Stenographisches Protokoll

638. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 27. März 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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638. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 27. März 1998

Dauer der Sitzung

Freitag, 27. März 1998: 13.03 – 13.48 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird

*****

Inhalt

Personalien

Krankmeldung 3

Entschuldigungen 3

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 3

Ausschüsse

Zuweisungen 3

Verhandlungen

(1) Beschluß des Nationalrates vom 26. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (721/A und 1109/NR sowie 5650/BR d. B.)

Berichterstatter: Horst Freiberger 4

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Engelbert Weilharter 4

Engelbert Schaufler 6

Karl Drochter 8

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 10

Dr. Paul Tremmel 11


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638. Sitzung / Seite 2

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 11

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Alfred Schöls und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Verbesserungen im Strafvollzug (1373/J-BR/98)

der Bundesräte Gottfried Waldhäusl, Andreas Eisl, Mag. John Gudenus an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend 200 Millionen Schilling AMA-Strafe für Milchbauern/EU-Betrügereien (1374/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Peter Böhm, Monika Mühlwerth, Mag. John Gudenus an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Fehler bei der Elefantenhaltung im Tiergarten Schönbrunn und der Haltung exotischer Tiere im allgemeinen (1375/J-BR/98)


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638. Sitzung / Seite 3

Beginn der Sitzung: 13.03 Uhr

Präsident Ludwig Bieringer: Ich eröffne die 638. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 637. Sitzung des Bundesrates vom 12. März 1998 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates Ing. Walter Grasberger.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Hedda Kainz, Stefan Prähauser, Dr. Vincenz Liechtenstein, Uta Barbara Pühringer, Peter Rieser, Ing. Johann Penz, DDr. Franz Werner Königshofer und Mag. Walter Scherb.

Meine Damen und Herren! Ich darf die Gelegenheit beim Schopf packen und Herrn Bundesrat Eisl sehr herzlich zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren. (Allgemeiner Beifall.)

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Ludwig Bieringer: Eingelangt ist ein Beschluß des Nationalrates vom 26. März 1998 betreffend eine Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, der Gegenstand der heutigen Tagesordnung ist, sowie Vorlagen vom 25. März 1998, die für die Tagesordnung der 639. Sitzung am 17. April 1998 vorgesehen sind, und zwar betreffend

ein Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes,

ein Bundesgesetz über die Änderung des Nationalbankgesetzes 1984, des Scheidemünzengesetzes, des Schillinggesetzes, des Devisengesetzes und des Kapitalmarktgesetzes, die Aufhebung des Übergangsrechtes anläßlich einer Novelle zum Nationalbankgesetz 1955, des Bundesgesetzes vom 12. Jänner 1923 betreffend Überleitung der Geschäfte der Österreichisch-Ungarischen Bank, österreichische Geschäftsführung, auf die Oesterreichische Nationalbank, des Bundesgesetzes vom 18. März 1959 betreffend Beitragsleistungen der Republik Österreich bei Internationalen Finanzinstitutionen, BGBl. Nr. 74/1959, und des Bundesgesetzes betreffend Beitragsleistungen der Republik Österreich bei internationalen Finanzinstitutionen, BGBl. Nr. 171/1991,

ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz über die Übertragung des Dorotheums in das Eigentum der ÖIAG,

ein Übereinkommen zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen samt Zusatzprotokoll und Protokoll über den Beitritt Griechenlands zum Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen sowie Erklärung der Republik Österreich,

ein Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an den Neuen Kreditvereinbarungen mit dem Internationalen Währungsfonds,

ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz 1975 geändert wird,

ein Rindfleisch-Etikettierungsgesetz und

ein EU-Veterinärrechtsanpassungsgesetz 1997.

Ich habe alle eingelangten Beschlüsse den hiefür zuständigen Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Der Sozialausschuß hat seine Vorberatung über das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 abgeschlossen und darüber einen schriftlichen Ausschußbericht erstattet.


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Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Ludwig Bieringer: Für diese Vorlage, die auf der heutigen Tagesordnung steht, ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24stündigen Aufliegefrist des Ausschußberichtes Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist des gegenständlichen Ausschußberichtes einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 26. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird (721/A und 1109/NR sowie 5650/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum ersten und einzigen Punkt: Beschluß des Nationalrates vom 26. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Horst Freiberger übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Horst Freiberger: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 26. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert wird, liegt Ihnen allen schriftlich vor. Ich erspare mir und Ihnen deshalb die Verlesung dieses Berichtes.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 27. März 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile ihm dieses.

