratischen Grundrechte des einzelnen Staatsbürgers gefährdet sind, zu hören. Seine Antworten waren plausibel und sehr konkret.

Meine Damen und Herren! Zur Freiheit gehört stets auch eine Verantwortung für andere. Der Komponist Karlheinz Stockhausen formulierte das so – ich möchte das zitieren –: Der wirklich freie Mensch ist ja eigentlich erst der, der weiß, was für das Ganze gut ist, und nicht nur, was für ihn selbst gut ist.

Ich glaube, daß dieser Freiheitsbegriff, wie ich ihn hier zitiert habe, in der heutigen Zeit der richtige ist. Bedenken wir doch, daß wir am Ende dieses Jahrhunderts in einem Zeitalter leben, das von rasanten, ja revolutionären Entwicklungen geprägt wird. Nachrichten und Informationen zirkulieren mit einer vorher nie gekannten Geschwindigkeit, sie erreichen die entferntesten Teile der Welt. Satelliten im Weltraum, verbunden mit modernen Informationstechnologien, erlauben ein nahezu perfektes Maß an Kommunikation. So rücken Kulturen und Kontinente näher aneinander. Jeder kleine Fortschritt auf jedem nur denkbaren Gebiet kann so sehr rasch Gemeinbesitz der gesamten Menschheit werden.

Natürlich stehen auch dem organisierten Verbrechen all diese Ressourcen zur Verfügung: die besten Experten, alle technischen Möglichkeiten und alle Freizügigkeiten, die die Demokratie ihren Bürgern gewährt. Diese moderne Kriminalität, sehr oft auch globale Kriminalität genannt, kann nicht mit Mitteln aus dem vorigen Jahrhundert bekämpft werden. Darin waren ja meine Vorredner mit mir einer Meinung. Die Nachfolger von Al Capone arbeiten mit modernsten Mitteln und müssen mit den modernsten Mitteln bekämpft werden.

Ich gebe ohne weiteres zu, daß dabei ein Spannungsfeld entsteht, ein Spannungsfeld zwischen der Kriminalitätsbekämpfung als Staatsaufgabe, gepaart mit einem großen Sicherheitsbedürfnis der Bürger und einer Beeinträchtigung der Privatsphäre. Oder, um mit Erich Kästner zu sprechen: Es ist besser, Deiche zu bauen, als darauf zu hoffen, daß die Flut allmählich Vernunft annimmt.

Mit dem vorliegenden Gesetz geht man einen Mittelweg. Man hat einen tragfähigen Kompromiß gefunden. Wenn Kollege Böhm angekündigt hat, daß er und vier seiner Kollegen dem nicht zustimmen werden, dann zeigt allein auch diese Haltung, daß er irgendwie einsieht, daß ein Kompromiß notwendig war. Ich glaube, daß es ein tragfähiger Kompromiß ist.


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So geht es bei der Verknüpfung elektronisch verarbeiteter Daten nicht um Intimdaten, sondern fast ausschließlich um Identitätsdaten. Das sind Name, Adresse, Geburtsdaten. Diese Fahndungsmethode, die auch in allen anderen westeuropäischen Staaten Anwendung findet, darf nur über richterliche Genehmigung erfolgen. Es muß also ein richterlicher Auftrag vorliegen, der von der Ratskammer erteilt wird und der auch die Art der zu verknüpfenden Daten umfaßt. Es muß sich, soll diese Fahndungsmethode angewendet werden, um ein Verbrechen handeln, das mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, oder es muß sich um die Bekämpfung einer kriminellen Organisation handeln. Daten über rassische Herkunft, die politische Anschauung, religiöse oder andere Überzeugungen dürfen nicht gerastert werden. Daten über die Gesundheit oder über sexuelle Neigungen dürfen nur verarbeitet werden, wenn sie bei einer Person bereits einmal von erkennungsdienstlicher Bedeutung waren, zum Beispiel bei Sexualtätern.

Es geht bei der Rasterfahndung nicht darum, im Privatleben der Österreicher und Österreicherinnen zu wühlen, sondern in ganz wenigen Fällen der Exekutive ein wirksames Mittel der Bekämpfung der organisierten und der internationalen Kriminalität sowie von Schwerverbrechern in die Hand zu geben. – All das unter strenger rechtsstaatlicher Kontrolle! Oder, um konkreter zu werden: Die Rasterfahndung könnte – ich betone: könnte – vielleicht mithelfen, den Briefbombenfahndern die Arbeit zu erleichtern. Es gibt – so ist es auch Zeitungsberichten zu entnehmen – nämlich sehr viele Informationen und Daten, die verrastert zu einem Ergebnis führen könnten.

Vielleicht wird die Jagd auf den oder die Briefbombenterroristen der erste Prüfstein der neuen Fahndungsmethode. Der Mord an den vier Roma in meinem Bundesland, im Burgenland, könnte vielleicht geklärt werden, dies angesichts der Tatsache, daß die Utensilien für die Briefbomben und Rohrbomben von Klagenfurt, Oberwart und Stinatz genau bestimmt sind. Es wäre zu hoffen, daß alle aktenkundigen Hinweise – immerhin 50 000 an der Zahl – durch Vergleich und computermäßige Erfassung zu einem Ergebnis führen.

Kollege Böhm hat die Berufsgeheimnisträger angesprochen. Ich kann ihm hier bei dieser Passage keinesfalls zustimmen. Wenn ich das richtig gelesen habe, dann kann ich bei Berufsgeheimnisträgern nur dann lauschen, wenn diese Berufsgeheimnisträger selbst verdächtig sind. (Bundesrat Dr. Böhm: Richtig!)

Einige Ausführungen noch zum Polizeikooperationsgesetz. Durch den Prozeß der Europäischen Integration hat die internationale Zusammenarbeit einen völlig neuen Stellenwert erlangt. Diese Zusammenarbeit betrifft zum einen neue Formen des Informationsaustausches, weiters die Zusammenführung dieser Informationen, zum anderen auch Bereiche der operativen grenzüberschreitenden Polizeiarbeit.

Meine Damen und Herren! Kollege Böhm hat die Sicherheitspolitik in Österreich als sich in einem bedrohlichen Zustand befindlich bezeichnet. Dem kann ich nicht ganz folgen. Es stimmt, wir sind mit einem steigenden Sicherheitsbedürfnis der Menschen konfrontiert.

Innenminister Karl Schlögl ist in wenigen Tagen ein halbes Jahr im Amt. Ich glaube, daß die Bilanz seines Kampfes gegen die Kriminalität, die er in der kurzen Zeit, in der er tätig ist, vorweisen kann, ziemlich positiv ist. Um nur schlagwortartig anzuführen: Lauschangriff, Rasterfahndung, Schengen, DNA-Datenbank zur Ausforschung von Sexualtätern, Videodokumentation bei Verhören. Ich könnte diese Liste mit einigen kleinen Dingen noch anreichern.

Ich glaube, daß all diese Maßnahmen, die hier der Exekutive in die Hände gegeben werden – hier stimme ich mit Kollegen Richau überein –, auch psychologisch sehr wichtig sind. Die Beamten fühlen sich unterstützt, fühlen sich nicht im Regen stehengelassen. Ich glaube, daß das zu einer zusätzlichen Motivation führen wird. Daher wird meine Fraktion gegen die beiden vorliegenden Gesetze keinen Einspruch erheben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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12.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesminister für Justiz Dr. Michalek. – Bitte.

12.17

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor Ihnen liegt eine rechtspolitische Entscheidung, deren Bedeutung ohne jeden Zweifel das normale Maß der Gesetzgebung übersteigt, handelt es sich doch um grundsätzliche Fragen von größter Wichtigkeit und höchster Symbolkraft: die Effizienzsteigerung der Bekämpfung schwerer, vor allem organisierter und grenzüberschreitender Kriminalität durch tiefe Eingriffe staatlicher Macht in die Grundrechte, vor allem auf Achtung des Privatlebens und des Datenschutzes. Ein Spannungsverhältnis, dessentwegen ich auch gesagt habe, daß unterschiedlichen Gewichtungen, Abwägungen und Standpunkten bei der Interessenabwägung und Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der mit den neuen Ermittlungsmaßnahmen verbundenen Grundrechtseingriffe demokratischer Respekt entgegenzubringen ist.

Wenn das Bundesministerium für Justiz auch, wie ich heute zitiert wurde, kein Vorreiter der neuen Ermittlungsmethoden war, haben wir uns doch der konstruktiven Diskussion nie entzogen und den Blick auch über die Grenzen und auf die Regelungen und Praktiken anderer vergleichbarer Rechtsordnungen gerichtet. So haben wir uns der Realität, der Gefährdung der Gesellschaft durch veränderte und neue Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität und zugleich rechtsstaatlicher Verantwortung von Anfang an gestellt.

Wir haben uns bemüht, eine Lösung zu erarbeiten, die unter Einbeziehung rechtsvergleichender Aspekte den Traditionen unseres Strafverfahrens gerecht wird und die erforderliche Balance zwischen Verbesserung der polizeilichen Effizienz und weitgehender Wahrung der Grundrechte des einzelnen herstellt.

Das im Spätsommer 1995 entwickelte Regelungskonzept des Bundesministeriums für Justiz hat die Bewährungsproben vielfältiger, intensiver Diskussionen bestanden und internationale Anerkennung gefunden. Die ausführlichen Erörterungen der beiden letzten Jahre haben aber auch gezeigt, daß weitere wesentliche Verbesserungen und Feinabstimmungen und ein zusätzlicher Ausbau des Rechtsschutzes möglich waren.

Wie immer sich jeder einzelne grundsätzlich entscheidet, eines kann ich Ihnen vor dem Hintergrund meiner eigenen Meinungsbildung versichern: Die gefundenen Lösungen, insbesondere die eng definierten Zulässigkeitsvoraussetzungen, die verfahrensrechtlichen Absicherungen, die eine gegenseitige Kontrolle von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht sowie eine begleitende Prüfung durch den Rechtsschutzbeauftragten gewährleisten, und die mehrstufigen Vorkehrungen gegen jeden denkbaren Mißbrauch bilden ein rechtsstaatliches Netzwerk hohen Grades. Dabei wurde in bemerkenswerter Weise auch Neuland beschritten. Neben der Erweiterung der Beweisverwertungsverbote auf zivilgerichtliche und Verwaltungsverfahren greife ich als markantestes Beispiel die Schaffung einer neuen Verfahrenspartei in Form des unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten mit umfassenden Befugnissen sowohl für die Prüfung der einzelnen Anordnung als auch für die begleitende Kontrolle der Durchführung der besonderen Ermittlungsmaßnahmen heraus.

Diesem Rechtsschutzbeauftragten kommt auch in dem zuletzt und auch heute am heftigsten umstrittenen Bereich der Vertrauensbeziehungen zwischen Klienten beziehungsweise Patienten der rechtsberatenden Berufe beziehungsweise im psychosozialen Betreuungsbereich eine besondere Funktion zu. Er darf die Ermächtigung zur Anordnung eines sogenannten großen Lauschangriffes in den ausschließlich der Berufsausübung gewidmeten Räumlichkeiten des selbst tatverdächtigen Geheimnisschutzträgers nur dann erteilen, wenn eine im Hinblick auf die große Gefahr eines Eingriffs in rechtlich geschützte Vertrauensverhältnisse grundsätzlich anzunehmende Unverhältnismäßigkeit der Überwachung im Einzelfall aus besonders schwerwiegenden Gründen ausnahmsweise doch nicht vorliegt.

Aber auch in diesem Fall wird er in Wahrnehmung der begleitenden Kontrolle sein besonderes Augenmerk darauf zu legen haben, daß das totale Beweisverwertungsverbot hinsichtlich geschützter Klienten-, Patienteninformationen beachtet wird.


Bundesrat
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Im Hinblick auf diese Regelungen kann man durchaus feststellen, daß der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Berufsgeheimnisträger und Klienten/Patienten in den Rechtsordnungen keines anderen vergleichbaren europäischen Landes so ausgeprägt ist wie bei uns.

Schließlich haben wir versucht, aufgrund der Einführung besonderer Geheimhaltungsbestimmungen und durchaus neuartiger Aktenführungsvorschriften sowohl im Innenbereich als auch im Justizbereich und aufgrund eines strafbewehrten Veröffentlichungsverbots und eines medienrechtlichen Ersatzanspruches Maßnahmen zu schaffen, damit einer Zweckentfremdung der Ergebnisse, insbesondere unzulässiger Veröffentlichungen soweit als möglich entgegengesteuert wird.

Mit der parlamentarischen Beschlußfassung treten wir in eine neue Phase ein. Nun steht nicht mehr die quasi fundamentale Zuspitzung im grundsätzlichen Vordergrund, sondern – nicht zuletzt im Hinblick auf die nur befristete Inkraftsetzung der besonderen Ermittlungsmaßnahmen – die praktische Umsetzung und deren kritische Beobachtung. Es wird nun an den Sicherheitsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten liegen, das in sie gesetzte Vertrauen durch eine behutsame, dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechende Anwendung zu rechtfertigen und zu beweisen, daß das Auftreten neuer Formen geplanter, geschäftsmäßiger, organisierter Kriminalität zwar entschlossen, jedoch in einer Art und Weise bekämpft wird, mit der im gebotenen Ausmaß die Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger unseres Staates geachtet werden. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Dr. Tremmel. )

12.26

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

12.26

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Meine Herren Minister! Meine Damen und Herren! Wir haben zu den Themen Lauschangriff und Rasterfahndung in den Debatten zu den Sicherheitsberichten der letzten Jahre schon zur Genüge Stellung genommen, und wir mußten bei allen diesen Berichten eine erschreckende Zunahme gerade der organisierten Kriminalität feststellen. Bei der Debatte zum letzten Sicherheitsbericht waren das im Rahmen der Gesamtkriminalität bereits 30 bis 35 Prozent.

Die Bundesregierung sieht diese Gefahr auch, und sie hat es auch in der Beilage treffend formuliert, indem sie sagt, die Zunahme schwerer und organisierter Kriminalität im Bereich des Terrorismus, der Korruption, des Suchtgifthandels und der sexuellen Ausbeutung sowie der schweren Vermögensdelinquenz, deren Besonderheit unter anderem in der internen Abschottung der Tätergruppen sowie im häufigen Fehlen individueller Opfer besteht, die der Strafverfolgung Informationen aus erster Hand liefern könnten, erschwert die polizeiliche Aufklärungsarbeit und den gerichtlichen Nachweis der Tatbegehung gegenüber einzelnen Beschuldigten.

Ein Blick auf das Gefahrenpotential, das von der organisierten Kriminalität ausgeht, belegt die veränderten Bedingungen. Jährlich werden mehrere hundert Millionen Dollar Gewinne aus den Verbrechen der organisierten Kriminalität, aus Schwerkriminalität, illegalem Glücksspiel, Menschenhandel einschließlich Kinderprostitution, Drogenhandel, illegaler Rüstungstechnologie und Waffengeschäften, in den legalen Wirtschaftskreislauf reinvestiert. Dies geht einher mit einem absoluten Verschwiegenheitskodex, völliger Abschottung, arbeitsteiligen Organisationen und einem gesteuerten Grad von Konspiration, wodurch die Gefahr für den Rechtsstaat nicht lediglich in der kriminellen Handlung als solcher besteht. Die organisierte Kriminalität verhält sich damit wie ein Wettbewerber zum Staat, indem eigene Regeln denen des Staates gegenübergestellt werden und indem die Organisation auch versucht, diese Regeln zu durchkreuzen.

Meine Damen und Herren! Diese Begründung ist für mich ausreichend, zu sagen, daß die Maßnahmen, die wir heute hier beschließen müssen, notwendig sind. Ich werde deshalb auch dieser Vorlage der Bundesregierung meine Zustimmung geben.


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Die Wortmeldung meines Kollegen Dr. Böhm möchte ich Ihnen, meine Herren Minister, besonders ans Herz legen und Sie ersuchen, seine rechtsstaatlichen Bedenken auch gerade in der Phase der Erprobung dieses Gesetzes, die Sie hier angekündigt haben, wirklich ernstzunehmen, um die Tauglichkeit dieses Gesetzes auch im Bereich von lauschfreien Zonen und im Bereich der Einhaltung der Bürgerrechte genau zu prüfen.

Kollege Dr. Böhm hat auch schon erwähnt, daß es in den letzten Jahren von seiten Ihres Vorgängers, Herr Innenminister, dazu gekommen ist, daß eine Abonnentenliste einer Zeitschrift in den Verdacht geraten ist, mit einer kriminellen Aktion im Zusammenhang zu stehen und daß von seiten der Bundesregierung mit der Observierung dieser Abonnentenliste eine Art subtiler Staatsterror ausgeübt worden ist.

Wir, meine Herren Minister, hoffen, daß im Lichte dieser Erfahrung, die wir dabei gemacht haben, von Ihrer Seite nicht auch einmal die Opposition in diesem Lande im Rahmen dieser neuen Gesetze, die wir heute hier beschließen, eine kriminelle Organisation sein wird. Mein Vertrauen in den Rechtsstaat ist aber noch groß genug, und ich werde deshalb heute diesen beiden Gesetzen zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rieser. – Bitte.

12.30

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Geschätzte Herren Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einleitend gleich an die Wortmeldung des Kollegen Bösch anschließen. Ich muß allerdings zugeben, zu Beginn dieser Debatte beziehungsweise zu dem Zeitpunkt, als wir in den Klubs darüber diskutiert haben, bin ich eher negativ dazu eingestellt gewesen. Aber aufgrund des langen Vorlaufs und aufgrund des Expertenhearings, das in diesem Zusammenhang Aufklärung gebracht hat – es wäre begrüßenswert, wenn das auch bei anderen Gesetzen passieren würde –, ist es für mich heute eine klare Entscheidung, für dieses Gesetz zu stimmen.

Es wurden darüber hinaus auch Maßnahmen eingearbeitet: ein Rechtsschutzsystem, die Befristung des Gesetzes, der Datenschutz sowie der jährliche Bericht des Rechtsschutzbeauftragten an den Nationalrat und Justizminister. Die Privatsphäre der österreichischen Bürger muß vor ungerechtfertigten Eingriffen geschützt sein. Mit diesen neuen Fahndungsmethoden soll die organisierte Kriminalität bekämpft werden. Unsere Bürger brauchen mehr Sicherheit, und dafür ist der Gesetzgeber auch verantwortlich.

Ich betrachte dieses Gesetz als Aufgabe der Rechtspolitik, Kriminelle erfolgreich zu fahnden. Österreich darf kein Umschlagplatz, Österreich darf kein Hort für Verbrechen sein und werden. Kollege Richau hat vorhin die Fakten erwähnt, welche Verbrechen gerade auf internationaler Ebene immer wieder geschehen. Österreich kann nicht jenes Land sein, und Wien kann nicht jene Stadt sein – das kann morgen Graz und übermorgen Salzburg sein –, wo sich bestimmte Gruppen treffen, Verbrechen planen und organisieren und dann losschlagen.

Ein moderner Staat hat Instrumente gegen Gewalt und Verbrechen in der Gesellschaft zu installieren und gleichzeitig auch dafür zu sorgen, daß es zu keinen Mißbräuchen und Übergriffen kommt. Das geschaffene Rechtsschutzsystem soll vor Übergriffen schützen. Als positiv bewerte ich die Aussage der Beamten im Ausschuß, daß der Rechtsschutzbeauftragte nicht aus dem Bereich der Justiz kommen wird, sondern man überlegt sich, einen Lehrbeauftragten einer Universität damit zu betrauen.

Ich könnte mir auch einen freiberuflichen Rechtsgelehrten, einen Anwalt vorstellen. Nicht vorstellen kann ich mir aber, sehr geehrter Herr Bundesminister – ohne einer Berufsgruppe jetzt etwas abzuschlagen –, einen Staatsanwalt, der vielleicht schon in Pension ist. Ich glaube, das würde die Bevölkerung nicht akzeptieren. Ich bitte, in dieser Frage, wer dieser Rechtsschutzbeauftragte sein wird, mit dem notwendigen "Gspür" vorzugehen.


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Da dieses Gesetz befristet ist, wird es an Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesminister, aber auch an den Gerichten liegen, ob Profilierungsgier oder Sachlichkeit bei der Aufklärung von Straftaten maßgebend ist. Im Hinblick auf die zahlreichen Vorkommnisse in der letzten Zeit betrachte ich dieses zu beschließende Gesetz in erster Linie als Schutz unserer Bevölkerung und der demokratischen Einrichtungen unseres Staates.

Kollege Payer hat vorhin das Beispiel der Deiche, die Überschwemmungen erwähnt, also das, was wir gerade in diesen Tagen miterleben und was in Deutschland passiert. Ich glaube, daß Freiheit mehr ist als Schutz vor staatlicher Willkür. Freiheit begründet Verantwortung, und Rechte begründen auch Pflichten. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Eisl. )

12.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Repar. – Bitte.

12.36

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Herren Minister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die intensiven Diskussionen der letzten Wochen und Monate haben gezeigt, daß die Einführung besonderer Ermittlungsmethoden zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ein hochsensibles Thema ist.

Genaugenommen geht es eigentlich um eine Güterabwägung zwischen dem Schutz der Privatsphäre und dem Anspruch auf Sicherheit einerseits und dem Schutz vor Kriminalität, insbesondere vor der organisierten Kriminalität andererseits.

Warum wir Sozialdemokraten diese speziellen Ermittlungsmethoden für notwendig erachten, hat mit der unleugbaren Tatsache zu tun, daß unsere Gesellschaft von einer neuen gefährlichen Form des Verbrechens bedroht wird, wie es heute hier schon des öfteren angesprochen wurde, nämlich der organisierten Kriminalität.

Die Bürger unseres Landes erwarten sich von den politischen Entscheidungsträgern, daß sie für Sicherheit, für soziale Sicherheit, für Sicherheit im Krankheitsfall und auch selbstverständlich für Sicherheit vor kriminellen Elementen sorgen. Die Erhaltung einer sicheren Gesellschaft und damit verbunden der Kampf gegen die Kriminalität gehören zu den primären Forderungen der Menschen unseres Landes an die Politik.

Aus diesem Grunde sind wir als politische Entscheidungsträger auch verpflichtet, neue Antworten auf neue kriminelle Bedrohungen zu geben. Die zunehmende organisierte Kriminalität spielt sich nicht mehr in weit entfernten Gegenden ab, sie hat sich internationalisiert, sie versucht, in allen europäischen Ländern Fuß zu fassen. Auch wenn wir hier in Österreich in einem der sichersten Länder der Welt leben, so dürfen wir die Augen nicht vor dieser Entwicklung verschließen. Die Netzwerke der organisierten Kriminalität mit jährlichen Milliardenumsätzen, wie es hier auch schon angesprochen wurde, aus Korruption, Erpressung, Drogenhandel, Autodiebstahl, Menschenschmuggel, Kinderpornographie, Prostitution und so weiter suchen sich auch in Österreich neue Aktionsfelder. Dies dürfen wir als verantwortungsvolle Politiker nicht einfach hinnehmen, hier müssen wir effektive Gegenmaßnahmen ergreifen, um rechtzeitig Einhalt gebieten zu können.

Die organisierte Kriminalität kann nicht mit der sogenannten normalen Kriminalität verglichen werden, hier handelt es sich um ein dicht gewobenes Netz von Insidern, an die mit herkömmlichen Methoden nur sehr schwer heranzukommen ist. Und um diese abgekapselten kriminellen Gruppierungen sprengen zu können, müssen zuerst Informationen über sie gesammelt werden. Aufgrund der Organisationen, der verschworenen Zirkeln, wie man es nennt, kommt man mit herkömmlichen Methoden und Zeugenbefragungen kaum weiter. Realistisch betrachtet sieht es so aus, daß es eigentlich gar keine andere Möglichkeit gibt, zu den notwendigen Informationen zu kommen, als durch den sogenannten Lauschangriff.


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Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist die Pflicht einer demokratischen Gesellschaft, sich gegen Kräfte zur Wehr zu setzen, die sich nicht an die Rechtsordnung dieser Gesellschaft halten, die diese Gesellschaft unterminieren und letztendlich auch zerstören wollen.

Unsere Bürger, die sich zur Rechtsstaatlichkeit bekennen und diese auch akzeptieren, haben ein Recht, vor einer kriminellen Gegengesellschaft geschützt zu werden. Unsere demokratische Gesellschaft basiert ganz zentral auf dem Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit, auf dem Vertrauen in die Schutzfunktion des Staates. Man kann auch nicht von der Exekutive nach jedem Verbrechen – man denke dabei jetzt nur an die ungeklärten Briefbombenattentate – eine sofortige Aufklärung verlangen, gleichzeitig jedoch gegen effiziente Instrumente in den Händen der Exekutive sein, das ist unseriös und doppelbödig.

Alle, die Bevölkerung und die Medien, aber auch die Politik verlangen zu Recht ein effektives Vorgehen der Exekutive gegen alle Formen dieser Kriminalität. Wir als politische Entscheidungsträger müssen unter Abwägung anderer Bürgerrechte jene Instrumente zur Verfügung stellen, mit denen eine effiziente Exekutivarbeit möglich ist. Niemand von uns will eine umfassende Bespitzelung der Bürger, wie sie in anderen, totalitären Staaten gang und gäbe ist, aber mit dem neuen Sicherheitspolizeigesetz werden im Rahmen unserer Rechtsstaatlichkeit die Abwehrkräfte gegen eine neue und extrem gefährliche Form der Kriminalität gestärkt. Dies ist angesichts des Bedrohungspotentials leider notwendig.

Aufgrund dieser Notwendigkeit und der klar definierten Beschränkungen, denen wir die zusätzlichen Exekutivbefugnisse unterworfen haben, gebe ich auch dieser Gesetzesvorlage meine Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

12.40

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

12.41

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Meine Herren Bundesminister! Ich mache es kurz: Auch ich werde diesen beiden Vorlagen die Zustimmung erteilen. Auch ich sehe das Spannungsverhältnis, wie es Kollege Böhm hier geschildert hat und wie auch Sie, Herr Bundesminister Dr. Michalek, es hier dargestellt haben: Ich sehe diese Gesetze als einen Notwehrakt des Staates gegenüber den steigenden Verbrechenspotentialen. Vier Gründe sind für mich maßgebend: erstens diese gegebenen Verbrechenspotentiale, zweitens die Gefährdung der Sicherheit des Staates und der einzelnen Bürger und drittens auch eine neue Form der Regierungsverantwortung der obersten Exekutivorgane.

Letztlich war es ein Punkt, der für mich ausschlaggebend war, dem zuzustimmen: Man kann nicht immer nur darauf verweisen, daß Wien neben Berlin die Verbrechenshauptstadt in Europa ist, man kann nicht immer sagen, daß die Verbrechenspotentiale steigen, wenn man andererseits dem Staat, der Exekutive, nicht die Möglichkeit gibt, diese Potentiale zu bekämpfen.

Der vierte Grund war für mich wirklich maßgeblich: daß dies ein Gesetz auf Zeit ist, daß Sie bereit sind, vor Ablauf dieses Gesetzes, ein halbes Jahr vorher darauf zu schauen, wo es eine Gefährdung der Grundrechte gibt, damit mögliche Gefahren für die Grundrechte in eine Novellierung einfließen können.

Herr Bundesminister Mag. Schlögl! Sie haben hier einen sehr guten Unterbau geschaffen, aber mir fehlt noch teilweise der Überbau. Wenn ich etwa an das Polizeikooperationsgesetz denke: Die notwendige EDV-mäßige Ausstattung läßt noch immer zu wünschen übrig. Es läßt die materielle Ausstattung der Exekutivorgane noch immer zu wünschen übrig, und es läßt die wirksame Kontrolle innerhalb des Staates noch immer zu wünschen übrig. Der bayerische Innenminister Beckstein hat bereits die Schleierfahndung angekündigt, und es gilt, diesbezüglich noch wirksame Maßnahmen zu setzen.

Noch etwas ganz Wichtiges: Die verantwortlichen Beamten müssen darauf vertrauen können, daß wir ihnen entsprechende Instrumente in die Hand geben und daß sie, wenn sie entspre


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chend eingreifen, auch die nötige Rückendeckung finden. Darum würde ich Sie sehr dringlich ersuchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein weiterer Punkt, den ich hier noch anschneiden möchte, ist, daß diese beiden Vorlagen in einem gewissen Spannungsverhältnis zu bereits beschlossenen Vorlagen stehen. Das muß Ihnen auch bewußt sein. Ich erinnere etwa an das Asylgesetz, ich erinnere an das Fremdengesetz, mit denen Sie die Schubhaft durchlöchert haben, Sie haben gesagt, es soll sich jemand, der der Schubhaft unterworfen ist – das sind meistens Verbrecher oder zumindest Personen, die ausgewiesen werden sollten –, zweimal pro Woche melden.

Wenn diese Maßnahme, meine Herren Bundesminister, tatsächlich wirksam wird, dann ist dieses Gesetz ein Schweizer Käse, nämlich durchlöchert wie ein solcher. Ich bitte Sie, auch das zu bedenken. Diese Vorlagen müssen in die gesetzliche Symmetrie auch anderer Vorlagen passen, sonst ist auch das ein unwirksames Gesetz, eine Lex imperfecta.

Von mir persönlich sollen Sie diesen Vertrauensvorschuß haben, weil ich zwar einerseits keine Gefährdung der Grundrechte haben möchte, aber andererseits auch die Sicherheit des Bürgers und die Sicherheit unseres Staates gewährleistet haben möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister für Inneres Mag. Schlögl. – Bitte.

12.45

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke allen Rednern für ihren Beitrag und möchte nur zu einigen ganz kurz Stellung nehmen.

Das erste, was mir sehr wichtig erscheint, ist: Wir von der österreichischen Exekutive, Herr Dr. Böhm, brauchen keine Waffengleichheit mit dem Verbrechen, weil eine Waffengleichheit implizieren würde, daß wir mit denselben Methoden und denselben Mitteln agieren wie das Verbrechen. Ich brauche wohl nicht extra zu betonen, daß wir alle gemeinsam, auch Sie, das ablehnen. Was für uns aber notwendig und wichtig ist, ist, daß die österreichische Exekutive die Voraussetzungen hat, wirkungsvoll mit strengen rechtsstaatlichen Mitteln unter strenger rechtsstaatlicher Kontrolle gegen Verbrechen, gegen Kriminalität vorzugehen. Und ich glaube, daß, auch wenn der Lauschangriff ein Eingriff in Grundrechte von Bürgern sein kann, dieser trotzdem eine Methode, ein Mittel ist, um gegen Schwerverbrechen, gegen Kriminalität vorzugehen.

Ich sage das auch im Bewußtsein der Risken, die dieses Gesetz in sich birgt und die von Angehörigen aller im Bundesrat vertretenen Parteien auch genannt worden sind. Ich bin mir dessen bewußt, daß wir alle mit der endgültigen Beschlußfassung heute hier im Bundesrat eine schwere Verantwortung auf uns nehmen. Ich bin mir auch bewußt, daß wir sehr vorsichtig mit diesem Instrument umgehen müssen, daß es nur dann gerechtfertigt sein wird, wenn es uns tatsächlich gelingt, dieses Instrument ausschließlich zur Verbrechensbekämpfung einzusetzen, wenn es uns gelingt, einen entsprechenden Vertrauensschutz zu schaffen, der nicht nur auf dem Papier besteht, sondern der tatsächlich vorhanden ist.

Ich kann Ihnen nur garantieren, daß sowohl der Herr Justizminister als auch ich alles tun werden, um die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Die Sicherheitsmechanismen, die wir einbauen – davon bin ich überzeugt –, werden dazu dienen, daß dieser Geheimnisschutz auch gewahrt bleibt.

Notwendig und wichtig ist aber auch, daß dieses Gesetz eine zeitliche Befristung hat, wie von einem Vorredner bereits erwähnt wurde. Ich halte diese zeitliche Befristung aus zwei Gründen für sehr wichtig, erstens, weil wir einen gewissen Erfahrungsprozeß durchlaufen müssen – die österreichische Exekutive, die Justiz bewegen sich hier auf Neuland – und beobachten müssen, wie das in der Praxis aussieht, und zweitens soll auch eine strenge zusätzliche Kontrolle durch das Parlament gewährleistet sein und die Möglichkeit gegeben sein, nach Ablauf dieses Ge


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setzes das Gesetz entweder überhaupt nicht mehr neu zu beschließen oder aufgrund von Veränderungen und ähnlichen Dingen in anderer Form zu beschließen.

Ich halte es auch für richtig und wichtig, daß der Bundesminister für Justiz einmal im Jahr dem Parlament einen schriftlichen Bericht über die bisherigen Auswirkungen des Gesetzes und darüber, in welcher Form dieses Gesetz – natürlich anonymisiert – angewendet worden ist, vorzulegen hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute zu Recht davon gesprochen worden, daß dieses Gesetz ausschließlich dazu dient, gegen Schwerkriminalität mit Freiheitsstrafen von über zehn Jahren oder gegen das organisierte Verbrechen vorzugehen. Es ist richtigerweise heute hier festgestellt worden, daß wir im Bereich der organisierten Kriminalität eine Zunahme zu verzeichnen haben. Ich sehe es aber nicht so, daß Wien eine Verbrecherhauptstadt. Das erscheint mir übertrieben zu sein. Aber man muß sicherlich feststellen, daß die organisierte Kriminalität spätestens seit 1989 in Österreich deutlich im Zunehmen ist, so wie in allen anderen Staaten Europas, und daß dieses organisierte Verbrechen mit den modernsten Methoden arbeitet, die besten Experten zur Verfügung hat und daß hier sehr viel Geld bewegt wird. Damit ist für den Staat und für die Gesellschaft eine große Gefahr verbunden. Deshalb erachte ich es als notwendig und wichtig, auch dieses Mittel, den Lauschangriff, einsetzen zu können.

Ich darf Ihnen versichern, daß wir dieses Mittel aber nur in sehr wenigen Fällen einsetzen werden, und der Rechtsschutzbeauftragte stellt sozusagen einen zusätzlichen Schutzmechanismus der Kontrolle und der begleitenden Kontrolle dar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde heute bereits gesagt, aber ich möchte es nochmals betonen: Ich glaube, es wäre ein Fehler gewesen, wenn wir dieses Gesetz beschlossen und lauschfreie Zonen geschaffen hätten. Denn ich bin der Ansicht, es besteht in unserer Gesellschaft kein Unterschied zwischen einem Rechtsanwalt, einem Psychiater, einem Notar oder einem Sozialarbeiter auf der einen Seite und – unter Anführungszeichen – "all den anderen Berufsgruppen" innerhalb unserer Gesellschaft auf der anderen Seite. Ich sehe nicht ein, daß, wenn sich ein Rechtsanwalt, ein Notar, ein Psychiater oder ein Sozialarbeiter verdächtig gemacht hat, eine schwere kriminelle Handlung gesetzt zu haben, er ausgenommen ist.

Davon ausgenommen haben wir – dazu bekenne ich mich auch –, daß solche Berufsgruppen, wenn sie nicht verdächtigt werden, nicht belauscht werden dürfen. Wenn sie aber verdächtig sind, dann muß das meiner Meinung nach, dem Gleichheitsgrundsatz entsprechend, für sie so wie für alle Berufsgruppen gelten, denn man kann nicht einige wenige privilegieren und andere nicht privilegieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abschließend möchte ich noch betonen, daß es natürlich wichtig und notwendig ist, daß auch hier die besten technischen Voraussetzungen geschaffen werden; da sind wir gerade dabei. Auch im Bereich der EDV-Ausstattung wird es so sein, daß die österreichische Exekutive bis spätestens – die Betonung liegt auf spätestens  – 1998 eine Vollausstattung ... (Bundesrat Dr. Tremmel: Ihr Vorvorgänger hat gesagt: 1997! Aber ich glaube Ihnen diesmal!)

Dazwischen hat sich einiges getan. Unter anderem hat es auch Einsparungen gegeben. Es wird aber bis spätestens 1998 eine Vollausstattung mit EDV geben, und ich darf Ihnen auch sagen, Herr Bundesrat Tremmel, daß wahrscheinlich gerade in diesen Minuten das Budget für die Jahre 1998 und 1999 im Ministerrat beschlossen wird und das Innenministerium, im Gegensatz zu den Jahren 1996 und 1997, 1998 und 1999 eine deutliche Erhöhung der Ausgaben und Einnahmen – Einnahmen weniger, aber der Ausgaben vor allem – haben wird; allein beim Sachaufwand werden uns im Jahr 1998 fast 12 Prozent mehr zur Verfügung stehen, als das im heurigen Jahr der Fall gewesen ist. Daher bin ich optimistisch, daß es uns gelingen wird, den Nachholbedarf, der da und dort noch gegeben ist, auch zu erfüllen.

In diesem Sinne bedanke ich mich bei allen für die engagierte und kritische Diskussion. Ich darf Ihnen versichern, daß sich die politische Vertretung des Innenministeriums, aber auch, so glaube ich, des Justizministeriums der Auswirkungen dieses Gesetzes bewußt ist, daß man sich


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dessen bewußt ist, daß wir alle hier eine gemeinsame hohe Verantwortung übernehmen. Ich darf Ihnen versprechen, daß wir alles tun werden, um dieser Verantwortung in den nächsten drei Jahren auch gerecht zu werden. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegt eine weitere Wortmeldung vor: Herr Bundesrat DDr. Königshofer. – Bitte.

12.53

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Diese Gesetzesvorlage hat aufgrund ihrer Tragweite in der Öffentlichkeit schon große Diskussionen ausgelöst. Sie hat auch innerhalb der Parteien zu entsprechenden Diskussionen geführt, auch in der Freiheitlichen Partei, und es gibt durchaus divergierende Auffassungen dazu, ob man diesem Vorschlag zustimmen soll oder nicht. Die Bedenken gehen in die Richtung, daß es dabei doch zu gravierenden Eingriffen in die bürgerlichen Grund- und Freiheitsrechte kommen wird oder zumindest kommen kann.

Wir werden deshalb nicht einheitlich abstimmen; manche von uns sind dafür, manche werden dagegen stimmen. Daran sehen Sie auch, daß wir in dieser Frage frei nach unserem Gewissen entscheiden können, daß es auch in dieser Frage keinen Klubzwang gibt. (Bundesrat Bieringer: In dieser Frage!)  – Wie in jeder anderen Frage auch, Herr Kollege Bieringer! Verdrehen Sie mir nicht das Wort im Mund! (Bundesrat Bieringer: Ich habe Sie zitiert: In dieser Frage!) Auch in dieser Frage!

Herr Kollege Bieringer! Gehen wir einmal auf die Dinge ein. Das hier kann wirklich eine Gewissensfrage für die Bundesräte sein. Ihr Theater mit den 0,3 Promille Differenz, bei dem Sie einmal versucht haben, freies Mandat zu spielen, was im Nationalrat 100prozentig in die Hose gegangen ist, ist blamabel genug. Wir halten uns daran, daß wir ein freies Mandat haben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Bieringer: Haben Sie nicht gewußt, wie die Abstimmung ausgegangen ist im Nationalrat?) Ja, ja, ich kenne mich schon aus, aber die Probleme sind bei euch entstanden! (Bundesrat Bieringer: Es gibt ein altes Sprichwort: Hast du Butter auf dem Kopf, geh nicht im Sonnenschein!) Ja, ja! Frag’ nach bei Khol und Kostelka.

Meine Damen und Herren! Kommen wir wieder zum Thema Änderung der Strafprozeßordnung zurück. Das Ganze ... (Bundesrat Eisl: Jetzt ist es aus! Klubsitzungen finden in der SPÖ-Zentrale statt!)

Noch einmal zur Änderung der Strafprozeßordnung, bei der es um zwei Bereiche geht: den großen Lauschangriff einerseits und die Rasterfahndung andererseits. Ich darf Ihnen sagen, daß ich diesem Gesetzesvorschlag meine Zustimmung nicht geben werde, und ich werde das auch begründen.

Ich sehe nicht ein, daß man derart schwerwiegende Eingriffe in die bürgerlichen Grund- und Freiheitsrechte zuläßt. Solange Sie in Europa die Grenzen öffnen wollen, solange Sie in Europa eine einheitliche Währung in der Form anstreben, daß kriminelle Gelder ohne das Risiko, beim Wechseln erwischt zu werden, durch ganz Europa transferiert werden können, solange Sie kriminelle Scheinasylanten wieder auf freien Fuß setzen, damit die dann wieder Banden bilden können, so lange werde ich nicht zustimmen, daß Sie mit Lauschangriffen auf die Bürger in diesem Lande losgehen können.

Der andere Teil ist die Rasterfahndung. Dem würde ich schon positiv gegenüberstehen, denn jede kriminalistische Tätigkeit ist eigentlich die Tätigkeit der Rasterung – das hat jeder Kriminalist in der Vergangenheit auch schon, wenn man so sagen will, händisch oder mit dem Kopf gemacht, indem er verschiedene Punkte versucht hat zusammenzuführen, zu verknüpfen, um dann ein Täterprofil zu finden. Es wäre nicht schlecht, diese Rasterfahndung einzuführen, nur haben Sie mit diesen Ausnahmen ein zahnloses Instrumentarium geschaffen.


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Im § 149i Abs. 3 der geplanten Strafprozeßordnung steht – ich zitiere –: Es ist unzulässig, in einen Datenabgleich Daten einzubeziehen, die die rassische Herkunft, politische Anschauungen, religiöse und andere Überzeugungen oder Merkmale des Gesundheitszustandes oder des Sexuallebens erkennen lassen. – Und weiter unten heißt es: Daten von Personenvereinigungen, deren Zweck in unmittelbarem Zusammenhang mit einem der besonders geschützten Merkmale steht, dürfen in einen Datenabgleich in keinem Fall einbezogen werden. – Also Religionsgemeinschaften, Sekten, auch Vereinigungen Homosexueller und so weiter.

Jetzt stelle ich Ihnen eine Frage. Es gibt einen sehr bekannten und in den Medien groß aufgemachten Mordfall in Amerika: Der berühmte Modeschöpfer Gianni Versace wurde vor seinem Haus erschossen. Es ist bekannt, daß er in Homosexuellenkreisen verkehrt hat. Und jetzt schließen Sie all diese Merkmale – die rassische Herkunft und so weiter – bei der Rasterfahndung aus. Was glauben Sie, wenn der Verdacht zum Beispiel auf einen Moslem schwarzer Hautfarbe fiele, der in homophilen Kreisen verkehrt, wie Sie dann eine Rasterfahndung machen werden? – Wollen Sie einfach in den Computer eingeben: Mann jugendlichen Alters, 1,75 Meter groß, und alle anderen Merkmale lassen Sie draußen? – Ja, dann brauche ich keine Rasterung! Da kann der Herr "Commissario" selbst mit eigenem Hausverstand, wenn er sich das aufschreibt, schneller zum Ziel kommen!

Ich sage Ihnen, damit haben Sie die Rasterfahndung zu einem zahnlosen Instrumentarium gemacht! Auf der einen Seite wollen Sie keine lauschfreien Zonen, Sie wollen jede Anwaltskanzlei abhören, Sie wollen jede Ordination abhören – vielleicht auch noch die Beichtstühle –, auf der anderen Seite nehmen Sie Merkmale aus der Rasterfahndung heraus.

Das wird nicht zielführend sein. Aus diesem Grunde kann ich dieser Änderung der Strafprozeßordnung meine Zustimmung nicht erteilen. Meiner Ansicht nach sollte man diese Dinge noch einmal diskutieren. Ich meine auch, daß die Eingriffe in die bürgerlichen Grund- und Freiheitsrechte zu groß sind, als daß man einem Gesetz mit derartigen Lücken seine Zustimmung geben könnte. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister für Inneres Mag. Schlögl. – Bitte.

13.00

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Bundesrat! Ihre Position ist eigentlich nicht zu verstehen. Auf der einen Seite kritisieren Sie oder andere Vertreter Ihrer Partei gewisse Dinge, die in der Vergangenheit geschehen sind, auf der anderen Seite werfen Sie uns für unsere Bemühungen, Bedenken von Kritikern ernst zu nehmen und eine einigermaßen akzeptable Vorgangsweise zu finden, Verwässerung vor.

Selbstverständlich kann man bei der Rasterfahndung all das tun: Man kann Daten über die sexuelle Orientierung, die religiöse Einstellung, die politische Herkunft und ähnliches verrastern. Es gibt wahrscheinlich Fälle, in denen das sinnvoll ist. (Bundesrat DDr. Königshofer : Wie im Fall Versace!) Andererseits ist gerade das, lieber Herr Bundesrat, ein sehr schwerwiegender Eingriff in den Grundrechtsbereich. Was also wollen Sie? – Auf der einen Seite wehren Sie sich dagegen, daß man in Grundrechte eingreift, auf der anderen Seite fordern Sie es und sagen, Sie könnten deshalb nicht zustimmen.

Für uns ist die Rasterfahndung, wie sie beschlossen worden ist, ein wichtiger erster Schritt. In den wenigen Fällen, in denen die Einschränkungen zutreffen, können wir eben nicht zur Verrasterung greifen. Ich möchte hinzufügen, daß wir zwar nicht die Karteien von Vereinigungen und ähnlichen Gruppierungen, die in diesem Bereich tätig sind, benützen, wohl aber unser erkennungsdienstlich gewonnenes Wissen zu diesem Zweck verwenden können. Das heißt, wir können Daten über Personen verrastern, die bereits in diesem Bereich tätig gewesen und strafrechtlich erfaßt worden sind. Das ist im Gesetz vorgesehen und daher möglich. (Bundesrat Dr. Harring: Was ist dann der zweite Schritt? – Sie haben gesagt, das ist heute der erste Schritt!)


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Der erste Schritt ist derjenige, den wir jetzt getan haben, und nach drei Jahren wird man Bilanz ziehen. Es kann dann der Fortbestand dieses Gesetzes beschlossen werden, oder es kann zu Veränderungen kommen, es ist ein Ausbau oder eine Reduzierung möglich. Zu Ende des Jahres 2001 wird endgültig darüber entschieden werden, wie sich das Gesetz in Zukunft gestalten wird. (Bundesrat Dr. Harring: Das ist uns neu!) Ich halte es für wichtig, daß es nicht möglich ist, zum Beispiel auf die Mitgliedskartei irgendeines Homosexuellenvereines oder irgendeiner politischen Partei zuzugreifen. (Bundesrat DDr. Königshofer : Aber die "Aula" haben Sie damals schon genommen!) Ich habe sie nicht genommen. (Bundesrat DDr. Königshofer : Das ist die Angst, die wir haben!) Nein. (Bundesrat DDr. Königshofer : Davor fürchten wir uns!) Diese Angst hegen ja nicht nur Sie von den Freiheitlichen allein, sondern diese Angst haben nicht zu Unrecht auch Vertreter anderer politischer Parteien. Insbesondere die Sozialdemokraten können aus ihrer leidvollen Geschichte in Österreich darüber einiges kundtun.

Mir ist es wichtig, daß Daten aus Mitgliederkarteien von politischen Parteien oder von Vereinen, die im sexuellen Bereich tätig sind, sowie Gesundheitsdaten nicht verrastert werden. Das halte ich für wichtig, dafür habe ich mich eingesetzt, und das möchte ich – um dies klar zu sagen – auch in Zukunft nicht haben. Ich werde auch in drei Jahren nicht der Meinung sein, daß wir diese Daten verrastern sollten. Ich glaube, das sollte ausgenommen bleiben, jedoch sollten erkennungsdienstlich festgestellte Daten sehr wohl verrastert werden, wie es im Gesetz vorgesehen ist.

Ich möchte diese Feststellungen treffen, weil ich Ihre Aussagen ein wenig im Widerspruch miteinander sehe, zumindest in persönlicher Sichtweise. Wir haben versucht, eine Lösung zu finden, mit der einigermaßen gewährleistet wird, daß die vorgebrachten Bedenken hinsichtlich eines verstärkten Eingriffs in den Privatrechtsbereich beseitigt werden können. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.04

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Polizeikooperationsgesetz erlassen und das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem zur Bekämpfung organisierter Kriminalität besondere Ermittlungsmaßnahmen in die Strafprozeßordnung eingeführt sowie das Strafgesetzbuch, das Mediengesetz, das Staatsanwaltschaftsgesetz und das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, die Kaiserliche Verordnung über die Einführung einer Konkursordnung, einer Ausgleichsordnung und einer Anfechtungsordnung, das Rechtspflegergesetz, das Handelsgesetzbuch, das Aktiengesetz, das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Reorganisation von Unternehmen (Unternehmensreorganisationsgesetz – URG) geschaffen wird (Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997 – IRÄG 1997) (734 und 813/NR sowie 5492 und 5507/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem die Konkursordnung, die Ausgleichsordnung, die Kaiserliche Verordnung über die Einführung einer Konkursordnung, einer Ausgleichsordnung und einer Anfechtungsordnung, das Rechtspflegergesetz, das Handelsgesetzbuch, das Aktiengesetz, das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz und das Bankwesengesetz geändert werden sowie ein Bundesgesetz über die Reorganisation von Unternehmen geschaffen wird.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Hedda Kainz übernommen. Ich darf sie um den Bericht bitten.

Berichterstatterin Hedda Kainz: Meine Damen und Herren! Der angesprochene Beschluß liegt Ihnen schriftlich vor. Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Harring. – Bitte.

13.07

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie, meine Damen und Herren, werden heute einer Reihe von Gesetzesnovellen zustimmen beziehungsweise keinen Einspruch dagegen erheben, mit denen die österreichischen Unternehmen in Zukunft angehalten sein werden, rechtzeitig auf Unternehmenskrisen zu reagieren. Dabei bedeutet "rechtzeitig", daß nicht erst bei drohender Insolvenz zu reagieren ist, sondern schon vorher Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen sind.

Eine Sanierung ist eine nachhaltige, nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen durchgeführte Verbesserung der Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage eines Unternehmens. So steht es in § 1 Abs. 2 des Unternehmensreorganisationsgesetzes. Das heißt, daß unter einer Sanierung nicht nur ein Forderungsnachlaß seitens der Gläubiger zu verstehen ist, sondern daß die Sanierung auch eine Neuorganisation sowie ab und zu eine Redimensionierung der einzelnen Unternehmen umfassen kann. Das Gesetz enthält Frühwarnindikatoren – darauf werde ich später genauer zu sprechen kommen –, bei deren Über- oder Unterschreitung in bestimmtem Ausmaß Handlungsbedarf für die Unternehmen gegeben ist.

Meine Damen und Herren! Das Ziel, dem diese verschiedenen Gesetze dienen, und auch die zugrundeliegende Absicht sind in Ordnung und positiv zu bewerten. Aber daran, wie danach vorgegangen worden und wie es zu dem vorliegenden Paket gekommen ist, zeigt sich deutlich, wie es um die Handlungs- und Aktionsfähigkeit der Bundesregierung derzeit tatsächlich bestellt ist. Denn was letztendlich herausgekommen ist, meine Damen und Herren, ist ein eher untauglicher Versuch, wirtschaftlich gefährdete Unternehmen wieder auf Erfolgskurs zu bringen.


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Alle Experten, mit denen wir uns beraten haben – es waren sehr viele –, haben diese Gesetzesvorlagen als wenig hilfreich oder unbrauchbar bezeichnet. Hingegen hat der zuständige Herr Ministerialrat offensichtlich andere Experten besucht, als er nicht gerade kurze Zeit in ganz Österreich unterwegs war. Seine Tour hat mindestens zwei Jahre gedauert, getragen von der Absicht, entsprechende Voraussetzungen zu schaffen und durch Kontaktaufnahmen Vorarbeiten zu leisten.

Meine Damen und Herren! Die Absicht, diese Gesetzesnovellen vorzulegen und zu beschließen, ist bereits im Koalitionsübereinkommen von 1986 ausgewiesen. Es ist bedauerlich und eigentlich unglaublich, wie wenig sensibel mit den Problemen der Wirtschaft umgegangen wird. Es ist auch unglaublich, wie wenig praktikabel und wie wirtschaftlichkeitsfremd vieles in diesem Paket geregelt und wieviel noch ungeklärt ist. Ein Grund dafür könnte darin bestehen, daß man infolge dieser Beschlußfassungen später landauf, landab interessante Seminare mit Spitzenreferenten zu Spitzenpreisen wird anbieten können. Aber trotz dieser Spitzenpreise wird es wahrscheinlich auch dann keine brauchbaren Lösungen geben.

Meine Damen und Herren! Ich komme auf die Frühwarnindikatoren zurück. – Es hat mich übrigens gewundert, daß von der Österreichischen Volkspartei überhaupt niemand zu diesem Punkt das Wort ergreift. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Offensichtlich hat sich die Volkspartei schon zur Gänze von der Wirtschaftskompetenz verabschiedet. Uns Freiheitliche stört das nicht ... (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Bieringer: Daß Kollege Linzer krank geworden ist, dafür kann er nichts! – Ruf bei der ÖVP: Passen Sie auf, bevor Sie dumm daherreden! – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. )

Nein, nein, bitte seien Sie nicht böse ... (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich bin überhaupt nicht darüber beleidigt, daß niemand von der Volkspartei auf der Rednerliste steht. (Bundesrat Bieringer: Sie werden sich wundern, es spricht Herr Dr. Kaufmann!) Gut, es freut mich zu hören, daß die Volkspartei wenigstens in Teilbereichen noch den Anspruch auf Wirtschaftskompetenz erhebt und das Wort ergreifen wird. Ich bin sehr gespannt darauf, wie man diese Gesetzesvorlage beurteilen wird. In den Ländern draußen ist es mit der Wirtschaftskompetenz der Volkspartei tatsächlich nicht mehr weit her. Ich muß das leider ausdrücklich feststellen. (Zwischenruf der Bundesrätin Giesinger.  – Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich bitte Sie, gnädige Frau! Wenn die Vertreter der Volkspartei in der Kammer der gewerblichen Wirtschaft, Handelskammer oder Wirtschaftskammer ständig etwas ganz anderes vertreten als in den Gremien auf Bundesebene, entsteht beim Bürger und vor allem bei den Wirtschaftstreibenden der Eindruck, daß man mit verschiedenen Zungen spricht und das Interesse der Wirtschaft nicht unbedingt im Auge hat. Denn wenn Ihre Fraktion wirklich ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Herr Kollege! Ich bin Ihnen überhaupt nicht böse. Es haben wahrscheinlich nur wenige aus Ihrer Fraktion das Gesetz gelesen, und im übrigen hat man auf Experten vertraut. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. ) Nein, Herr Kollege, sonst könnten Sie dem nicht zustimmen. Denn darin stehen Dinge, die man wirklich nicht vertreten kann. Ich werde darauf noch kurz zu sprechen kommen.

Ich komme auf die Frühwarnindikatoren zurück. Wenn die Eigenkapitalquote – das heißt: Eigenkapital plus unversteuerte Rücklagen dividiert durch die Gesamtaktiva gemäß HGB und multipliziert mit 100 – unter 8 Prozent sinkt und die fiktive Verschuldungsdauer auf 15 Jahre oder mehr steigt – die fiktive Verschuldensdauer errechnet sich aus dem Cash flow der ordentlichen Geschäftstätigkeit dividiert durch das bilanzierte Eigenkapital –, dann ist die Verpflichtung gegeben, dieses Verfahren in Gang zu setzen.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich heute öfters Bilanzanalysen ansehen, dann werden Sie um die Erkenntnis nicht herumkommen, daß aufgrund dieser Vorschrift 85 bis 90 Prozent aller Tourismusbetriebe in Österreich sofort das Verfahren einleiten müßten. Das heißt, Sie zwingen den größten Teil der Tourismusbetriebe, zum Gericht und zum Richter zu gehen, und zwar nicht zu irgendeinem Richter, sondern interessanterweise gleich zum Konkursrichter; dort wird das Verfahren eröffnet. Ist das etwa eine Lösung, daß man sagt, 90 Prozent aller Tourismusbetriebe hätten dorthinzugehen? – Um das festzustellen, brauchen Sie keine spezielle


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Untersuchung, dafür genügt es, Bilanzanalysen zu studieren. Alle Betriebe, die Minuskapital aufweisen, sind sowieso ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. ) Ich werde Ihnen das schon sagen, Herr Kollege! (Bundesrat Dr. Tremmel: Kollege Kaufmann! Ihre Alternative kann doch nicht sein, daß alle diese Leute zum Konkursrichter gehen! – Weitere Zwischenrufe.)

Es gibt in Italien ein Verfahren, auf das ich gleich zu sprechen kommen werde. Der Herr Ministerialrat hätte, statt seine Rundreise nur bis Kärnten zu erstrecken, auch nach Tarvis oder vielleicht gar bis Udine reisen sollen. Dort hätte er auf ein Verfahren aufmerksam werden können, das dem amerikanischen Chapter-11-Verfahren entspricht. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. ) Ich werde Ihnen das später sagen, Herr Kollege! Denn es gibt zwischen diesen beiden Verfahren einen beträchtlichen Unterschied.

Meine Damen und Herren! Ein Unternehmen, das zwar noch nicht zahlungsunfähig und überschuldet ist, wohl aber diesen Frühwarnindikatoren entspricht, hat dieses Verfahren in Gang zu setzen. Sie kennen die Praxis der Gerichte in Österreich: Der Unternehmer geht zum Gericht, der Richter überprüft, der Konkursrichter eröffnet das Verfahren und zieht einen Wirtschaftsfachmann bei. Anschließend wird der Unternehmer um Vorlage eines Sanierungsplans ersucht, hat dafür aber nur 60 Tage Zeit. Die kleinen Unternehmer in Österreich werden sich angesichts dieser 60-Tage-Frist schwertun.

Das Gericht bestellt einen eigenen Sanierungsprüfer. Aufschlußreich ist, daß der Antragsteller sofort einen Vorschuß für die Kosten dieses Prüfers zu hinterlegen hat. Es ist bei Gericht sehr oft das Wichtigste, daß ein Kostenvorschuß geleistet wird, damit die Anwälte, Sachverständigen und Prüfer ihre Honorare bekommen können. Der Vorschuß muß also hinterlegt werden, da sonst nicht weitergeprüft wird. Das dauert dann wieder 30 Tage, und so geht es weiter. Schließlich kommt der Sanierungsprüfer zu dem Ergebnis, daß etwas geschehen muß.

Wenn der Sanierungsplan erfolgversprechend ist, wird das Verfahren aufgehoben. Darüber kommt aber interessanterweise kein Beschluß zustande. Weil darüber kein Beschluß gefaßt wird, meine Damen und Herren, gibt es keine rechtliche Konsequenz. Zwar wird die Umsetzung in irgendeiner Weise von irgend jemandem überprüft, aber es gibt keine Konsequenz. Mir drängt sich dabei die Frage auf, warum zu diesem Zweck unbedingt Gerichte tätig werden müssen. Was jeder ordentliche Kaufmann ohnehin tun muß, nämlich die Lage zu checken, wenn es ihm schlecht geht, und den aktuellen Status zu erheben sowie weiters zu überlegen, wo er einsparen, umorganisieren oder ein Moratorium erreichen kann, das soll ihm jetzt vom Staat beziehungsweise von den Gerichten abgenommen werden.

Ich komme nun auf die Haftung zu sprechen. Wenn eine Kapitalgesellschaft – also eine GesmbH oder eine Aktiengesellschaft – oder eine Genossenschaft mit mehr als 50 Arbeitnehmern bei Vorliegen von Frühwarnindikatoren nicht unverzüglich das Sanierungsverfahren beantragt und wenn es innerhalb der zwei darauffolgenden Jahre zu einem Insolvenzverfahren kommt, so haften die Organe laut Gesetz solidarisch bis zur Höhe von 1 Million Schilling. Das ist sicherlich positiv zu bewerten, aber auch bisher schon haben die Haftungsbestimmungen für Geschäftsführer gegolten.

Damit komme ich zu einem Problem, das Ihnen, Herr Dr. Kaufmann, sicherlich auch aufgefallen ist. Die Frage der Geheimhaltung dieses Verfahrens stellt ein nicht unwesentliches Problem dar. Es ist von besonderer Bedeutung, das Verfahren geheim abzuwickeln. Denn wenn das Verfahren nicht geheim bleibt, wird die Bonität des Unternehmers in Zweifel gezogen, werden die Lieferanten Käufen auf Ziel nicht mehr zustimmen und Barzahlung verlangen, werden Wechsel fällig gestellt werden, werden Banken Überziehungsmöglichkeiten einschränken und werden Klagen eingebracht werden.

Hinsichtlich der Geheimhaltung haben wir unsere Bedenken, da alle Gläubigerschutzverbände – wie KSV oder Alpenländischer Kreditorenverband – einbezogen sind. Damit ist die Geheimhaltung in Frage gestellt, denn – das wissen alle, die sich mit dem Thema beschäftigen – der Kreditschutzverband bringt monatlich eine lange Liste heraus, in der alle Exekutionen aufgelistet sind. Das gibt es gegliedert nach Ortschaften und Branchen, sodaß jeder wissen kann, wer


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irgendwo in Österreich eine Exekution laufen hat. Logischerweise sieht jeder, der etwas liefert oder einen Kredit gibt, in dieser Liste nach. Deshalb ist es mit der Vertraulichkeit nicht weit her.

Meine Damen und Herren! Es steht fest, daß die Einleitung eines Sanierungsverfahrens die Bonität eines Unternehmens negativ beeinflußt. Wenn ein derartiges Sanierungsverfahren beantragt wird, und zwar nicht für einen Betrieb, der insolvent ist, sondern für einen Betrieb, der nur in Schwierigkeiten ist, so ist das für die Bonität des Unternehmens mit negativen Folgen verbunden.

Jetzt komme ich zur Antwort auf den Zwischenruf des Herrn Kollegen Kaufmann. Was könnte man besser machen? – Ich sage es noch einmal: Der Herr Ministerialrat hätte nach Italien fahren sollen, weil die Italiener genau wissen, wie man mit notleidenden Forderungen umzugehen hat. Es gibt dort ein herrliches Verfahren – die Administrazione controllata –, das sich der Minister sicherlich genau angesehen hat. Es gibt zahlreiche Ansätze, die dem amerikanischen System entsprechen. Wir Freiheitlichen haben – da wir keineswegs nur aufs Kritisieren aus sind – schon am 31. März 1996 einen entsprechenden Entschließungsantrag im Parlament eingebracht.

Herr Kollege Kaufmann! Ich werde Ihnen eine Kopie dieses Antrags geben, damit Sie wissen, was wir damals zu erreichen versuchten. Wir wollten, daß das amerikanische Chapter-11-Verfahren in die Beratungen einbezogen wird. Der Herr Bundesminister meinte dazu, daß das eine mit dem anderen nicht viel zu tun habe, weil das Chapter-11-Verfahren insolvente Betriebe betreffe, wogegen das österreichische Sanierungsverfahren auf solvente Betriebe anzuwenden sei. Darüber könnte man diskutieren. Aber glauben Sie mir eines, meine Damen und Herren: Es besteht ein riesiger Unterschied zwischen einem Sanierungsverfahren, in dessen Verlauf alle Forderungen während des Moratoriums fällig bleiben, und einem Verfahren wie dem amerikanischen, demzufolge man ein Unternehmen beispielsweise zwei Jahre fortführen kann und in dieser Zeit nur die neu entstehenden Schulden zu bezahlen hat.

Denn bei jemandem, der zum Beispiel eine neue Lieferverbindlichkeit in Höhe von 50 000 S eingeht und alte Verbindlichkeiten in Höhe von 1 Million Schilling zu bedienen hat, bleiben nach dem österreichischen Verfahren während der Sanierung 1 050 000 S fällig. Wenn die Lieferanten sehen, daß dort ein Sanierungsverfahren läuft, ist deren nächster Schritt logisch: Sie fordern die Beträge in der gesamten Höhe von 1 050 000 S ein. Hingegen können gemäß dem Chapter-11-Verfahren, das wir in die Diskussion einzubringen versuchten, nur 50 000 S fällig werden, und das Unternehmen hat zwei Jahre Zeit, sich zu erfangen, vernünftig weiterzuarbeiten und eine Lösung des Problems herbeizuführen. Es geht also darum, die neuen Schulden von den alten abzugrenzen.

Wahnsinnig wichtig und überhaupt entscheidend ist, daß es in der Zeit, in der das Verfahren läuft, keine Exekutionen geben dürfte, denn wenn man versucht, einen Betrieb zu sanieren, dieser wirtschaftlich arbeitende Betrieb aber ständig von laufenden Exekutionen bedroht ist, hat solch ein Verfahren sehr wenig Sinn, weil es keine Klagen gibt.

Wir haben damals in diesem Entschließungsantrag geschrieben, daß es wichtig ist, daß es in dieser Zeit keine Sonderbefriedigung von Gläubigern gibt. Es ist sehr wichtig, daß man sagt, daß niemand bevorzugt wird; das wissen alle, die sich damit beschäftigen. Am Ende steht dann eben entweder eine Sanierung oder eine geordnete Insolvenz. Es gibt also schon Dinge, die man noch etwas besser hätte machen können.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Versuch ist zwar gut gemeint und ordentlich vorbereitet, aber im Endergebnis untauglich, weil er der Wirtschaft außer Verunsicherung nichts bringt. Viele Betriebe werden ab dem 1. September nicht wissen, wie das wirklich läuft. Sie werden nicht wissen, ob sie etwas machen sollen, was sie machen sollen. Sie werden die ersten fünf bis zehn Verfahren beobachten, schauen, wie sie ausgehen. Es wird überall große Unsicherheit eintreten.


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Ich glaube, daß man damit eine ganze Branche wie zum Beispiel den Tourismus in Mißkredit bringt, da man davon ausgehen muß, daß der überwiegende Teil aller Betriebe dieser Branche dieses Verfahren einleiten müßte.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie werden bestimmt zustimmen; ich verstehe das. Irgendein Klubexperte hat Ihnen das empfohlen. Ich möchte Ihnen aber mit dieser meiner Wortmeldung – auch wenn es nichts nützt – das Gefühl nehmen, daß Sie damit etwas wirklich Tolles gemacht haben, nämlich das Gefühl, daß Sie sich jetzt zurücklehnen können, weil Sie für existenzbedrohte Unternehmen etwas wirklich Positives gemacht haben, ein Unternehmensreorganisationsgesetz, und daher wird sich jetzt viel bessern, alles anders werden. Dieses Gefühl, sich zurücklehnen zu können, weil Sie für die Wirtschaft etwas gemacht haben, sollten Sie nicht haben, denn ein derart positives Gefühl ist durch wirklich nichts begründet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kaufmann. – Bitte.

13.22

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Es tut mir leid, Herr Kollege Harring – ich schätze Sie an und für sich sehr –, daß Sie hier so polemisch agiert und der ÖVP quasi unterstellt haben, daß sie keine Wirtschaftskompetenz mehr hat beziehungsweise im Bundesrat zu diesem Thema abgetreten ist. Das enttäuscht mich.

Herr Kollege! Ich kann nichts dafür, daß mein Kollege Bundesrat Linzer erkrankt ist und mir das gestern nachmittag um fünf Uhr mitgeteilt hat (Bundesrat Dr. Harring: Nehme ich zur Kenntnis!), und erst seit diesem Zeitpunkt hatte ich die Gelegenheit, mich mit dieser Sache zu befassen. Man konnte daher meinen Namen nicht mehr auf die Rednerliste setzen.

Meine Damen und Herren! Mich wundert weiters, daß Sie dieses Gesetz als untauglichen Versuch sehen, als nicht praktikabel, wirklichkeits- und wirtschaftsfeindlich, da Kollege Schreiner im Nationalrat – er ist ein Steuerberater – dieses Gesetz sehr positiv mitdiskutiert hat, auch im Ausschuß, und nur eine einzige Frage im Zusammenhang mit dem Sanierungsgewinn – und diesbezüglich bin ich seiner Meinung – in den Raum gestellt hat, nämlich daß die steuerliche Behandlung des Sanierungsgewinnes nicht geregelt ist. In diesem Punkt gebe ich Herrn Schreiner recht – Sie haben das nicht gebracht –, man muß darüber nachdenken. Es geht nicht an, daß man versucht, Firmen zu sanieren, daß der Sanierungsgewinn, der dabei entsteht, aber quasi in Form der Steuer abkassiert wird.

Meine Damen und Herren! Mir war schon klar, daß Sie hier das Chapter-11-Verfahren ins Spiel bringen werden. Sie haben sich selbst die Antwort darauf gegeben – und das ist das Problem: Das Chapter-11-Verfahren bedeutet, daß das Unternehmen bereits insolvent sein muß. (Bundesrat Dr. Harring: Ist nicht ganz richtig!) Wir aber versuchen, den Firmen in einem Vorverfahren zu helfen.

Ich möchte etwas aus der jüngsten Insolvenzstatistik des Kreditschutzverbandes von 1870 zitieren. Er schreibt in seiner Bilanz zur Halbjahresinsolvenzstatistik folgendes:

Nach wie vor ist auch die Zahl der mangels Masse abgewiesenen Konkursanträge zu hoch. Hier ist zu hoffen, daß das Unternehmensreorganisationsgesetz, welches mit 1. 9. 1997 in Kraft treten soll, entsprechende Abhilfe schaffen wird. – Also auch die Kreditschutzverbände setzen Hoffnungen in dieses Gesetz.

Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz wird Neuland beschritten. Wir alle wissen nicht, ob dieses Gesetz ein Erfolg wird oder nicht. Ich glaube, es ist wichtig, daß wir den Versuch starten, die hohe Zahl an Insolvenzen, die wir haben – wir befinden uns in diesem Bereich europaweit gesehen ziemlich an der Spitze –, in den Griff zu bekommen. Dazu soll dieses Gesetz dienen.


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Ich weiß, daß es umstritten ist. Ich traue mich auch Herrn Redakteur Barazon von den "Salzburger Nachrichten" zu zitieren, der sagt, es ist das eine neue bürokratische Bevormundung der Unternehmer, die hier eintreten soll.

Meine Damen und Herren! Es ist das absolutes Neuland, das damit beschritten wird, und daher sollten wir den Versuch wagen. Dieses Gesetz kann nicht vollkommen sein. Wir können dann nur aufgrund der Erfahrungen mit diesem Gesetz die entsprechenden Adaptierungen durchführen.

Meine Damen und Herren! Dieses Insolvenzrechtsänderungsgesetz umfaßt nicht nur dieses Unternehmensreorganisationsgesetz, sondern auch eine Vielzahl anderer Bestimmungen, die man erwähnen muß, wenn man zu diesem Gesetz spricht. Es sind das: Änderung der Konkursordnung; Änderung der Ausgleichsordnung; eindeutige Stärkung der Rechte der Aufsichtsräte in den Aktiengesellschaften, in den GesmbHs; Reduzierung der Zahl der Aufsichtsratsfunktionen. Dadurch wird es massive Eingriffe in das Wirtschaftsleben geben, und daher kann man, glaube ich, den beiden Regierungsparteien nicht die Wirtschaftskompetenz absprechen.

Es wurde mit den Sozialpartnern, mit der Arbeiterkammer, mit der Wirtschaftskammer, mit den Gläubigerverbänden eingehend diskutiert. Man versucht, in diesem Bereich zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, um rechtzeitig Sanierungsmöglichkeiten für die Unternehmer auszuloten und so die hohe Zahl an Konkursen, Unternehmenszusammenbrüchen, wie wir sie vor allem im letzten Jahr hatten, hintanzuhalten. Unternehmenszusammenbrüche und Konkurse bedeuten die Vernichtung von Arbeitsplätzen, den Verlust von Know-how der Unternehmen und letztendlich die Vernichtung von Volksvermögen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Es wird mit dem sogenannten URG der Versuch gestartet, den Wirtschaftstreibenden ein Instrument in die Hand zu geben, die notwendigen Veränderungen früh und offensiv anzugehen, bei gleichzeitiger Wahrung berechtigter Gläubigerinteressen.

Meine Damen und Herren! Aufgrund dieses Gesetzes liegt die Entscheidung beim Unternehmer, wann er den Antrag auf Einleitung eines Reorganisationsverfahrens stellen will. Er hat auch die Möglichkeit, einen Vorschlag einzubringen, wer der Reorganisationsbeauftragte sein soll. Das heißt, der Unternehmer hat es sehr wohl in der Hand, hier einzugreifen oder entsprechend Einfluß zu nehmen, wie die Sanierung des Betriebes vor sich gehen soll; er soll Vertrauen haben gegenüber dem Reorganisationsreferenten.

Sie haben das Chapter-11-Verfahren erwähnt: Wir haben auch im Ausgleichsverfahren eine Exekutionssperre. Das heißt, viele Punkte, die mit dem Chapter-11-Verfahren im Jahr 1978 – ich glaube, es war 1978 – in den USA eingeführt wurden, haben wir schon längst in der Ausgleichsordnung gehabt. Ich glaube, man kann zwei Rechtssysteme, das amerikanische und das anglikanische, nicht unbedingt mit unserem System vereinen, in einen Topf werfen. Man muß genau prüfen, welche Bereiche übernommen werden können.

Meine Damen und Herren! Einer der wichtigsten Kritikpunkte war natürlich die Frage: Ist dieses Verfahren geheim oder nicht? – Auch ein stiller Ausgleich ist nicht unbedingt geheim, obwohl er so heißt. Die entsprechenden Gläubiger und Lieferanten wissen meistens, wie es um die Firmen steht. Daher kann man nicht jetzt auf einmal dem Reorganisationsverfahren vorwerfen, daß dadurch die Bonität der Betriebe stärker sinke, als wenn dieses Verfahren nicht durchgeführt würde.

Ich würde es eher umgekehrt sehen: Wenn wir erreichen, daß dieses Reorganisationsverfahren durchgezogen wird, haben damit auch die Gläubiger wieder mehr Vertrauen in das Unternehmen. Wenn man weiß, daß durch einen Reorganisationsbeauftragten laufend Beratungen durchgeführt werden, entspricht das mehr den Gläubigerschutzinteressen, als wenn man diese Verfahren nicht durchführte. Daß es bereits Interessenten, die sich im Rahmen dieser Reorganisationsverfahren beraten lassen wollen, gibt, zeigen jede Menge Anfragen bei den Wifis.


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Es ist gelungen, aus der Regierungsvorlage herauszureklamieren, daß diese Verfahren künftig in einer Insolvenzkartei angeführt werden. Die in der Regierungsvorlage verlangte Veröffentlichung der Verfahren wurde damit hintangestellt.

Meine Damen und Herren! Ich meine, man sollte diesem Gesetz eine Chance geben. Ich bin sicher, daß dieses Gesetz nicht der Weisheit letzter Schluß ist und daß man gerade beim Unternehmensreorganisationsgesetz nach den ersten Erfahrungen entsprechende Adaptierungen vornehmen wird müssen.

Was genauso wichtig ist: Mit diesem Insolvenzrechtsänderungsgesetz ist es gelungen, einige beschleunigende Ansätze in der Konkursordnung durchzubringen. Künftig bedarf es keiner Gläubigermehrheit mehr, um einen Konkursantrag zu stellen. Bei Anträgen auf Konkurseröffnung von seiten der Gläubiger ist künftig die Zahlungsunfähigkeit nachzuweisen, zu bescheinigen. Die Drohung, daß man, wenn jemand nicht bezahlt, sofort einen Konkursantrag stellt – man kann das auch als Nötigung bezeichnen –, ist nicht so einfach umsetzbar. (Bundesrat Dr. Harring: Das müssen wir der Gebietskrankenkasse sagen!) – Ich wollte es nicht sagen, aber Sie haben recht: Es geht um die Gebietskrankenkasse, die bei Konkursanträgen immer sehr schnell war.

Es sind also in diesem Gesetz schon einige Punkte enthalten, die man positiv bewerten muß. (Bundesrat Dr. Harring: Ja!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Schluß kommen. Meine Fraktion wird dem vorliegenden Gesetz gerne die Zustimmung erteilen, weil es ein wesentlicher Schritt ist, Beschleunigung in die Konkurs- und Insolvenzverfahren zu bringen. Mir ist schon klar, daß es in einigen Punkten Adaptierungsnotwendigkeiten geben wird.

Ein diesbezüglicher Punkt, der unserer Justizsprecherin Dr. Fekter und auch mir am Herzen liegt, ist die Frage der finanziellen Entschädigung der Masseverwalter beziehungsweise wie man die Entschädigung der Reorganisationsreferenten berechnet. Es liegen dazu entsprechende Entschließungsanträge im Justizausschuß des Nationalrates vor. Meines Erachtens wird die Entlohnung derzeit nicht an der Erfolgsquote gemessen. Wir alle wissen, daß die Masseverwalter danach trachten, daß zuerst die Masse für ihre Entlohnung vorhanden ist, und erst in zweiter Linie den Gläubigerschutzinteressen entsprechen.

Das heißt, es gibt sicher noch einige Punkte, die man verbessern muß, aber insgesamt ist dieses Gesetz eine positive Weiterentwicklung. Meine Fraktion wird daher gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.35

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert Platzer. Ich erteile es ihm.

13.35

Bundesrat Herbert Platzer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes – etwas spärlich besetztes – Haus! Präsident Dr. Hummer hat, wenn ich es richtig gelesen habe, im "Kurier" gesagt: Die endlosen Sitzungen schaffen Bunkermentalität und Lagerkoller. Ich glaube, die meisten hier gehen darin mit ihm konform.

Ich habe einmal einen philosophischen Ausspruch gelesen, der mir vorhin eingefallen ist, er lautet: Wo sich freiwilliges Schweigen ausbreitet, besteht wieder Hoffnung auf Sprache. – Vielleicht könnte das für den Verlauf der heutigen Sitzung irgendwie beispielgebend sein.

Ich möchte mich daher nur kurz mit dem neuen Insolvenzrechtsänderungsgesetz befassen und gleich feststellen, daß selbstverständlich auch meine Fraktion – so wie die ÖVP-Fraktion – dieser Änderung zustimmen wird.

Ich gehe fast zur Gänze mit den Aussagen von Herrn Dr. Kaufmann konform, der als Direktor der niederösterreichischen Wirtschaftskammer naturgemäß sehr viel Einblick in diese Materie


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hat. Ich habe mich aber auch sehr genau eingelesen und meine, daß es doch wichtig ist, zu betonen, daß das Kernstück dieses neuen Gesetzes das Unternehmensreorganisationsgesetz ist, das die Sanierung eines Betriebes noch vor Eintritt der materiellen Insolvenz ermöglichen soll. Ich meine, das ist der wichtigste Punkt dieses Gesetzes.

Es muß und wird auch klar sein, daß auch mit den besten Insolvenzgesetzen letztlich tatsächlich eintretende Insolvenzen nicht verhindert werden können. Es kann aber versucht werden – darin liegt, glaube ich, die Chance dieses neuen Gesetzes –, im Interesse der Volkswirtschaft dieses Mißverhältnis zwischen Konkursen und Ausgleichen beziehungsweise abgewiesenen Konkursen mangels Masse zu verbessern. Es ist also durchaus sinnvoll gewesen, die Konkursordnung und die Ausgleichsordnung zu ändern und das Vorverfahren vorzusehen, nämlich durch dieses Unternehmensreorganisationsgesetz.

Es wird davon ausgegangen, daß ein Unternehmen noch solvent ist, aber einen Reorganisationsbedarf hat. Es wird dann an dem Unternehmen selbst liegen, diese Chance zu nützen. Ich sehe die Funktion des Reorganisationsprüfers, der vom Gericht eingesetzt wird, als durchaus positiv, denn er hat eine andere Aufgabe, als sie üblicherweise der Masseverwalter hat. Er ist ein Gutachter, ein Sachverständiger.

Die Chance wird darin liegen, daß dann, wenn der Reorganisationsplan genehmigt wird, das Verfahren durch richterlichen Beschluß aufgehoben wird.

Ich glaube aber auch, daß die Banken in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Verantwortung wahrzunehmen haben werden. Als doch zehn Jahre dienender Bürgermeister und Vorsitzender eines Sparkassenrates weiß ich, daß die Banken da sehr gefordert sein werden, verantwortungsvoll zu handeln. Sie werden auf die Unternehmen einzuwirken haben, etwas zu tun, bevor die Insolvenz eintritt.

In diesem Zusammenhang möchte ich aber doch auch – ich freue mich, daß Kollege Grasberger gerade in den Saal gekommen ist – auf die schreckliche Lage in unserem Bezirk Lilienfeld nach dem Jahrhundert-Hochwasser hinweisen. Viele Private sind betroffen, über 100 Betriebe haben einen Schaden in Höhe von 400 Millionen Schilling zu verzeichnen. Wenn auch 30 Prozent der Schäden abgegolten werden, so befinden sich doch einige Betriebe – das zeigt sich schon jetzt – in akuter Insolvenzgefahr.

Neben den Investitionen der vergangenen Jahre, die durch das Hochwasser – um es ganz schnoddrig zu sagen – buchstäblich den Bach hinuntergegangen sind, gibt es das Problem der längerfristigen Produktionsausfälle, die kein Katastrophenfonds ersetzen kann.

Hier ist die öffentliche Hand gefordert, damit es keine Insolvenzen und damit keine Arbeitsplatzverluste geben wird. Unser Appell – ich weiß mich hier mit meinem Kollegen Grasberger eines Sinnes – ergeht an Bundesregierung und Landesregierung, als öffentliche Hand eine offene Hand zu haben!

Zurück zum Thema und zum Schluß kommend: Ich finde, daß das vorliegende Gesetz ein Meilenstein für das österreichische Insolvenzrecht sein wird. Ich nehme auch an – ich hoffe, es bewahrheitet sich –, daß die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich beitragen wird. Daher sollte es uns nicht schwer fallen, diesen Gesetzen unsere Zustimmung zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.41

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek. Ich erteile es ihm.

13.41

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der dynamischen Entwicklung im Insolvenzbereich in den letzten Jahren muß auch die Rechtspolitik durch entsprechende gesetzliche Bestimmungen – im Rahmen der Justiz ist das der Bereich des Gesellschaftsrechtes und des Insolvenzrechtes – einen Beitrag leisten.


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Ziel dieser gesetzlichen Maßnahmen muß es im wesentlichen sein, daß Unternehmenskrisen möglichst frühzeitig erkannt werden, damit rechtzeitig Sanierungsmaßnahmen eingeleitet werden können, weiters daß, wenn es zu einer Insolvenz kommt, die Durchführung eines Insolvenzverfahrens auch tatsächlich gewährleistet ist, also die derzeit häufigen Konkursantragsabweisungen mangels kostendeckenden Vermögens zurückgedrängt werden, im Insolvenzfall geprüft wird und die Möglichkeiten erleichtert werden, daß Sanierung und Fortführung des Unternehmens stattfinden, und schließlich, wenn sich diese Sanierung nicht mehr als wirtschaftlich vertretbar erweist, eine bestmögliche Verwertung des Unternehmens stattfindet.

All diesen Zielen ist auch diese Gesetzesvorlage verbunden. Ich glaube, daß ganz zu Unrecht die sehr umfangreichen, wichtigen Novellierungen des Handelsgesetzbuches, des GmbH-Rechtes, des Aktienrechtes und der Insolvenzgesetze in der Diskussion gegenüber dem Unternehmensreorganisationsgesetz in den Hintergrund treten. Nun ist es aber einmal offenbar die Fokussierung auf dieses Gesetz, die gefragt ist, und nicht die weitaus überwiegenden positiven Neuregelungen in den anderen Gesetzen, auf die ich aber doch pauschal hingewiesen haben möchte.

Das Unternehmensreorganisationsgesetz sehe ich entgegen der vorgebrachten Vorbehalte durchaus als einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Insolvenzprophylaxe an, vor allem durch das Anfechtungsfestmachen von Überbrückungs- und Sanierungskrediten als wesentliche Erleichterung der Ausschöpfung der Möglichkeiten einer rechtzeitigen und wirksamen Reorganisation insolvenzgefährdeter Unternehmen. Es ist auch das Ergebnis ausführlicher Beratungen mit Experten sowie intensiver Erfahrungen, die Praktiker des Wirtschaftslebens mit insolventen Unternehmungen und mit dem Insolvenzrecht gewonnen haben. Es kann nicht so sein, daß wir alle nur die falschen Experten und andere die richtigen Experten gefragt haben.

Ich darf schon auch bemerken, daß in einem den Ausschußberatungen vorangegangenen, einer Handhabung im Justizbereich entsprechenden Allparteiengespräch auch für den Vertreter der Freiheitlichen, Abgeordneten Schreiner, immerhin ein Wirtschaftsprüfer, abgesehen von der Frage der steuerlichen Entlastung der Sanierungsgewinne, keine weiteren Fragen offen waren. Wir wären gerne auf Detailkritik eingegangen, aber eine solche hat es nicht gegeben. Er ist auch im Plenum des Nationalrates dazu gestanden.

Es entspricht doch, glaube ich, der Einsicht aller Experten und Praktiker, daß die Sanierung eines Unternehmens umso erfolgversprechender ist, je früher Maßnahmen eingeleitet werden. In diesem Sinne verstehen wir, die wir hinter diesem Gesetz stehen, das Reorganisationsverfahren als ein Anbot an ein noch nicht insolventes Unternehmen, es bei der Bewältigung einer Krise, einer sich abzeichnenden möglichen Insolvenz zu unterstützen.

Noch ein paar Worte zu vorgebrachter Detailkritik.

Die im Gesetz definierten Kennzahlen, Herr Bundesrat, sind zunächst einmal nur Warnsignale, die den Unternehmer dazu veranlassen sollen, seine wirtschaftliche Situation mit Hilfe von Beratern überprüfen zu lassen. Es stimmt einfach nicht – das ist ein grundlegendes Mißverständnis –, daß das Vorliegen der Kennzahlen zur Einleitung des Unternehmensreorganisationsverfahrens zwingt. Es besteht nur für den Fall, daß es nicht eingeleitet wird und innerhalb einer Frist der Konkurs eintritt, unter bestimmten Voraussetzungen eine Haftung, es sei denn, daß sich nach Vorliegen der Kennzahlen – das ist eigentlich die einzige Verpflichtung, die damit verbunden ist – der Unternehmer mit seinem Unternehmen auseinandergesetzt hat, indem er einen Wirtschaftsprüfer beauftragt hat, zu klären, ob Reorganisationsbedarf gegeben ist oder nicht. Und wenn gerade im Hinblick auf die Besonderheiten einer speziellen Branche trotz Vorliegen der Kennzahlen ein Unternehmensreorganisationsbedarf nicht gegeben ist, dann besteht auch keine Verpflichtung, das Reorganisationsverfahren einzuleiten. Denn eine Verpflichtung zur Einleitung besteht nur bei Reorganisationsbedarf. – Ich bitte, diese beiden Dinge immer auseinanderzuhalten.

Was den Fall des Bekanntwerdens anlangt: Das kann natürlich nicht zur Gänze ausgeschlossen werden, auch wenn wir es nicht an die große Glocke hängen. Aber bitte, meine Damen und


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Herren, es kommen auch derzeit außergerichtliche stille Ausgleiche zustande, obwohl die Vertragsverhandlungen nicht geheim bleiben und bei Anfragen sehr wohl Auskünfte über die Bonität des Schuldners erteilt werden. Es liegt aber auch in der Hand des Schuldners, sich mit seinen wichtigsten Vertragspartnern vor Einleitung eines Reorganisationsverfahrens in Verbindung zu setzen, um sie vorweg über das geplante Verfahren und den voraussichtlichen Reorganisationsplan zu informieren, damit das Bekanntwerden diese Vertragspartner nicht zu unerwünschten Reaktionen veranlaßt. Aber selbst das Bekanntwerden des Reorganisationsverfahrens ohne vorherige Kontaktierung wird doch nicht unbedingt dazu führen müssen, daß der Vertragspartner seine Beziehungen abbricht oder auf eine andere Grundlage gestellt haben will. Es haben auch große Insolvenzen gezeigt, daß es sich gewisse Vertragspartner gar nicht leisten können, nicht weiterzuliefern oder zu bestimmten Bedingungen zu liefern, weil sie sonst Gefahr gelaufen wären, diese Geschäftsverbindung zu beenden.

Was den Wunsch nach einer weiteren Erhöhung der Attraktivität des Verfahrens durch zivilrechtliche Maßnahmen, also in Richtung Chapter 11, betrifft, so darf ich noch einmal sagen, daß ich der Auffassung bin, daß es weder einen Exekutionsschutz noch einen Konkursschutz geben kann, aber auch nicht die immer wieder geforderte Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen der Gläubiger. Das Unternehmensreorganisationsverfahren setzt Solvenz voraus, also auch Liquidität, und es wäre unserem Rechtsverständnis nicht entsprechend, daß bei Verweigerung einer Zahlung eines solventen, zahlungsfähigen, Schuldners der Gläubiger nicht Exekution führen kann. Der Konkurs ist zu eröffnen, wenn Insolvenz eintritt. Vorher ist eine Gläubigerüberstimmung oder Mehrheitsentscheidung unannehmbar, weil nach unserem Verständnis ein Eingriff in die Gläubigerrechte eines solventen Unternehmers nicht durch eine Mehrheit zugelassen werden kann.

Im Vordergrund stehen für mich die Frage der Stimulierung des Unternehmers zu betriebsinternen Maßnahmen und die Ermöglichung der Aufnahme nur eingeschränkt anfechtbarer Reorganisations- und Überbrückungskredite zur Finanzierung solcher betrieblicher Maßnahmen, zur Finanzierung gewinnorientierter Projekte, wie sie der Reorganisationsplan ausweist, und auch zur Deckung der laufenden Kosten, um eine Reorganisation des Unternehmens zu erleichtern.

Insgesamt muß man sich hüten, wenn man in Zukunft dieses Gesetz rückblickend betrachten wird, die Bedeutung dieses Unternehmensreorganisationsgesetzes bloß an der Zahl der gerichtlichen Verfahren zu messen. Es dient nämlich gerade dieses Verfahren mit den erwähnten Kennzahlen, die – um es noch einmal zu sagen – bloß als Warnsignale fungieren und anregen, sich mit seinem Unternehmen mit Hilfe von Fachleuten auseinanderzusetzen, dazu, die Sensibilisierung der Unternehmer für eine nachhaltige, vorausschauende Kontrolle zur raschen Erkennung von Krisenentwicklungen zu erhöhen und allgemein das für viele Insolvenzen der letzten Jahre verantwortliche niedrige betriebswirtschaftliche Niveau unserer österreichischen Unternehmungen und der gesamten Wirtschaft anzuheben. Diese Wirkung halte ich für die wichtigste dieses Gesetzes. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.51

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher. Ich erteile es ihr.

13.51

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich habe Ihnen genau zugehört, Herr Minister, und kann sagen, es ist natürlich in der Novelle zum Insolvenzrecht etliches vorhanden, das sehr positiv ist. Aber ich möchte das einmal von der Praxis her beleuchten.

Das Unternehmensreorganisationsgesetz ist in der Praxis als wirklich schwierig anzusehen. Erstens: Verpflichtend ist die Einbegleitung nur für die prüfpflichtigen Großunternehmen. Das sind jene Unternehmen, die sowieso einen Stab an Beratern, Anwälten, Steuerberatern, Buchhaltern, Marketingexperten und Wirtschaftsprüfern haben. Zweitens: In der Praxis bringt es tatsächlich überhaupt nichts. Der Unternehmer kann überhaupt nichts damit erreichen. Ein Kon


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kursschutz, ein Exekutionsschutz, ein Forderungsnachlaß oder Teilnachlaß oder wenigstens eine Atempause wären erforderlich.