13.09

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! "Vor Notoperation bei der Notstandshilfe – 700-Millionen-Loch nach Höchstgerichtsurteil" – so titelte am 25. März dieses Jahres eine große steirische Tageszeitung. Noch treffender, meine Damen und Herren, hat es sicherlich der römische Geschichtsschreiber Tacitus schon 100 Jahre nach Christus formuliert. Er hat gesagt: Früher litten wir an Verbrechen, heute leiden wir unter den Gesetzen.

Meine Damen und Herren! Wenn man die täglichen Medienberichte über Verbrechen verfolgt, vor allem auch jene in jüngster Zeit über den Polizistenmord in Wien, der durch nichts zu rechtfertigen und zu entschuldigen ist, wenn man also die tagespolitischen Aktualitäten verfolgt, so ist der Schluß zulässig, daß die von den Regierungsparteien produzierten Gesetze auch Probleme verursachen. Es hätte gar nicht dieser Äußerung des Tacitus von vor 2000 Jahren bedurft, denn man braucht zur Betrachtung der politischen Entwicklung nur die Funktionsperiode der derzeitigen Bundesregierung ins Blickfeld zu nehmen. Ich möchte daher in Abwandlung dieses Zitates sagen: Heute leiden wir nicht nur unter den Gesetzen, sondern auch unter den Verbrechen.


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Meine Damen und Herren! Untermauern kann ich diese meine Aussage mit vielen Beispielen für Gesetzesinitiativen, die von seiten der Bundesregierung, von den Koalitionsparteien in der laufenden Legislaturperiode initiiert worden sind. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Werkvertragsregelung. Diese mußte in kurzer Zeit x-mal novelliert und geändert werden, und nach wie vor ist die Treffsicherheit dieser Regelung, dieses Gesetzes nicht gegeben.

Oder denken Sie an, die jüngste Gesetzesnovelle zur Straßenverkehrsordnung, welche wiederum ein eigenes Führerscheingesetz erforderlich gemacht hat. Somit waren zwei Gesetze erforderlich, die einerseits das Ziel haben, den Blutzoll, die Unfälle auf der Straße zu reduzieren, die aber andererseits inhaltlich in krassem Widerspruch zueinander stehen und am Ziel leider vorbeigehen.

Meine Damen und Herren! Aktuellstes Beispiel dafür ist die schon eingangs zitierte – das ist keine Aussage von uns, sondern ein Zitat aus der "Kleinen Zeitung Steiermark" – "Notoperation bei der Notstandshilfe". Diese soll heute wieder in einem Husch-Pfusch-Verfahren abgehandelt werden, einem Husch-Pfusch-Verfahren deshalb, meine Damen und Herren, weil die Länder keine Gelegenheit bekommen haben, zu dieser Novelle Stellung zu nehmen. Wenn die Länder auch ursprünglich ihre Stellungnahme abgegeben haben, so sind sie doch mit dieser Novelle nicht befaßt und daher nicht berücksichtigt worden. Ein Begutachtungsverfahren zu dieser Novelle, in dem auch die Interessenvertretungen Position hätten beziehen können, wurde verabsäumt. Darüber hinaus ist für diese Novelle die finanzielle Bedeckung im Budget nicht gegeben.

Meine Damen und Herren! Deshalb wird in der genannten Zeitung im Untertitel geschrieben, daß ein 700-Millionen-Loch im laufenden Haushalt aus der Arbeitslosenversicherung klafft. Wenn uns auch, meine Damen und Herren, die Frau Sozialministerin immer wieder zu erklären versucht hat, daß es sich nicht um 700 Millionen handelt, sondern lediglich um 53 Millionen, ist es doch ein Faktum, daß weder die 53 Millionen noch die 700 Millionen Schilling im Budget vorgesehen sind.

Meine Damen und Herren! Diese Husch-Pfusch-Aktion, wie ich es bezeichne, bringt aber auch eine Verschärfung bei den Anspruchsberechtigten im Bereich der Notstandshilfe mit sich. Es werden sozial Benachteiligte noch mehr benachteiligt. Man könnte es mit einem kurzen Begriff als übles Spiel der Koalition bezeichnen, denn, meine Damen und Herren, kein Geringerer als der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat zu Recht die Bedenken gegen diese Novelle erkannt. So wurde von seiten des Verfassungsdienstes darauf hingewiesen, daß aufgrund dieser Novelle im Ausland geborene Österreicher diskriminiert werden. Ich nenne dafür nur ein Beispiel: Die Kinder der Botschafter oder die Kinder von Mitarbeitern der Botschaften würden aufgrund der vorliegenden Novelle nicht unter dieses Gesetz fallen und würden dadurch, wie es in der Begründung des Einspruches des Verfassungsgerichtshofes stand, diskriminiert werden.

Meine Damen und Herren! Bezüglich der Kosten – das wurde von mir schon gesagt – werden die verschiedensten Beträge kolportiert: einerseits 53 Millionen Schilling, andererseits 700 Millionen Schilling, wie die zitierte Zeitung getitelt hat. Die "Kronen Zeitung" hat sogar geschrieben, daß ein Finanzbedarf von 2,5 Milliarden besteht. Ich zitiere wörtlich: "Nach einem Verfassungserkenntnis muß die Notstandshilfe ab 1. April auch an Gastarbeiter bezahlt werden. Das würde heuer und nächstes Jahr Mehrkosten von 2,5 Milliarden Schilling verursachen."

Meine Damen und Herren! Ein Gesetz zu beschließen, ohne daß die dadurch verursachten Kosten feststehen, halte ich für bedenklich.

Der dritte Grund, aus dem wir Freiheitliche diese Novelle ablehnen, besteht darin, daß die Begriffsdefinitionen nicht klar sind. Es ist im Bereich der Notstandshilfe die Rede davon, daß es sich um eine Versicherungsleistung handelt, und aus dieser Versicherungsleistung resultiert die Fürsorgeleistung. Es genügt mir nicht – das wurde auch im Ausschuß gesagt –, daß die Fürsorgeleistung von der Versicherungsleistung abgeleitet wird. Es ist nicht schlüssig und kann nicht schlüssig sein, daß eine Fürsorgeleistung von einer Versicherungsleistung abgeleitet wird, da eine Versicherungsleistung selbstverständlich mit rechtlichen Ansprüchen verbunden ist, wogegen eine Fürsorgeleistung eine freiwillige Leistung darstellt.


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Meine Damen und Herren! Daher ist mit dieser Novelle wiederum Rechtsunsicherheit gegeben, und deshalb können wir schon jetzt davon ausgehen, daß der Verfassungsgerichtshof – da es sich um eine Versicherungsleistung handelt, ist er auch zuständig; für eine Fürsorgeleistung wäre er nicht zuständig –, wenn es einen Beschwerdeführer gibt, diese Novelle wiederum aufheben wird.

Meine Damen und Herren! Aus den von mir genannten Gründen sehen wir Freiheitlichen uns nicht in der Lage, dieser Novelle unsere Zustimmung zu geben. Ich möchte abschließend festhalten: Es handelt sich hier um ein übles Spiel, um eine Husch-Pfusch-Aktion, für die wir Freiheitlichen uns nicht hergeben. Verbrechen und Gesetze, unter denen wir alle leiden, sind kein freiheitliches Ziel, daher werden wir nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.17

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile ihm dieses.

13.18

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Wir haben uns in der letzten Sitzung des Bundesrates mit einem Problem der freiwilligen Hilfsdienste, im speziellen der Freiwilligen Feuerwehren beschäftigt. Mit der Einberufung der heutigen Sitzung und auch der Sitzung des Nationalrates in diesen Tagen kommt ein gewisses "Feuerwehrdenken", ein gewisses Flair in diese Richtung auf. Hier und heute gilt es aber nicht, einen Brand zu löschen, sondern ganz einfach eine Gesetzesnovelle vorzuziehen.

Der "Kurier" schreibt in seiner heutigen Ausgabe: "Wenn’s ums Geld geht, kann die Gesetzesmaschinerie blitzschnell arbeiten." – Ich meine, daß das in dreifacher Hinsicht unrichtig ist. Erstens: Ich glaube nicht, daß mir in diesem Hohen Haus jemand widerspricht, wenn ich behaupte, daß weder der Nationalrat noch der Bundesrat eine Maschine ist.

Zum zweiten: Der Nationalrat und der Bundesrat haben die Situation erkannt und einer Gleichstellung von ausländischen Arbeitskräften in Österreich und österreichischen Staatsbürgern schon Rechnung getragen, indem sie im Juni 1997 eine Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz beschlossen haben – in Anerkennung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. Diese Novelle sollte mit 1. Jänner 2000 in Kraft treten.

Zum dritten möchte ich sagen, daß es vorrangig nicht ums Geld geht, sondern darum, einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gerecht zu werden.