Es ist nämlich so: Der Unternehmer begibt sich in die staatliche Kontrolle. Das Verfahren wird einfach eingeleitet, die Prüfer werden bestellt. Die Kreditschutzverbände – da beginnt das eigentliche Drama – sind natürlich informiert. Und jetzt sollte die Sanierung irgendwie beginnen, man sollte sich mit dem eigenen Unternehmen wieder einmal beschäftigen. Sinnvolle Sanierungen könnten greifen, aber jetzt beginnt es zu stocken.

Vielleicht sollte man zur Exekutionssperre einmal folgendes sagen: Wie soll ein Unternehmen reorganisiert werden, wenn Lieferungen wirklich nur mehr Zug um Zug stattfinden und wenn es diese Exekutionssperre nicht gibt? – Die Banken haben natürlich den Hahn zugedreht, es gibt keine Rahmenkredite mehr. Der Lieferant steht vor der Türe und sagt: Ich lasse meine Sachen nur da, wenn Sie mir bar zahlen.

Der KSV und der AKV haben natürlich statutengemäß die Pflicht, ihre Klienten vor dem Ausfall von Forderungen zu warnen. Der Liquiditätsengpaß ist aber erst mit Einsetzen dieses Unternehmensreorganisationsgesetzes gegeben, denn der Liquiditätsengpaß entsteht dadurch, daß es keine Lieferungen auf Ziel mehr gibt und das Sofortzahlen einfach nicht möglich ist. Neue Kreditlinien von den Banken werden in solchen Fällen – das können Sie sich vorstellen – eher schwer zu erreichen sein. So, das denke ich, könnten die Nutznießer hier wiederum einmal Banken sein.

Ein weiterer Sinn des Gesetzes sollten die anfechtungsfesten Kredite sein. Das heißt, wenn eine Bank eine neue Kreditlinie gewährt und zum Beispiel noch nicht belastete Liegenschaften vorhanden sind, können diese zur Sicherheit herangezogen und dann nicht angefochten werden. Es ist aber so: Sollte danach dieses Unternehmen tatsächlich in eine Insolvenz schlittern, so geht dies dann auch zu Lasten der Gläubiger, und die Banken sind sichergestellt.

Wie im Nationalrat ebenfalls vorgebracht, ist es auch meine Meinung, daß dieser Abänderungsantrag, den wir im Nationalrat eingebracht haben und der die Zielsetzung des Chapter 11 hatte, und zwar daß ein Unternehmen wirklich eine Zeitlang unter eine Art Schutz steht, eine Atempause bekommt, daß die Gläubiger ihre Forderungen in einem bestimmten Zeitraum nicht einbringen können, während sich das Unternehmen wieder neue Kraft holen und somit in Zukunft auch die Arbeitsplätze sichern könnte, sinnvoll wäre.

Auch die Verwertung ist ein Problem. Wenn ich das aus touristischer Sicht sehe, dann muß ich folgendes sagen: Wenn heute eine Hotel in Konkurs geht und dann geschlossen wird, so ist das gleichzeitig eine Vernichtung von Volksvermögen. Denn solch ein Betrieb kann kaum verwertet werden. Man bekommt heute für ein Hotel, dessen Bau 300 Millionen Schilling gekostet hat, nur einen Bruchteil. Ich erwähne als Beispiel immer wieder den Robinson-Club bei uns am Katschberg. Dort hat man vor eineinhalb beziehungsweise zwei Jahren noch eine Investition in Höhe von 160 Millionen Schilling getätigt. Und jetzt ist man bereits bei der dritten Versteigerung – kein einziger Bieter übrigens –, und zwar um 70 Millionen Schilling. Ein 400-Betten-Hotel! Da bringt die ganze Verwertung niemandem etwas, weder der Bank noch dem Unternehmen, noch den Mitarbeitern, noch den Gläubigern.

Vielleicht sollte man ein bißchen differenzieren. Ich komme aus dem Tourismus: Vielleicht müßte noch einmal überdacht werden, ob man in bezug auf den Tourismus nicht speziellere Maßnahmen setzen könnte als für normale Wirtschaftsunternehmen. Die Fremdenverkehrssituation in Kärnten oder die Lage des österreichischen Tourismus überhaupt ist spätestens seit dem gestrigen Abend, seit der gestrigen "ZiB 2" sowieso jedem klar. Da wurden die Juni-Zahlen bekanntgegeben. Ich glaube, die Juli-Zahlen werden sich mit minus 30 Prozent, aus meiner Sicht sogar mit minus 40 Prozent zu Buche schlagen. Was machen wir mit all den Hotels? – Diese werden alle in den Konkurs oder Ausgleich schlittern, und da wird uns auch das sicher von Ihnen sehr gutgemeinte Unternehmensreorganisationsgesetz nichts helfen, wenn wir keine Exekutionssperre haben und wenn wir den Unternehmen nach dem Vorbild des Chapter 11 nichts anbieten können, keinen Schutz, keine Atempause anbieten können.


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Aus diesem Grunde werde ich und wird auch meine Fraktion dieser Novelle nicht zustimmen. Ich würde mir wünschen, daß Sie das gemeinsam mit Herrn Wirtschaftsminister Farnleitner noch einmal überdenken und vielleicht eine Sonderbestimmung für den Tourismus einbringen. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. Ich erteile es ihr.

13.57

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich habe mich jetzt auch noch zu Wort gemeldet, weil ich aus folgenden Gründen der Konkursordnung und so weiter, dem Unternehmensreorganisations- und dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz nicht zustimmen werde:

Erstens finde ich es nicht richtig, einen Reorganisationsprüfer von Gerichts wegen zu bestellen. Unternehmen sind nicht daran interessiert, in Ausgleich oder Konkurs zu gehen, und besprechen sich in der Praxis auch teilweise mit ihren Steuerberatern oder auch mit den Banken. Hier werden meiner Meinung nach von Staats wegen dem Unternehmen zusätzliche Korsette und Kosten auferlegt. Außerdem zeigt die Praxis, daß es zum Beispiel Masseverwalter gibt, die zwar gut bezahlt sind, aber von betriebswirtschaftlichen Erfordernissen kaum etwas verstehen. Ich möchte hier nicht über eine Berufsgruppe den Stab brechen. So wie es gute und schlechte Unternehmer und Unternehmerinnen gibt, so gibt es auch gute und schlechte Masseverwalter. Das kann auch mit diesem Gesetz nicht geändert werden.

Zweitens wissen wir noch nicht, wie hoch die Kosten für diesen Reorganisationsprüfer für das Unternehmen sein werden. Da wir wissen, wie hoch solche Gebühren in Anbetracht der tatsächlichen Aufwendungen sind, kann ich das nicht gutheißen.

Drittens wäre es meiner Meinung nach viel besser, den Unternehmen bessere Möglichkeiten zur Eigenkapitalbildung zu geben oder zum Beispiel die Steuern und andere Dinge bei Auflösung eines Betriebes zu senken. Diese sind nämlich so hoch, daß sich ein Betrieb, wenn es ihm schlecht geht, gar nicht leisten kann, aufzuhören, auch wenn es noch ordentlich ablaufen würde, ohne daß er in Konkurs oder Ausgleich ginge. Daran müßte man meiner Meinung nach auch einmal etwas ändern.

Viertens: Laut meinen vorhergehenden Ausführungen beseitigen wir mit diesem Gesetz das Übel nicht an der Wurzel.

Fünftens: In der Regierungsvorlage sind keine konkreten Kosten angeführt, obwohl der Bund dazu verpflichtet wäre. In diesem Zusammenhang heißt es in der Regierungsvorlage auf Seite 31 – ich zitiere wörtlich – : "Zusätzliche Kosten sind bei den Gerichten durch die vermehrte Durchführung von Konkursverfahren infolge Zurückdrängung der Konkursabweisungen mangels Masse, aber auch durch die Einführung eines Reorganisationsverfahrens zu erwarten."

Wie hoch jedoch diese Kosten, in Zahlen geschätzt, sein werden, darüber wird nichts gesagt. – Ich überlasse es Ihnen, wie das zu beurteilen ist!

Abschließend möchte ich einmal mehr die Forderung aufstellen, endlich die verpflichtende Kostenberechnung bei Regierungsvorlagen einzuführen. Ein Handbuch dazu wurde bereits vom ehemaligen Föderalismusminister Weiss herausgegeben, welches eine Hilfe wäre! Weiters fordere ich, daß auch eine Kostenberechnung für die Wirtschaft und für die Bevölkerung eingeführt wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)


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14.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Herr Bundesminister, bitte sehr.

14.01

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Bundesrätin! Ohne jetzt im einzelnen auf Ihre Kritik einzugehen, möchte ich gerade betreffend die Kosten darauf hinweisen, daß Sie sich nicht nur die drei Zeilen im Vorblatt anschauen dürfen. In den Erläuternden Bemerkungen, allgemeiner Teil, ist nämlich auf eineinhalb Seiten davon die Rede. Wir haben also sehr ausführlich über die Kostenfolgen gesprochen.

Das Reorganisationsverfahren wird am wenigsten kosten. Ein Mehr an Personal ist bei den zurückgedrängten Abweisungen der Konkursanträge mangels kostendeckenden Vermögens zu erwarten. Diese Kosten wollen wir aber bewußt in Kauf nehmen, weil es unhaltbar ist, daß bis vor kurzem fast 60 Prozent der Insolvenzen mangels kostendeckenden Vermögens überhaupt sang- und klanglos im Sand verlaufen sind.

Wir haben uns also zu den Kosten sehr ausführlich geäußert.

Ich möchte auf einen weiteren Punkt Ihrer Kritik eingehen: Ich halte es für den Knackpunkt der ganzen Sache, daß nun ermöglicht wird, unter einer objektiven Kontrolle eine Anfechtungsfestigkeit von Überbrückungs- und Sanierungskritiken zu schaffen. Das ist der eigentliche Kernpunkt.

Sie kennen die Diskussion darüber, daß manche außergerichtliche Sanierungen heute deshalb scheitern, weil sich der Financier fürchten muß, daß zwar heute alle Solvenz annehmen, ein paar Jahre später aber, rückblickend, wenn es nicht funktioniert hat, wissen es die Leute noch besser, daß damals schon eine Insolvenz gegeben gewesen wäre, weshalb die gewährten Kredite beziehungsweise die dafür gewährten Sicherheiten angefochten werden.

Nunmehr soll durch einen objektiven Reorganisationsprüfer festgestellt werden, ob Insolvenz vorliegt oder nicht. Ist dies nicht der Fall, dann kann sich der Kreditgeber darauf verlassen, daß die gegebene Kreditsicherheit hält. Das halte ich für den wirklich wesentlichen Effekt dieses Gesetzes, alles andere ist Beiwerk. – Danke vielmals.

14.03

Vizepräsident Jürgen Weiss: Werden weitere Wortmeldungen gewünscht? – Bitte sehr, Herr Bundesrat Dr. Rockenschaub.

14.03

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Was mich als jemanden, der aus der Praxis kommt, etwas provoziert hat, war der von Ihnen – zumindest habe ich es so den Medien entnommen – verwendete Ausdruck "Meilenstein" im Nationalrat. Diese Regelung sei ein Meilenstein zur Insolvenzprophylaxe. Oder stimmt das nicht? (Bundesminister Dr. Michalek: Ja, ja, aber insgesamt gesehen!) Ich halte den Ausdruck "Meilenstein" auch insgesamt in diesem Zusammenhang für eine ziemliche Übertreibung!

Es wurden durchaus positive Klarstellungen vollzogen, etwa betreffend die Geschäftsführerhaftung oder betreffend die Anfechtbarkeit von Bankkrediten im Zuge der Sanierung. Das war im Prinzip jetzt auch schon möglich, war aber schwieriger. Das ist jetzt für den Fall, daß das Verfahren gewählt wird, klarer, unstrittiger und eindeutiger geregelt.

Dann haben Sie heute in Ihrer Wortmeldung noch das erzieherische Moment für – wenn ich das so sagen darf – oder die psychologische Auswirkung auf die Unternehmer erwähnt. Auch das gestehe ich zu: Es mag Unternehmer geben, die sich von sich aus im Grunde zuwenig mit der Zukunftsbonität ihrer Firma befassen. (Bundesminister Dr. Michalek: Mehr als 50 Prozent der Insolvenzfälle!) Als Bankmann kann ich Ihnen sagen: Normalerweise machen die Gläubiger bereits frühzeitig entsprechenden Druck und thematisieren die Dinge beim Unternehmen. Im Regelfall verhält es sich nicht so, daß eine Bank quasi über Nacht plötzlich damit überrascht wird, daß eine Firma in Wahrheit pleite ist oder am Rand der Pleite steht. Oft gehen lange Phasen der Kämpfe, der Diskussionen und auch des Streits voraus.


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Den Ausdruck "Meilenstein" hätte eventuell ein ganz anderes Gesetzeswerk, nämlich der viel zitierte Exekutionsschutz, verdienen können. Denn es tut uns in der Praxis wirklich weh zu sehen, daß bei fast jeder anzugehenden Sanierung das Problem besteht, daß die Gläubiger, die wenig zu verlieren haben, die Gläubiger, die im Konkursfall viel zu verlieren haben, schlicht und einfach erpressen, und zwar nicht mit illegalen, aber doch mit ziemlich unfeinen Methoden. Das müssen Ihnen Ihre Experten gesagt haben, denn sie können das gar nicht anders gesehen haben! Das ist das Haupterschwernis bei jeder Sanierung ohne Konkurs, wenn man in Ruhe und gezielt Konzepte durchbringen will. Eine Lösung dafür, ob in diesem Gesetz oder in einer eigenen Gesetzesphilosophie, wäre meines Erachtens ein wirklicher Meilenstein gewesen. Das, was heute beschlossen wird, enthält viele positive Elemente, das will ich überhaupt nicht bestreiten – aber es ist kein Meilenstein zur Insolvenzvermeidung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (494/A und 785/NR sowie 5486 und 5509/BR der Beilagen)

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (576 und 784/NR sowie 5487 und 5510/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 4 und 5 hat Herr Bundesrat Karl Pischl übernommen. Ich bitte ihn um die Berichterstattung.

Berichterstatter Karl Pischl: Herr Präsident! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den vom Herrn Präsidenten genannten Beschluß des Nationalrates.

Der Text liegt allen vor, deshalb darf ich zum Antrag kommen.

Dieser Beschluß des Nationalrates ist ein Fall des Artikels 44 Abs. 2 B-VG und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegeben Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.


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Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Weiters erstatte ich den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden.

Der Text liegt ebenfalls vor.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Da Wortmeldungen vorliegen, bitte ich, die Debatte fortzusetzen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile es ihm.

14.10

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Die gegenständliche Vorlage hat zum Ziel, primär den Verwaltungsgerichtshof, zugleich aber auch den Verfassungsgerichtshof zu entlasten.

Wie berechtigt oder – mehr noch – vordringlich die Verfolgung dieses Zieles auch sein mag, so bedenklich ist das hier gewählte Mittel: Die neu eingeführte besondere Eingabengebühr soll offensichtlich prohibitiv wirken. Damit werden jedoch der Zugang des Bürgers zum Recht, das heißt: sein Anspruch auf Rechtsschutz, verkürzt und die objektive Rechtskontrolle der Verwaltung eingeschränkt.

Es wird hier erstmals ein Weg beschritten, der bisher im Bereich der Gerichtsbarkeit unüblich war. Die Behandlung einer Klage oder eines Rechtsmittels ist ja bisher niemals von der vorgängigen Entrichtung der Gerichtsgebühren abhängig gemacht worden.

Um es nochmals klarzustellen: Gegen eine angemessene Kostenbeteiligung eines erfolglos gebliebenen Beschwerdeführers ist nichts einzuwenden, gegen eine Kostenbarriere, die den Bürger vorweg von der möglicherweise berechtigten Beschwerde an die Höchstgerichte abschreckt, aber alles! Die unerläßliche Entlastung des vor dem Kollaps stehenden Verwaltungsgerichtshofs, die freilich von der Bundesregierung auf unverantwortliche Weise vernachlässigt wird, kann und darf nicht über die bloße Einführung von Gebühren angestrebt werden!

Die ausschließlich gegen den rechtssuchenden Bürger gerichtete Tendenz wird auch zur Genüge daran deutlich, daß die Gebietskörperschaften von der Entrichtung der soeben neu eingeführten Gebühren spätestens im Zeitpunkt der Überreichung von Beschwerden oder Wiederaufnahme- oder Wiedereinsetzungsanträgen ihrerseits ausdrücklich befreit werden.

Der Kuriosität halber sei nur eine Passage der Neuregelung zitiert, die ein grelles Schlaglicht auf die Regulierungswut heutiger Gesetzgebung wirft. Ich erspare Ihnen einige Sätze, aber einige muß ich Ihnen doch wiedergeben – ich zitiere – : "Die Stempelmarken sind durch amtliche Überstempelung mit einer Amtsstampiglie des Gerichtshofes so zu entwerten, daß der Stempelaufdruck zum Teil auf dem farbigen Feld der Stempelmarke und zum Teil auf dem die Marke tragenden Papier ersichtlich wird. Bei Entrichtung durch Erlagscheineinzahlung ist der postamtlich bestätigte Nachweis der Beschwerdefrist anzuschließen; eine Rückgabe des Zahlungsnachweises an den Beschwerdeführer ist nur nach Anbringen eines deutlichen Sichtvermerkes durch die Einlaufstelle des Gerichtshofes möglich; auf der beim Gerichtshof verbleibenden Beschwerdeausfertigung ist von einem Organ der Einlaufstelle zu bescheinigen, daß die durch Erlag


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scheineinzahlung erfolgte Gebührenentrichtung nachgewiesen wurde. Im übrigen gelten – mit Ausnahme des § 14 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267, in der jeweils geltenden Fassung – die auch für Eingaben maßgeblichen sonstigen Bestimmungen des Gebührengesetzes sinngemäß. Die Erhebung der Gebühr, die eine in Wertzeichen zu entrichtende Abgabe im Sinne der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 in der jeweils geltenden Fassung, ist, obliegt in erster Instanz dem Finanzamt für Gebühren- und Verkehrsteuern in Wien." – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Sie mögen aus diesem Zitat ersehen, was in diesem Zusammenhang einer Regelung durch den Gesetzgeber für würdig befunden wurde: nicht eine echte Entlastung der Höchstgerichte und schon gar nicht der ungehinderte Zugang des Bürgers zu seinem eventuell sogar verfassungsgesetzlich gewährleisteten und möglicherweise verletzten Recht! Nein! Wichtig waren offensichtlich lediglich die Einzahlungs- und Bestätigungsmodalitäten der neu geschaffenen Gebühr!

Man würde gerne mit Friedrich Torberg witzeln und sagen: "Meine Sorgen möchte ich haben!", lieferte die gegenständliche Vorlage nicht ein so trauriges Beispiel der Gesetzgebung und damit auch ein beschämendes Sittenbild der Republik und ihres so realitäts- wie bürgerfernen Zustandes, den die gegenwärtige Regierung zu verantworten hat! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.15

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Erich Farthofer. Ich erteile es ihm.

14.15

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Novelle des Bundes-Verfassungsgesetzes beinhaltet Änderungen unserer Verfassung, die, auch wenn die Novelle selbst unscheinbar wirkt, für viele unserer Mitbürger von großer Tragweite sind.

Ich beginne zunächst mit jenem Punkt, der den Bundesrat selbst betrifft. In Zukunft werden die Berichte der Volksanwaltschaft auch dem Bundesrat zugeleitet und hier debattiert werden. Es ist eigentlich unverständlich, daß die Rechtslage bisher anders war, ist die Volksanwaltschaft doch nicht nur ein Organ des Bundes, sondern auch der Länder! Lediglich Tirol und Vorarlberg haben eigene Landesvolksanwaltschaften eingerichtet. Aber auch dort kontrolliert die Volksanwaltschaft Mißstände bei den Landesbehörden, soweit diese im Bereich der Vollziehung des Bundes tätig werden.

Der Bundesrat wird sich in Zukunft also auch in diesem Bereich überzeugen können, wie es mit unserer Vollziehung steht. Durch sein gesetzliches Initiativrecht wird er darüber hinaus Gesetzesänderungen beantragen können, was wir insbesondere dann tun sollten, wenn Gesetzesänderungen, die die Volksanwaltschaft vorschlägt, im Interesse der Länder sind.

Wir räumen den Volksanwälten auch das Rederecht hier im Bundesrat ein. Ich freue mich jetzt schon auf diese Diskussionen!

Nun aber zu dem für die Mitbürger wichtigsten Punkt der Novelle: Die Diskriminierung von behinderten Menschen wird nunmehr ausdrücklich verboten, und zwar durch eine Ergänzung des allgemeinen Gleichheitsgebotes, welche lautet: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."

Eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein, leider ist dem aber nicht so, wie bedauernswerte Vorfälle zum Beispiel in Innsbruck gezeigt haben, wo behinderte Menschen aus einer Diskothek ausgewiesen wurden, weil ihr Anblick für andere Gäste störend – und damit geschäftsschädigend! – sein könnte. – Ich halte das für Unmenschlichkeit ersten Ranges! Hoffentlich lehnen alle Menschen dieser Region den Besuch einer derartigen Diskothek in Zukunft ab!


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Jedenfalls wird für die Zukunft die Diskriminierung von Behinderten von der Verfassung ausdrücklich verboten. Jedes Gesetz, jede Verordnung und jeder Akt einer Behörde, der dagegen verstößt, ist verfassungswidrig.

Zusätzlich wird aber noch eine Staatsziel-Bestimmung aufgenommen, wonach sich Bund, Länder und Gemeinden dazu bekennen, die Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. Es ist dies Ausdruck der Verpflichtung der Gesellschaft, sich dafür einzusetzen, daß behinderte Menschen den gleichen Platz wie Nichtbehinderte in unserer Gesellschaft einnehmen können und die Folgen ihrer Behinderung möglichst ausgeglichen werden. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Mit dieser Staatsziel-Bestimmung allein ist es aber freilich noch nicht getan. Es wird ein ganzer Katalog von Maßnahmen notwendig sein, damit dieses Ziel verwirklicht wird. In diesem Zusammenhang ist nicht nur der Bund, sondern sind auch die Länder gefordert. Man denke etwa an das Baurecht bis hin zu kleinen, aber wichtigen Details wie die Gestaltung der Gehsteigkanten.

In zwei weiteren wichtigen Punkten wird die Staatsorganisation geändert, zunächst durch die Einrichtung eines unabhängigen Bundesasylsenats als gerichtliche Instanz, die dem Verwaltungsgerichtshof vorgeschaltet ist. Inhaltlich ist dies die notwendige Verfassungsergänzung zum von uns bereits beschlossenen Integrationspaket. Es braucht deswegen hier nichts mehr dazu gesagt zu werden.

In diesem Sinne wird meine Fraktion dieser Novelle die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

14.19

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende Novelle zum Bundes-Verfassungsgesetz ist eine sogenannte Sammelnovelle, die Anliegen von Regierungsvorlagen und Initiativanträgen im Nationalrat zusammenfügt. Das bringt es mit sich, daß es nicht zu allen Punkten in befriedigender Weise ein Begutachtungsverfahren gab, wie das der mit Regierungsvorlagen verbundene wesentliche Vorteil ist.

Das ist dort insbesondere bedauerlich, wo es sich um Regelungen handelt, die auch in den Zuständigkeitsbereich der Länder und Gemeinden eingreifen, wenngleich sie in der Sache selbst unbestritten sind. Das betrifft in erster Linie das Verbot der Diskriminierung Behinderter und das Staatsziel der Gleichbehandlung auch dieser Mitbürger.

Fraglos ist all das inhaltlich zu unterstreichen, was an Ausführungen meines Vorredners hier zu hören war. In der Sache selbst wäre aber eine ausführlichere Diskussion nicht unzweckmäßig gewesen, weil wir von Staatsziel-Bestimmung zu Staatsziel-Bestimmung unterschiedliche Formulierungen verwenden. So bekennt sich beispielsweise Österreich zur umfassenden Landesverteidigung nach Artikel 9a Bundes-Verfassungsgesetz. Heute bekennt sich die Republik – Klammer:  Bund, Länder und Gemeinden zur Gleichstellung der Behinderten.

Es wird da ein Begriffsinhalt der Republik in das Bundes-Verfassungsgesetz eingeführt, der nicht ganz unproblematisch ist, weil die Republik letztlich Ausdruck der Bezeichnung des Gesamtstaates ist. Das wird etwa an jenen Stellen der Bundesverfassung sichtbar – um nur ein Beispiel zu nennen –, die davon sprechen, daß die Farben der Republik rot-weiß-rot sind. Damit ist natürlich die Farbe des Gesamtstaates gemeint, nicht des Landes Tirol und nicht der Stadt Wiener Neustadt.

Wenngleich das in der Praxis keine allzu große Bedeutung haben wird, legt das doch ein bißchen den Finger auf die Wunde einer unsystematischen Vorgangsweise bei der Verankerung


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von Staatszielen und bei der Neufassung der Grund- und Freiheitsrechte, bei der eine Gesamtschau, eine Zusammenfassung dessen, was an völlig unterschiedlichen Stellen unserer Rechtsordnung eingefügt wurde, zweckmäßig wäre. Daran möchte ich in diesem Zusammenhang nur erinnern.

Begrüßenswert ist, daß der Bundesasylsenat als Sonderform der Unabhängigen Verwaltungssenate – die Entscheidung war inhaltlich bereits durch das Fremdengesetz vorweggenommen – zu einer beachtlichen Entlastung namentlich des Verwaltungsgerichtshofes führen wird. Diese Regelung ist also ausdrücklich zu begrüßen.

Zu begrüßen ist aus meiner Sicht auch, daß erstmals in die Rechtsordnung eine Art Geschäftsordnung der Bundesregierung eingeführt wird, nämlich hinsichtlich der doch etwas strittigen Frage, ob die Bundesregierung bestimmte Anwesenheitsquoren für ihre Beschlußfähigkeit braucht. Dazu gibt es nicht unbeachtliche Beiträge, die die bisherige Rechtmäßigkeit von Beschlußfassungen, wenn nicht mehr als die Hälfte anwesend war, in Frage gestellt haben; das wird eindeutig klargestellt.

Ein wesentlicher Fortschritt ist aus meiner Sicht auch der Entfall der komplizierten Vertretungsregelungen mit Betrauung durch den Bundespräsidenten, wenn sich ein Mitglied der Bundesregierung in einem Mitgliedsland der Europäischen Union befindet. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand war schon früher nicht unbeträchtlich – nicht zuletzt im Verhältnis zur Bedeutung der Angelegenheit – und wurde natürlich jetzt durch unsere Mitgliedschaft in der Europäischen Union potenziert. Diesbezüglich wird eine wünschenswerte Vereinfachung und Klarstellung getroffen.

Daß ein für den Bundesrat nicht unbeachtlicher Punkt in dieser B-VG-Novelle enthalten ist, wurde bereits erwähnt, und es wurde bereits darauf eingegangen. Ich halte es für einen kleinen, aber gar nicht so unwesentlichen Fortschritt, daß sich der Bundesrat künftig auch mit den Berichten der Volksanwaltschaft befassen kann und daß sich dessen Mitglieder sowohl in den Ausschüssen als auch hier im Plenum an der Debatte beteiligen können. Wir sind sozusagen unverhofft in den Genuß dieser Regelung gekommen, weil sie nie Ausdruck eines förmlichen Wunsches von der Mehrheit des Bundesrates getragenen Ersuchens war. Ich hoffe nur, daß damit nicht die Intention verbunden war, daß diese Berichte und die Diskussion darüber auch jenen Teil der Berichte der Volksanwaltschaft betreffen, die in den Zuständigkeitsbereich der Landtage fallen. Es ist sicherlich geboten, fein säuberlich zwischen Bundesverwaltung und Landesverwaltung zu differenzieren, so wie das in der Vergangenheit bei der Berichterstattung an den Nationalrat auch stets der Fall war.

Im Zusammenhang mit der Volksanwaltschaft sei nur an das Anliegen, das auch hier schon mehrfach diskutiert wurde, erinnert, nämlich daß entsprechend dieser Berichterstattung der Bundesrat auch ein Mitwirkungsrecht bei der Bestellung der Volksanwälte bekommt. Diesbezüglich gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die jetzt gegebene Beschränkung auf das Nominierungsrecht des Nationalrates allein ist sicherlich die für uns unbefriedigendste – und das sei heute hier ein Anlaß, neuerlich an dieses Anliegen zu erinnern. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. )

14.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates.

Bei dem vorliegenden Beschluß handelt es sich um ein Bundesverfassungsgesetz, das nach Artikel 44 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes der Zustimmung des Bundesrates bei An


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wesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedarf.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 und das Gebührengesetz 1957 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (2. BDG-Novelle 1997), das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, das Universitäts-Organisationsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Bundesgesetz BGBl. Nr. 148/1988 geändert werden (691 und 783/NR sowie 5511/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, das Universitäts-Organisationsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Bundesgesetz BGBl. Nr. 148/1988 geändert werden.

Die Berichterstattung entgegen dem im schriftlich aufliegenden Bericht angeführten Berichterstatter Bundesrat Peter Rieser hat Herr Bundesrat Dr. Kaufmann übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Berichterstatter Dr. Kurt Kaufmann: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Am 9. Juli 1997 beschloß der Nationalrat ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 und eine Reihe von anderen Gesetzen geändert werden. Es liegt jedem von Ihnen der Ausschußbericht vor.

Ich stelle daher den Antrag , gegen diesen vorliegenden Gesetzentwurf keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile es ihm.


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14.29

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Die vorliegende 2. BDG-Novelle bringt eine einschneidende Neuregelung des Dienst- und Besoldungsrechtes der Hochschullehrer mit sich. Im folgenden ist sie einer Kritik unter grundsätzlichen Gesichtspunkten zu unterziehen.

Mein zentraler Einwand gegen diese Novelle ist, daß ihr unverkennbar eine nivellierende Tendenz zugrunde liegt, die auf ein fachlich wie personell rein egalitäres Modell der Universität abzielt. Insofern muß man der Vorlage bescheinigen, daß sie zumindest diesem Konzept, das freilich nicht das unsere ist, auch vollauf gerecht wird.

Beginnen wir dabei nur mit der meines Erachtens allerdings eher belanglosen Frage der Amtstitel. Mich persönlich stört es durchaus nicht, wenn es, wie schon im UOG 1993 vorgezeichnet, künftig nur noch eine einheitliche Kategorie von Professoren gibt; und daß Amtstitel sogar mit rückwirkender Kraft entzogen werden. Ich vermag das umso leichter zu verschmerzen, als ich selbst beide bisherigen Karrierestufen, die des außerordentlichen wie auch die des ordentlichen Professors, durchlaufen habe. Mancher von Ihnen wird sich auch an den allzu billigen akademischen Scherz erinnern, daß jener ein Professor ist, der nichts Außerordentliches, und dieser ein solcher, der nichts Ordentliches geleistet hat.

Wieder im Ernst will ich auch gar nicht übertriebenes Gewicht darauf legen, daß bislang allein der ordentliche Universitätsprofessor aufgrund eines Berufungsverfahrens bestellt worden ist, das auf einem – auch internationaler Konkurrenz ausgesetzten – verpflichtenden Dreiervorschlag beruhte, denn ich selbst bilde mir gewiß nicht ein, infolge meines Avancements vom außerordentlichen zum ordentlichen Professor gescheiter geworden zu sein.

Wohl aber kann ich es mir nicht versagen, darauf zu verweisen, daß es dann umgekehrt umso eigentümlicher berührt, wenn der im Interesse einer einheitlichen Professorenkategorie gerade abgeschaffte Amtstitel des außerordentlichen Universitätsprofessors im neuen Gesetz sogleich seine Wiederauferstehung feiert und nunmehr dem habilitierten Universitätsassistenten zuteil wird, für den offenbar der akademische Titel eines Universitätsdozenten und die Berufsbezeichnung als Assistenzprofessor nicht ausreichte. Auch hierbei ist man geneigt, anekdotisch zu werden und auf die legendäre Bereitschaft des alten Kaisers Franz Joseph zu verweisen, infolge leerer Staatskassen den Mittelschullehrern zwar nicht die von ihnen gewünschte Gehaltserhöhung, aber dafür den Titel Professor zu gewähren. – Soviel auf dieser Ebene zu angeblichen Reformen in einem notorisch titelsüchtigen Land.

Daß es aber weit darüber hinaus um bloße Einsparungen und damit verbundene Nivellierungen geht, zeigen die Neuregelungen auf dem Gebiet der Lehrtätigkeit des Hochschulpersonals. Ich wende mich damit kritisch der künftigen Ausgestaltung der Lehrverpflichtung der Universitätslehrer zu. Dabei steht diese in bezug auf die Universitätsprofessoren außer Streit, und zwar nicht nur jene der bisherigen Professoren, sondern natürlich auch eine solche für die weithin gleichgestellten und künftig mit demselben Amtstitel beglückten Universitätsdozenten.

Was gilt aber für die nicht habilitierten Universitätsassistenten? – Wieder sei vorweg anerkannt, was problemlos ist: Insoweit Assistenten bereits bisher Lehraufträge erteilt worden sind, halte ich es für durchaus sachgerecht, diese Lehrtätigkeit auch in ihre Dienstpflichten aufzunehmen. Sind aber diese Lehraufträge früher gesondert remuneriert worden, so hat der Dienstgeber, der künftig die darauf entfallenden Kosten erübrigen will, die entsprechende Erweiterung der Dienstpflichten der Assistenten im Gehaltsrecht – wenn auch nur annähernd – ausgeglichen. Insofern übe ich keine Kritik am Dienstgeber, der auf eine von den budgetären Auswirkungen her kostenneutrale Neuregelung abzielte.

Ganz anderes gilt jedoch in der Sache selbst. Was mir unter fachlichen Qualitätskriterien hochschulpolitisch nicht mehr vertretbar erscheint, ist die Eröffnung von eigenverantwortlicher Lehre für Assistenten, die bloß zwei Semester an der Universität tätig geworden sind. Verstehen Sie mich erneut nicht falsch: Aufgrund meiner eigenen langjährigen Tätigkeit als Assistent und auch als damaliger anerkannt engagierter Mittelbauvertreter bin ich frei von jeglichem professoralem


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Dünkel. Meine Kritik richtet sich daher auch keineswegs gegen die Betrauung eines Assistenten mit Lehraufgaben, der bereits zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Bestellung eine entsprechende fachliche Lehrerfahrung nachweisen kann – dabei handelt es sich aber um einen im Gesetz ausdrücklich geregelten Ausnahmefall. Davon jedoch abgesehen, also im Normalfall von einem Anfänger in dieser Laufbahn anzunehmen, daß dieser bereits nach zwei Semestern die entsprechende Eignung aufweist, entbehrt jeder Begründung und widerspricht auch aller Erfahrung.

Zu bedenken ist dabei auch noch zweierlei: Zum einen läßt sich die didaktische Begabung eines Bewerbers bei der Erstaufnahme als Assistent ja nicht ohne weiteres erkennen, und sie ist auch bei bloßer Mitwirkung – wenn es wirklich bloß unterstützende Mitwirkung ist – an eigenen Lehrveranstaltungen des Professors oder Dozenten binnen zweier Semester nicht stets ausreichend oder gar abschließend zu beurteilen.

Zum anderen ist der Assistent zwar bis zur Ausübung eigenverantwortlicher Lehrtätigkeit zur Mitwirkung an Lehrveranstaltungen eines Professors oder Dozenten heranzuziehen, danach ist er aber zu einer solchen Mitwirkung überhaupt nicht mehr verpflichtet. Soll aber dann der Professor, dem der betreffende Assistent zugeteilt worden ist, für dessen kurzfristiges Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis sorgen, sei es, weil er ihn für didaktisch nicht genügend befähigt hält – obwohl er ihn unter Umständen im übrigen als Mitarbeiter schätzt und eventuell für wissenschaftlich begabt erachtet –, sei es, weil er im Blick auf den Massenbetrieb einer Entlastung durch die Mitwirkung eines Mitarbeiters im Lehrbetrieb bedarf und daher in kurzen Abständen auf jeweils neu einzustellende Assistenten angewiesen ist. Meinen die Gesetzesverfasser im übrigen etwa gar, daß es keiner allgemeinen pädagogischen wie auch spezifisch fachdidaktischen Einübung und Erfahrung bedarf, um selbständig zu lehren, und daß es dazu auch keiner eigenen wissenschaftlichen Leistungen bedarf, die ja im Regelfall noch nicht erbracht sind, wenn nicht einmal auf die Erlangung des Doktorats abgestellt wird? Wie verhält sich das ferner zum hochschulpolitisch unverzichtbaren Prinzip der Einheit von Forschung und wissenschaftlicher Lehre?

Zumeist wird es den jungen Assistenten auch an jeder facheinschlägigen Praxis fehlen, obwohl doch in den letzten Jahren in zunehmendem Maße gerade der verstärkte Praxisbezug des Studiums eingefordert wird.

Alles in allem: Sieht die gegenwärtige Wissenschaftspolitik der Bundesregierung nicht – oder will sie es nicht sehen? –, daß wir uns – freilich auch durch die unzumutbaren Rahmenbedingungen – immer mehr vom fachlichen Niveau einer echten Universität, die der wissenschaftlichen Berufsvorbildung dient, auf jene einer gehobenen Fachschule mit anspruchslosen und vordergründigen Ausbildungszielen hinbewegen?

Nach meinem Eindruck war somit die vorliegende Novelle von vornherein gar nicht bestrebt, die wissenschaftliche und didaktische Qualität der universitären Lehre zu verbessern oder auch nur aufrechtzuerhalten. Vielmehr ging es offensichtlich allein darum, Einsparungen im Bereich des Wissenschaftsressorts zu erreichen oder zumindest die Kosten der Ausbildung ungeachtet weiter steigender Hörerzahlen auf dem bisherigen Stand einzufrieren – denn Assistentenstunden sind ja trotz aller Egalisierungsbestrebungen derzeit immer noch billiger als Dozenten- oder Professorenstunden.

Daß all das nur um den Preis eines erheblichen Qualitäts- und Niveauverlustes der universitären Ausbildung gelingen kann, wurde offensichtlich in Kauf genommen. – Schlimm genug!

Ich befürchte indes, daß es nicht einmal bloß um die Senkung oder Deckelung der Kosten des Studienbetriebes gegangen ist – wofür ich noch gewisses Verständnis hätte –; vielmehr wohl auch um einen höchst bedenklichen Nebeneffekt: die weitere Nivellierung des Bildungswesens. Scheuen doch inzwischen die Verantwortlichen nicht einmal davor zurück, sich öffentlich und ausdrücklich dazu zu bekennen, daß sie in einer egalitären Struktur der Hochschule und ihres Lehrkörpers einen Fortschritt erblicken. Im – allein schon von den finanziellen und sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen her – verfehlten Vergleich mit US-amerikanischen Universitäten erhofft man sich daraus sogar einen Gewinn für die Forschung. Demgegenüber lasse ich es


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offen, ob das echter Glaube aufgrund ideologischer Voreingenommenheit oder politisch motivierte Aussage wider besseres Sachwissen ist.

Nur noch zur Abrundung halte ich fest, daß das neu etablierte System der gehaltsrechtlichen Bewertung der Lehrtätigkeit äußerst kompliziert und praxisfremd ist. Soll es nicht unvollziehbar bleiben, wird es hohen bürokratisch-administrativen Aufwand erfordern. Der vermehrte Personalbedarf dafür wird aus dem ohnehin stagnierenden, de facto also reduzierten, Hochschulbudget zu tragen sein und damit weiter zu Lasten von Lehre und Forschung gehen. Die vorgesehenen Einstufungen sind zudem leistungsfeindlich und vermutlich auch gleichheitswidrig, weil erhöhte Lehrtätigkeit mit degressivem Entgelt negativ honoriert wird.

Nicht zuletzt weise ich auf folgenden Umstand hin: Da eben jene Universitätslehrer – also Assistenten und Dozenten –, deren Lehrtätigkeit in ihrem Gehalt Niederschlag findet, mit Lehraufträgen nur nach Maßgabe der budgetären Bedeckbarkeit zu betrauen sind, kann sich wohl jeder, der mit dem Hochschulalltag im Zeichen der Mitbestimmung vertraut ist, die daraus erwachsenden fakultäts- und institutsinternen Verteilungskämpfe schon heute lebhaft vorstellen.

Es liegt mir fern, die zu erwartenden und auf der Hand liegenden Auswirkungen dieser Gesetzesvorlage zu dramatisieren. Ehrlich bin ich aber davon überzeugt, daß mit ihm ein weiterer Schritt zum Abbau der Universität als wissenschaftlicher Bildungsanstalt gesetzt wird. Mit ihm versucht die gegenwärtige Wissenschaftspolitik offensichtlich, den längst an die Grenzen der Finanzierbarkeit gestoßenen Studienbetrieb an den Massenuniversitäten äußerlich aufrechtzuerhalten. Das aber um den meines Erachtens allzu hohen Preis der Einebnung ihrer inneren Strukturen und eines Verlustes an Qualität der Lehre, die dann nicht mehr als wissenschaftliche Vorbildung gelten kann. Einem solchen Vorhaben können und werden wir unsere Zustimmung nicht erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.39

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johann Payer. Ich erteile es ihm.

14.39

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn auf unsere Ausschußberatungen Bezug nehmen. Die zuständige Beamtin im Ausschuß – und ich sage das hier im Plenum – hat in dieser schwierigen Materie ganz ausgezeichnet argumentiert. Sie war sehr objektiv, sie hat das ganz exzellent gemacht, sie war eine Fachfrau.

Ich sage das, weil schon öfters – und vielleicht kommt es auch heute wieder vor – Kritik geübt wurde, vor allem bei Nichterscheinen von beamteten Auskunftspersonen.

Zweitens: Ich stelle fest, daß die Novelle zum Hochschullehrer-Dienstrecht auf eine sehr lange Diskussion – schon seit den achtziger Jahren – zurückgeht.

Drittens: Es war ein schwieriger Kompromiß. Das Problem beim Dienstrecht besteht darin, daß es auf der einen Seite ein von Dienstgeber- und Dienstnehmervertretern ausgehandeltes Ergebnis gibt, und auf der anderen Seite stehen das Parlament und die Abgeordneten, die sich natürlich selbst eine Meinung über das Gesetz bilden. Daß es dabei zu Abweichungen zwischen den beiden Gruppen gekommen ist, ist an sich nichts Verwerfliches. Es wird aber notwendig sein, Erfahrungen zu sammeln und permanent Gespräche darüber führen.

Eine Neukonzeption des gesamten Dienstrechtes ist meiner Meinung nach notwendig. Diese Neukonzeption dient vor allem der Unterstützung der Dienstnehmer, die sich einer unübersehbaren Fülle von Regelungen gegenüber sehen.

Meine Damen und Herren! Der Kompromiß war vor allem deshalb so schwierig zu finden, weil er unter der Prämisse stand, kostenneutral zu sein. Das heißt, die Neuregelung der Lehrverpflichtung der Universitätsassistenten und Vertragsassistenten konnte nur erfolgen, ohne budgetäre Auswirkungen nach sich zu ziehen. Trotzdem bringt diese Novelle Vorteile für die Assistenten


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mit sich. Es wird per Gesetz anerkannt, daß die Lehrtätigkeit zum normalen Dienstbetrieb eines Assistenten oder einer Assistentin gehört und während der Dienstzeit zu erledigen ist.

Weiters kommt es zur Schaffung einer dienstrechtlich einheitlichen Kategorie eines Universitätsprofessors im Beamtendienstverhältnis und eines Vertragsprofessors bei gleichzeitiger besoldungsrechtlicher Differenzierung. Künftig gibt es eine einheitliche Regelung für alle Universitätsprofessoren bei Erreichung der Altersgrenze für das Ausscheiden aus dem aktiven Dienstverhältnis. Es kommt zu einer Erweiterung des Anspruchs auf ein beziehungsweise zwei Forschungssemester für akademische Funktionäre an Universitäten nach dem UOG 1993 und an Hochschulen künstlerischer Richtung. Es kommt außerdem zu einer Abdeckung einer allfälligen pensionsrechtlichen Versorgungslücke für den Fall einer Dienstunfähigkeit während der ersten fünf Dienstjahre eines Universitätsprofessors.

Aus diesen Gründen wird meine Fraktion gegen diese Gesetzesvorlage keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.44

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Alfred Schöls. Ich erteile es ihm.

14.44

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Hoher Bundesrat! Die heute vorliegenden Novellen, die der Nationalrat am 9. Juli beschlossen hat, haben bei den Verhandlern im Bereich des Hochschullehrer-Dienstrechtes in der Vergangenheit zu sehr viel Verunsicherung geführt. Man hatte manchmal den Eindruck, bei diesen Novellen handelt es sich um eine "never ending story".

Gestatten Sie mir, daß ich noch einmal in Erinnerung rufe, warum es gerade von seiten der Dienstnehmervertretung Ängste – und ich glaube, berechtigte Ängste – gegeben hat. – Durch das Strukturanpassungsgesetz hat es für alle Österreicherinnen und Österreicher entscheidende Verschlechterungen in vielen Bereichen gegeben. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist richtig!) Der öffentliche Dienst hat aber zusätzlich zum Strukturanpassungsgesetz in der legendären Nacht des Opernballs vom 16. auf den 17. Februar in Form eines Sonderopfers von 17 Milliarden Schilling weitere Verschlechterungen in Kauf nehmen müssen, und das hat letztlich dazu geführt, daß es sich bei den Verhandlungen – ich sage es einmal salopp – ein bißchen gespießt hat.

Vielfach wird der Eindruck vermittelt, bei den öffentlich Bediensteten handelt es sich tatsächlich um Arbeitnehmer, für die Pensionen in Höhe von 20 000 oder 30 000 S eine Selbstverständlichkeit sind. Übersehen wurde, daß gerade im Zuge dieser einschneidenden Regelungen im Jahr 1996 2 700 S an Gehaltsaufbesserung und im Jahr 1997 3 600 S an Gehaltsaufbesserung erfolgten, sodaß natürlich viele aus diesem Kreis gesagt haben: Jetzt ist es genug, wir wollen im dienstrechtlichen Bereich keine weiteren Verschlechterungen mehr.

Ich möchte an dieser Stelle allen Verantwortungsträgern in der Sozialpartnerschaft dafür danken, daß es schlußendlich doch noch gelungen ist, einen Kompromiß zu finden. Und es wurde schon einige Male darauf hingewiesen, daß eine Reihe von berechtigten Fragen noch offen ist, aber ein Kompromiß bringt es eben mit sich, daß jeder auf einen Teil seiner Forderungen verzichtet.

Ich glaube aber, Hohes Haus, gerade diese Kompromißfähigkeit zeichnet die österreichische Sozialpartnerschaft aus. Und wenn ich mir anschaue, wie in anderen Ländern arbeitsrechtliche Differenzen ausgetragen werden, so ist es mir persönlich noch allemal lieber, wenn in einer zusätzlichen Verhandlungsrunde von einem Verhandlungsteilnehmer vielleicht ein Bleistift in der Aufregung zerbissen wird, als daß wir unsere unterschiedlichen Positionen auf der Straße austragen und es brennende Autos, zerschlagene Auslagenscheiben und ähnliches gibt.

Ich glaube daher, es ist auch in dieser Frage den Verhandlern beider Seiten ein Kompliment auszusprechen, und ich würde mir wünschen, daß sich – gestatten Sie mir diesen Sidestep weg


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vom Hochschullehrer-Dienstrecht – gerade in der jetzt laufenden Diskussion über die Pensionsreform tatsächlich alle der Sachkompetenz der Sozialpartner bewußt sind.

Diese Bitte richte ich an die Verhandler in den Regierungsparteien genauso wie an jene in den Oppositionsparteien. Diese Bitte richtet sich an selbsternannte Experten genauso wie an tatsächliche, und diese Bitte richtet sich auch an Meinungsbilder, denn es ist kein Zeichen der Schwäche, wenn eine Verhandlungsrunde zusätzlich eingesetzt wird und ein einmal zufälligerweise vorgegebener Endtermin nicht eingehalten werden kann. Was zählt, ist das Ergebnis. Und daher, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird meine Fraktion dem vorliegenden Entwurf die Zustimmung erteilen.

Natürlich ist uns bewußt, daß es das Endziel sein muß, ein eigenständiges Dienstrecht für den Hochschullehrerbereich zu schaffen. Das ist auch der Grund, warum vom Nationalrat eine Frist von drei Jahren gesetzt wurde, um dieses eigenständige Dienstrecht für den Bereich der Hochschullehrer zu erreichen, und es ist zu bedenken, daß die Gespräche und die Ergebnisse nicht übers Knie gebrochen werden dürfen.

In den vorliegenden Novellen sind bereits einige wesentliche Verbesserungen enthalten. Ich erwähne nur – ich sehe das durchaus positiv –, daß wir durch die Kreativität an den österreichischen Universitäten, durch ein – ich nenne es einmal so – Sponsoring die Möglichkeit bekommen, Professoren auf Zeit einzusetzen.

Ich glaube auch, daß die Assistenten mit der nun für sie vorhandenen Situation durchaus zufrieden sein können. Die totale Zufriedenheit gibt es nie, das ist uns bewußt, aber es ist ein entscheidender Schritt in Richtung einer weiteren Verbesserung.

Ich meine auch, daß wir dem Ziel nähergekommen sind, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu bezahlen, vor allem wenn ich daran denke, daß die außerordentlichen den ordentlichen Professoren gleichgestellt werden. Es gäbe noch eine Reihe von Punkten anzuführen, etwa die jetzt doch erfolgte Lösung in der Frage der Emeritierung, die mich persönlich und meine Fraktion dazu veranlassen, dieser Dienstpragmatiknovelle die Zustimmung zu erteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.52

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kunstförderungsgesetz geändert wird (738 und 826/NR sowie 5512/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Kunstförderungsgesetz geändert wird.


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Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Anton Hüttmayr übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Anton Hüttmayr: Hoher Bundesrat! Die wirtschaftliche Lage der Kunstschaffenden, vor allem der Schriftsteller, läßt es nicht nur aus kulturpolitischen, sondern auch aus sozialen Gründen gerechtfertigt erscheinen, den Förderungscharakter der Stipendien in vollem Umfang zu erhalten und diese Stipendien den Künstlern ungeschmälert zukommen zu lassen.

Derzeit sind nämlich nur Bezüge oder Beihilfen aus öffentlichen Mitteln oder aus Mitteln eines durch Bundes- oder Landesgesetz eingerichteten Fonds für eine Tätigkeit im Ausland, die der Kunst, der Wissenschaft und der Forschung dient, von der Einkommensteuer befreit.

Im Hinblick auf laufende Veranlagungsverfahren ist eine Rückwirkung der Steuerbefreiung ab dem 1. Jänner 1991 vorgesehen. Aufwendungen und Ausgaben, die im Zusammenhang mit diesen Stipendien stehen, sind steuerlich nicht absetzbar.

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Grillenberger. Ich erteile es ihm.

14.54

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Kunst soll allen Menschen in unserem Land in gleichem Maße zugänglich sein, und daher sollen für die Kunst im Staat auch immer wieder die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Jeder Gesellschaftswandel hat bekanntlich auch Auswirkungen auf das herkömmliche Kulturleben. Eine wache Kulturpolitik im Staat muß diese Veränderungen registrieren, versuchen, über die Veränderungen und ihre Auswirkungen auf Teilbereiche des kulturellen Lebens Rechenschaft zu geben und auf die neuen Probleme Antworten zu suchen und zu finden.

Ein Ergebnis ist die Änderung des Kunstförderungsgesetzes. Meine Damen und Herren! Mit dieser Änderung ist es nun möglich, daß Stipendien und Preise des Bundes und der Länder von der Einkommensteuer befreit werden, ja sogar bis in das Jahr 1991 zurück soll dies möglich sein. Und ich meine, es ist ein für die Kunstschaffenden gutes Gesetz, da die Preise und Stipendien, die vom Bund oder den Ländern vergeben werden, nicht vom Staat selbst dadurch reduziert werden, daß sie der Einkommensteuerpflicht unterliegen.

Eine zeitgemäße Kunstpolitik muß daher die Verbreitung des kulturellen Lebens unterstützen und fördern. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Wir sollten uns immer bemühen, den Gedanken der Erneuerung des kulturellen Lebens im Lande zu realisieren. Es geht darum, daß wir nicht nur den Wohlfahrtsstaat und die Wohlfahrtsstaatsgesellschaft erhalten und sichern, sondern auch eine zeitgemäße Kunstpolitik unterstützen, denn die für eine lebendige Kunst notwendige Freiheit soll nicht von den ökonomischen Rahmenbedingungen abhängen. Kunst soll allen Menschen in diesem Land im gleichen Maße zugänglich und gleich viel wert sein – speziell Österreich als kultureller Staat.

Meine Fraktion wird diesem Gesetz natürlich die Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Schaufler. )


Bundesrat
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14.56

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile es ihm.

14.56

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich kann meine Ausführungen sehr kurz halten, weil Kollege Grillenberger das Wesentliche bereits gesagt hat.

Wir haben im Kunstförderungsgesetz die etwas unbefriedigende Regelung gehabt, daß die Stipendien der Einkommensteuerpflicht unterlegen sind, damit war natürlich der Förderungszweck beeinträchtigt. Mit der Änderung, die jetzt durchgeführt wird, werden diese Stipendien steuerfrei gestellt. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß sich diese Regelung auch auf Preise bezieht, die unter vergleichbaren Voraussetzungen von nationalen oder internationalen Förderungsinstituten vergeben werden.

Ich glaube, daß wir mit dieser kleinen Änderung etwas für die Künstler in diesem Land getan haben. – Meine Fraktion wird diesem Gesetz die Zustimmung geben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ramsbacher. – Bitte.

14.57

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Da sich meine beiden Vorredner relativ kurz gefaßt haben, werde ich das auch machen.

Auch die Fraktion der Freiheitlichen wird dem vorliegenden Gesetz ihre Zustimmung geben. Wir möchten uns beim Herrn Staatssekretär dafür bedanken, daß er in dieses Gesetz auch die freiheitlichen Vorstellungen 1: 1 eingebracht hat.

Ich darf einen Teil unseres gemeinsamen Entschließungsantrages hier vorbringen, damit die wenigen im Saal verbliebenen Bundesräte wissen, was wir miteingebracht haben.

Die Diskussion um die geeigneten Finanzierungskonzepte von Kunst und Kultur in Österreich bestimmt seit Jahren die österreichische Kulturpolitik. Die zentrale Frage stellt sich aber nach wie vor: Wie sehen die Zielvorgaben für künftige kulturpolitische Maßnahmen aus? – Eines steht aus der Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte außer Zweifel: Ohne den entscheidenden Kurswechsel bleibt die österreichische Kulturpolitik intransparent, von öffentlichen Subventionen und der politischen Entscheidungsbefugnis abhängig. Den Ausweg aus der Krise kann nur eine dringend notwendige Reform der österreichischen Kunstförderung bewerkstelligen.

Das derzeit bestehende Subventionsmonopol der öffentlichen Hand führt zu offenen und versteckten Abhängigkeiten der österreichischen Kulturschaffenden. Während in Österreich der Begriff des "Staatskünstlers" nach wie vor seine Berechtigung hat, erkennt man im Ausland bereits den Vorteil und die positiven Ergebnisse einer zunehmend privaten Kunstförderung, dem Sponsoring. Das bedeutet weniger Staat und mehr privat, eine Subventionseinschränkung der Bundeskunstförderung Zug um Zug mit einer steuerlichen Anerkennung privater Kunstausgaben als Sonderausgaben, wobei vor allem oder unter anderem zeitgenössische Kunst davon betroffen sein sollte.

Ich möchte die Aussagen, die der Herr Staatssekretär im "Standard" gemacht hat, gar nicht wörtlich zitieren. Wir werden unsere Zustimmung erteilen und bedanken uns dafür, daß wir hier gemeinsam einen Antrag einbringen konnten. – Danke sehr. (Allgemeiner Beifall.)

14.59

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Wittmann. – Bitte.

15.00

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz, die Stipendien und Preise von der Besteuerung auszunehmen,


Bundesrat
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wurde von allen Parteien gewollt und gewünscht. Ich glaube, daß das richtig ist, weil es jene trifft, die ohnehin kaum lebensfähig sind, wenn sie derartige Preise oder Besteuerungen nicht bekommen. Und wieso sollen wir auf der einen Seite fördern und auf der anderen Seite wieder davon Steuern einheben?

Grundsätzlich muß ich zu den letzten Ausführungen folgendes sagen: Ich finde den Begriff "Staatskünstler" nicht angebracht und möchte mich ausdrücklich gegen eine derartige Wortwahl verwahren. Es käme niemand auf die Idee, einen Betrieb, der eine Förderung bekommt, einen verstaatlichten Betrieb zu nennen. (Bundesrätin Ramsbacher: Aber eine Abhängigkeit der Künstler ist sicherlich gegeben!) "Staatskünstler" ist ein Begriff, der die Künstler eher herabsetzt, und ich glaube, es ist nicht notwendig, im Bereich der Kunst diesen zu verwenden. Ich glaube nicht, daß man mit 5 000 S oder 10 000 S Förderung eine Abhängigkeit vom Staat erzeugen kann. Das sollte man einmal festhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube aber auch, daß es keine Abkehr von der Bundeskunstförderung geben kann. Österreich ist ein Land mit 7 Millionen Einwohnern, daher sind die wirtschaftlichen Strukturen nicht vorhanden, daß sich der Staat von der Kunst- und Kulturförderung verabschieden könnte, sondern ich glaube, daß sowohl das eine seine Berechtigung hat, aber auch das andere durchaus zu überlegen und zu diskutieren ist.

Ich kann mir nicht vorstellen, und ich trete vehement dagegen auf, daß sich der Staat von seiner Verantwortung für die Kunstförderung verabschieden kann. Ich trete dafür ein, daß der Staat zumindest in der gleichen Höhe wie bisher diese Förderungsaufgabe übernehmen muß, weil wir nicht über jene wirtschaftlichen Strukturen und auch nicht über jenes Instrumentarium verfügen, daß hier ein gleichwertiger Ersatz geschaffen werden kann. Das heißt: ein klares Bekenntnis zur Förderung der Kunst durch den Staat.

Es ist eine Errungenschaft im Sinne der Künstler, daß es uns gelungen ist, für das nächste und auch übernächste Jahr die Kunstförderung auf gleichem Niveau zu halten. Ich glaube, daß auch dieses Gesetz dazu beiträgt, weiterhin den Künstlern in diesem Staat mehr Sicherheit zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

15.03

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Von der Berichterstattung wird auch kein Schlußwort gewünscht.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einbringung der Anteilsrechte des Bundes an den Bundesstraßengesellschaften in die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft und der Einräumung des Rechts der Fruchtnießung zugunsten dieser Gesellschaft (ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997) erlassen und mit dem das ASFINAG-Gesetz 1982, das BIG-Gesetz, das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz, das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996, das Bundesministeriengesetz 1986, das Bundesge


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setz betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften und das Bundesfinanzgesetz 1997 geändert werden (Infrastrukturfinanzierungsgesetz 1997) (698, 765 und 828/NR sowie 5513/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einbringung der Anteilsrechte des Bundes an den Bundesstraßengesellschaften in die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft und der Einräumung des Rechts der Fruchtnießung zugunsten dieser Gesellschaft (ASFINAG-Ermächtigungsgesetz 1997) erlassen und mit dem das ASFINAG-Gesetz 1982, das BIG-Gesetz, das Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz, das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996, das Bundesministeriengesetz 1986, das Bundesgesetz betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften und das Bundesfinanzgesetz 1997 geändert werden (Infrastrukturfinanzierungsgesetz 1997).

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Erhard Meier übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Erhard Meier: Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli betreffend das Infrastrukturfinanzierungsgesetz 1997. Der Text liegt Ihnen allen vor, sodaß ich auf die vollständige Verlesung verzichten werde.

Der vorliegende Beschluß enthält im Artikel II § 12 Abs. 3 eine Grundsatzbestimmung. Da die Frist für die Erlassung von Ausführungsgesetzen mit sechs Monaten bestimmt ist, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 15 Abs. 6 B-VG.

Artikel I §§ 1, 2, 5, 7, 9 und 11, Artikel II Z 3 und 4, Artikel III Z 1, Artikel IV und Artikel V Z 2 des gegenständlichen Beschlusses unterliegen gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Einspruchsrecht des Bundesrates.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Eisl. – Bitte.

15.05

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Frau Präsidentin! Diese Novellierung ist notwendig geworden, um die Maastricht-Kriterien zu erreichen, um das Budget zu sanieren. "Sanieren" wäre an sich ein positiver Ausdruck, in Wahrheit aber handelt es sich um eine "Frisur", die man vornehmen muß. Und diese geht nicht zuletzt auch auf Kosten der Länder.

Die Gründung der ASFINAG beziehungsweise die Übernahme der ASFINAG ist in Wahrheit seit Jahren eine schlechte Vision. Es hat einmal schon sechs Sondergesellschaften in Österreich gegeben, wobei zu sagen ist, daß die Länder in diesen Jahren immer in der Lage waren, den Straßenbau und die -erhaltung bis hin zur Schneeräumung lückenlos durchzuführen. Die Diskussion darüber, die Straßenerhaltungen den Ländern zu übertragen, war längst abgeschlossen. Jetzt aber kommt eine neue Version auf die Länder zu: Sie sollen nach dem neuen Gesetz einen privatrechtlichen Vertrag mit der ASFINAG abschließen, um weiterhin die Garantie zu haben, daß sie die Straßenerhaltung so wie bisher durchführen können.

Alle Länder haben für den Bereich der Straßenverwaltung ausreichend Personal eingestellt, Maschinen angeschafft und investiert. Es ist so, daß in den abgelaufenen Jahren die Sonderge-sellschaften praktisch parallel zu den Landesstraßenverwaltungen als Konkurrenz fungiert haben. Eine Zusammenlegung war nicht möglich, obwohl viele Länder ohne zusätzliche Investi


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tionen und Personaleinstellungen leicht in der Lage gewesen wären, diese Aufgaben mit zu übernehmen.

Die Salzburger Landesregierung und auch andere Landesregierungen haben zum ASFINAG-Gesetz dahin gehend Bedenken, daß, wenn beispielsweise die Europäische Gemeinschaft einen Einspruch erwirken und den Vertrag aufkündigen sollte, dann die Landesregierungen praktisch verpflichtet wären, die pragmatisierten Straßenverwaltungen weiterzuführen, ohne eine Aufgabe für sie zu haben.

Das zweite, was mit diesem Gesetz nicht gelöst werden konnte – es gab schon Diskussionen im Ausschuß –, war das Problem der Maut. Die Tiroler als auch die Salzburger haben auf diesem Gebiet gerade jetzt, wo der Fremdenverkehr zusammenbricht, eine sehr schlechte Position. Der Landeshauptmann von Salzburg ist vorstellig geworden, er wollte, daß zumindest für das Stück vom Walserberg bis zur Ausfahrt Nord keine Vignettenpflicht besteht. Bis zur Ausfahrt Nord wäre es natürlich ein Stück weiter gewesen, aber dort wäre auch der Anschluß für das Salzkammergut. Das wurde leider abgelehnt. Deshalb hat die Salzburger Landesregierung mit allen Parteien einstimmig diese ASFINAG-Lösung abgelehnt, weil gewisse Punkte nicht erfüllt worden sind.

Wenn die Bundesregierung dem Wunsch der Länder Rechnung getragen hätte, nämlich die Garantie zu übernehmen, daß bei einer jeweiligen Aufkündigung des Vertrages mit der ASFINAG durch die EU ein anderer zum Zug kommt, dann wäre dies auch im Sinne der Länder gewesen. Das aber hat leider nicht stattgefunden. Deswegen werden wir dieser Fusionierung und diesem Vertragswerk keine Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jaud. – Bitte.

15.10

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Mit diesem vorliegenden Infrastrukturfinanzierungsgesetz beschließen wir nach meiner Auffassung eine ganz bedeutende Änderung im Bereich der Bundesverwaltung. Durch die Gründung dieser neuen ASFINAG entstehen völlig neue und geänderte Verwaltungsstrukturen. Es wird deshalb von ganz besonderer Bedeutung sein, Herr Minister, mit welchen Personen der Vorstand dieser neuen Aktiengesellschaft besetzt wird. Ich erwarte mir von dieser Konstruktion auch einen starken Privatisierungsimpuls innerhalb der Bundesstraßenverwaltung.

Natürlich haben in Zukunft auch das Finanz- und das Wirtschaftsministerium alle Fäden der Gesellschaft in der Hand, aber allein die Verpflichtung, daß die neue Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft mehr als 50 Prozent ihrer Einnahmen auf dem freien Markt erwirtschaften muß, wird längerfristig und zwangsläufig zu erhöhter Wirtschaftlichkeit führen und auch das Wirtschaftsdenken fördern.

Weil die Schulden des Bundes zu hoch sind, wie mein Kollege Eisl bereits sagte, um die Konvergenzkriterien für den Beitritt zur Europäischen Währungsunion zu erreichen, müssen wir nach Möglichkeiten suchen, diesen Schuldenstand zu verringern, wenn wir in die Europäische Währungsunion eintreten wollen. Dafür können in allen öffentlichen Verwaltungen die Schulden von Wirtschaftsbetrieben oder wirtschaftsähnlichen Betrieben ausgegliedert werden. Für diese Schulden hat die öffentliche Hand lediglich die Haftung zu übernehmen.

Diese Methode der Budgetbereinigung wird übrigens nicht nur in Österreich, sondern in fast allen Ländern der Europäischen Union angewendet. Die nach den Konvergenzkriterien auszuweisenden Schulden des Bundes werden mit diesem vorliegenden Gesetz um 78 Milliarden Schilling verringert.

Durch die Änderung des Bundesimmobiliengesetzes und des Schieneninfrastrukturgesetzes werden die Schulden dieser Gesellschaften nicht der neuen ASFINAG angelastet oder an diese übertragen.


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Eine besonders begrüßenswerte Neuerung in diesem Gesetz ist die kostenlose Ausgabe von Jahresvignetten an behinderte Personen. Die Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen erteilen für jene Fahrzeuge, die auf Behinderte ausgestellt sind, kostenlos die Jahresvignette. Mit diesem Gesetz wird auch die Regelung betreffend die Wochenvignette derart geändert, daß sie ab dem Datum der Ausstellung für zehn aufeinanderfolgende Kalendertage Gültigkeit hat und nicht wie bisher für einen fest geregelten Zeitabschnitt.

Die Befreiung von der Vignettenpflicht für den Autobahnabschnitt Kufstein-Grenze bis Kufstein-Süd wurde mit dem vorliegenden Gesetz leider nicht vorgenommen. Nach der derzeitigen Rechtslage kann aber für diesen Autobahnabschnitt kein Autofahrer zum Kauf einer Vignette verpflichtet werden. Es ist nicht so, daß in diesem Bereich Autos ohne Vignette derzeit nur geduldet und deren Lenker nicht gestraft werden, sondern es besteht für diesen Teilabschnitt keine Vignettenpflicht. Die Tafel, welche die Vignettenpflicht vorschreibt, ist erst beim Autobahnanschluß Kufstein-Süd angebracht.

In der vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Verkehrsuntersuchung über kritische Ausweichrouten steht: Die derzeitige Vignettenpflicht gilt erst ab Kufstein-Süd. Außerdem bestätigten im Wirtschaftsausschuß des Bundesrates die Juristen des Wirtschaftsministeriums, daß erstens die Vignettenpflicht erst ab Kufstein-Süd beginnt, weil dort das Ankündigungsschild für die Vignettenpflicht steht, und daß es zweitens in Österreich keine vergleichbare kurze Transitstrecke gibt wie jene zwischen Kufstein-Grenze und Kufstein-Süd.

Herr Minister! Ich rechne deshalb zuversichtlich damit, daß dieser Autobahnabschnitt in Kufstein auch in Zukunft von der Vignettenpflicht ausgenommen sein wird. Es sollte hier aber nicht verschwiegen werden, daß die Tiroler Landesregierung mit dieser Neuordnung keine besondere Freude hat.

Die Alpenstraßen AG mit Brenner- und Arlbergtunnel trägt einen sehr erheblichen Teil zur Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft bei. Wir in Tirol befürchten, daß sich die Möglichkeiten für Tirol, aus diesem Bereich dann Geld für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur zu erhalten, durch dieses neue Infrastrukturfinanzierungsgesetz eher verschlechtern als verbessern werden. Aber weil das Gesetz zur Erreichung der Konvergenzkriterien von so großer Bedeutung für Österreich ist, geben wir ihm auch im Bundesrat im Gesamtinteresse des Staates unsere Zustimmung.

Ein weiterer Punkt, der die Zustimmung der Länder erleichtert hat, ist der Abschluß eines Werkvertrages zwischen Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft und den Ländern, mit dem die Straßenerhaltung den Ländern übertragen wird. Ohne diesen Werkvertrag wäre es zu einer nicht wünschenswerten Zentralisierung und zur Gefährdung von eventuell 1 700 Arbeitsplätzen in den Ländern gekommen, die derzeit mit der Straßenerhaltung verbunden sind.

Des weiteren liegt eine schriftliche Zusicherung des Wirtschaftsministers und des Finanzministers an die Länder vor, daß ihnen im Falle von höheren Ausgaben diese vom Bund abgegolten werden. Diese Verhandlungen sind nicht immer ganz glatt vonstatten gegangen, es bedurfte auch einer Drohung der Länder mit einem Einspruch des Bundesrates, falls ihren Wünschen nicht Rechnung getragen wird.

Sehr geehrter Herr Minister! Wenn es gelingt, für die neue ASFINAG einen tüchtigen Vorstand zu installieren, dann bin ich überzeugt davon, daß mit diesem heute zu beschließenden Infrastrukturfinanzierungsgesetz eine neue Ära in der gesamten Bundesstraßenverwaltung angebrochen ist.

Ich glaube, daß mit diesem Gesetz eine gute Lösung der anstehenden Probleme gefunden wurde. – Die ÖVP gibt deshalb dieser Gesetzesvorlage gerne ihre Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.18


Bundesrat
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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Farthofer. – Bitte.

15.18

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nach einigen dogmatischen Überlegungen und regionalen wie auch personellen Wünschen, wie aus den Wortmeldungen zu hören war, nun einige inhaltliche Feststellungen.

Die ASFINAG wird durch die Auslagerung ihrer Kreditverpflichtung für die Hochbau- und Schieneninfrastrukturmaßnahmen mit Wirkung vom 1. Jänner 1997 entlastet. Im Bereich der Hochbaufinanzierungen werden die offenen Forderungen der ASFINAG an den Bund von der BIG übernommen. Die BIG tritt kraft Gesetzes mit 1. Jänner 1997 in die bestehenden offenen Verbindlichkeiten der ASFINAG aus der Finanzierung von Hochbauten des Bundes und in die Forderungen an den Bund ein. Zu diesem Zweck übernimmt die BIG die im Verrechnungskreis Hochbau per 31. 12. 1996 gegebenen Verbindlichkeiten und ausgewiesenen Forderungen der ASFINAG an den Bund in der Höhe von rund 5 Milliarden Schilling sowie die nachfolgenden, noch neu begründeten Verbindlichkeiten und Forderungen unter Berücksichtigung der ab 1. Jänner 1997 geleisteten Bundeszuschüsse. Dafür hat bis spätestens 31. 12. 1997 rückwirkend mit 1. 1. 1997 die Einräumung der Rechte der Fruchtnießung zu erfolgen, und zwar auf Liegenschaften, bei denen Bauinvestitionen über die ASFINAG erfolgen.

Im Bahnbereich wird im Zuge der Umstrukturierung der ASFINAG die ihr bisher aufgetragene Verpflichtung zur Finanzierung der Planung und des Baues von Eisenbahnen gemäß dem Hochleistungsstreckengesetz nunmehr per Gesetz bis zu einem Kostenbetrag von 23 Milliarden Schilling der Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesellschaft übertragen.

Gleichzeitig werden auch die von der ASFINAG in diesem Zusammenhang mit Zustimmung des Bundes eingegangenen Verpflichtungen sowie die entsprechenden Forderungen gegenüber dem Bund an die SCHIG übertragen. Im Bereich des Straßenbaues bringt der Bund nunmehr seine Mehrheitsanteile an den Bundesstraßengesellschaften Alpen Straßen AG, ASAG, als Sacheinlage in die ASFINAG ein. Es entsteht ein Konzern ASFINAG/Alpen Straßen AG und ÖSAG.

Hinsichtlich der Länderanteile an der Alpen Straßen AG und der ÖSAG treten keine Veränderungen ein.

Der Unternehmensgegenstand der ASFINAG wird dahin gehend geändert, daß er Finanzierung, Planung, Bau und Erhaltung des mautpflichtigen Bundesstraßennetzes, die Einhebung von Mauten und Benützungsentgelten sowie die Bedienung der bestehenden Verbindlichkeiten der ASFINAG aus dem Straßenbau umfaßt. Diese Aufzählung und Zuordnung umfaßt den gesamten Geschäftsbereich und alle Aufgaben des Straßenbaues.

Wir Sozialdemokraten werden dem die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat DDr. Königshofer. – Bitte.

15.21

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht auf all die akrobatischen Finanzleistungen eingehen, die hier praktiziert werden sollen, um einen weichen Euro zu erreichen, sondern ich möchte ganz konkret ein Tiroler Problem ansprechen, und zwar das Problem, das Kollege Jaud auch schon skizziert hat: die Autobahnstrecke auf der Inntal Autobahn von Kufstein-Grenze bis Kufstein-Süd.


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Es handelt sich dabei um ein sechs Kilometer langes Autobahnstück, das für Touristen – vor allem für Tagestouristen in den Raum Kitzbühel/Osttirol – notwendig ist, um dorthin zu gelangen und für den Fall, daß hier eine Vignettenpflicht besteht, auch die Gefahr entsteht, daß der Verkehr auf das niederrangige Straßennetz ausweicht, wovon vor allem die Stadt Kufstein betroffen wäre, weil Tausende Autos von Tagestouristen, die sich den Vignettenkauf ersparen wollen, im Winter durch die Stadt Kufstein rollen würden.

Es hat schon der damalige Wirtschaftsminister Ditz, als er in Tirol war, eine schriftliche Zusage gegeben, dieses Stück von der Vignettenpflicht auszunehmen, um das Ausweichen des Verkehrs auf das niederrangige Straßensystem zu verhindern. Auch Herr Wirtschaftsminister Dr. Farnleitner hat dieses Problem erkannt und gesagt, daß es sich um einen sehr sensiblen Bereich handelt und daß der Tourismus, vor allem der Tiroler Tourismus, ein besonderes Problem hätte, aber auch die Anrainer an dieser Strecke im Bereich Kufstein.

Nun ist es so geregelt, daß das Gesetz für diesen Bereich nicht geändert wurde, aber man über eine Vollzugsinterpretation dieses Straßenstück, diese sechs Kilometer, vignettenfrei stellt, indem die Kundmachung nicht durch eine Tafel an der Grenze erfolgt, sondern erst bei der Autobahnabfahrt Kufstein-Süd, wobei sich die Frage erhebt, was mit jemandem passiert, der die Vignette nicht an der Grenze kauft, über die Ausfahrt Kufstein-Süd weiterfährt und beim nächsten Parkplatz einer Kontrolle untergezogen wird.

Wir meinen, das widerspricht dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. (Bundesrat Payer: Das gilt in ganz Österreich! Da gibt es ja viele solche Straßenstücke!) Ja, ich rede jetzt über dieses. Sie können auch über burgenländische Straßenstücke reden. Es gibt mehrere Vignettenprobleme in Österreich. (Bundesrat Ing. Penz: Was wollen Sie damit aussagen! Das hat ja schon Kollege Jaud alles dargestellt!) Ich komme schon zum Punkt der Aussage, denn das, was jetzt kommt, hat Kollege Jaud nicht gesagt. Wir glauben nämlich, daß es dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit widerspricht, wenn man hier Pars pro toto sozusagen eine Lex imperfecta schafft. Vor allem kommt es der Rechtssicherheit für ausländische Gäste nicht entgegen, wenn hier ein solcher Modus vivendi zum Tragen kommt.

Wir hätten gern, daß man die Dinge über das Gesetz regelt. Wir halten es hier mit Professor Klecatsky, der immer gesagt hat, das Gesetz ist die Drehscheibe des Rechtsstaates. Außerdem wollen wir vor dem Ausland nicht als Bananenrepublik dastehen, indem wir sagen, wir haben zwar Gesetze, aber wir drücken bei der Vollziehung die Augen zu.

Aus diesem Grund hat der Tiroler Landtag am 2. Juli 1997 einen Entschließungsantrag gefaßt, der von allen Parteien unterstützt wurde und folgendermaßen lautet – ich zitiere –:

"Der Tiroler Landtag ersucht die Abgeordneten zum Nationalrat und die Mitglieder des Bundesrates, alle Maßnahmen zu setzen beziehungsweise Initiativen zu unterstützen, die eine einwandfreie rechtliche Grundlage für eine Mautfreistellung des Autobahnabschnittes Kufstein-Kiefersfelden bis Kufstein/Ausfahrt Süd sicherstellen."

Aus diesem Grund erlaube ich mir jetzt, einen Entschließungsantrag hier einzubringen, der folgendermaßen lautet:

Entschließungsantrag

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen betreffend Ausnahme von der Pickerlmaut für den Bereich Kufstein

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten wird aufgefordert, im Sinne der im Tiroler Landtag am 2. 7. 1997 beschlossenen Entschließung 186/97 eine einwandfreie rechtliche


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Grundlage für eine Mautfreistellung des Autobahnabschnittes Kufstein-Kiefersfelden bis Kufstein-Süd zu schaffen."

*****

Meine Damen und Herren! Im Sinne der Kufsteiner Bevölkerung und im Sinne des Tourismus in Tirol, dem es derzeit – so wie vielen anderen Tourismusbereichen Österreichs – nicht besonders gut geht, ersuche ich Sie, diesen Entschließungsantrag zu unterstützen. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten DDr. Königshofer und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Ausnahme von der Pickerlmaut für den Bereich Kufstein ist genügend unterstützt und steht demnach in Verhandlung.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, vor allen Dingen verehrte Kollegen! Da ich einen eindeutigen Hinweis bekommen habe, daß es hier herinnen schon wieder zu heiß ist, darf ich Ihnen sagen: Wer immer sein Sakko ausziehen möchte, kann natürlich so frei sein und dies tun. (Allgemeiner Beifall.)

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kaufmann. – Bitte.

15.28

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich glaube, das heute zur Beschlußfassung vorliegende Infrastrukturfinanzierungsgesetz beinhaltet viel mehr als nur die Frage der Umfahrung Kufstein. Ich glaube, daß in diesem Gesetz sehr maßgebliche Weichen für das nächste Jahrzehnt gestellt werden, und zwar insofern, als nunmehr die ASFINAG – eine Gesellschaft, die Ende der siebziger Jahre geschaffen wurde, also noch aus der Zeit Kreiskys stammt – auf eine neue Basis gestellt wird. Ich kann mich daran erinnern, daß wir selbst diese Auslagerung von Schulden und die langfristige Finanzierung kritisiert haben, aber nunmehr erhält die Gesellschaft auch echte Einnahmen, sie wird also zu einer echten privatwirtschaftlichen Gesellschaft. Daher glaube ich, daß mit der heutigen Beschlußfassung doch ein großer Fortschritt verbunden ist. (Bundesrat Eisl: Was ist das für eine Privatisierung?)

Kollege Eisl! Sie waren, glaube ich, eine Runde hinten, als Sie vorhin die Salzburger Landesregierung zitiert haben, denn in der Zwischenzeit gibt es eine verpflichtende Erklärung seitens des Finanzministers und des Wirtschaftsministers, die erklärt haben, daß sie bei zusätzlichen Belastungen aufgrund der Werkverträge ... (Bundesrat Eisl: Die haben schon viel erklärt! Was die schon alles erklärt haben!) Kollege Eisl! Ich glaube einem Minister oder zwei Ministern mehr als Ihnen in diesem Zusammenhang (Bundesrat Eisl: Das ist Ihnen freigestellt!) , und ich betrachte es als eine gewisse Rechtssicherheit, wenn zwei Organe des Staates hier gegenüber der Landesregierung erklären, daß der Bund, sollten Mehrbelastungen aufgrund der Werkverträge entstehen, diese übernehmen wird.

Es ist ganz interessant, daß diese Werkverträge noch viel mehr beinhalten, und auch Ansätze für Privatisierung darin enthalten sind, Herr Kollege! Man muß nicht unbedingt alles den Straßenverwaltungen übertragen, sondern man könnte auch privatwirtschaftliche Firmen zum Zuge kommen lassen. Das ist ein großer Fortschritt. Ich habe Verständnis dafür, daß wir auf Landesebene mehr als 1 000 Beamte bei den Straßenverwaltungen beschäftigt haben, aber wichtig ist der Ansatz, daß man auch private Firmen im Bereich der Straßenerhaltung und der Straßenverwaltung einsetzen kann.

Hinsichtlich der Werkverträge, die zwischen Bund und Ländern abgeschlossen werden, ist auch vorgesehen, daß 25 Prozent privat ausgeschrieben werden müssen, Kollege Eisl!

Meine Damen und Herren! Diese ASFINAG-Neu erhält den Fruchtgenuß auf 50 Jahre. Sie muß daher 78 Milliarden Schilling an Schulden übernehmen, quasi indirekt als Kaufpreis. Gerade die


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ASFINAG ist auch schon in der Zeit der kleinen Koalition zwischen SPÖ und FPÖ sehr stark in Anspruch genommen worden. Daher kann man nicht heute von der FPÖ den Vorwurf erheben, die Schulden, die hier aufgelastet wurden, seien Budgetschwindel oder eine Scheinreform, wie es immer wieder gesagt wurde.

Die Konstruktion, die hier geschaffen wurde, ist EU-konform; sie ist mit der EU abgesprochen. Sie ist quasi in der Form abgeschlossen worden, daß die ASFINAG-Neu eine geschlossene Verkehrsleistung anbieten kann. Das heißt, sie hat Planung, Bau und Betrieb des Hochleistungsstraßennetzes in Österreich durchzuführen.

Meine Damen und Herren! Mich wundert es, daß die Freiheitliche Partei gegen dieses Bundesstraßenfinanzierungsgesetz stimmt, weil darin doch zwei wichtige Punkte neu geregelt werden. Erstens wird – was den Fremdenverkehr sehr stark betrifft und was auch sehr vehement gefordert wurde – die Gültigkeitsdauer der Wochenvignetten nunmehr auf zehn Tage ausgedehnt, und zwar ohne festgelegten Beginn. Das heißt, es ist nun nicht mehr der Freitag fixiert, sondern man kann die zehn Tage frei wählen.

Zweitens werden Behinderte von der Jahresvignette ausgenommen. Wir werden das schon draußen propagieren, daß die Freiheitlichen anscheinend gegen die Behinderten sind, weil sie hier dagegen stimmen.

Ein Punkt, der mir weh tut, ist der Umstand, daß es zu keiner Lösung des LKW-Road-Pricing gekommen ist, ein Punkt, der vor allem Niederösterreich stark betrifft. Es besteht die Gefahr, daß es, wenn wir das LKW-Road-Pricing ohne internationalen Einklang einführen, zu einer Wettbewerbsverzerrung innerhalb Österreichs zwischen Ost und West kommt, daß vor allem die ländlichen Bereiche besonders durch Frachtkosten belastet werden. Es gibt Untersuchungen der Bundeswirtschaftskammer, die besagen, daß man mit zusätzlichen Belastungen in der Höhe von 20 Prozent rechnen kann, die sich mittelfristig auf die Preise und damit auf die Konsumenten auswirken werden.

Was mich als Wirtschaftsvertreter an dieser Sache stört, ist der Umstand, daß sich die Kosten vor allem bei längeren Fahrtstrecken, sprich über 700 Kilometer, auswirken werden und daß die Gefahr besteht, daß der einheitliche Wirtschaftsraum Österreich in einen Ost- und einen Westbereich zerfällt. Das würde bedeuten, daß einerseits die Tiroler und Vorarlberger Firmen nicht mehr zu entsprechenden Preisen in den Osten liefern könnten beziehungsweise umgekehrt Firmen aus dem Osten Österreichs nicht mehr nach dem Westen, und andererseits daß vor allem aus dem südbayrischen und aus dem italienischen Raum oder auch aus dem östlichen Raum die ausländische Konkurrenz billiger transportieren wird können, wodurch eine zusätzliche Konkurrenz entsteht.

Ich glaube daher, daß man – und dazu gibt es Gott sei Dank eine Arbeitsgruppe im Bereich der Bundesregierung – über das Für und Wider des LKW-Road-Pricing dringendst nachdenken muß. Man sollte dies nicht einführen, ohne den europäischen Gleichklang herzustellen – in dem Falle meine ich also nicht EU-Gleichklang, sondern europäischen Gleichklang, denn man muß auch an die Nachbarstaaten in der Ostregion denken. Ansonsten besteht die Gefahr, daß es verstärkt zu Kostenverzerrungen kommt und es vor allem – und das trifft Niederösterreich – in den Randregionen zu entsprechenden Kostenerhöhungen oder Preisdifferenzierungen gegenüber Zentralräumen kommen wird.

Daher mein dringendster Wunsch, daß wir raschest zu einer Klärung kommen, wie es mit dem LKW-Road-Pricing weitergehen soll. Ich möchte hier nochmals den Standpunkt der Wirtschaftskammer deponieren, und das ist nicht ein Standpunkt der Frächterlobby, sondern das ist der Standpunkt der gesamten Wirtschaft: Das LKW-Road-Pricing soll man nur dann einführen, wenn es in ganz Europa, einschließlich der Nachbarstaaten, zu einer gemeinsamen Lösung kommt.

Meine Damen und Herren! Mit dem heutigen Gesetzentwurf werden maßgebliche Weichen in Richtung Maastricht-Konformität gestellt. Es werden der ASFINAG neue Möglichkeiten im Rah


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men der Eigenfinanzierung geboten, sodaß meine Fraktion gerne die Zustimmung dazu erteilen wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesminister Dr. Farnleitner. – Bitte.

15.36

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Mit dem vorliegenden Gesetz wird die bisherige ASFINAG durch eine neue Gesellschaft abgelöst, die nur mehr die Straßenschulden zu verwalten hat. Die Bauschulden werden an die BIG übertragen, die Ermächtigung für die Eisenbahn bis zu einer Höhe von 23 Milliarden Schilling wird an die SCHIG übertragen. Damit ist es auch erstmals möglich, Kosten verursachergerecht zuzuordnen, und für den Fall der notwendigen Refinanzierung – also auch für eine Schuldenrückzahlungsstrategie – wird ein klarer und besserer Rahmen geschaffen. – Das zum einen.

Zum zweiten: Wir haben uns nach Kräften bemüht, die Länder stärker einzuschalten. Es war ursprünglich die Absicht, Planung und Erhaltung überhaupt den Ländern zu überlassen. Das ist nach den Rechenkreisen, die die EU erwartet, nicht möglich, daher haben wir den Ländern Werkverträge angeboten, die die ASFINAG erst am 31. 12. 2006, also in zehn Jahren, kündigen kann, während die Länder jährlich kündigen können. Zudem haben wir in den Werkverträgen selbst außerordentlich großzügige Gleitungen vorgesehen. Ich bitte jene, die das kritisiert haben, sich durch Einblick in diese Werkverträge davon zu überzeugen.

Daher besteht nicht die Gefahr, daß es hier zu irgendeinem Nichtpflegen oder zu irgendwelchen Verlusten kommt. Um jede Angst zu beruhigen, haben daher der Herr Finanzminister und ich noch einen entsprechenden Brief an die Herren Landeshauptleute geschrieben.

Zur Frage Kufstein: Ich glaube, daß dem Hohen Bundesrat deutlich gemacht werden muß, daß eine Sonderregelung für ein Land allein bei der bekannten geographischen Situation zum Beispiel in Vorarlberg, in Salzburg und an anderen Grenzübergängen zwar eine Denkmöglichkeit ist, aber klüger ist es, eine generelle Regelung vorzusehen. Für diese habe ich mit meinem Entwurf keine Mehrheit erhalten.

Es gibt jetzt einen Entschließungsantrag des Nationalrates, in dem ich aufgefordert werde, in nächster Zeit ein schengenkonformes Gesetz vorzulegen. Das heißt, daß alle Grenzübergänge, die Schengen-Grenzen sind oder – anders ausgedrückt – die nach dem Schengen-Übereinkommen keine Grenzen mehr sind, jedenfalls bis zur ersten Abfahrt vignettenfrei zu stellen sind. Ich habe vor, für den Raum Kufstein dann aufgrund der Vorschriften des Bundesstraßengesetzes – § 7, § 7a – aus Sicherheitsgründen die zweite Abfahrt vorzusehen. Ein derartiger Entwurf wird dem Nationalrat über die Regierung zugeleitet werden.

Ich bitte, hinsichtlich der Entschließungsanträge, die ich manchmal aus den Ländern erhalte, vielleicht den Kollegen in den Ländern einmal zu sagen, daß der Wirtschaftsminister gar nichts tun kann, wenn er nicht die Mehrheit im Parlament findet. Man macht es sich in manchen Dingen einfach zu leicht, wenn der Herr Wirtschaftsminister aufgefordert wird, etwas anzuschaffen. (Bundesrat DDr. Königshofer: Aber Minister Ditz hat eine schriftliche Zusage gegeben!) Das, was verwaltungstechnisch möglich war, haben wir auch eingehalten. Darum steht die Tafel auch bei der zweiten Abfahrt, und sie wird auch aufgrund des Nichtzustandekommens des Gesetzes nicht weggeräumt.

Ein schengenkonformes Gesetz wird noch im Herbst eingebracht werden und kann dann mit Inkrafttreten der Schengen-Vereinbarung umgesetzt werden, vorausgesetzt, daß die Mehrheit in beiden Häusern zustimmt. – Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin. (Beifall bei der ÖVP.)

15.39

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 103

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege Waldhäusl.

15.39

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kollegen des Hohen Hauses! Ich möchte die Gelegenheit nutzen und zur Debatte über das Infrastrukturfinanzierungsgesetz einen Entschließungsantrag einbringen, und zwar einen Entschließungsantrag betreffend den Semmering-Basistunnel, wobei hier eindeutig ein Zusammenhang mit der Debatte gegeben ist, sodaß das völlig in Ordnung ist.

Ich möchte nur kurz erwähnen, worum es geht. Es ist nämlich so, daß die Finanzierung in diesem Ermächtigungsgesetz der ASFINAG übertragen war und jetzt aufgrund einer Ausgliederung – wir haben heute schon darüber gesprochen und gehört, daß es eine Ausgliederung ist, um die Euro-Kriterien zu erfüllen – in ein Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz umgewandelt werden soll.

Daher möchten wir Freiheitlichen heute auf das Problem des Semmering-Basistunnels eingehen. Jeder, der die Medienberichte verfolgt hat, ist schon darauf gestoßen – sei es aufgrund von Zeitungsberichten oder auch Meldungen des Rundfunks –, daß es beim Sondierstollen Probleme gibt, daß der Bauherr selbst, die HL-AG, bereits Zweifel hat und meint, daß die Errichtung des Sondierstollens gestoppt werden soll, weil sie wirtschaftlich nicht vertretbar ist. Wir Freiheitlichen haben dieses Projekt hier schon mehrmals kritisiert. Der Rechnungshof ist bereits eingesetzt und wird voraussichtlich im Herbst ein Ergebnis vorlegen.