Der Verfassungsgerichtshof mußte sich mit dem Problem beschäftigen. Ich kritisiere keinesfalls seine Entscheidung, erlaube mir aber dennoch anzumerken, daß der Verfassungsgerichtshof bisher eigentlich immer eine angemessene Frist gesetzt hat, um dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu geben, sich intensiv mit der Materie zu beschäftigen.

In diesem Fall liegt die Sache etwas anders. Hier gilt es, auch der Menschenrechtskonvention, der Österreich meiner Erinnerung nach im Jahre 1958 beigetreten ist, gerecht zu werden. Deshalb war eine Fristsetzung nicht möglich. Einen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention sollten wir Österreicher uns nicht zuschulden kommen lassen, denn das würde uns international nicht gerade ins beste Licht rücken.

Warum geht es eigentlich tatsächlich in diesem Bereich? – Die bisherige Gesetzeslage rund um die Notstandshilfe war so festgelegt, daß Ausländer in gewissen Bestimmungen Österreichern gleichgestellt wurden. Man hat ursprünglich, vor Jahren geglaubt, daß das ausreichen würde, aber wir sehen nun, daß das Gesetz dieser Gleichstellung nicht zur Gänze gerecht wurde.

Österreicher und österreichische Staatsbürger waren gleichgestellt, Konventionsflüchtlinge und staatenlose Personen, die im Bereich des gegenwärtigen Staatsgebietes geboren sind und hier ununterbrochen leben oder seit 1. Jänner 1930 ununterbrochen ihren Wohnsitz in Österreich haben, Befreiungsscheininhaber beziehungsweise Personen, die die Voraussetzungen erfüllen, aber keinen Befreiungsschein benötigen, ausländische Staatsbürger, soweit ein Abkommen


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oder ein internationaler Vertrag vorliegt, und auch sogenannte versetzte Personen mit österreichischem Personalausweis – da ist es um die Südtiroler gegangen. – Das war die bisherige Lage.

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, daß das nicht der Menschenrechtskonvention entspricht, daher kam die Novelle im Juni 1997 zustande. Nunmehr gelangte der Verfassungsgerichtshof zu der Entscheidung, daß eine tatsächliche Gleichstellung zu spät erfolgt und wir daher neue Kriterien festsetzen müssen.

Da hier von meinem Vorredner ins Treffen geführt wurde, daß die Zahlen darüber, wieviel die Neuregelung kosten werde, unterschiedlich seien, muß ich ihm sagen: Er ist im Sozialausschuß gesessen und müßte dort eigentlich schon vernünftige Zahlen gehört haben, die auch eine Grundlage haben. (Bundesrat Waldhäusl: Gehört haben wir sie schon, aber wir glauben sie nicht!) Tatsächlich haben Sie, Herr Kollege Engelbert Weilharter, ein paar Zahlen verwechselt.

Seit einigen Tagen liegen Zahlen vor. Die Zahl von 700 Millionen Schilling wäre richtig, wenn wir diese Novelle nicht beschließen würden. Daher verstehe ich nicht, warum Sie das Vorziehen der Novelle ablehnen. 700 Millionen Schilling wären 1998 aufzuwenden, wenn die Novelle nicht kommt, und rund 1 Milliarde Schilling oder etwas mehr im Jahr 1999. Sie haben die Zahlen so vermischt, daß niemand mehr versteht, was Sie eigentlich meinen. Sie haben es so dargestellt, als wäre mit der Novelle das Ziel nicht zu erreichen. Die Novelle erreicht aber das Ziel, sodaß im Jahr 1998 die zusätzlichen Kosten, wie Sie selbst im Ausschuß gehört haben, etwa 35 Millionen betragen werden. Im Jahr 1999 werden es etwa 53 Millionen Schilling sein.

Ich meine, daß das im Hinblick auf unser Gesamtbudget verkraftbar ist, und ich glaube, daß diese Zahlen fundiert sind. Sie haben die Begründung dafür genauso wie ich gehört. Es ist dies natürlich eine Hochrechnung, die auf dem gegebenen Stand von Notstandshilfebeziehern beruht, aber ich nehme nicht an, daß sich die Situation innerhalb eines Jahres verschlechtern wird. Ich denke, daß sie sich sogar ein wenig verbessern wird, denn diese Regierung hat alles getan, um die Situation auf dem Arbeitsmarkt etwas besser darzustellen und zustande zu bringen. (Bundesrat Dr. Harring: Das kann sein! Aber nur darzustellen!) Ich habe das erwartet. Ich werde mit einigen Zahlen antworten können.

Das ist also die Situation. Sie dürfen außerdem nicht vergessen, daß die Zahl derjenigen, die einen neuen Anspruch erwerben werden, etwa bei 450 Personen liegen wird. Auch daher sind die Berechnungen entsprechend unterlegt und begründet.

Ich verstehe nicht, was die FPÖ eigentlich will. (Bundesrat Dr. Tremmel: Meistens verstehen Sie es zu spät! – Bundesrat Dr. Harring: Vielleicht liegt das an Ihnen, Kollege!) Sie stellt die Gastarbeiter überwiegend in Frage. Ich orte wieder nur Populismus und den Grundsatz, gegen alles zu sein, was seitens der Regierung an vernünftigen Maßnahmen vorgeschlagen wird. Das ist es, was ich bei Ihnen immer wieder orte.

Die Notstandshilfe – das sollten Sie sich zu Herzen nehmen – ist eine Vorkehrung, die für viele – dabei ist jeder, der sie beansprucht und beantragen muß, einer zuviel – das letzte soziale Netz darstellt. Wie sollen sie sonst über die Runden kommen? – Insbesondere sind viele, zu viele ältere Arbeitnehmer darunter, die, aus welchen Gründen auch immer, ihren Arbeitsplatz verloren und noch keine Möglichkeit haben, in Pension zu gehen.

Es gilt daher grundsätzlich, in Österreich Maßnahmen zu setzen, um zunehmende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Denn 1 Prozent Arbeitslosigkeit kostet viel Geld. Ich darf Ihnen ein paar Zahlen nennen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Wann setzen Sie denn diese Maßnahmen, Kollege? – Bundesrat Dr. Harring: Das war der erste wahre Satz in Ihrer Rede!) Es ist jeder Satz wahr, Herr Kollege!

Die Kosten für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe liegen bei ungefähr 21,5 Milliarden Schilling. Rechnet man den Steuerausfall, die Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeitragsausfälle dazu, kommt man auf etwas mehr als 50 Milliarden Schilling. Das heißt im Klartext: Wenn wir die Arbeitslosigkeit, die derzeit nach internationalen Kriterien bei etwa 4,4 Prozent liegt, um 1 Pro


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zent senken könnten, würden wir – sprich: der Staat Österreich – uns 11,5 Milliarden Schilling im Jahr ersparen. (Der Redner zeigt eine Graphik. – Bundesrat Mag. Gudenus: Ein Taferl! – Bundesrat Dr. Harring: Kennen Ihre Regierungsmitglieder diesen Vorschlag?) Ich habe das vergrößert, damit Sie es einmal sehen können. Denn das Gehörte fällt bei Ihnen auf keinen guten Boden.

Das ist die Situation, in der wir leben. Die österreichische Bundesregierung hat bereits eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, die sich im internationalen Vergleich sehen lassen können. Wir haben eine Arbeitslosenrate – das bestreiten selbst Sie nicht –, die, obwohl sie aus meiner Sicht noch immer zu hoch ist, im internationalen Vergleich einen guten, den zweiten Platz einnimmt. (Bundesrat Mag. Gudenus: Von unten oder von oben?) Das ist nicht so schlecht, möchte ich Ihnen sagen. (Bundesrat Dr. Bösch: Eine versteckte Arbeitslosigkeit!)

Sie sollten zur Kenntnis nehmen, daß an Beschäftigungsprogrammen gearbeitet wird. Das Ziel soll über bessere Qualifikation, das heißt Ausbildung und dergleichen mehr, sowie durch Neugründung von Firmen erreicht werden. Wenn wir allein im Jahr 1995 65 000 Arbeitsplätze durch Betriebsstillegungen verloren haben und im gleichen Zeitraum 83 000 Arbeitsplätze durch Neugründungen geschaffen wurden, dann ist das ein Erfolg – auch der Politik. Die Politik schafft keine Arbeitsplätze (Bundesrat Mag. Gudenus: Bravo!), aber sie hat die Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen es möglich ist, Neugründungen vorzunehmen. Darauf kommt es an. (Bundesrat Dr. Tremmel: Sie haben ideale Bedingungen für 300 000 Arbeitslose geschaffen! – Bundesrat Dr. Harring: Wie viele der 15 000 Bewilligungsverfahren haben Sie erledigt, Herr Kollege? Was sind das für Rahmenbedingungen?)