Wenn dieser Sondierstollen aber jetzt gestoppt wird, dann ist das auch ein Sicherheitsproblem, denn dieser Sondierstollen soll zur Risikoabschätzung bei diesem Bau dienen, soll für die Investoren auch Voruntersuchungen durchführen und dadurch eine eventuell genauere Abschätzung des Projektes ermöglichen.

Wir Freiheitlichen haben die Befürchtung, daß dann, wenn es zu keiner Voruntersuchung, zu keiner richtigen Risikoabschätzung kommt, die Gefahr besteht, daß der Bund die Ausfallshaftung übernimmt, weil sich sonst für dieses Projekt niemand finden wird. Wir wissen, daß bei der Finanzierung dieses Projektes die Geldgeber nicht unbedingt Schlange stehen, sondern daß wir das Problem haben, daß es niemand finanzieren möchte. Es besteht also die Gefahr, daß der Bund rasch einspringt und die Ausfallshaftung übernimmt, um überhaupt private Investoren zu finden. Gerade dagegen wehren wir Freiheitlichen uns! Wir wehren uns dagegen, daß weitere Steuergelder für dieses Projekt verschwendet werden und bringen daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Gottfried Waldhäusl und Kollegen betreffend Semmering-Basistunnel

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wird aufgefordert, bis zum Vorliegen des Sonderberichts des Rechnungshofes über das Projekt Semmering-Basistunnel keine Entscheidung über die Vergabe dieses Projektes zu treffen."

*****

Ich ersuche alle Kollegen des Bundesrates, im Sinne eines vernünftigen Umganges mit den Steuergeldern diesen Entschließungsantrag zu unterstützen und mit uns heute zu beschließen, um im Sinne unseres Gelöbnisses zu handeln, nicht nur das Projekt zu unterstützen, sondern auch die Steuergelder ordentlich zu verwenden. Ich bitte Sie, unseren Antrag zu unterstützen und im Sinne der Bürger des Staates Österreich zu handeln! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.42


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 104

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Der von den Bundesräten Waldhäusl und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Semmering-Basistunnel ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Farthofer. – Bitte.

15.42

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu meinem Vorredner. Herr Kollege Waldhäusl! Ich darf feststellen: Sie lesen zu oft die niederösterreichische "Kronen Zeitung" oder "Täglich Alles"! Denn es ist hier im Hause zur Genüge bekannt, daß gerade in der Berichterstattung über den Semmering-Basistunnel die auflagengrößte Tageszeitung Österreichs sehr differenzierte Meinungen vertritt. In Niederösterreich – das ist kein Geheimnis – ist die "Kronen Zeitung" aus bestimmten Gründen gegen den Semmering-Basistunnel. Aber alle, die am selben Tag in der Steiermark über den Semmering-Basistunnel ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer : Haben Sie auch eine Meinung?!)  – Selbstverständlich, Frau Kollegin! Sie müssen ein bißchen aufpassen, dann sage ich meine Meinung. Diese ist übrigens bekannt, denn ich habe schon oft hier in diesem Haus über die Problematik des Semmering-Basistunnels gesprochen.

Aber noch einmal zu meinem Vorredner. Eines soll hier schon mit aller Deutlichkeit deponiert werden: Die "Kronen Zeitung" hat nicht davor zurückgescheut, am 16. Februar auf der ersten Seite der Niederösterreich-Ausgabe den Semmering-Basistunnel zu verteufeln und am gleichen Tag, also ebenfalls am 16. Februar, in der Steiermark-Ausgabe den Semmering-Basistunnel zu fordern. Das steht einmal fest.

Meine Damen und Herren! Kollege Waldhäusl! Sie dürften nicht wissen, daß Ihr Parteiführer (Bundesrat Waldhäusl: Was ist ein Parteiführer? Was ist das?!)  – der es derzeit als unbedingt notwendig empfindet, auf der Harvard-Universität etwas dazuzulernen, da ihm anscheinend das, was die österreichischen Universitäten zu bieten haben, zu wenig ist – im Jahre 1991 als Landeshauptmann von Kärnten einmal anderer Meinung war. (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Riess-Passer. ) Die Kärntner Landesregierung hat damals nämlich ein Memorandum verfaßt, in dem der Ausbau der Südbahnstrecke, eine ordentliche Verbindung von Norden nach Süden verlangt wurde, und zwar mit – hören Sie zu! – Errichtung des Semmering-Basistunnels!

Denn es ist Schwachsinn – ich sage das mit aller Deutlichkeit –, an der Schwelle zum dritten Jahrtausend auf allen Strecken vom hohen Norden bis in den Süden mit 150, 160, 200 Stundenkilometern zu fahren (Bundesrat Dr. Harring: Das stimmt nicht!) und nur auf einer Strecke, auf der Bergstrecke, mit den Güterzügen mit 60 oder 45 Stundenkilometern zu fahren. Es ist politischer Schwachsinn und technischer Humbug, meine Damen und Herren, an der Schwelle zum dritten Jahrtausend so zu agieren! Alle Europäer, alle Verkehrsverantwortlichen lachen über uns Österreicher, und in erster Linie – das sage ich auch mit aller Deutlichkeit – über den ersten Repräsentanten des Landes Niederösterreich. (Bundesrat Mag. Wilfing: Mahlzeit!)

Ich bin davon überzeugt, er wird, sollte die Wahl am 5. April stattfinden, zu der Erkenntnis kommen, daß dieser Semmering-Basistunnel eine unabdingbare Notwendigkeit ist. Meine Damen und Herren! Ich habe Sie alle von dieser Stelle aus eingeladen, gemeinsam mit mir mit den Österreichischen Bundesbahnen in entsprechenden Zeitabständen über den Semmering zu fahren (Bundesrat Dr. Harring: Wunderschön!) , damit Sie sehen, welch unabdingbare Notwendigkeit die Errichtung dieses Semmering-Basistunnels ist. Diese Strecke kann heuer das ganze Jahr lang nur einspurig befahren werden, da ständige Reparaturarbeiten am zweiten Gleis, die horrende Unsummen kosten, dies erforderlich machen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Stellen wir uns das doch einmal an einem Beispiel vor. Ich komme noch einmal auf die Nord-Süd-Verbindung zurück. Stellen wir uns vor, wir haben ein Hochhaus mit 23, 24 oder 30 Stockwerken. In den ersten 13 Stockwerken haben wir einen Aufzug und eine Rolltreppe, dann vom 14. bis zum 17. Stockwerk haben wir – die Landwirte unter Ihnen werden das kennen – eine Hühnerleiter oder eine Strickleiter, und vom 20. bis zum 30. Stockwerk haben wir wieder Aufzug


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 105

und Rolltreppe. – Meine Damen und Herren! Ich kann euch nur sagen, das ist politischer Schwachsinn und technischer Humbug!

Zur Beschlußfassung: Hier in diesem Hause wurde der Bau des Semmering-Basistunnels beschlossen. Im Nationalrat wurde der Bau des Semmering-Basistunnels beschlossen. (Bundesrätin Schicker: In der Bundesregierung einstimmig beschlossen!) In der Steiermark ist er eine absolut prioritäre Forderung und ebenso in Kärnten.

Wer behauptet, eine dreißigminütige Zeitersparnis von Mürzzuschlag nach Wien sei für Pendler nicht unbedingt angenehm, dem schlage ich vor, einmal von Mürzzuschlag nach Wien-Südbahnhof zu pendeln, meine Damen und Herren!

Auch der rechten Seite dieses Hauses sei gesagt: Sie alle haben das mitbeschlossen, das ist im Protokoll nachzulesen. Es sitzt keiner der niederösterreichischen Mandatare hier, der damals gegen die Errichtung des Semmering-Basistunnels gestimmt hat. (Widerspruch des Bundesrates Mag. Wilfing .)

Du warst damals noch nicht hier, lieber Freund! Du warst noch nicht hier herinnen! Und dir, lieber Kollege Schöls, muß ich auch etwas sagen. Du weißt, daß ich dich persönlich sehr schätze, auch wenn du andere politische Anschauungen hast als ich. Aber gerade als Gewerkschafter, lieber Freund, muß ich dir schon sagen, daß pro Milliarde Schilling, die im Tunnelbau eingesetzt werden, immerhin beziehungsweise leider nur – das muß man auch dazu sagen – 2 000 bis 2 500 Arbeitsplätze gesichert werden. (Bundesrat Mag. Wilfing: Stimmt überhaupt nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das stimmt schon, darüber gibt es genaue Studien.

Meine Damen und Herren! Sind 10 000 Arbeitsplätze nichts?! – Für Sie wahrscheinlich nicht, aber für mich als Arbeitnehmervertreter ist das viel. (Bundesrat Dr. Harring: Sie verwechseln Arbeitsplätze mit Bohrmaschinen!)

Meine Damen und Herren! Es ist natürlich Ihr gutes Recht, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. Ich appelliere an die hier anwesenden Mandatare – bitte hören Sie mir zu –, diesem Entschließungsantrag keine Zustimmung zu geben. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

15.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr DDr. Königshofer.

15.49

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe mich doch noch einmal zu Wort gemeldet, weil man die Aussagen des Herrn Kollegen Farthofer nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen kann. (Bundesrat Farthofer: In Vorarlberg habt ihr ein Loch gebraucht, und da wollt ihr es nicht!)

Zuerst möchte ich auf das eingehen, was er sich über unseren Bundesparteiobmann zu sagen erlaubt hat: daß er nach Amerika gehen muß, um irgend etwas zu studieren, was er anscheinend in Österreich nicht erlernen kann oder nicht erlernt hat. – Dazu darf ich Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, nur sagen: Es würde so manchem Politiker und manchem Regierungsmitglied gut anstehen, würden sie sich in ihrer Urlaubszeit ähnlich weiterbilden! Dadurch hätten wir uns schon vieles erspart! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Farthofer: Das war keine negative Bemerkung! – Bundesrätin Schicker: Er hat aber noch nicht Urlaub gehabt!)

Ich sage Ihnen, seien Sie froh, ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Auch auf das Argument des Kollegen Penz, daß Herr Dr. Haider, unser Parteiobmann, noch während der Plenarzeit nach Amerika gefahren ist, gehe ich gerne ein. Sie wissen doch genau, daß Herr Dr. Haider auf sein Juligehalt insofern verzichtet hat, als er diesen Betrag karitativen


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Zwecken gespendet hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser : Nur aufgrund der Öffentlichkeit!)

Schauen Sie, weil Sie immer glauben, Herr Dr. Haider wäre ein Störenfried im Nationalrat: Wenn Sie neulich das Chaos bei der Abstimmung im koalitionsfreien Raum gesehen haben, dann müssen Sie doch wissen, Sie brauchen gar keinen Dr. Haider! Dieses Chaos haben Sie und Ihre Parteien selbst verursacht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zum Semmering-Basistunnel: Es mag ja sein, daß Beschlüsse vorliegen. Es mag sein, daß sich Landesregierungen dafür und dagegen aussprechen. Herr Kollege Farthofer! Wir sind nicht dafür verantwortlich, was die "Kronen Zeitung" in Niederösterreich und in der Steiermark schreibt. Da müssen Sie Herrn Dichand fragen, wie er das mit seinem Gewissen und mit seiner Sachargumentation verbinden kann. Das ist nicht unser Problem!

Wir meinen, daß es ein Fehler ist, eine solche Röhre zu projektieren, wenn man nicht weiß, wie die Sache finanziert werden soll. Sie reden sich leicht, daß da öffentliche und private Gelder zusammenfließen könnten und daß es ausgeschrieben wird. Ich frage Sie aber: Wer wird denn bereit sein, dort einzusteigen, und zu welchen Konditionen?!

Sie haben jetzt das Desaster beim Ärmelkanal-Tunnel erlebt, bei dem die Planungs- und Projektierungskosten zuerst mit 5 Milliarden Pfund Sterling angesetzt worden waren, aber letztendlich hat der Tunnel dann 10 Milliarden Pfund gekostet hat. Die Gesellschaft ist heute nicht in der Lage, auch nur die Zinsen dafür zu verdienen! Die Geschäftsführung schließt ein Moratorium nach dem anderen ab, um wenigstens die Personalkosten bezahlen zu können, sonst laufen ihnen die Arbeiter und die Eisenbahner auch noch davon! Dann fährt überhaupt kein Zug mehr durch den Tunnel.

Sie vertreten heute noch die Konzeption von vor 20, 30 Jahren, daß man mit Großprojekten, mit riesigen Projekten unter Inkaufnahme hoher öffentlicher Verschuldungsraten Arbeitsplätze schaffen kann. Das funktioniert heute aber nicht mehr! Und wenn Sie sagen, pro Kilometer Tunnelbau werden soundso viele Arbeitsplätze gesichert, dann muß ich Sie fragen: Wo nehmen Sie die Zahlen her? – Schauen Sie sich doch an, was dort arbeitet! Dort arbeitet eine Tunnelbohrmaschine! Es gibt nur wenige Arbeitskräfte, aber es entsteht so viel Bauschutt, daß ganze Täler zugeschüttet werden müssen. Herr Kollege Farthofer! Es gibt sehr gute Argumente gegen diesen Tunnelbau. (Bundesrat Farthofer: Ich kenne sie eh! – Bundesrat Prähauser: So kann nur jemand sprechen, der in einer abgesicherten Position sitzt! )

Ich kann nur sagen – es gibt viele warnende Stimmen im Lande, die das ebenfalls sagen –, daß dieser Semmering-Basistunnel ein Milliardengrab sein wird und daß man davon Abstand nehmen sollte. Es gibt andere Projekte. Man kann die bestehende Strecke sanieren und die Fahrtgeschwindigkeit beschleunigen. Man kann die Süd-Ost-Spange bauen und so weiter. Da ich jetzt aufgefordert wurde, mich kurz zu halten, kann ich Sie nur bitten, unseren Entschließungsantrag zu unterstützen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Dr. Königshofer! Dadurch, daß Sie sich so kurz gehalten haben, können wir jetzt noch Punkt 8 der Tagesordnung mit all den Anträgen, die noch eingebracht wurden, abstimmen. Danach werde ich die Sitzung für den Aufruf der dringlichen Anfrage unterbrechen.

Eine weitere Wortmeldung liegt nicht vor.

Die Berichterstattung wünscht kein Schlußwort.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 107

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit er dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte DDr. Königshofer und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Ausnahme von der Pickerlmaut für den Bereich Kufstein vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit. (Bundesrat Dr. Harring: Kann man bitte zählen?)

Es war von hier oben aus wirklich eindeutig. Aber wenn der Antrag auf Zählung gestellt wird, dann wird das natürlich gemacht. – Es wurde von der Schriftführung mitgezählt. Es waren 14 Ja-Stimmen gegen alle anderen Anwesenden, die nicht für diesen Antrag gestimmt haben. (Bundesrat Prähauser: Viele, aber nicht genug! – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Kann man die Stimmen noch einmal zählen?)

Ich wiederhole die Abstimmung, weise aber darauf hin, daß kein Platzwechsel oder etwas dergleichen stattfinden darf.

Ich bitte noch einmal jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag von Bundesrat DDr. Königshofer und Kollegen zustimmen, um ein entsprechendes Handzeichen und darf die Schriftführung bitten, die Stimmen zu zählen. – 15 Ja-Stimmen. (Bundesrat Rauchenberger und andere Bundesräte der SPÖ in Richtung ÖVP: Er hat zuerst nicht aufgezeigt!) Es bleibt bei der Feststellung, daß dies die Stimmenminderheit ist. (Die Präsidentin bespricht das Abstimmungsverhalten kurz mit der Schriftführung.)  – Gut. Dann bleibt es bei 14. Die Schriftführung soll auch ihr Vergnügen haben. Es bleibt bei 14 Stimmen dafür.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend die Ausnahme von der Pickerlmaut für den Bereich Kufstein ist somit abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie um Aufmerksamkeit bitten, sonst haben wir wieder Schwierigkeiten beim Abstimmen und Zählen.

Weiters liegt ein Antrag der Bundesräte Waldhäusl und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Semmering-Basistunnel vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen – (ein Handy summt leise ) wenn sich Herr "Wichtig" dann am Telefon gemeldet hat – und ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Auch in diesem Fall waren 14 Stimmen dafür. (Ruf: Frau Bundesrätin Ramsbacher ist hinausgegangen!) Auch in diesem Fall liegt also Stimmenminderheit vor.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Semmering-Basistunnel ist damit abgelehnt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zur Behandlung der dringlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Riess-Passer und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler aufrufe, unterbreche ich die Sitzung für wenige Minuten. Wir beginnen in zwei Minuten – um 16.00 Uhr – mit der Verhandlung.

(Die Sitzung wird um 15.58 Uhr unterbrochen und um 16.02 Uhr wiederaufgenommen. )


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 108

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Paul Tremmel, Dr. Peter Böhm, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Andreas Eisl, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Harring, DDr. Franz Werner Königshofer, Helga Moser, Monika Mühlwerth, Helena Ramsbacher, Gottfried Waldhäusl, Engelbert Weilharter und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kollaps des Rechtsstaates durch Überlastung der Höchstgerichte und Gefährdung der Länderrechte (1300/J-BR/97)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir setzen unsere Beratungen fort und gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Dr. Riess-Passer als Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort.

16.02

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, Herr Staatssekretär, möchte ich einleitend bemerken, daß ich es bedauerlich finde, daß sich der Herr Bundeskanzler nicht persönlich die Mühe genommen hat, zu diesem – wie ich meine – für ganz Österreich und für den österreichischen Rechtsstaat eminent wichtigen Thema in den Bundesrat zu kommen.

Meine Damen und Herren! Die Überlastung der österreichischen Höchstgerichte hat ein Ausmaß erreicht, das als eine echte Gefährdung des Rechtsstaates betrachtet werden muß. Am 31. Dezember 1996 gab es beim Verfassungsgerichtshof einen Rückstand von 13 182 unerledigten Verfahren und beim Verwaltungsgerichtshof einen Rückstand von 13 638 unerledigten Beschwerden. Würden heuer beim Verwaltungsgerichtshof zum Beispiel nur 5 000 Beschwerden einlangen – "nur" deshalb, weil die Anzahl damit weniger als die Hälfte des in den letzten beiden Jahren jeweils eingelangten Beschwerdeanfalles betragen würde –, würde es rund acht Jahre dauern, allein die bis Ende 1996 eingelangten Beschwerden zu erledigen. Bei einer Fortdauer der derzeitigen Entwicklung würde sich dieser Zeitraum sogar auf rund zehneinhalb Jahre verlängern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ein Alarmzeichen, angesichts dessen man nicht so tun kann, als sei dies ein Randproblem, und nicht ohne weiteres zur Tagesordnung übergehen kann. Es handelt sich um eine ernsthafte Krise, die – wie der Verwaltungsgerichtshof selbst in einem seiner Tätigkeitsberichte festgestellt hat – befürchten läßt, daß der Rechtsstaat Schaden nimmt. Präsident Jabloner ist davon zu der Aussage vom drohenden Gesamtzusammenbruch des Verwaltungsgerichtshofes veranlaßt worden. Aber die Bundesregierung hat darauf ebensowenig reagiert wie auf die massiven Warnungen des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes, Professor Adamovich, der von der Lahmlegung des Verfassungsgerichtshofes gesprochen hat.

Meine Damen und Herren von der Koalitionsregierung! Wenn Ihre einzige Antwort auf diese Situation darin besteht, mit der Einführung einer Beschwerdesteuer für den Bürger den Zugang zum Recht zu erschweren, anstatt die Ursachen der Beschwerdeflut zu beseitigen, dann ist das wirklich armselig und dient nur einem einzigen Zweck, nämlich mit einer weiteren Schröpfaktion dem Finanzminister Mehreinnahmen in der Höhe von 30 Millionen Schilling zu verschaffen. Besonders dramatisch ist die Tatsache, daß man seitens der Koalition offensichtlich nicht im geringsten bereit ist, die Ursachen für diese Entwicklung zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu handeln.

Wenn Sie sich vor Augen halten, daß die absolut unzumutbare Gesetzesflut der letzten Jahre dazu geführt hat, daß allein von 1990 bis 1996 sage und schreibe 43 874 Seiten Bundesgesetzblätter erschienen sind, dann zeigt sich allein schon daran, daß es so nicht weitergehen kann.


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629. Sitzung / Seite 109

Absurde Beispiele für diesen Regelungswahnsinn gibt es sonder Zahl. So wurde das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, erstmals verlautbart im Jahre 1955, in den darauffolgenden 36 Jahren nicht weniger als 86mal novelliert, wobei oft durch eine einzige Novelle mehr als 100 Paragraphen geändert wurden, sodaß sich der geltende Gesetzestext schlußendlich aus 87 Gesetzen zusammensetzt. Das Sozialrechtsänderungsgesetz hinzugenommen, sind es heute schon 120 verschiedene Gesetze.

Das Arbeitslosenversicherungsgesetz wurde allein im vergangenen Jahr siebenmal novelliert, davon viermal mit Rückwirkung zu verschiedenen Stichtagen. Das ergibt zehn bis elf verschiedene Fassungen pro Jahr und führt dazu, daß für kein Verfahren zum Arbeitslosenversicherungsgesetz vor dem Verfassungsgerichtshof zu Anfang und zu Ende dieselbe Rechtslage gilt.

Das Einkommensteuergesetz wurde letztes Jahr siebenmal geändert, von den rückwirkenden Änderungen im Zusammenhang mit dem Strukturanpassungsgesetz ganz zu schweigen.

Sie können aber auch die heutige Tagung des Bundesrates als Beispiel hernehmen und werden sehen, daß das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 zuerst unter Tagesordnungspunkt 6 geändert wird und anschließend unter Tagesordnungspunkt 15 gleich noch einmal novelliert wird. Auch dieses aktuelle Beispiel zeigt, daß so etwas schlicht und einfach sinnlos ist.

Meine Damen und Herren! Was ist das für ein Zustand, wenn Gesetze nur noch mit Hilfe der mündlich tradierten Privatmeinung von Beamten interpretierbar sind? Was heißt das für die Rechtssicherheit in diesem Land? – Angesichts dessen darf man sich nicht darüber wundern, daß nicht einmal mehr ein Drittel der Bevölkerung der Meinung ist, daß das Rechtsempfinden der Bürger die Gesetze bestimmt. Diese bürgerverachtende Tendenz schafft eine juristische Zweiklassengesellschaft mit dem Volk auf der einen Seite und wenig informierten Eingeweihten auf der anderen Seite. Dies führt zu einer Entfremdung zwischen dem Gesetz und den Menschen, die für einen modernen Rechtsstaat unerträglich ist.

Ein Staat, der von seinen Bürgern die Beachtung seiner Gesetze verlangt, muß diese den Bürgern auch zugänglich und verständlich machen. Deregulierung bedeutet Rechtsvereinfachung. Ein Rechtssystem darf nicht Selbstzweck sein, sondern muß für Bürger und Unternehmen verständlich sein und der Volkswirtschaft mehr Nutzen als Kosten bringen. Was wir brauchen, sind weniger, bessere und einfachere Gesetze. Das bedeutet auch, daß bei jeder wichtigen Rechtsvorschrift nach einer gewissen Zeit überprüft werden muß, wie sie sich in der Praxis bewährt hat und ob die gesteckten Ziele erreicht worden sind. Dabei muß die Maxime heißen: Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, ist es unbedingt notwendig, kein Gesetz zu erlassen. Mögliche Alternativen zu neuen Gesetzesnormen müssen vorher geprüft werden. Wenn es zur Beschlußfassung über ein Gesetz kommt, muß sichergestellt sein, daß der Rechtstext verständlich und benutzerfreundlich formuliert und der Anwendungsbereich nicht weiter als unbedingt notwendig gefaßt ist.

Zu der von den Experten beklagten allgemeinen schlechten Qualität der Gesetzgebung hinzu kommt eine steigende Tendenz des fahrlässigen Umganges mit unserer Verfassung. Verfassungsrechtliche Bedenken werden häufig einfach vom Tisch gewischt. Die absehbare Folge sind Massenbeschwerden wie zuletzt die 11 000 Beschwerden zur Mindest-KöSt, die im Lastwagen zum Verfassungsgerichtshof herangekarrt wurden.

Die Bundesverfassung ist rund 50mal novelliert worden und in der geltenden Textierung praktisch unrekonstruierbar, widersprüchlich, willkürlich und lückenhaft. Meine Damen und Herren von der Koalitionsregierung! Die Antwort, die Sie darauf geben, ist mehr als bedenklich: nämlich die Umgehung des Verfassungsgerichtshofes dadurch, daß verfassungswidrige Regelungen von der Koalition mit ihrer Zweidrittelmehrheit einfach in Verfassungsrang erhoben werden. Das ist ein Mißbrauch des Parlaments und eine Aushöhlung der Gewaltenteilung! Daß Sie dabei Gleiches ohne jeden sachlichen Grund ungleich behandeln, verletzt die Grundlagen der österreichischen Bundesverfassung. Daß Sie nicht davor zurückschrecken, rückwirkende Gesetze zu erlassen, ist ein klarer und eindeutiger Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 110

Ob der Rechtsstaat funktioniert, hängt von einer weiteren wesentlichen Voraussetzung ab, nämlich einer vernünftigen Verteilung der Aufgaben und Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Daß diese Voraussetzung in der bisherigen und derzeitigen Ausgestaltung des Bundesstaates Österreich keineswegs gegeben ist, ist eine Tatsache, die von niemandem ernsthaft bestritten wird. Einer der führenden Experten in Sachen Föderalismusfragen, Professor Pernthaler von der Universität Innsbruck, hat dazu folgendes ausgeführt: Die österreichische Kompetenzordnung hat ein Maß an Systemlosigkeit, Zersplitterung, Verflechtungen und Unschärfe der Kompetenztatbestände erreicht, das nur mehr wenigen Experten durchschaubar, in der Anwendung höchst unsicher und dem Bürger schlechterdings unverständlich ist.

Am 8. Oktober 1992 haben der Bund und die Länder eine politische Vereinbarung zur Erneuerung des Bundesstaates beschlossen, das heute schon mehrfach zitierte sogenannte "Perchtoldsdorfer Paktum". Eine Verbesserung der Kompetenzverteilung, die eindeutige Zuordnung der Querschnittsmaterien, verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder an der Rechtsetzung der EU, Verwaltungsgerichtshöfe auf Länderebene, die Reform der Finanzverfassung und – für uns von besonderer Bedeutung – die Reform des Bundesrates hatte man sich damals vorgenommen. In diesem Paktum heißt es wörtlich:

Die genannten bundesverfassungsgesetzlichen Maßnahmen sollen bis längstens zur Volksabstimmung über die bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung zum EG-Beitritt als beschlußreife Regierungsvorlage textlich fixiert und spätestens in der aus Anlaß des EG-Beitritts erforderlichen Novelle zum B-VG beschlossen werden. – Eine Reihe von Landtagen haben damals sogar Beschlüsse darüber gefaßt, daß die Bundesräte ihre Zustimmung zum EU-Beitritt so lange verweigern sollten, bis die Bundesstaatsreform beschlossen wäre.

In Beantwortung einer dringlichen Anfrage der freiheitlichen Fraktion vom 13. April 1994 hat der damals zuständige Staatssekretär Peter Kostelka hier in diesem Hause erklärt, daß dieser Zeitplan eingehalten und die Bundesstaatsreform jedenfalls noch in der laufenden Gesetzgebungsperiode abgeschlossen werde. Kostelka sagte damals wörtlich: Es bleibt nur festzustellen, daß zum Zeitpunkt des österreichischen Beitritts zur Europäischen Union auch die Bundesstaatsreform aller Voraussicht nach verabschiedet sein wird.

Meine Damen und Herren! Sie alle wissen, was aus diesem Versprechen geworden ist. Ich möchte deshalb weiters an die Debatte vom 13. Juli 1994 erinnern, in der sich der Vizepräsident der sozialistischen Fraktion, Walter Strutzenberger, in seiner Rede insbesondere auch mit der Frage der Bundesratsreform auseinandersetzte. Er sprach sich dafür aus, im Bundesrat selbst Reformvorschläge zu erarbeiten, die im Herbst 1994 zusammen mit der Bundesstaatsreform beschlossen werden sollten. Aber das Ergebnis dieser Bemühungen ist schlicht und einfach beschämend, meine Damen und Herren!

Nach verschiedenen Verzögerungsversuchen in den letzten zwei Jahren kam es zu Beginn dieses Jahres zur Einsetzung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe, die ein halbes Jahr tagte und schließlich von Kollegen Konečny von der sozialistischen Fraktion ohne Angabe von Gründen aufgelöst wurde. Damit ist klargeworden, daß mit dieser Arbeitsgruppe von Anfang an nichts anderes als eine Hinhaltetaktik bezweckt war. Nicht einmal zur Umsetzung jener Punkte, über die es bereits einen Konsens aller drei Parteien gab, war man bereit. Die SPÖ ging sogar hinter das Ergebnis zurück, das seinerzeit schon mit Walter Strutzenberger vereinbart worden war. Die unverblümte Erklärung von Ihnen, Herr Kollege Konečny, lautete: Tatsache ist, daß im Koordinierungsausschuß der Koalition dazu ein klares Nein gesagt wurde.

Das sagt sehr viel über das Selbstwertgefühl aus, das Sie diesem Hause zubilligen, und auch über Ihr Selbstverständnis als freier Mandatar und freie Mandatarin, meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich bin daher Herrn Präsidenten Hummer sowie Frau Kollegin Kainz sehr dankbar für die offenen Worte, die sie heute hier gefunden haben. Doch möchte ich in dieser Sache hinzufügen, daß Sie letztendlich nicht an dem gemessen werden, was Sie erreichen wollen, sondern an dem, was Sie tatsächlich umsetzen werden.


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Der Föderalismus – so sagt der Schweizer Denker Gonzague de Reynold – hat seine Berechtigung und seine Wurzeln in den wesentlichen und ursprünglichen Rechten der menschlichen Person. Im so verstandenen Föderalismus ist der Staat für den Menschen da, nicht die Menschen für den Staat.

Ich bitte Sie, die vorliegende dringliche Anfrage auch unter diesem Gesichtspunkt zu sehen. Herr Staatssekretär! Wir erwarten uns von Ihnen im Namen der Bundesregierung und des Herrn Bundeskanzlers klare Antworten und keine leeren Versprechungen. Denn solche haben wir in dieser Frage während der letzten fünf Jahre in diesem Hause wahrlich oft genug gehört! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung der schriftlich vorliegenden dringlichen Anfrage hat sich Herr Staatssekretär Dr. Wittmann gemeldet. – Bitte.

16.16

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde ohne Umschweife auf die Fragen antworten und darf gleich mit der Antwort zu den Fragen 1 bis 3 beginnen.

Die derzeitige Belastungssituation der Höchstgerichte ist sehr wohl bekannt. Dazu kann ich Ihnen mitteilen, daß es seit dem letzten Jahr – schon von meinem Amtsvorgänger, aber auch von mir – eine Reihe von Gesprächen gegeben hat, an denen sowohl Vertreter des Verfassungsgerichtshofes als auch Vertreter des Verwaltungsgerichtshofes einschließlich deren Präsidenten teilgenommen haben. In diesen Gesprächen wurden Lösungsvorschläge diskutiert, die zum Teil Eingang in die Ihnen heute vorliegenden Gesetzentwürfe gefunden haben. Diese sind einerseits dazu geeignet, eine Entlastung herbeizuführen, und können andererseits dazu beitragen, den Neuzugang zu kanalisieren.

Hinsichtlich der Belastungssituation des Verfassungsgerichtshofes darf ich auf dessen Tätigkeitsbericht für das Jahr 1996 hinweisen. Darin zeigt sich, daß die Gefahr der Lahmlegung im wesentlichen mit den Massenverfahren im Zusammenhang steht. Diese Massenverfahren sind eine für den Verfassungsgerichtshof neuartige Erscheinung, die erstmals 1996 aufgetreten ist und dazu geführt hat, daß der VfGH mit dieser überdimensionierten Belastung nicht fertig werden konnte. Er geht davon aus, daß entsprechende legistische Maßnahmen getroffen werden, um eine derartige Entwicklung hintanzuhalten.

Diesbezüglich finden bereits Gespräche zwischen Vertretern des Bundeskanzleramtes und des Verfassungsgerichtshofes statt, aber um zu einer Lösung des Problems zu gelangen, werden auch die betroffenen Berufsstände – wie Wirtschaftstreuhänder oder Rechtsanwälte – einbezogen werden müssen. Zweckdienliche Gespräche zur Erarbeitung eines Lösungsansatzes sind für diesen Sommer geplant. Beim gegenwärtigen Stand der Verhandlungen ist noch keine konkrete Angabe darüber möglich, wie diese Lösung aussehen wird. Wir arbeiten aber daran. (Präsident Dr. Hummer übernimmt den Vorsitz.)

Zu den Fragen 4 bis 6: Was den Kritikpunkt der schlechten Qualität der Gesetze betrifft, kann ich aus dem Gesichtspunkt der Vollziehung feststellen, daß selbstverständlich auch die Bundesregierung daran interessiert ist, sorgfältig vorbereitete Gesetze zu machen. Wenn es dennoch zu Mängeln kommt, ist das in vielen Fällen auf besondere Sachzwänge oder den manchmal beträchtlichen Zeitdruck zurückzuführen. Die Behauptung aber, daß allgemein von einer Zunahme qualitativ schlechterer Gesetze zu sprechen sei, möchte ich zurückweisen. Es wird weiterhin unser Anliegen sein, Gesetzesvorschläge so zu gestalten, daß Kritikpunkte wie übermäßige Kompliziertheit oder schlechte Verständlichkeit keine Berechtigung haben.

Zu Frage 7: Die Bundesregierung ist schon seit längerem bemüht, einer überbordenden Gesetzesflut Herr zu werden und einem erhöhten Kostenbewußtsein zum Durchbruch zu verhelfen.

Bereits im Jahre 1992 wurde, wie bekannt ist, unter der Federführung des damals zuständigen Bundesministers für Föderalismus und Verwaltungsreform das Handbuch "Was kostet ein Ge


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setz" publiziert, das den Grundstein für die Berechnung der finanziellen Auswirkungen von Rechtsnormen bilden sollte. Nachdem die einschlägigen Kalkulationsvorschriften, welche seit 1987 im Rang eines Bundesgesetzes stehen, immer noch zu wenig Beachtung gefunden hatten, wurde bereits mehrmals angestrebt, die Entscheidungsgrundlagen legistischer Vorhaben im Hinblick auf die Budgetgestaltung und die Effizienz gesetzgeberischer Maßnahmen erheblich zu verbessern.

Gesetzentwürfe, die keine oder unzureichende Folgekostenabschätzungen beinhalten, werden vom Bundeskanzleramt im Begutachtungsverfahren selbstverständlich auch kritisiert. Es werden diese Anmerkungen auch von unserer Seite gemacht.

Am 10. Dezember 1996 wurde die im Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung in Aussicht gestellte Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften paraphiert. Ziel dieser Vereinbarung ist unter anderem die Verbesserung der Instrumente zur Berechnung und Darstellung der Kosten legistischer Maßnahmen. Auch dort werden entsprechende Vereinbarungen beziehungsweise Maßnahmen getroffen werden, die dazu führen, eine bessere Transparenz der Kosten zu gewährleisten.

Im November 1996 wurde dann anläßlich einer Landeshauptleutekonferenz vereinbart, diese damals getroffene Vereinbarung sofort anzuwenden. Das Bundeskanzleramt hat in einem Rundschreiben darauf reagiert und alle Bundesministerien ausdrücklich ersucht, nach dieser Vereinbarung hinsichtlich mehr Kostentransparenz entsprechend vorzugehen.

Schon jetzt sind im Vorblatt zu legistischen Vorhaben allfällige Alternativen anzugeben. Es obliegt daher dem federführenden Ressort, bereits im Vorfeld der Erstellung des Gesetzentwurfes eine derartige Prüfung von Alternativen vorzunehmen. Eine Beschränkung der zeitlichen Geltungsdauer von Gesetzen ist in bestimmten Fällen, insbesondere bei Gesetzen, die mit besonderen finanziellen Belastungen verbunden sind, sicher zu überlegen.

Es gibt auch ein Konzept der umfassenden Rechtsbereinigung. Das Bundeskanzleramt betreibt seit 1994 ein derartiges Projekt. Geplant ist, ein Rechtsbereinigungsgesetz zu schaffen, durch das grundsätzlich alle vor 1946 erlassenen Bestimmungen aufgehoben werden sollen, wenn sie nicht ausdrücklich in eine Liste aufgenommen werden, die festlegt, daß diese Bestimmungen weiterhin Geltung haben sollen.

Zu Frage 8: Ich kann Ihnen natürlich recht geben, wenn Sie meinen, daß die gegenwärtige Zersplitterung des Verfassungsrechtes sicherlich bedauerlich ist, aber es ist eine Entwicklung, die durch die Jahrzehnte gegeben ist und die nicht ohne weitere Folgen beseitigt werden kann. Die Beseitigung beziehungsweise schrittweise Verminderung dieser Zersplitterung ist sicherlich auch ein Anliegen, dem wir uns in nächster Zeit widmen werden.

Es hat aber auch schon unter Bundeskanzler Vranitzky und dem damaligen Staatssekretär Schlögl einen Entwurf für eine Neukodifikation des Verfassungsrechtes gegeben. Dieser ist der Begutachtung bereits zugeführt worden. Für die weitere Bearbeitung dieses Entwurfes wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, in die sämtliche Parlamentsfraktionen eingebunden sind. Auch da gibt es bereits Ansätze, die wir weiterbetreiben müssen. Es ist aber darüber hinaus noch darauf hinzuweisen, daß die Zustimmung zu einer Neukodifikation der Bundesverfassung seitens der Länder davon abhängig gemacht wird, ob eine Bundesstaatsreform auch verwirklichbar ist.

Zu Frage 9: Grundsätzlich bin ich auch der Auffassung, daß es nicht ausgeschlossen sein darf, daß der Bundesverfassungsgesetzgeber auf Judikate des Verfassungsgerichtshofes reagiert. Das ist in jedem Land der Welt eine übliche Vorgangsweise. Aber ich kann Ihnen natürlich zustimmen, wenn Sie meinen, daß das mit einem gewissen Augenmaß passieren soll. Das ist im wesentlichen auch der Fall.

Zu Frage 10: Für das Jahr 1994 wurde geschätzt, daß das Bundesverfassungsrecht nach dem damals geltenden Stand 49 Bundesverfassungsgesetze und 206 über 102 einfache Bundesge


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setze verteilte Verfassungsbestimmungen enthielt. Seit dieser Zeit dürfte es aber keine nennenswerten Veränderungen mehr gegeben haben.

Zu Frage 11: Die Zahlen liegen vor. Ich werde mir jedoch erlauben, diese dem Bundesrat schriftlich mitzuteilen.

Zu den Fragen 12 und 13: Die Fragen des Abgabenrechtes fallen in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Finanzen. Es kann aber grundsätzlich dazu gesagt werden, daß es im Abgabenrecht des Bundes verhältnismäßig wenig Verfassungsbestimmungen gibt, bei denen es sich hauptsächlich um solche handelt, die von zeitlicher Begrenztheit sind.

Zu den Fragen 14 bis 16: Im Jahr 1988 trat der Präsident des Nationalrates Dr. Fischer an den Bundeskanzler mit dem Anliegen nach einer Reduktion der Zahl der dem Nationalrat zu erstattenden Berichte heran, was insbesondere die jährlichen Berichte über die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes und die Tätigkeit des Verwaltungsgerichtshofes betrifft. Es wurde vorgeschlagen, ab dem Jahr 1990 diese Berichte zusammenzufassen und sie lediglich alle zwei Jahre vorzulegen. Die Änderung der Praxis ist somit zumindest mittelbar auf eine aus dem Schoße des Nationalrates stammende Anregung zurückzuführen. Dabei kann man nicht ausschließen, daß diese Umstellung auch längere Intervalle nach sich gezogen hat. Ich werde jedenfalls diesbezüglich mit dem Nationalrat ins Einvernehmen treten, um diese Frage zu klären.

Zu den Fragen 17 bis 22: Natürlich ist es mir bekannt, daß die am Verwaltungsgerichtshof tätigen Richter die Belastungssituation ihres Gerichtshofes als problematisch ansehen. Diese Einschätzung stammt aber aus einer Zeit, in der es die zwischenzeitig getroffenen legistischen Maßnahmen noch nicht gegeben hat. Man hat nunmehr mit diesen legistischen Maßnahmen auch Vorkehrungen dafür getroffen, daß der Verwaltungsgerichtshof entlastet wird. Ich möchte da beispielsweise nur an die Ausländergesetzgebung erinnern. Es gibt auch andere Bestrebungen, den Verwaltungsgerichtshof zu entlasten. Letztendlich sollten die Bemühungen dahin gehen, daß die verschiedenen verfahrensrechtlichen Verwaltungsverfahren in ein Verfahren zusammengeführt werden, sodaß es nur einen Bescheid gibt, den man nur einmal anfechten kann. Es sollte nicht in derselben Sache mehrere Bescheide geben, die dann jeweils im Einzelfall angefochten werden müssen.

Aber im wesentlichen sind ganz massive Maßnahmen in den letzten Wochen und Monaten getroffen worden, um die Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes vorzunehmen. Noch einmal: Die Ausländergesetzgebung und auch die Gesetze, die heute hier beschlossen wurden, sind Maßnahmen, die sicherlich dazu beitragen werden.

Zu den Landesverwaltungsgerichtshöfen: Diesbezüglich ist festzuhalten, daß auch ich davon ausgehe, daß es eine der legistisch schönsten Lösungen ist, derartige Landesverwaltungsgerichtshöfe einzuführen. Es ist natürlich eine massive Belastung damit verbunden, wenn man eine neuerliche Instanz einführt. Mit dem Bundesasylsenat hat man eine teilweise Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes in einem bestimmten Rechtsbereich geschaffen. Ich glaube, daß es ein Schritt in die richtige Richtung ist. Die massive und umfassendere Lösung wären sicherlich die Landesverwaltungsgerichtshöfe. Aber ich bin davon überzeugt, daß wir das im Zuge der geplanten Bundesstaatsreform noch eingehend diskutieren werden.

Zurückkommend auf den Bundesasylsenat, der sicherlich auch eine massive Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes aufgrund seiner Besetzung beziehungsweise Zusammensetzung darstellt, möchte ich festhalten: Es handelt sich um 87 Planstellen, davon entfallen 37 Planstellen auf A-Beamte, 14 auf B-Beamte. Im Budget selbst sind 70 Millionen Schilling vorgesehen, davon entfallen 47 Millionen Schilling auf Personalaufwand und 43 Millionen Schilling auf Sachaufwand. In diesem Betrag sind Dolmetschergebühren und Mieten inkludiert.

Zu den Fragen 23 und 25: Nochmals zurückkommend: Die Landesverwaltungsgerichtshöfe sind sicherlich geeignet, eine Entlastung herbeizuführen. Man muß sich aber bei dieser Entlastung durch die Landesverwaltungsgerichtshöfe sicherlich auch vor Augen führen, daß man eine neuerliche Instanz einführt und daß es zu einer noch größeren Durchschreitung von mehr Instanzen kommt, was natürlich auch eine bedeutende Auswirkung auf die Verwaltung hat. Noch


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mals möchte ich auf die Kosten hinweisen, die mit der Schaffung derartiger Landesverwaltungsgerichtshöfe verbunden sind. Aber, wie gesagt, es ist eines jener Themen, die im Zuge der Bundesstaatsreform mitüberlegt und auch diskutiert werden.

Zu Frage 24: Die Frage der Eingabengebühr sollte man nicht isoliert sehen. Die Höhe der Eingabengebühr ist im Verhältnis zu den zu erwartenden Rechtsanwaltskosten relativ gering, und im wesentlichen wird sie auch bei Obsiegen ersetzt. Es soll aber mit dieser Eingabengebühr auch durchaus jener Erfolg erzielt werden, daß nicht wahllos sogar Ermahnungen beziehungsweise Bescheide, die einen relativ geringfügigen Streitwert beziehungsweise Strafwert haben, bis zum Verwaltungsgerichtshof betrieben werden. Es soll also verhindert werden, daß diese Bagatellfälle beim Verwaltungsgerichtshof landen. Ich glaube, daß diese Eingabengebühr sehr wohl gerechtfertigt ist. Wenn man diese Eingabengebühr in ein Verhältnis zu den Eingabengebühren im Zivilverfahren setzt, dann zeigt der Vergleich, daß es sich um einen durchaus moderaten Betrag handelt.

Zu den Fragen 26 bis 29 möchte ich festhalten, daß wir uns lückenlos zur Bundesstaatsreform und zur Umsetzung der Perchtoldsdorfer Vereinbarung bekennen. Wir haben schon zu Beginn der gegenwärtigen Gesetzgebungsperiode dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorgelegt, wie sie mit den Ländern ausverhandelt wurde. Ich glaube daher, daß man der Bundesregierung in diesem Zusammenhang keinen Vorwurf machen kann. Es gibt auch weiterhin Gespräche zwischen Vertretern des Bundes und der Länder. Im wesentlichen nehme auch ich an diesen Gesprächen teil. Wir haben die nächste Gesprächsrunde noch im Juli geplant und werden einen weiteren Termin, der ebenfalls schon für den 29. August fixiert ist, ebenfalls einhalten und dann entsprechende Vorschläge im September vorlegen. Die weitere Vorgangsweise ist natürlich dann von den gesetzgebenden Körperschaften abhängig.

Zu den Fragen 30 bis 32: Was die Frage der Zusammensetzung des Konsultationsgremiums betrifft, kann ich mich im wesentlichen auf den Hinweis auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage beschränken. Die Zusammensetzung des Konsultationsgremiums wurde nach diesen Erläuterungen im Hinblick auf die Betroffenheit der Vollziehung von der Tragung der Kosten in der vorgesehenen Weise geregelt. Die Formulierung "im Hinblick auf die Betroffenheit von der Kostentragung" in den Erläuterungen soll zum Ausdruck bringen, daß die Kostentragung in erster Linie von den Organen der Vollziehung im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel beurteilt werden muß. Dies ist deshalb wichtig, weil eine verläßliche Einschätzung der mit einem Vorhaben verbundenen Kosten eine umfassende Kenntnis der Vollziehungsabläufe voraussetzt. Diese Entscheidung wurde somit keinesfalls in der Absicht getroffen, die gesetzgebenden Körperschaften zu schwächen.

Ich möchte aber in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die Erläuterungen ausdrücklich die Möglichkeit vorsehen, daß an den Beratungen des Konsultationsgremiums über den in der Vereinbarung genannten Kreis hinaus weitere Personen mit beratender Stimme teilnehmen, in diesem Zusammenhang sind auch die Mitglieder der betroffenen gesetzgebenden Körperschaften gemeint. Das heißt also, in den Erläuterungen ist eindeutig klargestellt, daß diese Personen mit beratender Stimme teilnehmen können. Im Hinblick auf derartige Überlegungen glaube ich auch, daß die Zusammensetzung dieses Konsultationsgremiums durchaus auch demokratiepolitisch vertretbar ist.

Ich hoffe, daß ich mit der Beantwortung dieser Fragen, insbesondere hinsichtlich der laufenden Bemühungen der Bundesstaatsreform und anderer Vorhaben der Bundesregierung, Auskunft geben und zur Aufklärung dieser Problembereiche etwas beitragen konnte.

Aber erlauben Sie mir eine persönliche Anmerkung. In der Passage, in der Sie von der "Ignoranz der Bundesregierung" sprechen, halte ich diesen Ausdruck für nicht ganz passend. Wir sind uns sehr wohl dieser Probleme bewußt und werden auch die entsprechenden Maßnahmen setzen. Das können Sie jedem Medium entnehmen. Ich führe den Ausdruck "Ignoranz der Bundesregierung" auf die teilweise nicht aktuellen Informationsstände der Antragsteller zurück und hoffe, daß ich sie damit etwas verringern konnte. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.37


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Präsident Dr. Günther Hummer:
Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm.

16.37

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers! Ich möchte auf Ihren letzten Satz eingehen, worauf sich unsere Informationen stützen. Sie haben die gleichen Informationen, nämlich den Zustandsbericht des Verfassungsgerichtshofes und eine der seltenen Pressekonferenzen des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes. – Das sind unsere Informationsrichtlinien. Wenn Sie diese als derzeit nicht auf Stand bezeichnen, dann frage ich mich, was Sie sonst als richtig ansehen.

Ihre Antwort, Herr Staatssekretär, war umfassend im Sinne von leicht verständlich. Die Materie selbst ist kaum behandelt worden. Ihre Hauptworte waren "Problem ist uns bekannt", "wir erarbeiten Lösungsvorschläge", "es gibt Gespräche", "es gibt ein Handbuch für Legistik" und ähnliches mehr. – Konkret haben Sie überhaupt nur zwei Dinge erwähnt, das waren das Bundesasylamt und die Landesverwaltungsgerichtshöfe. Über den Konsultationsmechanismus, Ihre Regierungsvorlage, sind Sie hinweggegangen. Ich bin Ihnen übrigens dankbar, das muß ich sagen, daß Sie hier unter anderem auch den Parlamentariern, den Nationalräten, den Bundesräten, den Landtagsabgeordneten, die nirgends in diesem Konsultationsmechanismus genannt sind, beratenden Status zubilligen. Immerhin ist es ja ein Verfassungsgesetz. Also eigentlich sollte man da zumindest beratend mitwirken. Ich bedanke mich dafür. (Bundesrat Konečny: Sie haben auch das mißverstanden!)

Irgendwie bin ich sehr betroffen, daß aus Ihrer Anfragebeantwortung herausgekommen ist, wie leicht Sie eine solche Frage in den Wind blasen und links liegenlassen.

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes ist nicht irgend jemand. Sie sagen, es ist eine neue Zeiterscheinung, daß sich die Klagen massenhaft häufen. Mit Lastwagen wurden die 11 122 Beschwerden wegen der Mindestkörperschaftsteuer angekarrt. – Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Wer hat denn das Gesetz erlassen? (Bundesrat DDr. Königshofer: Das ist der Spiegel der Gesetzgebung!) – Danke sehr. Sie stellen den Spiegel der Gesetzgebung dar.

Jetzt können Sie noch einwenden: Es hat doch viele Initiativanträge gegeben. Man hat aber genau jene Parlamentarier herangezogen, die die Regierung zu ihrer Unterstützung gebraucht hat. Wenn ich nachdenke, Herr Staatssekretär, dann stelle ich fest, daß das Bezügereformgesetz ein Initiativantrag war. Man hat das vollzogen, was die höchste Exekutive und die einzelnen wollten. Man hat gesagt: Jetzt dürft ihr einen Initiativantrag machen! – 90 Prozent der Gesetze – nehmen Sie das zur Kenntnis – sind Regierungsvorlagen. Sie tragen die Verantwortung für diese schlechte Qualität. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wissen Sie, wie lange es beim derzeitigen Stand der Erledigungen dauern würde, bis der Verwaltungsgerichtshof mit den anliegenden Fällen zu Rande käme? – Beim derzeitigen Arbeitstempo – das heißt, daß die einzelnen Verwaltungs- und Verfassungsrichter sehr schnell arbeiten – 101 Jahre. Wissen Sie, was das weiter heißt? – Sie sagen heute hier: Bitte, wir haben Maßnahmen gesetzt, damit diese Flut eingedämmt wird. Sie erwähnen diese 2 500 S. Wissen Sie, was Sie damit machen? – Sie verweigern dem Bürger den Zugang zum Recht. Das ist es, was Sie machen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In seiner neuesten Ausgabe betitelt "Focus" einen Artikel in bezug auch auf Österreich: Bürokratie-Wahn! Wie Gesetze und Vorschriften ein Land zu Tode regulieren! (Bundesrat Mag. Gudenus: Ja!) – Hat der Rechtsstaat ausgedient? – Bestimmt! Manches stimmt in unserem Staat nicht mehr. Aber nicht nur bei uns, sondern auch bei anderen stimmt es nicht, was die Sache allerdings nicht besser macht.


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Beim Versuch, sich mit der realen Verfassung unseres Systems auseinanderzusetzen, kommt man aufgrund der Systematik und Begrifflichkeit zum Bundes-Verfassungsgesetz. Auch wenn bereits Artikel 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes spätestens seit dem EU-Beitritt nicht mehr stimmt und die Kompetenzartikel in Relation zu Brüssel ihre Bedeutung verloren haben, wird diesbezüglich nicht einmal an ein nachträgliches Fassen der Gegebenheiten gedacht. Meines Wissens, Herr Staatssekretär, haben wir zirka 350 Gesetze mit Verfassungsbestimmungen. Nicht einmal einen Katalog gibt es darüber. Ich weiß nicht einmal, wie die Bundesverfassung durchlöchert ist. Ist sie noch ein Schweizer Käse, oder ist sie überhaupt nur mehr eine Hülle? – Das ist nicht mehr feststellbar.

"Rechtsstaat Österreich – Illusion oder Realität." Ich glaube, wir kommen eher hin zur Illusion. Die Gewaltentrennung in Legislative, Verwaltung und Gerichtsbarkeit gibt es kaum mehr. Die Gesetze werden in Wahrheit von den Sozialpartnern oder von der Regierung gemacht. Mischt der formale Gesetzgeber, das Parlament, tatsächlich noch mit? – Wenn es mitmischt, dann passieren solche Dinge wie bei der Abstimmung über 0,5 Promille, 0,8 Promille, weil wieder die Regierung und andere hineinpfuschen.

Was bedenklich stimmt, ist, daß die Leute das merken. Sie werden mit einem Bereich paralysiert, so wie auch die Abgeordneten paralysiert werden. Sie haben gesagt, die Qualität ist besser geworden. Die Durchschaubarkeit ist besser geworden. Das haben Sie genau zu einem Zeitpunkt gesagt, zu dem Sie das Strukturanpassungsgesetz, im Volksmund "Teuerungspaket" genannt, erlassen haben. 98 Gesetze haben Sie darin. Die Einbringerin Frau Dr. Riess hat erklärt, wie das beim Beamten-Dienstrecht ist. Ich kann Ihnen einen Fall dazu nennen. Aus meinem eigenen Bereich weiß ich, daß eine Beamtin voriges Jahr in Pension gehen hätte können und 63 Prozent bekommen hätte. Sie hat aber gesagt, nein, ich möchte weiterarbeiten. Aufgrund dieses Strukturanpassungsgesetzes, aufgrund der Novellierung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes bekommt sie nun 61 Prozent. Die Leute werden bestraft, wenn sie weiterarbeiten. Sie werden bestraft, meine Damen und Herren! Lesen Sie sich ein bißchen in die Materie ein. Was soll der Bürger angesichts dieser Flut an Gesetzen von uns denken? – 10 000 Gesetzblätter, meine Damen und Herren, prasseln auf den einzelnen Bürger nieder!

Ich bleibe beim Strukturanpassungsgesetz. Beinahe 200 Seiten umfaßt es, mit der Regierungsvorlage, mit den Ausschußberichten, mit den Korrekturen sind es 1 400 Seiten. Das mußten die Damen und Herren hier studieren. Und dann wird gesagt, die Qualität der Gesetze ist besser geworden. Wenn Herr Präsident Fischer sagt, eine komplizierte Gesellschaft braucht komplizierte Gesetze, meine Damen und Herren, dann ist das meiner Meinung nach ein Schwächezeichen. – Ein Schwächezeichen dafür, daß diese Koalition, die für diese Vorlagen verantwortlich ist, nicht einmal im ureigensten Bereich in der Lage ist, die Dinge entsprechend zu steuern. Es boardet die Flut aus, und der Bürger weiß immer weniger. Werkvertragsregelung – es ist alles schon genannt worden, was hier passiert – wird beschlossen, wird novelliert, wird aufgehoben, wird novelliert, wird beschlossen. – Wie soll sich der einzelne da noch auskennen?

Meine Damen und Herren! Ich habe in der letzten Sitzung an Herrn Justizminister Michalek, den ich ob seiner fachlichen Qualität durchaus schätze, eine Anfrage wegen der möglichen Sperre der Bezirksgerichte in der Steiermark gestellt. Dabei geht es darum, daß der normale Bürger den Zugang zum Recht findet. Der Herr Minister hat im Sinne der oberhammerischen Thesen, daß man hier linear zusperren sollte, geantwortet, er werde diesbezüglich mit den Landesregierungen weiterverhandeln. Erwähnenswert ist, daß in diesem Fall der Bundesrat parteienübergreifend eine Initiative ergriffen und gesagt hat: Dieser Regelung werden wir solange nicht zustimmen, so lange nicht die Bundesstaatsreform endlich ins Laufen kommt. Aber nicht nur das möchte ich Ihnen bezüglich der Bezirksgerichte mitgeben. Man möge doch endlich einmal überlegen – ich habe es bereits gesagt –, wie paralysiert, wie verdrossen der Bürger ist. Schauen Sie sich die Wahlbeteiligung an! Der Bürger hat heute einfach nicht mehr die Möglichkeit, sein Recht zu finden. 30 000 Fälle – mehr als zwei, drei, vier Jahre. Stellen Sie sich vor, ein Unternehmer oder ein kleiner Gewerbetreibender, der irgend etwas einklagt, kann zwischenzeitlich den Konkurs anmelden.


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Hier sollten wir ansetzen. Da setzt die Bundesstaats- und Bundesratsreform an, daß man dem einfachen Menschen wieder das Gefühl gibt, daß ihm der Staat Recht gibt, wenn er Recht braucht. Dann werden uns, meine Damen und Herren, die Bürger auch wieder unterstützen.

Ich hoffe, Herr Staatssekretär, man redet hier nicht zum Fenster hinaus, und es bleibt ein bißchen etwas hängen. In anderen Bereichen konnten wir das bereits feststellen. Wir konnten das bei einer Vorlage des Herrn Bundesministers Schlögl feststellen. Sie haben in Ihrer Antwort eines völlig vermissen lassen: Sie haben immer gesagt, Sie führen Gespräche, und Sie haben dann das Perchtoldsdorfer Abkommen, zu dem Sie stehen, genannt. Das Perchtoldsdorfer Paktum ist längst gestorben. Wissen Sie, weshalb es gestorben ist? – Ich sage es Ihnen. Es ist dadurch gestorben, daß man einen Artikel 98a in die Bundesverfassung eingebaut hat, mit dem das Zustimmungsrecht der Bundesregierung bei Landesgesetzen mit finanzieller Folgewirksamkeit durch das Zustimmungsrecht des Bundesministers für Finanzen ersetzt wird. – Ein Modell einer zentralistischen Staatsvorstellung. Dazu stehen Sie. Das ist mir völlig unverständlich. Oder kennen Sie diese Vorlage nicht?

Mich würde interessieren, wie diese neue Vorlage der Bundesstaats- und Bundesratsreform aussieht? Bitte, legen Sie sie endlich einmal vor. Es geht nicht an, daß sich der eine Ministerialrat gegenüber dem Landesministerialrat stark macht. Das ist keine Geschichte.

Ich habe es heute schon einmal gesagt: Sie haben ein einfaches Instrument. Der seinerzeitige Bundesminister für Föderalismus, Vizepräsident Weiss, hat ein Handbuch für Legistik erarbeitet. Gehen Sie einmal bei einfachen Dingen zu Werk! Vergleichen Sie die Legistikhandbücher der Länder mit denen des Bundes, damit Sie zumindest einmal zu einer einhelligen Vorgangsweise finden. Der ganze Konsultationsmechanismus wird Ihnen nichts helfen, wenn Sie es einmal so und einmal so anlegen. Bitte, mißachten Sie nicht die Parlamente, und mißachten Sie nicht die Abgeordneten, weil sonst werden Sie die Demokratie mißachten, und letztlich wird Sie der Bürger dafür mißachten. Das kann Ihnen drohen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Das ist ein Notschrei, den wir hier heute machen. Das bringt kein parteipolitisches Kleingeld. Aber es könnte Renommee für unseren Staat bringen. Ich erwarte mir, daß Sie eine konkrete Angabe machen, wie diese Qualitätskontrolle stattfindet. Sie haben es in kleinen Ansätzen gesagt. Werden Gesetze auf Zeit kommen? Wird das Verfassungsrecht novelliert? Werden in einfachen Bereichen endlich Angleichungen erfolgen? Das ist notwendig.

Das Wichtigste ist: Bemühen wir uns alle – ansonsten ist dieser Rechtsstaat gefährdet –, daß der Bürger endlich wieder Zugang zum Recht bekommt, ansonsten wird er resignieren, und damit wird unser Staatsganzes gefährdet sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.52

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. – Bitte.

16.52

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Die gegenständliche dringliche Anfrage der freiheitlichen Bundesräte an den Bundeskanzler betreffend Kollaps des Rechtsstaates durch Überlastung der Höchstgerichte und Gefährdung der Länderrechte ist unbestritten ein wichtiges Anliegen und rechtfertigt deshalb diese heute stattfindende Diskussion. Womit ich persönlich Probleme habe, ist der Umstand, daß Sie, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei, wichtige und diskussionswürdige Anliegen immer wieder mit Verallgemeinerungen, mit dramatischen Darstellungen und mit pauschalen, irreführenden Feststellungen verknüpfen und damit oft eine notwendige und sachliche Diskussion verhindern. Ich will versuchen, diese Kritik etwas weniger emotionell als mein Vorredner anhand der gegenständlichen Anfrage konkret festzuhalten.

Da ist zum einen die Feststellung "Kollaps der Höchstgerichte". Erstens: Unbestritten ist, daß der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ihre Überlastung beklagen. Der Oberste Gerichtshof hat sich diesbezüglich – bisher zumindest – nicht sonderlich beklagt. Es sind also nicht die Höchstgerichte betroffen. – Soviel zum Thema Verallgemeinerung.


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(Bundesrat DDr. Königshofer: Zwei Höchstgerichte sind davon betroffen!) Z wei von drei sind noch immer nicht die Mehrheit. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. ) Die Mehrheit schon, aber nicht das Ganze, daher ist es nicht zulässig, von "den Höchstgerichten" zu sprechen. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Herr Kollege! Jetzt wird es kindisch!) Herr Kollege! Nehmen Sie nicht einen Versprecher meinerseits zum Anlaß einer Lächerlichkeit.

Zum zweiten: Inwieweit mit dem bereits zitierten Betreff der Anfrage eine Gefährdung der Länderrechte verbunden ist, wird aus keiner der insgesamt 36 Anfragen ersichtlich.

Zum dritten, zu den Fragestellungen generell: Es werden – wie schon erwähnt – 36 konkrete Anfragen in dieser Dringlichen aufgeworfen. Allerdings sind dabei nur wenige wichtige Themen wirklich berücksichtigt. Konkret werden diese Themen lediglich durch variantenreiche Formulierungen aufgefettet.

Zu den einzelnen wichtigen Themenbereichen selbst: Überlastung des Verfassungsgerichtshofes: Vorauszuschicken ist, daß bereits seit 1981 äußerst wirksame Maßnahmen ergriffen worden sind – insbesondere die stufenweise Einführung des Ablehnungsrechtes –, die dazu geführt haben, daß nun nicht mehr allgemein von einer Überlastung des Verfassungsgerichtshofes gesprochen werden kann. Ein Sonderproblem ist allerdings 1996 aufgetreten, als in einer einzigartigen Kampagne 11 122 im wesentlichen gleichlautende Beschwerden zur Mindestkörperschaftsteuer eingebracht wurden. Darauf ist der Gerichtshof weder von seiner Struktur noch von seinem Verfahren her eingerichtet, wobei betont werden muß, daß er dieses Problem durch eine Fortentwicklung seiner Rechtsprechung zur Anlaßfallwirkung gut in den Griff bekommen hat und alle diese Fälle mit einem einzigen Erkenntnis erledigen konnte. Ungeachtet dessen wird man sich mit gesetzlichen Änderungen auf derartige Verfahren einstellen müssen. Ohne diesen verfahrensrechtlichen Änderungen vorzugreifen, scheint es durchaus denkbar zu sein, daß künftig schon eine Berufung genügen könnte, nach einer konkreten Beschwerde alle weiteren Fälle dem Erkenntnis dieser Beschwerde zu unterwerfen.

Zum Verwaltungsgerichtshof. Dessen zunehmende Überlastung ist unbestritten. Sie ist tatsächlich zum überwiegenden Teil auf die exzessive Bundesgesetzgebung und zu rund der Hälfte auf Bereiche des Fremdenrechtes zurückzuführen. Es ist allerdings nicht zulässig, den Schluß dieser Anfrage zu ziehen, die Bundesregierung negiere diesen Umstand. Als Lösung wird in erster Linie das neue Bundesasylamt eine wesentliche Verbesserung der Situation herbeiführen. Regelmäßige konkrete Verhandlungen finden außerdem zur Einrichtung von Landesverwaltungsgerichten statt.

Dies ist ein Anliegen aller Beteiligten, also von Bund und Ländern gemeinsam, und muß naturgemäß im Zusammenhang mit der Bundesstaatsreform betrachtet werden. Nicht zu verleugnen ist dabei, daß es sich zudem um ein finanziell sehr ernstes Problem handelt, bei dem die Länder die Bereitschaft signalisieren, Landesverwaltungsgerichte einzurichten, wenn der Bund dafür die Kosten übernimmt – ein Problembereich, der insbesondere unter dem Begriff "Konsultationsmechanismus" besondere Aktualität erhält.

In diesem Zusammenhang möchte ich als Wiener Vertreter nur beispielhaft darstellen, um welche Größenordnungen es sich bei der Lösung dieser Frage handelt. Bei Einrichtungen von Landesverwaltungsgerichten betreffen rund 50 Prozent der Fälle allein das Bundesland Wien. Es wäre dafür ein Bedarf von rund 70 Juristen erforderlich. Der errechnete Personalaufwand würde rund 130 Millionen Schilling jährlich zuzüglich dem notwendigen Sachaufwand betragen. Festzustellen ist daher, daß es ernsthafte Bemühungen gibt, dieses vor allem finanzielle Problem zu lösen. Eine Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes wird jedenfalls durch das neugeschaffene Fremdengesetz eintreten, da zu erwarten ist, daß sowohl dem Inhalt als auch der Zahl nach die Beschwerdefälle künftig geringer werden. – Dies deshalb, weil bisher zwei Bescheide – zum Beispiel eine polizeiliche Ausweisung und die Beendigung des Aufenthaltes – nötig waren und durch Schaffung des neuen materiellen Rechtsbestandes künftig nur mehr ein Bescheid nötig sein wird. Die Bundesregierung hat sich also sehr wohl um den Rechtsstaat gekümmert.


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Ich habe bereits darauf verwiesen, daß die beabsichtigte Schaffung von Landesverwaltungsgerichten auch in bezug auf die Bundesstaatsreform betrachtet werden muß. Ein Übergang von der bisherigen Praxis beziehungsweise Zuständigkeit in eine andere kann aus organisatorischen und finanziellen Gründen nur mit Fristen – ich bin der Meinung, zwischen drei und vier Jahren – erfolgen. Dabei hat auch der Konsultationsmechanismus eine entscheidende Bedeutung. Schließlich wurde diese Einrichtung geschaffen, um ein gegenseitiges Überwälzen der Kosten auf andere Gebietskörperschaften zu verhindern, und ich halte dies für sinnvoll. Ich bekenne mich daher grundsätzlich zum Konsultationsmechanismus, da er dazu zwingt, konkrete Kosten zu ermitteln, eine konkrete Berechnung der Kosten herbeizuführen, und schließlich die Einhaltung dieser Kosten einer ständigen Kontrolle unterworfen wird. (Bundesrat Dr. Tremmel: Ohne daß Sie als Parlamentarier mitwirken können?)

Aus der Sicht des Bundesrates muß ich dazu aber festhalten, daß dieser Konsultationsmechanismus derzeit ausschließlich durch die Vollziehung organisiert wird, die Gesetzgebung also ausklammert. Dies ist meiner Meinung nach nicht akzeptabel, Herr Kollege Dr. Tremmel! Hier bin ich durchaus Ihrer Meinung.

Lassen Sie mich daher zum Schluß kommen und die wesentlichen Aussagen nochmals festhalten. Die Bundesregierung hat einerseits durch konkrete Maßnahmen – siehe Fremdengesetz – bereits eine Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes eingeleitet. Als weitere Lösung wird auch unter dem Gesichtspunkt der Bundesstaatsreform über die Einführung von Landesverwaltungsgerichtshöfen verhandelt. Auch die Verfahrenskonzentration im Anlagenrecht, welche dabei mitverhandelt wird, dient schließlich der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes. Allein in diesem Monat wurden meiner Information zufolge drei Beamtenrunden mit diesem Thema geführt. Ziel ist es, bereits im Herbst all diese Fragen einer ernsthaften Lösung und möglicherweise auch einer gesetzlichen Regelung zuzuführen.

Ich danke daher den Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei, daß sie mir und meiner Fraktion mit dieser dringlichen Anfrage die Möglichkeit geboten haben, diese wichtigen Klarstellungen hier darzulegen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.00

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Jürgen Weiss. – Bitte.

17.00

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Möglichkeiten der modernen Textverarbeitung sind eine feine Sache. Man kann Texte, die man früher einmal angefertigt hat, wieder hervorholen, und man kann auch Texte übernehmen, die für einen anderen Zweck geschrieben wurden.

So ging es offenbar auch mit Teilen der dringlichen Anfrage, bei der Sie sich in Frage 16 damit beschäftigen, warum der Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes dem Nationalrat nicht vorgelegt werde. – Ich hätte mir erwartet, daß Sie sich darüber Gedanken machen, warum er dem Bundesrat nicht vorgelegt wird. Es war dies in der Vergangenheit noch nie der Fall. Insoweit ist dieses Mißverständnis verständlich. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist ein durchaus richtiger Hinweis! Danke sehr!) Es war bisher tatsächlich der Nationalrat betroffen. Aber es wäre aus unserer Sicht wünschenswert, daß sich auch der Bundesrat mit diesem Bericht befassen kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich möchte an das anknüpfen, was Herr Kollege Rauchenberger zum Konsultationsmechanismus gesagt hat, und zwar aus der Position des Vorarlberger Landtages, der sich einstimmig zu diesem Konsultationsmechanismus bekannt hat, übrigens auch in völliger Übereinstimmung mit dem Landesparteiobmann der Freiheitlichen Partei, der immer sehr gedrängt hat, man möge sich auch von Bundesseite endlich dazu bekennen und unterschreiben.

Sie gehen – wir hatten schon einmal Gelegenheit, das anläßlich einer dringlichen Anfrage zu diskutieren – in der Frage 32 von einer ganz signifikanten Fehleinschätzung des Sachverhaltes aus, und wenn Sie falsche Prämissen anlegen, dann kommen Sie naturgemäß zu den falschen


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Schlußfolgerungen, die Sie hier dargelegt haben: Sie gehen davon aus, daß es sich bei diesem Konsultationsgremium um ein Entscheidungsgremium handle. – Das ist es nun wahrlich nicht! Bei aller Kritik, die man an dessen Zusammensetzung und Strukturierung durchaus üben kann, muß man klarstellen: Es ist dies kein Entscheidungsgremium. Es hat vielmehr die Aufgabe, den jeweiligen Gesetzgeber, seien es der Nationalrat und der Bundesrat oder der Landtag, auf die Folgen seiner Entscheidungen besser hinzuweisen, als das bisher möglich war.

Sie haben natürlich in gewisser Weise recht, daß der Gesetzgeber in seiner subjektiven Freiheit, die er bisher hatte, beschränkt wird, aber nicht durch das Konsultationsgremium, sondern aufgrund folgender Tatsache: Der Gesetzgeber wird künftig nicht mehr Entscheidungen auf fremde Kosten treffen können, in diesem Punkt wird er beschränkt sein. Er wird infolge der gesamtwirtschaftlichen Lage künftig auch nicht mehr Ausgaben beschließen und darauf hoffen können, daß die Deckung durch eine Erhöhung der Abgabenquote erfolgt. Auch dieser Weg ist weitgehend versperrt. Und seit dem Wirksam-Werden der Maastricht-Kriterien ist auch der dritte Weg versperrt, und der Gesetzgeber ist natürlich in seiner bisher gewohnten Entscheidungsfreiheit beschränkt, sodaß er Ausgaben auch nicht mehr in der Hoffnung beschließen kann, daß diese durch eine Erhöhung des Staatsdefizites finanziert werden können.

Es treffen jetzt also drei Faktoren zusammen, die beim jeweiligen Gesetzgebungsorgan natürlich einen gewaltigen Umdenkprozeß herausfordern, daß es sich künftig stärker mit den Konsequenzen seines Tuns beschäftigen muß. – Das führt nahtlos zu dem Argument und zu der zu Recht geäußerten Klage, daß zu viele Gesetze hinsichtlich der Auswirkungen auf die Betroffenen und jene, die sie anzuwenden und zu vollziehen haben, zuwenig überdacht wurden.

Ich halte es auch für wichtig, daß eine sorgfältige Vorbereitung der Gesetzgebung unter Einbindung der Betroffenen, die die Gesetze zu vollziehen haben, und jener, die sich auch Gedanken machen müssen, wie man all das sehr gut Gemeinte bezahlen soll, vorgenommen wird. Denn eine solche sorgfältige Vorbereitung ist besser als nachträgliche Vermittlungsbemühungen zwischen dann oft reichlich festgefahrenen Positionen.

Natürlich hätte es auch die Alternative gegeben, daß der Bundesrat diese Schutzfunktion ausübt. Die Länder selbst haben in ihren Forderungsprogrammen bereits seit Jahrzehnten diese Position vertreten, indem sie gesagt haben, daß die Länder über den Bundesrat ein stärkeres Mitwirkungsrecht insbesondere bei jenen Gesetzen haben sollten, die bei den anderen Gebietskörperschaften finanzielle Auswirkungen nachteiliger Art haben. – Wir alle wissen, daß es nicht dazu gekommen ist und daß es auch weiterhin nicht dazu kommt, daß sich wenigstens der Bundesrat selbst zu dieser Möglichkeit bekennt.

Herr Staatssekretär! Etwas ist für mich bei der Beantwortung der dringlichen Anfrage noch offengeblieben. Es liegt zwar nicht in der Verantwortung der Bundesregierung, darüber Aussagen zu treffen, aber mich hätte Ihre Einschätzung doch interessiert: Inwieweit löst der Herr Bundeskanzler – in diesem Fall ist es wohl eher eine Frage an den Parteivorsitzenden als an den Bundeskanzler – die den Ländern und Gemeinden gegebene Zusage ein, daß dieser Konsultationsmechanismus noch vor dem Sommer beschlossen wird? – Wir alle wissen, daß das aus verschiedenen Gründen nicht möglich war. Es soll auch gar nicht einen Monat auf oder ab beckmesserisch gerichtet werden. Aber es wäre doch interessant, zu erfahren, ob es in diesem Zusammenhang einen konkreten Zeithorizont gibt.

Zu den Verhandlungen über die Bundesstaatsreform, zu welchen ja in diesen Tagen und Wochen ein neuer Anlauf versucht werden soll, will ich jetzt gar nicht viel kommentierend anfügen, weil das unseriös wäre. Ich bin dafür, jetzt einmal zu sehen, ob es tatsächlich zu einer Aktualisierung der doch schon einige Zeit zurückliegenden Kompromißregelungen kommt und ob es – wie versprochen – im Herbst wenigstens zur Umsetzung dessen kommt, worauf man sich schon einmal als kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt hatte.

Ein wesentliches Anliegen, welches – wie ich meine – auch zu dieser Diskussion gehört, ist nicht nur die Klärung der Frage, wie man schwer verständliches, zu aufwendig zu vollziehendes Recht von vornherein vermeidet, sondern auch die Lösung des Problems, wie man diesen gewaltigen


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Rucksack von Ballast befreien kann, den wir alle auf Bundes- und auf Landesebene in unterschiedlicher Weise mitschleppen, weil auch der Umfang der Zuständigkeiten unterschiedlich ist, wie wir also mit der Rechtsbereinigung umgehen. Dabei möchte ich darauf verweisen, daß man diesen Problembereich nur im Zusammenhang mit einer Zuständigkeitsbereinigung sehen kann, und zwar nicht nur zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, sondern auch innerhalb des Bundes selbst. Das beginnt etwa bei der Frage, ob es tatsächlich immer notwendig ist, daß zwei, drei oder – wie es in Einzelfällen auch vorkommt – vier Ministerien gleichzeitig mit einer Angelegenheit befaßt werden. Wenn wir hier alle Gesetzesbeschlüsse Revue passieren lassen, die wir fassen, dann können wir feststellen, daß es nur wenige gibt, die eine Aufgabe einem Ministerium allein zuordnen. – Darin ist schon einmal eine wesentliche Ursache für unnötigen Verwaltungsaufwand und Unklarheiten zu suchen!

Die Rechtsbereinigung ist weniger eine Herausforderung an legistisches Handwerk – obwohl das natürlich auch diesbezüglich ein sehr komplexes Vorhaben ist –, sondern letztlich doch eine Herausforderung im Hinblick auf die politische Verantwortung: Rechtsbereinigung und Zuständigkeitsbereinigung muß man politisch wollen.

Zu diesem Wollen müssen wir auch kritisch anmerken, daß der Gesetzgeber, in erster Linie natürlich der Auslöser, der Nationalrat, von einem Extrem ins andere fällt. In dem Fall, den ich schildern werde, möchte ich keine Kritik an die Adresse der Bundesregierung richten, die diesfalls gar nichts dafür kann.

Auf der einen Seite werden verschiedene Regierungsvorlagen und Initiativanträge mit einem mehr oder minder weit gefaßten sachlichen Zusammenhang im jeweiligen Nationalratsausschuß zu einer Sammelnovelle zusammengefügt. Das ist in den legistischen Richtlinien des Bundes zu Recht verpönt. – Das ist das eine Extrem, das für den Rechtsanwender nicht sonderlich befriedigend ist.

Es kommt aber noch ärger: Wir fallen nämlich gleichzeitig auch ins andere Extrem. – So haben wir heute unter Tagesordnungspunkt 6 eine Änderung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes und gleichzeitig unter Punkt 15 eine weitere Änderung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes beschlossen. Getrennt davon beschließen wir unter Tagesordnungspunkt 11 eine Änderung des Kraftfahrgesetzes und unter Tagesordnungspunkt 13 ebenfalls eine Änderung des Kraftfahrgesetzes. Vor nicht allzu langer Zeit hatten wir dieselbe Situation mit zwei gleichzeitigen Beschlüssen zu zwei unterschiedlichen Novellen zum Wasserrechtsgesetz. Das führt dann dazu, daß der staunende Leser des Bundesgesetzblattes in ein und derselben Ausgabe zwei verschiedene Novellen ein und desselben Gesetzes findet. Und das ließe sich mit etwas mehr Sorgfalt bei der Ausarbeitung der Ausschußberichte und des Gesetzgebungsvorhabens im Nationalrat leicht vermeiden! Das sind natürlich teilweise auch Beispiele dafür, daß die Klarheit, die Beständigkeit, die Verläßlichkeit der Gesetzgebung häufig anderen, individuellen Interessen geopfert werden. Es gibt viele Interessenvertreter in den parlamentarischen Körperschaften für alle möglichen Lebensbereiche, aber wenige, die tatsächlich mit Entschlossenheit für eine verständliche, nachvollziehbare, leicht vollziehbare Gesetzessprache und entsprechende Inhalte, die natürlich Voraussetzung für die Verständlichkeit sind, Partei ergreifen.

Das führt zu der Frage: Welchen Stellenwert hat das Verfassungsrecht bei uns? – Der Zustand unseres Verfassungsrechts ist in der wissenschaftlichen Literatur und auch in der politischen Diskussion schon hinreichend beschrieben worden. Das Grundübel liegt ohne Zweifel darin, daß es bei uns außerordentlich leicht ist, Verfassungsrecht außerhalb der Verfassungsurkunde zu schaffen, und das in einem ganz beachtlichen Ausmaß. In der Anfragebeantwortung wurde das bereits ausgeleuchtet.

Österreich ist ein Rechtsstaat, der von den Gepflogenheiten anderer Rechtsstaaten in sehr gravierender Weise abweicht. In anderen Staaten ist es so gut wie unmöglich, außerhalb der Verfassungsurkunde Verfassungsrecht zu schaffen. In der Schweiz bedarf jede Änderung der Verfassung sogar einer Volksabstimmung; das zeigt, welcher Stellenwert dort der Beständigkeit zugemessen wird. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sind sogar unabänderbare


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verfassungsrechtliche Inhalte enthalten, die auch dem Zugriff des Verfassungsgesetzgebers entzogen sind.

Daß wir diese Probleme haben, liegt natürlich nicht nur an den mangelhaften Instrumenten, die dem Gesetzgeber in Österreich durch das Verfassungsrecht zur Verfügung gestellt werden, sondern es liegt eher an der Mangelhaftigkeit des Verfassungsbewußtseins. Außer Streit soll allerdings gestellt sein, daß die Instrumente geradezu dazu verführen, mangelhaftes Verfassungsbewußtsein zu entwickeln.

Daher möchte ich abschließend noch auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen. Es wurde auch schon in der Anfragebeantwortung angesprochen, daß es nach der Bundesstaatsreform wohl an der Zeit wäre, das Projekt der Neukodifikation des Bundesverfassungsrechts wieder in Angriff zu nehmen. Das ist ein langwieriges, hoch komplexes Projekt, mit dem man auch in anderen Staaten mit einem vergleichsweise kleineren Verfassungsrechtsbestand wie etwa der Schweiz nur mit großen Mühen vorankommt. Aber Bereinigung im nachhinein ist etwas anderes als Vorsorge, daß diese Uneinheitlichkeit des Verfassungsrechts nicht weiter fortschreitet. Daher weise ich auf die Notwendigkeit hin, endlich das sogenannte Inkorporierungsgebot in der Verfassung zu verankern, was bedeuten würde, daß Verfassungsrecht künftig wirklich nur mehr in der Verfassungsurkunde selbst geschaffen werden kann.

Wir haben bereits bei einigen Bundes-Verfassungsgesetz-Novellen, auch heute wieder, gesehen, daß man diese Gelegenheit immer wieder ungenutzt verstreichen läßt. Es ist sicherlich richtig, das nicht isoliert zu lösen, sondern innerhalb einer umfassenderen Verfassungsgesetznovelle. Es ist dies über Verlangen der Länder auch Inhalt der Bundesstaatsreform. Es wäre aber doch wünschenswert, daß man sich endlich aufrafft, unabhängig davon diesen Beitrag zur Verfassungshygiene zu leisten.

Wir selbst haben auch schon einen Beitrag dazu geleistet. Mit dem Gesetzesantrag vom 23. März 1995 hat sich der Bundesrat gemeinsam in einem Antrag dazu bekannt, dieses Inkorporierungsgebot vorzuschlagen. Das wurde dann auch in den Nationalratsunterlagen unter Nummer 159 als einer der seltenen Fälle eines Gesetzgebungsantrags des Bundesrates verankert, ist dann allerdings wegen der Auflösung des Nationalrates verfallen. Ich würde es begrüßen, wenn sich der Bundesrat in einem neuen Anlauf neuerlich zu diesem wichtigen, nicht nur für die Länder, sondern für die Verfassungsstaatlichkeit insgesamt wichtigen Anliegen bekennen könnte. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.15

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile es ihm.

17.15

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bei dringlichen Anfragen der Freiheitlichen eigentlich immer dasselbe Ritual bei den Damen und Herren der Koalitionsparteien festzustellen: Zuerst wird die Anfrage ein wenig lächerlich gemacht, dann wird diese aber plötzlich, wie etwa heute von Herr Vizepräsidenten Jürgen Weiss, als Initialzündung betrachtet, und es werden in einem wahren Redeschwall einige Reformvorschläge gemacht, die wirklich bemerkenswert sind. Man merkt daran auch, daß die Themen, die von uns vorgebracht werden, zu denen gehören, zu welchen es in diesem Hause tatsächlich etwas zu sagen gibt.

Dasselbe Phänomen war auch bei Kollegen Rauchenberger festzustellen, der eingeräumt hat, daß die Überlastung der Höchstgerichte wirklich ein Problem sei. Er hat dann ein bisserl herumgeredet, hat aber im wesentlichen doch auch einige bemerkenswerte Aussagen gemacht. Ohne diese dringliche Anfrage wüßten wir nämlich jetzt alle nicht, daß die SPÖ den Konsultationsmechanismus, so wie er jetzt eingerichtet werden soll, eigentlich nicht für richtig empfindet.

Sie, Herr Staatssekretär, haben eine Beantwortung geliefert, die uns nicht genügend war. Ich muß wirklich sagen, daß einige Themen, die wir in unserer dringlichen Anfrage aufgeworfen haben, von Ihnen nicht ausreichend beantwortet wurden. Wir haben diese dringliche Anfrage


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nämlich nicht nur in bezug auf die Überlastung der Höchstgerichte gestellt, sondern wollten im Rahmen der Einrichtung der Landesverwaltungsgerichte auch die Bundesstaatsreform und im Rahmen der Bundesstaatsreform auch das Problem der Bundesratsreform ansprechen.

Die Bundesstaatsreform, wie sie in Perchtoldsdorf paktiert worden ist, wurde vor kurzem in einer Landeshauptmännerkonferenz, an der auch Sie teilgenommen haben, Herr Staatssekretär, wieder bekräftigt. Auch dort wurde wieder klargestellt, daß dieselbe bis November dieses Jahres beschlossen werden sollte, um dann in Umsetzung zu geraten. – Wir haben allerdings zu dieser Bundesstaatsreform schon einige Jahre Erfahrung, und wir wissen, daß von seiten der Bundesregierung diese Ankündigungen in der Regel nicht wahrgemacht werden, vor allem auch die sehr wichtige Anregung in diesem Perchtoldsdorfer Abkommen, die besagt, daß auch der Bundesrat reformiert werden soll. Über die Frage Reform des Bundesrates, Herr Staatssekretär, haben Sie sich in Ihrer Beantwortung überhaupt nicht ausgelassen, obgleich wir auch dazu etwas erfahren hätten wollen.

Die Frage der Reform des Bundesrates wurde im Perchtoldsdorfer Abkommen bereits paktiert, und viele Äußerungen von Koalitionspolitikern in den Monaten danach gingen immer wieder dahin, daß der Bundesrat selbst Vorschläge zu seiner eigenen Reform machen wird. Deshalb war es seltsam, daß beim vergangenen Ausschuß ein Antrag, der das zum Ziele hat, dort nicht behandelt, sondern einfach sang- und klanglos vertagt wurde. Es handelte sich dabei um den Antrag der Vorarlberger Bundesräte, der nur einer von vielen ist, der allerdings das Glück hatte, daß er zumindest auf die Tagesordnung des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus gekommen ist.

Herr Präsident! Sie sind ja nicht nur Präsident für das kommende halbe Jahr, sondern auch Vorsitzender des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus. Ich hoffe, daß es nun einen Beginn der Debatte über die Reform des Bundesrates in den Ausschüssen des Bundesrates selbst geben wird, und ich hoffe, daß Sie die Gelegenheit nutzen werden, um in die Geschichte des Bundesrates einzugehen, indem in Ihrem Ausschuß all diese Anträge, die wir seit Jahren einbringen und die eine Reform des Bundesstaates und vor allem auch des Bundesrates zum Ziel haben, dort tatsächlich einmal offen debattiert werden. Denn daß all diese Fragen nicht ausdiskutiert worden sind, beweisen immer wieder die dringlichen Anfragen, die wir Freiheitlichen stellen, und die unklaren Antworten, die wir dann von seiten der Koalitionsparteien zu hören bekommen.

Wir sind der Ansicht, daß jetzt in der herrschenden Diskussion über die Bundesstaatsreform der Bundesrat die Verpflichtung hätte, diese Diskussionszeit zu verwenden, um Vorschläge zu seiner eigenen Reform zu machen, und diese Zeit auch zu nützen, damit wir, sollte es zu einem Beschluß in dieser Richtung kommen, auch mit wirklichen Vorschlägen aufwarten können. Wenn ich mir diesen Antrag 93 ansehe, den die Vorarlberger Bundesräte hier eingebracht haben, der von einem SPÖ-Abgeordneten im Ausschuß als ein radikaler Antrag bezeichnet worden ist, dann muß ich sagen, daß diese Behauptung nicht einer gewissen Lächerlichkeit entbehrt. Denn die Vorschläge, die in diesem Antrag Nummer 93 gemacht werden, wurden im wesentlichen und in Grundsätzen von allen Fraktionen dieses Hauses schon einmal diskutiert, und es wurde – ich möchte mich vorsichtig ausdrücken – schon einmal ins Auge gefaßt, daß man sie auch beschließen könnte.

Diese Vorschläge, die wir hier machen, beziehen sich auf das Stellungnahmerecht des Bundesrates in bezug auf die europäische Ebene, ein Stellungnahmerecht während der Begutachtungszeit für Bundesgesetze, ein Zustimmungsrecht für das Finanzausgleichsgesetz und alle diese Dinge, die wir hier im Bundesrat schon zur Genüge diskutiert haben.

Ich finde, daß diese Vorschläge, die in diesem Antrag gemacht worden sind, wirklich nicht so fundamental gegen die einen oder anderen Grundsätze der drei in diesem Hause vertretenen Parteien verstoßen würden, daß er nicht diskussionswürdig wäre und man ihn einfach vom Tisch wischen sollte. Ich hoffe deshalb, daß dieser Antrag und alle Anträge, auch diejenigen, die wir Freiheitlichen eingebracht haben, in den nächsten Wochen und Monaten im Bundesrat


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selbst diskutiert werden, damit der Bundesrat in die Lage versetzt wird, zu seiner eigenen Reform auch Vorschläge zu machen, die auch in der Öffentlichkeit gehört werden.

Sie, Herr Präsident, möchte ich ersuchen, als Vorsitzender des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus diese Debatte ernsthaft zu betreiben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.22

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. – Bitte.

17.22

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Auch mich hat die Beantwortung unserer Anfragen nicht befriedigt. Sie blieben mir allzu sehr im Formalen, und Sie gingen in keinem einzigen Punkt ins Grundsätzliche.

Wie schon meine Vorredner betont haben, besteht ein untrennbarer Sachzusammenhang zwischen der verschleppten Bundesstaatsreform und dem drohenden Zusammenbruch des Verwaltungsgerichtshofes. Es handelt sich nämlich tatsächlich um einen solchen.

Es gleicht schon Catos Ceterum censeo, wenn ich wieder einmal die langjährige freiheitliche Forderung aufgreife, endlich Verwaltungsgerichte in den Ländern einzurichten. Das Perchtoldsdorfer Paktum hatte sich diese Forderung ja durchaus zu eigen gemacht. Der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, Dr. Jabloner, mahnte die Realisierung dieses Vorhabens im Zuge eines Notstandsberichtes fast schon verzweifelt ein.

Leider – das muß eingeräumt werden – fehlt es auch am nötigen Nachdruck der Länder, um das Projekt durchzusetzen. Das enthebt freilich den Bund nicht seiner Verantwortung. Die Regierung und die sie tragende Mehrheit im Nationalrat nehmen sie allerdings nicht wahr. Das zeigte sich zuletzt wieder darin, daß wir mit dem heute beschlossenen Bundesasylsenat eine weitere Bundesbehörde geschaffen haben. Gewiß ist eben das zur Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes geschehen; aber jeder rein punktuelle Ausbau der Kompetenzen der Unabhängigen Verwaltungssenate und noch mehr die Einrichtung sogar neuer Kommissionen gemäß Artikel 133 Z 4 B-VG ist stets ein Schritt weiter weg vom echten Ziel, nämlich der Einrichtung von Landesverwaltungsgerichten.