Auf Ihren Zwischenruf gehe ich gerne ein. Sie können nicht erwarten, daß jemand, der sein Vorhaben heute einreicht, schon morgen grundsätzlich Bescheid bekommt. Denn in einem Rechtsfeld ist es so, daß die Schranken des einen dort sind, wo der Rechtsbereich des anderen anfängt. Daher sind diese Bereiche abzustecken, und es ist zu überlegen, in welcher Form ein Betrieb gegründet werden kann.

Wir sollten alles tun, um die Zahl der Notstandshilfeempfänger von vornherein so gering wie möglich zu halten. Ich persönlich meine, daß es nach wie vor die vornehmste Aufgabe der Politik ist, jedem Arbeitnehmer, der arbeiten möchte, einen Arbeitsplatz zu verschaffen.

Ich möchte abschließend etwas zur Kritik hinsichtlich der Unterscheidung von Versicherungsleistung und Sozialleistung anmerken. Man darf die Notstandshilfe nicht einseitig sehen. Sie ist eine Mischung von Elementen aus beiden Formen, aus der Versicherungsleistung und aus der Sozialleistung. Auf der Basis dieser Überlegung ist auch die Novelle im Juni 1997 ausgearbeitet worden.

Aus all den genannten Gründen wird meine Fraktion diesem Vorziehen der Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz gerne zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.31

Präsident Ludwig Bieringer: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile ihm dieses.

13.31

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin Prammer! Kollege Schaufler! Ich glaube nicht, daß es Absicht gewesen ist, daß du die Frau Bundesministerin zur Staatssekretärin degradiert hast. Ich glaube, daß das in Panik passiert ist.

Einige Anmerkungen seien mir auch zu Kollegen Weilharter gestattet. Ich empfinde die Polemik zu den Sozialgesetzen, heute im besonderen zur Notstandshilfe, als geschmacklos und halte sie für unangebracht. Die Notstandshilfebezieher sind in einer sehr schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Lage. Es ist daher nicht gerechtfertigt, hier in diesem Hause so inhaltsleer, so inhaltslos und so polemisch über die Notstandshilfe oder über das Arbeitslosenversicherungsgesetz zu diskutieren. (Beifall bei der SPÖ.) Das veranlaßt mich, etwas näher auf die Notstandshilfe einzugehen.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Arbeitslose, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Karenzurlaub erschöpft haben, die arbeitsfähig, arbeitswillig sind, sich aber in einer Notlage befinden, können einen Antrag auf Notstandshilfe stellen. Notlage liegt vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist. Die Grundsätze, nach denen das Vorliegen der Notlage zu beurteilen sind, sind aufgrund des Arbeitslosenversicherungsgesetzes beziehungsweise aufgrund von Verordnungen des zuständigen Ministeriums zu erlassen.

Diese Verordnungen bestimmen, daß zur Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners oder Lebensgefährten zu berücksichtigen sind und daß alle Einkommen des Arbeitslosen grundsätzlich zur Gänze auf die Notstandshilfe anzurechnen sind. Nicht angerechnet werden zum Beispiel Unfallrenten, Unterhaltsrenten nach dem Opferfürsorgegesetz, Blindenzulage und die Leistungen nach dem Bundespflegegesetz. Nicht angerechnet werden auch Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung.

Nun einige Anmerkungen zur Höhe der Notstandshilfe: Das Ausmaß der Notstandshilfe beträgt 95 Prozent des in Betracht kommenden Grundbetrages des Arbeitslosengeldes, wenn dieser Grundbetrag den Ausgleichsrichtsatz nach dem ASVG – für das Jahr 1998 beträgt dieser 7 992 S – nicht übersteigt. Die Notstandshilfe erhöht sich für den Arbeitslosen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind, um die Familienzuschläge. Die Notstandshilfe ist an sich zeitlich unbegrenzt, sie wird jedoch nur für einen bestimmten Zeitraum, jeweils für 52 Wochen, also für einen ein Jahr nicht übersteigenden Zeitraum, gewährt.

In den Jahren 1996 und 1997 bezogen rund 86 000 Männer und Frauen zumindest einmal im Jahr Notstandshilfe. Die Notstandshilfe wird zwölfmal im Jahr ausbezahlt. Hören Sie zu, Kollege Weilharter, dann brauchen Sie das nächste Mal nicht nur zu polemisieren, sondern können darüber nachdenken und sich mit der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Situation der Notstandshilfebezieher auseinandersetzen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Weilharter: Dank Ihrer Arbeitsmarktpolitik! Wer treibt die Menschen in die Notstandshilfe?)