Ich gebe zu, daß das auch eine Kostenfrage ist, und ich sehe ein, daß die Länder nicht ohne Grund meinen, daß sich daran auch der Bund zu beteiligen habe, denn es dient ja der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes. Dieser wird in der Tat, Herr Staatssekretär, dadurch entlastet, daß ja von den Landesverwaltungsgerichten der Rechtszug nicht mehr schlechthin zum Verwaltungsgerichtshof in Wien gehen sollte, sondern nur noch in Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, in denen es um eine bundeseinheitliche Auslegung geht.

Zweifellos beruht die heute völlig außer Streit gestellte starke Überlastung der Höchstgerichte primär auf der ausufernden Gesetzesflut. Da muß ich mich in einem Punkt vom Kollegen Rauchenberger unterscheiden: Es ist nicht richtig, daß der Oberste Gerichtshof nicht überlastet wäre. Er ist es gleichfalls, wenn auch nicht so dramatisch wie die beiden Höchstgerichte des öffentlichen Rechts. Und – das war vielleicht sein Fehler – er ist bisher nicht mit gleicher Deutlichkeit an die Öffentlichkeit gegangen. Ich weiß aber aus persönlicher Bekanntschaft mit einigen Mitgliedern des Obersten Gerichtshofes, wie es um dessen Überlastung steht. Ich muß leider auch im fachlichen Rahmen konstatieren, daß – zumindest im Zivilrecht vermag ich es zu beurteilen – der Oberste Gerichtshof seine bekannt hohe Qualität zunehmend nicht mehr beibehalten kann.

Er hat nicht die Flucht in die Öffentlichkeit angetreten, aber er hat sich schon in camera caritatis an das Justizministerium gewandt – der nicht mehr anwesende Herr Bundesminister für Justiz könnte es bestätigen –, indem er nämlich vorgefühlt hat, daß es wieder weitere Rechtsmittelbeschränkungen bezüglich seiner eigenen Anrufbarkeit geben soll, auch solche Anfechtungsbe


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schränkungen – ich habe sie informell gesehen –, denen ich in der Sache gar nicht zustimmen kann. Ich verstehe es aber; es ist auch ein Notschrei des Obersten Gerichtshofes.

Zurück zur Gesetzesflut. – Es ist bezeichnend, wenn der ehemalige Abgeordnete, Vorsitzende des Justizausschusses im Nationalrat und renommierte Rechtsanwalt Dr. Michael Graff, im Zuge des Hearings vor dem Bundesrat an dieser Stelle am 14. Jänner 1997 nach Konstatierung der trivialen Tatsache, daß das Bundesgesetz rund 6 000 Seiten pro Jahr umfasse – das ist sogar zu tief gegriffen –, ganz offen wörtlich folgendes einbekannt hat: "Das ist unzumutbar. Das kann auch der Fachmann nicht mehr beherrschen. Ich", so Graff, "habe mich bis vor ein paar Jahren bemüht, auf den Rechtsgebieten, die ich Ihnen vorher genannt habe, auf dem laufenden zu bleiben. Für die letzte Periode ist mir das nicht mehr gelungen." – Soweit Graff.

Mit der exzessiven Gesetzesproduktion geht zwangsläufig auch das laufende Sinken der Qualität der erlassenen Vorschriften und Normen einher. In diesem Zusammenhang ist an das berühmte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu erinnern, in dem er sinngemäß ausführt, daß er selbst wie auch der Rechtsunterworfene nicht dazu verhalten sei, Denksportaufgaben zu lösen, die ihm der Gesetzgeber durch seine immer komplizierter werdenden Formulierungen stellt.

Ganz ähnlich forderte jüngst auch der Zweite Nationalratspräsident, Dr. Heinrich Neisser, eine grundlegende Strukturreform des Rechtsstaates und der Demokratie. Es gelte, die Grundlagen dafür zu schaffen, daß der Verfassungsgerichtshof im vernünftigen Maße befaßt wird und der Verwaltungsgerichtshof seinen Verpflichtungen gerecht werden kann. Durch die übertriebene Regulierungsintensität werde der Rechtsstaat auf den Kopf gestellt, so Neisser wörtlich. Der Bürger reagiere darauf mit Gesetzesverdrossenheit, Verweigerung und auch ungewolltem Rechtsbruch. Zugleich darf man sich dann nicht wundern, wenn die dadurch bewirkte Rechtsunsicherheit und Desorientierung zur vollen Ausschöpfung des Rechtszuges führt. Die offenen Rückstände der beiden Höchstgerichte des öffentlichen Rechts von je über 13 000 Fällen, wie wir heute mehrfach gehört haben, sind die untragbare Konsequenz der Beschwerdeflut.

Diese faktische Lahmlegung markiert eine Krise des Rechtsstaates. Es ist für mich unfaßbar, daß der Bundesregierung und der sie tragenden Mehrheit im Parlament dazu nicht mehr einfällt als die von mir heute bereits kritisierte Eingabengebühr.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien! Halten Sie ein mit der Gesetzesflut, und beseitigen Sie die ungeheure Kompetenzzersplitterung! Und vor allem: Machen Sie aus dem Gesetz wieder, was es seinem Wesen, seiner Entstehung nach sein soll und längst nicht mehr ist, nämlich eine allgemeine, gleiche Regelung für die wirklich ordnungsbedürftigen Lebensverhältnisse der Bürger, und keinesfalls eine rein tagespolitisch motivierte Verwaltungsmaßregel. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Erst dann kämen wir auch wieder von unserer De-facto-Regierungsgesetzgebung weg und fänden zu substantieller Rechtsschöpfung im Parlament zurück, also der Stätte, die als gesetzgebende Körperschaft dazu primär berufen ist.

Vom geradezu inflationären Umgang mit dem Verfassungsrecht selbst will ich erst gar nicht reden. Das hat dankenswerterweise Herr Präsident Weiss heute schon deutlich angeführt. Die von ihm verwendeten Begriffe wie "Verfassungshygiene" oder "Inkorporationsgebot" entsprechen Forderungen, die wir seit Jahren erheben.

Ich kann daher nur an Sie appellieren, agieren und reformieren Sie endlich, weil Sie sonst den Rechtsstaat und seine Funktionsfähigkeit grundlegend gefährden und zugleich die Akzeptanz unseres politischen Systems durch den Bürger aufs Spiel setzen.

Herr Staatssekretär! Nehmen auch Sie die alarmierende Situation ernst, auf die wir Sie mit unserer heutigen dringlichen Anfrage hinweisen wollten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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17.31

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. – Bitte.

17.31

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ludwig von Adamovich, der jetzige Präsident des Verfassungsgerichtshofes, fragt das eine oder andere Mal recht gerne seine Studenten, woran man erkennt, daß Österreich ein Bundesstaat ist. Er bekommt eine Unzahl von Antworten: die neun Bundesländer, die Hauptstädte, den Bundesrat, die Landeshauptleutekonferenz – da bekommt man gleich ein Nichtgenügend –, aber die richtige Antwort geben nur ganz wenige; jemand, der es vielleicht jetzt hört, kann sich dann bei der Prüfung anmelden. Die Antwort lautet: weil es in der Bundesverfassung steht.

Das ist natürlich eine sehr dürre Antwort, aber sie ist zutreffend, genauso zutreffend, wie es die Auskünfte des Herrn Staatssekretärs waren. An ihnen gibt es eigentlich nichts zu bekritteln. Sie waren nicht falsch, aber sie waren eigentlich auch nicht umfassend.

Kurz und bündig: Wir, die wir im Hohen Haus in beiden Kammern die Opposition darstellen, sind daran gewöhnt, daß uns ein Teil der Regierungsmitglieder immer mit ihren Antworten wie auf einer Wasserrutsche "dahinsausen" läßt. Wir nehmen das zur Kenntnis, wir bringen nur angemessen zum Ausdruck, daß es uns nicht paßt. Es gibt aber auch Bundesminister, und zwar von beiden Regierungsfraktionen, die uns, wie heute vormittag, durchaus Antworten geben, mit denen nicht nur die Regierungsparteien, die Opposition, alle, die es gehört haben, wirklich leben können, zu denen auch wir von Oppositionsseite applaudieren können. Ihnen haben wir ihn allerdings, so nehme ich an, versagt, zumindest ich habe nicht applaudiert, und ich habe auch nicht gemerkt, daß meine Kollegen hier applaudiert haben.

Ich glaube, es ist unrichtig, den Bundesstaat als Lächerlichkeit anzusehen, auch wenn, wie Adamovich meint, dem Bundesstaat in Österreich zwei wesentliche Merkmale für eine echte Bundesstaatlichkeit fehlt: Es gibt erstens keine Ländersicherheitsexekutive und zweitens keine Ländergerichtsbarkeit. Der Bund und die Länder müssen endlich eine säuberliche Trennung ihrer Kompetenzen vornehmen.

Professor Welan fordert auch mehr Konfliktfreudigkeit der Länder. Die Konfliktfreudigkeit der Länder, meine Damen und Herren, drückte sich auch hier im Bundesrat aus, aber ich vermisse sie zurzeit. Es gibt hier nur den Konflikt Regierungsparteien gegen Opposition, statt daß sich einmal die Länder zusammentun und der Regierung in Wien zeigen, daß sie es nicht so haben wollen.

Professor Öllinger wirft auch den Landtagen vor, eigentlich leichtgewichtige Erfüllungsgehilfen der Regierung zu sein. Ein Vorwurf – er wurde übrigens anläßlich des Bezugs des niederösterreichischen Landtagsgebäudes in St. Pölten erhoben –, den sich, wie ich meine, sowohl Bundesratsmitglieder als auch Landtage nicht gefallen lassen müßten, wenn sie nur die nötige Energie aufbrächten, sich einmal von ihren Fesseln der großkoalitionären Bindung bis in die letzte Konsequenz – heute habe wir wieder gehört, es gibt keinen koalitionsfreien Raum mehr – trennen könnten.

Professor Koja stellt auch fest, daß natürlich auch die finanziellen Verhältnisse klare Trennungen erfordern. Sie erfordern aber auch eine Sachkompetenz der Landtage und eine abgabenrechtliche Kompetenz der Länder. Diese wären in Einklang zu bringen. Meine Damen und Herren! Wenn man weiß, daß rund 90 Prozent der Ertragsanteile der Bundessteuern an die Länder gehen, muß einem doch auffallen, daß es mit der Bundesstaatlichkeit nicht weit her sein kann, denn wer zahlt, bestimmt, heißt schon ein altes Wort auch unter Freunden.

Diese Vorgangsweise, daß die Länder am Supertropf des Bundes hängen, ist politisch und psychologisch verfehlt. Der Bund wird zum Ziel der Wünsche und ist zugleich Feindbild der Länder – wegen des Steuerdrucks. Die Länder müßten sich diesem entziehen, und sie können sich diesem entziehen. Die Länder müssen auf eigene finanzielle Füße gestellt werden, damit sie auch die faktische politische Verantwortung für ihre Finanzierung übernehmen können. Die Steuerlast läge dann zum Teil bei den Ländern, Kosten und Nutzen der Länderverwaltung müßten von den Ländern in Eigenverantwortung wahrgenommen werden.


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Auch hinsichtlich weiterer Aufgaben der Länder müssen überprüfbare Korrekturen angebracht werden. Das ist ein wichtiger demokratiepolitischer Aspekt, den Ländern einen Teil der Steuerhoheit zu übergeben, um den Bundesstaat zu dem ihm zukommenden Gewicht kommen zu lassen, damit die Antwort letztlich nicht so lautet wie auf Adamovich-Fragen: weil es in der Verfassung steht.

Die politische Verantwortung im Staat ist auf verschiedene Ebenen zu verlagern. Die sparsame Verwaltung – wir wissen es von Vorarlberg – ist beispielgebend. Es zeigt sich, daß es möglich ist. Vorarlberg hat die geringste Anzahl von Dienstwägen, und das ist sicherlich nicht nur auf die geringe Größe Vorarlbergs zurückzuführen, denn Wien zeigt, daß es durchaus mit einer größeren Anzahl von Dienstwägen geht, ja sogar sehr einfach geht – natürlich negativ gemeint.

Es zeigt sich auch, daß die Verkürzung der Verfahrensdauer erreicht werden kann durch die Möglichkeiten, die die Vorarlberger Verwaltungsreform geboten hat. Bund und Länder sollen in qualitativer Hinsicht miteinander wetteifern. Die Dezentralisierung ist in dieser Art und Weise, wie ich sie knapp angerissen habe, durchaus möglich. Sie wird überschaubar und für den Bürger leicht durchschaubar. Sie wird für den Bürger dergestalt, daß er sich leichter zu Entscheidungen durchringen kann und nicht nur der Not gehorchend wählt.

Ein Leitartikler einer großen österreichischen Tageszeitung meint ja, von einem vierfachen Stufenbau der österreichischen Verwaltung und Verfassung reden zu müssen. Er übersieht dabei völlig – und wird auch von Professor Koja in einem nachfolgenden Artikel korrigiert –, daß die Bezirke bei uns eben nicht in den Stufenbau der Rechtsordnung hineinpassen. Aber natürlich, vielleicht hat jener Leitartikler sogar recht, politische Instanzen und Ebenen werden im EU-Raum dichter. Wichtige Entscheidungen fallen sinnvollerweise in der EU, schreibt jener Leitartikler.

Ansätze einer Weltregierung, etwa durch die Welthandelsorganisation WTO wahrgenommen, sind erkennbar, wird triumphierend in diesem Leitartikel einer großen Tageszeitung geschrieben.

Lassen sich ökonomische, ökologische, humanitäre und sicherheitspolitische Probleme nur noch global lösen? – Meine Damen und Herren! Ich meine: Nein! Es fehlt der Mut zur Verantwortung von unten. Der Bundesstaat, den die Republik Österreich darstellt, zeigt uns, daß es nicht so geht. Der Bundesstaat gibt den Gemeinden, den Ländern nicht die Möglichkeit, Eigenverantwortung zu tragen.

Wir reden vom Subsidiaritätsprinzip auf europäischer Ebene, EU-europäischer Ebene und sind nicht einmal in der Lage, innerhalb Österreichs ein gerechtes, ein fachkompetentes Subsidiaritätsprinzip zu verwirklichen. Wie wollen wir es dann auf europäischer EU-Ebene verwirklichen? Oder erfolgt all das, was wir hier an Politik von den Regierungsparteien vorgesetzt bekommen, nur noch nach dem Motto: "Haltet den Dieb!" beziehungsweise: "Delegieren wir nach Europa, denn wir werden mit den Aufgaben ohnehin nicht mehr fertig!"?

Wenn Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, mit den Aufgaben nicht mehr fertigwerden, dann machen Sie keinen noch engeren Schulterschluß, sondern übergeben Sie die Aufgabe den Oppositionsparteien! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Vielleicht werden diese es besser machen! Ich glaube, das könnten Sie! – Sie trauen sich nicht, ich weiß es. (Bundesrat Ing. Penz: Wir haben "Angst", daß Sie es besser machen! – Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

Herr Kollege! Es wäre vermessen, zu behaupten, daß wir es sofort können. Sie haben zehn Jahre lang gebraucht, um uns, nachdem Sie wieder in der Regierung waren, zu zeigen, daß Sie es nicht können! Wir zeigen Ihnen nach zwei Jahren, daß wir es können! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der ÖVP.)  – Nein, so einfach sollten Sie es sich nicht machen.

Es ist interessant, daß gewisse Themen von "Staberl" aufgegriffen werden und dann nach geraumer Zeit auch von den Regierungsparteien übernommen und sozusagen als ihre eigene Muttermilch verkauft werden. Er schreibt hier zum Beispiel – ich zitiere –: Das Kernproblem liegt


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im Parlament, das unablässig neue Gesetze beschließt und alte novelliert, ohne sich über die praktische Exekutierbarkeit dieser Flut Gedanken zu machen. Hier wäre zumindest einmal zu verlangen, daß der Nationalrat für jedes neue Gesetz, das er beschließt, zumindest ein altes außer Kraft setzt."– Ich halte diese Anregung für hervorragend.

Und weiter heißt es: Noch besser: zwei alte für ein neues, damit unsere Gerichtsbarkeit wieder eine Chance hat, dem Bürger zu dienen. – Zitatende.

Ich meine, Herr Nimmerrichter sieht das sehr praktisch, er sieht es so, wie es die Bürger wollen, und wir wollen es eigentlich auch so. Jetzt stellt sich die Frage: Was macht der Bundesrat? – Wie Sie vielleicht mitbekommen haben, fand in Bayern vor kurzem eine Volksbefragung über den Sinn des Bayrischen Senates statt. Bayern hat auch eine zweite Kammer. Das einzige deutsche Bundesland, welches eine zweite Kammer hat, ist Bayern. Es gibt dort also den Senat, dieser ist ständestaatlich strukturiert. Er fühlt sich sehr gut, die Ideen sind "fesch", nur wurde ihm vom Leitartikelverfasser der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" der Rat erteilt, nicht immer über die eigene Existenz zu grübeln und darüber, was für Gesetze man für Bayern noch machen könnte, sondern lieber darüber, was das kostet.

Dieser Leitartikler hat gesagt: Macht doch endlich einmal Gesetzesvorschläge, wie die Gesetze weniger werden könnten! – Deswegen bringe ich diese Anregung auch hier ein. Weniger Gesetze, mehr Qualität – das rate ich den Regierungsparteien.

Es ist natürlich auffällig, wenn der Klubobmann der ÖVP, welcher den Freiheitlichen – insbesondere Jörg Haider – vorgeworfen hat, außerhalb des Verfassungsbogens zu stehen, etwas schreibt, in dem er eigentlich den österreichischen Staat als Künstlichkeit bezeichnet. Er schreibt hier – ich zitiere –: Die Künstlichkeit der europäischen Staatsgrenzen, die einer sachgerechten Lösung im Wege stehen, wird immer augenfälliger.

Wenn ein Klubobmann der zweitgrößten Regierungspartei feststellt, daß die Staatsgrenzen im Wege stehen, dann ist das meines Erachtens eine Form von Landesverrat, und zwar Verfassungslandesverrat. Es gibt natürlich auch den Verfassungshochverrat. (Bundesrat Mag. Wilfing: Da habe ich von Ihnen Aussagen gehört, die weit bedenklicher waren! – Weitere Zwischenrufe und Widerspruch bei der ÖVP.)

Sie können es nachlesen. Verlangen Sie den Artikel mit dem Titel: "Staat und europäischer Regionalismus" von Herrn Andreas Khol. In diesem Artikel wird darauf hingearbeitet, daß die natürliche gemeinschaftliche Einheit Europas nicht die Nationalstaaten und ihre Apparate sind. Nein! Die Nationalstaaten werden darin als "künstliche Gebilde" bezeichnet, nicht Zusammengehörendes verbinde sie zu diesen. Es wird gesagt, sie beruhen auf Loyalitäten von einst – ich kann nur sagen: das hört man! –, die schon lange nicht mehr bestehen, abgestorben sind oder ins Wanken geraten. An die Stelle dieser Loyalitäten sei Gewöhnung an das Bestehende, also Leere getreten, schreibt Klubobmann Khol in einem Vortrag.

Ich bin empört, meine Damen und Herren, daß dieser Klubobmann Khol die – ich muß schon so sagen – Frechheit hat, unseren Parteiobmann Haider als außerhalb des Verfassungsbogens stehend hinzustellen. Dieser Khol steht ja überhaupt nicht mehr in der Republik! Er ist anscheinend schon längst woanders hingegangen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Meinen Sie mit "Kohl" das Gemüse?!)

Im Sinne Khols sind die Nationalstaaten Mumien, an deren Stelle natürliche Einheiten treten müssen, und zwar "die europäischen Regionen". – Meine Damen und Herren! Man höre sich das an! Da wird ein neues Verwaltungskonstrukt verlangt, nämlich "die europäischen Regionen". Das wurde während der Französischen Revolution auch gemacht! Nicht erst jetzt, damals, 1778, wurden in Frankreich Verwaltungseinheiten zerschlagen, und zwar zum Zwecke der Revolution! (Lebhafte Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Neue Verwaltungseinheiten wurden geschaffen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Sie haben ganz recht, Herr Kollege, aber ich habe noch rechter!

In diesem Sinne meine ich, es ist unmöglich, daß hier bundesstaatliche Reformen verlangt werden und dies auch immer von seiten der ÖVP und SPÖ, gewissermaßen uns begleitend, artiku


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liert wird, während in Wahrheit ein Klubobmann der ÖVP die Republik Österreich eigentlich schon als Anachronismus bezeichnet! Wir bezeichnen unsere Heimat Österreich nicht als Anachronismus! Sie ist unsere Heimat, und wir wollen die Verwaltungseinheit Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.46

Präsident Dr. Günther Hummer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Michael Rockenschaub, Mag. John Gudenus und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend aktuelle Fragen der Landesverteidigungspolitik, insbesondere hinsichtlich eines allfälligen NATO-Beitritts (1301/J-BR/97)

Präsident Dr. Günther Hummer: Wir gelangen zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.

Da diese Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Dr. Bösch als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort.

17.47

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Sie haben sich in der letzten Zeit als Familienpolitiker in der Öffentlichkeit bewegt, und zwar in einer Weise (Beifall bei den Freiheitlichen) , die wir Freiheitlichen wirklich sehr gerne gesehen haben und bei der wir Ihnen auch mit großer Sympathie gegenüberstehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie kümmern sich in der letzten Zeit als Obmann des ÖAAB auch in den verschiedensten Pensionsdiskussionen und Budgeterstellungen um die Interessen Ihrer Klientel und tun auch das sehr verdienstvoll. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber, Herr Bundesminister, all das ist leider nicht ausreichend. Denn Sie sind auch Verantwortlicher dieser Bundesregierung für das Ressort Landesverteidigung. Als der Bundesrat am vergangenen Dienstag den Zustandsbericht des österreichischen Bundesheeres im Ausschuß auf der Tagesordnung hatte, war leider kein Vertreter Ihres Ressorts anwesend. Es muß sich dabei um einen Irrtum gehandelt haben, denn das Verweigern einer Diskussion paßt nicht zu Ihrem Ressort, das wäre doch irgendwie eine Art Feigheit vor der Auseinandersetzung, ein, ich möchte fast sagen, unsoldatisches Verhalten, das ich bei Ihnen nicht erwarten kann. Es muß sich also um einen Irrtum gehandelt haben! Leider Gottes haben einige Abgeordnete der Koalitionsparteien in einer völligen Fehlbeurteilung der Lage gleich beschlossen, diesen Tagesordnungspunkt von der Tagesordnung abzusetzen. Wir Freiheitlichen wollen Ihnen, Herr Bundesminister, aber aus dieser Peinlichkeit heraushelfen und diesen Fehler korrigieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben uns deshalb entschlossen, diese dringliche Anfrage heute an Sie zu richten. Wir sind Ihnen auch sehr dankbar dafür, daß Sie anwesend sind.

Es gibt zwei Themen, die uns am Herzen liegen und die im wesentlichen Ihr Ressort betreffen.

Das eine ist der Beitritt zur NATO und die widersprüchlichen Aussagen von seiten der Regierungspolitiker zu diesem Thema, und das andere ist der Zustand des österreichischen Bundes


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heeres im Inland – ein Zustand, den wir, die Öffentlichkeit und auch die betroffenen Soldaten über weite Bereiche als ausgesprochen bedenklich bezeichnen müssen.

Viele Koalitionspolitiker, Herr Bundesminister, haben sich in den letzten Monaten zu einem allfälligen Beitritt zur NATO geäußert, Sie sind dabei in der Öffentlichkeit sehr konsequent aufgetreten, und Sie haben in diesem Auftreten auch unsere Unterstützung gehabt. Sie haben sowohl im Ausland als auch im Inland bei all Ihren Positionen, die Sie dazu bezogen haben, keinen Zweifel daran gelassen, daß Sie die richtige Zukunftsvision von unserer Republik haben und daß Ihre Option ein Beitritt zur NATO oder zur WEU ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unser Respekt, Herr Bundesminister, wurde jedoch etwas getrübt, und zwar durch einen Artikel in der heutigen Ausgabe der "Presse", aus dem hervorgeht – oder bei dem ich den Verdacht habe, daß aus ihm hervorgeht –, daß Sie dieses politische Ziel nicht mehr mit derselben Konsequenz verfolgen wollen, wie Sie das in der letzten Zeit getan haben.

Bei der Position, die Sie in diesem Interview beziehen, Herr Bundesminister, ist er nämlich schon wieder sichtbar: der rote Nasenring, an dem Sie von Ihrem Koalitionspartner festgezurrt werden, um in dieser Frage auf SPÖ-Linie gebracht zu werden. Wir sehen das mit Besorgnis, und wir möchten, daß Sie heute auch hier vor dem Bundesrat erklären, in welcher Weise die Bundesregierung nunmehr ihren Optionenbericht plant, wie Sie als Mitglied der Bundesregierung, als Ressortverantwortlicher, in dieser Frage vorgehen wollen und wie Sie Ihre Position darlegen.

Der zweite Bereich, den wir ansprechen müssen, Herr Bundesminister, ist der Zustand des Bundesheeres, und dieser ist leider Gottes ein sehr bedenklicher. Manchmal hat man sogar den Eindruck, daß die Debatte über den Beitritt zur NATO dazu verwendet wird, um über den eigentlichen Zustand unseres Bundesheeres hinwegzutäuschen und ihn zu verschleiern. Denn wir geben in den letzten Monaten und Jahren beträchtliche Mittel für die Auslandseinsätze und für all die Dinge aus, die durch unseren Beitritt zur Europäischen Union neu dazugekommen sind, und vergessen dabei anscheinend ganz, daß das Bundesheer und seine Strukturen auch innerhalb der Republik erhalten und funktionsfähig gehalten werden müssen.

Dieser beunruhigende Zustand des Bundesheeres wird durch verschiedene Berichte der Truppe erläutert. Ich darf mich auf den Befehlsbereich 9 beschränken, Herr Bundesminister! Im Bereich des Militärkommandos Vorarlberg ist nämlich die Situation eingetreten, daß bei einer Revision in der letzten Zeit mehr als zwei Drittel der Kraftfahrzeuge – Sie werden das vielleicht gemeldet bekommen haben – einfach nicht mehr einsatzfähig waren!

Herr Bundesminister! Ihre Jägerbataillone sind nicht mehr mobil! Im Bundesheer des Landes Vorarlberg hat man nicht mehr genügend Geld, um die Pachtgebühren für die Übungsplätze zu bezahlen. Der Schießplatz in Bregenz, der für alle Kasernen des Landes Vorarlberg dienen muß, kann aus Geldmangel nicht mehr erhalten und weitergeführt werden! All diese Dinge sind beängstigend, Herr Bundesminister, und all diese Dinge harren einer Lösung durch die Bundesregierung, harren Vorschlägen aus Ihrem Ressort, die Sie auch mit klaren Vorstellungen in bezug auf die Finanzierung all dieser Bereiche begleiten müssen.

Die Problematik der Beschaffung neuer Abfangjäger soll hier gar nicht im Detail erläutert werden – Sie können vielleicht in Ihrer Beantwortung darauf eingehen. Daß es gelungen ist, das Mech-Paket umzusetzen, wird von uns begrüßt, aber es werden wohl auch die Panzerfahrzeuge, die jetzt angeschafft werden, nicht ausreichen, um die Panzergrenadierbrigaden, die wir haben, aufzufüllen. Welchen Luftschirm diese Verbände für ihre Operationen benützen werden, ist außerdem nach wie vor unklar.

Auch die personelle Situation, Herr Bundesminister, die Bedeckung all dieser Aufgaben des Bundesheeres durch die Grundwehrdiener ist nicht klar. Die Heeresgliederung-Neu war zuerst für 34 000 Grundwehrdiener pro Jahr konzipiert, dann gingen Sie auf 32 000 herunter, und jetzt wird die Zahl 28 000 kolportiert, um die 10 000 Mann Präsenzkräfte sicherzustellen und auch um die Miliz weiter befüllen zu können.


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Die Frage, wie die Organisation des Bundesheeres weitergehen wird – ob wir weiterhin eine Miliz haben werden oder ein Berufsheer, ob wir in die Richtung stehendes Heer mit Grundwehrdienern ohne Miliz gehen, ob wir eine Kadermiliz oder eine Profimiliz einführen wollen –, all diese Dinge sind unklar, Herr Bundesminister! Sie müssen aber in all diesen Dingen doch auch aufpassen, daß Sie vom Koalitionspartner nicht überholt werden, denn wenn ich die neuesten Vorschläge des Wehrsprechers der SPÖ lese, dann merke ich, sie gehen in Richtung eines Berufsheeres, das denkbar wird, in die Richtung eines Beitritts zur NATO ab dem Jahr 2000, und all die Themen, die eigentlich bislang Sie besetzt haben, werden dabei wieder aufgebracht.

Herr Bundesminister! Nützen Sie deshalb heute diese dringliche Anfrage der Freiheitlichen! Stellen Sie klar, wie Sie den Beitritt zur NATO umsetzen wollen, und stellen Sie klar, welchen Plan Sie haben, um die Mängel beim österreichischen Bundesheer in der nächsten Zeit zu bewältigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.56

Präsident Dr. Günther Hummer: Zur Beantwortung hat sich Herr Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

17.56

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst lassen Sie mich dafür danken, daß ich noch Gelegenheit habe, unmittelbar vor Antritt des Urlaubs auch dem Bundesrat noch einen Bericht abzustatten. Ich glaube, ein großer Teil der hier anwesenden Bundesräte wird diese Freude mit mir teilen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesrat Dr. Bösch! Sie haben vier Fragen gestellt, und ich möchte Sie möglichst konsequent beantworten.

Die erste Frage bezieht sich darauf, ob die finanziellen Mittel für das österreichische Bundesheer reichen. Ich habe nie einen Zweifel darüber gelassen, daß das österreichische Bundesheer seit seiner Gründung 1955 immer in einem äußerst engen finanziellen Rahmen agieren mußte und daß es eigentlich erstaunlich ist, was dabei herausgeholt werden konnte. Man kann durchaus sagen, die Mittel sind gerade ausreichend, um die allernotwendigsten und wichtigsten Anschaffungen zu treffen, Ausbildungsvorhaben durchzuführen, Einsätze zu gestalten, und das Bundesheer hat im Laufe der Jahrzehnte gelernt, mit diesem engen Rahmen umzugehen.

Ich möchte auch dazusagen, daß wir gerade in den letzten Monaten auch international sehr viel Lob dafür bekommen haben, und zwar besonders für die Qualität der Einsätze, die österreichische Soldaten im In- und im Ausland durchgeführt haben und durchführen. Nächsten Montag wird das österreichische Kontingent aus Albanien zurückkommen. Auch unsere anderen Kontingente sind weiterhin im Einsatz und haben sich mehr als bewährt.

Ich möchte durchaus auch die Gelegenheit nutzen, um ganz aktuell auf die finanzielle Situation einzugehen: Wir haben ja heute in der Bundesregierung ein Budget beschlossen. Es sieht vor, daß das Bundesheer im nächsten Jahr über ein Budget im Ausmaß von 21,407 Milliarden Schilling und im Jahr 1999 über 21,5299 Milliarden Schilling verfügt. Im Vergleich dazu: Der Betrag für 1997 belief sich auf 20,871 Milliarden Schilling. Das bedeutet, daß wir auch in Zukunft einen zweifellos engen Rahmen haben werden, der uns dazu zwingt, daß wir streng nach Prioritäten vorgehen, daß wir die Projekte immer wieder auch in Frage stellen, daß wir sie hinsichtlich ihrer Notwendigkeit überdenken, auch in Richtung auf die Quantität, die dabei anzuschaffen ist.

Man kann das zweifellos am besten sehen, wenn man einen internationalen Vergleich der militärischen Ausgaben darstellt. Wenn man etwa die Vergleichszahlen bezogen auf das Bruttosozialprodukt oder auch auf das Budget heranzieht, dann kann man zweifellos sagen, daß der Rahmen eng ist. Ich gehe aber davon aus, daß wir die wichtigsten Anschaffungen im Rahmen der gestellten Budgets erfüllen können, sonst würde ich es nicht für vertretbar halten.

Zweiter Punkt: Sie haben die Frage gestellt, ob wir im Rahmen der Überlegungen zu einer Adaption der Heeresorganisation-Neu an eine Auflösung oder ein Weggehen vom Milizsystem


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denken. – Das ist zweifellos nicht der Fall. Das, was jetzt bevorsteht, ist jene Adaption der Heeresgliederung-Neu, die von Anfang an aufgrund der Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren machen konnten, vorgesehen war, und zwar eine Reform in der Richtung, daß Effizienz und Einsatzbereitschaft im Vordergrund stehen. Quantitative Veränderungen stehen nicht im Mittelpunkt und sind auch nicht in einer Größenordnung gedacht, die eine wesentliche Substanzänderung des Heeres mit sich bringen würde.

Zweifellos im Mittelpunkt stehen Spezialisierung, fortgesetzte Professionalisierung und weitere Erhöhung der Einsatzbereitschaft. Hinzufügen möchte ich – da Sie es angesprochen haben –, daß ich die einsatzähnliche Übung und den Einsatz selbst als beste Übung und beste Einsatzvorbereitung ansehe. Daher sind für mich sowohl Auslandseinsätze als auch Einsätze in Österreich Maßnahmen von herausragender Bedeutung, die in eminentem Ausmaß dem Können des Bundesheeres dienen, weil insbesondere im Einsatz Kenntnisse und Erfahrungen erworben werden, die man im Verlauf normaler Übungen nie erwerben könnte. Insofern erblicke ich darin auch einen integralen Bestandteil der Vorbereitung des österreichischen Bundesheeres auf einen Einsatz im Bereich der Landesverteidigung.

Weiters haben Sie die Frage gestellt, ob das österreichische Bundesheer unter den gegebenen innenpolitischen Rahmenbedingungen in der Lage ist, NATO-kompatible Strukturen aufzubauen. Die Frage, die man voranstellen müßte, lautet: Ist das überhaupt notwendig? – Dazu kann man ein eindeutiges Ja sagen. Denn die Zusammenarbeit mit anderen Armeen kann nur aufgrund von Normierungen erfolgen, und für effiziente Arbeit sind kompatible Strukturen notwendig. Insbesondere der Großeinsatz in Bosnien hat uns gezeigt, wie wichtig das ist. In unserem Bataillon in Visoko arbeiten Soldaten aus den vier unterschiedlichen Armeen von Belgien, Luxemburg, Griechenland und Österreich zusammen. Dort muß es selbstverständlich Normierungen geben: in der Struktur, in der Sprache, in der Auftragslage, in Kommunikation und Information et cetera. Andernfalls wäre es unmöglich, ein solches Bataillon zu führen.

Dies ist ein signifikantes Beispiel dafür, daß es möglich ist, nicht nur auf Regiments-, Brigade-, Divisions- und Korpsebene, sondern sogar auf Bataillonsebene mit mehreren Nationen effizient zu kooperieren. Dieses Beispiel konnte auf sehr eindrucksvolle Art und Weise durch unser Bataillon und durch die Mitarbeit der Österreicher erbracht werden, also der Soldaten aus dem Staat, der als einziger der dort vertretenen Staaten nicht Vollmitglied der NATO ist.

Wir werden diesen Weg konsequent fortsetzen, weil es notwendig ist. Das hat mit der Umstellung des Kartensystems begonnen – zielorientierte Ortsangaben wären ohne übereinstimmende kartographische Bedingungen gar nicht möglich – und reicht bis hin zur Normierung von Sprachkonventionen und Begriffen. Wir werden unsere Informations- und Kommunikationssysteme, unsere Führungs- und Organisationssysteme im Hinblick auf ein sehr professionelles Zusammenwirken weiterhin anpassen und die entsprechenden Maßnahmen konsequent durchführen.

In Ihrer dritten Frage möchten Sie von mir wissen, ob ich die Auffassung teile, daß im Lichte der sicherheitspolitischen Entwicklung in Europa der Beitritt zur NATO-Neu die beste Option für Österreich ist. Weiters geht es um eine Auskunft darüber, welche Maßnahmen im Hinblick auf die offensichtlichen Meinungsverschiedenheiten mit dem Koalitionspartner zu ergreifen wären, um dieses Ziel zu erreichen. – Ich werde mit einem hohen Ausmaß an Zielorientierung, mit Geduld und Hartnäckigkeit im parlamentarischen und politischen Bereich sowie darüber hinaus in der gesamten Öffentlichkeit die Argumente vorbringen, die dazu führen sollen, daß Österreich die beste Option, nämlich den Beitritt zur NATO, in absehbarer Zeit tatsächlich ergreifen kann. Lassen Sie mich dazu einiges ausführen.

Es gibt immer mehrere Optionen und Möglichkeiten, und die Sichtweise in Österreich war sicherlich vor zwei Jahren oder noch vor einem Jahr eine ganz andere als heute. Halten Sie sich vor Augen, was sich allein in den letzten Wochen geändert hat! Im Vordergrund stand die Diskussion auf der Konferenz von Madrid um die NATO-Erweiterung, das heißt um die Aufnahme von Polen, Tschechien und Ungarn als neuen Vollmitgliedern. Das ist aber mit Sicherheit nicht die wichtigste Veränderung, die stattgefunden hat. Wenige Wochen davor, am 27. Mai dieses


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Jahres, wurde auf der Konferenz in Paris der Grundlagenvertrag zwischen der NATO und Rußland feierlich unterzeichnet. Wahrscheinlich kommt diesem Akt viel höhere Bedeutung zu als der Erweiterung.

Dies alles baut auf einem neuen strategischen Konzept der NATO auf, das bereits seit 1991 in Kraft ist und mit dem sie als erste die Veränderung der geopolitischen Situation in Europa berücksichtigt hat. Wie stark die entsprechende Veränderung der NATO bereits Platz gegriffen hat, kann man vielleicht am besten daran ersehen, daß seit wenigen Wochen auch die Schweiz Mitglied der NATO-Partnerschaft für den Frieden ist – ein Land, das nicht nur kein Mitglied der EU, sondern bis jetzt nicht einmal Mitglied der Vereinten Nationen ist! Dies legt vielleicht am deutlichsten davon Zeugnis ab, welch tiefgreifende Veränderung stattgefunden hat.

Wenn Sie mich nach den wesentlichen Punkten der veränderten Ausgangslage und nach den Argumenten fragen, die im Vordergrund stehen, kann ich Ihnen folgendes antworten. Es muß, wenn es um die Frage einer neuen Sicherheitsarchitektur und Sicherheitsorganisation geht, zweifellos die Frage der Sicherheit selbst im Mittelpunkt der Überlegungen und Betrachtungen stehen. Für uns stellt sich zentral nur die Frage danach, wo wir am sichersten sind: Sind wir sicherer, wenn wir innerhalb dieser Organisation stehen, oder sind wir außerhalb sicherer? – Das ist meiner Ansicht nach vergleichsweise leicht und eindeutig zu beantworten: Wir sind sicherer, wenn wir uns innerhalb dieser Organisation befinden, weil sie zweifellos die effizienteste Organisation Europas ist und die einzige, die diesen Auftrag tatsächlich erfüllen kann.

Es ist kein Zufall, daß die europäischen Staaten selbst beschlossen haben, die sogenannte europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität in Zukunft nicht irgendwo im Bereich von EU oder WEU, sondern im wesentlichen im Bereich der NATO zu organisieren, wenn auch selbstverständlich in engem Zusammenwirken mit EU und WEU. Es ist weiters kein Zufall, daß bis vor der letzten Erweiterung der EU alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union – mit Ausnahme des Sonderfalles Irland – zugleich NATO-Mitglieder waren. Daher sollte aus meiner Sicht langfristig als ein Ziel gesetzt werden, die Identität von EU- und NATO-Mitgliedschaft in Europa herbeizuführen. Den aktuellen Diskussionen können Sie entnehmen, daß man auch in den östlichen Nachbarstaaten Österreichs längerfristig eine solche Zielsetzung ins Auge faßt und als einen möglichen Weg erkennt. Die zweite Frage, die sich in diesem Zusammenhang für mich stellt, lautet: Wie können wir unsere Sicherheitsinteressen am besten durchsetzen? – Ein kleines Land wie Österreich kann seine Sicherheitsinteressen vielleicht eigenständig formulieren, es kann sie jedoch nicht eigenständig durchsetzen, sondern nur im Rahmen größerer Organisationen. Angesichts dessen muß man zweifelsohne sagen, daß wir in Zukunft im Rahmen der NATO sicherheitspolitisch wesentlich bessere Möglichkeiten vorfinden werden als außerhalb.

Was sind die Gründe dafür? – Werfen Sie mit mir einmal einen kurzen Blick darauf, welche Staaten in Zukunft am Entscheidungsprozeß beteiligt sein werden. Es sind die NATO-Vollmitglieder, das heißt, es sind von den europäischen Staaten Island, Norwegen, Dänemark, Holland, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Spanien, Portugal, Italien und Griechenland. Dazu werden die neuen Mitglieder kommen, nämlich Polen, Tschechien und Ungarn, sowie als quasi-assoziiertes Mitglied, das zu allen wichtigen Gesprächen mit beigezogen wird, nunmehr Rußland, in vielen Fällen wahrscheinlich auch die Ukraine.

Halten Sie sich demgegenüber vor Augen, was die Alternative dazu ist! Die Alternative ist eine Staatengruppe, die sich folgendermaßen zusammensetzt: Estland, Lettland, Litauen, Slowakei, Slowenien, Kroatien, Serbien, Albanien, Rumänien, Bulgarien, eventuell die Ukraine, Georgien, Armenien, dazu Schweden, Finnland und die Schweiz.

Für uns stellt sich die Frage, ob wir der ersten Gruppe angehören wollen oder aber der zweiten.

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, wie sich das in der Praxis auswirkt. Die erste Euro-Atlantische Konferenz in Brüssel hat es bereits unmißverständlich gezeigt: Wenn an dem einen Tag 20 Staaten miteinander an einem Tisch gesessen sind, sich beraten und Beschlüsse gefaßt haben, dann ist am darauffolgenden Tag, wenn weitere 23 Staaten zusätzlich in die Diskussion eintreten, die Bereitschaft äußerst minim, noch irgendeine Veränderung der Beschlüsse vorzu


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nehmen. Das hat dazu geführt, daß etliche Verteidigungsminister großer europäischer Staaten nicht mehr anwesend waren; andere nahmen nur zu Anfang und zu Ende der Konferenz kurz teil oder bearbeiteten während der Konferenz Akten.

Das heißt, wir müssen uns des wesentlichen Unterschiedes bewußt sein, der sozusagen zwischen der Mitgliedschaft im Beschlußgremium und der Teilnahme an einem bloßen Beratungsgremium besteht. Für die Zukunft stelle ich mir für Österreich eine ähnliche Rolle – und auch entsprechende Möglichkeiten – vor, wie sie heute Dänemark, Holland oder Belgien spielen. Ich nenne diese Länder auch deshalb, weil wir zu ihnen inzwischen – fast möchte ich sagen: wie von selbst – auf bilateraler Ebene sehr gute Kontakte aufgebaut haben.

Die dritte Frage in diesem Zusammenhang betrifft die ökonomischen Auswirkungen. Ich möchte nicht weiter auf Details eingehen, doch läßt sich die Frage klar beantworten, ob ausländische Investitionen in Österreich eher dadurch angeregt werden, daß wir NATO-Mitglied sind, oder eher dadurch, daß wir draußen bleiben. Bevor dazu profunde Analysen vorliegen, möchte ich mich nicht weiter in Hypothesen ergehen. Allerdings sollte uns die Tatsache zu denken geben, daß der ungarische Staatspräsident, Ministerpräsident und Außenminister und desgleichen der tschechische Ministerpräsident und Außenminister unisono erklärt haben, daß sie sich vom NATO-Beitritt selbstverständlich eine deutliche Steigerung des Zuflusses an Auslandskapital erwarten.

Vergessen Sie nicht, daß in allerletzter Zeit auch in Österreich die Diskussion darüber begonnen hat, ob wir nicht Gefahr laufen, infolge bevorstehender struktureller Entscheidungen in Europa umfahren zu werden. Daß diese Entscheidungen nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt der Mitgliedschaft zu Organisationen getroffen werden, kann man vielleicht am besten an neuen Strukturmaßnahmen erkennen, die etwa den Raum von Italien über Slowenien bis Budapest betreffen. Verbindungen von Süden, von der Adria her über Sarajevo nach Budapest sind geplant oder bereits in Angriff genommen worden.

Ich möchte nicht schwarzmalen oder das ökonomische Argument in den Vordergrund stellen. In unserer Entscheidungsfindung wird es sicherlich nicht im Vordergrund stehen, aber es ist zweifellos ein Argument, das wir dabei keinesfalls vergessen dürfen. Denn selbstverständlich ist es für ein Unternehmen im Zweifelsfalle von entscheidender Bedeutung, ob es entsprechende Bezugspunkte gibt. Daß speziell im High-tech-Bereich durch die NATO-Mitgliedschaft ein wesentlicher Unterschied für die Investitionstätigkeit – insbesondere überseeischer Unternehmen – bewirkt wird, steht für mich außer Zweifel.

Die nächste Frage, mit der ich mich befassen möchte, lautet: Was kostet es? Wird uns die NATO-Mitgliedschaft höhere oder niedrigere Kosten als jetzt bringen, und worin bestehen die wesentlichen finanziellen Auswirkungen? – Dazu kann man klar feststellen, daß die Kostenfrage von den meisten in der einen oder anderen Richtung überschätzt wird. Jedes NATO-Mitglied kann selbst seine Kosten, seine finanziellen Aufwendungen für die Landesverteidigung definieren und tut das auch. Das erweist sich unübersehbar an der Tatsache, daß sich in manchen Mitgliedstaaten die Verteidigungsausgaben pro Kopf der Bevölkerung im Ausmaß von 1 : 10 unterscheiden. Große Unterschiede bestehen auch zwischen den diversen Verteidigungsetats. Der Aufwand für militärische Angelegenheiten, berechnet in Prozent vom Bruttosozialprodukt, differiert zwischen manchen NATO-Mitgliedern in einer Relation von 1 : 5. Es gibt daher in der NATO keine Vorschrift über ein bestimmtes Ausmaß oder einen bestimmten Prozentsatz, sondern darüber entscheidet jedes einzelne Land autonom. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Lassen Sie mich nun zu der Frage kommen, ob es Nachteile gibt. Was sind allfällige Nachteile? – Zweifellos besteht für uns eine Schwierigkeit – nicht ein Nachteil, wohl aber eine Schwierigkeit – darin, daß wir umdenken und unsere Sicherheitskonzeption neu ausrichten müssen. Wir müssen selbstverständlich überprüfen, ob eine Mitgliedschaft mit der Neutralität verträglich ist, ob wir das Neutralitätsgesetz verändern oder ob wir es abschaffen müssen. Dieser Weg wird uns nicht erspart bleiben, und das ist daran das Unangenehme und Schwierige. Sonst aber kann ich eigentlich keine Nachteile erkennen – ich bin gerne bereit, mich dazu jeder Diskussion


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zu stellen –, sondern kann feststellen, daß wir auch in Zukunft über die Autonomie verfügen werden, die wir jetzt haben.

Es taucht oft die Frage auf: Werden wir dann an bestimmten Aktivitäten automatisch teilnehmen müssen? – Dazu kann ich sagen, daß wir in Zukunft auch im Falle einer Mitgliedschaft selbstverständlich die volle Autonomie bei Entscheidungen über den Einsatz österreichischer Soldaten – gleichgültig, in welcher Gegend – behalten werden, so wie wir sie in der Vergangenheit gehabt haben. Daß dabei "Solidarität" für uns kein Fremdwort ist, hat sich bereits aus den bisherigen Ausführungen ergeben.

Man kann leicht erkennen, daß es im Bereich der NATO-Staaten absolut unterschiedliche Arten und Ausmaße der Mitwirkung gibt. Vielen Menschen ist noch nicht aufgefallen, daß Frankreich bisher keinen einzigen Soldaten einem NATO-Kommando unterstellt hat; sie wirken zwar politisch mit, sind aber nicht militärisch integriert. Bisher ist auch Spanien nicht in dem Sinne militärisch integriert, daß bestimmte Einheiten NATO-Kommanden unterstellt worden wären; trotzdem haben es die Spanier geschafft, mit Generalsekretär Solana einen spanischen Politiker an die Spitze dieser Organisation zu bringen. (Bundesrat Meier: Einen Sozialdemokraten!) Das heißt, die Teilnahme eröffnet eine Vielzahl von Möglichkeiten, die man nicht unterschätzen sollte. – Erachten Sie das nicht als eine Empfehlung, sozusagen die militärische Integration auszusparen. (Zwischenrufe.) Ich betrachte das vielmehr als bedenkenswert im Zusammenhang mit der Frage nach dem Autonomie- und Freiheitsgrad.

Ich möchte zum Schluß kommen und zur Diskussion in Österreich in aller Klarheit sagen, daß wir uns gründlich Zeit nehmen sollten, um alle auftretenden Fragen auszudiskutieren. Was heißt dabei "gründlich"? – Die Bundesregierung hat sich selbst einen Zeitrahmen gesteckt: Spätestens im ersten Quartal des nächsten Jahres sollen Bundeskanzler, Außenminister und Verteidigungsminister einen gemeinsamen Bericht über die sicherheitspolitischen Optionen – einschließlich eines WEU-Beitrittes, von dem dabei die Rede ist – an das Parlament erstatten. Den Äußerungen des Bundeskanzlers zufolge gibt es keinen Dissens darüber, daß eine WEU-Mitgliedschaft gleichzeitig die Option eines NATO-Beitritts bedeutet. Die Zeit dafür sollten wir uns nehmen und danach zu einer klaren Entscheidung kommen.

Ich dringe nicht, glaube aber, daß wir nicht bei Nichts anfangen. NATO-Generalsekretär Solana war bereits vor einem Jahr in Salzburg mein Gast. Das heißt, die Diskussion ist nicht erst vor drei Wochen gestartet worden, sondern hat bereits einen Vorlauf. Jetzt treten wir in eine Intensivphase ein, in der es auch darum gehen wird, daß Experten einen Grundlagenbericht erstellen, in dem alle Aspekte entsprechend ausgeleuchtet werden. Ich habe immer die Meinung vertreten, daß man nach einem halben Jahr – meinetwegen auch nach einem dreiviertel Jahr, es soll dabei nicht auf ein, zwei oder drei Monate ankommen – intensiver Diskussion und Grundlagenarbeit sowie aufbauend auf einem Vorlauf der Diskussion, der mehr als ein Jahr gedauert hat, in der Lage sein muß, eine klare Entscheidung zu treffen.

Das erwarte ich eigentlich. Ich bin optimistisch, und das ist auch in meinem Interview zum Ausdruck gekommen. Ich glaube nicht, daß man hier eine Haltung einnehmen sollte, wonach man dem politischen Partner in irgendeiner Form Ultimaten stellt, wonach man ihm droht oder sonst irgend etwas. Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, daß die österreichische Bevölkerung und deren Vertreter bis jetzt immer in der Lage waren, wichtige an sie gestellte Aufgaben in der erforderlichen Zeit und mit dem entsprechenden Verantwortungsbewußtsein zu beantworten. Davon gehe ich auch aus.

Es zeigt sich, daß sich die Meinung der österreichischen Bevölkerung grundlegend geändert hat. Vor zehn Jahren gab es bei Meinungsbefragungen maximal 5 bis 10 Prozent Pro-NATO-Stimmen. Vor fünf Jahren waren es bereits 15 bis 20 Prozent. Und im letzten halben Jahr hat es keine einzige Umfrage gegeben, die nicht bereits über 40 Prozent NATO-Befürworter ausgewiesen hat. Ich lege keinen großen Wert darauf, von mir aus sollen es auch um 3 Prozent weniger gewesen sein. Aber diese Größenordnung von 40 Prozent ist bis jetzt noch bei jeder Meinungsbefragung überschritten worden. Die Tendenz ist steigend, weil sich auch zeigt, daß gerade bei den Opinionleadern bereits eine Mehrheit vorhanden ist.


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Insofern bin ich optimistisch, daß die Entscheidung in diese Richtung geht. Ich kann diesem Gremium nur empfehlen, sich Zeit zu nehmen, um alle Argumente abzuwägen und alle Aspekte gründlich zu diskutieren, und auch die Bevölkerung entsprechend darüber zu informieren.

Ich bin völlig überzeugt davon, daß es letztendlich gelingen wird, hier einen Konsens herbeizuführen und damit auch in einer Grundfrage der österreichischen Sicherheitspolitik eine gemeinsame Linie zu haben und auch durchzuziehen, die nicht nur dem Ansehen Österreichs dienlich sein, sondern den jetzigen und vor allem zukünftigen Interessen unseres Staates dienen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

18.22

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub. Ich erteile es ihm.

18.22

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Bundesminister! Ich darf mich sehr herzlich für diese ausführliche Antwort und Stellungnahme, die auch unmißverständlich und klar war, bedanken.

Wir haben diese dringliche Anfrage gestellt, weil wir den Verdacht hegen mußten, daß die Absetzung von der Tagesordnung andere als jene formalen Hintergründe hat, die im Ausschuß geäußert wurden. Wir haben den Verdacht gehabt, daß sich an den Linien wieder einmal etwas ändern sollte und die doch gegebene Orientierungslosigkeit innerhalb der Bundesregierung eine neue Facette bekommt. Deswegen wollten wir – auch wenn es kurz vor dem Urlaub ist – bei einem so wichtigen Thema mit Klarheit in die Sommerpause gehen. Für diese Klarheit haben Sie gesorgt. Dafür darf ich mich namens meiner Fraktion bedanken.

Es ist schade, daß die Politik der äußeren Sicherheit zum Gezänk innerhalb der Regierungsparteien geworden ist. Ich habe hier ein Inserat aus einer oberösterreichischen Zeitung, in dem von sozialdemokratischer Seite das NATO-Thema zum Wahlkampfthema erklärt wird. Demgemäß lautet auch die Überschrift: "NATO-Beitritt ist Wahlthema". Dies ist der Auftakt zu einem Propagandafeldzug gegen die NATO. (Ruf bei der SPÖ: Politik ist immer ein Wahlthema! Dort wird sie bemessen! Was soll das, Herr Kollege Rockenschaub? – Alles, was wir tun, ist immer ein Wahlthema!) Ich habe gesagt, es ist schade, daß ein so wichtiges Thema zur äußeren Sicherheit für plumpe Wahlpropaganda einer Landtagswahl verwendet wird. (Bundesrat Prähauser: Über "plumpe Wahlpropaganda" sind Sie besonders prädestiniert zu sprechen!) Sie bestätigen Ihre Nervosität durch Ihre Zwischenrufe. Diese ist mir bekannt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich wollte nur den Versuch unternehmen, zum Thema "äußere Sicherheit" vielleicht einmal die Mehrheiten in beiden Häusern des Parlaments zu vergrößern. Das hätte ja sein können. Ihre Zwischenrufe zeigen mir, dies wird nicht gehen. Das habe ich schade gefunden. Das war alles. (Bundesrat Prähauser: Vor wem fürchten Sie sich besonders?) Ich fürchte mich nicht vor der NATO. Sie fürchten sich vor der NATO oder wollen dort nicht anstreifen. Das ist eine Tatsache. (Bundesrat Prähauser: Es geht nicht darum: vor der NATO! Vor wem Sie sich fürchten, wenn Sie sie brauchen!) Warum machen Sie dann Anti-NATO-Inserate, wenn Sie keine Angst davor haben oder das nicht diskreditieren beziehungsweise in Mißkredit bringen wollen?

Nichtsdestotrotz sind wir Freiheitlichen froh, daß die Diskussion nun endlich tatsächlich in Gang kommt, denn vor Jahren haben wir uns dafür beschimpfen und verhöhnen lassen müssen. Anfang der neunziger Jahre haben wir gesagt, die Neutralität gehe zu Ende, der Beitritt zu einem Sicherheitspakt namens NATO werde die Alternative sein. Ich sage das mit einem gewissen Stolz, denn wir werden immer gleich verdächtigt, daß wir Unlauteres im Schilde führen, wenn wir Visionen äußern.

Meine Damen und Herren von den Mehrheitsparteien! Ich glaube, mit der NATO-Frage ist einmal mehr der Beweis erbracht, daß man freiheitliche Ideen nicht gleich von vornherein ver


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teufeln, sondern sich mit ihnen auseinandersetzen sollte, denn sonst könnte es passieren, daß einen die eigene Kritik einholt. Dies ist zweifellos bei der NATO-Debatte so manchem Kollegen von den Mehrheitsfraktionen passiert. Ich kann mich noch an Diskussionen hier vor zwei, drei Jahren erinnern. Der Fraktionsobmann der ÖVP nickt. Vor zwei Jahren haben wir im Kollegenkreis noch Debatten geführt, im Zuge derer ein NATO-Beitritt von Ihrer Seite als völlig undenkbar und unmöglich hingestellt wurde und wir in das Reich der Phantasie verwiesen wurden. (Bundesrat Prähauser: Sie haben selbst gesagt "Visionen"!) Ich bin froh, daß offensichtlich aus dem NATO-Beitritt keine lange alte Geschichte wird, von der ich heute früh hier schon gesprochen habe, sondern ich habe das Gefühl, da kommen die Dinge wirklich in Bewegung. Rund um die Jahrtausendwende wird es wohl soweit sein.

Österreich hat sich – das hat der Herr Bundesminister auch erwähnt – mit bescheidenen Mitteln der militärischen Landesverteidigung gestellt. Wir haben uns von 1955 bis rund 1990 ohne einen tatsächlich glaubwürdigen militärischen Schutz mit der Neutralität ein wenig darübergeschwindelt, wenn wir ehrlich sind. Aber bis etwa 1990 hat das politische Dogma gehalten. Die Neutralität war integraler Bestandteil dieses Staates. Ab 1990 kamen die ersten Vorschläge zur Abschaffung der Neutralität, und zwar vor allem von freiheitlicher Seite, aber auch von wissenschaftlicher und militärwissenschaftlicher Seite.

Nun zu den Punkten, die wir aus freiheitlicher Sicht kritisieren wollen und müssen.

Da ist einmal die Orientierungslosigkeit innerhalb der Regierung. Ich glaube nicht, daß wir uns im Ausland einen guten Namen machen, wenn in den Medien und in diversen Stellungnahmen derart widersprüchlich vorgegangen wird. Die NATO-Ablehnungsfront ist dann sukzessive abgebröckelt. Haider hat begonnen. Es folgten dann Klestil und Khol, der vom "Museumsstück Neutralität" gesprochen hat. Es folgte mit Josef Cap sogar ein prominenter Sozialdemokrat, der auf diese Linie eingeschwenkt ist. Es folgte Dr. Schüssel gemeinsam mit dem Bundesminister für Landesverteidigung, der diese Linie heute – aus meiner Sicht erfreulicherweise – bestätigt hat.

Es gibt aber auch Irritationen. Diese sind vor allem auf sozialdemokratischer Seite zu verzeichnen. Dort ist eine Linie einfach nicht erkennbar. Ich erinnere mich noch daran, daß Anfang 1995 Kanzler Vranitzky eine NATO-Partnerschaft für den Frieden glattweg abgelehnt, ja sie nicht einmal als diskussionswürdig hingestellt hat. Einige Monate später war es dann soweit, und die NATO-Partnerschaft für den Frieden wurde Realität. Ich erinnere mich, daß Kanzler Klima auf dem Parteitag zu Beginn des heurigen Jahres die Neutralität beschworen hat, während nahezu zeitgleich der Vizekanzler mit der NATO verhandelt und diese ersucht hat, sie möge uns doch zu Beitrittsverhandlungen einladen. Das sind Widersprüche, die schwer verständlich sind, sowohl im Inland als auch im Ausland, und die, glaube ich, nicht richtig sind. Da ist eine Bundesregierung doch wohl gefordert, bei einem solch zentralen Thema koordinierter vorzugehen und unmißverständliche Worte zu sprechen.

Kanzler Klima hat erst vor kurzem, als er gemeinsam mit Wolfgang Schüssel in Madrid war, Einigkeit demonstriert, und dies wurde auch von Vizekanzler Schüssel bestätigt. Aber dazu gibt es Gegensätze. Ich weiß nicht, ob die Gegensätze mit der Frühstücksaffäre zu tun haben, nämlich daß der Vizekanzler in diesen Tagen in etwas schlechter Verfassung war und daher leicht nachgegeben hat. Eine Woche später hat er sich aber erholt, denn da gab es einen Bundesparteivorstandsbeschluß der ÖVP, der auf ein klares und unmißverständliches Ja zum NATO-Beitritt gelautet hat. – Dies wenige Tage, nachdem Kanzler Klima eine Einigung mit dem Koalitionspartner verkündet hat.

Da dürfen Sie sich wirklich nicht wundern, wenn sich nicht nur die Oppositionsmandatare, sondern auch viele Journalisten und Bürger dieses Landes schwertun, zu verstehen, was denn jetzt wirklich gilt und wohin die Reise geht.

Ich glaube, daß hauptsächlich die Sozialdemokratische Partei gefordert ist, denn die Linie, die sie derzeit einschlägt, hat mit einer staatstragenden Partei nicht mehr viel zu tun. Sie sind gegen das Berufsheer, Sie sind für die allgemeine Wehrpflicht, aber auch für jedwede Begünstigung des Zivildieners. Sie sind gegen eine moderne, zeitgemäße Rüstung. Sie sind gegen den


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NATO-Beitritt. Das alles paßt bitte nicht mehr zusammen! Sagen Sie ehrlich: Sie sind für die Abschaffung der militärischen Landesverteidigung! Sie warten darauf, daß wir eine Enklave im NATO-Gebiet werden. Diese These wird in Ihren Reihen vertreten. (Bundesrat Prähauser: Ist das eine Vision von Ihnen? – Bundesrat Meier: Das unterstellen Sie!) Wenn dem nicht so ist, würde es mich freuen, wenn Sie das berichtigen würden. Aber ich habe Kontakte zu Ihrer Partei, wonach Sie diese These verfolgen wollen: Wir warten, bis wir rundum von NATO-Mitgliedern umgeben sind ... (Bundesrat Meier: "Umzingelt" haben Sie letztes Mal gesagt!) Jawohl, umzingelt. Daraufhin wird die Frage gestellt: Wer bedroht uns noch? – Wir sind ja eine Enklave innerhalb des NATO-Gebietes. (Bundesrat Meier: Nein, absolut nicht!) Aber dann bekennen Sie sich doch zur Abschaffung der militärischen Landesverteidigung, denn alles andere finde ich nicht schlüssig. (Bundesrat Meier: Das stimmt ja nicht!)

Diese Alternative können Sie bei Ihren Parteitagen erklären, aber nicht hier im Haus. Da wird sie Ihnen nicht recht abgenommen werden, denn es steckt nicht die geringste Logik dahinter. Und das alles nennt sich dann "internationale Solidarität" – ein Motto, unter dem Sie dann am 1. Mai durch die Städte und Dörfer ziehen. Und da wollen Sie noch jemandem erklären, wie das alles zusammenpaßt. Das können Sie niemandem erklären! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich ersuche Sie, im Sinne des Staatsganzen in sich zu gehen, denn es liegt in erster Linie an der Sozialdemokratie, ihre Positionen zu überdenken. Es gibt gute Chancen, diese Dinge, wenn es rasch geht, außerhalb des Parteienstreits zu stellen, und die Sozialdemokratie sollte einmal über ihren eigenen Schatten springen und diese Chance wahrnehmen. Ich wünsche dem Herrn Bundesminister viel Erfolg bei seinen Vorbereitungen zum NATO-Beitritt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.34

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Rieser. Ich erteile es ihm.

18.34

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Bevor ich mich mit der Situation beziehungsweise mit dieser Anfrage aus der Sicht der Österreichischen Volkspartei auseinandersetze, möchte ich in erster Linie dem Herrn Bundesminister für seine prägnante Ausführung, die wir vorhin hier gehört haben, sehr herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP.) Ich möchte aber auch zuallererst allen Soldaten danken, die gestern und in der vergangenen Woche bei den Aufräumungsarbeiten nach dem großen Hochwasser eine unbezahlbare Arbeitsleistung in diesem Land erbracht haben. (Allgemeiner Beifall.)

Mit Geld kann man diese Leistungen nicht aufwiegen. Es ist für die Menschen, für die Österreicherinnen und Österreicher, aber auch für die Einsatzorganisationen gut, zu wissen, daß sie noch einen Partner haben, den man rufen kann, wenn man ihn braucht, der rasch kommt und auch Unterstützung gewährt – allein das ist ein gutes Gefühl. Darauf sollten wir stolz sein, und dafür sollten wir unserem österreichischen Bundesheer dankbar sein. Daher bin ich der Auffassung, daß Parteipolitik und Verteidigungspolitik grundsätzlich zu trennen sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben vorhin auch vom Wehrpflichtigenaufkommen gehört. Ich habe mich mit dieser Materie sehr eingehend auseinandergesetzt. Gerade die geburtenschwachen Jahrgänge haben einen starken Knick verursacht. Das Wehrpflichtigenaufkommen ist stark gesunken. Hatten wir mit dem Jahrgang 1962 noch 66 435 Wehrpflichtige zur Verfügung, so ist der Jahrgang 1979 nur mehr mit 42 220 Wehrpflichtigen ausgewiesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdenklich stimmt mich in diesem Zusammenhang der Gesundheitszustand unserer männlichen Jugend. Der Geburtsjahrgang 1977 ergab eine Tauglichkeitsrate von 81,46 Prozent. Die Untauglichkeitsrate beträgt 11,37 Prozent. Vorübergehend untauglich waren 5,82 Prozent. Auf Beschluß ausgesetzt waren 1,43 Prozent. Aufgrund des Gesundheitszustandes werden einmal 19 Prozent ausgeschieden oder für eine bestimmte Zeit zurückgestellt. Ich glaube, daß die Medizin, insbesondere


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aber auch die Politik im Rahmen der Vorsorge über den Gesundheitszustand unserer Jugend, unserer jungen Menschen nachdenken soll.

Der Herr Bundesminister hat in seinen Ausführungen die Budgetsituation angesprochen. Ich möchte diesbezüglich nur erwähnen, daß allein das Taggeld der Grundwehrdiener in letzter Zeit um 48 Prozent angehoben wurde. Und das ist gut so. Das war notwendig, und wir sind dir, Herr Bundesminister, dafür auch sehr zu Dank verpflichtet. (Beifall bei der ÖVP.)

Da der Herr Bundesminister die Budgetsituation angesprochen hat, sei eines klargestellt, Hohes Haus: Sicherheit zum Nulltarif gibt es nicht! Wir kommen um einen angemessenen finanziellen Beitrag für die militärische Landesverteidigung nicht herum. Österreich hat sich so wie auch alle anderen Staaten verpflichtet, eine Landesverteidigung aufrechtzuerhalten. Österreich ist in diesem Zusammenhang auch als EU-Mitglied gefordert. Eine ernstzunehmende Landesverteidigung muß mit oder ohne NATO-Beitritt mit einem ausreichenden materiellen Aufwand ausgestattet sein. Die Mech-Kräfte – wir haben es gehört –, aber auch die Luftraumüberwachung sind mit oder ohne NATO zu bewältigen. Die Frage ist für mich nur, was günstiger kommt, was billiger ist. (Bundesrat Prähauser: Das ist der Satellit!) – Das ist der Satellit. Wenn wir überall den Satelliten haben ... (Bundesrat Prähauser: Es gibt genug!) Es gibt genug. (Bundesrat Prähauser: Es gäbe!) Es gäbe. Aber: Man braucht auch wieder das Gerät, um jene Dinge, die von oben herunterkommen, zu empfangen und auszuwerten. (Bundesrat Prähauser: Das braucht jeder Radioempfänger auch, der über Satellit empfangen wird! Das ist kein Problem!)

Herr Kollege! Mir ist völlig klar, daß gerade im Bereich der Landesverteidigung empfindliche Geräte notwendig sind. Ich denke nur etwa daran: Ich habe Gelegenheit gehabt, in der Karwoche die SFOR-Soldaten zu besuchen. Wenn man sieht, welche Einrichtung zum Beispiel die Amerikaner haben, mit der man das Fahrzeug bis zum Kennzeichen mit einem Adlerauge heranziehen kann, dann, so glaube ich, erkennt man gerade in diesem Zusammenhang, daß man solche Einrichtungen – auch international gesehen – im Interesse des Friedens, im Interesse des Schutzes gebrauchen kann.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur einen Satz aus dem Regierungsübereinkommen zitieren: Im Geiste der europäischen Solidarität und zum Zweck der dauernden Gewährleistung der Sicherheit der Republik Österreich werden sich die Regierungsparteien im Einklang mit den Zielsetzungen der Europäischen Union für die vollberechtigte Teilnahme Österreichs an funktionsfähigen europäischen Sicherheitsstrukturen einsetzen. – Gegenwärtig wird darüber diskutiert. Der Herr Bundesminister hat vorhin gesagt, wir brauchen eine bestimmte Zeit, und manche Dinge müssen auch reifen.

Hohes Haus! Die Hauptfrage für mich ist: Was bedeutet heute Sicherheit für uns? Wenn man von Sicherheit redet, muß man wissen, daß das Hochhalten einer Tafel mit der Aufschrift "Neutralität" alleine nicht genügt. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwischen Neutralität und Solidarität gibt es einen großen Unterschied. Solidarität ist ein Partei-Ergreifen für jemanden, man ist solidarisch für jemanden, der in Gefahr ist; wir waren solidarisch mit den Menschen, die unter der Aggressivität in Jugoslawien gelitten haben. Wir haben uns solidarisch mit diesen Verfolgten gezeigt, das ist tätige Solidarität und nicht Neutralität.

Die österreichische Neutralität war immer eine militärische. Sie bedeutet keinesfalls eine ideologische, wirtschaftliche oder kulturelle Neutralität. Österreich war eindeutig dem Lager der westlichen Demokratien zugehörig. Ihre eigentliche Bedeutung hatte die Neutralität in der Zeit der Entspannungspolitik. Österreich konnte diesen Status für gute Dienste und als Ort für internationale Begegnungen nutzen.

In Österreich wurde das Bild der Neutralität von den historischen Erfahrungen der Schweiz geprägt. Trotzdem ging Österreich von Beginn an in seiner Neutralitätspolitik einen eigenen Weg. Österreich trat zum Beispiel bereits 1956 den Vereinten Nationen bei, denen die Schweiz bis heute nicht angehören. Der Bundesminister hat vorhin erwähnt, daß die Schweiz heute in der NATO-Partnerschaft für den Frieden ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man über Neutralität spricht, so ist es auch ein Unterschied, mit wem man spricht. Für die ältere


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Generation ist das Wort "Neutralität" etwas Besonderes. Die ältere Generation, die dieses Land wiederaufgebaut hat, verbindet mit Neutralität Frieden, Freiheit, Wohlstand. Wir von der Nachkriegsgeneration jedoch sehen so manche Dinge anders.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meldungen, denen zufolge uns allein die Neutralität den Frieden der letzten 40 Jahre beschieden hätte, entsprechen auch nicht den historischen Tatsachen. Der Friede in Europa wurde durch das Gleichgewicht des Schreckens gesichert. Im gesicherten Schatten, den uns die NATO bot, auch dank Europas, konnte Österreich den Aufschwung nehmen, der es zu einem der reichsten Länder der Erde gemacht hat. Den Preis dafür haben zum einen unsere Partner im Westen Europas und zum anderen die unterdrückten Menschen im Osten bezahlt.

Herr Professor Rudolf Burger sagte zur Neutralität – ich zitiere –: Neutralität ist in bestimmten Konstellationen vernünftig, in anderen ist sie es nicht, aber sie ist immer eine Politik des verhärteten Herzens.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, daß wir heute unsere Probleme der Sicherheit überdenken müssen. Zuerst ist die Frage zu stellen: Wollen wir uns verteidigen? – Wir alle wollen nie erleben, herausgefordert zu sein. Es wäre einfach, die Feuerwehren abzuschaffen, wenn wir wüßten, daß es keine Brände mehr gibt. Landesverteidigung – auch in Zeiten wie diesen, auch wenn es ruhig ist – ist notwendig. Daher bin ich zuversichtlich, daß der Weg, den Herr Bundesminister Werner Fasslabend heute vorgezeigt hat, auch der Weg für Österreich, für ein sicheres Europa sein wird.

Abschließend möchte ich festhalten, daß wir uns uneingeschränkt zum Friedensauftrag des Bundesheeres bekennen. Verteidigung von Frieden und Freiheit ist Bürgerpflicht. Der Auftrag des Bundesheeres wurde in diesem Sinne vorbildlich erfüllt und wird auch in Zukunft bestehen bleiben.

Freiheit schützen, Frieden sichern und Krieg verhindern. – In diesem Sinne, Herr Bundesminister, noch einmal ein Dankeschön für Ihre prägnanten Ausführungen. (Beifall bei der ÖVP.)

18.47

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Albrecht Konečny. Ich erteile es ihm.

18.47

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zwar nicht ganz verstanden, warum Kollege Rockenschaub gemeint hat, hinter der den Usancen unseres Hauses entsprechenden Absetzung des Berichtes im Ausschuß irgend etwas Besonderes vermuten zu müssen, aber wenn ihn die heutige Veranstaltung beruhigt, dann soll allein das schon den entsprechenden Aufwand wert sein. Für das Wohlbefinden oppositioneller Kollegen sind wir gerne bereit, Entsprechendes zu leisten.

Wir werden diesen Bericht – wenn das Ministerium es schafft, unseren Termin ad notam zu nehmen –, im Ausschuß sehr gründlich diskutieren müssen. Es gibt eine Reihe von sehr heiklen und kritisch zu diskutierenden Fragen. Ich persönlich möchte mich nur vor folgendem hüten: Es erschiene mir falsch, eine solche Diskussion, die auch – das sage ich ganz ehrlich – von meiner Seite eine Menge Nachfragen an die dann anwesenden Herren Ihres Hauses erforderlich machen wird, heute hier vorwegnehmen zu wollen.

Ich glaube also, daß die Begründung der dringlichen Anfrage ein wenig an der Sache vorbeigeht. Es ist das gute Recht der Opposition, einerseits nach der Bewertung einer Situation durch den Bundesminister zu fragen – obwohl Betrachtungen persönlicher Art nicht wirklich Gegenstand der Vollziehung sind, was an sich der Inhalt des parlamentarischen Fragerechtes ist –, andererseits ist es auch das gute Recht der Opposition, sich nach der alten Methode "me, too" an die bekannte Position des Herrn Bundesministers anzunähern. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Das war umgekehrt! – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das war umgekehrt! – Bundesrat Dr. Rockenschaub: Das wissen Sie aber, oder?!)  – Entschuldigen Sie vielmals! Ich habe


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kein Problem, diese Prioritätendiskussion Ihnen beiden zu überlassen. Ich mische mich da wirklich nicht ein.

Worum es aber natürlich im Kern geht, ist der Versuch – und das ist das "me, too" –, einfach zu sagen: Die Regierung bringt da nichts weiter, während es doch zwischen der Freiheitlichen Partei und dem Landesverteidigungsminister geradezu ein kuschelweiches Harmonieverhältnis, zumindest in dieser Frage, geben würde.

Ich glaube nicht, daß das eine taugliche Grundlage für strategische, politische und staatspolitische Überlegungen ist. Sie haben den Aufruf miteingeschlossen, es ginge hier um staatspolitische, nicht um parteipolitische Interessen. – Natürlich. Aber das Vorzeigen von Sympathie und Anhänglichkeitsbedürfnissen ist ein absolut parteipolitisches und ganz bestimmt kein staatspolitisches Anliegen.

Wir sind – ich verrate damit weder ein Regierungs- noch ein sonst politisches Geheimnis – in dieser Frage von vornherein nicht einer Meinung. Der Standpunkt des Herrn Verteidigungsministers, den er mit Vehemenz in der Öffentlichkeit und auch hier vertreten hat, ist bekannt. Er gehört gewissermaßen zu den Eckdaten einer Debatte, die zu führen ist.

Ich habe auch gar nicht die Absicht, nun in einer vorweggenommenen Polemik diese Diskussion gleich "abzumeiern". Eine Diskussion besteht nämlich nicht darin, sich gegenseitig Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit und die Glaubwürdigkeit der Grundlagen abzusprechen, sondern zu versuchen, die Parameter, unter denen zu entscheiden ist, kritisch – auch selbstkritisch – zu beurteilen. Ich will mich daher gar nicht darauf konzentrieren, in meinem Diskussionsbeitrag wortreich eine Gegenposition – obwohl ich sie hätte – zum Verteidigungsminister aufzubauen, sondern es geht mir um folgendes: Es geht darum, klarzumachen, daß wir vor einer zweifelsfrei schwierigen, zweifelsfrei auch harten Diskussion zwischen und durchaus auch im Rahmen der beiden Regierungsparteien stehen und daß wir uns natürlich über manche Prämissen sehr wohl unterhalten müssen.

Es ist ja grotesk genug, wenn Kollege Rieser ausgerechnet Rudi Burger zitiert, aber es soll sein; geschenkt! Dieses Zitat ist mit Sicherheit geschenkt. (Bundesrat Rieser: Bewußt!) – Ja, ja, ist schon gut. Es ist mit Sicherheit einer der schwächeren Texte meines Freundes Rudi Burger. Aber man kann Neutralität auch anders sehen, nämlich als eine autonome Solidarität, und so haben wir sie verstanden. Wir haben in dieser Neutralität eine Fülle von politischen Initiativen, nicht nur zu unserer Sicherheit, sondern auch zur Sicherheit Europas, gestartet und dazu beigetragen. Ich bin mir nicht so sicher, ob Sie recht haben, daß diese Phase des "kalten Friedens", wie man sie abschließend beurteilen kann, diese 50 Jahre, wirklich ausschließlich dem Gleichgewicht des Schreckens zu danken ist. Da habe ich große Zweifel!

Aber das ist Diskussionsthema, und Sie haben selbst darauf hingewiesen, Kollege Rieser, daß Österreich – vom Staatsvertrag verpflichtet, eine Neutralität nach dem Vorbild der Schweiz zu führen – sehr rasch eine einseitige Vertragsrevision vorgenommen hat und eben nicht jene Neutralitätspolitik geführt hat, der man im Falle der Schweiz tatsächlich ein wenig unterstellen kann, daß sie das Abseits-Stehen zum Prinzip gemacht hat.

Ich gebe zu, daß ich weit in der Geschichte zurückgreife, aber es war das neutrale Österreich, und zwar jenes Österreich, das gerade erst seine Neutralität erklärt hatte und seine ausländischen Besatzer losgeworden war, das sich im Jahre 1956 jene gigantische Parteinahme zugunsten hunderttausender Verfolgter und flüchtender Bürger eines Nachbarlandes aufgeladen hat. Da sind wir nicht beiseite gestanden und bei vielen anderen Konfliktsituation auch nicht. Und wenn Sie mir die kleine Bosheit gestatten: Bei jenem Konflikt in Bosnien, den Sie angeführt haben, hat sich die NATO auch nicht gerade mit Ruhm "bekleckert"! Darüber sollten wir uns einig sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Ich tue mir auch ein bißchen schwer mit Ihrer Darstellung, als Sie zwei Staatengruppen angeführt und gemeint haben, daß wir uns aussuchen könnten, wo wir dazugehören. Bei der zweiten Staatsgruppen, zu der Sie nicht dazugehören wollen, haben Sie sich eine Fülle von im allgemeinen Sprachgebrauch eher abschreckenden Beispielen – von der


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Ukraine angefangen – einfallen lassen; und dann, als Ihre Stimme zu versagen begann, als Sie sozusagen bei den verbalen Fußnoten angelangt sind, sind Sie halt mit Schweiz, Finnland und Schweden dahergekommen. Auch das gehört, würde ich meinen, nicht zu einem Diskussionsstil, wie ich ihn mir wünschen würde.

Aber der entscheidende Punkt ist natürlich: Welchen Beitrag zur Sicherheit unseres Landes kann die Mitgliedschaft in der NATO leisten? Wie können wir die Sicherheit unseres Landes außerhalb eines solchen Bündnisses gewährleisten? Welche anderen, nicht Militärbündnisse, aber Vertragsverhältnisse gibt es in diesem Kontinent, die Sicherheit produzieren?

Man soll nicht so einfach darüber hinweghuschen, daß es den Grundlagenvertrag gegeben hat und daß es Madrid gegeben hat. Der Abschluß des Grundlagenvertrages ist ein Datum – das ist überhaupt keine Frage –, das in seinen Auswirkungen sehr gründlich bedacht werden muß. Madrid und die Beschlüsse von Madrid sind auch ein Datum.

Es mag ja sein, daß Sie sich darüber einig sind – in Ihrer Fragestellung haben Sie dieses Vokabel verwendet –: An der NATO ist weniger neu, als wir uns erhofft haben. Die Bewertung dessen, was an dieser NATO neu ist, ist sehr gründlich vorzunehmen. Es ist mir bewußt, daß Kräfte in der NATO, insbesondere der vom Herrn Bundesminister zitierte Generalsekretär Solana, eine weiterreichende Renovierung der NATO gewünscht und angestrebt haben, die in dieser Mitgliedschaft offensichtlich so nicht zustande gekommen ist.

Es ist sicher auch wichtig zu überlegen, inwieweit solche Reformschritte denkbar und vorstellbar sind. Ich glaube – mehr ist aus heutiger Sicht nicht zu sagen –, daß diese Diskussion vorurteils- und voraussetzungsfrei geführt werden muß. Ich glaube nicht – aber das ist die Sache Ihrer Partei –, daß es sinnvoll ist, an den Beginn einer Diskussion einen Parteivorstandsbeschluß mit einer Festlegung zu setzen. Ich wende mich da an meine so föderalistisch aufgerüsteten Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP: Das war ein Beschluß, an dem teilzunehmen offenbar keinerlei ÖVP-Landeshauptleute ein besonders dringliches Bedürfnis hatten. Aber noch einmal: Das ist Ihre Sache. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das passiert ja öfters! Das war bei den 0,5 Promille auch so!)

Wenn Sie annehmen, daß die Frage der 0,5 Promille mit den Landeshauptleuten etwas zu tun hat, dann muß ich Ihnen sagen: Ich gebe zu, daß ich sehr bedauere, daß dieser Beschluß nicht zustande gekommen ist, das ist uns "passiert" – unter Anführungszeichen –, allerdings offensichtlich nicht uns. Was das mit dem von mir angeschnittenen Thema zu tun hat, können Sie mir dann gerne erklären. Aber es war natürlich eine Gelegenheit für einen Zwischenruf, und die Tatsache, ihn zu machen, ist auch schon etwas wert. Und insofern heiße ich ihn herzlich willkommen! Um 19 Uhr kann man die Debatten schon ein bißchen aufmöbeln.

Ich sage nochmals: Ich glaube nicht, daß es das Richtige ist, mit klaren Festlegungen in eine Diskussion zu gehen, auch nicht zwischen Regierungspartnern, weil die Diskussion dann natürlich leicht den Charakter einer parteipolitischen Konfrontation annehmen kann, woran wir absolut kein Interesse haben. Für uns ist klar, daß nicht ein von Österreich abgehobenes Ja oder Nein zu einer verteidigungspolitischen Konzeption in Frage kommt, sondern nur ein Beschluß, eine Empfehlung – in diesem Falle an die Bürger –, die den sicherheitspolitischen Interessen dieses Landes dient. Das ist die Verantwortung, die wir vor den Bürgerinnen und Bürgern zu tragen haben! Ich bitte ausdrücklich, zur Kenntnis zu nehmen, daß Sicherheit etwas ist, das weit über den militärischen Bereich hinausgeht. (Beifall des Bundesrates Meier. )

Ich glaube nicht, daß Sicherheit etwas ist – das wäre auch so eine verleugnende Neutralität –, was man an die Soldaten des Bundesheeres, an die Offiziere und Generalstäbler abtreten kann. Sicherheit ist für uns Sozialdemokraten ein umfassender Begriff. Ich gebe zu, daß es mich sehr beeindruckt hat, daß eine allgemein eher als Kabarettverein dargestellte Organisation wie die OSZE ohne eigene bewaffnete Mech-Kräfte, ohne eine Bündnisverpflichtung ihrer Mitglieder in Albanien eine logistische und letztlich auch militärische Leistung zuwege gebracht hat, die Sie selbst eindrucksvoller und aus näherer Erfahrung dargestellt haben, als ich es könnte. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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Ich glaube also, wir sollten jene anderen Produzenten von Sicherheit auf diesem Kontinent nicht so von vornherein beiseiteschieben und die sicherheitspolitische Diskussion auf das banale Ja oder Nein zur NATO reduzieren.

Ein letztes: Ich bin da nicht ganz mitgekommen mit Ihrem historischen Exkurs. Mir scheint es gerade die Nachkriegsgeneration zu sein, jene Generation, die in der Neutralität politisches Bewußtsein entwickelt hat, die heute in erster Linie Träger dieses Gedankens ist. Aber es ist unverändert eine Mehrheit unserer Bevölkerung – über Prozentsätze brauchen wir nicht zu diskutieren. Wissen Sie, ich war lange genug Meinungsforscher, um zu wissen, daß es auf die Fragestellung ankommt, wieviel Prozent Befürwortung oder Ablehnung man bekommt. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Bravo!) Mein Ausbildner hat immer gesagt, ein Meinungsforscher, der das nicht zusammenbringt, hat seinen Beruf nicht gut gelernt. Vielleicht unterhalte ich mich einmal mit Ihren Meinungsforschern.

Tatsache ist, daß eine klare Mehrheit der österreichischen Bevölkerung dem Konzept der Neutralität nach wie vor sehr viel abgewinnen kann.

Wir werden also unsere eigenen militärischen Anstrengungen, eine allfällige Bündnisentscheidung gründlich diskutieren müssen. Wir werden natürlich die Frage diskutieren müssen, wer die personellen Träger der Landesverteidigung sind in unserem Land: Menschen, die das zumindest zu ihrem zeitweiligen Beruf machen, Menschen, die wir so wie jetzt einberufen zum Dienst für die Gemeinschaft und die, wie mit Recht von Kollegen Rieser erwähnt, im konkreten Anlaßfall – jeder von uns könnte 20 Beispiele aus der jüngeren Geschichte nennen – ja auch eine Art von – unter Anführungszeichen – "Zivildienst" ausüben, weil sie im Notfall, im Ernstfall dieser Gemeinschaft, diesem Land nicht nur mit der Waffe, sondern mit was immer gebraucht wird, mit der Schaufel oder mit dem Sandsack, zur Verfügung stehen. Ich warne davor, dieses Potential vorzeitig und leichtfertig in Frage zu stellen.

Wir eröffnen eine Diskussion – eine Diskussion innerhalb des Bundesrates, aber natürlich auch eine Diskussion mit allen anderen gesellschaftlichen und intellektuellen Kräften dieses Landes, von Rudi Burger bis zu den Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ. Diese Diskussion ist zu führen. Der Bürger und die Bürgerin werden vermutlich der oder die sein, die letztlich das entscheidende Wort zu sprechen haben.

Ich möchte jedem, der sich an dieser Diskussion beteiligt, zugute halten, daß es ihm um das gleiche geht wie mir und meiner Partei, nämlich um das Höchstmaß an Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und nicht um eine abstrakte institutionelle Entscheidung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

19.05

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte namens meiner Fraktion zu Beginn meiner Ausführungen unserem Bundesheer gegenüber Dank und Respekt für alle Aktivitäten, die es im internationalen Bereich im Hinblick auf friedenssichernde Maßnahmen, vor allem aber auch im nationalen Bereich bei der Bewältigung von Naturkatastrophen leistet, zum Ausdruck bringen. Dieser Dank sei selbstverständlich auch allen Einsatzorganisationen ausgesprochen.

Meine Damen und Herren! Gerade angesichts dieser Situation und des Bewußtseins, daß unser Bundesheer hervorragende Leistungen erbringt, ist mir die Haltung der beiden Regierungsparteien unverständlich, um nicht zu sagen, es gleicht eher einer Verhöhnung, daß sie über den Situationsbericht betreffend unsere Landesverteidigung nicht reden wollen. (Bundesrat Meier: Das stimmt nicht!)

Herr Kollege Meier! Meine Damen und Herren! Es ist den Regierungsparteien vermutlich unangenehm, daß der Rechnungshof in der Vergangenheit am Beschaffungsamt Kritik geübt hat.


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Herr Bundesminister! Sie haben anläßlich dieser Kritik des Rechnungshofes dem Verteidigungsausschuß, aber vor allem dem Rechnungshofausschuß die Einsicht in alle Unterlagen verweigert. Ich würde Sie daher ersuchen, dem Rechnungshofausschuß vor allem betreffend das Beschaffungsamt alle Unterlagen vorzulegen.

Wahrscheinlich ein Grund mehr, daß Sie von den Regierungsparteien über das Thema Landesverteidigung nicht reden wollen, ist, daß der Bundesminister die unabhängige Beschwerdekommission als Organ des Bundesministeriums bezeichnet hat. Da, meine Damen und Herren und vor allem Herr Bundesminister, haben Sie Erklärungsbedarf.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie wollten die Diskussion über das Bundesheer vermeiden, da beim Bundesheer, wie heute schon erwähnt, vor allem bei Großgerätschaften ein überhöhter Nachrüstbedarf besteht. Im Hinblick auf den Fuhrpark wurde das schon beispielhaft ausgeführt. Auch da fehlt es Ihnen an Entscheidungswillen und an Entscheidungskraft. Sie wollen nicht über die Nachfolge der Überwachungsflugzeuge reden, weil Sie auch da die Entscheidung scheuen. Sie wollen nicht über das Landesverteidigungsbudget reden, da es mit 0,8 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt das niedrigste in Europa ist.

Meine Damen und Herren! Gerade dieses Faktum unterstreicht einmal mehr die Wertigkeit der Landesverteidigung innerhalb der Regierungsparteien.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie wollten sich über das Bundesheer ausschweigen, da Ihnen die Diskussion der Regierung über die Teilnahme an der WEU und der NATO peinlich ist. Sie wollten dem Verteidigungsminister die Möglichkeit nehmen, sich zu Fragen des Bundesheeres zu äußern, indem Sie im Ausschuß den Situationsbericht betreffend die Landesverteidigung mehrheitlich abgelehnt haben. (Bundesrat Meier: Ganz im Gegenteil, wir wollten diskutieren, konnten aber nicht, weil niemand da war!)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wenn es Ihren Zielen entspricht, über die Landesverteidigung nicht zu reden, oder Sie die Diskussion betreffend den Beitritt zur NATO oder zur WEU peinlich berührt, dann haben Sie den Mut und sagen Sie es, oder distanzieren Sie sich vom Bundesheer!

Wenn dem nicht so ist, Herr Kollege Konečny – er ist momentan nicht im Raum – und meine Damen und Herren vor allem von der sozialdemokratischen Fraktion, dann stimmen Sie meinem in der Folge einzubringenden Entschließungsantrag zu und beweisen Sie, daß Sie sich doch zur Landesverteidigung bekennen.

Ich darf daher, meine Damen und Herren, namens der freiheitlichen Bundesräte folgenden Entschließungsantrag einbringen.

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen betreffend Beziehung Österreichs zur NATO

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Landesverteidigung wird ersucht, seine Bemühungen zu einem Beitritt Österreichs zu einem solidarischen europäischen Sicherheitssystem, wie es WEU und NATO sind, konsequent weiterzuverfolgen."

*****

Wenn Sie, meine Damen und Herren, es ernst meinen und sich zur umfassenden Landesverteidigung bekennen, dann lade ich Sie ein, diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Nein, das hat mit dem nichts zu tun!)