1996 betrug die mittlere monatliche Notstandshilfe rund 7 300 S. Bei den Frauen lag der Medianwert bei 6 300 S, bei den Männern bei 8 100 S. 30 Prozent der notstandshilfebeziehenden Frauen mußten 1996 mit einem Einkommen in Höhe von 4 900 S auskommen. – Kollege Weilharter! Über diese Personen polemisieren Sie! Das sei Ihnen überlassen. (Bundesrat Dr. Böhm: Wieso gegen die Personen?)

Der Bezug der Notstandshilfe war bis zur Novellierung im Vorjahr grundsätzlich nur für österreichische Staatsbürger möglich. Aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte war Österreich veranlaßt, diese Ungleichbehandlung von Ausländern zu beseitigen. Der Europäische Gerichtshof entschied, daß für den Anspruch auf Notstandshilfe in Zukunft von der Staatsbürgerschaft unabhängige Kriterien maßgeblich sein müssen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Sie vergessen ein Kriterium!)

Wir haben daher im Vorjahr, 1997 – Sie von der FPÖ nicht –, ergänzend beschlossen, daß für die Notstandshilfe zusätzlich zu den für das Arbeitslosengeld erforderlichen Voraussetzungen nachgewiesen werden muß, daß eine achtjährige Beschäftigung in Österreich in den letzten zehn Jahren, also eine qualifizierte Anwartschaft, vorliegen muß, daß bei jungen Arbeitslosen unter 25 Jahren die Schulpflicht in Österreich zur Hälfte erfüllt und auch beendet worden sein muß, der Arbeitslose in Österreich geboren oder zumindest die halbe Lebenszeit seinen Wohnsitz in Österreich gehabt haben muß. Der Inkraftsetzungszeitpunkt für die Neuregelung der §§ 33 und 34 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes wurde im Jahr 1997 mit 1. Jänner 2000 festgelegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aufgrund des nun vorliegenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März dieses Jahres ist es sinnvoll und notwendig, heute die Vorverlegung des Inkrafttretens vom 1. Jänner 2000 auf 1. April 1998, also ohne Übergangsfrist, zu beschließen. Würden wir heute den Inkraftsetzungstermin 1. April nicht beschließen, dann


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käme es nach Schätzungen des Sozialministeriums zu jährlichen Mehrkosten von mindestens 700 Millionen Schilling, was auch Kollege Weilharter in seinem mageren Beitrag erwähnt hat.

Infolge der heutigen Beschlußfassung werden die Mehrkosten für die ausländischen Notstandshilfebezieher zirka 50 bis 53 Millionen Schilling betragen. Kollege Schaufler hat es schon gesagt: Das muß im Budget verkraftbar sein. Die Dringlichkeit der Beschlußfassung ist gegeben, weil der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis dem Gesetzgeber keine Übergangsfrist eingeräumt hat.

Ich möchte aber in Erinnerung rufen, daß 1997 die Sozialdemokraten – der damalige Bundesminister für Soziales Hums – für ein sofortiges Inkrafttreten eingetreten sind. An die Adresse der Österreichisches Volkspartei muß ich der Wahrheit halber sagen, daß sie es gewesen ist (Bundesrat Dr. Böhm: Ja eben!), die nicht für das sofortige Inkrafttreten eingetreten ist, sondern für den 1. Jänner 2000.

Die sozialdemokratischen Bundesrätinnen und Bundesräte werden der heutigen Novellierung selbstverständlich die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.40

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Barbara Prammer. Ich erteile ihr dieses.

13.40

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Herren Bundesräten, vor allem den Herren Drochter und Schaufler, ist schon sehr ausführlich dargelegt worden, worum es heute geht. Ich möchte daher nur den Sachverhalt kurz zusammenfassen.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 11. März 1998 entschieden, jene Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes außer Kraft zu setzen, die sich in Österreich ohnedies geändert hätten, allerdings erst mit 1. Jänner 2000. Daß auch die österreichischen Parlamentarier – die Mitglieder des Nationalrates genauso wie jene des Bundesrates – die Notwendigkeit einer Änderung gesehen haben, zeigt die Entscheidung, die bereits im vergangenen Jahr getroffen wurde. Diese Änderung ist vor allem auch deshalb notwendig, weil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt hat, daß die Notstandshilfe für ausländische und inländische Bürgerinnen und Bürger unseres Staates adäquat und gleich zu regeln ist.

Der Inkrafttretenstermin der vorgesehenen Regelung war mit 1. Jänner 2000 für den Verfassungsgerichtshof – das zeigt seine Entscheidung – zu spät angesetzt. Aus diesem Grund ist es notwendig, diese Bestimmungen früher in Kraft zu setzen.