19.10


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 145

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Der von den Bundesräten Dr. Bösch und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

19.10

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich grüße auch Herrn Bundesminister Bartenstein und möchte ihn darüber informieren, daß wir Herrn Bundesminister Fasslabend, als er dieses Gespräch mit einer wirklich hervorragenden Aussage zur Familienpolitik eingeleitet hat, mit großem Applaus bedacht haben. – Herr Bundesminister Bartenstein! Vielleicht werden auch einmal von Ihrer Seite ähnliche Überlegungen laut verkündet. Sie würden auf die Zustimmung des Großteils der österreichischen Bevölkerung und auch der großen Oppositionspartei stoßen. Sie würden viel Zustimmung bei uns finden und so viel Zuneigung, wie heute Bundesminister Fasslabend bei uns erweckt hat.

Aber es geht heute eigentlich um den möglichen Beitritt unserer Republik zur Nordatlantischen Verteidigungsorganisation. Man kann natürlich manches gegen diese Organisation einwenden, zum Beispiel daß die NATO der letzte Rest des kalten Krieges ist. Diese hat jedoch ohne Blutvergießen zwei Paktsysteme niedergerungen, nämlich den Warschauer Pakt und den COMECON. Man kann es schlicht so sagen. Und man kann bis jetzt noch nicht alle positiven und möglicherweise noch nicht geklärten Auswirkungen absehen.

Die NATO ist eine politische Organisation. Die NATO ist eine militärische Organisation. Es gibt die NATO-Neu – oder gibt es die NATO-Neu doch nicht? – Die Statuten sind die gleichen geblieben.

Es gibt die NATO mit Spanien, es gibt die NATO mit Frankreich, diese weichen aber einer militärischen Organisation aus. Warum wohl weicht Frankreich der militärischen Organisation aus? – Die NATO ist nicht bereit, einem europäischen Staat ein oberes Kommando zu überlassen. Mir als Österreicher tut es natürlich auch weh, wenn ich hören muß, daß die NATO im Grunde genommen eine Einrichtung ist, die hauptsächlich von den Vereinigten Staaten gesteuert wird, und die europäischen Staaten nicht in der Lage sind, selbst ein oberes Kommando zu bekommen.

Man wollte den Franzosen ein "Combined Joint Task Force" einrichten. Aber auch das scheiterte an den anderen NATO-Mitgliedern bei der Konferenz in Madrid. Aus diesem Grund meine ich, es ist eine zwingende Notwendigkeit, die österreichische Bevölkerung völlig über die Konsequenzen und Nichtkonsequenzen des Beitrittes zur NATO aufzuklären und eine Volksabstimmung darüber durchzuführen, ebenso wie vorher natürlich die Neutralität aus der Verfassung herausgenommen werden muß.

Die Frage ist: Welche Aufgaben und welche Rolle wird Österreich bei einem allfälligen Beitritt in die NATO übernehmen? – Immer wieder hören wir, unser international gesehen ach so kleines Landesverteidigungsbudget von 0,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes wird uns am Beitritt zur NATO hindern. Ich bin davon überzeugt, daß die finanzielle Frage nicht das Entscheidende beim NATO-Beitritt ist. Aber ebenso bin ich überzeugt davon, daß sie wesentlich dazu beiträgt, eine Landesverteidigung überhaupt effektiv zu machen.

Dieser Budgetanteil, der jetzt schon mit großer Regelmäßigkeit viele Jahre lang gleich geblieben ist, ist weder für eine Milizarmee noch für eine Berufsarmee, weder im neutralen Zustand noch in einem Paktzustand ausreichend, um berechtigte Forderungen zur Teilnahme an einem Pakt stellen zu können, aber auch nicht, um unsere Aufgaben ernsthaft wahrzunehmen. Es ist also – um unseren Bürgern reinen Wein einzuschenken – wirklich eine Frage der Zeit, bis wir, wie Abgeordneter Gaál von den Sozialdemokraten gemeint hat, das Bundesheer auf ein Armeechen von 60 000 Mann zusammenschrumpfen müssen, um den Budgetanteil, der derzeit zur Verfügung steht, richtig zu verwenden.

Vielfach hören wir auch, um für die NATO zu argumentieren, um für Steuererhöhungen zu argumentieren, um für Sozialversicherungsanteile zu argumentieren, um für Sicherheit zu argumen


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 146

tieren, das Wort Solidarität. – Meine Damen und Herren! Ich warne davor, den Mißbrauch des Wortes "Solidarität" weiter zu betreiben. Solidarität ist ein Akt freiwilliger christlicher Nächstenliebe und soll nicht dazu verwendet werden, um ständig Steuererhöhungen, Abgabenerhöhungen und Beitragserhöhungen zu argumentieren und um österreichische Soldaten im Ausland einzusetzen. Das hat nichts mit Solidarität zu tun, sondern schlicht und einfach mit Beistandsverpflichtungen, mit Eigeninteressen, mit Interessen übergeordneter Organisationen.

Wir verbrämen gewisse Vorgänge mit dem Wort "Solidarität", um sie human und humanistisch gerechtfertigter erscheinen zu lassen. In Wahrheit werden mit "Solidarität" schlichtweg große materielle Interessen argumentiert.

Es mag vielleicht erstaunen, im Zusammenhang mit der NATO-Erweiterung und dem Beitritt Österreichs zu dieser Organisation einen berühmten Künstler zu zitieren. Es ist der Dirigent und Violinist Yehudi Menuhin, welcher sich mit einigen sehr bemerkenswerten Worten in der "Frankfurter Allgemeinen" zu diesem Thema gemeldet hat. Er meint nämlich, daß mit torkelnder Entschiedenheit und Geschwindigkeit das Thema der NATO-Osterweiterung durchgepeitscht wird – ohne vorherige ernsthafte öffentliche Debatte. Es ähnele eher einer Werbekampagne. Und er meint weiter, daß sich die Vereinigten Staaten ihres Prestiges und ihrer idealistischen Antriebskräfte auf imperiale Weise bedienten, um UNO, UNESCO und EU mit der NATO zu umgehen. Die USA hinken moralisch und technologisch nach, meint er, weil ihre Militärindustrie und Wirtschaftspolitik auf eine wachsende Versklavung der Ölanbieter hinausläuft.

Ein unabhängiges, starkes Europa, das sich nach innen zivilisiert und nach außen verteidigen kann, würde auch islamische Länder, Rußland und China beruhigen.

Doch die Vorteile der Vereinigten Staaten sind offensichtlich, meint Yehudi Menuhin, es ist der große Waffenmarkt. – In diesem Punkt sehe ich meinen einzigen Einwendungspunkt gegen die NATO. Es muß versucht werden, Herr Bundesminister, die NATO verstärkt zu europäisieren. Die NATO hat ein europäisches Verteidigungsinstrument zu sein, und Österreich muß sich der Aufgabe annehmen, ein mitteleuropäisches Zentrum und Anlaufpunkt für jene Staaten zu sein, welche nicht der NATO angehören, welche noch nicht der NATO angehören, welche aus verschiedenen Gründen in Mittel- und Ostmitteleuropa der NATO vielleicht nie angehören werden. Das sehe ich als österreichische Aufgabe, die zu verwirklichen ein echter österreichischer Beitrag zur Sicherheitskultur in Europa wäre.

Auch Professor Gasteyger sieht die NATO nicht unbedingt als Spielregel der Europäischen Union. Die europäischen NATO-Mitglieder sind nicht die treibende Kraft, meint Professor Gasteyger, wir hätten es mit einer Amerikanisierung der gesamteuropäischen Sicherheitspolitik zu tun.

Die Erweiterung ist beschlossen, die Erweiterung wird durchgeführt, Österreich ist noch nicht dabei. Aber welche Konsequenzen können wir daraus ziehen? – Es gibt zwei Möglichkeiten. Die eine ist, meint Professor Gasteyger, daß die Schwächung der NATO, die durch die Erweiterung eintritt, durch alle Bemühungen so zu gestalten wäre, daß sie so gering wie möglich ausfällt. Die zweite Möglichkeit laut Professor Gasteyger ist, daß die negativen Wirkungen auf jene, die draußen vor der Tür geblieben sind, zu dämpfen wären. Professor Gasteyger nennt in diesem Zusammenhang die baltischen Staaten, die Ukraine und den Balkan; erstaunlicherweise läßt Professor Gasteyger Österreich und die Slowakei in seiner Aufzählung aus.

Rußlands Begehrlichkeit ist zu begegnen. Andererseits ist zu verstehen, daß Rußland besondere sicherheitspolitische Interessen hat. Ohne dieses Rußland auszugrenzen, werden wir die NATO auch mit österreichischem Zuwachs zu verstehen haben. Das ist teils mit Stärkung der regionalen Zusammenarbeit der Draußengebliebenen mit Österreich, mit den Neutralen und mit jenen Ländern, die der NATO-Neu angehören, durchzuführen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, meint Professor Gasteyger.

Eines bleibt bei dieser Erweiterung unbestreitbar: Dank ihr wandelt sich nach mehr als 60 Jahren die gefährliche Frage "Mourir pour Danzig" in eine vertragliche Verpflichtung, wobei ich


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 147

gleich dazu sagen muß, die vertragliche Verpflichtung liegt nicht darin, daß österreichische Soldaten an allen NATO-Einsätzen teilnehmen müßten.

Professor Gasteyger tröstet darüber hinweg, daß es nunmehr keinen Aggressor in Europa geben wird und daß Vertragszwänge nicht bestünden. Es stellt sich daher die Frage, ob es nicht bessere Wege als den der NATO-Osterweiterung gibt, um Ost-Mitteleuropa in Europa und im europäischen Verbund zu verankern. Es ist daher absolut notwendig, den österreichischen Beitritt in die NATO so schnell wie möglich zu betreiben. Es ist nicht zulässig, Österreich weiter außerhalb dieses Sicherheitsbündnisses zu lassen, wenn ihm auch berechtigte Einwendungen und Kritik gegenübergestellt werden können.

Österreich darf die Konflikte auf dem alten Kontinent, die sich durch den Einsatz der eigenen Kräfte nicht beheben lassen, nicht ohne Beachtung seiner Bündnismöglichkeiten in der NATO beilegen können. Erforderlich sind aber dafür ein Entscheidungsprozeß und andere operative Strukturen. Es ist auch die Existenz der OSZE, ehedem KSZE, weiterhin mit großer Neugierde und mit großem Interesse zu verfolgen.

Ein Beitritt Österreichs zur NATO erleichtert aber diese Möglichkeiten, die wir haben. Der Eintritt in ein Verteidigungsbündnis hoher demokratischer Kultiviertheit und Struktur, Herr Kollege Konečny, wird auch für Österreich mehr Vorteile als Nachteile bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ludwig Bieringer. Ich erteile es ihm.

19.24

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich darf vorerst, bevor ich mich mit dem Entschließungsantrag der Freiheitlichen befasse, meiner Genugtuung darüber Ausdruck verleihen, daß die Freiheitlichen anerkannt haben, daß sich unser Bundesobmann des ÖAAB, Dr. Werner Fasslabend, gerade nicht nur in letzter Zeit, sondern bereits seit dem 11. Jänner dieses Jahres eindeutig immer für die Familien ausgesprochen hat, wie Sie verfolgen haben können, und sich auch in Zukunft für die Familien aussprechen wird. Dafür, Herr Bundesminister, sage ich dir herzlich danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Zu Ihrem Entschließungsantrag darf ich Ihnen sagen, es ist im parlamentarischen Gebrauch üblich, daß man Entschließungsanträge, bevor man sie einbringt, den anderen Fraktionen zur Verfügung stellt. Das haben Sie nicht getan, wahrscheinlich deswegen nicht, weil sie ja gar nicht wollen, daß sie ... (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Das ist nicht üblich!) – Aber natürlich ist das üblich! Wenn wir so etwas eingebracht haben, haben wir Ihnen immer vorher eine Ausfertigung gegeben. Es wird wohl bei Ihnen einen Kopierer geben, sodaß Sie das auch machen können. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Jetzt brauchen Sie wieder eine Ausrede, daß Sie nicht zustimmen müssen! – Bundesrat Dr. Tremmel: Das haben wir von dir gelernt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ja, aber nachdem Sie ihn eingebracht haben, Herr Dr. Bösch! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Bösch. ) Na sicher, aber die Entschließung hätten Sie mir mitteilen können.

Ich bin dem Herrn Bundesminister für Landesverteidigung sehr dankbar dafür, daß er nie ein Hehl daraus gemacht hat, wie er zur NATO, WEU und dergleichen steht, und daß er das überall, sei es im Inland oder im Ausland, genauso geradlinig gesagt hat, wie wir das von ihm erwartet haben, und das hat ihn in der Vergangenheit ausgezeichnet. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bedanke mich aber auch bei den Freiheitlichen sehr herzlich dafür, daß sie eine Entschließung einbringen, um unseren Bundesminister in seinem Bemühen um den Beitritt Österreichs zur NATO zu bestärken. (Bundesrat Dr. Harring: Ich hoffe, Sie unterstützen ihn auch!) Aber dieses Bedanken, meine Damen und Herren, das ich wirklich gerne tue, ist überflüssig. Werner Fasslabend hat es nicht notwendig, daß er sich von den Freiheitlichen einen Auftrag geben oder


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sich von den Freiheitlichen bestärken lassen muß. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das kann er vielleicht selbst entscheiden! Kann er das selbst entscheiden, oder muß er sich das von Ihnen jetzt vorschreiben lassen?) Er braucht diese Bestärkung nicht, weil wir davon überzeugt sind, daß er das alleine, liebe Frau Kollegin Riess, weitaus besser macht als mit Unterstützung der Freiheitlichen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich verweise darauf, wie die Freiheitlichen das in der Vergangenheit gemacht haben: Es ist schon richtig, Sie haben immer von der EWG, von der EU und dergleichen gesprochen, und als es dann so weit war, daß Österreich zur EU gehen sollte, haben Sie die Parole ausgegeben: Vorwärts, Kameraden, wir müssen zurück! – Für diese Politik sind wir nicht zu haben, wir werden daher Ihren Antrag ablehnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Prähauser. – Bitte.

19.28

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich möchte ein Zitat bringen, und ich bin sicher, Sie werden auf Anhieb nicht genau wissen, wer es gesagt hat: Was Österreich braucht, ist nicht die NATO. – Meine Damen und Herren! Es ist kein Rätsel, das sind Originalworte von Jörg Haider, allerdings aus dem Jahre 1992. Inzwischen ist er anderer Meinung, aber wir sind ja solche Kehrtwendungen von der FPÖ eigentlich wöchentlich gewöhnt. (Bundesrat Dr. Harring: Nicht so oft wie bei euch!) Ich frage mich nur, was sich die FPÖ dabei denkt, auf der einen Seite Militärbündnisse zu fordern, auf der anderen Seite aber Wirtschaftsbündnisse abzulehnen, die dazu dienen, der österreichischen Bevölkerung einen Wohlstand zu erhalten, den Generationen vor uns aufgebaut haben.

Eines, meine Damen und Herren, möchte ich festhalten: Natürlich steht es jedem Regierungspartner, jedem Politiker frei, persönlich seine Meinung über Neutralität oder NATO zu äußern. Das heißt noch lange nicht, daß man hier automatisch zu gemeinsamen Wegen gezwungen wird. Wir sind in einer Phase der Diskussion, und ich halte es hier mit Kollegen Konečny, daß jeder sein Wissen einzubringen hat, aber letztendlich die Bevölkerung zu entscheiden hat, welchen Weg Österreich hier geht. Ich empfinde das als eine sehr fundamentale Zukunftsentscheidung, die nicht einfach am Rednerpult oder in Bierhaus-Diskussionen abgehandelt werden kann. Unsere Partei steht dazu, die Diskussion zu führen, die Bevölkerung zu fragen und entsprechen danach die Handlungen auszurichten.

Eines möchte ich aber der FPÖ auch ins Stammbuch schreiben: Durch solche Diskussionsbeiträge werden Sie die Koalitionsparteien, die aus meiner Sicht eine sehr gute Politik machen, eine sehr gute Regierung stellen, nicht auseinanderdividieren können. (Bundesrat Mag. Gudenus: Weiter so, ja richtig! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Wir werden in der Diskussion um diese Dinge eher zusammengeschweißt werden, was ich persönlich begrüße, so wie ich auch eine sehr konstruktive Opposition begrüße. Natürlich ist sie ein Ideengeber für die Regierung, die allerdings nicht darauf angewiesen ist, Entschließungsanträge zu akzeptieren, um selbst zu wissen, wo es langgeht. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wißt ihr das?)

Ich meine, solange wir in der Lage sind, gemeinsam so zu diskutieren, ist es um Österreich noch nicht geschehen, Herr Kollege Gudenus! Das Abendland ist noch nicht untergegangen – die Sozialdemokraten und die ÖVP an der Regierung werden es auch noch lange am Leben erhalten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.31

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr DDr. Königshofer. – Bitte.

19.31

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz auf die Erklärungen des Herrn Kollegen


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Bieringer eingehen, die ich unverständlich finde, wenn er meint, es entspreche nicht der parlamentarischen Usance, Anträge einzubringen, ohne sie vorher irgend jemand anderen zu zeigen.

Herr Kollege Bieringer! Vielleicht ist es bei Ihnen Usance, daß Sie jeden Antrag, den Sie formulieren, vorher dem Koalitionspartner zur Genehmigung vorlegen müssen. Nehmen Sie zur Kenntnis: Wir sind eine freie Partei, und wir formulieren unsere Anträge und reichen sie ein, ohne um Genehmigung fragen zu müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Des weiteren verwundert mich Ihre Ablehnung der Unterstützung für Herrn Bundesminister Fasslabend. Anscheinend sind Sie es in der ÖVP gar nicht mehr gewöhnt, daß Sie irgendwo Partner finden, die Sie unterstützen, weil die Partei, mit der Sie in der Koalition sind, Sie in den meisten Fällen nicht unterstützt, sondern Ihnen eher in den Rücken fällt. Ich könnte Ihnen sehr viele Beispiele nennen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber zu den Sozialdemokraten will ich noch einiges sagen, weil Sie eben der NATO so kritisch gegenüberstehen: Meine Damen und Herren! Es gibt sehr viele Sozialdemokraten beziehungsweise hat es sehr viele Sozialdemokraten in Europa gegeben, die keine Berührungsängste mit der NATO haben oder hatten, und ich möchte auf einige von ihnen eingehen. Schauen wir zum Beispiel nach Frankreich, das zwar aus dem militärischen Teil der NATO ausgeschieden ist, aber nach wie vor der politischen NATO angehört. Da haben weder Präsidenten noch Ministerpräsidenten Probleme gehabt, diesem Bündnis anzugehören. (Bundesrat Prähauser: Die Franzosen waren aber nie neutral! Die sehen das anders!) Ob das Mitterrand war, Fabius oder jetzt Jospin – keiner davon hat beziehungsweise wird diese Mitgliedschaft in der NATO in Frage stellen.

Oder schauen wir nach Großbritannien. Der Ministerpräsident vor der langen Ära der Konservativen, Premierminister Brown, hat die Mitgliedschaft in der NATO nie in Frage gestellt – ein Sozialdemokrat. Das tut auch heute ein Tony Blair nicht.

Schauen Sie nach Spanien: Spanien ist unter einem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten der NATO beigetreten.

In Italien waren Sozialdemokraten immer an der Regierung und haben die NATO nicht in Frage gestellt (Bundesrat Prähauser: Mit an der Regierung!) – mit an der Regierung –, auch unter einem Ministerpräsidenten Craxi nicht. Ich weiß nicht, ob der Ihrer Gruppe zuzurechnen ist, den Sozialisten oder Sozialdemokraten. Sie haben ja mittlerweile den Namen gewechselt. (Bundesrat Meier: Eigentlich nicht, auf das, was er angestellt hat! Den dürfen Sie nicht zitieren!) Auch Craxi hat die Mitgliedschaft nicht in Frage gestellt. Leider wird er heute aufgrund diverser politischer Malversationen von der Interpol gesucht.

Oder schauen Sie nach Belgien, nach Holland, nach Dänemark. (Bundesrat Konečny: Spricht dieses Argument jetzt für oder gegen die NATO?) – Das können Sie sich aussuchen, Herr Kollege, ob das für oder gegen sie spricht, ob für oder gegen die NATO. – Schauen Sie nach Holland, nach Belgien, nach Dänemark. Auch dort gibt es Sozialdemokraten, die damit keine Probleme haben.

Nehmen Sie das Beispiel Griechenland her. Und ich sage jetzt ganz bewußt, der Führer der PASOK-Bewegung, dieser Panhellenistischen Bewegung, Papandreou, war sogar sehr froh, daß sein Land in der NATO war, weil die NATO gerade im Konflikt mit der Türkei sehr viel friedensstiftende Wirkung ausüben konnte. (Bundesrat Konečny: Übrigens auch ein NATO-Mitglied, wenn ich mich richtig erinnere!) Wären diese beiden Länder nicht gemeinsam in der NATO gewesen, dann hätten wir an der Südostflanke Europas wahrscheinlich schon einen Krieg erlebt. (Bundesrat Prähauser: Zum Schutz vor Deutschland ...! – Bundesrat Meier: Gelöst haben Sie es ja nicht!) – Zwischen Griechenland und der Türkei? (Bundesrat Prähauser: Die zwei haben Gemeinsamkeiten mit der NATO!) Ja, das sind beide NATO-Partner. Und ich sage, die Griechen wußten – Sie müssen mir zuhören! – die friedensstiftende Wirkung der NATO zu schätzen! (Bundesrat Prähauser: Man schützt sich gegenseitig, weil man Mitglied ist!)


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Wenn ich ein und demselben Bündnis angehöre, dann kommt es eben nicht zum Konflikt, und das ist anhand von Griechenland und der Türkei bewiesen worden. (Bundesrat Prähauser: Siehe Zypern!) Zypern ist ein eigener Staat, der nicht der NATO angehört.

Oder schauen Sie nach Norwegen, wo bis vor kurzem eine Sozialdemokratin, Frau Brundtland, regiert hat.

Aber schauen Sie jetzt vor allem in unser Nachbarland Deutschland. Dort hat es einen Willy Brandt gegeben, der die NATO nicht in Frage gestellt hat, dort hat es einen Helmut Schmidt gegeben, der selbst Wehrmachtsoffizier war und die NATO nicht in Frage gestellt hat. Ich sage jetzt ganz bewußt "Wehrmachtsoffizier", weil Helmut Schmidt selbst als Offizier in der Armee eines autoritären oder totalitären Staates gedient hat und dann auch diese Wandlung als Sozialdemokrat durchgemacht hat, sodaß er die demokratische Armee eines demokratischen Staates und auch die Teilnahme an einem Militärbündnis demokratischer Staaten befürwortet hat.

Und auch heute werden die NATO selbst und ihre Gremien sehr wesentlich von Sozialdemokraten geprägt. Der Generalsekretär der NATO ist ein spanischer Sozialdemokrat namens Solana, und er ist in dieser Funktion ein Nachfolger eines belgischen Sozialdemokraten.

Das wollte ich Ihnen gesagt haben, meine Damen und Herren, und Sie werden sehen ... (Bundesrat Meier: In der EU gibt es sie auch! Warum haben Sie sie da nicht aufgezählt? – Bundesrat Prähauser: Das sind keine neutralen Staaten!) Meine Damen und Herren! Ich wollte Ihnen all das nur sagen. Anhand dieser Aufzählung können Sie nämlich ersehen, daß, sollte Österreich der NATO beitreten, Sie sich in diesem "Verein", wie Sie sie heute bezeichnen, in keiner schlechten Gesellschaft befinden würden. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Rockenschaub. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, Sie haben noch 10 Minuten Restredezeit zur Verfügung.

19.37

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt ist der Fraktionsobmann der ÖVP nicht da. Seine Rede mit derart starken Argumenten war so beeindruckend, daß wir tatsächlich in die Knie gegangen sind. Das war toll, wie er das gemacht hat, überzeugend in seiner Art. In Wahrheit ist uns allen aber damit der Abgang seines Vorgängers erst richtig bewußt geworden; er muß noch viel lernen. Ich wollte ihm das persönlich sagen. Ich werde ihn aber heute abend oder morgen sicher noch treffen. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Dieselben Kollegen, die heute in der Früh mit fast feuchten Augen, mit Begeisterung den Appellen des oberösterreichischen Landesparteiobmannes und Landeshauptmannes Dr. Pühringer in Richtung Stärkung des Bundesrates, in Richtung mehr Selbstbewußtsein im Bundesrat gefolgt sind, dieselben Kollegen haben heute – vielleicht erst im Laufe des Tages – anscheinend beim Portier dieses Hauses ihren Parteibeschluß, ihr Mandat, ihre eigene Meinung abgegeben, und das finde ich beschämend, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie machen dieses Haus mit einer solchen Vorgangsweise zum Kasperltheater! Wenn das der Öffentlichkeit bekannt wird – und dafür werden wir sorgen –, dann wird die Politik überhaupt nicht mehr ernst genommen. Meine Kritik an der völligen Orientierungslosigkeit der Regierungsfraktionen, was die Sicherheit dieses Landes nach außen betrifft, wird mehr denn je bestätigt. Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren von der ÖVP! Angesichts dieser Argumente, die Ihr Fraktionsobmann hier geboten hat, kann ich nur sagen: Schämen Sie sich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu der Frage, ob der Herr Bundesminister aus einem Mehrheitsbeschluß dieses Hauses Nutzen zieht oder nicht, muß ich sagen, es wäre nett, wenn man das dem Herrn Bundesminister selbst überläßt. Denn eines würde mich schon sehr wundern: daß eine Ablehnung der vom Minister


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beabsichtigten Linie in diesem Haus dem Minister nützt und ein zustimmender Beschluß dem Minister schadet. Auch das müssen Sie einmal jemanden erklären! Uns können Sie das nicht erklären! Das ist ungeheuerlich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.40

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

19.40

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Meine Damen und Herren! Ich möchte es etwas versöhnlicher versuchen. Herr Bundesminister! Sie tun mir ein bisserl leid. Grundsätzlich haben wir großen Respekt gehabt, weil Sie in der Vergangenheit wirklich Leistungen erbracht haben und etwas in Diskussion gebracht haben, was für unseren Staat notwendig ist. Michael Rockenschaub hat es ganz richtig gesagt: Wir wollten heute hier Klarheit haben. Von Ihnen haben wir diese Klarheit erhalten.

Wie die Ablehnung dieses Entschließungsantrages begründet wurde, ist mir persönlich jedoch unverständlich, da in diesem Entschließungsantrag nur Elemente dessen enthalten sind, was hier bereits ausgesprochen wurde, was hier schon außer Diskussion gestellt wurde: NATO-Neu, WEU, europäischer Arm, kollektives Sicherheitsbedürfnis – all das ist in diesem Entschließungsantrag enthalten. Es scheint wirklich so zu sein, wie Michael Rockenschaub es gesagt hat: Die Koalition wird wieder zu einer Notwehrgemeinschaft und überfährt eine gute taktische Überlegung, die die Opposition eingebracht hat, übersieht dabei aber, daß sie damit das große Ganze wirklich gefährdet.

Was würde es verschlagen, meine Damen und Herren, wenn Sie diesem Entschließungsantrag heute die Zustimmung geben würden? – Prüfen Sie das selbst! Schauen Sie sich das an! Was würde es verschlagen?

Stefan, du hast die Frage gestellt: Wo geht es lang? – Mich würde das auch interessieren. Ich habe die Wortmeldung deines Fraktionschefs Konečny gehört und habe die Geschichte auch ein bisserl Revue passieren lassen, was in der SPÖ so alles passiert ist, angefangen vom Thirnig-Plan – da gibt es noch immer geheime Befürworter – bis hin etwa – um etwas ganz Aktuelles zu nehmen – zur Aussage eures Klubobmannes Kostelka im Nationalrat, der gesagt hat, die Abfangjäger bräuchten wir nicht, da stellen wir Boden-Luft-Raketen auf. – Will er diese gleich herunterschießen oder was? – Ein anderes Mal hat er wieder von Bundesheer light und ähnlichen Sachen gesprochen.

Mich würde es wirklich interessieren, wo es hier langgeht, denn ein lautes und deutliches "Jein", das ihr heute verkündet habt, ist wirklich keine Fraktionsmeinung.

Und nur eine kleine Korrektur: Wenn du schon vom Militärbündnis sprichst – wir meinen ein Sicherheitsbündnis. Ich glaube, das meint ihr letztlich auch.

Einige Anmerkungen auch zu Ihren Ausführungen, Herr Minister, die mir wirklich gut gefallen haben, aber über einige Punkte sind Sie sehr schnell hinweggewischt. Sie haben gesagt: Wir haben gelernt, mit einem engen Budget auszukommen – so ungefähr waren Ihre Worte –, und Sie haben die Summe von 21 Milliarden Schilling zitiert.

Kollege Rieser hat dankenswerterweise den Dank an jene Soldaten ausgesprochen, die anläßlich des Hochwassers in Österreich im Einsatz waren. Mir ist dabei eine Hochgebirgsübung in der Lizum in Erinnerung gekommen, an der unter anderem auch Schweizer Kollegen teilgenommen haben. Die österreichischen Soldaten mußten mit doppelter Unterwäsche antreten, die Schweizer haben bereits Thermounterwäsche gehabt. Ich denke weiters daran, welches Trara gemacht wurde, um auch nur die Grundausstattung eines Soldaten zu erreichen, etwa kugelsichere Westen für die Kompanie in Gratkorn, die nach Bosnien fuhr. Die Transportwagen wurden erst auf kugelsicher hergerichtet.


Bundesrat
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Bitte, Herr Minister, da reicht es nicht, wenn Sie sagen, wir haben hier einen Verzichtsplan. Ich möchte auf die Notwendigkeit der militärischen Landesverteidigung nicht verzichten, aber dieser Verzichtsplan, den Sie hier teilweise haben, hat solche Ansätze.

Ich spreche gar nicht – weil über den Hochwassereinsatz gesprochen wurde – über die Ausstattung anderer Truppenbereiche – etwa der Pioniere; den Bereich der Luftabwehr habe ich nur gestreift –, es geht nur um die Grundausstattung eines österreichischen Infanteristen, und diese, Herr Minister, ist mangelhaft. Und wenn wir unsere Leute mit einer solchen mangelhaften Ausrüstung letztlich ins Ausland in den Einsatz schicken, dann gefährden wir deren Leben vorsätzlich. Ich möchte nicht, daß das Leben unserer Soldaten vorsätzlich gefährdet wird, so wie ich nicht möchte, Herr Minister, daß die Landesverteidigung fahrlässig behandelt wird.

Auch das war ein Grund für unsere dringliche Anfrage.

Abschließend, meine Damen und Herren, wäre ich wirklich froh, wenn es diesbezüglich einmal zu einer Demonstration käme. Dem Bundesrat – wir haben es heute in vielen Wortmeldungen bereits gehört – täte es gut, wenn ein langfristiger Bereich angesprochen und die Initiative hiefür vom Bundesrat ausgehen würde. Dafür würde sich die NATO, dafür würde sich dieses Sicherheitsbündnis eignen, und das wäre für unseren Staat, für unseren Bundesrat und letztlich für unsere Bürger gut.

Darum, meine Damen und Herren, wollte ich Sie abschließend ersuchen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Beziehung zur NATO vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Beziehung zur NATO ist daher abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Förderung von Maßnahmen in den Bereichen der Wasserwirtschaft, der Umwelt, der Altlastensanierung und zum Schutz der Umwelt im Ausland (Umweltförderungsgesetz – UFG), BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, das Bundesgesetz über die Förderung des Wasserbaues aus Bundesmitteln (Wasserbautenförderungsgesetz 1985 – WBFG), BGBl. Nr. 148/1985, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 516/1994, sowie das Bundesgesetz zur Finanzierung und Durchführung der Altlastensanierung (Altlastensanierungsgesetz), BGBl. Nr. 299/1989, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, geändert werden (743 und 798/NR sowie 5514/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir nehmen jetzt die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf, und wir verhandeln über den Tagesordnungspunkt 9: ein Bundesgesetz, mit


Bundesrat
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dem das Bundesgesetz über die Förderung von Maßnahmen in den Bereichen der Wasserwirtschaft, der Umwelt, der Altlastensanierung und zum Schutz der Umwelt im Ausland, BGBl. Nr. 185/1993, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 201/1996, das Bundesgesetz über die Förderung des Wasserbaues aus Bundesmitteln, BGBl. Nr. 148/1985, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 516/1994, sowie das Bundesgesetz zur Finanzierung und Durchführung der Altlastensanierung geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Payer übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Johann Payer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Familie und Umwelt liegt schriftlich vor. Ich verzichte daher auf die Verlesung.

Der Ausschuß für Familie und Umwelt stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

19.48

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Freundlicherweise haben Sie heute einmal Männer gleichberechtigt und uns erlaubt, das Sakko abzulegen, aber am Rednerpult werde ich es doch anbehalten. Jedenfalls danke ich dafür. Das ist eine Art der Gleichbehandlung, wie wir sie selten erleben. Daher sollten wir auch der Frau Präsidentin unseren Dank dafür zugute kommen lassen.

Nunmehr zur Vorlage: Der gegenständliche Gesetzesbeschluß des Nationalrates hat das Ziel, durch eine Sondertranche im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft im Ausmaß von 1 Milliarde Schilling einen weiteren Beitrag zum Schutz der unter- und oberirdischen Gewässer vor Verunreinigung und so weiter zu leisten. Die Förderung von laufenden Maßnahmen der Altlastensanierung soll einen effektiveren Einsatz der für diesen Förderungsbereich vorgesehenen Mittel ermöglichen.

Bereits zu Beginn des Jahres – so entnehmen wir es hier aus der Problemstellung – lagen der Abwicklungsstelle Anträge in der Höhe von 1,36 Milliarden Schilling vor, und man hat festgestellt, daß die Finanzmittel nicht mehr ausreichen würden.

Die Beauftragung der Österreichischen Kommunalkredit AG zur Abwicklung der Umweltförderung endet mit Ende dieses Jahres, und auch hier mußte man einen Weg suchen – der Weg, der gesucht wurde, gefällt uns nicht ganz; ich werde dann später noch darauf eingehen –, um die Österreichische Kommunalkredit weiter zu betrauen. Zusätzliche Kosten – so wird hier festgestellt – entstehen keine, die EU-Konformität wäre gegeben. – Ich bestreite, daß diese Konformität gegeben ist, und werde auch noch darauf zu sprechen kommen.

Ich habe die Österreichische Kommunalkredit erwähnt, die unbefristet betraut wird. Wir halten diese unbefristete Betrauung für wettbewerbsverzerrend. Der Vertrag kann höchstens auf die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen werden. Eine Verlängerung des Vertrages um jeweils weitere fünf Jahre wäre für uns dann zulässig, wenn die Österreichische Kommunalkredit nach erfolgter Ausschreibung als Bestbieter hervorginge. Das ist nur verständlich, aber hier betraut man auf unbestimmte Zeit.

Die Ausschreibung und die Vergabe der zu fördernden Maßnahmen müßte gemäß der nach Maßgabe der Auftragssumme jeweils anzuwendenden Bestimmungen für Ausschreibungen und Vergabe der betreffenden Gemeinden, Bundesländer, des Bundes und der Europäischen Gemeinschaft erfolgen, was in dieser Form ebenfalls nicht vorgesehen ist. Ergo dessen bestreite ich auch diesbezüglich die EU-Konformität.


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Die Beibehaltung einer zeitlichen Befristung im Vertrag mit der Österreichischen Kommunalkredit ist deswegen sinnvoll, um der öffentlichen Hand auch in Zukunft eine entsprechende Möglichkeit des Zugriffs zu gewährleisten. Zudem ermöglicht eine Neuausschreibung verständlicherweise die Wahl des jeweiligen Bestbieters, weil auch andere Bereiche die Kommunen finanzieren.

Im Rechnungshofbericht über die Altlastensanierung wurde unter anderem kritisiert, daß die Vergabe nur in einem Altlastensanierungsfall – und in diesem auch nur teilweise bei der Vergabe – gesetzeskonform erfolgt sei. Zudem wurde in die neuen Altlastensanierungsförderungsrichtlinien auch keine entsprechende Bestimmung aufgenommen – was wir ebenso kritisieren, und der Rechnungshof hat dies auch getan –, um die korrekte Vergabe sicherzustellen. Daher sollten diese Bestimmungen in den allgemeinen Teil der Förderungsvoraussetzungen hineinkommen.

Die wichtigsten Bereiche und Änderungen in diesem Gesetz sind: Durch Zuschüsse sind die laufenden Vorhaben sicherzustellen – was wir jedenfalls unterstützen –, zugesagte, aber nicht ausgenützte Mittel können zu einem späteren Zeitpunkt vergeben werden. – Das unterstützen wir auch. Der Vertrag mit der Österreichischen Kommunalkredit wird unbefristet abgeschlossen. – Das unterstützen wir nicht, denn das sehen wir eindeutig als wettbewerbsverzerrend und nicht gleichbehandelnd gegenüber anderen Bankenbereichen. Dadurch verwaltet die Österreichische Kommunalkredit quasi in Monopolstellung diesen Öko-Fonds, die Finanzierung erfolgt ebenso durch die Kommunalkredit, und Konkurrenten haben keine Chance. Außerdem findet keine Ausschreibung statt, obwohl auch andere Institutionen – ich habe das bereits vorhin erwähnt – ebenso eine Kommunalfinanzierung betreiben.

Die Erhöhung der Mittel auf 2 000 Millionen, also 2 Milliarden Schilling, wäre zu begrüßen. Daß hier neben der Wasserversorgung auch die Altlastenentsorgung enthalten ist, wäre ebenso zu begrüßen. Daß nicht nur die Gemeinden und Unternehmungen, sondern auch die Genossenschaften und Verbände förderungsberechtigt sind, ist unter bestimmten Bedingnissen zu begrüßen, nämlich dann, wenn sie den Konnex zu den Gemeinden herstellen. – Das ist auch einer der Kritikpunkte des Rechnungshofes, weil ja die Gemeinden meistens Mitglied dieser Genossenschaften und Verbände sind.

Das Bundeskanzleramt hat festgestellt – meiner Meinung nach zu Recht –, daß legistische Fehler vorhanden sind. Ich werde zum Schluß meiner Ausführungen auf diese legistischen Fehler noch zu sprechen kommen.

Von der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte wird – so wie auch von uns – die Erhöhung der Fondsmittel begrüßt. Kritisiert wird – wie ich schon angedeutet habe –, daß die Gemeinde eine schriftliche Zustimmung zu Ansuchen von Genossenschaften und Verbänden geben muß. Die Arbeiterkammer hält fest, daß im Regelfall die Gemeinde selbst Verbandsmitglied ist, was in den meisten Fällen stimmt, und dadurch einen Vorteil gegenüber den anderen hat. Es wird daher eine schriftliche Dokumentation des Verbandsbeschlusses gefordert.

Vom Wiener Bereich wird richtigerweise kritisiert, daß die Mittel für die Sondertranche aus dem Reinvermögen des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds gedeckt werden. Man meint, daß diese Deckung nicht vorhanden ist, und lehnt daher diese Sondertranche ab. Ein Finanzierungs- und auch ein Aufbringungskonzept wären daher notwendig. Ein gleichlautender Hinweis kommt vom Österreichischen Städtebund. Auch hier wird ein Finanzierungsnachweis gefordert.

Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, werden den Dingen untreu, auf die Sie selbst sich eingeschworen haben. Sie haben gesagt, Sie werden bei jedem Gesetzentwurf eine Beilage über die Finanzierung vorlegen. Das ist in diesem Fall überhaupt nicht geschehen. Man findet überhaupt nichts darin, wie das vor sich gehen soll. Das ist ein Mangel, den Sie selbst kritisieren sollten und den das Bundeskanzleramt in sehr feiner Form ebenso kritisiert hat.

Noch ein letztes – ich habe gesagt, zum Schluß werde ich darauf zurückkommen –: Es ist heute schon in vielen Beispielen darauf hingewiesen worden, daß ein Sachbereich in verschiedenen Gesetzen behandelt wird oder ein Gesetz für verschiedene Sachbereiche zuständig ist. Ich er


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innere an das Beamten-Dienstrechtsgesetz, das in drei Vorlagepunkten vorkommt. Ebenso ist es bei diesem Bereich, der ein sehr wichtiger ist.

Gerade in der letzten Sitzung des Bundesrates, meine Damen und Herren, haben wir die Wasserrechtsgesetz-Novelle beschlossen. Da wurde des langen und des breiten über § 32a und § 32b gesprochen. § 32a enthält besondere Bestimmungen für den Schutz des Grundwassers, und diese heutige Vorlage, die auch den Schutz des Grundwassers sicherstellen soll, befaßt sich ebenso damit.

In diesem Zusammenhang haben wir den Herrn Bundesminister für Landwirtschaft auch ermahnt, er möge endlich eine Verordnung erlassen, daß die Bohrlochabwässer bei der petrochemischen Industrie entsprechend geklärt werden. Das ist technisch durchaus möglich, auch nicht aufwendig, in den meisten Ländern geschieht es, nur bei uns in Österreich geschieht es nicht. Hier setzen wir Mittel ein, um das Grundwasser zu sanieren, in diesem anderen Fall aber lassen wir die Verunreinigung des Grundwassers zu. Das ist nicht nur ein formalgesetzlicher Fehler, das ist auch ein ökologischer Fehler, und zwar ein riesiger Fehler.

Oder ein weiteres Beispiel: Wir fördern aus diesem Bereich heraus den Kanalbau der Städte. Im letztlich beschlossenen Gesetz hat man jedoch in § 32b für die Indirekteinleiter eine besondere Feststellung getroffen, daß diese das nicht einmal mehr zu melden brauchen. Jede größere Stadt, die heute mit diesem Bereich konfrontiert ist, kann ihr Kanalbauprogramm vergessen, weil der sogenannte Anschlußzwang dann auch fraglich ist. Damit werden die Abwasserentsorgung und die Sicherung des Grundwassers in einem Ausmaß gefährdet, das wir nicht für gut halten.

Deswegen, meine Damen und Herren, verdient diese Vorlage unsere Zustimmung nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Grasberger. – Bitte.

20.00

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das Umweltförderungsgesetz, das uns zur Beschlußfassung vorliegt, ist ein weiterer Ausbau unserer europaweit vorbildlichen Haltung in Umweltfragen. Es könnte und kann hier vieles zu diesem Gesetzesvorschlag gesagt werden.

Ich möchte mich auf einen ganz wesentlichen Punkt konzentrieren, der auch schon erwähnt wurde, daß nämlich 1 000 Millionen Schilling mehr zur Schonung beziehungsweise Erschließung unserer Trinkwasserreserven – nicht nur dazu, aber doch im wesentlichen – zur Verfügung gestellt werden können. Das ist, glaube ich, etwas Wesentliches, weil Österreich als Wasserschloß Europas diese sehr wichtige Reserve für die Bewohner unseres Landes zu sichern hat.

Wie schnell es gehen kann, daß die Menschen ohne geregelte Trinkwasserversorgung auskommen müssen – auch in unserem Land! – , das hat uns die Hochwasserkatastrophe der vergangenen Tage deutlich gezeigt. Im sehr schwer betroffenen Bezirk Lilienfeld – ich bin überzeugt, viele von Ihnen haben die entsprechenden Bilder gesehen – waren ganz beträchtliche Teile von Gemeinden durch verunreinigtes Wasser, das nicht mehr als Trinkwasser nutzbar gemacht werden konnte, beeinträchtigt. Die Feuerwehren haben in einer Sofortaktion Trinkwasser zur Verfügung gestellt – in einer Situation, in welcher die Menschen wirkliche Not verspürt haben.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch hier eine Forderung deponieren, die das Ergebnis aus vielen Besprechungen mit Feuerwehrmännern und -frauen ist und die ich an den Herrn Bundeskanzler gerichtet habe: Ich halte es für höchst notwendig, daß bezüglich des Verdienstentganges bei Katastropheneinsätzen eine Gleichbehandlung von Feuerwehrmännern und -frauen stattfindet. Konkret gibt es Berufsgruppen, die den Verdienstentgang voll abgegolten bekommen, und andere Berufsgruppen, die diesen Verdienstentgang nicht abgegolten bekommen. Mein Kollege Bundesrat Herbert Platzer aus dem Bezirk Lilienfeld hat heute schon sehr deutlich


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diesen Problembereich angeschnitten, daß nämlich die Feuerwehrleute, welchen der Verdienstentgang nicht abgegolten wird, in der jetzigen Situation, da sie relativ häufig freiwillig Dienst verrichten, auch noch Sorge um ihren Arbeitsplatz haben müssen. Ich meine, daß wir als Gesetzgeber gerade in Anbetracht derartiger Naturgewalten den Menschen, die Solidarität geübt haben – das Wort Solidarität ist heute schon mehrfach auch in anderen Zusammenhängen genannt worden –, tatsächlich eine entsprechende Regelung schulden.

300 bis 500 Millimeter Niederschlag in nur wenigen Tagen über weite Teile Österreichs heißt konkret, daß ein Drittel beziehungsweise in manchen Landstrichen sogar bis zur Hälfte der durchschnittlichen Jahresniederschlagsmenge in diesem kurzen Zeitraum gefallen ist. Ich übertreibe mit Sicherheit nicht: Viele Familien im Bezirk Lilienfeld stehen in diesen Tagen buchstäblich vor dem Nichts. Ich denke jetzt an Familien, die in ebenerdig gelegenen Mietwohnungen zum Beispiel in Traisen wohnen beziehungsweise gewohnt haben. Sie haben durch die Flut das Wenige, das sie hatten, verloren. Außerdem droht jetzt da und dort Arbeitslosigkeit, weil sich bislang noch nicht alle Betriebsführer und Betriebsleiter – wie mein Kollege heute schon erwähnt hat – entschließen konnten, den Betrieb wieder aufzunehmen.

Ich bin jetzt etwas vom Thema abgeschweift und werde mit Ihrem Einverständnis gleich noch einmal ein bißchen abschweifen, und zwar in Richtung der Dringlichkeitsanträge und Entschließungsanträge der Freiheitlichen, die heute hier zur Diskussion standen. Ich möchte insbesondere zur Form, wie sie behandelt wurden, etwas anmerken: Dr. Königshofer hat hier davon gesprochen, daß es in der FPÖ ganz andere Usancen gibt als in anderen Parteien, und Dr. Rockenschaub sprach davon, daß der Fraktionsobmann der ÖVP noch viel zu lernen hätte. – In Anbetracht dessen möchte ich an die wenigen noch anwesenden Mandatare der FPÖ appellieren, den Blick einmal auf sich selbst zu richten und diese Usancen auch unter dem Aspekt zu betrachten, daß es in den Reihen der Christdemokraten als höflich empfunden wird, daß man, wenn man einen Antrag eingebracht hat, zumindest anwesend bleibt, solange dieser Antrag zur Diskussion steht. Denn die Anträge, die heute zu vielen Punkten eingebracht wurden, sind auch in den folgenden Debattenbeiträgen immer wieder zur Diskussion gebracht worden.

Wenn ich jetzt konkret den Kollegen aus Niederösterreich anspreche, der hier einen Antrag bezüglich Semmering-Basistunnel eingebracht hat – ich kann ihn persönlich leider nicht ansprechen, weil er sich schon seit Stunden nicht mehr im Raum befindet –, dann würde ich ihm empfehlen, sich einmal auf den Weg vom nördlichsten Niederösterreich, von wo er stammt, in das südliche Niederösterreich zu machen, bevor er über den Semmering-Basistunnel spricht. Hätte er diese Reise in den letzten Tagen gemacht, dann wären sicherlich viele Fragen an ihn gestellt worden. Die Menschen hätten ihn sicherlich vieles gefragt, aber sie hätten ihn mit Sicherheit nicht zum Thema Semmering-Basistunnel befragt. Sie hätten nicht gefragt: Wann wird er gebaut? Wie wird er finanziert? Ist der Probestollen mehr oder weniger dicht? Denn sie haben derzeit ganz andere Sorgen! Sie hätten ihn beispielsweise gefragt: Wann wird die Eisenbahnverbindung von St. Aegyd nach St. Pölten, die durch die Naturgewalt zerstört worden ist, wieder in Betrieb gesetzt werden können? – Bis gestern konnte das nicht geschehen, denn dafür ist Geld erforderlich, hier ist sicherlich ein sehr großer Finanzierungsbedarf gegeben.

Wir haben also Entscheidungen hinsichtlich der Prioritätensetzung in unserem normalen politischen Leben zu treffen! Und wenn die Freiheitlichen immer wieder davon reden, wie nahe Sie das Ohr am Bürger haben, dann muß ich sagen: Gerade in dieser Frage vermisse ich das! (Bundesrat Dr. Bösch: Sie sollten zum Semmering-Basistunnel dann sprechen, wenn darüber diskutiert wird!) Herr Dr. Bösch! Ich vermisse nicht nur Unterstützung aus Ihren Reihen, ich vermisse konkret unter der Fülle von Fragen und Anträgen, die heute von Ihnen eingebracht worden sind, eine Anfrage oder einen Antrag in Richtung der Hochwasseropfer! Das möchte ich Ihnen deutlich sagen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Bösch. )

Heute morgen kam ich ins Hohe Haus und dachte mir: Die FPÖ wird heute Anträge einbringen, und mit Sicherheit wird ein Antrag auch das Thema Hochwasser in Niederösterreich und anderen Teilen Österreichs betreffen. Es ist von Ihnen jedoch bislang sehr bescheiden dazu Stellung genommen worden. Das unterscheidet uns, glaube ich, sehr deutlich! (Bundesrat Dr. Bösch: Sagen Sie uns vor der nächsten Sitzung, was Sie von uns erwarten!)


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In diesem Zusammenhang möchte ich mich beim Herrn Bundesminister dafür bedanken, daß er als Regierungsmitglied sich dafür verwendet hat, daß durch die Regierung 775 Millionen Schilling als Soforthilfe für die Hochwassergeschädigten zur Verfügung gestellt werden. Das ist nicht zuletzt psychologisch sehr wichtig, denn die Menschen brauchen rasche und effiziente Hilfe. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist völlig unbestritten! Wenn das Geld da ist, dann wird man es zur Verfügung stellen! Denn die Opfer können am wenigsten dafür!) Herr Kollege! Sie hätten dieses Thema heute bei passender Gelegenheit durchaus anschneiden können! Das haben Sie aber nicht getan. Aber das ist letztlich das Problem der Freiheitlichen und nicht unseres! Wir wollen helfen, und es wird auch Hilfe geleistet!

Das Umweltförderungsgesetz ist somit auch eine Maßnahme, welche bei Naturkatastrophen dazu beitragen soll, daß Trinkwasser zur Verfügung gestellt werden kann. Denn vor Ort, Herr Dr. Tremmel, fragt nämlich niemand, ob die Kommunalkredit AG oder sonst irgend jemand für die Abwicklung dieser Förderungsmaßnahmen zuständig ist. Das will vor Ort wirklich niemand wissen, sondern da ist wichtig, daß rasch und effizient geholfen wird. In diesem Sinne wird die ÖVP-Fraktion diesem Gesetz die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pfeifer. – Bitte.

20.10

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wie der Berichterstatter kurz ausgeführt hat und auch mein Vorredner bestätigt hat, soll der gegenständliche Gesetzesbeschluß unter anderem, was aber besonders wichtig ist, das Ziel haben, daß durch eine Sondertranche im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft im Ausmaß von 1 Milliarde Schilling ein weiterer Beitrag zum Schutz des ober- und unterirdischen Wassers vor Verunreinigungen geleistet und die Versorgung der Bevölkerung mit hygienisch einwandfreiem Trinkwasser, deren Notwendigkeit jetzt auch zum Ausdruck gekommen ist, gewährleistet wird. Auch durch die Ausdehnung des Zusagezeitraumes der Sondertranche kann die Ausschöpfung der Mittel für die Siedlungswasserwirtschaft optimiert werden, sodaß das gesamte Zusagevolumen bis zum Jahr 2000 auf 2 Milliarden Schilling angehoben wird.

Ich sagte anfangs: "unter anderem". – Damit meinte ich, daß in diesem Zusammenhang durch die Förderung von laufenden Maßnahmen der Altlastensanierung auch ein effektiverer Einsatz der für diesen Förderungsbereich vorgesehenen Mittel ermöglicht wird. Herr Kollege Tremmel! Ich gebe schon zu, daß Sie in dem einen oder anderen Punkt recht haben. Ich kann das beurteilen, weil ich aus der Praxis und aus Erfahrung spreche. Man kann aber deshalb nicht das Gesamte in Frage stellen und sagen: Dazu geben wir grundsätzlich nicht die Zustimmung. – Aber das ist Ihre Sache!

Ich möchte abschließend noch ganz kurz auf die Österreichische Kommunalkredit AG eingehen. In der Regierungsvorlage steht zu lesen: "Die bisherigen Erfahrungen mit der Österreichischen Kommunalkredit AG als Abwicklungsstelle der Umweltförderungen sind durchwegs positiv. Die gesetzliche Weiterbetreuung der Österreichischen Kommunalkredit AG stützt sich auf das erworbene Abwicklungs-Know-how im Umweltförderungsbereich sowie auf die bewährte organisatorische und strukturelle Einbindung im nationalen beziehungsweise internationalen Förderungssystem und ist daher von entscheidender Bedeutung für den langfristigen Erfolg der Umweltförderung als umweltpolitisches Instrument."

Ich kann aus Erfahrung bestätigen, daß es sich so verhält, und ich glaube, wir haben mit den Herren der Österreichischen Kommunalkredit AG gelernt, und zwar durch gegenseitigen Erfahrungsaustausch. Denn man lernt viel beim Bau einer Kanalisationsanlage, und vieles schaut vor Ort anders aus als auf dem Papier. Als Bürgermeister kann ich das aus der Sicht unserer Marktgemeinde Eberndorf bestätigen. Wir bauen um rund 1 Milliarde Schilling unsere Anlage, und ich sage: Das ist nicht lustig, weil die Bevölkerung mit Kosten belastet wird. Aber im großen und


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ganzen ist man verständnisvoll, wenn ich auch oft bedauere, daß eine solche Investition dann unter der Erde verschwindet und nicht sichtbar ist.

Meine Damen und Herren! Die SPÖ-Fraktion wird dem Antrag, keinen Einspruch zu erheben, die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.15


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Magister Wilfing. – Bitte.

20.15

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzter Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich stellt sich immer, wenn ich mich anhand der Gesetzestexte auf die Bundesratssitzung vorbereite, die Frage, welchen Grund die Freiheitliche Partei diesmal finden wird, warum sie diesem oder jenem Gesetz leider nicht die Zustimmung geben kann.

Nach den Ausführungen des Kollegen Tremmel kann ich heute sagen: Diesmal ist es die gesetzliche Weiterverpflichtung der Österreichischen Kommunalkredit zur Vergabe der Umweltförderungsmittel. – Dazu muß ich sagen: Die Parlamentsdirektion hat uns die Unterlage "Umweltförderungen des Bundes 1996" zugesandt, und wir können daraus ersehen, daß das neue Förderungssystem greift, daß die Umweltförderungen sehr erfolgreich eingesetzt werden und daß die Österreichische Kommunalkredit alles bisher bestens abgewickelt hat. Daher frage ich mich, was daran falsch sein soll, wenn eine Bank, die ihre Aufgaben bisher bestens erledigt hat und bei der es natürlich Kündigungsmöglichkeiten gibt, weiter mit dieser Aufgabe betraut werden soll! Ich gehe sogar weiter und sage: Man muß diese Bank, weil sie es bisher bestens gemacht hat, weiter damit betrauen, weil sie effizientest, wirtschaftlichst und sparsamst arbeiten und ein Garant dafür sein wird, daß diese Umweltförderungen bestens eingesetzt werden. – Ich meine daher, daß Ihre Begründung eher fadenscheinig ist, damit Sie irgendeine Begründung haben, warum Sie diesem Gesetz die Zustimmung nicht geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns die Zahlen näher ansehen – sie wurden schon genannt –, dann merken wir, daß hier sehr viel bewegt wurde. Einerseits wurde viel in ökologische Maßnahmen investiert, und als Stadtrat einer kleinen Landgemeinde möchte ich mich vor allem dafür bedanken, daß sehr viele Mittel aus den Ballungszentren in den ländlichen Raum geflossen sind. Auf diesem Gebiet bestand eindeutig Nachholbedarf, und es ist uns wichtig, daß auch im ländlichen Raum die Siedlungswasserwirtschaft optimiert wird, damit dort auch die Lebensqualität verbessert werden kann, was das Forschungszentrum Seibersdorf in seinem Bericht auch festgestellt hat.

Zum zweiten – das ist ebenfalls sehr wichtig – wurde durch den Einsatz dieser beträchtlichen Mittel endlich gezeigt, daß wir uns hervorragend auf die Herstellung der Verbindung zwischen Ökologie und Ökonomie verstehen: Im Rahmen dieser Förderungen werden allein 1997 rund 6 Milliarden Schilling eingesetzt, und das ist die Garantie für die Beschäftigung von zirka 18 000 Menschen. Auch aus diesem Grund begrüßen wir diese Sondertranche von 1 Milliarde, weil dadurch wiederum zirka 3 000 zusätzliche Arbeitsplätze in der mittelständischen Bauwirtschaft geschaffen werden können und damit diese hervorragende Verbindung Ökologie-Ökonomie optimal unter Beweis gestellt werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß wir jetzt nach den ersten Jahren zufrieden eine Zwischenbilanz ziehen können. Wir wissen, daß mittlerweile drei Viertel aller Haushalte in Österreich an Kanalnetze angeschlossen sind und sich die Qualität unserer Fließgewässer damit in den letzten Jahren weiterhin sehr stark verbessert hat. Wir können heute überall auf Gewässer der Güteklasse 2 verweisen. Unter anderem konnten diese hervorragenden Zahlen auch durch diese sehr effizienten Umweltförderungen erreicht werden. Aus diesem Grund wird die Österreichische Volkspartei aus Überzeugung diesem Gesetz die Zustimmung geben! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weiters zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

20.18

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Ich möchte mich kurz fassen und nur auf zwei Punkte dieser heute vorliegenden Novelle zum Umweltförderungsgesetz eingehen.

Zunächst zur Frage der Sondertranche: Warum macht man das? – In der Tat haben wir einen Rückstau bei den Anträgen im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft, der weit über ein Jahreskontingent hinausgeht. Schon allein daraus wird ersichtlich, daß im Sinn der Tätigkeit der Gemeinden, im Sinne des Umweltschutzes und der Gewässerreinigung, im Sinne der Modernisierung von Anlagen und des Neubaus von Anlagen ein derartiger Rückstau abgebaut werden sollte. Daher wurde eine Sondertranche von 1 Milliarde Schilling zusätzlich zu den von den Finanzausgleichspartnern – also zu 30 Prozent von den Ländern – zur Verfügung gestellten 3,9 Milliarden Schilling pro Jahr an Zusagerahmen hinzugefügt.

Es ist eine glückliche Entwicklung, daß diese Zusagen möglich sind, ohne daß es zu einer akuten Budgetbelastung kommt, und daß die Situation des Wasserwirtschaftsfonds diese Zusagen gestattet. Zu einer derartigen Sondertranche kommt es jetzt bereits zum zweiten Mal, und ich kann Ihnen versichern, daß nicht nur die Primärmittel, nämlich die üblichen 3,9 Milliarden, sondern auch die zusätzliche Milliarde Schilling sowohl im Jahr 1996 als auch im Jahr 1997 nicht nur vollumwelt-, sondern auch arbeitsplatzwirksam geworden sind.

Wenige von uns wissen, daß 40 Prozent des gesamten österreichischen Tiefbauvolumens, also nicht viel weniger als die Hälfte, den Siedlungswasserwirtschaftsbereich – also im wesentlichen den Kanalbau – betreffen. Meine Damen und Herren! Wir können in Österreich stolz darauf sein, daß bereits drei Viertel aller Haushalte – wie Kollege Wilfing gesagt hat – an Abwasserreinigungsanlagen angeschlossen sind. Das ist genau der Grund dafür, daß unsere Seen Trinkwasserqualität haben und so gut wie alle Flüsse bereits Gewässergüteklasse 2 aufweisen. Das ist viel besser, als es einmal war.

Zweiter Punkt: Warum schreibt man in Zeiten wie diesen einen derartigen Auftrag nicht aus? Warum setzt man allfällige Bewerber nicht dem Wettbewerb aus? Warum sagt man im Gesetz, daß es die Kommunalkredit AG sein soll? – Es muß ja nicht die Kommunalkredit sein! Ich als Bundesminister werde durch dieses Gesetz ermächtigt, mit der Kommunalkredit abzuschließen. Aber die Erwähnung der Kommunalkredit legt das natürlich nahe, und ich bin zuversichtlich, daß es zu einem derartigen Vertragsabschluß, der im übrigen durchaus Einsparungen gegenüber dem bisherigen Volumen erbringen wird, kommen wird.

Meine Damen und Herren! Die Antwort auf die genannten Fragen ist recht einfach. Es wurde bereits gesagt, wie gut sich die Zusammenarbeit mit der Kommunalkredit entwickelt hat. Man hat in den letzten Jahren gelernt, die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend, auch das Prinzip einer ausgegliederten Förderungseinrichtung wie der Kommunalkredit, einer Entpolitisierung der Vergabe von immerhin 3,9 Milliarden Schilling an Förderungsmitteln in Normaljahren hat sich als sehr zweckmäßig erwiesen.

Ich möchte Ihnen nun noch das Verhältnis vor Augen führen: Das jährliche Honorarvolumen der Kommunalkredit liegt größenordnungsmäßig bei rund 50 Millionen Schilling, also bei etwa 1 Prozent der zu vergebenden Fördermittel. Daran können Sie schon ersehen, daß das Risiko einer völlig freien Ausschreibung mit dem Inkaufnehmen der Zusammenarbeit mit einem völlig neuen Partner ein nicht geringes wäre. Dazu kann ich Ihnen sagen: Es wäre kein guter Dienst an Österreichs Ländern und Gemeinden, aber auch nicht an der Bauwirtschaft, wenn wir dann Übergangsschwierigkeiten mit einem neuen Partner hätten, der sich als Förderungsagentur beispielsweise für einen neuen Fünfjahresvertrag erst wieder einarbeiten müßte, und sollte diese Einarbeitungszeit auch nur einige Wochen dauern.


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In diesem Sinne danke ich Ihnen, meine sehr geehrte Frau Vorsitzende, für die Erteilung des Wortes. – Ich kann nur wiederholen, daß wir uns das mit der Kommunalkredit sehr genau überlegt haben und nach dieser Überlegung zu dem Schluß gekommen sind, diese Ermächtigung in das Gesetz hineinzunehmen, um sehr bewußt auf eine Ausschreibung verzichten zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.23

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Von der Berichterstattung wird auch kein Schlußwort gewünscht.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG) erlassen wird sowie das Krankenpflegegesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Ärztegesetz 1984 geändert werden (709 und 777/NR sowie 5494 und 5515/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe erlassen wird sowie das Krankenpflegegesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Ärztegesetz 1984 geändert werden.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Moser übernommen. Ich darf sie um den Bericht bitten.

Berichterstatterin Helga Moser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Verehrte Damen und Herren des Bundesrates! Der Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe erlassen wird, sowie das Krankenpflegegesetz, das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Ärztegesetz 1984 geändert werden, liegt Ihnen schriftlich vor. Es ist deshalb nicht notwendig, Ihnen den Inhalt nochmals zur Kenntnis zu bringen.

Der Gesundheitsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Freiberger. – Bitte.

20.25

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine lange Geschichte über die Ausbildung in den unterschied


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lichsten Gesundheitsberufen wird im heute zu beschließenden Gesundheits- und Krankenpflegegesetz nun einer gesetzlichen Regelung zugeführt.

Die fachlichen Vorbereitungen haben lange gedauert, bis im August 1993 ein Arbeitskreis unter dem Titel "Eigenständigkeit der Krankenpflege" eingesetzt wurde, der die Aufgabe hatte, ein Positionspapier zur Gesundheits- und Krankenpflege auszuarbeiten. In diesem Arbeitskreis haben leitendes Krankenpflegepersonal aller Bundesländer, Vertreter des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, des Österreichischen Krankenpflegeverbandes, der Österreichischen Ärztekammer und der ARGE der Pflegedienstleistungen Österreichs mitgewirkt. Von diesem Arbeitskreis wurde ein Diskussionspapier erarbeitet, das bei einer Enquete in Klagenfurt beraten und als Positionspapier verabschiedet wurde. Diese Vorarbeiten und die Erfahrung der betroffenen Einrichtungen der Gebietskörperschaften führten nun zu dieser Regierungsvorlage. Aufgrund des engen Zusammenwirkens zwischen diplomiertem Personal und Pflegepersonal wurde auch die Pflegehilfe in das neue Gesetz aufgenommen.

Diese Reform im Bereich der Pflege beinhaltet im wesentlichen folgende Schwerpunkte: die Festlegung von Berufsrechten und Berufspflichten, die Neuformulierung der Berufsbilder, die detaillierte Umschreibung der Tätigkeitsbereiche, umfassende Regelungen über Berufsberechtigung und Berufsausübung, eine genaue Festlegung der Ausbildungsbedingungen, die Aufhebung der antiquierten Bestimmungen über die Internatspflicht, die Einrichtung einer Schülervertretung und die Regelung der Fort- und Weiterbildung.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz mit seinen Regelungen soll die bereits qualitativ hochwertige Arbeit im Kranken- und Gesundheitsbereich noch verbessern. In diesem Zusammenhang ist besonders auf die Dokumentationspflicht hinzuweisen. Das heißt: Alle Pflegehandlungen, die gesetzt und vorgenommen werden, müssen auch dementsprechend dokumentiert werden. Dies trägt ebenso zu einer Qualitätsverbesserung bei der Pflege bei wie auch die entsprechend vorgeschriebenen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen und auch die entsprechenden Sonderausbildungen.

Die Ausbildung im gehobenen Dienst hat an Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege zu erfolgen. Diese Schulen dürfen nur an oder in Verbindung mit Krankenanstalten errichtet werden, welche erstens die für die praktische Unterweisung notwendigen Fachabteilungen oder sonstige Organisationseinheiten aufweisen, zweitens das für die Erreichung des Ausbildungszweckes erforderliche Lehr- und Fachkräftepersonal zur Verfügung haben, sowie mit Lehrmitteln ausgestattet sind, drittens die entsprechenden Räumlichkeiten für die auszubildenden Personen aufweisen. Eine Schule für Gesundheits- und Krankenpflege darf nur aufgrund einer Bewilligung des Landeshauptmannes geführt werden. Der Landeshauptmann hat regelmäßig das Vorliegen der Voraussetzungen zu überprüfen. Liegen Mängel nach diesem Gesetz vor, so sind diese in angemessener Frist zu beheben, widrigenfalls ist die Bewilligung zu entziehen.

Die Ausbildung für die Pflegehilfelehrgänge kann neben den Krankenanstalten auch in Pflegeheimen sowie in anderen Einrichtungen oder Gebietskörperschaften, die Hauskrankenpflege anbieten, durchgeführt werden. Jedoch bedarf auch die Abhaltung von Pflegehilfelehrgängen der Bewilligung des Landeshauptmannes, und diese Bewilligung ist ebenso nach genauen Vorschriften zu erteilen. Auch kann das Bewilligungsrecht vom Landeshauptmann entzogen werden, wenn die Vorschriften nicht eingehalten werden.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend möchte ich feststellen, daß mit diesem Gesetz zur Regelung der Pflege- und Gesundheitsberufe ein guter Anfang gemacht wird. Sehr zu begrüßen ist die detaillierte Umschreibung der Tätigkeitsbereiche, weil es insbesondere beim diplomierten Krankenpflegepersonal in der Praxis zu Spannungen zwischen notwendigen Tätigkeiten für die Patienten und gesetzlichen Beschränkungen gekommen ist. Weiters wird mit der Einrichtung einer Schülervertretung einer langjährigen Forderung endlich Rechnung getragen. Aus meiner Sicht wird durch genaue Berufsbezeichnungen und Tätigkeitsvorschriften der Stellenwert der für unsere Gesellschaft unentbehrlichen Pflegeberufe gehoben.


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Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz wird ein weiterer Mosaikstein in ein Gesamtwerk gefügt, das zur Verbesserung der Qualität in Pflege und Betreuung beiträgt. Meine Fraktion wird daher dieser Vorlage gerne ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

20.31

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fischer. – Bitte.

20.31

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das neue Gesetz regelt die pflegerischen Berufe im engeren Sinn. Die Bezeichnung gehobener Dienst wurde nach langer Diskussion mit den Vertreterinnen und Vertretern dieser Berufsgruppe gewählt, um die Pflege als eigenständigen Beruf im Gesundheitswesen zu verankern. Freilich kann dieses Gesetz nicht alle Risken abdecken, die dieser Beruf mit sich bringt. Es umfaßt auch nicht alle Gruppen, die sich ein eigenes Berufsbild und eine eigene Berufsbezeichnung gewünscht haben.

Aus-, Weiter- und Fortbildung sind ein Schwerpunkt dieses Gesetzes. Eine wichtige Maßnahme ist die Festlegung der verschiedenen Arten von Sonderausbildung, für welche bis jetzt keine Verpflichtung bestanden hat. Fortbildung bedeutet Qualität, sie fördert die Identität des Berufes und stellt sicher, daß der neueste Wissensstand vermittelt und vertraut gemacht wird sowie das, was wir als selbstverständlich voraussetzen, aufgefrischt und gefestigt wird. Eine gute Qualifikation der in diesem Beruf Tätigen wünschen wir uns alle. Bis jetzt war den Krankenpflegeschülerinnen und -schülern verpflichtend vorgeschrieben, die Krankenpflegeschule intern zu besuchen. Es entspricht auch dem Wunsch der Betroffenen, diese gewachsene Internatspflicht aufzuheben sowie Schule und Internat zu trennen.

Ich weiß aus Gesprächen mit Krankenpflegeschülerinnen, daß sie während ihrer Ausbildung nur ein relativ niedriges Taschengeld bekommen und so manche Schülerin in dem Alter, in dem alle den lang ersehnten Führerschein machen, sich diesen noch nicht leisten kann. Daher wünsche ich mir, daß den Schülerinnen, die das Internat brauchen, weil sie von ihrem Lehrort zu weit entfernt wohnen, das Taschengeld nicht geschmälert wird.

Die Festlegung der Tätigkeitsfelder und Aufgabenbereiche ist ein weiterer Schwerpunkt dieses Gesetzes. Den im Pflegeberuf Tätigen wurde viel Verantwortung übertragen, und sie nehmen diese Verantwortung auch wahr. Die Schwestern, Pfleger und Ärzte betreuen heute oft wesentlich schwerer erkrankte Patienten als früher. Wichtig ist die Entlastung des Pflegepersonals von Gesetzeskonflikten. Aufgrund dieses Gesetzes werden Krankenschwestern beziehungsweise wird das Krankenpflegepersonal dazu ermächtigt, Tätigkeiten, die häufig auch bisher schon ausgeübt wurden, nunmehr berechtigterweise und gesetzlich abgesichert auszuüben. Besonders wichtig ist, daß die pflegerische Arbeit verstärkt und vermehrt in Zusammenarbeit mit dem gesamten medizinischen Team stattfindet. Die Dokumentationspflicht – auch sie wurde von meinem Vorredner bereits angesprochen – legt fest, daß alle vorgenommenen Pflegehandlungen dokumentiert werden müssen, damit sie nachvollziehbar sind und kontrolliert werden können.

Die Pflichten und Aufgaben dieser Berufsgruppe sind sehr weitreichend. Für die Österreicherinnen und Österreicher ist neben der Sorge um die Beschäftigung auch die Sorge um die Gesundheit ein zentrales Thema. Die Bedeutung der Gesundheitsberufe – eines Bereiches, den vorwiegend Frauen ausüben – wird in Zukunft immer größer werden.

Der Pflegeberuf ist einer der wichtigsten, schwierigsten und verantwortungsvollsten Berufe. Ich bedanke mich bei allen Frauen und Männern, die in diesem Beruf für unsere kranken Menschen arbeiten. Für meine Fraktion darf ich sagen, daß wir diesem Gesetz die Zustimmung geben werden. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


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20.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

20.35

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Zu Ihrem erstaunten Blick, Frau Bundesministerin: Heute wurde hier die Gleichberechtigung der Männer hergestellt, wir dürfen ohne Sakko agieren. Die Frau Präsidentin hat uns das erlaubt. (Bundesrätin Crepaz: Aber nicht am Rednerpult!)

Vorausschicken möchte ich, daß wir diesem Gesetz die Zustimmung geben werden. Wie meine Vorrednerin bereits gesagt hat, regelt es die Pflichten für die Dienste in der Gesundheits- und Krankenpflege. Damit wird eine längst fällige EU-Anpassung vorgenommen. Das Gesetz garantiert verkürzte Ausbildungswege und läßt teilweise Übergangsbestimmungen weg. Neueinsteigern steht ein genau definierter und differenzierter Ausbildungsweg offen; das begrüße ich, allerdings sieht die Praxis leider Gottes ein bißchen anders aus. Auf diese Kritikpunkte darf ich später noch zu sprechen kommen.

Eine der Schwächen dieses Gesetzes besteht darin, daß gewisse Bereiche – bereits genannt wurden Sanitätshilfsdienste, Rettungssanitäter, Ordinationshilfen et cetera – weiterhin ohne entsprechendes Berufsbild auskommen müssen. Dem Wegfall der Internatspflicht hat soeben Frau Kollegin Fischer ihre Aufmerksamkeit gewidmet. Wir würden uns allerdings eine Bereitstellungspflicht wünschen.

Weiters würden wir uns – das sage ich auch als Föderalist – von den Bundesländern erwarten, daß man nicht nur Schulen auflöst und zum Beispiel den Wiener Bereich höher belastet. Wenn schon Schüler hierhergeschickt werden, dann sollte im Sinne einer gemeinsamen Verpflichtung an Gastschulbeiträge gedacht werden. Denn sonst wird es bei der heute leider Gottes geübten Praxis bleiben, daß immer dann, wenn Not am Manne – richtigerweise: an der Frau – ist, ausländische Hilfskräfte herangezogen werden, seien es philippinische Krankenschwestern oder andere; man hört jetzt – ich weiß nicht, ob das richtig ist – sogar von Krankenschwestern, die aus der Ukraine kommen sollen.

Wir sollten dafür sorgen, daß für Österreicher, für österreichische Jugendliche der Zugang zu diesen Berufen gewährleistet wird. In dieser Hinsicht gibt uns dieses Gesetz Anlaß zur Sorge. Ich verstehe einzelne Kommunen und Bereiche, die einen Mangel mit einem Schlag beheben wollen und ausländische Gäste hereinholen. Das mag für die Kommune vordergründig gut sein, möglicherweise auch für die Krankenpflege, allerdings wird dadurch auf längere Sicht Einheimischen die Möglichkeit verwehrt, eine entsprechende Ausbildung zu bekommen – auf den Wegfall der Internatspflicht habe ich bereits hingewiesen – und schließlich einen Arbeitsplatz zu finden.

Ebenfalls bereits erwähnt wurde die Nostrifikation. Wir haben hinreichend Anlaß, unser Können entsprechend darzutun, und man sollte von ausländischen Kräften, die nach Österreich kommen, einen genauen Nostrifikationsnachweis verlangen. Von den einheimischen Schülerinnen und Schülern wird das ebenso verlangt; das ist eine Frage der Gleichbehandlung. Unser heute noch hoher Ausbildungsstandard sollte dadurch nicht geschmälert werden.

Mit diesen Kautelen, die ich somit kurz angemeldet habe, werden wir dieser Vorlage zustimmen beziehungsweise keinen Einspruch erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten von ÖVP und SPÖ.)

20.40

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

20.40

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie mein Kollege Dr. Tremmel schon gesagt hat, geben wir diesem Gesetz gerne unsere Zustimmung, weil es ein wichtiges und richtiges Gesetz ist.


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Wichtig ist es allein schon deshalb, weil seit 1961 an diesem Gesetz keine wesentliche Novellierung mehr vorgenommen wurde. Es ist an der Zeit, daß in wesentlichen Teilen des Gesundheits- und Krankenpflegebereiches eindeutige Regelungen getroffen werden, und es ist wichtig, die Gesundheits- und Krankenpflegeberufe in einem eigenständigen Gesetz zu regeln sowie die Berufsrechte und Berufspflichten festzulegen. Bedeutungsvoll ist auch die Neuformung der Berufsbilder.

Wesentlich erscheint mir insbesondere die detaillierte Umschreibung der Tätigkeitsbereiche. Wir alle wissen, daß Krankenpflegerinnen – wie es jetzt anstelle von Krankenschwestern heißt – in den letzten Jahrzehnten viele Tätigkeiten zu verrichten hatten, die eigentlich nicht erlaubt waren, aber geduldet und oft genug auch angeordnet wurden. Dabei befanden sich die Krankenpfleger immer in einem rechtsfreien Raum, in einer Grauzone des Rechtes. Das war sicherlich nicht angenehm für sie, denn wir kennen ja das Prinzip, daß dann, wenn etwas passiert, den letzten die Hunde beißen. Der letzte war in diesem Fall der Krankenpfleger.

Sehr wichtig sind auch die umfassenden Regelungen über die Berufsberechtigungen und die Berufsausübung. Ich zähle sie nicht im einzelnen auf, da ich annehme, daß Sie alle diese Gesetzesvorlage gelesen haben.

Trotzdem muß ich auch Kritik üben. Die Kritik richtet sich zunächst auf die von meinem Vorredner Dr. Tremmel bereits erwähnte Nostrifikation. Im Gesetzentwurf wird angeführt, welche Nachweise nötig sind, wenn man im Ausland eine – in Inhalt und Umfang der österreichischen vergleichbare – Ausbildung absolviert hat: der Nachweis über die an der ausländischen Ausbildungseinrichtung besuchten Lehrveranstaltungen, der Nachweis über die abgelegten Prüfungen und über allfällige wissenschaftliche Arbeiten sowie die im Ausland ausgestellte Urkunde, die zur Berufsausübung im Herkunftsstaat berechtigt, als Nachweis über den ordnungsgemäßen Ausbildungsabschluß.

Dies ist in § 32 geregelt. Aus Abs. 4 der Erläuterungen zu diesem Paragraphen geht hervor, daß die Möglichkeit besteht, von der Vorlage einzelner Urkunden abzusehen. Zwar muß dieser Regelung zufolge aus dem Zusammenhang eindeutig hervorgehen, daß die Entscheidungsgrundlagen ableitbar sind, aber aus meiner Sicht ist trotzdem Kritik daran zu üben, daß von einzelnen Urkunden abgesehen werden kann. Ich glaube, daß es dadurch zu Unschärfen kommt. Es heißt dort: Für die Feststellung der Gleichwertigkeit der ausländischen Ausbildung sind die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden österreichischen Ausbildungsvorschriften als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Hinzuweisen ist auf die Fähigkeit des Antragstellers, für die Berufsausübung in gleicher Weise gebildet zu sein wie mit dem entsprechenden österreichischen Ausbildungsabschluß. Für den Fall, daß man den Nachweis nicht in dieser Form erbringen und nur glaubhaft machen kann, daß man diesen Abschluß tatsächlich besitzt, heißt es weiter, daß ein Sachverständigengutachten über die Qualität der ausländischen Ausbildung eingeholt werden kann.

In diesem Punkt wird es, glaube ich, zu Unschärfen kommen. Das ist aber in einem sensiblen Bereich wie dem Krankenpflegebereich äußerst heikel. Wir alle wissen, daß die meisten Krankenpfleger, die aus dem Ausland zu uns kommen, nicht Deutsch als Muttersprache haben und häufig der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Aus dem Krankenhausbereich höre ich, daß es aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten immer wieder zu Mißverständnissen kommt. Wie fatal sich ein Mißverständnis oder eine nicht richtig verstandene Anweisung auswirken kann, haben wir in der Vergangenheit oft genug erleben können. Im schlimmsten Fall kann das für den Patienten tödlich enden. Darin erblicke ich eine große Gefahr, und in isolierter Betrachtung wäre dieser Punkt – wenn das Gesetz nicht insgesamt gut wäre, sodaß ich nicht dagegen bin – für mich ein Grund, dieses Gesetz abzulehnen. Denn es kann nur zwei Möglichkeiten geben: Entweder kann ein Krankenpfleger oder eine Krankenpflegerin nachweisen, daß die Ausbildung der unsrigen gleichwertig ist, oder er oder sie muß diese Prüfungen nachmachen.

Zwar steht in § 27 über die Berufsberechtigung, daß entsprechende Sprachkenntnisse vorhanden sein müssen, aber es steht nirgends geschrieben, wer das kontrolliert. Es steht dort nur diese ein wenig schwammige Textstelle: Es fällt daher einerseits in die Verantwortlichkeit des


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Dienstgebers, festzustellen, wie gut die deutsche Sprache beherrscht wird – das heißt, der Dienstgeber gibt quasi ein Sprachzeugnis aus –, und andererseits – das ist sehr interessant – obliegt es der Eigenverantwortlichkeit jedes Berufsbewerbers, sich die nötigen Sprachkenntnisse anzueignen.

Das ist zwar schön und gut, das ist sicherlich richtig, und so sollte es auch immer sein; aber das allein wird zweifellos nicht genügen. So etwas kann für Verkäuferinnen gelten, für Bäcker, Tischler oder ähnliche Berufe. Aber in einem solch sensiblen Bereich wie der Krankenpflege halte ich es für fatal, daß der Ausbildner über ja oder nein entscheidet. (Bundesrat Hüttmayr: Das fällt auch unter die Verantwortung!) Spätestens dann, wenn die erste Anweisung mißverstanden worden ist und es zu einem – unter Anführungszeichen – "Unfall" kommt, wird das Geschrei wieder sehr groß werden. (Bundesrat Hüttmayr: ... Vertrauen in die Mitarbeiter setzen!) Nein, Herr Kollege Hüttmayr! Ich kann nicht einfach sagen, ich verlasse mich blind darauf, daß ohnehin alles seine Ordnung hat, sondern ich muß ein wenig Kontrolle ausüben, damit es tatsächlich so ist. Andernfalls wird es sicherlich zuwenig sein.

Auch einen zweiten Kritikpunkt hat Herr Dr. Tremmel schon angesprochen. Wir haben zwar nichts dagegen, daß die Internatspflicht aufgehoben wird, aber es muß trotzdem gewährleistet sein, daß Schüler, die aus einem anderen Bereich kommen und am Nachmittag nicht nach Hause fahren können, untergebracht werden können. Es ist uns bekannt, daß Schulen in anderen Bundesländern geschlossen worden sind oder nur sehr eingeschränkten Betrieb aufrechterhalten. Als Wiener Bundesrätin habe ich berechtigterweise die Sorge, daß es aufgrund der Mehreinnahmen infolge der entfallenden Internatspflicht dazu kommen wird, daß alle nach Wien "pilgern" werden. Wien wird zwar gerne als "Wasserkopf" schräg angesehen, aber wenn es ums Zahlen geht, sind die Wiener allemal gut, und ich befürchte, daß schließlich die Wiener herhalten und für die Kosten, die sich die Bundesländer ersparen, aufkommen müssen. (Zwischenrufe und Heiterkeit bei der ÖVP.)

Trotz alledem und bei aller Kritik glaube ich – wie eingangs erwähnt –, daß das Gesetz gut und wichtig ist. Es hat ohnehin lange genug gedauert, bis es dazu gekommen ist, daher werde auch ich zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte.

20.48

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, Sie tragen, wenn Sie diesem Gesetz Ihre Zustimmung geben, dazu bei, daß das hohe Niveau in unserem Gesundheitswesen sowie die Qualitätssicherung jetzt und auch in Zukunft nicht nur aufrechterhalten, sondern sogar verbessert werden. Ich möchte mich schon im Vorfeld der Abstimmung, noch während der Debatte, für Ihre Zustimmung herzlich bedanken.

Dieses Gesetz bringt es mit sich, daß sich die in den Gesundheitsberufen Tätigen gleichberechtigt den Kranken widmen und damit einen wertvollen Beitrag für die allgemeine Gesundheit in unserem Land leisten. Ich glaube, es ist als Symbol und als richtige Entscheidung zu betrachten, dieses Gesetz nicht nur als "Krankenpflegegesetz" zu bezeichnen und die entsprechenden Berufe nicht bloß "Krankenpflegeberufe" zu nennen, sondern von "Gesundheits- und Krankenpflegeberufen" zu sprechen und dadurch klar zum Ausdruck zu bringen, daß es dabei um ein umfassendes Engagement für die Menschen geht.

Ich glaube, daß insbesondere Maßnahmen im Bereich der Qualitätssicherung sehr wichtig sind. Es ist in der Diskussion daher richtigerweise darauf verwiesen worden, daß mit diesem Gesetz ein Ausbau der Dokumentation erfolgt und klar formuliert wird, in welcher Form sie zu erfolgen hat.

Erlauben Sie mir einige ergänzende Bemerkungen zu dem einen oder anderen Ihrer Debattenbeiträge. Was die Nostrifizierung betrifft, möchte ich mit aller Klarheit festhalten, daß vom


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Diplom nicht abgesehen wird. Diese Bestimmungen sind in Anlehnung an die Bestimmungen an den österreichischen Hochschulen festgelegt worden, damit sichergestellt wird, daß dabei keine falschen Entscheidungen getroffen werden.

Ich möchte darauf verweisen und Sie darüber informieren, daß wir derzeit versuchen, auch für die Rettungssanitäter Lösungen zu finden, die zu einer Verbesserung der jetzigen Situation führen. Vor einiger Zeit wurde das ÖBIG beauftragt, eine Studie darüber zu erstellen, in welcher Form in der Ausbildung Initiativen gesetzt werden können und wie diese wichtige Tätigkeit besser in unser Gesundheitswesen integriert werden könnte. Das Ergebnis dieser Studie erwarte ich im Laufe des heurigen Jahres; vielleicht wird es sogar schon im Sommer vorliegen. Sobald diese Studie abgeschlossen ist, werden wir mit den betroffenen Gruppen Gespräche aufnehmen und versuchen, eine entsprechende Weiterentwicklung des wichtigen, großen Gesetzes, das wir heute diskutieren, vorzunehmen.

In der Debatte wurde von den ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesprochen, und dazu möchte ich sagen, daß wir darüber sehr froh sind, daß uns auch ausländische Kolleginnen und Kollegen bei der Betreuung von Gesunden und Kranken helfen und unterstützen und damit eine sehr wichtige Leistung für unser gesamtes Gesundheitswesen erbringen. Sie sind für uns geschätzte Freundinnen und Freunde und Kolleginnen und Kollegen, die uns mit ihrem Engagement unterstützen.

Was ihre Anzahl betrifft, so möchte ich einige Zahlen relativieren, die vielleicht bei manchen "im Hinterkopf" vorhanden sind. Im Jahresdurchschnitt 1996 waren von insgesamt 135 234 im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens beschäftigten Personen lediglich 7 150 Personen ausländische Kolleginnen und Kollegen, die aufgrund der Ausländerbeschäftigungsbewilligung beschäftigt waren. Das entspricht einem Anteil von 5,3 Prozent, der zwar eine wichtige Ergänzung bedeutet, aber kaum Anlaß zu Bedenken gibt, wie sie in Ihren Debattenbeiträgen angemeldet wurden.

Darüber hinaus ist Ihnen sicherlich bekannt, daß sich ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur in diesen Berufen, sondern grundsätzlich einem sehr restriktiven Ausländerbeschäftigungsgesetz gegenübersehen, und wir schon seit einigen Jahren, insbesondere seit 1995, keinen weiteren Zuzug aus diesem Titel in Österreich verzeichnen, um die Stabilität am Arbeitsmarkt aufrechterhalten zu können. Trotzdem möchte ich noch einmal sagen, daß ich sehr viele ausländische Kolleginnen und Kollegen kenne, die auch in diesem Bereich einen wichtigen Teil der Arbeit für uns übernehmen und dazu beitragen, daß umfassende Leistungen erbracht werden können.

Vielleicht interessiert es Sie, die Aufteilung in den Qualifikationen und im fachlichen Einsatz ausländischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein bißchen aufgeschlüsselt zu bekommen. Von den 5,3 Prozent bewilligungspflichtig beschäftigten Ausländern im Gesundheits- und Sozialwesen sind 25 Prozent diplomierte Krankenpfleger, 2,5 Prozent Ärzte, 0,3 Prozent Hebammen und 57 Prozent nicht diplomiertes Personal einschließlich der Schüler.

Lassen Sie mich zum Stichwort Schüler zum Schluß folgendes sagen: Es hat sich gezeigt, daß das verpflichtende Internatswesen eine Einrichtung ist, die nicht mehr zeitgemäß ist und nicht dem Selbstverständnis einer sehr reifen Jugend entspricht, einer Jugend, die zu Recht entsprechende Freiräume für sich in Anspruch nimmt. Dieser Entwicklung ist mit dieser Gesetzesbestimmung Rechnung getragen worden.

Ich möchte mich noch einmal sehr herzlich dafür bedanken, daß Sie diesem Gesetz Ihre Zustimmung geben. Denn es hilft uns, eine Weiterentwicklung für diese Berufsgruppen zu schaffen, ihnen mehr Rechtssicherheit zu geben, ihnen die Chance und den Anspruch auf qualifizierte Aus- und Weiterbildung und damit auf das zu geben, was wir im Gesundheitswesen besonders anstreben: einen hohen Qualitätsstandard. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.


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Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Danke, das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir haben bis jetzt eine sehr umfangreiche Tagesordnung bewältigt. Ich werde die Sitzung jetzt unterbrechen.

Wir werden unsere Beratungen und Verhandlungen morgen um 9 Uhr zunächst mit den Tagesordnungspunkten 11 bis 13, die unter einem verhandelt werden, wiederaufnehmen. Ich darf Sie daher bitten, morgen pünktlich um 9 Uhr wieder anwesend zu sein, und wünsche Ihnen eine gute Nacht.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 20.57 Uhr unterbrochen und am Freitag, den 25. Juli, um 9.03 Uhr wiederaufgenommen. )

Fortsetzung der Sitzung am Freitag, 25. Juli 1997,
9.03 Uhr

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich gebe bekannt, daß mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Rockenschaub und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die geplante Kapitalerhöhung bei der Nationalbank vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluß der Sitzung.

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (19. KFG Novelle), die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle und das Gebührengesetz 1957 geändert werden (712 und 823/NR sowie 5496/BR der Beilagen)

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG) (714 und 823/NR sowie 5488 und 5497/BR der Beilagen)


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13. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (708 und 823/NR sowie 5498/BR der Beilagen)

Präsident Dr. Günther Hummer: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 bis 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (19. KFG Novelle), die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle und das Gebührengesetz 1957 geändert werden,

ein Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG) und

ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 11 bis 13 hat Herr Bundesrat Horst Freiberger übernommen. Ich bitte darum.

Berichterstatter Horst Freiberger: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für öffentliche Wirtschaft und Verkehr über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (19. KFG Novelle), die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle und das Gebührengesetz 1957 geändert werden. Der schriftliche Bericht liegt Ihnen vor; ich erspare mir das Verlesen.

Der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für öffentliche Wirtschaft und Verkehr über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz). Auch in diesem Fall erspare ich mir das Verlesen des Berichtes.

Der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht des Ausschusses für öffentliche Wirtschaft und Verkehr über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird.

Der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

9.07

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die beiden vorliegenden Gesetzesmaterien, das Führerscheingesetz und die 19. KFG Novelle, waren der Regierungskoalition wichtig, werden aber in der Praxis, in der Umsetzung für den Bürger und Kraftfahrzeuglenker letztlich nichts bringen. Sie sind weder dazu da, die Verkehrssicherheit, die Ausbildung zum Erreichen einer Lenkerlizenz zu verbessern, noch ist eine andere Sinnhaftigkeit dieser beiden Vorlagen zu erkennen.

Die Unterteilung im Führerscheingesetz der Klasse C in eine Klasse C1 – also in eine Klasse "Medium", wenn Sie es so bezeichnen wollen – bringt gar nichts, sondern bedeutet für den


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Lizenz- oder Führerscheinwerber nur, daß sich in Hinkunft die Erreichung einer Lenkerberechtigung verteuern wird. Selbstverständlich werden die Fahrschulen diesen Ihren Beschluß gerne zur Kenntnis nehmen und die dadurch entstehenden Kosten dem Bürger übertragen.

Ich hätte mir von einem wirkungsvollen, sinnvollen Führerscheingesetz erwartet, daß nicht nur eine Unterteilung in mehrere Klassen erfolgt, sondern auch bei bestehenden Klassen Parameter eingerichtet werden, sodaß die Verkehrssicherheit angehoben werden kann.

Es ist zum Beispiel in der vorliegenden Gesetzesnovelle enthalten, daß der Inhaber eines Führerscheins der Klasse C berechtigt ist, ein Fahrzeug der Klasse D im unbesetzten Zustand zu lenken – vorausgesetzt, er besitzt zwei Jahre die Lizenz für die Klasse C. Ich hätte mir erwartet, daß es als Mindesterfordernis heißt: in ununterbrochenem Besitz. Denn aufgrund dieser Novelle wird folgendes passieren: All jene, die Übertretungen nach § 5 der Straßenverkehrsordnung begehen – die sogenannten Alk-Sünder –, werden durchaus berechtigt sein, Busse zu lenken. Ich hätte mir auch erwartet, daß in der KFG Novelle die Klasse D betreffend eine Altersobergrenze eingeführt wird.

Folgender Fall dürfte den steirischen Kolleginnen und Kollegen bekannt sein – aber es wird solche Fälle auch in anderen Bundesländern geben –: Vor einem Jahr hat sich der steirische Landtag damit befaßt – es kommt das nicht nur in der Steiermark vor, sondern scheint österreichweit Schule zu machen –, daß ein Lenker beziehungsweise Inhaber eines Führerscheins der Gruppe D, sprich: Buslenker, der Linienbuslenker ist – diese sind meist bei öffentlichen Unternehmungen beschäftigt; dieser Fall war im steirischen Landtag bekannt –, daß ein Lenker der steirischen Landesbahnen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, täglich mit dem Linienbus zu fahren. Ich bedauere, daß sein gesundheitlicher Zustand derart beeinträchtigt war, daß er nicht mehr dazu in der Lage war, diesen Bus zu lenken. Dieser Lenker mußte daher mit 53 Jahren pensioniert werden.

Es hat sich dann aber folgendes abgespielt: Nach Erhalt des Pensionsbescheides hat der Besagte wieder Busse gelenkt, nicht für öffentliche Institutionen, sondern für private Busunternehmer. Er war dann durchaus in der Lage, Fernreisen von acht, zehn Stunden oder auch länger durchzuführen.

Ich meine daher, daß es durchaus gerechtfertigt wäre, für Lenkerberechtigungen der Klasse D vorzusehen, daß die Kriterien im psychischen und gesundheitlichen Bereich zu erfüllen sind, das heißt, daß die Untersuchungen über den geistigen und gesundheitlichen Zustand des Lenkers erforderlich sind.

Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht wäre es aber auch erforderlich gewesen, eine Obergrenze für diese Klasse mit 65 Jahren einzuführen, damit das von mir genannte Beispiel nicht Schule macht.

Meine Damen und Herren! Die 4. KFG-Novelle zielt darauf ab, daß in Hinkunft die Kfz-Zulassungen zum Teil privatisiert werden sollen. Ich bin überzeugt davon, daß die Assekuranzen, die Versicherungen, die sich darum bemühen, in personeller, aber auch in technischer Hinsicht durchaus in der Lage sein werden, diesen Auftrag zu erfüllen.

Problematischer sehe ich die Situation bei der Durchführung dieses Auftrages. Es haben nämlich die über 40 000 Mitarbeiter der österreichischen Versicherungswirtschaft schon zweimal hoheitspolitische Aufgaben übernommen, und man hat sich weder bei ihnen dafür bedankt, noch haben sie den notwendigen Rechtsschutz dafür erhalten, und auch keine finanzielle Abgeltung. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Kfz-Steuer 2, welche auch über die Versicherungen eingehoben wird, an den Verkauf der Autobahnvignette, die durchaus eine sehr streng zu verrechnende Drucksorte ist, deren Verkauf und Vertrieb Mitarbeiter, Privatangestellte der Versicherungsunternehmen durchzuführen haben, ohne daß sie einen Rechtsschutz dafür haben, ohne daß sie eine finanzielle Abgeltung dafür erhalten. Und genau dieselbe Situation wird im Hinblick auf die Privatisierung der Zulassung entstehen. Daher gilt auch für diesen Bereich: Wenn Privatisierung, dann mit den notwendigen Begleitmaßnahmen!


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629. Sitzung / Seite 170

Gerade die Kfz-Zulassung wird noch sensibler zu handhaben sein als die Vignette, als die Kfz-Steuer 2. Daher wäre es zwingend gewesen, gleichzeitig dafür zu sorgen, daß jene, die in Hinkunft damit betraut sind, den notwendigen Rechtsschutz erhalten.

Meine Damen und Herren! Allein das sind genügend markante und gravierende Gründe, daß wir den vorliegenden Gesetzentwürfen, dem Führerscheingesetz, aber auch der 19. KFG Novelle, nicht unsere Zustimmung geben können. Denn für uns ist absehbar, daß damit Probleme in der Umsetzung vorprogrammiert sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.15

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Anton Hüttmayr. Ich erteile es ihm.

9.15

Bundesrat Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Geschätzte Damen und Herren! Mobilität hat in Zeiten wie diesen enorme Bedeutung für unsere Wirtschaft, aber auch für unser Wohlbefinden und unsere Lebensqualität. Der Straßenverkehr trägt das Seine dazu bei. Obwohl wir uns grundsätzlich zum öffentlichen Verkehr bekennen, wissen wir, daß das individuelle Bewegen, gerade im ländlichen Raum, ohne PKW, ohne LKW einfach nicht möglich ist.

Ich bin nicht der Meinung, die mein Vorredner zum Ausdruck gebracht hat. Er hat gesagt, daß das Verkehrssicherheitspaket nichts gebracht hat – er hat dann aber doch einige Punkte angeführt. Ich glaube nicht, daß man da sagen kann: Dann hätte man es gleich lassen können! – Ich meine, daß mit diesen Regelungen – insgesamt diskutieren wir drei Gesetze – Erleichterungen, Verbesserungen für die Bürger erreicht wurden.

Herr Kollege Weilharter! Sie haben den Führerschein für die Gruppen C und D angeführt. Ich bin nicht dafür, daß man sagt: Der ist jetzt 65 Jahre alt und darf daher nicht mehr mit dem Autobus fahren. Ich würde mich dagegen wehren, würde ich in dieses Alter kommen – ich hoffe, daß ich so alt werde. Man kann da kein Alterslimit einführen. Entweder man ist körperlich und geistig dazu in der Lage, die Gefahren einzuschätzen und damit richtig umzugehen, oder nicht. Ich würde diese Regelung als Einengung der persönlichen Freiheit empfinden.

Das Beispiel, das Sie gebracht haben, kann ich nicht nachvollziehen. Es mag durchaus stimmen, hat aber mit dienstrechtlichen Angelegenheiten zu tun und nicht sosehr mit dem Führerscheingesetz.

Faktum ist für meine Partei, aber wahrscheinlich auch für alle anderen, daß der Grundsatz gilt: Jeder Verletzte und jeder Tote ist zuviel. Es ist alles zu tun, um das zu verhindern, und daher sind Maßnahmen gefragt, die helfen, Unfälle zu vermeiden. Diese Maßnahmen müssen treffsicher und effizient sein.

Mit einigen Regelungen werden langjährige Forderungen erfüllt, und sie bringen für die Bürgerinnen und Bürger Erleichterungen. Ich erinnere daran, daß wir es 15jährigen jetzt ermöglichen, mit dem Moped zu fahren. Diese Regelung ist für Bewohner des ländlichen Raums von enormer Bedeutung, ist sie doch Grundlage für die Chancengleichheit gerade für Lehrlinge und und und. Das muß man sehen. Ich bin daher auch wirklich dankbar dafür, daß in Zukunft vorgesehen ist, daß ein 15jähriger – es ist ja nicht automatisch, das wissen Sie – diese Möglichkeit haben soll.

Daß hinsichtlich des EU-Führerscheins die Maßnahmen getroffen wurden, die uns die Behörde ermöglicht hat, stellt auch eine Erleichterung dar und erspart den Bürgern Kosten.

Das Anmeldeverfahren wurde angesprochen. Ich bin davon überzeugt – wir haben auch im Ausschuß darüber gesprochen –, daß dieses Anmeldeverfahren eigentlich eine echte Privatisierung einer Behörde ist. Ich mache mir um die Versicherungswirtschaft – es sind einige Versicherungsvertreter, Versicherungskaufleute unter uns – in diesem Zusammenhang keine Sorgen. In erster Linie interessiert mich der Bürger, und für den Bürger bringt diese Maßnahme sicher eine Erleichterung. Die Versicherungen bewegen sich auf dem Markt und werden über die Prämien


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gestaltung genug Möglichkeiten haben, das zu verrechnen, wovon sie glauben, daß es gerechtfertigt ist. (Bundesrat Weilharter: Dann ist es noch weniger durchschaubar als jetzt!) In diesem Zusammenhang stehe ich, wie gesagt, hinter dem Bürger, und bin froh darüber, daß ihm in Zukunft der Versicherungsvertreter viel ersparen kann, daß in diesem Bereich mehr Effizienz gegeben ist.

Von Rednern des Nationalrates – aber auch ich habe es hier in diesem Haus schon einmal vorgebracht – wurde die Forderung erhoben, daß man PKW und Motorrad mit einem Kennzeichen versichern können soll. Ich glaube, das ist unbedingt notwendig, und bin optimistisch dahin gehend, daß wir das in der nächsten Zeit in den Griff bekommen werden. Die Versicherungswirtschaft wird erkennen, daß das Halten von zwei Anmeldungen nicht mehr zielführend ist. Man kann ja ohnehin nicht mit dem PKW und dem Motorrad gleichzeitig fahren – außer man hat das Motorrad auf dem Hänger. Es ist meiner Ansicht nach nur noch eine Frage der Zeit, bis dieses Einsehen vorhanden sein wird. – Unter uns sind ja einige Versicherungsvertreter, die das weiterleiten können.

Geschätzte Damen und Herren! Zum Verkehrssicherheitspaket. Ich habe im letzten Jahr in meinem Bezirk 14 Gendarmerieposten besucht, und wir haben logischerweise mit den Gendarmen, die täglich vor Ort Dienst machen, neben anderen Dingen auch über den Punkt Verkehrssicherheit gesprochen und darüber, was gemacht werden müßte, um die Zahl der Verkehrsunfälle zu reduzieren. Es wäre eine Reihe von Einzelmaßnahmen notwendig. Gefahrenstellen, etwa gefährliche Kreuzungen, müßten entschärft werden.

Auf der anderen Seite müssen wir zur Kenntnis nehmen, daß Gefahren im Straßenverkehr teilweise falsch eingeschätzt werden, vor allem von jungen Leuten. Wir waren auch alle jung und wissen, wie das ist. Ich höre immer wieder, daß die Einführung des Probeführerscheins von allen begrüßt wird. Manche sagen sogar, man müßte dies ein bißchen ausdehnen. Ich kenne einige Fälle, die einmal erwischt worden sind und mich dann um eine Intervention gebeten haben. Es gibt dann eine Verlängerung, aber das tut weh. Das spüren die Leute, und darum glaube ich, daß das eine richtige Maßnahme ist.

Ich weiß, daß das mit diesem Gesetz nicht unmittelbar in Zusammenhang steht, möchte aber trotzdem einige Sätze zur Frage 0,5 und 0,8 Promille sagen. Letztendlich wissen wir, daß rund 7 Prozent der Unfälle in einem Konnex mit Alkohol stehen, und zwar werden in einer immens großen Zahl von Fällen weit über 0,8 Promille festgestellt.

Gefragt sind Maßnahmen, die greifen und nicht nur die Bürger verärgern. Ich glaube auch, daß wir die Betonung auf Eigenverantwortung legen müssen. Die ganze Diskussion über 0,5 und 0,8 Promille – davon bin ich schon überzeugt – hat auch etwas Gutes bewirkt, nämlich ein Empfinden dahin gehend: Trinkst du Alkohol, dann vermeide das Autofahren! – Ich stimme durchaus mit Verkehrsminister Einem überein, der dies auch praktiziert hat. Ich glaube, es wurde ein gewisser Umdenkprozeß in diese Richtung eingeleitet.

Ich begrüße auch, daß man die Regelung für Berufskraftfahrer gemacht hat. Für die Regelung, daß ein Berufskraftfahrer, der etwa mit einem großen Lkw oder gar mit einem Autobus unterwegs ist, nur 0,1 Promille haben darf – das ist de facto ohnehin gleich null –, habe ich Verständnis. Es gibt auch in anderen Berufen Alkoholverbot. Daher bin ich davon überzeugt, daß diese Maßnahme positiv war, und meine – ich will jetzt nicht alle Punkte anführen –, daß wir den richtigen Weg gegangen sind.

Da es bei der Abstimmung in zweiter und dritter Lesung im Nationalrat zu einem unterschiedlichen Stimmverhalten gekommen ist – ich will nicht näher darauf eingehen –, wäre es gut, wenn dieses Gesetz vielleicht sogar zurückgestellt würde. Einiges wurde auch nicht geregelt und ist teilweise auch widersprüchlich. Als Vertreter meiner Partei meine ich jedoch, dies wäre im gesamten betrachtet ein falsches Signal, da die ganze Diskussion wieder von vorne beginnen würde. Es liegt ein Etappenplan vor, und hier ist eine wesentliche Etappe erreicht worden. Die entsprechenden Korrekturen von Dingen, die zweifelsohne jetzt widersprüchlich sind, werden noch vor Inkrafttreten des Gesetzes – darauf hat man sich bereits geeinigt – erfolgen, sodaß


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eine Harmonisierung eintritt. Darum, so meine ich, wäre ein Einspruch des Bundesrates ein falsches Signal, obwohl ich angesichts der gestrigen Diskussion gerade für diese Sache Verständnis haben könnte.

Geschätzte Damen und Herren! Sicherheit, Verkehrssicherheit ist ein Thema, bemühen wir uns darum. Letztendlich bringt nur die Kontrolle etwas. Allerdings müssen wir auch wissen, daß, wenn wir verstärkte Kontrolle fordern, dies natürlich auch eine Beeinträchtigung des Bürgers zur Folge hat. Wir kennen die Zahlen. In Österreich wird etwa jeder tausendste alkoholisierte Lenker kontrolliert, in Deutschland etwa jeder sechshundertste. Die Forderung nach schärferer Kontrolle ist natürlich sehr verlockend und wird auch in der Sache durchaus etwas bringen. Nur müssen wir uns auch vor Augen führen, was das bedeutet, und uns fragen, ob wir das wirklich wollen und ob damit nicht teilweise ein Schikanieren unserer Bürger verbunden ist. Gerade als Vertreter des ländlichen Raumes sage ich das. Wir müssen also schauen, daß wir das richtige Maß finden.

Wenn ich jetzt diese beiden Zahlen am Schluß meiner Ausführungen genannt habe, dann möchte ich betonen, daß das auf keinen Fall eine Kritik an den Exekutivbeamten sein soll, in keiner Weise. Wenn wir verstärkte Kontrollen wollen, dann müssen wir dies zum ersten deutlich formulieren, und zum zweiten müssen wir der Exekutive auch die Möglichkeit geben, und zwar personelle als auch technische Möglichkeiten. In diesem Sinne werden wir diesem Gesetz sehr gerne zustimmen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP.)

9.26

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich möchte sagen, daß ich als Präsident nichts dagegen einzuwenden habe, wenn sich die Herren des Sakkos entledigen.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Erich Farthofer.

9.26

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es liegt uns auf Vorschlag der Koalitionsparteien ein umfassendes Verkehrssicherheitspaket vor. Ich kann mich der Meinung des Kollegen Weilharter nicht anschließen und glaube, daß in diesem Paket sehr wesentliche Dinge enthalten sind.

Zunächst zur EU-Anpassung. Diese ist unbedingt notwendig. Weitere Maßnahmen sind die Einführung der Sicherheitsgurtenpflicht für Omnibusse, ein neues Führerscheinsystem, die Öffnung der Radwege für Inline-Skater, die technische Ausrüstung für Fahrräder, Verwaltungsvereinfachung mit entsprechender Kostenersparnis. Licht am Tag halte ich, meine sehr verehrten Damen und Herren – das sage ich aus Erfahrung –, für eine ganz wichtige Maßnahme. Sie wissen, ich bin gelernter Lokomotivführer. Gerade bei der Eisenbahn ist es unbedingt notwendig, ständig mit Licht an der Zugspitze zu fahren. Es ist wissenschaftlich bewiesen, daß dadurch sehr viele Unfälle verhindert werden können, desgleichen sicherlich auch beim Straßenverkehr.

Der EU-Führerschein hat den Vorteil, daß bei Wohnungswechsel innerhalb der EU-Länder keine Neuausstellung mehr notwendig ist. Eine ganz wichtige und wesentliche Maßnahme ist auch die Möglichkeit bereits für 15jährige, einen Moped-Führerschein zu erwerben. Wir wissen, daß es in manchen Gegenden keine gute Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln gibt. – Also im großen und ganzen sicherlich eine ganze Reihe von positiven Maßnahmen.

Eine persönliche Bemerkung zu den Vorkommnissen im Nationalrat in der Angelegenheit 0,5 Promille. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erspare es mir, das zu kommentieren. Ich glaube, das hat dem Parlamentarismus an sich keinen guten Dienst erwiesen. Das betrifft alle im Nationalrat vertretenen Parteien.

Grundsätzlich eine Feststellung dazu: Ich weiß, daß wir hier die Freigabe im Klub gehabt haben. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Wieso alle?) Weil die Freiheitlichen nicht unschuldig sind, weil sie immer an kontroversiellen Standpunkten interessiert sind, das ist nichts Neues. Aber es ist auch legitim, daß man in einer sozialdemokratischen Fraktion in einer Frage, die durchaus nicht politisch zu sehen ist, verschiedene Standpunkte vertritt. Allerdings war die anschließende


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mediale Berichterstattung über einige Abgeordnetenkollegen der sozialdemokratischen Fraktion ganz einfach unfair, das möchte ich auch feststellen. Denn ich weiß ganz genau, daß Rudi Parnigoni keine Kollegin genötigt hat, sondern daß das ganz einfach groß aufgebauscht wurde. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Das hat Herr Khol gesagt, nicht wir!)

Festzustellen ist – ich habe das Recht, das hier zu sagen –, daß es wirklich bedauerlich ist, daß diese 0,5-Promille-Grenze noch nicht gesetzlich verankert wird, wobei die Betonung auf noch nicht liegt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das ist Ihr Standpunkt. Sie müssen aber wissen, Kollege Schaufler, daß es konkrete Umfragen gibt, aus denen hervorgeht, daß 80 Prozent der Frauen – darunter sind auch Wählerinnen der ÖVP, hoffentlich werden es weniger – und 60 Prozent der Männer für die Einführung der 0,5-Promille-Grenze sind. Selbst anerkannte Mediziner und Wissenschafter sagen, daß bei Alkoholisierungen zwischen 0,5 und 0,8 Promille bestimmte Faktoren wie Fehleinschätzung von Gefahrensituationen, übersteigerte Selbsteinschätzung und Zunahme der Blendempfindlichkeit die Hauptrisikofaktoren sind. Ich glaube, das allein ist ein Grund, diese 0,5-Promille-Grenze einzuführen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit benutzen, auf einen Anlaßfall zu sprechen zu kommen. Gestern wurde eine Entschließung der Freiheitlichen Partei in der Sache Semmering-Basistunnel eingebracht, und heute "pröllt" der erste Repräsentant des Landes Niederösterreich über die "Kronen Zeitung", daß er sozusagen der Retter sei und der Semmering-Basistunnel nicht gebaut wird. (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. )

Herr Kollege! Ich kenne das niederösterreichische Verkehrskonzept, das 1986, dann 1991 und 1995 im Niederösterreichischen Landtag beschlossen wurde. Ein Bestandteil dieses niederösterreichischen Verkehrskonzepts ist der Semmering-Basistunnel, allerdings, wie ich zugebe, mit Prioritätsstufe 2. (Bundesrat Schöls: Prioritätsstufe 1!) Aber Sie wissen genau, daß 1986 Priorität 2 eine Bauzeit von 15 Jahren bedeutet hätte, also eine Fertigstellung im Jahr 2001. – Meine Damen und Herren der ÖVP! Das ist nicht mehr machbar.

Aber zu diesem Entschließungsantrag erlaube ich mir, einige Fakten bekanntzugeben. Vielleicht hilft das in Zukunft bei etwaigen Diskussionen.

Im März 1989 beschließt der Nationalrat eine Novelle zum ASFINAG-Gesetz. Diese Novelle sieht die Finanzierung des Semmeringtunnels aus Mitteln der ASFINAG vor. Im Juni 1989 wird in einer Verordnung der Bundesregierung die Südbahnstrecke zwischen Wien und Spielfeld einschließlich des Abschnittes Gloggnitz – Mürzzuschlag zur Hochleistungsstrecke erklärt. Im Juli 1989 überträgt der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr per Verordnung die Planung und den Bau des Semmeringtunnels an die HL-AG. Im September 1990 erfolgt die Einleitung der Trassenverordnung für den Semmeringtunnel im Sinne des Hochleistungsstreckengesetzes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ganz interessant: Im Mai 1991 beschließt die Kärntner Landesregierung das Kärntner Memorandum. Es enthält das dringende Ersuchen, die bestehende Südbahn auszubauen und den Semmeringtunnel zu realisieren. Landeshauptmann Dr. Jörg Haider richtet an den Bundeskanzler ein Schreiben mit dem Ersuchen, das Kärntner Memorandum rasch zu realisieren.

Juli 1991: Die Niederösterreichische Landesregierung beschließt das niederösterreichische Landesverkehrskonzept. Dieses enthält auch den Bau des Semmeringtunnels mit Priorität 2. Für Projekte der Priorität 1 und 2 sieht das Landesverkehrskonzept einen Realisierungszeitraum von zehn Jahren vor. Wie von mir bereits erwähnt, müßte die Fertigstellung des Semmering-Basistunnels im Jahr 2001 erfolgen. Aber das ist leider aufgrund eures geliebten ersten Repräsentanten nicht möglich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Steirer: Im August 1991 erfolgt die Vorstellung des steirischen Gesamtverkehrskonzeptes, in dem auch die Realisierung des Semmeringtunnels enthalten ist. Das führt sich jetzt so fort bis 1996, aber aus zeitökonomischen Gründen erspare ich mir eine weitere Aufzählung. (Bundesrat Waldhäusl: Gestern habt ihr das noch nicht gewußt!) Kollege Waldhäusl! Das habe ich immer in der Tasche. Ich kann es dir kopieren


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lassen. Du kannst es mitnehmen und im Waldviertel verteilen. Das ist aber nicht notwendig, denn das habe ich bereits gemacht.

Abschließend eine grundsätzliche Feststellung zu dem Vorwurf, der gestern von dieser Stelle aus gefallen ist, daß der Sondierstollen auch gleichzeitig Rettungsstollen sein wird und die HL-AG jetzt vorhat, keinen Rettungsstollen zu bauen. – Das ist ganz einfach Schwachsinn. Jeder hier weiß, daß bei einem Bauprojekt dieser Größenordnung, nämlich 25 Kilometer Länge, ein Rettungsstollen unbedingt notwendig ist, und er wird auch gebaut.

Die Wahrheit ist, daß aufgrund der Tatsache, daß es verschiedene Konzessionsanbieter gibt, die Konzessionsanbieter das Recht haben, andere Baufortschritte, andere Baumöglichkeiten zu prüfen. Wahr ist auch, daß ein Aufsichtsrat der HL-AG dieses Papier Kollegen Anschober von den Grünen zugespielt hat, und dieser hat es natürlich – wie könnte es auch anders sein – dem Gegner "Kronen Zeitung" gegeben, und diese haben das ganz groß aufgebauscht. Das ist Faktum.

Wir alle brauchen keine Sorge zu haben, der Rettungsstollen wird gebaut, ich habe das schon sehr deutlich gesagt. (Bundesrat Waldhäusl: Wer hat das mit dem Rettungsstollen gesagt, weil Sie gesagt haben, das ist ein Schwachsinn?) Das haben Sie gestern gesagt, daß der Rettungsstollen nicht gebaut wird. Das kann man im Protokoll nachlesen. Ich sage Ihnen von dieser Stelle aus, daß der Rettungsstollen gebaut wird.

Lassen Sie mich abschließend noch eine Bemerkung machen, dann können Sie sich zu Wort melden, Kollege Waldhäusl! Ich glaube, daß ein Bauvorhaben in dieser Größenordnung für den Aufbau einer guten Infrastruktur speziell im Osten Österreichs notwendig ist, ebenso für eine gute wirtschaftliche Entwicklung, und daß das nicht verpolitisiert werden soll. Man sollte nicht versuchen, populistisch zu agieren und zu argumentieren, sondern zur Kenntnis nehmen, daß es, wenn wir diesen Semmering-Basistunnel nicht bauen, keine gute Nord-Süd-Verbindung geben wird. Österreich, speziell aber der Raum Wien, Niederösterreich, das Burgenland und die Steiermark werden dadurch eklatante wirtschaftliche Nachteile haben. Deshalb ist es wichtig, diese Diskussion sachlich zu führen.

Ich persönlich bin dafür, daß der Semmering-Basistunnel gebaut wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

9.36

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile es ihm.

9.36

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Farthofer! Ich glaube, Sie sollten nicht die Freiheitlichen dafür verantwortlich machen, wenn innerhalb der Regierungsparteien da und dort Ungereimtheiten im Nationalrat entstanden sind. Es liegt leider Gottes auch nicht in unserem Ermessen, wenn die ÖVP irrtümlicherweise glaubt, daß der koalitionsfreie Raum bedeutet, man könne tun, was man wolle. Aber in der Zwischenzeit wurde sie wieder auf SPÖ-Linie gebracht, wie ich den Medien entnehme, und Sie können der Zukunft getrost ins Auge blicken.

Meine Damen und Herren! Ich melde mich zum Führerscheingesetz zu Wort, denn durch die Tatsache, daß der Nationalrat das Führerscheingesetz beschlossen, die Straßenverkehrsordnung aber nicht beschlossen hat, entsteht ein skurriler Rechtszustand, den wir unserer Ansicht nach im Bundesrat nicht so einfach durchgehen lassen sollten, wogegen wir also Einspruch erheben müßten.

Dadurch, daß diese beiden Materien im materiellen Zusammenhang stehen, sind Situationen entstanden, die, so glaube ich, auch für die kurze Zeit, in der sie gültig wären, nicht tragbar sind. Künftig drohen durch die neue Gesetzeslage Alkoholersttätern ab 0,8 Promille der Entzug des Führerscheins von mindestens vier Monaten sowie eine ärztliche und verkehrspsychologische Untersuchung. Alkoholwiederholungstätern hingegen droht wie bisher der Entzug des Führer


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scheins nur für drei Monate, und die Untersuchungen liegen dabei lediglich im Ermessen der Behörde.

Wir halten also diesen Zustand für reparaturbedürftig und sind auch der Ansicht, daß es die Aufgabe des Bundesrates wäre, gegen dieses Gesetzesschlamassel Einspruch zu erheben, um dem Nationalrat die Möglichkeit zu geben, bei seiner ersten Sitzung im Herbst das Ganze zu reparieren.

Ich erlaube mir deshalb, im Namen meiner Fraktion folgenden Antrag zu stellen:

Antrag

der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen auf Einspruch des Bundesrates gegen einen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 42 B-VG eingebracht im Zuge der Beratungen über das Führerscheingesetz

Der Bundesrat wolle beschließen:

Gegen den Beschluß des Nationalrates vom 9.7.1997 betreffend ein Bundesgesetz über den Führerschein (714 und 823 der Beilagen) wird gemäß Artikel 42 B-VG Einspruch erhoben.

Begründung:

Die gegenständliche, im Nationalrats-Ausschußbericht 823 mit Novellen des Kraftfahrgesetzes sowie der StVO zusammengefaßten Vorlage eines Führerscheingesetzes bildet eine inhaltliche Einheit mit der in dritter Lesung vom Nationalrat abgelehnten StVO-Novelle. Da eine entsprechende Anpassung ohnedies demnächst erfolgen muß, weil ansonsten Rechtsunsicherheiten oder zumindest unsinnige Bestimmungen (zum Beispiel Führerscheinentzug) bestehen würden und ein diesbezüglicher Reparaturantrag auch bereits eingebracht wurde, erscheint es angebracht, das gesamte Gesetz im Nationalrat nochmals zu behandeln, statt es unmittelbar nach Inkrafttreten sogleich wieder zu novellieren.

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.39

Präsident Dr. Günther Hummer: Der soeben verlesene Antrag ist ausreichend unterstützt und wird somit in Beratung genommen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Pischl. Ich erteile es ihm.

9.40

Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Bösch! Es wird keinen skurrilen Rechtszustand geben. Wir alle wissen, daß durch die Ablehnung der 20. Straßenverkehrsordnungs-Novelle einiges reparaturbedürftig ist, und wir werden diese Reparaturen innerhalb der Regierung zeitgerecht durchführen. Es droht dem Bürger keine Unsicherheit ab dem 1. November dieses Jahres. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wenn wir es heute beschließen, dann droht ihm diese Unsicherheit!)

Nein! Nein, diese Rechtssicherheit wird zeitgerecht gewährleistet sein, und der FPÖ-Antrag ist aus unserer Sicht heute wirklich nicht notwendig. Man hat einen Antrag gestellt, damit einer gestellt wird, weiter nichts.

Hohes Haus! Man kann verschiedener Auffassung sein, was den Inhalt dieser Gesetzesmaterien anlangt. Ich möchte fast sagen, so ist einfach das Leben, Kollege Weilharter! Sie sind der Auffassung, daß hier sehr viel fehlt, daß nichts vorhanden ist an entscheidenden, grundsätzlichen Überlegungen. Ich aber glaube, daß es mit diesen Novellen, mit diesen Beschlüssen bezüglich Kraftfahrzeuggesetz und Führerscheingesetz zu bedeutsamen Veränderungen für den Straßenverkehrsbereich und für den Bürger kommt.


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Die derzeitige Situation ist hochinteressant: Wenn wir die Medienlandschaft und die Berichterstattung in den letzten Wochen und Monaten verfolgen, merken wir, es hat für die Journalisten nur ein Thema gegeben, nämlich 0,5 Promille, 0,8 Promille. Wird die Grenze heruntergesetzt, wird es bei 0,8 bleiben? – Alle anderen tiefgreifenden Maßnahmen wurden einfach ignoriert, wurden einfach nicht zur Kenntnis genommen.

Ich möchte nur einige wenige Beispiele herausgreifen. So erscheint es mir etwa sehr wichtig, wahrscheinlich den Journalisten nicht, daß der Bürger weiß, daß Lenker von Fahrzeugen der Klasse C nur bis 0,1 Promille ein Fahrzeug in Betrieb nehmen können. Haben Sie das einmal gelesen? – Ich nicht.

Es dürfte auch nicht so wichtig sein, daß sich Lenker von Fahrzeugen der Klasse C ab dem 45. Lebensjahr alle fünf Jahre einer ärztlichen Untersuchung unterziehen müssen, wobei es die Behörde übernimmt, den einzelnen Lenker auf diese Untersuchung aufmerksam zu machen. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiger, ja geradezu existentieller Punkt für viele Berufstätige. Aber: nichts gehört, nichts gelesen.

Es würde sicherlich noch viele solche kleine Detailpunkte geben, die große Wirkung haben. Diese soll sich aber der Bürger irgendwo "holen", unsere Medien und unsere Journalisten glauben, daß eine solche Diskussion mit der Debatte über 0,5, 0,8 Promille abgetan ist.

Hohes Haus! Für mich bringen diese Novellen einerseits eine sinnvolle Entlastung der Behörden oder auch eine Entbürokratisierung, andererseits eine verantwortungsbewußte Weiterentwicklung der Möglichkeiten für die Verkehrsteilnahme sowie verschiedene Anpassungen, die hier notwendig waren. Diese Vorlagen sind für mich sehr bürgernah, und ich bin auch überzeugt, daß, wenn all das einmal bekannt ist – wir haben ja noch einige Monate, um es bekannt zu machen –, es der Bürger auch so empfinden wird.

Was die Entlastung der Behörden anlangt, halte ich es für eine sehr positive Lösung – im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Weilharter –, daß in Zukunft die Kennzeichen direkt von den Versicherungen verwaltet und ausgegeben werden können. Diese Privatisierung wurde, soweit ich informiert bin, den Versicherungen ja nicht aufoktroyiert oder per Gesetz verordnet, sondern es hat Verhandlungen gegeben, und die Versicherungen haben diese Aufgabe übernommen. Wie wir auch im Ausschuß gehört haben, sind die Versicherungen der Ansicht, daß es damit eine wesentlich bessere Serviceleistung gegenüber den Bürgern geben wird.

Es braucht also keine Bezirksverwaltungsbehörde mehr eine Lagerhaltung von Kennzeichen aufrechterhalten, denn die Bestellungen werden von den Versicherungen direkt durchgeführt werden. Wichtig dabei ist die Vernetzung der ausgebenden Versicherungsanstalten. Wie wir –Sie waren ja ebenfalls im Ausschuß – vom Vertreter des Ministeriums, Dr. Thann, erfahren konnten, ist diese Vernetzung vorhanden –, und es dürfte ... (Bundesrat Weilharter: Aber nicht bei allen Versicherungen! Und damit haben wir wieder eine Monopolbildung!)

Herr Kollege Weilharter! Wenn es stimmt, was wir immer wieder hören und lesen, daß der Markt die Sache regelt, dann bin ich davon überzeugt, daß bei allen Versicherungen, die Interesse haben, ihre Kennzeichen so auszugeben – vielleicht haben es nicht alle –, eine Vernetzung sofort durchgeführt werden kann. Diese Vernetzung wird dann keine Pannen und keine Engpässe mehr in diesem Bereich bringen.

Ich glaube, man kann es nicht unter den Tisch kehren, und es hat schon einer meiner Vorredner darauf hingewiesen, daß die Kosten-Nutzen-Rechnung auf Basis von 1995 Ersparnisse bringt, und zwar in einer Größenordnung – so wurde es vom Ministerium errechnet – von zirka 100 Millionen Schilling. Auch dies ist bestimmt eine Entscheidung für den Bürger, für den Konsumenten, der bisher einiges mehr an finanziellen Leistungen erbringen mußte.

Ich halte das also für einen richtungweisenden Schritt, noch dazu, da wir gehört haben, daß das Verkehrsministerium weiterhin ein offenes Ohr für Verbesserungsvorschläge hat. Es ist für mich ganz interessant: Sie sagen, bei den Versicherungen ist das vielleicht nur in einigen Anstalten möglich. Ich weiß nicht, ob die Überlegungen des Kollegen Dr. Königshofer, daß sogar die


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Händler diese Kennzeichen ausgeben sollten, nicht noch mehr zu einer Kleinstrukturierung geführt hätte, wobei die Vernetzungen vielleicht nicht so kurzfristig möglich wären.

Gehen wir doch einmal gemeinsam diesen ersten Schritt über die Versicherungsanstalten. Wie wir ja gemeinsam diskutiert haben, können weitere Schritte folgen, und vielleicht ist es möglich, daß dann gleich die Autohändler diese Kennzeichen vergeben, daß es zu dieser Weiterentwicklung kommen kann.

Hohes Haus! Das Führerscheingesetz bringt meines Erachtens auch entscheidende und gravierende Neuerungen und Möglichkeiten für die Verkehrsteilnahme. – Ich bin allerdings davon überzeugt, daß es nicht in allen Punkten von unserer Bevölkerung, von der Gesellschaft bejubelt werden wird. Als unbestritten würde ich die Errichtung des zentralen Führerscheinregisters annehmen, noch dazu, wenn keine neuen Behörden und keine neue Amtsstelle geschaffen werden, sondern dies dem bereits privatisierten Bundesrechenamt angegliedert werden soll.

Als sinnvoll erachte ich es auch, daß die Länder, aber auch örtliche Register in dieser zentralen Anlage mitbetreut werden können. Ich kann nur hoffen, daß die Übergangsfrist von zirka zwei Jahren genützt wird, um dieses Instrument in Zukunft flächendeckend zur Verfügung zu haben.

Kritischer betrachtet von der Bevölkerung wird wahrscheinlich die Herabsetzung des Mindestalters für die Erteilung einer Lenkerberechtigung bei PKW und Moped. Ich persönlich bin ein Befürworter des sogenannten französischen Modells, das vorsieht, daß jemand bereits mit 17 Jahren in Begleitung einer verkehrserfahrenen und unbescholtenen Person eine Lenkerberechtigung für die Klasse B, also PKW, erhält.

Ich habe mich schon vor vielen Jahren mit diesem Modell auseinandergesetzt und kann mir vorstellen, daß dieses die Möglichkeit bietet, daß junge Menschen zu verantwortungsbewußten Verkehrsteilnehmern erzogen werden. Wichtig ist, daß jene PKW – da ersuche ich das Ministerium, schnellstens entsprechende Verordnungen zu erlassen –, welche von einem 17jährigen gefahren werden, eine entsprechende Kennzeichnung aufweisen, um die anderen Verkehrsteilnehmer darauf aufmerksam zu machen, daß hier ein junger Mensch am Volant sitzt, der nur mit 80 km/h auf Freilandstraßen und 100 km/h auf Autobahnen unterwegs sein darf.

Was die Herabsetzung des Alters zur Erreichung des Mopedausweises auf 15 Jahre betrifft, kann ich mir vorstellen, daß dies noch sehr emotional geführte Diskussionen nach sich ziehen wird. Wenn ich mir die vorletzte Nummer des "Sicherheitsmagazins", das Sie wahrscheinlich alle kennen, herausgegeben von der Allgemeinen Unfallversicherungs Anstalt, betrachte, werden meine Befürchtungen verstärkt, daß es hier zu einer stärkeren Emotionalisierung kommen kann. Da heißt es nämlich unter dem Titel "Gefährliches Moped" – ich darf zitieren –: Für die Anfänger unter den Mopedfahrern lebt es sich gefährlich. Deshalb sind auch die Eltern strikt gegen die Herabsetzung des Einstiegsalters auf 15 Jahre. 75 Prozent der Eltern von 14- bis 15jährigen Jugendlichen sind dagegen, daß Mopedfahren schon ab 15 erlaubt wird.

Als häufigsten Grund gegen das Mopedfahren ab 15 nannten die befragten Gruppen, daß 15jährige noch zu jung und zu unreif seien. Und weiter heißt es hier von seiten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit: Ein 15jähriger ist viel zu fasziniert von Technik und Geschwindigkeit. Er kann das gesamte Gefahrenspektrum nicht richtig einschätzen. Da hilft auch eine gute Mopedausbildung in Theorie und Praxis wenig. Man kann die Entwicklung der Persönlichkeit nicht beschleunigen.

Und weiter: Das Kuratorium für Verkehrssicherheit hält an seinem Nein zum Moped ab 15 fest. Es kann nicht sein, daß ein ganzer Jahrgang österreichweit einem hohen Unfallrisiko ausgesetzt wird.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wenn man liest beziehungsweise hört, welch schlimme Prognosen hier aufgestellt werden, und wir trotzdem die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, zu denen ich mich voll bekenne, heißt dies, daß vor allem die dazu ermächtigten Behörden sehr behutsam vorgehen müssen und daß erst nach genauester Prüfung der Anträge ein Mopedausweis an 15jährige ausgegeben werden darf.


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Meine Damen und Herren! Wenn wir heute die Herabsetzung des Alters zur Erreichung einer Lenkerberechtigung für Moped und PKW beschließen, dann tragen wir gemeinsam eine sehr hohe Verantwortung. Deshalb ist es notwendig, daß durch eine Öffentlichkeitsarbeit, und zwar durch eine ganz gezielte Öffentlichkeitsarbeit, ein entsprechendes Bewußtsein geschaffen wird, daß jeder Verkehrsteilnehmer diese Verantwortung mitträgt und sich mit seinem jeweiligen Fahrzeug entsprechend verhält.

Ich weiß nicht, wer aller eine solche Aktion initiieren und mittragen kann. Vor allem glaube ich aber, daß die Autofahrerklubs aufgerufen sind, denn von den Medien, so fürchte ich, haben wir kaum eine breite Unterstützung in dieser wichtigen Materie zu erwarten. – Leider.

Abschließend, meine Damen und Herren, wünsche ich mir aber auch, daß vor allem das Kuratorium für Verkehrssicherheit eine solche bewußtseinsbildende Kampagne für mehr Verantwortung und Toleranz im Straßenverkehr durchführt und mitträgt. Vielleicht kann das Kuratorium für Verkehrssicherheit dazu beitragen, daß es zu einer positiven Darstellung, was das Verkehrsgeschehen und die Teilnahme an diesem anlangt, kommt. Neinsagen und Horrorprognosen sind keine Grundlage für eine sinnvolle und verantwortungsbewußte Verkehrspolitik.

In diesem Sinne wird die Fraktion der Österreichischen Volkspartei diesen Gesetzesvorlagen die Zustimmung geben (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

9.56

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Wolfgang Hager. Ich erteile es ihm.

9.56

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bei meinen Ausführungen auf das neue Führerscheingesetz beschränken. Herr Kollege Pischl! Ich bin völlig Ihrer Meinung. Ich werde das auch kurz begründen.

Ich bin wirklich zutiefst betroffen von zahlreichen Verkehrsunfällen, die sich in den letzten Monaten in meinem Heimatbezirk, in Murau, ereignet haben. Aber nicht nur im Bezirk Murau, sondern im gesamten Bundesgebiet ist es in letzter Zeit zu einer Häufung von Unfällen gekommen, von tragischen Unfällen, bei denen Führerscheinneulinge sich und andere ins Unglück gestürzt haben. Aus meiner Erinnerung darf ich Ihnen kurz folgende Fälle schildern:

Ein Führerscheinneuling in meiner Heimatgemeinde raste in Begleitung von zwei 16jährigen Mädchen mit 150 km/h gegen einen Baum, da er sein Fahrzeug nicht mehr beherrschen kann; der PKW hat eine Motorleistung weit über 100 PS. Ein Mädchen stirbt sofort, das zweite überlebt schwerstverletzt, der Unglücksfahrer ebenfalls.

Ein weiterer Bursche macht bereits vor seinem 18. Geburtstag den Führerschein, bekommt den begehrten Ausweis zu seinem Geburtstag, zu Hause wartet bereits ein auf Kredit gekauftes Auto, ein 120 PS-starker BMW. 14 Tage später kommt der erwartete Unfall: Totalschaden, der Fahrer überlebt schwer verletzt.

Meine Damen und Herren! Diese Fälle – es gibt sie leider praktisch wöchentlich – sind ungemein tragisch, und nach den dürren Worten in den Zeitungen bleiben dann zumeist lebenslängliche Schicksale, die dann aus unserer Aufmerksamkeit verschwinden.

Der Probeführerschein für Fahranfänger hat sicher sehr viel Positives bewirkt, wie einschlägige Untersuchungen beweisen, aber dennoch sind die Unfallzahlen durch Führerscheinneulinge noch zu hoch, erschreckend hoch, wobei sich dann neben dem Alkohol vor allem die überhöhte Geschwindigkeit als Unfallursache darstellt.

Ein junger Mann in der Steiermark, Heimo Piwerka aus Frohnleiten, hat nun eine Initiative gestartet, die darauf abzielt, gesetzliche Grundlagen zur Beschränkung der Motorleistung für Probeführerscheininhaber zu erreichen. Auslösendes Moment dafür war wieder einmal ein folgen


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schwerer Unfall seines 18jährigen Nachbarn, dessen Führerschein gerade erst zwei Wochen alt war. Auf einer Spritztour geriet der Wagen außer Kontrolle und raste frontal gegen einen entgegenkommenden LKW. Die Bilanz: ein Schwerverletzter, ein lebensgefährlich Verletzter, ein 15jähriger Beifahrer war tot.

Meine Damen und Herren! Da gibt es Beispiele über Beispiele. Junge Menschen sterben auf den Straßen, weil wir ihren jugendlichen Leichtsinn, ihre Unerfahrenheit und, wie Sie es angesprochen haben, Herr Kollege Pischl, das mangelnde Veantwortungsbewußtsein nicht in die Schranken weisen. Für mich ist die Eigeninitiative eines jungen Menschen bewundernswert. Wir sollten uns diesen engagierten jungen Mann vielleicht als Vorbild nehmen und gesetzliche Maßnahmen überlegen, um möglichst rasch diesen schrecklichen Ereignissen auf den Straßen entgegenzuwirken.

Meiner Meinung nach kann es weder technisch noch organisatorisch Schwierigkeiten geben, für die ersten beiden Jahre nach dem Führerscheinerwerb eine Beschränkung zu erlassen. Konkret stelle ich mir etwa eine PS-Beschränkung vor, und zwar auf 60 PS. Oder, man könnte auch, wie Sie es angeregt haben, Herr Kollege Pischl, das französische Modell übernehmen. Dort muß eben jeder Fahranfänger zwei Jahre einen Aufkleber mit Angabe der erlaubten Höchstgeschwindigkeit am Auto anbringen, das wäre in Frankreich Tempo 90.

Lassen Sie mich nun noch konkret auf das Führerscheingesetz eingehen. Dabei möchte ich mich besonders mit § 19 beschäftigen, in dem die vorgezogene Lenkerberechtigung für die Führerscheinklasse B geregelt wird.

Mir ist völlig klar, daß ein Auto heute unabdingbar, ein Muß für jeden jungen Menschen ist. Wenn man sich die Entwicklung der Zulassungszahlen ansieht, dann zeigt sich, daß nichtmotorisierte Menschen inzwischen schon in der Minderheit sind. Je früher heute ein Jugendlicher an das Statussymbol Auto herankommen kann, desto lieber ist es ihm. Daher ist es gewiß populär, das Führerscheinalter zu senken: populär bei den jungen Menschen und – das darf man nicht vergessen – auch populär beim gesamten Wirtschaftsbereich, der sich mit Kraftfahrzeugen beschäftigt.

Demgegenüber möchte ich ganz bewußt feststellen, daß meiner Meinung nach trotz aller Hürden, die mit dem Erwerb des Führerscheins schon mit 17 Jahren verbunden sein werden, leider folgendes geschehen wird: Wir werden die gleichen Schlagzeilen erleben, wie ich sie eingangs zitiert habe, und die gleichen Fälle beklagen, nur mit dem Unterschied, daß die Opfer dann – statt wie heute 18 – erst 17 Jahre alt sein werden.

Eines möchte ich hier ganz offen sagen: Ich halte es für keine gute Idee, so jungen Menschen – das formuliere ich jetzt überspitzt – Tatwaffen, wie sie PS-starke Autos nun einmal sein können, in die Hand zu geben, ohne geeignete Begleitmaßnahmen vorzusehen (Beifall bei der SPÖ) wie etwa die von mir erwähnte PS-Beschränkung oder die dem französischen Modell entsprechende Möglichkeit, am Auto einen Aufkleber mit der Information anzubringen, daß ein Führerscheinneuling am Steuer sitzt, der nur mit begrenzter Geschwindigkeit fahren darf.

Im übrigen wird meine Fraktion dieser Vorlage zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.01

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Tremmel. Ich erteile es ihm.

10.01

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hager! Sie haben völlig recht, wenn Sie hier sagen, daß alle diese Initiativen in die entsprechenden Gesetzesvorlagen einzubauen wären: Führerschein auf Probe, möglicherweise eine PS-Beschränkung und eine Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit. Aber meine schlichte Frage an Sie, Herr Kollege, lautet: Warum haben Sie das bis jetzt nicht getan, und warum wehren Sie sich dagegen, daß diese Materien heute mittels Ent


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schließungsantrag zu einer sinnvollen Verhandlung zurückverwiesen werden? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Pischl! Es ist leicht, hier zu sagen, die Journalisten seien schuld, weil sie die Frage 0,5 oder 0,8 Promille hochgespielt hätten. Grundsätzlich darf ich Ihnen aber sagen, Herr Kollege Pischl, daß in Wirklichkeit die Koalitionäre im Nationalrat, Ihre Notkoalition daran schuld ist, weil sie nicht einmal in der Lage war, sich über einfache, formale Vorgänge im Bereich der Geschäftsordnung zu einigen oder weil sie nicht in der Lage war – wie es unter Partnern üblich sein sollte; aber das ist nicht meine Sache –, darüber sinnvolle Gespräche zu führen. (Bundesrat Pischl: Herr Kollege Dr. Tremmel! Es war die Entscheidung im Nationalrat ohnedies klar gefallen! Nur die Diskussion über ...)

Sie sind nicht in der Lage gewesen, eine sinnvolle Vorlage hierherzubringen, das ist das Faktum! Das Wie, Wenn und Warum interessiert die Leute draußen nicht. Sie waren dazu nicht in der Lage, das ist das Erschreckende! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!) Abgesehen von längst notwendigen Verbesserungen, die völlig unbestritten sind – Privatisierung, Entlastung der Verwaltung, das ist selbstverständlich –, ist das aber der Kern und der Hauptpunkt. Der Eindruck in der Bevölkerung ist der, daß die Koalition nicht weiß, was sie tut! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dieser beinahe Dauer- und Dämmerzustand der Koalition und damit der Regierung sollte uns Freiheitliche eigentlich nicht stören. Aber wir sind um ein sinnvolles Ganzes unseres Staates bemüht, und deswegen erfolgt diese Intervention. (Bundesrat Rieser: Seit wann? Das ist neu! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Immer schon! Sie greifen unsere Vorschläge immer dann erst, wenn Sie glauben, daß die Leute sie schon vergessen haben, selbst auf! Soll ich extemporieren und sie Ihnen aufzählen, ob das die NATO, die Nationalbank oder sonst irgendein Bereich ist oder auch sinnvolle Gesetzesvorlagen sind? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Auf all das kommen Sie immer erst nachher darauf – leider Gottes, wenn es zu spät ist!

Die Gesetzesunklarheiten im Instanzenverfahren, wie sie Kollege Dr. Bösch aufgezeigt hat, sind direkt ein Anreiz dazu, daß es zu einer weiteren Belastung auch der Höchstgerichte – dem sind Sie gestern alle beigetreten – in Form von Beschwerden kommt. Dieses Fehlverhalten der Notkoalition führt dazu, daß sich der Bürger gefrotzelt fühlt sowie die Verwaltungsbehörden und obersten Gerichte belastet werden. (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es: daß er sich gefrotzelt fühlt! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist der eine Grund, den ich aus Oppositionssicht vorzubringen habe.

Dazu sage ich Ihnen ein weiteres: Wir, aber insbesondere Sie selbst verkünden in Sonntagsreden groß die Aufwertung des Bundesrates und sprechen von Korrekturen, die wir vornehmen sollten. Angesichts des Fehlers in dieser Vorlage, eines formalen Fehlverhaltens, das fast einem Schreibfehler gleichkommt, sollten wir über politische Grenzen hinweg entsprechende Schritte dagegen setzen. Wir sind überhaupt nicht böse, wenn Sie sagen: Das tun wir alle gemeinsam! Es kommt nur darauf an, daß wir es zurückweisen. Es geht darum, aufzuzeigen, daß wir im Bundesrat über dümmliche und kleinliche Grenzen endlich erhaben sind und uns über die Sache den Kopf zerbrechen sowie auch über die Wertigkeit, die der Bundesrat in diesen Fragen haben könnte.

Mit unserem Entschließungsantrag haben Sie einen Ball aufgelegt bekommen. Schießen Sie ein, machen Sie ein Elfmetertor! Die Chance dazu hätten Sie jetzt noch! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.06

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Waldhäusl. Ich erteile es ihm.

10.06

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kollegen des Hohen Hauses! Ich möchte die Debatte jetzt dazu benützen, einige Dinge klarzustellen.


Bundesrat
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Herr Kollege Farthofer hat behauptet, ich hätte mich gestern gegen einen Rettungsstollen im Semmeringtunnel ausgesprochen. Er hat leider Gottes nicht aufgepaßt oder war – so wie auch jetzt – nicht im Saal. Ich möchte das in aller Kürze richtigstellen. Ich habe festgestellt, daß der Rettungsstollen unverzichtbar ist, und habe darauf hingewiesen, daß der Sondierstollen für die Abschätzung des Risikos sehr wichtig ist, nicht nur jetzt, sondern auch später beim Bau des Haupttunnels. Nur so kann man geologische Erkenntnisse gewinnen und das Risiko für die arbeitenden Menschen, die uns sehr wichtig sind, beim Bau des Hauptstollens abschätzen. Deshalb haben wir uns in unserem Entschließungsantrag in diese Richtung ausgesprochen.

Umso interessanter ist es, daß Landeshauptmann Pröll, wie ich heute früh auf der Fahrt nach Wien hören konnte, sinngemäß und teilweise wörtlich das gleiche fordert. (Zwischenrufe und Heiterkeit bei der ÖVP.) Werte Kollegen von der ÖVP! Ich kann mir vorstellen, warum Sie auf einmal so aufgebracht sind! (Bundesrat Rieser: Wir nicht!) Aufgebracht seid ihr, weil ihr – außer Kollegen Wilfing und einem weiteren Kollegen – gestern unseren Entschließungsantrag abgelehnt habt! Die ÖVP hat gestern mehrheitlich genau das abgelehnt, was heute, nur einen Tag später, Landeshauptmann Pröll selbst fordert. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

Man kann es auch kurz fassen. Kollege Bieringer! Ich sage es dir in einem Satz ... (Bundesrat Ing. Penz: Zur Tagesordnung!) Die Tagesordnung macht der Präsident, aber nicht Kollege Penz! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Ing. Penz: Was Sie sagen, hat mit der Tagesordnung überhaupt nichts zu tun!) Was mit der Tagesordnung zu tun hat, wird immer noch der Präsident bestimmen und – so hoffe ich – nie Sie, Herr Kollege Penz! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Damit will ich Ihnen aber nicht absprechen, daß Sie vielleicht irgendwann einmal Vorsitzender dieses Hohen Hauses werden.

Kollege Bieringer! (Bundesrat Bieringer: Mich wundert, daß gestern einzelne bei Ihrem Antrag mitgestimmt haben! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nicht bei meinem! Kollege Bieringer! Abschließend zu Ihnen, weil Sie jetzt ... (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) Sie tun so, Kollege Bieringer, als ob ohnehin alles in Ordnung wäre! Ich weiß, warum Sie aufgebracht sind: Weil Sie wegen Ihres Koalitionspaktes jetzt keinen Freiraum mehr haben, haben Sie sich in der Abstimmung gesagt, daß Sie mit den Freiheitlichen nicht mitgehen dürfen. Sie konnten ja nicht wissen, ... (Bundesrat Bieringer: Wie viele haben es denn getan?)

Zwei Personen von der ÖVP haben mitgestimmt. Wenn Sie die Absicht gehabt hätten, daß diese Forderung, die auch Landeshauptmann Pröll stellt, durchgeht, dann hätte gestern die ganze ÖVP mitgestimmt! (Bundesrat Ing. Penz: Zur Tagesordnung!) Aber Sie haben das abgelehnt, was auch der niederösterreichische Landeshauptmann fordert, und das ist eine schwache Leistung! (Bundesrat Ing. Penz: Das ist eine schwache Leistung, was Sie hier bringen!) Kollege Penz! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn ausgerechnet Sie von einer schwachen Leistung reden, dann möchte ich Ihnen ehrlich sagen, daß ich mir nicht trauen würde, Sie und Ihre Qualität zu beurteilen oder zu messen. (Bundesrat Konečny: Sie trauen sich ja auch reden!) Ich würde das nie tun. Denn solche Personen wie Sie disqualifizieren sich durch jede Wortmeldung selbst so sehr (Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ) , daß es eigentlich ein Schauermärchen ist, daß es eigentlich traurig ist, ...

Präsident Dr. Günther Hummer (das Glockenzeichen gebend): Ich bitte, zur Sache zu sprechen und sich zu mäßigen.

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (fortsetzend): Herr Vorsitzender! Ich komme abschließend zur Sache. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Bezüglich der Mäßigung möchte ich sagen, daß Sie, Herr Vorsitzender, wahrscheinlich überhört haben, daß Kollege Penz mich kritisiert hat. Ich lasse diese Kritik nicht im Raum stehen. Wenn Sie mich kritisieren, Herr Vorsitzender, dann nehmen Sie auch zur Kenntnis, daß Kollege Penz das in gleicher Weise getan hat.

Ich habe nichts anderes getan, als – damit kehre ich abschließend zur Sache zurück – aufzuzeigen, was Landeshauptmann Pröll heute früh im Radio gesagt hat. Es ist traurig, daß seine


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eigenen ÖVP-Mannen ihn nicht unterstützt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe.)

10.11

Präsident Dr. Günther Hummer: Liegen weitere Wortmeldungen vor? – Herr Dr. Rockenschaub, bitte.

10.11

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Hohes Haus! Kollege Farthofer hat hier vor kurzem einen schwerwiegenden Vorwurf erhoben, indem er gemeint hat, die Vorgänge bei der Abstimmung im Nationalrat über 0,5 oder 0,8 Promille hätten insgesamt der Demokratie und dem Haus geschadet, und dafür seien alle fünf Parlamentsparteien verantwortlich. Diesen Vorwurf lassen wir nicht auf uns sitzen.

Ich stelle fest, daß sich die Abgeordneten der drei Oppositionsparteien im Nationalrat völlig untadelig, korrekt und klar verhalten haben und daß sich die unvergnüglichen Vorgänge, die Peinlichkeiten, die Blamage, die möglichen Nötigungen ausschließlich im Bereich der Koalitionsabgeordneten abgespielt haben. Daher möchte ich diesen Vorwurf zurückweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.12

Präsident Dr. Günther Hummer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 – 19. KFG Novelle –, die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle und das Gebührengesetz 1957 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über den Führerschein, das Führerscheingesetz.

Es liegt zunächst ein Antrag der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit.

Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

Ich bitte ferner jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 9. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

14. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Telekommunikationsgesetz erlassen wird, das Telegraphenwegegesetz, das Fernmeldegebührengesetz und das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz geändert werden sowie ergänzende Bestimmungen zum Rundfunkgesetz und zur Rundfunkverordnung getroffen werden (759 und 824/NR sowie 5499/BR der Beilagen)

15. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden (825/NR sowie 5489 und 5500/BR der Beilagen)

Präsident Dr. Günther Hummer: Wir gelangen nun zu den Punkten 14 und 15 der Tagesord-nung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem ein Telekommunikationsgesetz erlassen wird, das Telegraphenwegegesetz, das Fernmeldegebührengesetz und das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz geändert werden sowie ergänzende Bestimmungen zum Rundfunkgesetz und zur Rundfunkverordnung getroffen werden sowie

ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 14 und 15 hat Herr Bundesrat Josef Rauchenberger übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Josef Rauchenberger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Sie haben den Betreff des Tagesordnungspunktes 14 gehört. Der Bericht liegt schriftlich vor.

Der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Punkt 15 der Tagesordnung, dessen Betreff vom Herrn Präsidenten auch bereits zitiert wurde, liegt der Bericht ebenfalls schriftlich vor.

Auch darüber kann ich berichten, daß der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag gestellt hat, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte um Verhandlung.

Präsident Dr. Günther Hummer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile es ihm.


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10.16

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Das so lange angekündigte, von EU-Richtlinien verlangte und breit diskutierte Telekommunikationsgesetz liegt nach langen Querelen – auch innerhalb der Regierungsfraktionen – endlich als Nationalratsbeschluß diesem Hause vor.

Trotzdem können wir Freiheitliche diesem Beschluß unsere Zustimmung nicht geben, weil er ... (Zwischenruf.) Hören Sie mir zu! Wir Freiheitliche können diesem Beschluß nicht zustimmen, weil er einige gesetzestechnische Mängel, EU-Nonkonformitäten und sogar Verfassungswidrigkeiten enthält. Die Regierungsvorlage spricht auf Seite 44 zwar davon, daß die Konformität mit dem EU-Recht gegeben sei, aber wir sind bei einigen Paragraphen dieses Gesetzes nicht dieser Meinung.

Erlauben Sie mir nun, im einzelnen zur Kritik dieser Gesetzesbestimmungen zu kommen. Sie betrifft zunächst § 7, das Mitbenutzungsrecht. Die Formulierung "wem ein Wegerecht nach anderen Bundesgesetzen zusteht" bedeutet, daß allein die Möglichkeit, eine Enteignung – etwa nach dem Starkstromwegegesetz, Eisenbahnenteignungsgesetz oder Bundesstraßengesetz – durchzuführen, genügt, um von dieser Bestimmung erfaßt zu werden. Unserer Meinung nach sollte die Textstelle daher lauten: "wer etwas tatsächlich in Anspruch genommen hat".

Weiters besagt diese Formulierung im Gesetz, daß die gesamte Telekommunikationslinie, nicht nur das davon betroffene Teilstück, auch anderen, nämlich ausländischen Anbietern, geöffnet werden muß. Das darf so nicht sein, deshalb lehnen wir den Paragraphen in dieser Formulierung ab.

Des weiteren kritisieren wir § 14, die konzessionspflichtigen Dienste, und halten diese Regelung für nicht EU-konform. Denn laut Lizenzierungsrichtlinie der EU, RL (97) 13 EG vom 7. Mai 1997, sind Einzelgenehmigungen beziehungsweise Konzessionen nur mehr für Sprechtelefone, Funk und andere knappe Güter zulässig. § 14 Abs. 2 Z 2 steht dazu im Widerspruch. Es ist nicht einzusehen, warum das Erbringen anderer öffentlicher Telekommunikationsdienste – also die Zurverfügungstellung von Leitungen – konzessionspflichtig sein sollte. Unserer Meinung nach würde eine Anzeigepflicht gemäß § 13 völlig ausreichen. Eine Konzessionspflicht gemäß § 14 ist überzogen und unserer Meinung nach nicht EU-konform.

Des weiteren kritisieren wir § 17 betreffend die Konzessionsgebühr. Auch hier ist unserer Meinung nach die EU-Konformität nicht gegeben, denn es heißt in § 17 Abs. 1: "Zur Abdeckung der Verwaltungskosten, die bei der Erteilung der Konzession anfallen, ist eine Gebühr zu entrichten. Die Höhe der Gebühr ist vom Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung festzulegen."

In Abs. 2 ist noch eine Vergebührung enthalten. Da heißt es, daß "jährlich ein anteilsmäßiger Finanzierungsbetrag zur Abdeckung des Aufwandes der Regulierungsbehörde" zu leisten sei. – Das entspricht einer Doppelvergebührung und widerspricht wiederum der Lizenzierungsrichtlinie der EU, in welcher es in Artikel 11 heißt: "Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß von den Unternehmen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nur Gebühren erhoben werden, die die für die Ausstellung, Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung der jeweiligen Einzelgenehmigungen anfallenden Verwaltungskosten abdecken." Sie verordnen jedoch eine Doppelgebühr, zuerst eine einmalige und dann eine jährlich anfallende. Das halten wir für nicht zweckmäßig und für nicht EU-konform!

Des weiteren üben wir Kritik an § 54, in welchem es um die sogenannte Nummern-Portabilität geht: Das ist die Möglichkeit, die bestehende Telefonnummer bei Wechsel der Telefongesellschaft mitnehmen zu können, was heute in im Zusammenhang mit dem Telefonverkehr freien Staaten wie in den USA durchaus möglich ist. Dort kann man von heute auf morgen die Telefongesellschaft etwa aufgrund der preislichen Gestaltung wechseln; man kann zum Beispiel ohne weiteres von AT&T zu Sprint wechseln!

Aber auch ein noch so großer Preisunterschied wird den Kunden nicht dazu veranlassen, die Telefongesellschaft zu wechseln, wenn die entsprechende Nummer nicht beibehalten werden


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kann. Denn es müßte dann allen Bekannten oder Kunden dieses Telefonkunden die neue Num-mer mitgeteilt werden, das Briefpapier müßte geändert werden und so weiter.

Um diesen Wettbewerb zu ermöglichen, müßte die sogenannte Nummern-Portabilität im Gesetz festgehalten werden, daß also der Kunde seine Telefonnummer beibehalten kann. Technisch sollte dies kein Problem darstellen, man denke nur an das GSM-Netz! – Der letzte Satz des § 54, in dem es heißt: "nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten", wird von der Fernmeldebehörde so interpretiert werden, daß eine eigene Nummernstraße geschaffen werden soll – wahrscheinlich mit der Vorwahlnummer 07 – und erst dann der Kunden berechtigt ist, die Nummer mitzunehmen. Das heißt: Der Kunde muß zuerst – jetzt! – seine Nummer wechseln, um dann bei einem Betreiberwechsel die Nummer mitnehmen zu können. – Das ist unserer Meinung nach sowohl technisch als auch verwaltungstechnisch überflüssig und von den Kosten her eine überzogene Forderung, die unserer Meinung nach auch nicht EU-konform ist.

Der letzte Kritikpunkt richtet sich gegen § 84, das sogenannte Durchsuchungsrecht. In diesem Zusammenhang haben wir die schwerwiegendsten Bedenken, denn das ist ein Verstoß gegen die Bürgerrechte und gegen die bürgerlichen Grund- und Freiheitsrechte. § 84 Abs. 1 lautet – ich zitiere –: "Besteht der dringende Verdacht, daß durch eine unbefugt errichtete oder betriebene Funksendeanlage Personen gefährdet oder Sachen beschädigt werden können, oder ist dies zur Durchsetzung der sich aus internationalen Verträgen ergebenden Verpflichtungen erforderlich, so können von den Fernmeldebehörden Grundstücks-, Haus-, Personen- und Fahrzeugdurchsuchungen angeordnet und bei Gefahr im Verzug auch von ihren Organen aus eigener Macht vorgenommen werden."

Meine Damen und Herren! Das halten wir für schwerst verfassungswidrig! Diese Bestimmung ist aus dem alten Fernmeldegesetz übernommen worden und widerspricht dem Bundesverfassungsgesetz zum Schutze des Hausrechtes, dem Artikel 8 der Menschenrechtskonvention und Artikel 9 des Staats-Grundgesetzes vom 20. Dezember 1867. Denn darin ist überall normiert, daß Hausdurchsuchungen, Personen- und Fahrzeugdurchsuchungen und dergleichen nur auf richterlichen Befehl durchgeführt werden können.

Meine Damen und Herren! Es wäre ganz einfach, das abzuändern: Unser Vorschlag würde dahin gehend lauten: "Besteht der dringende Verdacht, daß durch eine unbefugt errichtete oder betriebene Funksendeanlage Personen gefährdet oder Sachen beschädigt werden können, so können Fernmeldebehörden die Sicherheitsbehörden oder die Gerichte um Unterstützung ersuchen." – Denn dann ist diese Vorschrift verfassungskonform! Alles andere ist jedoch grob verfassungswidrig!

Stellen Sie sich das einmal vor: Eine Person der Fernmeldebehörde – wer immer das auch sein mag – kommt zu Ihnen in die Wohnung, ins Haus oder in den Betrieb und sagt, daß sie nun eine Hausdurchsuchung und auch eine Personendurchsuchung durchführen will. Sie haben sich zu entkleiden, und der oder die Bedienstete der Fernmeldebehörde kann sogar eine Personenvisitation vornehmen, ob Sie nicht irgendwo am Körper einen Sender tragen! Dann will er oder sie auch noch ihre Autos durchsuchen – und all das ohne richterlichen Befehl! Das ist untragbar für einen demokratischen Rechtsstaat!

Meine Damen und Herren! Wenn Sie dem zustimmen, dann setzen Sie das Parlament und den österreichischen Bundesrat auf die gleiche Stufe mit dem Parlament eines autoritären oder totalitären Staates, wo es natürlich zulässig ist, wenn der Funkverkehr von der Autorität, von der Staatsmacht, überwacht wird und eventuell vorhandene Oppositionssender ausgeforscht werden.

Dem kann ein demokratisches Parlament nicht zustimmen, und deshalb ersuche ich Sie auch, mit uns diesen Gesetzesbeschluß abzulehnen und ihn rückzuverweisen. Der Nationalrat soll eine verfassungskonforme Formulierung finden, wie ich sie schon genannt habe. Dann können wir diesem Gesetz unsere Zustimmung geben, ansonsten rate ich davon ab. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.27


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Präsident Dr. Günther Hummer:
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Peter Polleruhs. Ich erteile es ihm.

10.27

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Nachdem man die Ausführungen des Kollegen Königshofer gehört hat, muß man ja beinahe Angst haben, weiter zu telefonieren!

Ich möchte mich vor allem mit dem wirtschaftlichen Aspekt dieses Gesetzes näher beschäftigen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Wie Sie wissen, ist der Zweck des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates, durch Förderung des Wettbewerbs im Bereich der Telekommunikation die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit zuverlässigen, preiswerten, hochwertigen und innovativen Telekommunikationsdienstleistungen zu gewährleisten. Das Fernmeldegesetz 1993 bildet derzeit den rechtlichen Rahmen für die Telekommunikation in Österreich. Ich meine, daß wir als Politiker vor allem die entsprechende rechtliche Unterstützung geben müssen. – Ich kann mir das, was Kollege Königshofer uns hier im Hohen Haus soeben dargelegt hat, nur sehr schwer vorstellen!

Dieses Gesetz war damals schon ein wichtiger Schritt in Richtung Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes, und nach diesem ersten Schritt wurden nun mit diesem Fernmeldegesetz einige wichtige Neuerungen geschaffen. Trotz der Liberalisierung waren im Fernmeldegesetz 1993 noch bestimmte Bereiche der PTV ausgenommen, vor allem der leistungsgebundene Sprachtelefondienst und das feste Fernmeldenetz. Vor allem der Vorbehalt im Bereich des Netzes war eine Hemmschwelle bei der Liberalisierung der Dienste, da grundsätzlich nur Mietleitungen der PTV verwendet werden durften. Es war daher klar, daß dieses Gesetz nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zur vollständigen Liberalisierung per 1. Jänner 1998 darstellt.

Seit dem Inkrafttreten des Fernmeldegesetzes 1993 sind wichtige EU-Richtlinien im Bereich der Telekommunikation erlassen worden, vor allem betreffend die Nutzung von Kabel-TV-Netzen und von alternativen Netzen für Telekommunikationsdienste sowie die Einführung des vollständigen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten. Eines der wichtigsten Ziele des neuen Gesetzes ist die Umsetzung dieser Richtlinien in österreichisches Recht, und es wurde auch bereits auf die noch nicht geltenden Richtlinien Bedacht genommen.

Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, mit diesem Gesetz möglichst flexible rechtliche Rahmenbedingungen für die Einführung des vollständigen Wettbewerbs auf dem Telekommunikationsmarkt ab 1. Jänner 1998 zu schaffen.

Das vorliegende Gesetz dient, wie gesagt, in erster Linie der nationalen Umsetzung der einschlägigen EU-Richtlinien zur vollständigen Liberalisierung des Telekommunikationssektors.

Ich habe es bei einer meiner vergangenen Reden schon einmal angeschnitten: Ich habe das Gefühl, daß Sie alles, was im Zusammenhang mit der EU steht – logischerweise, weil die Freiheitlichen gegen den Beitritt waren! – mit anderen Augen sehen. Ich habe mir schon einmal die Frage gestellt: Die Farbe kann es wohl nicht sein, denn Sie lieben dieses schöne Blau ja so! Sollten etwa die zwölf gelben Tupfer in Form von Sternen ausschlaggebend sein? – Sicherlich nicht! Herr Kollege Königshofer! So drastisch, wie Sie es geschildert haben, kann es wirklich nicht EU-konform sein! Tut mir leid, wenn ich das sage! (Bundesrat DDr. Königshofer: Sie kassieren wieder doppelt!)

Gestatten Sie, daß ich mich im Zusammenhang mit diesem Gesetz vorrangig mit den Auswirkungen der Beschäftigungstendenzen auseinandersetzen möchte. Denn sicherlich sollte die Novellierung eines Gesetzes auch im Zusammenhang damit zu sehen sein, was es der Wirtschaft bringen kann und bringen wird. Am 1. Jänner 1998 verlieren, wie gesagt, die bisher dominanten Anbieter im Großteil der EU-Länder das ausschließliche Recht, Sprache auf ihren Netzen zu übertragen. Sie erhalten Konkurrenz durch alternative Infrastruktur- und Dienstleistungsanbieter. Eine Analyse über die internationale Beschäftigungsentwicklung sagt folgen


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des aus. Es ist bekannt, daß seit Anfang der achtziger Jahre die Zahl der Beschäftigten von öffentlichen Telekommunikationsoperatoren laufend sinkt, besonders in jenen Ländern, welche diesen Markt bereits früh liberalisiert haben. Das ist sicherlich auf der einen Seite der Nachteil. Der frühe Beginn dieses Trends und der ebenfalls rasche Abbau in einigen Ländern mit zögernder Liberalisierung unterstreichen jedoch den Umstand, daß die Reduktion der Telefonie nicht ausschließlich durch verstärkten Wettbewerb hervorgerufen wird. Liberalisierung schafft allerdings erst verstärkt durch Ausgliederung und Privatisierung der Unternehmen die Anreize, Einsparungspotentiale durch neue Technologien und organisatorische Weiterentwicklung zu realisieren. Auf den Märkten kommt es neben den Einsparungen des einstigen Monopolanbieters durchaus zu beachtlichen Beschäftigungschancen bei den Mitbewerbern. Überdies löst die unter Wettbewerb insgesamt wesentlich attraktivere Marktbearbeitung ein kräftiges Marktwachstum aus – ein Trend, von dem auch der frühere Monopolanbieter profitiert.

Klar möchte ich festhalten: Für die Gerätehersteller werden die Rahmenbedingungen durch die Liberalisierung sicherlich härter werden.

Die Liberalisierung der Telekommunikation und die Konvergenz zwischen Telekommunikations- und Mediensektor bilden das eigentliche Fundament für die vielfach angekündigte Informationsgesellschaft.

Lassen Sie mich kurz zu Österreich kommen: In Österreich sollte die Beschäftigung auf dem Telekommunikationssektor trotz Liberalisierung und Digitalisierung steigen. Ausschlaggebend dafür sind die geringe Personalreduktion der PTA, die günstige Entwicklung des Mobilkommunikationssektors und die wahrscheinlichen Personalausweitungen der alternativen Infrastrukurbereiter, der Kabel-TV-Gesellschaften und Mehrwertdienstanbieter.

Die indirekten Beschäftigungseffekte auf andere Bereiche durch Investitionen sind in dieser Annahme noch nicht berücksichtigt. Die gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungseffekte sind aber deutlich höher.

Man kann daher sagen, daß durch das neue Telekommunikationsgesetz gute Voraussetzungen in Österreich geschaffen und große Gestaltungsmöglichkeiten für eine aktive Wirtschaftspolitik geboten werden. Daher wird die ÖVP-Fraktion dieser Gesetzesnovelle gerne ihre Zustimmung erteilen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Ludwig. – Bitte.

10.35

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Bei der heutigen Diskussion über das Telekommunikationsgesetz sollte uns bewußt sein, daß die Telekommunikation eine der Schlüsselindustrien, vielleicht sogar die Schlüsselindustrie der nächsten Zukunft sein wird.

Österreichs Position im globalen wirtschaftlichen Wettbewerb wird nachhaltig davon abhängen, inwieweit sich Unternehmen, aber auch Privatpersonen am Informationsaustausch rasch, effizient und auch möglichst preiswert beteiligen können. Der schnelle Zugriff auf und die rasche Verbreitung von Informationen sind für eine im internationalen Wettbewerb stehende Wirtschaft lebenswichtig. In diesem Zusammenhang ist es auch von eminenter Wichtigkeit, daß die Telekommunikation jener Bereich ist, in dem wir in den kommenden Jahren mit einem nicht unbeträchtlichen Zuwachs an Arbeitsplätzen rechnen können. Studien aus anderen Ländern lassen uns hoffen, daß es auch in Österreich gelingen kann, ein Mehr an Arbeitsplätzen in diesem Zukunftsbereich zu schaffen. Wir gehen davon aus, daß bis zu 100 000 neue Arbeitsplätze in diesem Zukunftsbereich errichtet werden können.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf den rasant wachsenden Bereich des Mobilfunkes hinweisen, da die Zahl der Benützer in Österreich von 620 000 im Jahr 1996 auf fast 1 Million Ende 1997 gestiegen ist. Hinzu kommt, daß die Telekommunikation gerade für abgelegenere,


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wirtschaftlich benachteiligte Regionen in unserem Land auch wirtschaftlich von zunehmender Bedeutung sein und auch neue Chancen für diese Regionen in Österreich bieten kann.

Angesichts dieser zentralen Bedeutung des Telekommunikationsbereiches ist es die Aufgabe der Politik, optimale Rahmenbedingungen zu schaffen, um unserer Wirtschaft, den Universitäten, den Schulen, den Forschungseinrichtungen, aber auch allen Privatpersonen eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur in diesem Bereich für das nächste Jahrtausend zur Verfügung stellen zu können.

Für unsere internationale Konkurrenzfähigkeit ist ein leistungsfähiges Kommunikationsnetz geradezu eine Grundvoraussetzung. Ziel des neuen Telekommunikationsgesetzes ist es, ab 1998 eine möglichst flexible Regelung für den liberalisierten Telekommunikationsmarkt zu schaffen. Auch werden durch das neue Gesetz sehr wohl – da bin ich nicht der Meinung der FPÖ-Fraktion – bestehende EU-Richtlinien auf nationaler Ebene umgesetzt.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird ein, wie ich meine, goldener Mittelweg beschritten. Es werden weder Monopolinteressen verteidigt, noch wird ein zerstörerischer Liberalismus losgelassen. Es wurden in Form einer flexiblen GesmbH-Gesellschaftsform vorbildliche Regelungen für die neue Regulierungsbehörde geschaffen.

Auch der Schutz der Grundrechte ist durch die vorgesehene Kommission mit richterlicher Unabhängigkeit sichergestellt. Auch in diesem Punkt befinden wir uns, wie ich meine, in einem eklatanten Widerspruch mit den Theorien, die von der FPÖ geäußert wurden und die sich bisher in juristischen Diskussionen letztlich als unrichtig herausgestellt haben. Individuell notwendige Teilregelungen werden auf dem Verordnungsweg sehr flexibel durchführbar sein.

Mit diesem Gesetz gehört Österreich zu jenen europäischen Ländern, die die EU-Konzeption eines liberalisierten Telekommunikationsmarktes umgesetzt haben. Auf Basis dieses Gesetzes liegt es nun an den Unternehmen, diese Chance und auch die Möglichkeiten, die dieses Gesetz für die Zukunft des Telekommunikationsmarktes in Österreich bietet, zu nutzen und entsprechend wirtschaftlich umzusetzen.

Diese Gesetzesvorlage bietet, wie ich meine, hervorragende Rahmenbedingungen, die Infrastruktur für den Bereich Telekommunikation in Österreich zu verbessern. Deshalb wird die SPÖ-Fraktion gegen diese Vorlage keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schöls. – Bitte.

10.40

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Meine Vorredner haben zu diesem Tagesordnungspunkt die technische Seite des Post- und Telekommunikationsgesetzes ausgeleuchtet und haben darzustellen versucht, welche gesetzlichen Änderungen erforderlich waren, damit Richtfunkstationen errichtet werden können, um der österreichischen Post die Möglichkeit zu geben, sich auf dem europäischen Markt zu bewähren.

Gestatten Sie mir nun, daß ich jenen Teil in meinen Ausführungen anspreche, der in einem Rechtsstaat notwendig und legitim ist, nämlich jenen Bereich, in welchem es um die in diesem Bereich beschäftigten Personen geht. Es ist nämlich erforderlich, daß im Zusammenhang mit einer technischen Gesetzesänderung auch die notwendigen Rahmenbedingungen im Beamten-Dienstrechtsgesetz entsprechend geschaffen und geändert werden.

Ich habe gestern bei meiner ersten Sitzung hier im Hohen Haus mit einiger Verwunderung feststellen können, daß sich Mandatare der Freiheitlichen Partei in ihren dringlichen Anfragen darüber mokiert haben, daß sich dieses Hohe Haus zweimal – man höre und staune: zweimal! – mit Schutzbestimmungen für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst auseinandersetzen muß.


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es muß uns bewußt sein, daß zwischen den Dienstrechtsbestimmungen der an den Hochschulen Beschäftigten und den Dienstrechtsbestimmungen der Kolleginnen und Kollegen, die im Postbereich tätig sind, gravierende Unterschiede bestehen. – Man kann nicht auf der einen Seite mit seinem Parteiführer den Wanderzirkus durch die Gegend tingeln lassen und da und dort so tun, als ob man sich um die Anliegen der Arbeitnehmer tatsächlich annehmen würde, den Menschen Hoffnungen machen, ihnen versprechen, daß es sogar möglich ist, zum Preis von 1 Schilling einer eigenen Gewerkschaft beizutreten, die sich der Anliegen der Arbeitnehmer annimmt, sich andererseits dann aber darüber mokieren, daß diese Schutzarbeit für die Arbeitnehmer auch mit parlamentarischer Arbeit verbunden ist. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. )

Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich sage es auch in meiner Fraktion immer wieder und stehe nicht an, das auch hier in Richtung der Freiheitlichen Partei zu deponieren: Arbeitnehmerschutzbestimmungen dürfen keine Kann-Bestimmung sein, sondern Arbeitnehmerschutzbestimmungen müssen eingehalten werden! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn wir in unserem Rechtsstaat die gesetzliche Voraussetzung so geschaffen haben, dann müssen wir uns auch der Prozedur unterziehen, alle rechtlichen Mechanismen auszuschöpfen, damit diese Arbeitnehmerschutzbestimmungen entsprechend eingehalten werden können.

Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich verhehle nicht, daß es sicherlich notwendig ist, daß à la longue im Sinne einer effizienten Arbeit auch die Beschäftigten im Personalsektor des Post- und Telekommunikationsbereichs ein eigenständiges Dienstrecht bekommen, welches nicht mit den allgemeinen Dienstrechtsbereichen abgehandelt werden kann.

Darüber haben wir uns gestern hier auch unterhalten, als es darum gegangen ist, für die Hochschullehrer eigene, adäquate Dienstrechtsbestimmungen zu schaffen. Ebenso muß es langfristiges Ziel sein, à la longue die Beschäftigen im Postbereich herauszunehmen. Tatsächlich sind die entsprechenden Regelungen derzeit noch im B-DG enthalten, daher haben wir uns dieser Verpflichtung zu unterziehen. Wir haben neben den technischen Voraussetzungen auch die anderen entsprechenden Voraussetzungen für die Menschen, die in diesen Bereichen tätig sind, zu schaffen.

Meine Fraktion wird daher der vorliegenden Novelle zum Beamten-Dienstrechtsgesetz im Zusammenhang mit dem Telekommunikationsgesetz, welche die Richtwertverwendungen neu regelt, durch welche ermöglicht wird, Funktionen auf Zeit sinnvoll zu vergeben, und durch welche in der Frage der Definitivstellung und der Ernennungserfordernisse angepaßte rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Zustimmung erteilen. – Ich danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr DDr. Königshofer. – Bitte.

10.45

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Aufgrund der Äußerungen meiner Vorredner möchte ich noch einmal in dieser Sache Stellung nehmen.

Zuerst zu meinem unmittelbaren Vorredner, der gesagt hat, Arbeitnehmerschutzbestimmungen dürfen keine Kann-Bestimmungen sein. – Dieser Meinung sind wir auch! Wir sind aber auch der Meinung, daß gerade die Regierungsparteien die Arbeitnehmerschutzbestimmungen verletzen. So ist etwa diese ganze Karenzierungslösung im Postbereich, Herr Kollege, nur ein Kaschieren des Bruches Ihres Wahlversprechens. Der damalige Minister Klima hat gesagt, daß kein Arbeitsplatz bei der Post abgebaut werden wird. Jetzt gehen Sie her und karenzieren die Postler ab einem gewissen Alter, das heißt, Sie bauen sie über die Karenzierung ab. Das ist die Wahrheit, darüber müssen wir einmal sprechen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu den beiden anderen Kollegen Ing. Polleruhs und Dr. Ludwig: Beide haben von Beschäftigungseffekten gesprochen. Kollege Polleruhs hat gesagt, daß dieses Telekommunikationsgesetz gesamtwirtschaftliche Beschäftigungseffekte größeren Ausmaßes auslösen wird. Kollege


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Ludwig hat sogar gemeint, daß bis zu hunderttausend neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. – Sie haben gut von Ihren Parteioberen gelernt! Diese haben auch gesagt, daß mit dem EU-Beitritt Hunderttausende Arbeitsplätze geschaffen und sie eine Bauoffensive starten werden. – Wir haben von den Arbeitsplätzen jedoch nichts gesehen! (Bundesrat Dr. Ludwig: Im Telekommunikationsbereich generell!)

Meine Damen und Herren! Wo leben Sie eigentlich? Lesen Sie keine Zeitung? – Ich zitiere Ihnen aus dem gestrigen "Standard" einen ganz kurzen Artikel: "Kein Jobwunder in der Telekommunikation. Wien. – Die Zukunftsbranche Telekommunikation bringt nach Meinung des Wifo keine Lösung der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsprobleme in Österreich. Die erwartete Beschäftigung im österreichischen Telekombereich liegt demnach Ende 1997 bei voraussichtlich 34 700 Arbeitnehmern." Insgesamt in ganz Österreich! Sie wollen 100 000 neue dazu haben! – Weiter heißt es: "Beim Noch-Monopolisten Post werden im Telekombereich und in der einschlägigen Industrie Arbeitsplätze abgebaut, wogegen neue Stellen bei den Alternativanbietern und im Mobilfunk zu erwarten sind. Der Saldo wird laut Wifo zwischen 350 Arbeitsplätzen weniger und 3 000 mehr als Ende 1997 betragen." Das bedeutet einen Saldo von rund 2 650 an mehr Arbeitsplätzen! "Die Studie bezieht sich auf die Sektoren Infrastruktur, Mehrwertdienste und Telekommunikationsindustrie." – Ende des Zitats.

Das ist die Realität! Das sagt das Wifo: maximal 2 600 bis 2 700 mehr Arbeitsplätze. Hören Sie daher auf, der Bevölkerung Märchen zu erzählen! Wir werden der Bevölkerung sagen, wie es wirklich ausschaut! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Himmer. – Bitte.

10.48

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Herr Kollege Königshofer! Ich möchte zunächst Stellung zu dem nehmen, was Sie jetzt gesagt haben. Gestern haben wir Sie im Zusammenhang mit der NATO-Debatte als weltmännischen, weitblickenden, ich möchte nahezu sagen: gebildeten und begeisterten Europäer kennengelernt. Heute begeben Sie sich jedoch wieder auf jenen Level zurück, auf welchem Ihre Partei in diesem Zusammenhang üblicherweise zu agieren pflegt.

Wenn wir heute hier über das Telekommunikationsgesetz sprechen und wenn darüber gesprochen wurde, daß wir in einer globalisierten Welt leben, die sich in Richtung Informationsgesellschaft entwickelt, dann ist klar, daß das eine Entwicklung ist, die sich auf dem ganzen Erdball abspielt und die relativ wenig damit zu tun hat, ob die Freiheitliche Partei das glaubt oder nicht oder was sie der Bevölkerung in diesem Zusammenhang wieder erzählen will.

Wenn wir heute davon sprechen, daß die Arbeitsplatzsituation in der nächsten Zukunft unmittelbar dadurch determiniert sein wird, wie wir heute als Österreicher auf diese internationalen Veränderungen reagieren, indem wir hier auch die Gesetzesgrundlagen schaffen, daß wir wettbewerbsfähig sein können, und wenn wir uns mit dieser Thematik auseinandersetzen, damit wir die Jobs der nächsten Generationen sichern, dann können wir hier nicht einen Kleinkrämerstandpunkt einnehmen und sagen: Ich habe jetzt aber gelesen, daß es unmittelbar keine zusätzlichen Jobs geben wird, die die Regierung versprochen hat. – Die Regierung verspricht nicht Jobs, sondern die Regierung hat dafür zu sorgen, daß die Wirtschaft funktionieren kann, damit die Zukunft gesichert ist, damit die Arbeitnehmer und die Unternehmer für die Arbeitsplätze sorgen können.

Darum geht es hier. Ich sage Ihnen, es ist ein relativ geringer Beitrag, wenn Sie dann zu den Menschen gehen und sagen: Das Gesetz bringt keine zusätzlichen Arbeitsplätze! – Das stimmt zwar, aber so naiv und so banal spielt sich die Welt nicht ab! Da gibt es eine Abgrenzungsproblematik.

Natürlich können Sie jetzt sagen, die Telekommunikation bringt keine zusätzlichen Arbeitsplätze. Ich selbst arbeite für ein Telekomunternehmen. Natürlich bringt die momentane Entwicklung – die Technologie schreitet immer weiter fort, und gleichzeitig werden die Produkte immer billiger – für die Telekomunternehmen einen Rationalisierungsdruck. Ich kann Ihnen das ganz


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einfach erklären. Die Geräte werden immer kleiner und immer billiger. Aber das heißt nicht, wenn Sie das Ganze volkswirtschaftlich und insgesamt betrachten, daß im Bereich der Software, im Bereich der Applikationen für die unterschiedlichen Branchen nicht eine Vielzahl von Arbeitsplätzen entstehen kann! (Bundesrat DDr. Königshofer: Aber nicht 100 000!)

Man kann natürlich jetzt jede beliebige Abgrenzung nehmen, aufgrund der man sagt, das ist viel oder das ist wenig. Das ist im Grunde auch nicht sonderlich wichtig. Aber entscheidend bleibt – deswegen ist es so wichtig, daß das Telekomgesetz beschlossen wird, und deswegen ist es auch so wichtig, daß die Bundesregierung in dieser Richtung Initiativen setzt –, daß wir hier entsprechende legistische Grundsätze festlegen, damit Österreich im freien Wettbewerb der Telekommunikation fit ist, um noch rechtzeitig an dieser Informationsgesellschaft teilhaben zu können.

Herr Kollege Königshofer! Gestern haben wir Sie als engagierten Europäer kennengelernt. Niemand – ich zumindest nicht – bezweifelt, daß Sie das intellektuelle Potential haben, das ist unbestritten. Daher verstehe ich eigentlich nicht, wie Sie sich in einer solch wichtigen Frage auf ein so niedriges Niveau begeben können, daß Sie schon wieder nur anbieten (lebhafter Widerspruch bei den Freiheitlichen) , liebe Kollegen von der Freiheitlichen Partei, zum Bürger zu gehen und dem Bürger zu sagen: Schau, da wurde wieder etwas beschlossen, das wieder keine unmittelbaren Arbeitsplätze bringt! – Das tun Sie aufgrund einer wie auch immer definierten Abgrenzungsproblematik.