Da ich hier im Namen der Sozialministerin spreche, kann ich Ihnen sagen, daß gerade sie sehr froh darüber ist, daß in diesem Bereich sehr rasch Gesetzesklarheit hergestellt wird und die notwendigen Maßnahmen unverzüglich ergriffen werden können.

Auf den Vorwurf, daß Kostenschätzungen nicht mit der entsprechenden Seriosität vorgenommen worden seien, ist Herr Bundesrat Schaufler schon eingegangen. Ich glaube, Ihnen allen liegen die Berechnungen des Sozialministeriums vor, aus denen ganz eindeutig und klar hervorgeht, daß die Kostenschätzungen aufgrund der neuen Regelungen sehr seriös vorgenommen wurden.

Darüber hinaus meine ich, daß die neue Regelung ein sehr faires Konstrukt ist, das inländische und ausländische Bürgerinnen und Bürger gleichstellt und ganz klare Bestimmungen vor allem in Hinblick auf die Rechtssicherheit schafft. Ich denke, daß es gerade unter dem Gesichtspunkt der fairen Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der Notstandshilfe für ausländische und inländische Personen, die in Österreich leben, vertretbar und tragbar ist, auf der einen Seite ganz klare Mindestbestimmungen für ausländische Mitbürgerinnen und -bürger zu schaffen, auf der anderen Seite das aber auch für Österreicherinnen und Österreichern zu machen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
638. Sitzung / Seite 11

Es wurde gesagt, daß die Stellungnahmen der Länder fehlen beziehungsweise daß die Länder keine Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt haben. Ich möchte dazu nur folgendes sagen: Es handelt sich um das Vorziehen des Inkrafttretens eines Gesetzes. Die Länder sind von den neuen Bestimmungen schon früher in Kenntnis gesetzt worden, allerdings mit 1. Jänner 2000 als Zeitpunkt des Inkrafttretens.

Tatsache ist auch – das wissen wir alle –, daß sich Notstandshilfe und Sozialhilfe in gewisser Weise wie kommunizierende Gefäße verhalten. Aus diesem Grund kann davon ausgegangen werden – das weiß man auch in den Bundesländern –, daß auf der einen Seite unter Umständen durch die Hereinnahme neuer Personen, die sonst um Sozialhilfe ansuchen würden, die Länder entlastet werden, während auf der anderen Seite die eine oder andere Belastung entstehen könnte, sodaß in Zukunft ein gerechter Ausgleich gewährleistet sein kann.

Ich möchte mich abschließend sehr herzlich für die gute Kooperation bedanken, und zwar im Namen der Sozialministerin, vor allem aber im Namen all jener Menschen, die eine gute und klare Gesetzesmaterie brauchen, um Rechtsklarheit zu haben. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.45

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Tremmel.

13.45

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Herren Vorredner! Ich habe lange gewartet, um zu sehen, ob es zu einer Klarstellung kommt, aus der hervorgeht, warum wir die Novellierung brauchen, die der Verfassungsgerichtshof ganz eindeutig gefordert hat.

Im Kern dieser Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes stand die Prüfung der Frage, ob es sich bei der Notstandshilfe um eine Fürsorgeleistung oder eine Sozialversicherungsleistung handelt. Das sollte in diesem Gesetz beantwortet werden! Das war auch der Grund dafür, daß der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Verfassungsgerichtshof diese Behebung bewirkt haben. Sie haben gesagt: Wenn das eine Versicherungsleistung ist, dann haben die Versicherten Anspruch darauf, Notstandshilfe zu beziehen.

Herr Kollege Drochter! Sie haben gemeint, die Ausführungen seien sehr dünn. Aber Sie haben diese Frage ebensowenig beantwortet wie Kollege Schaufler. Darin liegt bereits der nächste Kern für verfassungsmäßige Unsicherheit. – Ich halte das hier nur fest.

Ich war der Meinung, die Frau Bundesministerin würde dies in ihrem Redebeitrag klären, aber leider ist es nicht geklärt worden. Meine Damen und Herren! Wir können dieser Materie, weil sie unklar ist, nicht unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.47

Präsident Ludwig Bieringer: Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
638. Sitzung / Seite 12

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt drei Anfragen – 1373/J bis 1375/J – eingebracht wurden.

Die nächste Sitzung berufe ich für Freitag, 17. April 1998, 9 Uhr, ein.

Das Aviso für diese Sitzung ist bereits an alle Bundesräte ergangen. Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Ich werde daher in diesem Sinne vorgehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 13.48 Uhr