Alles, was Sie machen, ist jammern, sabbern, weinen und sich beim Bürger beschweren. Wissen Sie, wofür Sie bezahlt werden? – Sie werden auch bezahlt, Sie Privilegienabbau-Ritter! Sie bekommen genauso wie alle Mandatare von der Volkspartei und von der Sozialdemokratie Ihr Geld. Sie sagen, Sie wollen es nicht, aber Sie nehmen es trotzdem. (Bundesrat DDr. Königshofer: Das ist das niedrige Niveau, auf das Sie sich begeben!)

Alles wird immer gegen Ihre Stimmen beschlossen, und dann sitzen Sie hier herinnen, jammern, sabbern, jeiern und verstehen sich als Vertreter der kleinen Leute. Dabei treiben Sie die kleinen Leute in den Untergang, weil Sie den Menschen nichts anderes anbieten als Scheuklappen! Bretter, Bretter, Bretter – das ist das Konzept der Freiheitlichen Partei, und das lehnen wir ab. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrätin Moser : Wir sabbern nicht, merken Sie sich das!)

10.54

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Polleruhs. (Lebhafte Rufe und Gegenrufe zwischen dem zu seinem Platz gehenden Bundesrat Mag. Himmer und Bundesrat DDr. Königshofer sowie anderen Bundesräten der FPÖ.) – Meine Herren! Bitte entweder vom Rednerpult aus oder vor dem Sitzungssaal!

10.54

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte mich nur noch kurz zu Wort melden betreffend der Aussage von Herrn DDr. Königshofer und seinem Zitat aus dem "Standard". Das Wifo sagt wesentlich mehr, lieber Herr Kollege! Das Wifo sagt auf fünf Seiten sehr viel, aber im "Standard" steht nur das, was der "Standard" dem Wifo-Bericht entnommen hat. Und der "Standard" weiß auch, was seine Leser gerne lesen. So kann man, meiner Meinung nach, Pressemeldungen nicht weitergeben, und so sollte man auch nicht Politik machen.

Ich selbst habe keine Zahlen genannt, aber das Wifo hat eindeutig festgestellt, daß eine steigende Beschäftigungstendenz gegeben ist, allerdings mit Verlagerungen zwischen einzelnen Bereichen. Im "Standard" wurde eher von einem derzeitigen Beschäftigungsrückgang gesprochen. (Bundesrat Meier: Er zitiert ja auch sonst den "Standard" nicht!)

Ich habe auch etwas dagegen, daß man immer Zeitungen zitiert, die meistens – ich möchte jetzt nicht Unwahrheiten sagen – Halbwahrheiten schreiben. Wir sollten nämlich nicht von Halbwahrheiten leben, sondern vor allem als verantwortungsvolle Politiker – da sind auch Sie von der


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Opposition gefordert! – mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität stehen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Meier: Richtig! Bravo!)

10.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates, die getrennt erfolgt.

Zunächst stimmen wir ab über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Telekommunikationsgesetz erlassen wird, das Telegraphenwegegesetz, das Fernmeldegebührengesetz und das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz geändert werden sowie ergänzende Bestimmungen zum Rundfunkgesetz und zur Rundfunkverordnung getroffen werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 und das Gehaltsgesetz 1956 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

16. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 1997 (BGzLV 1997) (741 und 787/NR sowie 5501/BR der Beilagen)

17. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird (758 und 788/NR sowie 5502/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 16 und 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte gleichfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr 1997 sowie

ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 16 und 17 hat Herr Bundesrat Rauchenberger übernommen. Ich darf ihn um die Berichte bitten.


Bundesrat
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Berichterstatter Josef Rauchenberger:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Sie haben den Betreff des Tagesordnungspunktes 16 gehört. Der Bericht liegt schriftlich vor, ich darf mich daher auf die Beschlußformel beschränken.

Der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 17 liegt der Bericht ebenfalls schriftlich vor.

Ich darf berichten: Der Ausschuß für öffentliche Wirtschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Frau Präsidentin! Falls Wortmeldungen vorliegen, bitte ich, die Debatte fortzusetzen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über beide Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Eisl. – Bitte.

10.59

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Bezüglich des Luftfahrtgesetzes wurde im Jänner 1996 eine Regierungsvorlage mit 32 Abänderungspunkten vorgelegt. Die jetzige Abänderung beinhaltet aber 51 Punkte. Das ist darauf zurückzuführen, daß ohne Begutachtung eine Reihe von Bestimmungen darin enthalten ist, die die Rechte der Länder massiv beschneiden! Vor allem werden ihnen Bautenkompetenzen und Baurechtskompetenzen entzogen.

Der wesentliche Punkt und eine gravierende Erweiterung dieses Gesetzes ist die Einführung des Kriteriums der Zweckmäßigkeit.

Freilich hat es in den verschiedenen Ländern in den vergangenen Jahren und auch jetzt immer wieder Probleme im Baubereich gegeben. Ich möchte hier ein Beispiel zitieren. In Salzburg sollte im Bereich des Flughafens ein Hotel gebaut werden. Die Stadtgemeinde und der zuständige Vizebürgermeister, ein Sozialdemokrat, haben Einspruch erhoben, aber da jetzt ein neues Gesetz kommt, wurde dieser Einspruch zurückgestellt. Ich bin davon überzeugt, daß das der Grund für den Aufschub war.

Mit dem Gesetz, das heute beschlossen wird, haben künftig weder die Gemeinde noch das Land ein Einspruchsrecht in baulichen Angelegenheiten.

Das Wort "Zweckmäßigkeit" ermöglicht künftig auch jede Variante des Ausbaus. Was etwa für den Flugverkehr gar nicht notwendig wäre, kann nun trotzdem gebaut werden. Das geht bis zu einem Hotel, zu einer Lagerhalle, ja sogar bis zu einem Privathaus kann der Bund jetzt ohne Rücksicht auf Gemeinden und Länder bauen, was er für zweckmäßig hält. Das ist der Grund, warum wir dieser Vorlage keine Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster ist Herr Bundesrat Jaud zu Wort gemeldet. – Bitte.

11.01

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hoher Bundesrat! Herr Kollege Eisl! Wie soll man es da richtig machen?! – Wir beschweren uns doch hier immer über irgendwelche Gesetze, die die wirtschaftliche Entwicklung hemmen und behindern! Vor allem bei Angelegenheiten, bei denen es um Genehmigungen geht, ist es doch meistens so, daß durch Einsprüche – sei es von seiten der Gemeinde, sei es von Anrainern oder sonst jemandem – wichtige Dinge verhindert werden, und wir alle wissen, daß die Wirtschaft unter diesen Hindernissen leidet.


Bundesrat
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Nun haben wir heute ein Gesetz vorliegen – wie Sie sagen, wartet man offenbar auf die Bekanntgabe dieses Gesetzes –, das ermöglichen soll, diesen Hindernissen auszuweichen. Ich meine, daß der Gesetzgeber damit einen richtigen Weg beschreitet. Es kann nur in Richtung Vereinfachung der Gesetze gehen!

Das vorliegende Luftfahrtgesetz trägt nicht nur dem EU-Beitritt Österreichs Rechnung, sondern es werden vor allem auch die Haftungshöchstgrenzen den internationalen Normen angepaßt.

Besonders bemerkenswert ist nach meiner Auffassung die Änderung der Zuständigkeit für die Kennzeichnung von Luftraumbeschränkungen. War bisher der Wirtschaftsminister im Einvernehmen mit dem Verteidigungsminister dafür zuständig, so ist in Zukunft nach dem neuen Gesetz der Landeshauptmann im Einvernehmen mit dem Verteidigungsminister für die Kennzeichnung von Luftraumbeschränkungen zuständig. Damit will der Gesetzgeber offenbar dem Umstand Rechnung tragen, daß es in der Vergangenheit infolge von nicht gekennzeichneten Hindernissen öfter zu Unfällen gekommen ist.

Landeshauptleute beziehungsweise deren Vertreter wissen wesentlich besser, wo sich solche Hindernisse befinden und können deshalb der Sicherheit des Flugverkehrs wesentlich besser dienen. Es geht dabei vor allem um schlecht oder schwer sichtbare Hindernisse wie etwa Seile von Materialseilbahnen und dergleichen mehr.

Ich möchte die legistische Arbeit, die mit dieser Novelle des Luftfahrtgesetzes geleistet wurde, nicht in Zweifel ziehen. Ich glaube auch, daß die notwendigen legistischen Änderungen und Vereinfachungen des Gesetzes nach Möglichkeit durchgeführt wurden. Ich bedauere aber, daß es nicht gelungen ist, dem Parlament ein komplett neues Luftfahrtgesetz vorzulegen. Ein Gesetz, in dem noch Teile des deutschen Luftfahrtgesetzes von vor dem Zweiten Weltkrieg enthalten sind oder waren, hätte es sicher verdient, daß man es komplett neu gefaßt hätte. Dies würde im besonderen der Rechtssicherheit und auch der Vereinfachung unserer Rechtsnormen dienen.

Kundenorientiertes Denken und kundenorientiertes Handeln sind in Zukunft nicht nur von den Mitarbeitern in der Wirtschaft – von ÖBB bis Siemens – gefordert, sondern auch vor allem in den Dienststellen des Staates. So wie sich die Wirtschaft umstellen muß und sich den neuen Gegebenheiten stellen muß, so wird es in Zukunft auch den Staatsdienern gehen. Auch sie werden sich den neuen Bedingungen anpassen müssen, denn es wird in Zukunft nicht mehr lange gefragt werden, ob man es richtig macht. Wer es nicht richtig macht, ist einfach weg vom Fenster!

Ein viel jüngeres Gesetz, nämlich das Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr, wurde neu gefaßt. Zugegeben, dieses Gesetz ist sicherlich weniger umfangreich als das Luftfahrtgesetz. Bei einer Neufassung von Gesetzen besteht aber die Möglichkeit, diese Gesetze viel einfacher zu gestalten und damit auch eine sehr wesentliche Verwaltungsvereinfachung durchzuführen. In diesem Gesetz wird neben der Liberalisierung vor allem der Sicherheit in der Luftfahrt erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt.

Diese beiden zur Beschlußfassung vorliegenden Gesetze sind gut und notwendig. Die ÖVP wird deshalb keinen Einspruch gegen diese Gesetze erheben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.06

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Auch von der Berichterstattung wird kein Schlußwort gewünscht.

Wir kommen daher zur Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates, die getrennt erfolgt.


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Zunächst stimmen wir ab über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. (Bundesrat Mag. Gudenus: Eine Stimmenthaltung!) Enthaltung gibt es nicht, also Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Luftfahrtgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

18. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird (701 und 780/NR sowie 5490 und 5503/BR der Beilagen)

19. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten (UOG 1993) geändert wird (692 und 781/NR sowie 5504/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 18 und 19 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies: ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird, und ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 18 und 19 hat Herr Bundesrat Mag. Himmer übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Mag. Harald Himmer: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird.

Der vorliegende Beschluß des Nationalrates hat die Anpassung an das neue Zulassungsverfahren nach dem Universitäts-Studiengesetz, Regelungen über die Rechtsfolgen nach einem Studienwechsel, die Festlegung des Studienerfolges für Studien nach dem Universitäts-Studiengesetz, das Ruhen der Studienbeihilfe bei mehr als geringfügiger Beschäftigung, die Begünstigung der Ferialtätigkeit, die Festlegung der Zuständigkeit des Leiters der Studienbeihilfenbehörde für Ausnahmebewilligungen und eine neue Regelung für die Aufrechnung von Rückzahlungsforderungen zum Inhalt.

Der Ausschuß für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Des weiteren bringe ich den Bericht des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das


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629. Sitzung / Seite 196

Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten (UOG 1993) geändert wird. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Der vorliegende Beschluß des Nationalrates sieht eine Verlagerung wesentlicher Agenden des Rektors und Senates an den Dekan (Vizedekan) und auf das Fakultätskollegium einer Medizinischen Fakultät, die Änderung bezüglich der Abwahl eines Klinik- beziehungsweise eines Instituts(Klinik)vorstandes, die Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Kommission, die der Ethikkommission des KAG gleichwertig ist, die Ermöglichung der Übernahme der Dekansfunktion für Vorstände von nicht gegliederten Kliniken durch Aufhebung der Unvereinbarkeit mit der Funktion des Institutsvorstandes, eine Beurteilung der wissenschaftlichen Qualifikation im Habilitationsverfahren nicht gegen Mitglieder der Kommission mit Lehrbefugnis, eine Verfassungsbestimmung, die grenzüberschreitendes Tätigwerden der Universitäten ermöglicht, eine Rechtsgrundlage für das Anbieten universitärer Leistungen an ausländischen Standorten in Abstimmung mit anderen Rechtsträgern und eine Ausweitung der universitären Teilrechtsfähigkeit auf Untersuchungen und Befundungen, soweit sie der wissenschaftlichen Forschung dienen, vor.

Da die in den §§ 4a Abs. 1, 13 Abs. 3 und 89 Abs. 5 enthaltenen Verfassungsbestimmungen die Zuständigkeit der Länder in Gesetzgebung und Vollziehung nicht einschränken, bedürfen sie nicht der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Der Ausschuß für Wissenschaft und Forschung stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 ebenfalls mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Helga Moser. Ich erteile es ihr.

11.11

Bundesrätin Helga Moser (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kollegen des Bundesrates! Jede Form der Studienförderung ist ein Instrument zur Sicherung des freien Zugangs zu weiterführenden Bildungseinrichtungen. Unter diesem Aspekt sind auch die heute zu beschließenden Punkte im Studienförderungsgesetz 1992 zu betrachten und auch zu hinterfragen.

Es geht bei dem vorliegenden Gesetzentwurf unter anderem um die Anpassung an das neue Zulassungsverfahren nach dem Universitäts-Studiengesetz. Er beinhaltet weiters eine Regelung über die Rechtsfolge nach einem Studienwechsel, die Festlegung des Studienerfolgs für Studien nach dem Universitäts-Studiengesetz, das Ruhen der Studienbeihilfe bei mehr als geringfügiger Beschäftigung, die Begünstigung der Ferialtätigkeit, die Festlegung der Zuständigkeit des Leiters der Studienbeihilfenbehörde für Ausnahmebewilligungen und eine neue Regelung für die Aufrechnung von Rückzahlungsforderungen.

Ich möchte mich in meiner Wortmeldung schwerpunktmäßig auf die Punkte Ruhen der Studienbeihilfe bei mehr als geringfügiger Beschäftigung und Begünstigung der Ferialtätigkeit konzentrieren.

Die Zahl der Studenten beziehungsweise Studentinnen, die neben ihrem Studium einer Teilzeitbeschäftigung oder einer Vollarbeit nachgehen, ist in den letzten Jahren wieder gewaltig angestiegen. Nachdem früher oft immaterielle Bildungsbarrieren den Zugang zu den Universitäten unterbunden haben, wird in letzter Zeit – sicher auch ausgelöst durch die beiden Sparpakete –für Studierwillige wieder eine finanzielle Barriere errichtet. Ich erlebe in meinem beruflichen Umfeld immer öfter, daß sich die finanzielle Ausgangsbasis für bildungswillige junge Menschen eklatant verschlechtert hat.


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 197

Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht nicht darum, daß ich sage, die Familien haben weniger Geld zur Verfügung, oder daß ich einzelne Punkte des Sparpaketes noch einmal herausgreife, sondern es geht um die Summe der Maßnahmen, welche die Bevölkerung in den letzten zwei Jahren getroffen hat, seien es die 50 S Gebühr für einen Krankenschein, seien es die Reduktionen der Familienförderung. Es bringt nichts, jetzt wieder alle Punkte der Sparpakete aufzuzählen. Was mich in diesem Zusammenhang aber ärgert, ist die Tatsache, daß die Regierung beziehungsweise – das muß man fairerweise sagen – einzelne Mitglieder der Regierung auf diese Situation überhaupt nicht eingehen wollen.

Zeigt man Fakten auf, wie zum Beispiel die hohe Zahl der Studierenden, die neben dem Studium arbeiten, dann gibt der zuständige Minister im Ausschuß des Nationalrates folgenden Kommentar ab: Na ja, die wollen sich eben mehr leisten, und deshalb arbeiten sie. Ich halte das für eine unheimliche Ignoranz, denn Sie wissen genausogut wie ich, wie vielen es schwerfällt, zu studieren, und zwar auch aus finanziellen Gründen. Ich hoffe, daß das Wissen um die Belastung der Familien auch bis zur Regierungsbank vordringt.

Herr Finanzminister Edlinger meinte zum Beispiel bezüglich der Kürzung der Bausparprämien –ich zitiere –: "Das kostet den Sparer im Monat 20 S. Selbst wenn ich die ganze Prämie gestrichen hätte, hätte das niemanden umgebracht." – Nachzulesen im "profil" vom 30. 6. 1997. Ich frage mich, ob der Herr Finanzminister über die finanzielle Situation der Familien Bescheid weiß. Das gilt speziell für Familien, die Kinder haben, die weiterstudieren, die einen weiterführenden Bildungsweg in Angriff nehmen wollen.

Abgesehen davon – das soll jetzt nur eine Nebenbemerkung sein –, daß man in bestehende Verträge eingreift und die Bevölkerung das einfach zur Kenntnis nehmen muß, finde ich das auch insofern bedenklich, als Familien – das war bitte bis jetzt legal – Bausparverträge abgeschlossen haben, um das Geld dann nach Ablauf des Vertrages als finanzielle Ausgangsbasis für ein etwaiges Studium ihrer Kinder zu verwenden. Man muß das auch unter diesem Aspekt sehen.

Auch die Tatsache, daß aus unserer Sicht mit dieser Novellierung eine Diskriminierung der 30- bis 35jährigen, die bisher in den Genuß eines Stipendiums gekommen sind, gegeben ist, ist aufzuzeigen. In der letzten Sitzung des Bundesratsplenums – Sie alle, meine Damen und Herren, werden sich daran erinnern – haben wir über die Berufsreifeprüfung diskutiert, über die Möglichkeit des Zugangs zur Universität für Menschen, die in Ausbildung sind, die einen Beruf erlernt haben. Und mit dieser Vorlage betreffend das Studienbeihilfengesetz nimmt man jetzt genau jenen Personenkreis von den Stipendien aus, und das ist meiner Meinung nach nicht gerecht.

Immer wieder wird von lebensbegleitendem, lebenslangem Lernen gesprochen. Es müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen, sonst – das muß ich leider sagen – verkommen solche Aussagen zu Worthülsen beziehungsweise sind sie nur leere Versprechungen.

Wir Freiheitliche erheben auch hier im Bundesrat die Forderung, daß die Ferialtätigkeit nicht, wie jetzt in der Vorlage geplant, auf die Ferienmonate im Sommer, die Weihnachts-, Oster- und Semesterferien beschränkt bleiben soll, sondern daß statt dessen der Begriff "lehrveranstaltungsfreie Zeiten" in das Gesetz aufgenommen werden soll. Es geht auch darum, daß manche Studienrichtungen verpflichtende Praktika haben, das heißt Berufspraktika, während derer auch keine Lehrveranstaltungen stattfinden, und dieser Zeitraum ist durch das Gesetz nicht abgedeckt.

Es sind gute Ansätze in der Vorlage enthalten, doch aufgrund der Tatsache, daß die auch von mir aufgezeigten Schwerpunkte fehlen, werden wir dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen. –Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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629. Sitzung / Seite 198

11.19

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach. Ich erteile es ihr.

11.19

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Alle, die sich mit Bildungsfragen beschäftigen, wissen, daß die Entwicklung einer auch auf internationalem Feld anerkannten Bildungsgesellschaft ein immerwährender Prozeß ist, der auch kostspielig ist. Weil aber bestens Ausgebildete natürlich auch einen wesentlichen Beitrag zur Fortentwicklung der Produktionskräfte, zur Erhöhung des Wirtschaftswachstums, des Lebensstandards, zur Besserung der Bewältigung unseres Daseins und der sozialen Umwelt leisten, dürfen auch in Zeiten knapper werdender öffentlicher Mittel die Anliegen der Universitäten und der Studierenden nicht unberücksichtigt bleiben. Das heißt nicht, daß man in diesen Bereichen das Wort "Sparen" nicht in den Mund nehmen soll, aber bitte nur dann, wenn damit gleichzeitig ein intensives Bemühen um Effizienzsteigerung verbunden ist.

Studienförderung und zeitgemäße Organisation unserer Hochschulen und Universitäten sind daher immer wieder von uns gefordert und können auch nie abgeschlossen sein, weil sich eben die Rahmenbedingungen und Interdependenzen laufend ändern. Ich bin froh, daß es heute weitgehend von breitesten Schichten anerkannt wird, daß die Gewährleistung von Chancengerechtigkeit nicht zur Nivellierung oder zur Verdrängung aus angestammten Gesellschaftsschichten führt, sondern unverzichtbar ist, wenn wir als Staat und Gesellschaft nicht zurückbleiben wollen.

Aber, meine Damen und Herren, der Weg zu Chancengerechtigkeit ist noch unendlich weit. Das beweist uns unter anderem ein Blick auf die soziale Lage der Studierenden. Auch Sie, Frau Kollegin, haben darauf hingewiesen. Wir alle sind uns der Problematik bewußt, wir haben nur zur Problemlösung vielleicht einen anderen Zugang.

Die Statistiken zeigen uns, daß die Prozentzahlen der Studienbeihilfenempfänger zwar schwankend sind, aber in den letzten Jahren hat sich ihre Zahl um nahezu ein Viertel erhöht, während die Zahl der Studierenden insgesamt nicht annähernd in diesem Ausmaß gestiegen ist. Ich würde wirklich gerne auf diesen Fragenkomplex näher eingehen, aber das würde die heute zur Verfügung stehende Zeit weit überschreiten. Ich bitte Sie daher, selbst darüber nachzudenken, welche Brisanz hinter dieser Entwicklung steht.

Meine Damen und Herren! Für Sozialdemokraten ist der Rechtsanspruch auf öffentliche Hilfen, wenn die eigene wirtschaftliche Kraft nicht gegeben ist, eine Selbstverständlichkeit auf dem Weg zu Chancengerechtigkeit. Die neuen Regelungen des Studienförderungsgesetzes kommen diesen unseren Vorstellungen nach, denn man will jenen, die für ihren Lebensunterhalt bereits Eigenleistung erbringen, die Möglichkeit, eine Förderung zu bekommen, auch weiterhin erhalten. Ich nutze aber die Gelegenheit dieser Debatte, hier mit aller Deutlichkeit zu sagen: Unser Ziel und auch mein ganz persönlicher Wunsch ist es nach wie vor, daß alle, die über die entsprechenden intellektuellen Voraussetzungen verfügen und die es wollen, frei und ungehindert von Sorgen für das tägliche Leben, ohne sozioökonomische oder geographische Barrieren studieren können. Die Gefahr, daß Studierende, die neben ihrem Studium arbeiten müssen, irgendwann zu Drop-outs, also zu Studienabbrechern, werden, ist leider sehr groß. Aber genau das ist dann letztendlich eine Verschwendung von öffentlichen Mitteln, kostet doch jeder Studierende Geld, auch wenn er kein Beihilfenbezieher ist.

Meine Damen und Herren! Wir sollten in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, daß für ein konkurrenzfähiges, hochentwickeltes Industrieland, das wir ja sein wollen, eine hohe Akademikerquote notwendig ist. Und diese Quote ist im internationalen Vergleich gesehen bei uns bedenklich niedrig.

Meine Damen und Herren! Bedingungen zu schaffen, daß es in unserer Gesellschaft immer mehr bestens Ausgebildete gibt, die an sinnvoll organisierten Ausbildungsstätten ihr Wissen und Können erworben haben, das ist das Ziel der heute zur Debatte stehenden Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates. Sie sind weitere Mosaiksteine für einen Boden, auf dem sich unsere Gesellschaft weiterentwickeln kann. Wir werden dadurch auch weiter damit rechnen können, gut ausgebildete, motivierte Menschen zu haben, die letztendlich dann im Berufsleben der Gesellschaft mehr geben, als sie jemals von ihr genommen haben.


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Die sozialdemokratische Fraktion wird daher den Anträgen, gegen die vorliegenden Gesetzesbeschlüsse keinen Einspruch zu erheben, die Zustimmung geben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. )

11.25

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. Ich erteile es ihm.

11.25

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich heute laut Absprache mit Kollegen Tusek auf das UOG, das Universitäts-Organisationsgesetz, konzentrieren, er wird dann über das Studienförderungsgesetz sprechen.

Mit der vorliegenden Novelle zum UOG 1993 wird dem von allen Medizinischen Fakultäten nachhaltig vorgetragenen, sachlich gerechtfertigten Wunsch entsprochen, aus der faktischen Sonderstellung dieser Fakultäten auch rechtliche Konsequenzen im Universitäts-Organisationsgesetz zu ziehen. Die Tätigkeitsbereiche der Universitätskliniken und der klinischen Institute erstrecken sich nicht nur auf Forschung, Lehre und Verwaltung, sie umfassen auch die Erbringung ärztlicher Leistungen. Das zusätzliche Aufgabenfeld Patientenversorgung unterscheidet diese Organisationseinheiten des klinischen Bereiches somit wesentlich von Einrichtungen anderer Fakultäten.

Die Arbeit der Medizinischen Fakultäten ist durch eine enge Verflechtung mit dem komplexen Krankenhausbetrieb gekennzeichnet, was für alle Beteiligten zusätzliche Belastungen, aber auch Herausforderungen zur Folge hat. Bei einer Reihe von Entscheidungen, die an Universitätskliniken, aber auch an anderen Instituten der Medizinischen Fakultäten zu treffen sind, ist häufig auf zwei Rechtsbereiche, nämlich auf das Universitätsrecht einerseits und das Krankenanstaltenrecht andererseits, Bedacht zu nehmen. Der Betrieb wird auch dadurch bedeutend erschwert, daß wesentliche Entscheidungen häufig mit zwei Rechtsträgern, nämlich dem Bund als Träger der Universitäten und dem Träger der Krankenanstalten, zu verhandeln sind. Schließlich soll auch nicht unerwähnt bleiben, daß die budgetären Dimensionen im Personal-, Investitions- und Betriebsaufwand in Milliardenhöhe die Medizinischen Fakultäten deutlich von anderen Universitätsbereichen abgrenzen.

Aus all dem ergibt sich, daß die Entscheidungsprozesse, an denen monokratische und Kollegialorgane der Medizinischen Fakultäten beteiligt sind, im allgemeinen einen höheren Schwierigkeits- und Komplexitätsgrad aufweisen, als dies bei anderen Bereichen der Fall ist. Es ist daher sachlich geboten, diesem Umstand Rechnung zu tragen und den Dekanen und Fakultätskollegien der Medizinischen Fakultäten Entscheidungskompetenzen insbesondere im Budgetbereich einzuräumen, die sonst dem Rektor und dem Senat zukommen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Die Neuregelungen zielen somit nicht auf eine Privilegierung der Medizinischen Fakultäten ab. Noch viel weniger ist beabsichtigt, das in sich schlüssige Gefüge des UOG 1993 in Frage zu stellen. Es handelt sich lediglich um notwendige Nachjustierungen. In diesem Zusammenhang darf darauf verwiesen werden, daß sich der Gesetzgeber schon beim UOG 1993 dazu entschlossen hat, Sonderbestimmungen für den klinischen Bereich der Medizinischen Fakultäten vorzusehen. Obgleich die Medizinischen Fakultäten und deren Regelungsbedarf die Kernpunkte des heute zu diskutierenden Gesetzesbeschlusses des Nationalrates darstellen, scheinen mir darüber hinaus zwei Bestimmungen besonders erwähnenswert zu sein.

Die Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Wien, die als Krankenanstalt des Bundes geführt wird und daher nicht dem AKH Wien angehört, hat in den letzten Jahren durch gezielte betriebswirtschaftliche Maßnahmen eine deutliche Verbesserung ihrer wirtschaftlich relevanten Daten erzielen können. Die Klinik ist durchaus in der Lage, einen wesentlichen Teil des Personals aus eigenen Einnahmen zu bezahlen. Mit der vorliegenden Novelle zum UOG 1993 soll deshalb auch die Möglichkeit geschaffen werden, ärztliche Leistungen, die von wissenschaftlicher Relevanz sind, im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit der Klinik zu erbringen. Die


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Einnahmen, die daraus erzielt werden, sollen auch für die Anstellung und Bezahlung von Personal verwendet werden dürfen.

Von ähnlichen Überlegungen geht auch die beabsichtigte Neuregelung für die Veterinärmedizinische Universität Wien aus. Die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten des modernst eingerichteten Neubaus dieser Universität haben die Attraktivität dieser Institute und Kliniken erheblich gesteigert. Mit den steigenden Tierpatientenzahlen gehen höhere Einkünfte Hand in Hand, aber auch vermehrte Anforderungen an die Arbeitsleistung der Tierärzte und des Pflegepersonals. Es ist nicht erforderlich, alle kurativen Leistungen – namentlich solche, die mit der Lehre, also mit der Berufsausbildung der künftigen Tierärzte, in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen – ausschließlich von Bediensteten erbringen zu lassen, für die Planstellen des Bundes benötigt werden.

Der Gesetzesbeschluß des Nationalrates bietet auch da eine sinnvolle Alternative zu einer unerwünschten Ausweitung des Stellenplans des Bundes und erhöht überdies die Dispositionsfreiheit der Universität durch eine Ausweitung der Teilrechtsfähigkeit. Durch privatrechtlich gestaltete Arbeitsverhältnisse, die dem Angestelltengesetz unterliegen, soll die Universität im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit auch in die Lage versetzt werden, jungen Absolventen nach ausländischem Vorbild die Möglichkeit einer mehrjährigen Spezialisierung im klinischen Bereich der Veterinärmedizinischen Universität zu bieten. Beide Maßnahmen dienen sowohl dem Interesse des Bundes, als auch der beteiligten Universitäten und sind daher zu begrüßen.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die geplanten Neuregelungen eine sinnvolle Weiterentwicklung des Organisationsrechts der österreichischen Universitäten sind. Meine Partei wird daher die Zustimmung zu diesem Gesetz erteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Tusek. – Bitte.

11.32

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Inhaltlich werde ich – wie Kollege Vincenz Liechtenstein betonte – auf das Studienförderungsgesetz im besonderen eingehen, und ich darf an meine Vorrednerin, Frau Vizepräsidentin Haselbach, lückenlos anschließen.

Gerade die qualifizierte Ausbildung von Akademikern ist und muß ein ganz wichtiges Anliegen unseres Staates und unserer Gesellschaft sein. Wie die Frau Vizepräsidentin erklärte, sind die Akademikerzahlen in Österreich erschreckend niedrig, aber wie ich gestern in meiner Debatte anläßlich der Erklärung des Landeshauptmannes von Oberösterreich bereits von dieser Stelle aus sagte, wird Wissenschaft und Forschung das wesentlichste Kapital für die nächsten Jahre und für die Sicherung des Wirtschaftsstandortes in Österreich sein.

Generell erlauben Sie mir, daß ich zur Studienförderung folgendes betone: Es ist für mich ein grundlegendes und äußerst wichtiges Ziel, daß alle Studenten – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und dem Einkommen der Eltern – ein Studium absolvieren können. Das ist für mich der entscheidende und wesentliche Grundsatz im Bereich der Studienförderung.

Der heute zur Debatte stehende Gesetzesbeschluß des Nationalrates über die Änderung des Studienförderungsgesetzes von 1992 stellt im wesentlichen eine Anpassung an die neue Rechtslage dar. Das alte Studienförderungsgesetz war in den Anspruchsvoraussetzungen auf das Allgemeine Hochschul-Studiengesetz und der darauf basierenden Studienpläne abgestimmt. Das Problem, das sich nun stellt, ist, daß dieses Gesetz ab Wintersemester 1997/98 außer Kraft tritt und das neue Universitäts-Studiengesetz an seine Stelle treten wird.

Würden wir nun das bestehende Studienförderungsgesetz nicht novellieren, wäre das Studienförderungsgesetz auf dieser von mir ausgeführten Basis nicht mehr zu vollziehen. Daher ist der


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primäre Zweck dieses Gesetzesbeschlusses eine Anpassung an die neue Rechtssituation, insbesondere was die Regelung über die Zulassung, die Anrechnung von Studienzeiten und die Anerkennung von Prüfungen betrifft; weiters wird das individuelle Diplomstudium anstelle des Studium irregulare anerkannt.

Weiters – das wurde von beiden Vorrednerinnen in unterschiedlicher Punktation auch schon ausgeführt – wird in diesem Gesetz für die Frage der Beschäftigung neben dem Studium eine klare und eindeutige Regelung geschaffen. Während der Studienzeiten ist eine Beschäftigung bis zur Geringfügigkeitsgrenze möglich, ohne dadurch den Anspruch auf die Studienbeihilfe zu verlieren. Ich bin den Verhandlern des Nationalrates sehr dankbar, daß sie es nach langen und zähen Verhandlungen geschafft haben, die ursprünglich vorgesehene Zeit der Ferialbeschäftigung, die nur für die Hauptferien beziehungsweise Sommerferien gegolten hätte, wesentlich zu verlängern: Laut diesem Gesetzesbeschluß kann nun von den Studierenden in allen Ferien eine Beschäftigung über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus wahrgenommen werden. Ich halte das für sehr gut, und, Frau Kollegin Moser, inhaltlich stimmen wir in diesem Zusammenhang überein. Sie haben den seltenen Ausnahmefall der lehrveranstaltungsfreien Zeiten erwähnt. Ich glaube, daß in 95 oder 99 Prozent der Fälle die Ferienzeiten mit lehrveranstaltungsfreien Zeiten ident sind, sodaß diese Regelung durchaus günstig ist und annehmbar erscheint.

Wichtig ist, daß man – ich sagte es bereits eingangs – die Möglichkeit hat, unabhängig von seiner Herkunft, unabhängig vom Einkommen der Eltern, tatsächlich ein Studium machen zu können. Das halte ich für das Entscheidende und Wesentliche, und daher werde ich gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Berichterstattung wünscht kein Schlußwort.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Wir stimmen ab über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz 1992 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten, das UOG 1993, geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

20. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von Aktien der Bank Austria Aktiengesellschaft (486/A und 814/NR sowie 5516/BR der Beilagen)


Bundesrat
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21. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nullkuponfondsgesetz geändert wird (487/A und 815/NR sowie 5517/BR der Beilagen)

22. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von Bundesvermögen (Privatisierungsgesetz) (736 und 818/NR sowie 5518/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zu den Punkten 20 bis 22 der Tagesordnung, über welche die Debatte wieder unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Veräußerung von Aktien der Bank Austria Aktiengesellschaft,

ein Bundesgesetz, mit dem das Nullkuponfondsgesetz geändert wird, und

ein Bundesgesetz über die Veräußerung von Bundesvermögen (Privatisierungsgesetz).

Die Berichterstattung über die Punkte 20 bis 22 hat Herr Bundesrat Karl Hager übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Karl Hager: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von Aktien der Bank Austria AG.

Durch den gegenständlichen Beschluß des Nationalrates wird der Entschließung des Nationalrates vom 14. Jänner 1997 hinsichtlich des Verkaufs der Bundesanteile an der Bank Austria Rechnung getragen.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe nun den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nullkuponfondsgesetz geändert wird. Der Text des Berichtes liegt vor.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters liegt der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von Bundesvermögen (Privatisierungsgesetz) schriftlich vor.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Rockenschaub. – Bitte.


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11.42

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hintergrund der Anteilsveräußerung der Bank Austria ist bekanntlich die Privatisierung der Creditanstalt Bankverein. Die Republik Österreich hat – an der Spitze ihre Regierung – einen jahrelangen Leidensweg hinter sich gebracht, angereichert mit Peinlichkeiten, auch Blamagen auf internationaler Ebene, ich erinnere an die Sache mit der Schweizer Bankengruppe vor Jahren, die an der CA Interesse gehabt hat. Die CA-Privatisierung hat dann vorläufig mit einem veritablen Crash in der Regierung geendet, und die Fortsetzung dieser Angelegenheit steht heute zur Beratung an.

Die Neuordnung der Eigentümerstruktur der österreichischen Banken, von deren Notwendigkeit wir alle überzeugt sind, ist dominiert von Parteieneinfluß, von Parteibuchwirtschaft und Machtspielen. Ich nenne als Stichwort die Namen Praschak und Scholten.

Nach zuerst jahrlangem Dauerschlaf wird jetzt eine Ho-ruck-Aktion durchgezogen. Freuen dürfte sich auf das Ganze die Wiener Städtische, denn diese Anstalt hat über den "Standard" verlauten lassen, daß sie billig zugreifen wird – wörtliches Zitat –, wenn es zur Veräußerung der entsprechenden Anteile kommt. Damit wollen wir Freiheitlichen nichts zu tun haben, das müssen Sie alleine beschließen.

Das Nullkuponfondsgesetz ist nichts anderes als kreative Buchhaltung Marke Maastricht, wir haben einen ähnlichen Vorgang bereits gestern bei der ASFINAG-Umgründung erlebt. Es ist dies für mich ein weiterer Beweis dafür, daß diese Maastricht-Kriterien bei weitem nicht das aussagen, was von den politischen Spitzen Europas vorgegeben wird. Da wird geschummelt, getarnt, getäuscht, und auch da wollen wir nicht zustimmen.

Das Privatisierungsgesetz, meine Damen und Herren, ist ein Rückfall in alte Zeiten der Republik Österreich, es ist ein Rückfall in den rot-schwarzen Proporz auf höchster Ebene.

Ich glaube, daß durch diese Novelle dafür gesorgt wird, daß bei der Privatisierung in Zukunft weniger weitergeht als bisher, weil dadurch verstärkt die schwarz-rote Aufteilung der Posten und der Einfluß in den Vordergrund gelangen werden. Es soll jemand erklären, warum ein Unternehmensverkauf effizienter über die Bühne gehen soll, wenn die gesamte Bundesregierung damit befaßt wird als nur der fachlich zuständige Minister. Dies möge von Wirtschaftsexperten auf Regierungsseite erklärt werden, ich bin gespannt darauf.

Insgesamt bleibt uns nichts anderes übrig, als alle drei Vorlagen abzulehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. h. c. Mautner Markhof. – Bitte.

11.45

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das uns heute vorliegende Dreierpaket umfaßt, wie schon gesagt, die Nationalratsbeschlüsse betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von Aktien der Bank Austria AG, ein Bundesgesetz, mit dem das Nullkuponfondsgesetz geändert wird, und ein Bundesgesetz über die Veräußerung von Bundesvermögen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich heute vor allem auf das Thema Veräußerung von Bundesvermögen konzentrieren. Dabei möchte ich allerdings eher auf allgemeine Aspekte in puncto Privatisierung eingehen und weniger auf das Verfahren, das Gegenstand des vorliegenden Gesetzes ist.

Gerade die Diskussion der letzten Monate und nicht zuletzt auch die Debatte im Nationalrat haben vielleicht wieder einmal aufgezeigt, daß in diesem Lande die grundsätzlichen Überlegungen darüber möglicherweise fehlen, welche Aufgaben vom Staat und welche Aufgaben von privaten Unternehmen übernommen werden sollen. Mir kommt es manchmal so vor, daß wir


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629. Sitzung / Seite 204

uns schon daran gewöhnt haben, viele Dienstleistungen aus staatlicher Hand zu empfangen, daß wir uns gar nicht überlegen, ob es sich überhaupt um die optimale Lösung handelt. Natürlich liegt einem etwa jenes Beispiel auf der Zunge, bei dem der Personenverkehr auf der Strecke nicht weit von Wien von drei staatlichen und einem privaten Unternehmen bedient wird, wobei nur ein Unternehmen etwas dabei verdient, nämlich das private.

Aber ich möchte in diesem Zusammenhang weder polemisch noch ideologisch agieren. Vielmehr halte ich es für außerordentlich wichtig, daß man bei dieser Frage – was ist Sache des Staates versus Privatisierung? – pragmatisch vorgeht und überlegt, was die jeweiligen Notwendigkeiten sind.

In diesem Zusammenhang möchte ich eine Frage in den Raum stellen: Was, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist denn der anzustrebende Idealzustand? – Ich meine, der Idealzustand ist dann gegeben, wenn der Finanzminister beziehungsweise die öffentliche Hand größtmögliche Einnahmen bei bestgehendster Wirtschaft erzielt, ohne – ich betone: ohne – dabei den Steuerzahler zu belasten. Dies ist aber wiederum dann am ehesten zu erreichen, wenn das Land über eine große Anzahl gutgehender Betriebe und über eine große Anzahl erfolgreicher Wirtschaftstreibender verfügt, wobei die Menge ein hohes Steueraufkommen bescheren soll und nicht ein hoher Steuersatz, der nämlich, wie sich an vielen Beispielen zeigt und gezeigt hat, kontraproduktiv ist.

Meine Damen und Herren! Nach meinem Dafürhalten und nach den Erfahrungen der Vergangenheit hat in unternehmerischen Belangen die Privatinitiative Vorrang vor der staatlichen Aktivität. Und ich plädiere sehr dafür, daß wir auseinanderhalten, was weiterhin als öffentliche Dienstleistung als Public service notwendig ist und was von Privaten besser und vor allem Steuerzahler schonender erbracht werden kann.

Um die wieder stärker aufflammende Diskussion um die Thematik Staat oder privat etwas zu relativieren, möchte ich Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ans Herz legen, sich wieder einmal mit der Entstehungsgeschichte unseres Verstaatlichungsgesetzes auseinanderzusetzen. Denn damals standen nicht so die ideologischen Überlegungen im Vordergrund, sondern vielmehr nachkriegsbedingte Notwendigkeiten.

Im Zusammenhang mit den heute vorliegenden Gesetzen möchte ich auch den Themenkreis Aktien und Börse kurz anschneiden. Die Österreicherinnen und Österreicher verfügen über ein Geldvermögen in der Höhe von etwas mehr als 3 500 Milliarden Schilling, wovon bisher nur ein geringer Anteil in Aktien angelegt ist. Das heißt, es ist ein Gebot der Stunde, mit entsprechenden Maßnahmen und entsprechenden Promotionen die Sparer dazu zu bewegen, einen Teil ihrer Ersparnisse in Aktien anzulegen. Man hat bei vergangenen Börsengängen von Unternehmen ja gesehen, daß es durchaus eine Bereitschaft gibt, in heimische Unternehmen zu investieren. Ich erachte es daher für sinnvoll, auch bei Bankprivatisierungen den österreichischen Streubesetz zu fördern, die private Anlegerschaft zu nutzen und diese mit kleinen strategischen Führungsgruppen sinnvoll zu kombinieren.

Ein weiterer wesentlicher Punkt im Zusammenhang mit dem heimischen Aktienmarkt ist der Ausbau der zweiten und dritten Säule der Pensionsvorsorge, nämlich der Aufbau von Pensionsfonds beziehungsweise Pensionskassen. Denn diese werden nicht nur bei uns in Zukunft das System der sozialen Sicherheit unterstützen, sondern sie sind auch als Investoren für das Funktionieren der Wirtschaft von größter Bedeutung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Thema Banken möchte ich auch noch auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen. Was die Ausgewogenheit von Kundeninteressen und Eigeninteressen einer Bank betrifft, so hat für mich der amerikanische Banking Act aus dem Jahr 1933 große Vorbildwirkung. Dieser Banking Act hindert amerikanische Banken daran, größere Anteile an Unternehmungen zu halten, das erlaubte Maximum ist ein Anteil von 5 Prozent. Ich halte eine derartige Regelung im Sinne der Vermeidung von Interessenkonflikten für außerordentlich wichtig.


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Meine Damen und Herren! Eine funktionierende Wirtschaft braucht das gute Zusammenspiel von Unternehmen, Banken und Börse, und eine funktionierende Wirtschaft braucht ebenso eine gut ausgebildete, effizient arbeitende Beamtenschaft, die ihre ureigensten hoheitsrechtlichen Aufgaben erfüllt. Dabei möchte ich auf eine neue, an der Wirtschaftsuniversität erarbeitete Studie hinweisen, die die Dauer gewerberechtlicher Genehmigungsverfahren für Betriebsanlagen untersuchte. Demnach konnte die Dauer der Genehmigungsverfahren innerhalb der letzten drei Jahre in Österreich im Durchschnitt fast halbiert werden – wobei jedoch zwischen den einzelnen Bundesländern noch enorme Unterschiede zu verzeichnen sind. Positiv stechen dabei vor allem Salzburg und Oberösterreich hervor.

Man sieht anhand der Studie sehr deutlich, daß entsprechende Maßnahmen auch zu erwünschten Ergebnissen führen, und ich bin überzeugt davon, daß eine gut funktionierende, schlanke Verwaltung der Beamtenschaft wieder zu jenem hohen Ansehen in der Öffentlichkeit verhelfen wird, das sie früher innehatte, das aber in jüngster Vergangenheit doch etwas gelitten hat.

Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Abschluß meiner Ausführungen kommen. Die Novellierung des Nullkuponfondsgesetzes beruht auf einer EU-Richtlinie und ist ein weiterer Schritt zur Erfüllung der Maastricht-Kriterien.

Das Bundesgesetz über die Veräußerung von Aktien der Bank Austria sowie das Bundesgesetz über die Veräußerung des Bundesvermögens sind ein Schritt in Richtung Privatisierung mit möglichst breiter Streuung.

Meine Parteifreunde und ich erheben daher gegen diese Gesetze keinen Einspruch. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konečny. – Bitte.

11.52

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich gebe zu, die Versuchung, meine Ausführungen auf die geringfügig modifizierte Wiederholung der Schlußworte des Kollegen Mautner Markhof zu beschränken, ist eine große. Ich hätte gute Lust, mich darauf zu beschränken, zu sagen, daß meine Fraktion gegen diese drei Vorlagen – namentlich hinsichtlich des Bundesgesetzes über den Verkauf der Bank Austria Anteile – keinen Einspruch erheben wird, es dann dabei bewenden zu lassen, mich niederzusetzen und das andere der Geschichte zu überlassen.

Ich glaube aber, es wäre nicht korrekt, nicht auch öffentlich zu machen, daß ich mir beim Aussprechen dieses Satzes sehr schwer tue. – Jawohl, wir werden gegen dieses Bundesgesetz keinen Einspruch erheben, aber es ist diese Zustimmung mit Sicherheit lediglich mit einer kritischen Abwägung von Interessen zu begründen, nicht mit dem Bundesgesetz selbst.

Worum geht es? – Es geht darum – niemand stellt dieses Prinzip in Zweifel, wir am allerwenigsten –, den sozusagen zwischengeparkten Bundesanteil der Bank Austria zu verkaufen. Aber ich brauche keine großen banktechnischen Detailkenntnisse, es genügt die allgemeine Lebenserfahrung, um zu erkennen, daß ein Verkäufer, der sich nach dem Motto "Schlußverkauf – Rabatt" darauf festlegt, bis zum 31. Dezember – und vielleicht noch drei Monate länger, aber "Alles muß raus!", heißt es dann auf den Schaufenstern – zu verkaufen, nicht die allergünstigsten Voraussetzungen für die Erzielung des besten Preises schafft.

Es gibt eine Gegenüberlegung, und diese ist es, warum ich meine, daß es politisch denkmöglich ist, diesem Gesetz zuzustimmen. Die Bank Austria, das größte Geldinstitut dieses Landes, hat es nicht verdient, als Opfer einer politischen Rachediskussion um Geschäftsmöglichkeiten gebracht und mit zusätzlichen Kosten belastet zu werden – das ist ja schon passiert. Die Bank Austria, die als Leitunternehmen dieser Branche, als nunmehriger Eigentümer der Creditanstalt-Aktien alle Chancen bietet, eine solide Finanzstruktur, von der die österreichische Wirtschaft


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letztlich nur profitieren kann, entscheidend mitzugestalten, sollte von allen, auch von jenen – ich respektiere, daß es dazu andere Meinungen gab –, die andere Eigentümer der CA lieber gesehen hätten, nach ihren Leistungen beurteilt werden und nicht aus einem Klima des Revanchismus heraus. Das niedrigere Rating der Bank Austria ist nicht nur ein psychologischer Schlag, so etwas kostet bekanntlich auch schlicht und einfach Geld.

Ich kann mit dieser Beurteilung nur einen Appell verbinden: nämlich eine Diskussion, die denen, die sie immer wieder anzetteln, nichts bringen kann, aber denen, über die sie angezettelt wird, nämlich der Bank Austria, viel kosten kann, zu unterlassen. Ich kann daher unsere Zustimmung zu dieser gesetzlichen Regelung nur damit begründen, daß das eine Vorleistung im Zusammenhang mit dem Wunsch ist, zu einer Beruhigung, zur Schaffung von ruhigen Geschäftsmöglichkeiten für die größte österreichische Bank zu kommen.

Zu den gesetzlichen Regelungen über die Veräußerung von Bundesvermögen: Das ist kein Rückgriff in vergangene Zeiten, es ist ein Versuch, eine klare Regelung, wenn Sie wollen, eine Geschäftsordnung der Bundesregierung zu schaffen; Ihre Sprecher im Nationalrat und andere Oppositionssprecher haben das kritisiert, nach dem Motto: Was brauchen wir dazu ein Bundesgesetz? – Ich sage in aller Bescheidenheit: Das Parlament sollte sich nicht darüber beklagen, wenn es aufgerufen ist, Regelungen, die die Regierung auch in ihrer inneren Tätigkeit binden, zu beschließen. Mag sein, daß jene, die das gerufen haben, das Gesetz nicht brauchen, aber es schafft, wie gesagt, eine Art Geschäftsordnung, aufgrund derer die gesetzliche Ermächtigung durch einen nachfolgenden Beschluß der Bundesregierung gewissermaßen noch einmal sanktioniert werden muß.

Österreich als ein kleines und trotz aller Erfolge der letzten drei Jahrzehnte im Vergleich immer noch kapitalarmes Land muß alles Interesse daran haben, wesentliche Kerne seiner industriellen, seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Lande selbst zu behalten. Es ist keine Frage, daß das einem Land von der Größe Österreichs nicht für alle Bereiche und alle Branchen gelingen kann, aber gerade bei den zentralen, für die Struktur und die künftige Entwicklung unseres Landes entscheidenden Bereichen haben wir gute Chancen. Das bedeutet nicht, daß es nicht zu Partnerschaften mit Ausländern, mit ausländischen Firmen kommen kann und kommen soll – zu Partnerschaften, die letztlich unsere eigenen Möglichkeiten stärken, aber eben auch zu Partnerschaften, in denen ein hohes Maß an Entscheidungskompetenz in unserem Land selbst verbleibt.

Dabei geht es nicht um die Aufrechterhaltung politischen Einflusses, aber es ist keine Frage, daß die Gesprächsmöglichkeiten – das gilt für die Bundespolitik, das gilt für die Gewerkschaften, das gilt aber gerade auch für die Bundesländer – mit Unternehmen, deren entscheidende Eigentümer und Manager weiterhin in diese, wenn man will, Schicksalsgemeinschaft eines Volkes eingebunden sind, eine ungleich andere, eine bessere ist, als wenn man mit Menschen zu sprechen und zu verhandeln hat, die den Betrieb oder den Stützpunkt in Österreich lediglich als Bilanzposition oder als Position in der Gewinn- und Verlustrechnung betrachten.

Wie gesagt, wir sollten – das ist in Richtung unseres Partners gesprochen – eine Diskussion, die niemandem nützen, aber vielen schaden kann, beenden. Betrachten Sie unsere Zustimmung zu dieser gesetzlichen Regelung als einen offensiven Beitrag, um diese Diskussion zu beenden, und halten Sie sich bitte in Zukunft daran – im Interesse der österreichischen Geldwirtschaft und letztlich im Interesse unseres Landes! (Beifall bei der SPÖ.)

12.01

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Von der Berichterstattung wird ebenfalls kein Schlußwort verlangt.

Wir kommen daher zur Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates, die getrennt erfolgt.


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629. Sitzung / Seite 207

Wir stimmen über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von Aktien der Bank Austria Aktiengesellschaft ab.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Nullkuponfondsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von Bundesvermögen, nämlich dem Privatisierungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

23. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Abschluß von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen geändert wird (740 und 819/NR sowie 5519/BR der Beilagen)

24. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Leistung eines zusätzlichen Beitrages zum Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) (744 und 820/NR sowie 5520/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 23 und 24 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Abschluß von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen geändert wird, und

ein Bundesgesetz über die Leistung eines zusätzlichen Beitrages zum Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung.

Die Berichterstattung über die Punkte 23 und 24 hat Herr Bundesrat Hager übernommen. Ich darf ihn um die Berichte bitten.

Berichterstatter Karl Hager: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Abschluß von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen geändert wird, liegt in schriftlicher Form vor.


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629. Sitzung / Seite 208

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ebenso liegt der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Leistung eines zusätzlichen Beitrages zum Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) schriftlich vor.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss (den Vorsitz übernehmend): Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

12.05

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Wie schon der Berichterstatter dargelegt hat, kam mit einstimmiger Beschlußfassung im Ausschuß zustande, daß dem Abschluß von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstituten zugestimmt wird. Gegen den zusätzlichen Beitrag zum Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung erheben wir jedoch Einwendungen und stimmen diesem nicht zu.

Der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung wurde 1977 gegründet. Österreich ist eines der Gründungsmitglieder. Die erste Fondswiederauffüllung erfolgte 1982 mit 74 550 000 S, die zweite Fondsauffüllung erfolgte 1986 mit 76 795 785 S, die dritte Fondsauffüllung erfolgte 1991 mit 79 970 783 S, und die vierte Fondsauffüllung erfolgt, so Sie diese heute nicht mit uns ablehnen, heuer mit 74 691 045 S.

Meine Damen und Herren! Was ist es, das uns an dieser Fondsauffüllung irritiert? – Es ist die Freiwilligkeit, die uns wieder einmal vermutlich unter dem Namen "internationale Solidarität" Leistungen für eine Organisation abverlangt, welche für uns nicht kontrollierbar ist. In den Erläuterungen steht auf Seite 2: Österreich profitiert von dieser Regelung, indem es für die Jahre 1997 bis 1999 einen stellvertretenden Exekutivdirektor in den Exekutivrat entsenden wird. – Ein eigenartiger Profit, den die Republik Österreich von dieser Zustimmung haben wird! Das heißt, daß wir zusätzlich zu den Kosten noch dieser Person – es sei ihr vielleicht sogar gegönnt, mag sein – ein sehr lukratives Einkommen verschaffen.

Wo bleibt die Kontrolle, meine Damen und Herren? – Auf diesen Punkt wies sehr treffend – wie so oft – auch "Staberl" hin, jener "Staberl", welcher meist die Sache richtig trifft. Er meint, die Freiwilligkeit müßte ihre Grenzen haben. – Ich glaube auch, meine Damen und Herren, daß die Freiwilligkeit Grenzen haben muß: nämlich wenn Jugendliche keine Arbeitsplätze mehr bekommen. Sie werden wahrscheinlich einmal fragen, wer die Schuldigen sind. Ich könnte den Jugendlichen die Antwort leichten Herzens geben: Die Schuldigen sitzen in der Regierung, die Schuldigen sitzen in der Koalition, die Schuldigen sitzen im Parlament bei der Koalitionsmehrheit, sie tragen dazu bei, daß Jugendliche keine Arbeitsplätze haben, daß wohlerworbene Rechte der Pensionisten und ihre Pensionen in Frage gestellt werden, daß eine Verunsicherung sondergleichen in diesem Land um sich greift. Aber wir haben die Möglichkeit, freiwillig ... (Bundesrat Schaufler: Was nicht stimmt! Keiner greift in bestehende Pensionen ein! Nehmen Sie das zur Kenntnis!) Ich nehme sehr viel zur Kenntnis – allein mir fehlt der Glaube! Nehmen Sie das zur Kenntnis, Herr Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es zwingt also dieses Hohe Haus nichts, diese freiwillige Leistung à fonds perdu, also in ein Faß ohne Boden zu leeren! Die Kontrollierbarkeit besteht nicht. Ich kann mir vorstellen, daß Herr Kollege Penz jetzt herauskommen und sagen wird: Es ist gut, daß wir das zahlen. Es gibt in diesen und jenen Ländern gewisse Möglichkeiten, daß sich die Landwirtschaft dort entwickeln läßt. – Geben wir das doch den Österreichern, daß sie sich entwickeln! Denn wir sinken auch


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langsam auf das Niveau eines Dritte-Welt-Staates herunter, wenn weiterhin so gewirtschaftet wird. (Bundesrätin Kainz: Das ist eine Unterstellung!) Werfen wir doch nicht das gute Geld in Gegenden hinaus, wo sich nach Jahren feststellen läßt, daß das, was dort eingezahlt wurde, nicht vorhanden ist! Schauen Sie doch das Entwicklungshilfetheater an: Dort stehen Ruinen, Palmen wachsen aus dem Fabriksgelände, und der Biotop ergreift wiederum Besitz von einer Neoindustrialisierung, die sich dort nicht ereignet hat! Sie wollen die österreichische Landwirtschaft exportieren, nicht Güter, sondern die Idee, und hoffen, daß das gut ist. Seien Sie doch ehrlich, und geben Sie es den Österreichern!

6 000 Österreicher könnten jährlich 1 000 S monatlich bekommen. Wäre ein Zuschuß von 1 000 S nicht etwas für die ärmsten Österreicher? – Diese hätten zumindest etwas davon! Vielleicht ist das der Tausender, von dem man uns einmal gesagt hat, daß uns die EU Geld bringt! 1 000 S könnten wir uns monatlich ersparen. Diesen Tausender könnten wir für 6 000 Österreicher sparen! Befolgen Sie doch diesen Rat, folgen Sie ihm! Es ist nicht gut, sich zu freiwilligen Leistungen auf Dauer verpflichten zu lassen, denn das schafft Abhängigkeit, meine Damen und Herren! Das gemahnt daran, daß eventuell einmal gesagt werden könnte: Österreich ist diesen Ländern gegenüber tributpflichtig, weil es hier ein bißchen besser geht. – Ich lehne diesen Tribut an jene Länder ab, und zwar auch deshalb ab, weil die Verwendung desselben von Ihnen, Herr Kollege Penz, und von uns nicht überprüft werden kann und weil das im Endeffekt eigentlich ein Rausschmiß des Geldes zu Lasten des österreichischen Steuerzahlers und zu Lasten der Ärmsten hier in diesem Land ist. Folgen Sie daher unserem Rat: Stimmen Sie nicht zu! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Johann Penz. Ich erteile es ihm.

12.13

Bundesrat Ing. Johann Penz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die zur Debatte stehenden Materien, welche die internationale Kooperation im Rahmen der Entwicklungspolitik, die Förderung der landwirtschaftlichen Entwicklung in der Dritten Welt und die Entschuldung von Entwicklungsländern im Bereich der bilateralen Entwicklungshilfe betreffen, sollten auch Anlaß sein – in diesem Punkt gebe ich Kollegen Gudenus recht –, Probleme anzusprechen, die in der oft hingebungsvoll gepflegten österreichischen und europäischen Nabelschau unterzugehen drohen.

Ich möchte damit kein Problem, das uns berührt und das uns in den vergangenen Wochen und Tagen intensiv berührt hat, minimieren oder gar bagatellisieren. Das liegt mir fern. Wenn wir aber globale Entwicklungen vor Augen haben und die Relation der Probleme zu sehen bereit sind, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, dürfen wir uns glücklich schätzen, in einem gesegneten Teil dieser Erde und in einem Land zu leben, das zu den reichsten Staaten dieser Welt zählt. (Bundesrat Mag. Gudenus: Wie lange noch bei dieser Regierung?) Daher tragen wir aber auch Mitverantwortung.

Herr Kollege Gudenus! Wenn uns schon derartige Finanz- und Budgetsorgen plagen, um wieviel dramatischer ist dann die Situation in den ärmsten Regionen dieser Erde! Es sollte uns bewußt sein, daß vieles von dem, was in der Dritten Welt geschieht oder nicht geschieht, unmittelbare Rück- und Auswirkungen auf uns und damit auch auf unsere Zukunft hat. Daher müssen wir die Bedeutung der konstruktiven Entwicklungszusammenarbeit mit den Ländern der Dritten Welt erkennen und diese Entwicklungszusammenarbeit auch fördern. Sie ist eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die Sicherung des Weltfriedens und auch für eine umweltverträgliche und nachhaltige Entwicklung aller Volkswirtschaften, wobei vor dem Hintergrund des Hungers und der Unterernährung in der Welt der Landwirtschaft natürlich eine zentrale Rolle zukommt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im erst kürzlich vorgestellten Jahresbericht der UNO wurde festgestellt, daß es insgesamt durchaus bemerkenswerte Fortschritte bei der Bekämpfung von Armut und Hunger gegeben hat. Allerdings hat sich gleichzeitig die Lage jener,


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die bisher schon nichts gehabt haben, dramatisch verschlechtert. Obwohl in den vergangenen Jahren und im vergangenen Jahrzehnt der Anteil des Handels am Bruttoinlandsprodukt weltweit gestiegen ist, ist dieser in 44 Entwicklungsländern – das ist im Bericht der UNO nachzulesen –, deren Bevölkerungszahl weit über 1 Milliarde liegt, abgesackt. Die am wenigsten entwickelten Länder halten mit einem Anteil von 10 Prozent der Weltbevölkerung laut diesem Bericht nur 0,3 Prozent des Welthandels, das ist die Hälfte ihres Anteils vor 20 Jahren. (Bundesrat Mag. Gudenus: Trotz unserer Hilfe in der letzten Zeit! Da sieht man, daß das ein Tropfen auf den heißen Stein ist, der verdampft wie nichts!) Ich will damit nur belegen, daß sich die Situation in den vergangenen Jahren wesentlich verschlechtert hat. Der Anteil der ärmsten 20 Prozent der Weltbevölkerung am Welteinkommen ist von 2,3 Prozent im Jahre 1960 auf heute 1,1 Prozent gesunken, und die Tendenz ist weiter fallend.

Herr Kollege Gudenus! Es wäre ein fataler Irrtum zu sagen, wir sollen, weil die Situation schlechter geworden ist, überhaupt nichts tun und die Entwicklungshilfe zur Gänze einstellen. Es ist weitaus vernünftiger, in Anbetracht dieser Situation zu lernen und uns zu fragen: Wie können wir die Entwicklungshilfe weiter verbessern, um den Armen in der Welt zu helfen? – Herr Kollege Gudenus! Sie äußern hier Ansichten, die ich wirklich nicht teilen kann! Ich verstehe Ihre Weltanschauung überhaupt nicht! (Bundesrat Meier: Die versteht niemand!) Ich habe Sie, auch aufgrund Ihrer Herkunft, bisher für einen gehalten, der anderen gegenüber bereit wäre, Verantwortung zu tragen. Vergessen Sie bitte nicht, daß heute noch immer 1,3 Milliarden Menschen täglich von weniger als 1 Dollar leben müssen! Das ist die Realität! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht um einen Schuldennachlaß von zunächst einmal 1,750 Milliarden Schilling. Das entspricht einem Pro-Kopf-Verzicht in Österreich von 212 S, das können Sie umrechnen, aufgeteilt auf 45 Jahre, also bis zum Jahr 2042.

Meine Damen und Herren! Ich möchte einen Vergleich anstellen, der wie jeder Vergleich hinkt, der aber zeigen soll, worüber wir diskutieren: Der Spielumsatz der österreichischen Kasinos, errechnet aus der Differenz zwischen den Spieleinsätzen und den Gewinnauszahlungen, hat im Jahr 1996 brutto 2,5 Milliarden Schilling betragen, das ist beinahe das Doppelte von dem, was wir an Schuldenverzicht leisten.

Ich bin auch überzeugt, daß der Beitrag Österreichs ... (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Das ist eine sehr kluge Bemerkung, Herr Gudenus! Das wissen wir alle! Ich bin auch überzeugt, daß der Beitrag Österreichs von rund 75 Millionen Schilling zur Wiederauffüllung des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung, dessen Gründungsmitglied – das hat mein Vorredner auch erwähnt – Österreich ist, nicht nur richtig ist, sondern daß diese Entscheidung auch wichtig ist.

Die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern würde bis zum Jahr 2014 laut einer Studie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, der FAO, zusätzliche Bruttoinvestitionen in Höhe von 31 Milliarden Dollar jährlich benötigen, um die Menschen einigermaßen vernünftig ernähren zu können. Investitionen in die Entwicklung der Landwirtschaft sind daher der Schlüssel. Herr Kollege Gudenus! Sie stammen aus der Landwirtschaft. Ich bin überzeugt, Sie teilen meine Meinung: Investitionen in die Entwicklung der Landwirtschaft sind der Schlüssel, um Nahrung für alle Menschen zu haben.

Ernährungssicherheit ist für den Kampf gegen Hunger, Unterernährung und Armut natürlich entscheidend. In den nächsten 30 Jahren muß die Nahrungserzeugung um mehr als 75 Prozent gesteigert werden, um mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten zu können. Im Jahr 2025 gilt es nämlich, 9 Milliarden Menschen dieser Erde zu ernähren, im Gegensatz zu heute 5,8 Milliarden Menschen.

Wir können, ja wir dürfen uns einfach nicht damit abfinden, daß Hunger und Unterernährung weiterhin die Entwicklungschancen von rund 20 Prozent der Weltbevölkerung verhindern. Herr Kollege Gudenus! Das ist, so darf ich sagen, von meiner Position her unmoralisch!


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Nach Angaben der FAO sind allein in den Entwicklungsländern rund 800 Millionen Menschen chronisch unterernährt, darunter 200 Millionen Kinder, die täglich Hunger leiden. Millionen Menschen sind zudem nicht nur mangelhaft ernährt, sondern haben auch keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Daher ist Nahrungsmittelhilfe in Katastrophenfällen, wie beispielsweise jetzt in den letzten Monaten in Nordkorea, notwendig, weil sie dazu beiträgt, die Not der Menschen zu lindern.

Ziel muß es aber sein, den Anbau von Nahrung in den betroffenen Ländern zu steigern, um deren Eigenständigkeit zu erhöhen. Gezielte Hilfestellungen zur Selbsthilfe sind unbedingt erforderlich, und dieses Gesetz ist ein wichtiger Beitrag dazu.

Da immer weniger ungenutzte ertragreiche Agrarflächen zur Verfügung stehen und auch die Degradierung guter und marginaler Böden wächst, läßt sich nach Ansicht der Welternährungsorganisation ein weiteres Wachstum der Agrarerzeugung nur durch einen optimalen Technologiemix und die Entwicklung neuer Formen umweltverträglicher und intensiver Anbaumethoden erreichen. Für Bewässerung, bessere Landnutzung, neue Maschinen und Tierzucht sind aber ebenso neue Investitionen erforderlich, die aus diesem Fonds durchaus geleistet werden können.

Die FAO schätzt, daß die Nahrungserzeugung bis zum Jahr 2010 weltweit um 1,8 Prozent steigen wird. Es wäre deshalb damit zu rechnen, daß rund 90 Millionen Hektar Land in Agrarflächen umgewandelt werden, und zwar hauptsächlich in Afrika südlich der Sahara und in Lateinamerika. Das wiederum beträfe gut zur Hälfte Flächen, die heute noch bewaldet sind. Wir alle bekennen uns zur Erhaltung des Regenwaldes, für dessen Schutz wir natürlich auch eintreten und weswegen wir verhindern wollen, daß diese Flächen für die Agrarproduktion umgewandelt werden.

Herr Kollege Gudenus! Das ist kein Problem, das uns, weil wir weit weg sind, nicht tangiert. Im Gegenteil, in diesem Zusammenhang geht es nicht nur um das Schicksal der Dritten Welt, der dort lebenden Menschen und der Tropenwälder, sondern es geht – das darf ich egoistisch sagen – um klimatische und umweltpolitische Konsequenzen, die dann auch wir mitzutragen haben, und somit geht es schließlich und endlich auch um die Zukunft unserer Kinder. (Bundesrat Mag. Gudenus: Wie kontrollieren Sie den Einsatz der Mittel?)

Im Interesse dieser Kinder, Herr Kollege Gudenus, liegt es, daß wir ein positives, zustimmendes Votum zu den vorliegenden Materien geben, damit Österreich einen kleinen Beitrag zur Lösung der großen Probleme, die es auf der Welt gibt, leisten kann. Daher wird die Österreichische Volkspartei selbstverständlich diesen Vorlagen die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.25

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Königshofer.

12.25

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Frage der Bevölkerungsentwicklung und der Nahrungsmittel ist bereits ein historisches Problem. In diesem Bereich haben sich schon manche wissenschaftlich tätigen Menschen geirrt.

Ich darf nur an den berühmten Nationalökonomen Robert Malthus erinnern, der gesagt hat, daß die Bevölkerungsentwicklung viel rascher fortschreitet als die Entwicklung der Nahrungsmittel und irgendwann die Bevölkerung nicht mehr ernährt werden kann. – Aber erstens kommen die Dinge anders, zweitens als man denkt. Denn Robert Malthus hat natürlich nicht gewußt, daß es einmal einen Justus Liebig geben wird. Dieser erfand den Kunstdünger, und mit der Erfindung des Kunstdüngers wurde natürlich eine viel stärkere Nahrungsmittelproduktion möglich, als Malthus je annehmen konnte.


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Auch mit den heutigen Warnungen vor einer Überbevölkerung ist das so eine Sache. Das Problem liegt nämlich nicht darin, wie viele Menschen auf dieser Erde leben, sondern wo diese Menschen konzentriert sind, nämlich in den asiatischen und afrikanischen Schwellenländern. In der Konzentration der Bevölkerung in Großstädten, zum Beispiel in einer Stadt wie Kairo, wo die Bevölkerung innerhalb von Jahrzehnten von 4 oder 5 Millionen Einwohnern auf 40 oder 50 Millionen wächst, liegt das Problem.

Ich kann das mathematisch ausdrücken: Sie hätten, würden Sie heute die gesamte Weltbevölkerung auf dem Gebiet des nordamerikanischen Kontinents ansiedeln, dort eine Bevölkerungsdichte, wie sie heute England aufweist. Und in England können die Menschen auch leben, rein mathematisch. (Bundesrat Ing. Penz: Warum machen Sie das nicht?) Das ist nicht möglich! Das Problem liegt in der Konzentration. (Bundesrat Ing. Penz: Das ändert an dem Problem, daß 800 Millionen Menschen Hunger leiden, überhaupt nichts!)

Es geht also um die Frage: Wie bekomme ich das Problem der Bevölkerungskonzentration beziehungsweise der Bevölkerungsexplosion in gewissen Gebieten in den Griff? – Ich glaube nicht, daß in diesem Zusammenhang mit immer weiteren Zahlungen und Aufstockungen, die tatsächlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind, wie Kollege Gudenus gesagt hat, etwas geändert werden kann! Denn wir zahlen und zahlen Steuermittel in Fässer, die keinen Boden haben, und wir bewirken damit nichts.

In diesem Zusammenhang, Herr Kollege, möchte ich Ihnen ein Zitat bringen, welches lautet – ich freue mich, daß der Herr Finanzminister auch da ist –: Der Staatshaushalt muß ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert, die Arroganz der Behörden muß gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen und Institutionen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht bankrott gehen soll. Die Leute sollen wieder lernen zu arbeiten, anstatt auf öffentliche Rechnung zu leben. – Gesagt hat das Marcus Tullius Cicero in Rom um 55 vor Christus. (Bundesrat Konečny: Wir haben uns seitdem ein wenig weiterentwickelt!) Wieder veröffentlicht wurde dieser Text von der niederösterreichischen Landesinnung der Baugewerbe in St. Pölten Anno Domini 1997.

Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen sagen: Cicero hatte nicht unrecht! Der römische Senat hat sich sehr lange an diese Empfehlungen gehalten. (Bundesrat Konečny: Cicero hat auch gesagt: Quosque tandem abuteri, Catilina, patientia nostra!) Sie können dann herauskommen und die Dinge noch einmal erläutern, das steht Ihnen frei Herr Kollege! Ich kann Ihnen nur sagen: Der römische Senat hat sich sehr lange daran gehalten. In der Zeit, als die Cäsaren regierten und den Wahn entwickelt haben, einen Wohlfahrtsstaat unter dem Titel "panem et circenses", "Brot und Spiele", herbeiführen zu müssen, hat man dann jedoch den Staatshaushalt ausgeweitet, bis Rom seine existentiellen Ausgaben nicht mehr bestreiten konnte, weil man kein Geld mehr für einen ordentlichen Beamtenstaat hatte und weil man kein Geld mehr hatte, um die Grenzen zu sichern. Daran ist der Staat zugrunde gegangen! (Bundesrat Meier: Trotz des Cicero! Ist das ein Vorbild?) Sie mögen das lächerlich finden, aber es waren auch damals im römischen Senat Leute, die darüber gelacht haben. (Bundesrat Konečny: Trotzdem ist es nachher noch 400 Jahre gutgegangen!) Letztendlich ist ihnen aber eines Tages das Lachen vergangen!

Herr Kollege Konečny! Ich kann Ihnen nur sagen: Unsere Staatsschulden haben schon eine Größenordnung von rund 2 000 Milliarden Schilling erreicht, 2 Billionen Schilling in Summe. (Bundesminister Edlinger: Falsch! – Bundesrat Konečny: Das stimmt nicht!) Sie sagen, daß das falsch ist. Dann rechnen Sie zu 1 600 Milliarden die ausgelagerten Budgetschulden dazu, dann rechnen Sie die Schulden der Länder und Gemeinden dazu, denn all das sind alles öffentliche Schulden! Dann liegen wir sicherlich bei über 2 000 Milliarden Schilling! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Sie tragen alles dazu bei, um die Schulden weiter zu vermehren! Der Staatsschuldenstand, meine Damen und Herren, steigt Tag für Tag um Millionen Schilling! Ich würde mir wünschen, wir hätten auch eine solche Uhr wie in der Bundesrepublik Deutschland, auf welcher sekunden-


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und minutenweise der Zuwachs der Staatsschulden dargestellt wird. Auf diese könnte der Bürger einmal schauen und sehen, um wieviel mehr dieser Staat ständig in die Kreide gerät.

Das Problem jeder Volkswirtschaft ist die hohe Verschuldung der öffentlichen Haushalte und gleichzeitig der größere Wohlstand einer kleinen, aber bestimmenden Gruppe im Staate. Das war im alten Rom so, das war im Kaiserreich so, das war immer so. Das ist das Problem der Staaten. Daran sollten wir arbeiten! Wir sollten versuchen, die Schulden wieder zu reduzieren, entsprechend sinnvolle Arbeit für die Menschen zu schaffen und den Sozialstaat in jene Dimension zurückzuführen, die vertretbar ist! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.31

Vizepräsident Jürgen Weiss: Gibt es noch eine weitere Wortmeldung? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Abschluß von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 8. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Leistung eines zusätzlichen Beitrages zum Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

25. Punkt

Beschluß des Nationalrates von 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bundessozialämtergesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Sonderunterstützungsgesetz geändert werden (737 und 802/NR sowie 5493 und 5521/BR der Beilagen)

26. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG) geändert wird (499/A und 808/NR sowie 5522/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 25 und 26 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:


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ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bundessozialämtergesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Sonderunterstützungsgesetz geändert werden, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 25 und 26 hat Frau Bundesrätin Hedda Kainz übernommen. Ich bitte sie um die Berichte.

Berichterstatterin Hedda Kainz: Meine Damen und Herren! Der Gesetzesbeschluß zu Punkt 25 liegt Ihnen schriftlich vor, somit lautet der Antrag:

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 26 liegt Ihnen ebenfalls der Bericht schriftlich vor.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bedanke mich.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

12.34

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die Änderung des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes geht in der Präambel, aber auch im weiteren darauf ein, daß für – wie im § 1 bezeichnet – Anspruchsberechtigte das Entgelt bei Insolvenz des Dienstgebers oder des Betriebes gesichert ist.

Meine Damen und Herren! Man könnte davon ausgehen, daß es sich dabei um eine Arbeitnehmerschutzbestimmung handelt. Das wäre aufgrund der Präambel, aber auch aufgrund des § 1 akzeptabel, und es ist verständlich, daß solche Bedingungen geschaffen werden. Es ist auch jedem verständlich, daß eine solche Maßnahme Geld erfordert. Vor allem wird auch seitens der Arbeitgeber akzeptiert, daß für diese Maßnahme Beiträge bezahlt werden müssen. – Bis dahin, meine Damen und Herren, könnten wir der vorliegenden Gesetzesnovelle durchaus folgen.

Faktum ist aber, daß der Insolvenzentgeltfonds pleite ist. Wir haben im Ausschuß erfahren – die Zahlen sind Ihnen ja bestens bekannt –, daß im Jahr 1995 ein Finanzloch in einer Größenordnung von 5,9 Milliarden Schilling klaffte. Dieses wurde im vorigen Jahr um 1 Milliarde auf 4,9 Milliarden Schilling verringert.

Man muß sich allerdings vor der Beschlußfassung einer derartigen Gesetzesmaterie die Frage stellen: Warum ist dieser Insolvenzentgeltfonds pleite? – Er ist nicht pleite, weil innerhalb des Fonds schlecht gearbeitet wurde. Nein! Meine Damen und Herren! Der Insolvenzentgeltfonds ist vielmehr deshalb pleite, weil sich die Insolvenzen in Österreich in den letzten Jahren gehäuft haben. Daher ist wiederum zu hinterfragen, warum wir eine Steigerung der Insolvenzraten hatten.

Meine Damen und Herren! Die Ursache liegt nicht bei den Betrieben und bei den Arbeitgebern, sondern darin, daß von der Bundesregierung in den letzten Jahren eine schlechte Arbeitgeberpolitik gemacht wurde. Ich erinnere daran, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, daß für die Betriebe etwa die Belastung im Krankenscheinbereich nicht erträglich ist. Weiters ist nicht mehr erträglich, daß die nicht entnommenen Gewinne versteuert werden müssen. Die Absetzung des Verlustvortrages ist beinahe nicht mehr möglich. Ferner gibt es Einschränkungen im Bereich der Abschreibung für vorzeitige Abnützungen. Kurz gesagt: Es ist


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den Betrieben nicht mehr möglich, eine Eigenkapitalbildung zu erreichen. Das, meine Damen und Herren, ist die Ursache dafür, daß der Insolvenzentgeltfonds pleite ist!

Meine Damen und Herren! Ich habe die Zahlen aus dem Zeitraum 1995/96 genannt. Im Jahre 1995 gab es eine große Insolvenz. Eine der Regierungsparteien trägt dafür eine sehr große Verantwortung. In Hinblick darauf halte ich fest: Wir hätten diesem Gesetz unter Umständen unsere Zustimmung geben können, wenn in diesem Insolvenzentgeltfonds das Verursacherprinzip zum Tragen käme. Das ist jedoch nicht der Fall. Im Jahr 1995 hat sich die Insolvenz des "Konsum" mit rund 1 Milliarde zu Buche geschlagen. Wieso werden jedoch die Verantwortlichen von der Sozialdemokratischen Partei, also die Verursacher dieser Insolvenz, nicht zur Verantwortung gezogen?

Meine Damen und Herren! Die freiheitliche Fraktion ist in Anbetracht dessen nicht damit einverstanden, daß mit diesem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz die guten Betriebe gezwungen werden, die von der SPÖ und von den Regierungsparteien verursachten Pleiten über die Arbeitgeberbeiträge zu finanzieren!

Meine Damen und Herren! Die vorliegende Novelle ist für uns ein eklatanter Regelverstoß. Es ist ungeheuerlich, daß wiederum die guten Betriebe zur Kasse gebeten und die Fleißigen durch diese Vorlage bestraft werden sollen, weil einige, die weniger fleißig waren oder letztlich die Wirtschaftspolitik nicht sehr genau genommen haben, hier große Kosten verursacht haben.

Wenn jene, die diese Kosten verursacht haben, auch zur Verantwortung gezogen werden und nach dem Verursacherprinzip diesen Schaden wiedergutmachen müssen, dann können wir aus freiheitlicher Sicht über diese Frage weiterreden. Dann werden Sie in dieser Frage auch einen Partner in uns haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.39

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile es ihm.

12.39

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzter Vorredner! Erlauben Sie mir, gleich vorweg einmal eine Bemerkung zu Ihren Ausführungen, wie Unternehmen von der Steuerpolitik betroffen werden, zu machen.

Ich empfehle Ihnen, einmal nachzulesen, was benachbarte Spitzenfinanzkenner über die Situation in Österreich sagen, so etwa der bayrische Finanzminister Huber oder der deutsche Finanzminister Waigel. (Bundesrat Weilharter: Oder der deutsche Bundesbankdirektor! – Bundesrat Eisl: Schüssels Freund!) Sie bezeichnen Österreich als vorbildlich in der Besteuerung der Unternehmen, und das führt dazu, daß die Deutschen Sorge haben, daß so manches Unternehmen aus steuerlichen Gründen nach Österreich abwandern könnte, was uns natürlich zum Vorteil gereicht! (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Lesen Sie einmal den OECD-Bericht!) Das sollten Sie doch sehen und nicht immer alles schlechtmachen, wo doch an und für sich gute Bestimmungen, Rahmenbedingungen bestehen, die den Wirtschaftsstandort Österreich als vorbildlich erscheinen lassen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Lesen Sie den OECD-Bericht! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wenn Sie mich ein bißchen "kratzen", sage ich Ihnen noch etwas: Ich habe von dieser Stelle aus schon mehrmals klar und deutlich gesagt, daß wir ohnedies nicht erwarten, daß sich die "F" zu irgendeinem Bereich solidarisch verhält. Wir haben das beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt, bei dem es um die internationale Solidarität gegangen ist, gesehen (Bundesrat Weilharter: Auch gestern in der NATO-Frage haben wir es erlebt, Herr Kollege!), daß für Sie Einzelegoismen im Vordergrund stehen, da hat man gesehen, wie Sie gerne Politik machen. Und zur Arbeitnehmerpolitik in Österreich verhalten Sie sich genauso. (Beifall bei der ÖVP. )

Nun zu dem ganz wichtigen Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz. Ich darf vorweg einmal zurückblicken und ein bißchen die Situation beleuchten, wie sie vor genau 20 Jahren war. Damals, im Juni 1977, ist ein Gesetz beschlossen worden, das von der Öffentlichkeit und von den Medien


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kaum registriert wurde, obwohl es eine der wichtigsten Maßnahmen in der Sozialpolitik war, weil eben über dieses Gesetz erstmalig die Sicherung von Arbeitnehmeransprüchen im Falle der Insolvenz eines Arbeitgebers zustande gebracht wurde.

Das Gesetz ist mit 1. Jänner 1978 ohne entsprechende Würdigung der Öffentlichkeit in Kraft getreten. Es handelte sich seinerzeit aber um einen bemerkenswerten, mutigen Schritt, der im Zuge der sozialpolitischen Entwicklung in Österreich getan wurde. Im Mittelpunkt dieser sozialpolitischen Überlegungen stand und steht nach wie vor die Erkenntnis, daß die Forderungen der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis, insbesondere der Anspruch auf Arbeitsentgelt, den Forderungen des Kapitalgüterverkehrs an und für sich unterlegen sind und nicht gleich gehalten werden können.

Die abhängigen Arbeitnehmer können mit ihrer Arbeitskraft nicht in dem Maße marktmäßig operieren, wie dies bei anderen Gläubigern der Fall ist. Dies wiegt umso schwerer, als die arbeitsrechtlichen Ansprüche in der Regel die Existenzgrundlage des Arbeitnehmers und seiner Familie bilden. Die Konsequenz dieser zutreffenden Erkenntnis führte zunächst zu einer Privilegierung der Arbeitnehmeransprüche im normalen Insolvenzfall. Doch mit Privilegierungen allein, wenn keine Masse vorhanden ist, können Sie niemanden befriedigen. Und das hat dazu geführt, das Problem an der Wurzel zu lösen und eben zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Insolvenzfall eine staatliche Stelle einzusetzen, nämlich den Insolvenzausgleichsfonds, der dann in die Forderungen der Arbeitnehmer eintritt und diese gegenüber der insolventen Firma vertritt.

Es wurde von meinem Vorredner schon angeführt, wie sich der Fonds entwickelt hat. Sie haben aber eines nicht dazugesagt. Es ist richtig, daß der Prozentsatz der Insolvenzen in den Vorjahren gestiegen ist. Wir hatten bedauerlicherweise Großinsolvenzen, die nicht notwendig gewesen wären – ich denke an eine sehr große Handelsfirma, wobei zu sagen ist, daß der Handel insgesamt eigentlich blüht. Wir hatten Jahre, in denen der Beitrag der Arbeitgeber nur 0,1 Prozent betragen hat, und das war ganz einfach zuwenig.

Wenn Sie im Ausschuß zugehört hätten, dann hätten Sie gewußt, daß der Insolvenzausfallgeldfonds jährlich etwa 3,5 bis 4 Milliarden Schilling benötigt. Das war mit einem Beitrag von 0,1 Prozent nicht abzudecken. Dem hat man ja in den letzten Jahren Rechnung getragen. (Bundesrat Weilharter: Warum soll man die verfehlte Wirtschaftspolitik ein zweites Mal finanzieren?) Der Beitrag der Arbeitgeber wurde von 0,1 auf 0,5 Prozent erhöht, wodurch sich die Lage des Fonds schon einigermaßen gebessert hat. Und jetzt, im Jahr 1997, beträgt der Beitrag 0,7 Prozent. Das wird er auch im Jahr 1998 betragen. Und das hat dazu geführt, daß bereits im ersten Halbjahr 1997 dieser Schuldenstand, den Sie mit 5,9 Milliarden Schilling richtig beziffert haben, um 1 Milliarde abgebaut werden konnte. Die Vorausschauen zeigen, daß bis zum Jahr 2000 –das ist nicht allzu fern – dieses Minus ausgeglichen werden kann und der Fonds wieder eine ausgeglichene Gebarung haben wird, dieser für Arbeitnehmer, wofür Sie wenig Verständnis haben, ungeheuer notwendige Fonds. (Bundesrat DDr. Königshofer: Damit finanziert die freie Wirtschaft auch die "Konsum"-Pleite!)

Herr Kollege Königshofer! Sie sollten sich doch auch einmal anschauen, wie die Rückflüsse aus diesem Insolvenzverfahren ausschauen – und dann reden wir über diese Dinge weiter. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sagen Sie es uns!) – Ich habe die Zahlen jetzt nicht im Kopf (Ah-Rufe bei den Freiheitlichen), aber ich kenne sie ansatzweise, und diese sind nicht so schlecht, denn sonst müßte ja der Fonds ein Minus von 20 oder vielleicht sogar mehr Milliarden Schilling aufweisen. (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Riess-Passer. – Bundesrat Dr. Tremmel: ... Das ist mir völlig unverständlich! Wenn Sie so reden, ist das unglaublich!) Ich habe, Herr Kollege Tremmel, diese Insolvenz des "Konsum" als eine hingestellt, die nicht notwendig gewesen wäre, weil der Handel insgesamt boomt. Ich wiederhole mich also. Warum Sie sich jetzt aufregen, verstehe ich nicht. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie genieren sich nicht einmal für das, was Sie da sagen!)


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Zum Gesetz selbst. An und für sich – das haben Sie aus meinen bisherigen Ausführungen schon gesehen – stehe ich dem Gesetz und auch den Neuerungen sehr positiv gegenüber. Dennoch muß ich an einigen Bestimmungen Kritik üben. Es gibt eine Reihe von Veränderungen, die man als Eingriff ins Arbeitsrecht, nicht in das Arbeitsrecht direkt, sondern in Grundlinien des Arbeitsrechts, bezeichnen kann, und diese Grundlinien, die bisher vorhanden waren, werden dadurch verletzt.

Ein Beispiel: Wenn man in der Insolvenz ein befristetes Dienstverhältnis einem unbefristeten gleichsetzt, das man durch das Insolvenzverfahren auf einmal kündigen kann, dann ist das doch ein direkter Eingriff in eine Grundlinie, den ich nicht ganz verstehen kann und auch nicht will.

Auch im Bereich der gesicherten Ansprüche ist es nicht mehr so wie vor 20 Jahren. Von aufrechten, nicht verjährten Ansprüche wurde im § 1 gesprochen, und da gibt es jetzt einen § 3a – daß er sich "hineingeschwindelt" hat, möchte ich nicht sagen, dieser § 3a ist natürlich mit Vorsatz hineingekommen –, und in diesem heißt es: Es gelten nur mehr jene Ansprüche als gesichert und aufrecht, die nicht vor mehr als sechs Monaten vor dem Stichtag, also vor der Eröffnung der Insolvenz, Konkurs, Ausgleich oder Abweisung mangels Masse, entstanden sind. Ältere Ansprüche werden nur dann vom Fonds abgefangen, wenn sie gerichtlich geltend gemacht wurden und das Verfahren – so heißt es im Gesetzestext – gehörig fortgesetzt wird.

Ich selbst habe in der Praxis in den Jahren 1980 und 1981 mit dem jungen Gesetz sehr viel zu tun gehabt – in unserer gemeinsamen Fachgewerkschaft (zu Ministerin Hostasch gewandt) – und weiß daher, daß es auch Forderungen auf laufendes Entgelt, Monatslöhne gibt, die wesentlich älter sind. Was bedeutet das? – Wir haben gestern hier eine Diskussion über die Überlastung von Gerichten gehabt. Auch der Präsident der Arbeits- und Sozialgerichte Ziegler hat sich in der letzten Zeit einmal dahin gehend geäußert, daß die Gerichte überlastet wären. Das ist eine Feststellung, die man so hinnehmen kann, da ist tatsächlich etwas dran. Nur mit dieser Gesetzespassage wird der Druck auf die Arbeitsgerichte – ich sage es jetzt in der Kurzform – natürlich noch größer.

Ich weiß schon, daß die andere Maßnahme, die in Diskussion war, nämlich ein schriftliches Anerkenntnis vom Arbeitgeber gelten zu lassen, unter Umständen mit dem Fragezeichen des Mißbrauchs versehen werden könnte.

Ich meine, daß es schwierig sein wird, Arbeitnehmer, die vielleicht auf ein Überstundenentgelt für Leistungen, die ein bißchen älter als sechs Monate sind, warten, unbedingt zu Gericht zu drängen. Das ist meines Erachtens ein Fehler im Gesetz, den wir bei nächster Gelegenheit korrigieren sollen. (Bundesrat Weilharter: Stimmen Sie dem von Ihnen erkannten Fehler zu?) Ich würde nicht darüber reden, wenn ich nicht diesen Fehler als Fehler sehen würde. Dennoch, im Sinne des Gesamten, weil eine Reihe notwendiger Maßnahmen in der Novelle enthalten ist, werden wir zustimmen. Ich nehme das vorweg.

Präsident Ziegler hat auch gemeint – mit dieser Idee kann ich mich überhaupt nicht anfreunden –, um die Flut bei den Arbeitsgerichten einzudämmen, müßten die Arbeitnehmer einen Selbstbehalt vorgeschrieben bekommen. Das, so glaube ich, war eine vom Gerichtspräsidenten zuwenig überlegte Äußerung. Es hat dann einige Reaktionen darauf gegeben, aber ich hoffe, daß diese Überlegung schubladiert wird und dort dem Verstauben anheimfällt.

Eine weitere Problematik ergibt sich für mich durch die Ausgrenzung von Personen, die bisher ihre Ansprüche geltend machen konnten. Und das ist vom Ansatz her nicht unrichtig: Wenn keine Beiträge entrichtet werden, sollen auch keine Ansprüche geltend gemacht werden können. Mein Ansatz für eine Lösung dieses Problemkreises wäre gewesen, auch für diese Personen Beiträge de facto vorzuschreiben.

Das waren meine Kritikpunkte zur vorliegenden Novelle. Es gibt aber natürlich auch sehr viel Positives. Positiv ist die Absicherung der Vorfinanzierung im sogenannten Reorganisationsverfahren. Das wurde gestern diskutiert, weil es an und für sich eine andere Gesetzesmaterie ist, aber ich sehe in diesem Verfahren den Versuch, Betriebe vor dem Insolvent-Werden und damit auch die Arbeitsplätze zu retten, die wir brauchen. Das ist ein guter Versuch, bevor es zu

 


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spät ist.

Natürlich verstehe ich auch die Kritik der Unternehmen, daß sie mit der Meldepflicht des Verschuldungsgrades et cetera nicht sehr viel anfangen können. Dennoch ist auch für viele Unternehmen etwas Positives damit verbunden, weil damit Zulieferern, Subunternehmen, die sehr oft in einen Nachfolgekonkurs rutschen, doch mehr Sicherheit gegeben wird. Gerade die kleineren und mittleren Betriebe, wenn Sie so wollen, der Mittelstand in Österreich, sind doch eine Säule der Beschäftigungspolitik. Und wenn wir diese Bereiche vor Nachfolgekonkursen etwas schützen können, ist diese Bestimmung zu begrüßen.

Ich begrüße auch die Regelung über die Klärung der Ansprüche für kündigungsgeschützte Personen, auch die Regelung, die neu ist, im Bereich der Betriebspensionen, denn das Betriebspensionsgesetz ist nicht sehr alt und war vom Gesetz bisher nicht erfaßt.

Es überwiegt also das Positive, und deshalb, Herr Kollege, werden Sie verstehen, wenn meine Fraktion und ich diesem Gesetz die Zustimmung geben werden.

Noch ein paar Worte zu einem anderen Gesetz, das Sie mit keinem Wort erwähnt haben, zum Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz. Ein Absatz kommt neu hinzu, und dieser ist notwendig, höchst notwendig. Denn das Fehlen einer Berufungsmöglichkeit für die Gemeinden im Bereich der Sondernotstandsunterstützung war ein Mangel, und es hat sich in der Praxis gezeigt, daß dieser behoben werden muß. Mit dieser kleinen Novelle, die jetzt auch mitbeschlossen wird, bekommen die Gemeinden das Berufungsrecht zugestanden. Dieses Gesetz tritt ex tunc in Kraft, und zwar mit 1. Mai 1996. Ich begrüße diese Regelung, weil sie zur Klärung von Streitigkeiten dient. Wir werden auch diesem Gesetz unsere Zustimmung geben, weil dadurch mehr Rechtssicherheit entsteht. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.55

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Horst Freiberger. – Bitte.

12.55

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurden die Inhalte dieser Vorlagen sehr ausführlich von Bundesrat Schaufler erläutert. Ich werde in meinen Ausführungen daher auf die Inhalte nicht mehr näher eingehen. Ich möchte als Gewerkschafter nur feststellen, daß es bei den Verhandlungen im Vorfeld gelungen ist, die Beschäftigten von den Beitragszahlungen weiterhin auszunehmen. Das war für uns ein ganz wesentlicher Punkt. Es wäre nämlich nicht verständlich und einsichtig, daß die betroffenen Arbeitnehmer, die an der Insolvenz eines Betriebes sicher nicht schuld sind, zur Kasse gebeten werden. Das war für uns ein ganz wesentliches Anliegen, und das durchzusetzen ist uns Gott sei Dank auch gelungen. Die Pflicht zur Beitragszahlung bleibt also weiterhin auf der Seite der Arbeitgeber, wo sie richtigerweise hingehört.

Meine Damen und Herren! Ein wesentlicher Punkt in der Novelle zum Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz ist auch diese bereits angesprochene Frist von sechs Monaten für die Ansprüche. Ich glaube, daß dieser Punkt deshalb wichtig ist, weil sich auch in meiner beruflichen Praxis gezeigt hat, daß sehr häufig die Möglichkeit zum Mißbrauch gegeben war. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, daß besonders bei Unternehmensangehörigen Lohnansprüche konstruiert wurden, die dann aus dem Fonds zu bezahlen waren. Das ist auch ein Grund, warum der Fonds ein großes Minus aufweist. Deshalb war es aus meiner Sicht unbedingt erforderlich, einen Mechanismus zu schaffen, der diese Möglichkeiten in der Form nicht mehr bietet.

Es ist mit diesem Gesetz wieder ein wesentlicher Schritt zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte gesetzt worden, und deshalb wird meine Fraktion selbstverständlich diesen Vorlagen ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)


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12.58

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile Frau Bundesministerin Eleonora Hostasch das Wort. –Bitte.

12.58

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf vielleicht zuerst zur Debatte über die Novelle des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes einige Bemerkungen machen. Diese Novelle ist eine wichtige Ergänzung zu dem sogenannten IRÄG, dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz, die mit sich bringen soll, daß Insolvenzen rechtzeitiger erkannt werden können, als es nach der jetzigen Rechtslage möglich ist, und diese unerwünschten Auswirkungen, die wir alle nicht haben wollen und von denen die Unternehmungen und damit die Mitarbeiter in einer besonders negativen Form betroffen sind, nicht eintreffen.

Ich möchte mich auch dafür bedanken, daß in der Debatte, zumindest von einigen, die Bedeutung des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen so deutlich herausgestrichen wurde. Wir alle wissen aus Erfahrung, daß mit Insolvenzen von Unternehmen – die Vergangenheit hat es auch gezeigt – auch existentielle Bedrohungen von Arbeitnehmern und ihren Familien einhergehen, und mit diesem wirklich historischen Gesetz konnte nun auch eine existentielle Absicherung erzielt werden.

Ich möchte es wirklich mit aller Deutlichkeit sagen: Wer sich gegen dieses Gesetz stellt, stellt sich gegen Interessen der Schwächeren in unserer Gesellschaft, gegen die Interessen der Arbeitnehmer und ihrer Familien. Ich würde wirklich darum bitten, daß wir uns auch in Zukunft zu diesem Gesetz aus vollem Herzen und auch aus unserer sozialen Verantwortung heraus bekennen! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es hat die Erfahrung gezeigt, daß bei diesem Gesetz die eine oder andere Mißbrauchsmöglichkeit gegeben ist. Ich glaube, es ist wichtig, für eine Ausgewogenheit im Arbeits- und Sozialrecht zu sorgen und Mißbräuche, wo immer sie erkannt werden, zu beseitigen, und dem trägt diese Novelle auch Rechnung.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Ich möchte mir erlauben, Sie zu fragen, welches Wirtschaftssystem Sie anstreben, ob Sie eines anstreben, das es mit sich bringt, daß Insolvenzen verhindert werden können und daß es keine Konkurse mehr gibt. – In einem marktwirtschaftlichen System sind diese Entwicklungen leider implizit. Ich sage sehr offen, daß ich nicht in einem anderen System leben möchte, in dem das vielleicht verhindert werden könnte, mit dem aber auch andere Freiheiten nicht verbunden sind, die wir in einer – heute vielleicht nicht ganz so ausgeprägten, wie wir es gerne hätten – sozialen Marktwirtschaft als Selbstverständlichkeit betrachten und erleben. Angesichts Ihrer Kritik möchte ich Sie wirklich fragen, was Sie dem entgegenstellen, wie Sie solche unangenehmen Erscheinungen verhindern wollen und was das für die Menschen, für ihre Entwicklung und für ihre persönlichen Freiheiten bedeutet. (Bundesrat DDr. Königshofer: Kollege Harring ist nicht hier!)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, kurz auf das in der Debatte angesprochene Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz einzugehen. Davon steht heute ein zwar nur kleiner, aber sehr wichtiger Gesetzespassus zur Diskussion. Wir können damit für alle Beteiligten, sowohl für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Arbeitsmarktservice als auch insbesondere für Frauen mit Betreuungspflichten, wesentlich mehr Rechtssicherheit sowie eine deutliche Besserung und Klärung der jeweiligen Situation bewirken.

Sehr herzlich möchte ich mich – gerade im Bundesrat – für die gute Zusammenarbeit mit dem Städtebund und insbesondere mit dem Gemeindebund bedanken. Mit beiden Herren Präsidenten konnten sehr gute Gespräche geführt werden, sodaß diese Gesetzesänderung in Abstimmung mit ihnen vorgenommen werden konnte. Es ist sichergestellt worden, daß alle Gemeinden über diese Änderung umfassend informiert werden und daß gleichlautend auch das Arbeitsmarktservice informiert wird. Es wird in Zukunft ein einheitliches, transparenteres und vielleicht auch praktikableres Formular verwendet werden, um in der Umsetzung der Sondernotstandshilfe Objektivität bei Wahrung der sozialen Dimension sicherzustellen.

Wenn Sie diesem Gesetz Ihre Zustimmung geben und keine Einwendungen erheben, helfen Sie insbesondere Frauen, die es oft sehr schwer haben, auf dem Arbeitsmarkt integriert zu werden,


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ihre Betreuungspflichten mit den Mechanismen der Arbeitswelt in Einklang zu bringen. Daher freue ich mich, wenn ich erwarten kann, daß auch der Bundesrat beiden Gesetzesänderungen seine Zustimmung geben wird. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.02

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesrat Dr. Königshofer, bitte. Danach erhält noch Herr Bundesrat Dr. Rockenschaub das Wort.

13.03

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ein paar Worte möchte ich den letzten Ausführungen noch folgen lassen.

Herr Kollege Freiberger hat festgehalten, daß es der Gewerkschaft gelungen ist, die Arbeitnehmer aus der Beitragsleistung zu diesem Fonds herauszuhalten. Normalerweise ist es so, daß jeder Versicherte die Prämie für seine Versicherung selbst bezahlt. In diesem Falle bezahlt der Arbeitgeber sozusagen die Prämie für den Sicherungsfonds. Es mag sein, Herr Kollege, daß es so ist und daß man alles so regeln kann. Nur sollte man das auch klar hinzusagen. (Bundesrat Freiberger: Bei der Unfallversicherung aber ist das gerecht?)

Zweitens: Wer kann im Fall des Falles aus diesem Fonds Vorteile ziehen? – Das sind die Arbeitnehmer. Ich frage weiter: Welchen Vorteil hat bei einer Insolvenz der Arbeitgeber, also der Unternehmer? – Er erhält keine Leistungen. (Bundesrätin Crepaz: Aber die Arbeitnehmer sind ja nicht schuld am Konkurs!) Frau Kollegin Crepaz! Sie sagen, die Arbeitnehmer seien am Konkurs nicht schuld. Es gibt viele Betriebe, die auch durch Malversationen oder andere Dinge seitens ihrer Arbeitnehmer in Konkurs gegangen sind. Das möchte ich einmal festhalten. (Bundesrätin Crepaz: Aber die Verantwortung hat immer noch der Arbeitgeber!)

Klarstellen möchte ich hier nur, daß bei diesem Gesetz die Arbeitnehmer alle Rechte und die Arbeitgeber alle Pflichten haben. Auch das mag so sein. (Bundesrat Schaufler: Das ist ja nicht so!) Selbstverständlich! Der Arbeitgeber zahlt, und im Fall des Falles liegen die Rechte beim Arbeitnehmer. (Bundesrat Schaufler: Aber daß der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung bringt, ist selbstverständlich!) Der Arbeitgeber bringt auch seine Arbeitsleistung. Er schafft ja die Arbeitsplätze, Herr Kollege, nicht Sie mit irgendeinem Gesetz! Was mich aber an diesem Gesetz wirklich ärgert, ist die Tatsache ... (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn ich zu laut bin, Herr Kollege, müssen Sie es mir sagen. An sich bin ich am Wort. – Lassen wir das alles dahingestellt. Ich stelle es nur fest und kritisiere es nicht. Es liegt im Ermessen des Gesetzgebers, ein solches System zu schaffen. Nur muß man es klar darlegen.

Was mich wirklich stört, ist, daß tausende, zehntausende österreichische Privatunternehmen herangezogen werden, um die Folgen von Großinsolvenzen, die im öffentlichen und halböffentlichen Bereich angesiedelt sind, schließlich ausgleichen zu müssen. Ich spreche jetzt gar nicht mehr über den "Konsum", sondern ich sage Ihnen: Es steht die nächste Großinsolvenz ins Haus! Sie können das im neuesten "News" schon unter "Top secret" nachlesen. Dort wissen die Journalisten schon alles: Auch die Firma Head-Tyrolia-Mares – HTM –, die vor zwei Jahren unter Nachschuß von 1,9 Milliarden Schilling an Sanierungsgeldern durch die Austria Tabakwerke an einen Herrn Eliasch verkauft wurde, steht kurz vor der Insolvenz.

Die österreichischen Banken wären bereit – auch das ist ein Skandal –, für den Fall, daß Herr Eliasch eine Umschuldung zustande bringt, 850 Millionen Schilling an Kreditschulden nachzulassen. Aber Herr Eliasch wird keine europäische Bank mehr finden, die ein solch schlechtes Risiko übernimmt! Es wird wahrscheinlich zur Insolvenz kommen, und dann geht es wieder um hunderte oder tausende Arbeitsplätze. Denn – so steht es in dem Bericht – die Schiproduktion läßt sich aufgrund von Überkapazitäten einfach nicht mehr verkaufen. Wieder werden tausende kleine Unternehmer in Österreich in die Tasche greifen müssen, um für eine Insolvenz einzuspringen, die sich neuerlich im halböffentlichen Dunstkreis, unter dem Einfluß


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der Politik abspielt. Das möchte ich hier einmal aufzeigen. (Bundesrat Freiberger: Aber der private Gewerbetreibende ...!)

Das müssen Sie draußen sagen! Schauen Sie, ich komme aus Tirol und habe Tag für Tag mit Touristikern zu tun, die selbst ihr Risiko tragen, die selbst alle Leistungen finanzieren müssen und die – wenn sie in Insolvenz gehen – selbst vor dem Nichts stehen. Sie alle müssen dafür einzahlen. Herr Eliasch hingegen wird nicht getroffen, er wird bis zur Insolvenz aus diesem Unternehmen so viele Millionen für eine irgendwo situierte Briefkastenfirma herausgezogen haben, daß er ordentlich leben kann. Nur die tausenden österreichischen Kleinunternehmen werden wieder zur Kasse gebeten.

In einem Jahr aber werden wir wieder dastehen und den Beitrag der Unternehmer von 0,7 vielleicht auf 0,9 oder 1 Prozent der Lohnsumme erhöhen müssen. Dann werden wir wieder über die Sache reden. Irgendwann muß es aber einen Stopp geben. Denn sonst werden die österreichischen Unternehmer bald nicht mehr mitspielen, das kann ich Ihnen sagen! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub das Wort. – Bitte.

13.08

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Frau Bundesministerin! Sie haben die Frage an uns gerichtet, welches Wirtschaftssystem uns vorschwebt, in dem es keine Pleiten mehr geben soll. Ich glaube, das ist eine rhetorische Frage gewesen. Selbstverständlich stehen wir zur sozialen Marktwirtschaft.

Eines haben Sie – nicht Sie persönlich, aber Ihre Amtsvorgänger und die politische Führung in Österreich und Europa – übersehen: Man hat vor Jahren in Brüssel zum Abschluß der Uruguay-Runde den Vertrag über die Globalisierung unterschrieben und war sich offensichtlich nicht bewußt, welche Konsequenzen für die Wirtschaft damit entstehen. Man hat für die Globalisierung, für die Öffnung der Märkte unterschrieben, ohne die Hausaufgaben zu machen. Man hat zu Hause alles beim alten gelassen: hohe Preise für staatliche Leistungen, hohe Strompreise, hohe Telefonkosten. Die politischen Strukturen – erst gestern war das hier im Bundesrat ein wichtiges Thema – sind unverändert teuer belassen, Monopole aufrechterhalten worden. Die Bürokratie wird allseits beklagt, Redner aus jeder Fraktion beklagen die Bürokratie und die Gesetzesflut in Österreich.

All das ist unbestritten und mit hohen finanziellen Belastungen für die Wirtschaft, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, verbunden geblieben. Daraus geht die Kritik hervor, die wir in Diskussionen über die Pleitewelle immer wieder vorbringen. Man hat das übersehen – unbewußt, wie ich annehmen will. Denn ich kann mir nicht vorstellen, daß man die österreichische Wirtschaft bewußt in einen höchst unfairen europa- und weltweiten Wettbewerb mit Sozialdumping und Umweltdumping hineinschicken und verheizen wollte. So kann es wohl nicht gewesen sein.

Dort erblicken wir Ihre politische Verantwortung, insbesondere die Verantwortung Ihrer Amtsvorgänger aus Ihrer Partei und der anderen Regierungspartei. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.10

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünscht noch jemand das Wort?

Herr Bundesrat Konečny. – Bitte.

13.10

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Ich bin Herrn Kollegen Königshofer außerordentlich dankbar! Man pflegt so etwas eine Legalinterpretation zu nennen. Endlich habe ich begriffen, was es heißt, die Interessen der hart arbeitenden kleinen Leute zu vertreten: nämlich zu fordern, daß sie für das Risiko, daß das Unternehmen, in dem sie als Unselbständige


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arbeiten, Pleite geht, auch noch selbst bezahlen. – Ich danke Ihnen für diese Klarstellung! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.10

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Bundessozialämtergesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz und das Sonderunterstützungsgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

27. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über soziale Sicherheit (735 und 810/NR sowie 5523/BR der Beilagen)

28. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Österreichisch-mazedonisches Abkommen über soziale Sicherheit (769 und 811/NR sowie 5524/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 27 und 28 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über soziale Sicherheit und

ein Österreichisch-mazedonisches Abkommen über soziale Sicherheit.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wolfgang Hager übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Wolfgang Hager: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Ab


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kommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über soziale Sicherheit liegt schriftlich vor.

Ich verzichte auf die Verlesung und stelle namens des Sozialausschusses den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters liegt Ihnen der Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Österreichisch-mazedonisches Abkommen über soziale Sicherheit schriftlich vor.

Ich stelle namens des Sozialausschusses dazu ebenfalls den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile es ihm.

13.13

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Eigentlich hatte ich nicht vor, mich zu diesen beiden Sozialabkommen zu melden, da sie an und für sich klar sind. Aber aufgrund der Positionierung, die nunmehr zustande gekommen ist, werde ich ein Beispiel dafür geben, wo man Menschen helfen müssen wird.

Zu den beiden Abkommen selbst ist nur folgendes zu sagen: Wegen des Sparpakets sind die Kinderbeihilfen für in Slowenien und Mazedonien lebende Kinder entfallen – es ergeben sich dadurch Einsparungen von etwa 70 Millionen Schilling –, und damit dieses Gesetz zum Tragen kam, mußten die Abkommen über soziale Sicherheit mit diesen beiden Ländern insgesamt gekündigt werden. Jetzt werden diese Abkommen mit den notwendigen Anpassungen und einer etwas veränderten Berechnung der Pensionen neu aufgelegt. Ich halte das für gut, denn ich bekenne mich zu dem Grundsatz, daß wir in Österreich Arbeitnehmer gebraucht haben und Menschen gekommen sind. Diesen menschlichen Bedürfnissen auch der Arbeitnehmer aus unseren Nachbarländern ist mit sozialen Abkommen und anderem Rechnung zu tragen.

Frau Staatssekretärin für Äußeres! Ich spreche Sie jetzt aus einem besonderen Grund an. Durch den Zerfall des jugoslawischen Bundesstaates ist eine eigenartige Situation zustande gekommen, die sowohl den Sozialbereich als auch das Ministerium für Äußeres betrifft. Es gibt in Österreich Menschen, die man als Gastarbeiter der zweiten Generation bezeichnen kann und die es bisher vorgezogen haben, jugoslawische Staatsbürger zu bleiben.

Wie ist es dazu gekommen? – Nach dem Zerfall des Staates haben diese Menschen die jugoslawische Staatsbürgerschaft behalten, aber um die österreichische zu bekommen – sie wollen und könnten das, da entsprechende Zusicherungen der zuständigen Stellen vorliegen –, müßten sie zuerst in einer der ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken, zum Beispiel in Bosnien, einen Antrag stellen, um dort Staatsbürger zu werden. Nachdem sie dies geworden sind, werden sie einen Antrag auf Freilassung stellen müssen, und erst anschließend können sie sich endgültig in Österreich um die Staatsbürgerschaft bewerben.

Ich habe einige solche Fälle in Bearbeitung, und es ist ungeheuer schwierig, mit den Botschaften und anderen Behörden zu Rande zu kommen. Ich möchte dieses Problem beiden geschätzten Damen ans Herz legen, damit es in absehbarer Zeit zu einer Lösung kommt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.16

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


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Die Debatte ist somit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 10. Juli 1997 betreffend ein Österreichisch-mazedonisches Abkommen über soziale Sicherheit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

29. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande betreffend die rechtliche Stellung der österreichischen Bediensteten der Europol-Drogenstelle (426 und 790/NR sowie 5525/BR der Beilagen)

30. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über die Errichtung und Verwaltung eines gemeinsamen Fonds zur Finanzierung größerer Reparaturen und Erneuerungen in deren Amtssitzen im Internationalen Zentrum Wien (589 und 791/NR sowie 5526/BR der Beilagen)

31. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Übereinkommen über nukleare Sicherheit (610 und 795/NR sowie 5495 und 5527/BR der Beilagen)

32. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits samt Anhängen und Protokollen (613 und 796/NR sowie 5528/BR der Beilagen)


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629. Sitzung / Seite 225

33. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den im Rahmen der Europäischen Union handelnden Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Slowenien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlußakte (651 und 797/NR sowie 5529/BR der Beilagen)

34. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über den Amtssitz der Vereinten Nationen in Wien (668 und 792/NR sowie 5530/BR der Beilagen)

35. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über den Amtssitz der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung (669 und 793/NR sowie 5531/BR der Beilagen)

36. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtsstellung des Sekretariats des Wassenaar Arrangements in Österreich (702 und 794/NR sowie 5532/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 29 bis 36 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande betreffend die rechtliche Stellung der österreichischen Bediensteten der Europol-Drogenstelle,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über die Errichtung und Verwaltung eines gemeinsamen Fonds zur Finanzierung größerer Reparaturen und Erneuerungen in deren Amtssitzen im Internationalen Zentrum Wien,

ein Übereinkommen über nukleare Sicherheit,

ein Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits samt Anhängen und Protokollen,

ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den im Rahmen der Europäischen Union handelnden Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Slowenien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlußakte,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über den Amtssitz der Vereinten Nationen in Wien,


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629. Sitzung / Seite 226

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über den Amtssitz der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung und

ein Bundesgesetz über die Rechtsstellung des Sekretariats des Wassenaar Arrangements in Österreich.

Die Berichterstattung über die Punkte 29 bis 36 hat Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Karl Wilfing: Hoher Bundesrat! Der Bericht zum Tagesordnungspunkt 29 liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme daher zur Verlesung des Antrages:

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters verlese ich den Antrag zu Punkt 30:

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht zum Tagesordnungspunkt 31 liegt ebenfalls schriftlich vor.

Der Antrag lautet: Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. dem Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Übereinkommen über nukleare Sicherheit gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. gegen den Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG, den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht zum Tagesordnungspunkt 32 liegt ebenfalls schriftlich vor.

Ich komme zur Verlesung des Antrages: Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht zum Tagesordnungspunkt 33 liegt ebenfalls schriftlich vor.

Ich komme zur Verlesung des Antrages: Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Zu Punkt 34 liegt ebenfalls der schriftliche Bericht vor.

Ich komme zur Verlesung des Antrages: Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich komme zu Punkt 35. Der Bericht liegt schriftlich vor.

Ich komme zur Verlesung des Antrages: Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Und last but not least Punkt 36. Der Bericht liegt schriftlich vor.

Ich komme zur Verlesung des Antrages: Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 22. Juli 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.


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629. Sitzung / Seite 227

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich erteile es ihm.

13.22

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Ich möchte meine Wortmeldung nur auf wenige Punkte dieses Sammelpakets beschränken.

Als erstes zum Assoziationsabkommen der Europäischen Union mit Marokko. Marokko ist nach Israel und Tunesien das dritte Land in der südlichen Mittelmeerzone, welches ein Assoziationsabkommen mit der EU abschließen soll. Es ist das eine weitere Gruppe von Abkommen, so wie sie auch mit osteuropäischen Ländern abgeschlossen wurden.

Was uns an diesem Abkommen irritiert, ist, daß wohl eine Menschenrechtsklausel darin vorgesehen ist, jedoch ohne Sanktionen. Wir bemerken das deshalb, weil vor Jahren die Bevölkerung der "Polisario" in der Sahelzone hier in Österreich viel Beachtung und viel moralische Unterstützung fand, insbesondere bei den Sozialdemokraten, die sich diesmal aus dieser Unterstützung heraus nichts mehr vorstellen wollen und diesem Assoziationsabkommen, welches ja doch einen hohen moralischen und ethischen Wert darstellt, zustimmen wollen.

Weiters meinen wir, aus dem Abkommen zu ersehen, daß Österreich wahrscheinlich nicht im Assoziationsrat vertreten sein muß, da der Passus lautet: "Der Assoziationsrat besteht aus Mitgliedern des Rates" und nicht "aus den Mitgliedern des Rates". Mag sein, daß das ein Übersetzungsfehler ist, aber so, wie es derzeit da steht, ist nicht die Gewähr gegeben, daß Österreich in diesem Assoziationsrat zwangsläufig vertreten sein muß.

Entscheidend scheint uns jedoch zu sein, daß mit Marokko ein Mitglied in den Assoziationsabkommensbereich der EU kommt, welches mit vielen Rechten ausgestattet wird, welchen es an der Reziprozität insofern fehlt, weil eher anzunehmen ist, daß die marokkanische Bevölkerung die Vorteile der EU in Anspruch nehmen wird, als daß die EU-europäische Bevölkerung die doch klimamäßig nicht ganz einfache Situation in Nordafrika aufsuchen wird. (Ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

Diese Einseitigkeit führt natürlich zu einem Kostenungleichgewicht. Kollege Konečny mag darüber lächeln, aber das macht nichts. (Bundesrat Konečny: Schauen Sie sich doch die Tourismuszahlen an, bevor Sie über das Klima in Marokko reden!) Ja, es ist nichts gefährlicher, Herr Kollege Konečny, als daß Dummheiten durch einen Gescheiten gesagt werden. – Ein Zitat von Erwin Chargaff, aber das macht ja nichts. Er hat es nicht direkt auf Sie angewandt.

Zum zweiten: das Assoziationsabkommen mit Slowenien. Bei diesem Assoziationsabkommen mit Slowenien hat doch mancher geschichtsbewußte Österreicher manche – wie soll ich es sagen – geistige Hürden zu überwinden. Wie kann man Mord, Enteignung und Vertreibung der Österreicher aus Slowenien vergessen? Sind nicht Völkermord und Vertreibung völkerrechtswidrig und verjähren nie? – Man kann einen solchen Staat, der keine eindeutig klaren Linien und Gesetze schafft, die diese Verbrechen in der Geschichte zumindest mit Bedauern versehen, nicht in die Europäische Union aufnehmen.

Auch bei anderen Staaten, die sich jetzt mit Mord, Vertreibung und Enteignung unrühmlich geziert haben, haben wir dieses Problem, sie wieder in die Völkergemeinschaft hineinkommen zu lassen. Für Slowenien gilt dies umso mehr, als die Deutsch-Untersteirer vom Grunderwerb in Slowenien ausgeschlossen sind, obwohl – das war bislang ein Hindernis – das bisher in der slowenischen Verfassung verankerte Verbot des Grunderwerbs für Ausländer im letzten Moment aufgehoben wurde.


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629. Sitzung / Seite 228

Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung. Gewissensprobleme der Völker werden moralisch und nicht biologisch gelöst, aber ich glaube, unsere Staats- und politische Spitze, aber auch andere hier in Europa verdrängen und beschwichtigen im falsch verstandenen Interesse einer sogenannten Versöhnung auf Kosten von historischer Wahrheit und Gerechtigkeit und verhindern so einen echten Ausgleich. Slowenien müßte und muß den ersten Schritt machen, um zu zeigen, daß die Vorkommnisse, die ich angeführt habe, von der jetzigen slowenischen Führung nicht gutgeheißen werden. Es wäre auch notwendig, eindeutig klarzulegen, daß die Gesetze von Jajce, die diese Vertreibung und den Mord gutheißen, nicht mehr für die slowenische Rechtsordnung gelten.

Zum weiteren zu den Abkommen, welche Österreich und die Vereinten Nationen über Amtssitz und UNIDO und weiteres abschließen.

Es wird in diesen Abkommen die Überlassung von Räumlichkeiten an Nichtregierungsorganisationen vorgesehen. Es wird nicht gesagt, welche Nichtregierungsorganisationen das sind, es wird auch nicht gesagt, ob diese Nichtregierungsorganisationen unter Umständen Miete zahlen, Miete zahlen dürfen.

Weiters wird als zusätzliches Privilegium diesen Mitarbeitern der UNO das Privileg des freien Liegenschaftserwerbs in Österreich zugestanden. Ich meine, das ist natürlich eine großzügige Auslegung aller diplomatischen Möglichkeiten. Aber muß es so großzügig sein?

Wir stimmen diesen Gesetzen deshalb zu, weil sie für Wien, für die Gebietskörperschaft Wien, aber auch für die Republik Österreich wichtig sind, weil ja hier entsprechend große Beschäftigungsgruppen ... (Bundesrat Meier: Trotzdem stimmen Sie zu? Sie stimmen zu!) Ja, natürlich. Man kann zustimmen, Herr Kollege, auch wenn man kritische Einwendungen macht. Es fällt einem nicht immer ganz leicht. Schauen Sie es sich an, es ist dies nicht der einzige Punkt, der einem die Zustimmung erschwert.

Ein weiterer Punkt, der die Zustimmung zu diesen Einrichtungen erschwert, ist, daß die Reform der UNO und die Reorganisation der UNIDO sehr wohl stets im Mund geführt wird. Ich gehe davon aus, daß der neue Generalsekretär der UNO diese Reform vorantreiben wird, aber Tatsache ist, daß sogar die Hauptgeberländer, unter anderem die Vereinigten Staaten, jahrelang die Zahlungen ihrer Beiträge hintanstellten, weil sie den Eindruck hatten – viele Österreicher haben diesen Eindruck auch –, daß die Verwaltung nicht effizient mit den Geldern umgeht.

Weiters stimmen wir natürlich auch der Rechtsstellung des Sekretariats des Wassenaar Arrangements zu. Hier werden ebenfalls große Privilegien und Immunitäten zugestanden, obwohl dieses Wassenaar Arrangement nur auf der Ebene eines Sekretariats errichtet ist und keine internationale Organisation darstellt. Es dient nur dem Informationsaustausch. Warum also diese Privilegien zugestanden werden, ist mir nicht klar.

Tatsache ist, die Wichtigkeit dieses Büros besteht darin, die Verbreitung von Waffen und Geräten, die einen Mehrfachnutzen haben können, aufzuzeigen, also die sogenannten Dual-use-Güter. Ich halte diese Aufgabe für besonders wichtig, weil aus vielen Gütern sowohl Waffen von großer Tragweite als auch Güter des täglichen Bedarfs hergestellt werden. Dies aufzuzeigen, so meine ich, ist besonders wichtig. (Präsident Dr. Hummer übernimmt den Vorsitz.)

Aufzuzeigen ist aber auch, daß im Zusammenhang mit der UNO laut "Presse" vom 14. 4. 1997 der Generaldirektor Giorgio Giacomelli als Wiener UNO-Chef angewiesen wurde, im August seinen Posten zu verlassen. Giacomelli ist ein typisches Beispiel für einen Vertreter eines UN-Systems, bei dem die Beschäftigung mit sich selbst statt mit den Aufgaben, für die die Organisation eigentlich vorhanden ist, durchgeführt wird. Diese Beschäftigung mit sich selbst, so steht in der "Presse", ist seine Hauptaufgabe geworden.

Ich meine, diese Beschäftigung mit sich selbst ist sehr vielen Vertretern internationaler Organisationen zur Hauptaufgabe geworden. Ich meine daher, daß die Geldmittel, die wir für diese Organisationen aufbringen, einer starken Kontrolle unterliegen müssen – umso mehr, als diese internationalen Organisationen mangelnde demokratische Legitimität und Nichtkontrollierbarkeit


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629. Sitzung / Seite 229

aufweisen. Sie sind überstaatlich, niemandem verantwortlich, selbstgefällig, selbstgenügsam, oft geheim und anonym agierend und vielfach auch überheblich.

Aufzählen möchte ich den UNO-Sicherheitsrat, die WTO, die G 7, die OECD, die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds, EU-Kommissare sowie die Maastricht-Kriterien und viele mehr. Diese greifen in die demokratische Institution demokratischer Länder ein, aber wir, die Mitgliedstaaten, sind kraft der Gesetze mit oft dauerhafter Wirkung gehalten, diesen Institutionen Zahlungen zu leisten.

Wir stimmen diesen letzteren drei aus Gründen der Opportunität zu, werden aber immer wieder Kritik anmelden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.33

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Frau Staatssekretärin Dr. Ferrero-Waldner. Ich erteile es ihr.

13.33

Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte nur ganz kurz zu einigen der hier genannten Dinge Stellung nehmen.

Zum ersten zu Marokko – EU. Ich möchte Ihnen sagen, daß das Abkommen der Europäischen Union mit Marokko, das eines der sogenannten Mittelmeer-Assoziationsabkommen ist, ein gemischtes Abkommen ist, also selbstverständlich alle Vertreter aller Mitgliedstaaten im Assoziationsrat tätig sind.

Ich möchte auch hinzufügen, daß es ein großes Interesse von seiten der EU gibt, solche Abkommen abzuschließen, denn gerade was die marokkanische Wirtschaft betrifft, tritt man so möglichen potentiellen islamisch-fundamentalistischen Tendenzen entgegen. Auch stagniert zum Beispiel der bilaterale Handel Österreichs mit Marokko. Um nun den Handelsaustausch mit Marokko zu fördern, sind natürlich diese Abkommen eine besonders gute Basis.

Ich kann mitteilen, daß ich vorhabe, in der zweiten Hälfte 1997 eine Reise nach Marokko durchzuführen, die im Augenblick schon geplant ist, denn auch das wird selbstverständlich den österreichischen Außenhandel fördern. – Das zum ersten Punkt.

Zum zweiten Punkt: Slowenien. Es wird immer wieder auf die AVNOJ-Abkommen hingewiesen beziehungsweise darauf, daß das slowenische Parlament hinsichtlich des Grundstückserwerbes zum Teil sehr zurückhaltend ist.

Ich möchte folgendes dazu sagen: Selbstverständlich wird in bilateralen Gesprächen – und zwar meistens in vertraulichen Gesprächen, weil wir glauben, daß das Thema für vertrauliche Gespräche geeigneter ist – die Frage der AVNOJ-Dekrete angesprochen. Ich habe das persönlich auch vor, wenn der slowenische Staatssekretär Vajgl voraussichtlich Anfang Herbst in Wien sein wird. Es war sogar ein Besuch im Juli geplant, er wurde aber von slowenischer Seite abgesagt. Jedenfalls ist Österreich hier bemüht, in diskreter Politik diese Frage anzusprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Slowenien hat sich aber verpflichtet, sein Liegenschaftsrecht jedenfalls so zu gestalten, daß auch Bürger der Europäischen Union als Privatpersonen Grund erwerben können. Das slowenische Parlament faßte einen diesbezüglichen Beschluß am 11. April 1996. Ein Briefwechsel, der einen integrierenden Bestandteil des Abkommens bildet, fand bis dato im Parlament in Laibach noch nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Slowenien konnte also dieses Abkommen noch nicht ratifizieren, aber es wird im Parlament daran gearbeitet.

Aus österreichischer Sicht ist jedenfalls eine zügige Ratifikation dieses Abkommens ein ermutigendes Signal an unsere slowenischen Nachbarn. Ich glaube, man muß es auch im Sinne einer Integration Sloweniens und einer Verbesserung der Sicherheits- und Stabilitätszone sehen.


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629. Sitzung / Seite 230

Hinsichtlich der UNIDO und der UNO beziehungsweise Giacomelli, das heißt also der Drogeneinheit von UNOV, die angesprochen wurde, möchte ich Ihnen folgendes sagen: Sie wissen, daß große Reformbestrebungen im Rahmen der UNO selbst im Gange sind, zum Teil tatsächlich vorhandene Mißwirtschaften in den Griff zu bekommen. Hier haben die Amerikaner Druck ausgeübt, der zum Teil berechtigt war. Wir Europäer haben uns durchaus angeschlossen, was den Managementbereich betrifft, was den Reformbereich des Sicherheitsrates betrifft und auch was die Budgetreform betrifft, mitzuarbeiten.

Was aber gerade jetzt die UNIDO im einzelnen angeht, darf ich Ihnen sagen, daß die UNIDO jene Organisation ist, die am meisten an Reformmaßnahmen tatsächlich durchgeführt hat. So wurde die UNIDO von 1 350 Mitarbeitern auf 750 Mitarbeiter heruntergekürzt, gleichzeitig wurde eine Fokussierung auf zwei wesentliche Punkte durchgeführt. Das eine ist die industrielle Entwicklung als solche, und das zweite sind die sogenannten Clean industries, das heißt Industrien, die sich besonders mit Umweltschutz und mit umweltschutzfreundlichen Technologien beschäftigen.

Wir als Sitzstaat haben alles darangesetzt – ich persönlich habe mich sehr dafür eingesetzt –, daß eine reformierte UNIDO aus diesem Reformprozeß hervorgeht, und ich glaube, dies ist uns auch gelungen. Zwar sind die Vereinigten Staaten, weil sie ein völlig anderes Bild von Entwicklungszusammenarbeit haben, schon vor einiger Zeit ausgetreten, aber wir konnten erreichen, daß Großbritannien, das seinen Austritt grundsätzlich angekündigt hatte, wieder zurückgekommen ist. Und ich hoffe doch, daß auch die übrigen Schwierigkeiten, die zum Teil noch da sind, in nächster Zeit behoben werden können.

Ich darf Ihnen sagen, daß die Dänen, die vor einigen Jahren durchaus auch Kritik an der UNIDO angebracht hatten, inzwischen festgestellt haben, daß die UNIDO eine durchaus wichtige und brauchbare Organisation ist und nach der Reform sicher auch ihre Daseinsberechtigung hat. UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat selbst gesagt, wenn man diese Organisation, diese intergouvernementale Organisation für industrielle Entwicklung nicht hätte, dann würden 80 Prozent aller Privatinvestitionsströme in nur insgesamt sieben bis acht Staaten der Welt gehen. Das, bitte, kann keine echte Entwicklungspolitik für industrielle Entwicklung sein.

Daher ist es von der Philosophie her absolut richtig; und eine organisierte und gestraffte UNIDO, wie sie jetzt dasteht, so muß ich sagen, hat jede Daseinsberechtigung und wird auch von uns weiterhin unterstützt.

Im übrigen – Sie haben es erwähnt – wird es einen neuen Generaldirektor geben, und wir hoffen, daß auch hier der Beste zum Zug kommen wird, der sich weiterhin um eine ausgezeichnete Organisation bemühen wird.

Zu Generaldirektor Giacomelli möchte ich nur sagen, daß er ein ausgezeichneter Chef vor allem der Drogenbehörde war und er deshalb seiner Pensionierung entgegensieht, weil er einfach die Altersgrenze erreicht hat. Das hat nichts mit Fähigkeit oder Unfähigkeit zu tun. Ich darf aber dazusagen, daß wir uns besonders freuen, daß der Italiener Arlacchi zum neuen Generaldirektor gekürt wurde, weil er ein bekannter Mann vor allem im Bereich der Verbrechensverhütung ist. Er hat sich besonders bei der Mafia-Bekämpfung in Italien hervorgetan, und er wird sicher der richtige Mann sein, um an der Spitze dieser neuen Einheit, nämlich Drogen- und Verbrechensverhütung, Terrorismusbekämpfung, Geldwäsche, zu stehen, die in Wien substantiell ausgebaut werden soll. Auch das, so muß ich sagen, ist eindeutig ein Erfolg der Regierung, denn wir haben hier rechtzeitig und natürlich langfristig – alle diese Dinge sieht man ja nicht – mit den Vereinten Nationen Kontakt aufgenommen, um mit ihr den UNO-Standort Wien nicht nur zu sichern, sondern auch in Zukunft auszubauen.

Das war jetzt nur ganz kurz. Ich kann natürlich nicht auf die große Reform des UN-Sicherheitsrates eingehen. Das wäre wohl eine eigene Debatte. – Ich danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.42

Präsident Dr. Günther Hummer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.


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629. Sitzung / Seite 231

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande betreffend die rechtliche Stellung der österreichischen Bediensteten der Europol-Drogenstelle.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich, den Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergieorganisation und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über die Errichtung und Verwaltung eines gemeinsamen Fonds zur Finanzierung größerer Reparaturen und Erneuerungen in deren Amtssitzen im Internationalen Zentrum Wien.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Übereinkommen über nukleare Sicherheit. Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits samt Anhängen und Protokollen.


Bundesrat
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629. Sitzung / Seite 232

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den im Rahmen der Europäischen Union handelnden Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Slowenien andererseits samt Anhängen, Protokollen und Schlußakte.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und den Vereinten Nationen über den Amtssitz der Vereinten Nationen in Wien.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung über den Amtssitz der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juli 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Rechtsstellung des Sekretariats des Wassenaar Arrangements in Österreich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Damit ist die Tagesordnung erschöpft.


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629. Sitzung / Seite 233

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Michael Rockenschaub, DDr. Franz Werner Königshofer, Dr. Peter Harring, Dr. Peter Böhm, Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die geplante Kapitalerhöhung bei der Nationalbank (1319/J-BR/97)

Präsident Dr. Günther Hummer: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Dr. Rockenschaub und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Da diese Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Dr. Rockenschaub als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort.

13.49

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Vor zirka 40 Jahren, im Jahr 1955, wurde die Hälfte der Aktienanteile an der Oesterreichischen Nationalbank Organisationen und Verbänden zugeteilt, die sich im Umfeld von Volkspartei und Sozialdemokratischer Partei bewegten. Man weiß bis heute nicht genau – zumindest ist es uns nicht bekanntgemacht worden –, wer, ob und wieviel für diese Aktien damals bezahlt hat.

Weltweit einmalig dürften die Tatsache und der Zustand gewesen sein, daß eine politische Partei Aktionär einer Zentralbank wurde. Das hat es meines Wissens nach nicht einmal in China, Kuba oder in der UdSSR gegeben.

Die Dividende mit zuletzt in der Höhe von 10 Prozent war gedacht als Verzinsung für das nominal eingesetzte Kapital, war jedoch – das geht auch aus einschlägigen Bestimmungen des Nationalbankgesetzes hervor – nicht gedacht als eine Teilhabe der Aktionäre, dieser genannten Aktionäre, am Firmenwert der Oesterreichischen Nationalbank, an der steigenden Substanz der Nationalbank.

Es kam dann im Jahre 1985 zu den berühmt gewordenen Schreiben des damaligen AZ-Geschäftsführers und heutigen Bundesratskollegen Konečny an den damaligen Bundeskanzler Dr. Sinowatz, mit dem Kollege Konečny ganz offen die Parteikassen der SPÖ aufbessern wollte. Er hat sich dafür eingesetzt, eine Kapitalerhöhung, eine Erhöhung des Grundkapitals bei der OeNB durch Kapitalberichtigung zu erzielen, wodurch die Dividende entsprechend gestiegen wäre und die Finanznöte des Firmenbereiches vom Kollegen Konečny gemildert hätten werden sollen.

Seit Anfang der neunziger Jahre macht die Nationalbank eher unrühmliche Schlagzeilen durch das Bekanntwerden ungeheurer Privilegien, sagenhafter Millionengagen, sagenhafter Millionenabfertigungen und sagenhafter Millionenpensionen. Auf diese Kritik, die auch durch meine Partei entscheidend ausgelöst wurde, hat man inzwischen reagiert und erste Schritte unternommen, die man durchaus auch positiv bewerten kann.

Aber in Erinnerung sind mir – das wird mir lebenslang in Erinnerung bleiben – die 11 Millionen geblieben, die Sozialdemokrat Kienzl an Abfertigung dafür erhalten hat, daß er vom Direktorium in das Präsidium der Nationalbank übersiedelt ist. Diese Zustände sind angesichts der Tatsache – das sehen wir nicht alleine so –, daß die Nationalbank seit rund 30 Jahren in Wahrheit keine eigenständige Devisenpolitik führen mußte, da man mit der D-Mark in Währungsunion ging und bei den schwerwiegenden devisenpolitischen Entscheidungen eine Art Filiale der Frankfurter Bundesbank war, nicht haltbar.


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629. Sitzung / Seite 234

In einem Bereich aber hat die Nationalbank kräftig zugelangt: Sie hat jahrzehntelang für hohe und höchste Mindestreservesätze gesorgt, wodurch der Reichtum begünstigt wurde, dies aber zu Lasten der österreichischen Geldinstitute und deren Kunden ging.

Im Jahr 1993 gab es erneut einen Versuch, die Anteile der SPÖ bei gutem Wind loszuwerden, und man wollte diese Anteile den Arbeiterkammern geben, also dieses lästige Parteimakel loswerden, aber dennoch im vermeintlichen sozialdemokratischen Hafen unterbringen. An massiven Protesten der freiheitlichen Opposition und vieler Massenmedien und Journalisten ist dieses Vorhaben gescheitert.

Nunmehr stellen wir in der jüngsten Vergangenheit einen merkwürdigen Vorgang fest: Die Bank-Austria kauft SPÖ-Anteile zu einem Preis, der sehr hoch erscheint, über den sich viele gewundert haben, nämlich zu einem Preis, der eine Kapitalrendite von rund 0,6 Prozent ergibt; das ist umgerechnet das 16fache Nominale. Irgend etwas kann doch da nicht stimmen, mit diesem Verdacht beschäftigten sich viele. Sollte das jetzt die unsittliche Parteienfinanzierung zugunsten der SPÖ sein, von der Konečny rund zehn Jahre zuvor schon geträumt hat? – Heute scheint es klar zu werden: Der überhöhte Kaufpreis wird durch nachträgliche Renditenerhöhung plötzlich doch gerechtfertigt, indem diese Kapitalberichtigung jetzt stattfindet und damit eine vielfache Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet werden kann – mehr, als jemals vorgesehen war.

Damit hat die Sozialdemokratische Partei unter Zustimmung des Koalitionspartners Volkspartei nun doch Substanzreserven an der Oesterreichischen Nationalbank lukriert, was dem Geist der Aktienverteilung und dem Sinn einschlägiger Paragraphen des Nationalbankgesetzes völlig und klar widerspricht. Ein perfekter Deal! Ich kann Kollegen Konečny gratulieren, er hat offensichtlich, zwar mit jahrelanger Verzögerung, aber doch sein Ziel erreicht. – Wir kritisieren aber diese Vorgangsweise.

Herr Bundesminister! Wir ersuchen Sie, daß Sie dafür sorgen, daß millionenschwere Geschenke, die nicht gerechtfertigt sind, an OeNB-Aktionäre unterbleiben. Wir Freiheitlichen werden die Vorgänge rund um die Nationalbank so wie in den letzten Jahren auch in der nächsten Zeit sehr genau und mit Interesse beobachten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.55

Präsident Dr. Günther Hummer: Zur Beantwortung hat sich Herr Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

13.56

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich habe die dringliche Anfrage der Bundesräte Dr. Rockenschaub, DDr. Königshofer, Dr. Harring, Dr. Böhm, Dr. Riess-Passer aufmerksam gelesen. Ich werde mit der entsprechenden Sorgfalt, sehr korrekt und knapp Ihre Anfrage beantworten.

Zur Frage 1: Es ist richtig, daß in meinem Ressort derzeit im Zuge der Vorbereitung auf die Währungsunion eine Novelle zum Nationalbankgesetz in Arbeit ist.

Zur Frage 2: Ja, es gibt Gespräche mit dem Koalitionspartner.

Zu den Fragen 3 bis 7: Diese Gespräche sind aufgrund der Sachlage natürlich noch nicht abgeschlossen. Es ist derzeit jedoch keine substantielle Erhöhung des Grundkapitals der Oesterreichischen Nationalbank geplant. Die internationale Diskussion in dieser Frage vor allem im Zusammenhang mit der Gründung des Europäischen Systems der Zentralbanken wird logischerweise abzuwarten sein.

Ich ersuche daher um Verständnis dafür, daß ich dieser internationalen Diskussion und den Ergebnissen der Gespräche mit dem Koalitionspartner nicht vorgreifen werde.

Zur Frage 8: Mir gegenüber wurden von den Aktionären der Oesterreichischen Nationalbank keine Wünsche nach Kapitalerhöhung geäußert.


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Zu den Fragen 9 und 10: Ich habe keine Kapitalerhöhung angekündigt, sondern lediglich am 16. Juli 1997 festgestellt, daß höhere Ausschüttungen der Notenbank an den Bund eine Überlegung sind, die ich aber selbstverständlich zunächst einmal mit dem Koalitionspartner besprechen will.

Es sollte Ihnen auch bekannt sein, daß gemäß § 69 des Notenbankgesetzes die Dividenden an die Aktionäre in der Höhe von 10 Prozent ihres Anteils am Grundkapital nur einen Bruchteil der Ausschüttung der Nationalbank darstellen. Der Rest geht an die Rücklage beziehungsweise per Gesetz an den Bund.

Zur Frage 11: Der Umstand, daß Geschäftsbanken an der Oesterreichischen Nationalbank beteiligt sind, ist durchaus legitim. Die Aktionärsstruktur der Oesterreichischen Nationalbank spiegelt ganz einfach die gesellschaftliche, aber auch wirtschaftliche Situation in unserem Lande wider – das ist auch gar nichts Negatives. Die tatsächlichen Einflußmöglichkeiten der Bankenvertreter im Generalrat sind bereits jetzt gesetzlich äußerst beschränkt – gemäß § 22 Abs. 4 des Nationalbankgesetzes beziehungsweise gemäß der Geschäftsordnung für den Generalrat – und werden künftig durch die Übertragung mancher, sogar vieler, sehr entscheidender währungspolitischer Kompetenzen an die Europäische Zentralbank weiter relativiert.

Zur Frage 12: Die Beibehaltung der gegenwärtigen Konstruktion der Oesterreichischen Nationalbank als Aktiengesellschaft beziehungsweise die gegenwärtige Aktionärsstruktur ist auch unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme der Oesterreichischen Nationalbank am ESZB durchaus sinnvoll, da auf diese Weise die im Generalrat vertretene Meinungsvielfalt als Beratungsinstrument für Positionierungen in den EZB-Gremien sehr vorteilhaft erscheint.

Zur Frage 13: Ja, das auf die einzelnen Aktionäre entfallende Grundkapital wurde von diesen seinerzeit voll einbezahlt.

Zu den Fragen 14 und 15: Im Zuge der Novelle zum Nationalbankgesetz ist beabsichtigt vorzusehen, daß für die neu eintretenden Mitarbeiter der Oesterreichischen Nationalbank das Pensionsrecht des ASVG anzuwenden ist. Die Auswirkungen dieser Regelung auf die OeNB-Pensionsreserven werden dabei dann zu prüfen sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

14.00

Präsident Dr. Günther Hummer: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile es ihm.

14.00

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Um die Bilanzsituation der Nationalbank kurz darzustellen, habe ich mir den Geschäftsbericht 1996 besorgt, der öffentlich erhältlich ist, und möchte Ihnen die Gewinn- und Ausschüttungszahlen erläutern.

Dazu heißt es auf Seite 107 des Geschäftsberichtes, daß die Nationalbank 1996 einen Bilanzgewinn von zirka 2 270 826 000 S auszuweisen hat. Das Direktorium hat in der Sitzung am 13. Februar 1997 beschlossen, dem Generalrat folgende Verwendung zu empfehlen:

1. 10prozentige Dividende auf das Grundkapital von 150 Millionen Schilling, das sind insgesamt 15 Millionen Schilling;

2. Zuweisung an die Reserve für den Neubau der OeNB II in Wien von 600 Millionen Schilling;


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3. Zuweisung an den Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank zur Förderung der Forschungs- und Lehraufgaben der Wissenschaft: 300 Millionen;

4. Zuweisung an die freie Reserve: 1 355 826 000 S.

So also wird der Gewinn der Nationalbank verteilt.

Man kann jetzt darüber diskutieren, inwieweit es gerechtfertigt ist, Zuweisungen für Rücklagen in gewissen Höhen zu machen. Verantwortlich dafür ist der Generalrat. Der Generalrat ist ein sehr einflußreiches Gremium in der Nationalbank und wird eben von Aktionären und Aktionärsgruppen der Nationalbank beschickt. Man sollte sich daher einmal anschauen, wie die Aktionärsstruktur der Nationalbank aussieht.

Die Republik Österreich hält 50 Prozent des Aktienkapitals. Ein großer Aktionär ist die Raiffeisen-Zentralbank mit 8,67 Prozent oder 13 Millionen – ich sage die weiteren Anteile in absoluten Zahlen, weil es so besser darstellbar ist. Der Gewerkschaftsbund hat einen Anteil von 12,5 Millionen; die P.S.K., die die früheren "Konsum"-Anteile zu einem sehr hohen Preis übernommen hat: 12,5 Millionen; die Bundeskammer: 12,5 Millionen; eine Bank-Austria-Tochter: 6,4 Millionen; die BAWAG: 5,4 Millionen; Bundesländer-Versicherung: 4 Millionen; Industriellenvereinigung: 3 Millionen; Grazer Wechselseitige: 1 Million; Pensionsfonds der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer: 1 Million; Niederösterreichische Brandschaden-Versicherung: 0,8 Millionen; Wiener Städtische: 0,7 Millionen, also 700 000 S; Raiffeisen-Landesbank Niederösterreich: 600 000 S; Kathrein-Bank: 500 000 S; Oberösterreichische Wechselseitige Versicherung: 500 000 S; Bank für Wirtschaft und freie Berufe: 200 000 S; Raiffeisen-Landesbanken Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg: je 100 000 S. So setzt sich das Grundkapital von 150 Millionen Schilling zusammen.

Kollege Rockenschaub hat die berechtigte Frage gestellt: Ist es überhaupt sinnvoll, das Kapital einer Notenbank auf diese Weise zu verteilen? – Es gibt wahrscheinlich keinen Staat in der Welt, in dem das Grundkapital der Notenbank so aufgegliedert ist. Sie werden uns wahrscheinlich auch keinen vernünftigen Grund als Begründung nennen können.

Ich persönlich bin der Meinung, daß die Nationalbank in öffentlicher Hand sein sollte. Da der Bund schon 50-Prozent-Eigentümer ist, könnte man die restlichen 50 Prozent – jetzt einmal so dahingesagt – den Bundesländern geben. Welchen Verteilungsschlüssel man wählt – man könnte die fünf größten Bundesländer mit 6 Prozent beteiligen, das wären 30 Prozent, und die vier kleineren mit 5 Prozent, das wären 20 Prozent; so könnte man das aufteilen –, wäre noch festzulegen, ist aber nicht so entscheidend.

Dem ist aber nicht so, denn die restlichen 50 Prozent am Eigentum sind unter Rot und Schwarz proporzmäßig auf die genannten Organisationen aufgeteilt, und sie können natürlich auch darüber verfügen, was sie in der Vergangenheit auch schon gemacht haben.

Der "Konsum" hat seine Anteile an eine P.S.K.-Tochter verkauft. Es sind auch noch andere Anteile verkauft worden, Anteile des Sozialistischen Verlages. Man hat dadurch Geld schöpfen können. Man hatte 12 Millionen dafür bezahlt und dann Hunderte Millionen kassiert. Inwieweit dadurch eine versteckte Parteienfinanzierung erfolgt ist, überlasse ich Ihrer Beurteilung.

Aber nun zur Intention. Vor mehr als zehn Jahren hat – Kollege Rockenschaub hat das schon dargestellt – Kollege Konečny als Geschäftsführer der "Arbeiter-Zeitung" bereits angeregt, aus inneren Mitteln der Nationalbank eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Aus von ihr verdienten Rücklagen sollte man die Anteile erhöhen, dadurch braucht man selbst kein Geld einzubringen, hat aber dann die Chance, im Wege des aufgestockten Kapitals eine höhere Dividende zu lukrieren, was im Bereich des Sozialistischen Verlages mit einer Erhöhung von 1 Million auf 4 Millionen damals hätte geschehen sollen. Der Vorschlag lautete auf Aufstockung des Kapitals von 150 Millionen Schilling auf 600 Millionen Schilling.


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Mittlerweile ist einiges Wasser die Donau hinuntergeflossen, und die Vorstellungen beziehungsweise Forderungen nach Kapitalaufstockung haben eine größere Dimension erreicht. Man spricht nun von einer Verzehnfachung des Grundkapitals, von einer Aufstockung von 150 Millionen Schilling auf 1,5 Milliarden Schilling. Das würde bedeuten, daß die Eigentümer eine Verzehnfachung ihrer Dividende erhalten würden. Es würden dann nicht mehr 15 Millionen, sondern 150 Millionen ausgeschüttet. Das hieße auch, daß die BAWAG, die jetzt 5,4 Millionen hält, nicht mehr 540 000 S Dividende erhält, sondern 5,4 Millionen. Die proporzmäßig beteiligten Unternehmen erhielten ebenso höhere Dividenden wie die Republik, die mit 50 Prozent beteiligt ist.

Es mutet schon merkwürdig an, wenn Grundkapitalsanteile zu hohen Preisen veräußert wurden, vor allem die "Konsum"-Anteile, wodurch viel Geld an den "Konsum" beziehungsweise an die Masse geflossen ist, und der Käufer in Zukunft – das konnte er damals wissen oder auch noch nicht – eine wesentlich höhere Dividende lukrieren kann.

Damit stellen sich für uns einige Fragen: Hat man diese Intention schon damals beim Verkauf dieser Aktien verfolgt? Hat man den Käufern damals eventuell schon zugesichert, daß man in wenigen Jahren eine Grundkapitalaufstockung aus inneren Reserven durchführen werde, um ihnen eine höhere Dividende zukommen lassen? Will man eine derartige Zusage nun einhalten und umsetzen, unter dem Deckmantel einer generellen Grundkapitalerhöhung, die im Zusammenhang mit der Europäischen Zentralbank notwendig wäre?

Herr Minister! Wir haben den Artikel im "Kurier" schon gelesen und auch so interpretiert. Sie sagen natürlich, die Aufstockung hätte den Sinn, daß die Notenbank auf ein entsprechend höheres Grundkapital zurückgreifen könnte, daß aber auch dem Budget entsprechende Mittel zufließen würden. Es wird aber nicht gesagt, daß auch die anderen Aktionäre eine Verzehnfachung der Mittelzuflüsse jährlich erhalten würden.

Die Nationalbank würde per Saldo also 135 Millionen mehr an Dividenden, an versteuerten Gewinnen ausschütten. Und das stößt uns etwas auf, weil wir glauben, daß dabei doch eine versteckte Parteienfinanzierung gegeben wäre. (Bundesrat Meier: Wieso glauben Sie das? Wo kriegen die Parteien etwas?)  – All das sind ja Organisationen, die Ihrem Einflußbereich zuzuordnen sind, und diese sind mit 50 Prozent beteiligt.

Herr Minister! Sie haben gesagt, Sie hätten darüber mit dem Koalitionspartner noch keine Gespräche geführt. Ich darf Ihnen sagen, daß dieser Koalitionspartner, der ja auch Interesse daran haben würde, dem nicht abgeneigt sein würde.

Ich darf aus dem Brief von Kollegen Konečny zitieren, es heißt darin: Von seiten der ÖVP-nahen OeNB-Aktionäre besteht gegen eine solche Maßnahme kein Einwand. – Das war schon im Jahr 1984. – Im Gegenteil: Generaldirektor Klaus – er war der damalige Chef der Genossenschaftlichen Zentralbank – hat mich anläßlich der letzten Generalversammlung auf einen solchen Schritt beispielsweise ausdrücklich angesprochen.

Ich meine, daß sich die Situation nicht wesentlich verändert hat. Pecunia non olet – Geld stinkt nicht! (Zwischenruf des Bundesrates Rauchenberger. ) Ich glaube, auch heute würden die Koalitionspartner ganz gerne zugreifen, wenn ihnen um 30 Millionen, 40 Millionen Schilling mehr im Jahr zukommen würden. (Bundesrat Meier: Wo würde man zugreifen?)

Der einzige, der sich dagegen aufgelehnt hat – das schreibt Konečny weiter –: Nach meinen Informationen ist lediglich Präsident Koren einem solchen Schritt gegenüber negativ eingestellt. Koren ist vor einigen Jahren verstorben und wäre somit kein Hindernis mehr.

Herr Minister! Wir nehmen zwar Ihre Beantwortung, die sehr kurz und bündig war, zur Kenntnis, können es aber nicht ganz glauben. Sie sagen, daß die neueintretenden Beschäftigten der Nationalbank dem ASVG unterstellt werden – das wäre sehr löblich –, nur: Was passiert dann ganz konkret mit der Pensionsreserve? – Sie haben es jetzt angesprochen, und man könnte darüber diskutieren, was man mit dieser Pensionsreserve anfängt.


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Sagen Sie uns heute und hier konkret, ob Sie vorhaben, das Kapital aufzustocken oder nicht, ob Sie eine Veränderung der Gesellschafterstruktur dahin gehend vorhaben, daß wirklich die öffentliche Hand beteiligt ist, Bund und Länder, daß Sie die Gruppierungen, die ja heute in der Eigentümerstruktur gar nicht erklärlich sind, zurückdrängen – zahlen Sie denen ihr Geld zurück, sie haben ja jahrelang eine adäquate Verzinsung dafür erhalten. Geben Sie den Ländern ein Miteigentumsrecht an der Nationalbank! Sagen Sie uns, ob Sie das machen wollen, und dann können wir im Hinblick auf die Nationalbank klarer sehen und entsprechend weiterdiskutieren. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.12

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Erhard Meier. Ich erteile es ihm.

14.12

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Wie wir der Begründung und den Beiträgen entnehmen können, hat die FPÖ-Anfrage nur parteipolitischen Inhalt, sie betrifft nicht Sachfragen im Zusammenhang mit der Oesterreichischen Nationalbank. (Bundesrat Eisl: Um das Geld geht es auch, nicht nur um Parteien!)

Sie schreiben, 1955 seien ausschließlich der SPÖ und ÖVP nahestehenden Organisationen Aktien zugemittelt worden. Daß der Sozialistische Verlag zweifellos SPÖ-nahe war, ist absolut nicht zu leugnen. Ob man die Raiffeisenbank – Herr Dr. Harring ist ja heute nicht hier –, die Industriellenvereinigung, die Bundeskammer, den Gewerkschaftsbund als der SPÖ und der ÖVP nahestehende Organisationen bezeichnen soll, stelle ich ausdrücklich in Frage. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Damals!) Es wird schon so sein, daß in den von Ihnen bezeichneten Organisationen weniger FPÖ-Mitglieder oder -Wähler oder -Wählerinnen beschäftigt sind oder leitende Funktionen innehaben, aber daß gerade keine FPÖ-Bank oder FPÖ-Versicherung Anteile erwerben wollte, steht nicht zur Diskussion, das gibt es nicht.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Lösen Sie sich davon, daß Banken, Sparkassen, Versicherungen den Parteien gehören. (Bundesrat Dr. Böhm: Sollten sie nicht!) Auch wenn es einen Bürgermeister dieser oder jener Couleur in den Gemeindesparkassen gibt, gehört die Bank oder Versicherung nicht den Parteien. Das ist strikt zu trennen. (Bundesrat Eisl: Wem sonst gehört denn die Wiener Städtische?)

Sie formulieren in Ihrer Begründung unbewiesene Verdachtsmomente, etwa durch folgenden Satz: "Ob für diese Übertragung tatsächlich eine Gegenleistung entrichtet wurde, ist nicht bekannt." (Bundesrat Eisl: Ist sie entrichtet worden?)

Wurde nun eine Gegenleistung erbracht? – Ich gebe Ihnen, wie der Herr Minister, auf die Frage 13 die Antwort: Ja, sie wurde erbracht.

Diese Frage kommt mir so vor, als würden Sie sagen: Hat Herr X etwas gestohlen oder nicht? – Mit dieser Frage implizieren Sie automatisch schon, daß der Verdacht besteht, daß er das getan hat. (Bundesrat Dr. Böhm: Belege fehlen!)

Es wurde eine Gegenleistung erbracht, das steht eindeutig fest. Es wurde niemandem etwas in ungerechtfertigter Weise übermittelt oder gar geschenkt; das war nicht der Fall. Es ist das korrekt und gesetzeskonform verlaufen, sonst müßten Sie und wir die Gerichte damit befassen.

Was die FPÖ stört, ist, daß die seinerzeit ausgegebenen Aktien im Laufe von 40 Jahren an Wert gewonnen haben – und das, obwohl Sie immer wieder diesen Aktienbesitz kritisiert und den Verkauf gefordert haben – und die Aktien den ausgewiesenen Erlös erbracht haben. Der Verkauf war ja geschäftsmäßig von Vorteil, weil der Verkaufserlös viel mehr an Zinsen einbringt als Nationalbankaktien an Renditen, nämlich die 0,6 Prozent.


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Warum kauft jemand solche Aktien? – Antwort: Weil Aktien der Oesterreichischen Nationalbank einen hohen Wert und eine große Sicherheit darstellen. Wegen der Rendite allein würde kein Privater diese Aktien kaufen.

Auf das von Ihnen immer wieder erwähnten Nominale und die implizierte Überbewertung kann Ihnen jeder Börsenlaie antworten, daß Aktien sehr oft schon bei ihrer Ausgabe das Mehrfache des Nominale kosten und wert sind und daß sich der Wert in 40 Jahren bei einer so sicheren und wertvollen Aktie wie der Aktie der Nationalbank vervielfacht hat. Das ist der ausgezeichneten und vorbildlichen österreichischen Geld-, Finanz- und Hartwährungspolitik zuzuschreiben.

Sollte Herr Bundesrat Albert Konečny in weiser Voraussicht (ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen) und aufgrund guter wirtschaftlicher Kenntnisse die günstige Entwicklung der Aktien der Oesterreichischen Nationalbank erkannt und dadurch den Aktionären gut gedient haben, gratuliere ich ihm hiezu ganz besonders. Fatal wäre es, wenn er den Aktionären – wer immer diese sind – Schaden zugefügt hätte. Dies war jedoch nicht der Fall, und dadurch wurde der Neid der FPÖ geweckt, die damit und mit den Angriffen auf die Oesterreichische Nationalbank, die vom Bürger als eine Institution weit weg und mit sehr viel Geld gesehen wird, in populistischer Weise punkten will. (Bundesrat Eisl: Nicht "will", "hat"! – Bundesrat Waldhäusl: Und wird!)

Nehmen Sie zur Kenntnis, daß der Sozialistische Verlag diese Aktien verkauft hat und die von Herrn Dr. Königshofer jetzt angesprochenen Dividenden aus dem Jahre 1996 nicht der SPÖ zugute kommen können!

So ist also wieder eine dringliche Anfrage zu sehen.

Der Parteiobmann der FPÖ studiert ja derzeit in den USA und befaßt sich dort angeblich mit Fragen der Budget-, Geld- und Finanzwirtschaft. Ich hoffe sehr, daß dies etwas nützt, was ich aber bezweifle. Notwendig wäre es. (Bundesrat Waldhäusl: Bei der Regierung schon!)

Gerade die Oesterreichische Nationalbank hat, gestützt auf die Wirtschaft und die Wirtschaftskraft Österreichs, zu der Arbeitnehmer und -innen, Arbeitgeber und -innen und die Bemühungen der Sozialpartnerschaft wesentlich beigetragen haben, eine überaus erfolgreiche Währungspolitik betrieben, die durch die Skandalisierungsversuche der FPÖ nicht gestört werden kann. Das hat nichts damit zu tun, daß die Oesterreichische Nationalbank nach dem Wirksamwerden der Europäischen Zentralbank und des europäischen Systems der Zentralbanken nicht auch Aufgaben abgeben und andere Funktionen übernehmen wird.

Es steht jedenfalls außer Zweifel – alle vergleichbaren Indizes beweisen das eindeutig –, daß die österreichische Währungspolitik richtig war. Vielleicht hat FPÖ-Vorsitzender Dr. Haider zu sehr mit den USA geliebäugelt, deren Dollar ja zu niedrig bewertet war und jetzt ins richtige Verhältnis kommt, als er im ORF am 20. April 1995 – "F"-Wirtschaftsexperte Prinzhorn hat dies mehrmals getan; unter anderen im "Kurier" vom 1. Dezember 1995 – eine Abwertung des Schillings gegenüber der D-Mark forderte. Gleichzeitig forderte er einen Euro, der so stark sei wie die D-Mark.

Eine Schilling-Abwertung hätte genauso wie die Lira-Abwertung, die ja von ebendiesem Herrn berechtigterweise kritisiert wurde, äußerst negative Konsequenzen gehabt. Diese sind bei einer Abwertung: eine höhere Inflationsrate, eine schnellere Spirale der Inflation und natürlich auch der Preise und der Löhne. Wir haben ja derzeit mit 1,2 Prozent – wenn wir die Juni-Zahlen hernehmen – eine wirklich niedrige Inflationsrate. Höhere Inflation bringt immer Realeinkommensverluste für Arbeitnehmer, Pensionisten und so weiter. In Italien sind in den letzten Jahren die Reallöhne durch die Inflation und die Abwertungen gesunken. Wir alle sind ja auch gegen Abwertungen.

Sehr geehrte Damen und Herren der FPÖ! Wenn Sie die Löhne senken wollen, sollten Sie dies klar sagen und nicht über Abwertungsgerede versuchen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist überhaupt nicht das Thema!) – Ich möchte Ihnen sagen, welche Rolle die Nationalbank dabei spielt.


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Durch die Abwertung hätten wir keine stabilen Rahmenbedingungen für den Außenhandel und den Tourismus. Denn Billiglohn- und Billigreiseländer, die es ja gibt, können und dürfen wir nicht auf diese Art einbeziehen, wir dürfen uns auch nicht so ihnen annähern wollen.

Drittens: Eine Abwertung hätte auch ein höheres Zinsniveau bedeutet. Was höhere Zinsenzahlungen für die österreichische Wirtschaft zur Folge hätten, braucht hier nicht ausgeführt zu werden. Allein aus diesem ohnehin bekannten Zickzackkurs der FPÖ – einmal für Abwertung, einmal für Hartwährung – ist ersichtlich, daß es neben einer guten und erfolgreichen Währungspolitik der Regierung (Bundesrat Dr. Tremmel: Herr Kollege! Sie haben sich versprochen: nicht der Regierung, sondern der Löwelstraße!) eine funktionierende und dadurch einen großen inneren Wert darstellende Nationalbank geben muß, die diese Finanzpolitik mitträgt und erfolgreich gestaltet. Das kann wohl niemand leugnen. Daher geht auch die heutige dringliche FPÖ-Anfrage ins Leere, was aus den Antworten des Herrn Finanzministers klar hervorgeht. (Beifall bei der SPÖ.)

14.2


Bundesrat
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1

Präsident Dr. Günther Hummer: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof. – Bitte.

14.21

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir haben mit Freude gehört, daß ein neues Notenbankgesetz im Status nascendi ist. Ich glaube, darauf wollen wir all unsere Überlegungen und auch Hoffnungen basieren.

Dieses neue Gesetz wird natürlich einschließen, daß die Zweiteilung zwischen Präsidenten und Generaldirektor aufgehoben wird, es wird einen Governor geben. Wir werden einen entsprechenden Sitz in der Europäischen Zentralbank haben. Dadurch wird die Befürchtung, daß wir immer nur mit unserem großen Nachbarn sozusagen mithalten werden, eigentlich auch relativiert, weil wir somit im gesamten europäischen Spektrum unsere Gleichberechtigung haben werden.

Ich freue mich auch, daß es in den Verhandlungen bereits gelungen ist, den Vorstand der Nationalbank jetzt schon von sechs auf drei Mitglieder zu reduzieren, wodurch eine Effizienzsteigerung bewerkstelligt werden konnte.

Ich glaube, die ganze Frage ist speziell aufgekommen, weil uns am allermeisten doch letztendlich die Frage des Euro interessiert und für uns wichtig ist. Ich darf hier sagen, daß unsere Landsleute in einem großartigen Plebiszit gegenüber der EU ihre Zustimmung zum großen europäischen gemeinsamen Markt bekundet haben, daß aber ein gemeinsamer Markt letzten Endes ohne gemeinsame Währung nie das sein kann, was es eigentlich sein sollte, und daß daher der Euro – ich darf das als Vertreter der Wirtschaft natürlich sagen – für uns eine absolute Notwendigkeit ist.

Deswegen glaube ich, daß eine gut funktionierende Nationalbank ein wesentliches Instrument ist, so wie es bisher war, um einen stabilen Schilling, das heißt, dann einen stabilen Euro, mitzugarantieren.

Ich glaube, etwas Wichtiges ist dabei noch zu sagen: Trotz der Frage, inwieweit die gemeinsame Währung wem nützt oder nicht nützt, war, so glaube ich, letzten Endes doch sehr wichtig, daß wir auch jetzt bei der Budgeteinigung die soziale Komponente nicht aus dem Auge gelassen haben. Ich glaube, das kann ich ebenfalls für meine Fraktion genauso unterstreichen, wie das für den Koalitionspartner der Fall ist. Wenn wir das so sehen, dann glaube ich, daß wir hier einen sehr wichtigen Schritt für die große europäische Einigung zustande bringen werden, die für die österreichische Wirtschaft von außerordentlicher Bedeutung ist. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.24

Präsident Dr. Günther Hummer: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. – Bitte.

14.24

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Finanzen! Herr Kollege Mautner Markhof! Ich habe mit großem Wohlgefallen Ihre Ausführungen gehört. Sie haben beim richtigen Zeitpunkt begonnen, nämlich bei der Novellierung des Nationalbankgesetzes, und haben in Ihrer charmanten und durchaus auch neutralen Art die Vergangenheit Vergangenheit sein lassen. Das ist an und für sich gut so. Das tut der Nationalbank, das tut unserer Währung gut. Aber trotzdem ist es notwendig – deswegen habe ich mich jetzt zu Wort gemeldet –, hier Ungeheuerlichkeiten der Vergangenheit aufzuzeigen.

Herr Kollege Meier! Daß Sie als Parteisoldat hier herausgehen und eine Rechtfertigung versuchen, das verstehe ich. (Bundesrat Dr. Ludwig: Bei uns gibt es keine Parteisoldaten! – Bundesrat Meier: Ich bin kein Soldat!) Daß Sie als Sozialdemokrat – bitte, ich verbessere mich – versuchen, hier einen anderen Genossen – das ist ja nach wie vor die Anrede –, der seine Partei dazu bringen wollte, an der Nationalbank zu genießen, in Schutz zu nehmen, das verstehe ich. Nicht mehr verstehe ich, Herr Kollege Meier – dagegen verwahre ich mich –, daß Sie hier eine dringliche Anfrage, die nach unserer Meinung durchaus begründet ist, in das Lächerliche ziehen. Dinge, die in der Vergangenheit passiert sind, worüber sich alle heute im klaren sind, daß so etwas nicht hätte passieren können, versuchen Sie heute hier zu rechtfertigen! Sie versuchen zu rechtfertigen, daß eine Gesinnungsgemeinschaft versucht, an Zinserträgnissen der Nationalbank mitzunaschen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt darf ich Ihnen etwas vorlesen, nämlich einen Brief – ich wollte ihn nicht zitieren – vom 8.5.1984:

"Lieber Genosse Sinowatz! Im Zusammenhang mit den Bemühungen, die künftige Finanzierung der AZ sicherzustellen, möchte ich dich noch auf eine weitere Möglichkeit aufmerksam machen, die zumindest indirekt eine substantielle Entlastung" – Sie, der Sie vorhin Zwischenrufe gemacht haben, hören Sie zu! – "für die AZ beziehungsweise für den Eigentümer Bundespartei darstellen könnte. Aus der Gründerzeit der Republik leitet sich die Tatsache her, daß der Sozialistische Verlag Aktienkapital vom Nominale 12,5 Millionen Schilling an der Oesterreichischen Nationalbank hält. Dies sind 8,33 Prozent des Aktienkapitals der Oesterreichischen Nationalbank. Diese Aktien werden vom Sozialistischen Verlag" – bitte, hören Sie jetzt wieder zu! – "treuhändig für die SPÖ gehalten. Der auf sie entfallende Nettodividendenbetrag beträgt jährlich 1 Million Schilling. Dieser Betrag wird der SPÖ-Bundespartei als Eigentümerleistung gutgeschrieben."

Soweit das zum vorgeschlagenen Modell, das Sie heute hier verlängert haben wollen und wozu Sie Herrn Kollegen Konečny gratuliert haben. Danke schön! Das ist eine politisch-moralische Einstellung, die ich hier nicht haben möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Ist eh verkauft! – Bundesrat Rauchenberger: Schnee von gestern!)

Herr Bundesminister für Finanzen! Ich habe an und für sich Ihre knappe, durchaus objektive Antwort in dieser Form, wie sie uns gegeben wurde, erwartet. Allerdings konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß ich hier einen Unterton vernahm, und zwar derart, das sage ich dieser lästigen Opposition, und darüber zerbrecht euch nicht die Köpfe, wir werden das schon so belassen, wie es seinerzeit war, und wir werden eine entsprechende Novellierung vorlegen.

Sie haben zwar auf die Fragen sehr konkret geantwortet und gleich zur Frage 1, Herr Bundesminister für Finanzen, haben Sie gesagt: Ja, Sie legen eine Novellierung vor. Wie ist der materielle Inhalt dieser Novellierung? – Das würde uns sehr interessieren. Sind Sie auf die Dinge, die in der Vergangenheit hier passiert sind, eingegangen? Haben Sie daraus Konsequenzen gezogen – ja oder nein? – Das würde uns interessieren!

Wir haben gestern einen Minister Ihrer Fraktion hier gehabt, der von seiner Warte aus – es ist Herr Mag. Schlögl gewesen – durchaus verständlich und klar dargestellt hat, auch mit ideologischer Untermauerung, wie er sich den großen Lauschangriff vorstellt. Er hat dies gemeinsam mit dem Bundesminister für Justiz vertreten und gesagt, er werde sich das Ganze anschauen, allfällige Bedenken werden in zukünftige Arbeiten einfließen. In dem Gesetz, das möglicher


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weise im Jahre 2001 neuerlich novelliert wird, werde man diese Bedenken berücksichtigen, wenn sie berücksichtigungswürdig sind.

Solche Dinge, Herr Bundesminister für Finanzen, hätte ich gerne von Ihnen auch gehört, wenn Sie mir vorher gesagt hätten, wie diese Novellierungsvorschläge ausschauen!

Nur: Verschlossen wie eine Auster zu agieren, als alter Kempe hier aufzutreten und zu sagen: Na, denen werde ich eine Antwort geben, aber die Antwort ist kurz und bündig, und ich werde eigentlich nichts sagen!, das reicht uns nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist hier ein Vorschlag gekommen, der durchaus dem immer wieder beschworenen föderalistischen Modell – Kollege Dr. Königshofer hat es bereits gesagt – entsprechen würde. Das wäre eine sehr gerechte Aufteilung auf die Bundesländer, um den entsprechenden – auch föderalen – Einfluß auf die Notenbankpolitik durch die Bundesländer zu haben.

Ich darf Ihnen noch einen weiteren Vorschlag anbieten: daß man langbewährte ideelle Organisationen, wie etwa Rettung, freiwillige Feuerwehren, Bereiche, die für uns ideell tätig sind, und zwar in einem ungeheuren Ausmaß, auch beteiligt, nach Prüfung dessen, was sie in der Vergangenheit für uns getan haben. Das wäre ein Dankeschön, wie ich es mir vorstellen könnte, das wäre eine Novellierungsmöglichkeit, die Sie durchaus bedenken könnten.

Sie, Herr Bundesminister, haben in höflicher, aber äußerst knapper Form darauf geantwortet. Wir warten darauf, Herr Bundesminister für Finanzen, wie die wirklichen materiellen Eckpunkte Ihrer Novellierung ausschauen werden und ob Sie überhaupt bereit sind, hier den Parteiensumpf und den Parteieneinfluß zurückzudrängen. Das wäre nämlich wirklich hoch an der Zeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.32

Präsident Dr. Günther Hummer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger. Ich erteile es ihm.

14.32

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß ich in adäquater Form Ihre Fragen beantwortet habe. Mir ist nicht bewußt, daß ich unkonkreter geantwortet hätte, als Sie mich gefragt haben. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben ja auch betont, daß ich mit äußerster Höflichkeit und Korrektheit an Ihre Fragen herangegangen bin, obwohl ich mir eigentlich, wenn ich mir die Begründung Ihrer Anfrage ansehe, auch eine andere Beantwortung – rein sprachlich, aber auch unterstellender Natur – vorstellen hätte können. Sie selbst unterstellen mir nämlich Aussagen, die ich nie getätigt habe, die Sie aber als Aussagen von mir in Ihrem Antrag festgehalten haben. So ist in Ihrer Anfrage unter anderem von einer "vom Finanzminister nunmehr wieder angesagten Kapitalerhöhung der OeNB auf das Zehnfache" die Rede. Ich habe eine solche Äußerung nie getan.

Wenn Sie den von Ihnen zitierten "Kurier"-Artikel genau lesen, werden Sie draufkommen, er beginnt wie folgt: Das ist eine Überlegung, aber ich will das Thema erst mit dem Koalitionspartner besprechen. – Ich glaube, für jeden vernünftigen Menschen, der diesen Artikel liest, ist klar, daß ich hier nach irgend etwas gefragt worden bin, nämlich von Journalisten, und zwar, ob ich mir eine Kapitalaufstockung, eine Kapitalerhöhung vorstellen kann, und ich habe neben einer ganzen Reihe anderer Überlegungen diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen.

Ich sage das deshalb in dieser Art und Weise, weil ich meine, daß ich mich als Bundesminister für Finanzen, gerade was den Bankensektor, speziell die Oesterreichische Nationalbank, betrifft, aufgrund der mir zukommenden Verantwortung, die ich wahrzunehmen habe, äußerster Sorgfalt auch in der öffentlichen Diskussion befleißigen muß. Und ich sage ganz offen und ehrlich, daß ich alles dazu beitragen werde, daß sich jene Diskussionen über Institute des österreichischen Kapitalmarktes vom Stil, aber auch vom Inhalt her nicht weiter fortsetzen, denn meiner Meinung nach haben diese Diskussionen den österreichischen Kapitalmarkt in der ersten Hälfte des


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 243

Jahres 1997 extrem belastet, ja sie haben ihm auch extrem geschadet. (Beifall bei der SPÖ.) Diese Diskussionen dürfen sich im Interesse der österreichischen Volkswirtschaft nicht weiter fortsetzen. Daher werde ich ein Nationalbankgesetz vorbereiten lassen, das dann auch in eine öffentliche Diskussion und natürlich auch in die parlamentarische Diskussion gezogen werden wird, wenn dieser Entwurf in sich stimmig ist, aber ich bin es leid, über öffentliches Nachdenken zu diskutieren.

Ich sage Ihnen noch etwas in aller Deutlichkeit: Vor ungefähr drei Monaten, als ich in der Öffentlichkeit gesagt habe, ich werde in der Lage sein, das Budget 1997 mit der Zielsetzung zu vollziehen, wie das das Parlament beschlossen hat, haben das manche nicht geglaubt, und die Fraktion der heutigen Anfragesteller am allerwenigsten. Ich glaube, daß die Diskussion darüber in der Zwischenzeit verstummt ist, weil das Budget in der Art und Weise und mit dem Ergebnis vollzogen wird, wie das die Bundesregierung vor einem Jahr beschlossen hat. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wir kennen es noch nicht!)

Sie haben aufgehört zu spekulieren, weil es Ihnen zu gefährlich geworden ist, weil Sie in der Zwischenzeit erkannt haben, daß Sie sich dann nachweislich öffentlich blamieren.

Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Auch die neuen Budgets werden ganz genau, auf Punkt und Beistrich, vollzogen werden. Man kritisiert mich in der Öffentlichkeit vor allem deswegen – darauf bin ich eigentlich stolz –, weil ich schweigsam bin, weil ich nicht spekuliere, weil ich gründlich Vorlagen vorbereite, bevor ich sie zur Diskussion stelle. Das ist nicht spektakulär, aber das ist mein Stil, und Sie können sich dann mit mir auseinandersetzen auf der Basis jener Vorlage, die ich auch zu vertreten bereit bin, und ich prüfe alle Ihre Vorschläge.

Ich nehme durchaus als einen Vorschlag zur Kenntnis, daß die Bundesländer Eigentümer der Nationalbank werden könnten, aber ich nehme doch nicht an – das würde mir in meiner lauteren marktwirtschaftlichen Gesinnung widersprechen –, daß ich Sie so interpretieren darf, daß die Republik Österreich per Gesetz 50 Prozent der Eigentümer enteignet und das den Bundesländern schenkt. Ich nehme nicht an, daß Sie das meinen. Wenn ich mir aber dann wieder anschaue, daß das den Bundesländern Geld kostet und möglicherweise gar nicht wenig, dann ist die Frage, ob die Landtage dem zustimmen, wenn Sie in Ihren Bundesländern die Idee vertreten, einige hundert Millionen Schilling dafür aufzubringen, um die Anteile an der Oesterreichischen Nationalbank zu erwerben. Oder habe ich Sie mißverstanden? Wollen Sie, daß ich dem österreichischen Nationalrat ein Enteignungsgesetz vorschlage? – Das wird ein Sozialdemokrat nicht tun, sehr geehrter Herr Bundesrat! Das sei in aller Klarheit und Deutlichkeit gesagt.

Zum dritten und letzten: Ich habe es nicht verstanden, daß in der Begründung so dramatisch dargelegt worden ist, was mit den Gewinnen der Nationalbank passiert ist: 10 Prozent für die Eigentümer des Grundkapitals, 600 Millionen für den Neubau, 300 Millionen für den Jubliäumsfonds und 1,3 Milliarden Schilling für die Rücklage. Es ist dann kein Schluß daraus gezogen worden, denn Sie haben damit nur eines bewiesen: daß sich die Organe der Oesterreichischen Nationalbank gesetzeskonform verhalten haben. Sie haben über die Gewinne gesetzeskonform verfügt, und ich kann darin überhaupt keinen Mangel, ich kann darin nichts Negatives sehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe Ihnen gesagt, ich werde im Herbst ein neues Gesetz für die Oesterreichische Nationalbank vorlegen, ein Gesetz, das den Notwendigkeiten unseres Beitrittes zur WWU entspricht, ein Gesetz, das dem künftigen Stellenwert der Oesterreichischen Nationalbank im gesamteuropäischen Reigen entspricht, ein Gesetz, das die Eigentumsverhältnisse ganz klar und transparent macht, ein Gesetz, das letztendlich auch über Gewinn und Gewinnverwendung Auskunft geben wird, ein Gesetz, das der inneren Struktur der Nationalbank, dem Generalrat oder Aufsichtsrat – oder wie immer dies dann heißen wird; auch diese beiden Varianten gibt es ja bekanntlicherweise – entsprechen wird.

Ich werde Sie höflichst und korrekt einladen, an dieser Diskussion teilzunehmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.40


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 244

Präsident Dr. Günther Hummer:
Es meldet sich noch zu Wort Bundesrat Dr. Königshofer. Es steht Ihnen noch eine Redezeit von 9 Minuten zu.

14.40

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Minister! Sie haben gesagt, wir würden vielleicht eine Enteignung dieser Nationalbank-Aktionäre verlangen, und das könne man von einem sozialdemokratischen Minister nicht fordern.

Ich sage Ihnen, wir verlangen kein Enteignungsgesetz, wir wollen Sie nur auffordern, entsprechende gesetzliche Grundlagen zu entwerfen. Das können Sie ja jetzt in einem Nationalbankgesetz tun.

Nur eines werden Sie von uns nicht erwarten können: daß Sie zum Beispiel den Ländern diese Aktienanteile zu einem derart überhöhten Preis – dem sechzehnfachen! – zum Kauf anbieten. Da müssen wir uns wieder schützend vor unsere Länder stellen! So kann es ja nicht gehen, denn die bisherigen Eigentümer haben für dieses Kapital, das sie eingebracht haben, eine marktkonforme Verzinsung von 10 Prozent pro Jahr erhalten. Da können Sie nicht erwarten, daß die Bundesländer dafür jetzt den fünfzehn- oder sechzehnfachen Preis bezahlen!

Herr Kollege Meier hat auch gemeint, die österreichischen Banken stünden nicht im Eigentum der Parteien. Da haben Sie schon recht, aber sie stehen sozusagen in der Verfügungsgewalt der österreichischen Parteien, in der Einflußsphäre der österreichischen Parteien. Jetzt frage ich Sie noch einmal: Wie schauen denn die Zusammensetzungen in den Vorständen aus? Wie schaut es denn zum Beispiel in der CA bisher aus? – Bis zum letzten Vorstandswechsel hat es immer sechs Vorstandsdirektoren gegeben, und zwar drei rote und drei schwarze Vorstandsdirektoren. Und auch jetzt hat sich der neue Eigentümer die Vorstände wieder so "gerichtet", daß es ihm entgegenkommt.

Natürlich hat der eine Flügel – der ÖVP-Flügel – hier Abstriche machen müssen, er ist ja nicht umsonst Ende Jänner dieses Jahres in einer Nacht über den Tisch gezogen worden. Das möchte ich hier festhalten.

Zum Schluß will ich dem Börsen- und Aktienspezialisten, Kollegen Meier, noch eines sagen – weil er davon spricht, wie sich die Kurse entwickeln und wie vorhersehend Kollege Konečny gewesen sei –: Wenn bei einem normalen Aktienkauf ein Kunde aufgrund einer internen Information, die in Richtung Besserung dieser Aktien geht, Aktien erwirbt, dann verwendet er verbotenes Insider-Wissen. Und darauf zielt meine Frage ab: Was war damals bei diesen Verkäufen um den sechzehnfachen Wert? Hat man damals den Käufern eventuell versprochen, in Hinkunft eine interne Kapitalerhöhung durchzuführen, sodaß sich ihr Kapitaleinsatz wesentlich schneller amortisiert, das Kurs-Gewinn-Verhältnis ein entsprechend anderes sein würde, oder hat man das nicht getan?

Das würde uns interessieren, denn das ist eine eminent wichtige Sache! Sie sagen natürlich wieder: Nein! – Na, wir werden das beobachten.

Ich darf abschließend sagen: Wir werden uns freuen, Herr Minister, wenn Sie einen Gesetzesvorschlag vorlegen werden. Wir werden uns diesen genau anschauen, und dann werden wir sehen, wohin die Entwicklung der Oesterreichischen Nationalbank geht. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.44

Präsident Dr. Günther Hummer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
629. Sitzung / Seite 245

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 34 Anfragen, 1299/J bis 1332/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 2. Oktober 1997, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 30. September 1997, ab 14 Uhr vorgesehen.

Ich wünsche Ihnen allen noch einen angenehmen Urlaub!

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 14.45 Uhr