Stenographisches Protokoll

639. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 17. April 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

639. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 17. April 1998

Dauer der Sitzung

Freitag, 17. April 1998: 9.02 – 21.22 Uhr

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Tagesordnung

1. Wahl eines Schriftführers für den Rest des ersten Halbjahres 1998

2. Wahl eines Ordners für den Rest des ersten Halbjahres 1998

3. Erklärungen des Landeshauptmannes von Salzburg und des Landeshauptmannes von Vorarlberg

4. Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes

5. Bericht über die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes im Jahre 1996

6. Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes über das Jahr 1996

7. Bundesgesetz über die Änderung des Nationalbankgesetzes 1984, des Scheidemünzengesetzes, des Schillinggesetzes, des Devisengesetzes und des Kapitalmarktgesetzes, die Aufhebung des Übergangsrechtes anläßlich einer Novelle zum Nationalbankgesetz 1955, des Bundesgesetzes vom 12. Jänner 1923 betreffend Überleitung der Geschäfte der Österreichisch-Ungarischen Bank, österreichische Geschäftsführung, auf die Oesterreichische Nationalbank, des Bundesgesetzes vom 18. März 1959 betreffend Beitragsleistungen der Republik Österreich bei Internationalen Finanzinstitutionen, BGBl. Nr. 74/1959, und des Bundesgesetzes betreffend Beitragsleistungen der Republik Österreich bei internationalen Finanzinstitutionen, BGBl. Nr. 171/1991

8. Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert wird

9. Bundesgesetz über die Übertragung des Dorotheums in das Eigentum der ÖIAG

10. Übereinkommen zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen samt Zusatzprotokoll und Protokoll über den Beitritt Griechenlands zum Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen sowie Erklärung der Republik Österreich


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639. Sitzung / Seite 2

11. Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an den Neuen Kreditvereinbarungen (New Arrangements to Borrow, NAB) mit dem internationalen Währungsfonds

12. Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über die soziale Lage 1996

13. Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz 1975 geändert wird

14. Bundesgesetz, mit dem das Tierseuchengesetz, das Bienenseuchengesetz, das Fleischuntersuchungsgesetz, das IBR/IPV-Gesetz und das Gesetz betreffend die allgemeine Einführung der Hundetaxe im Lande Vorarlberg geändert und das Gesetz betreffend die Abwehr und Tilgung der Lungenseuche der Rinder sowie das Gesetz betreffend die Abwehr und Tilgung der Rinderpest aufgehoben werden (EU-Veterinärrechtsanpassungsgesetz 1997)

15. Wahl der Ausschüsse

16. Wahl eines Ersatzmitgliedes Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

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Inhalt

Bundesrat

Sitzungsunterbrechung 125

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat 8

Angelobung der Bundesräte Erich Farthofer, Ing. Walter Grasberger, Friedrich Hensler, Dr. Kurt Kaufmann, Mag. Günther Leichtfried, Thomas Ram, Engelbert Schaufler, Alfred Schöls, Herbert Thumpser, Mag. Karl Wilfing, Ernest Windholz, Ernst Winter 9

Ergänzung der Tagesordnung gemäß § 41 Abs. 3

Ergänzung um den Punkt: Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates – Annahme 30

Wahl eines Schriftführers für den Rest des ersten Halbjahres 1998 30

Wahl eines Ordners für den Rest des ersten Halbjahres 1998 30

Wahl der Ausschüsse 155

Personalien

Krankmeldung 8

Entschuldigungen 8

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 29

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 29


Bundesrat
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639. Sitzung / Seite 3

Wahlen in Institutionen

Wahl eines Ersatzmitgliedes Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates 156

Ausschüsse

Zuweisungen 29

Fragestunde

Bundesministerium für Finanzen 10

Alfred Gerstl (876/M-BR/98); Erhard Meier, Dr. Paul Tremmel

Mag. John Gudenus (881/M-BR/98); Ing. Peter Polleruhs, Josef Rauchenberger

Wolfram Vindl (879/M-BR/98); Karl Drochter, Dr. Peter Böhm

Josef Rauchenberger (871/M-BR/98); Dr. Paul Tremmel, Peter Rieser

Dr. Vincenz Liechtenstein (877/M-BR/98); Dr. Michael Ludwig, Dr. Peter Harring


Bundesrat
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639. Sitzung / Seite 4

Dr. Reinhard Eugen Bösch (883/M-BR/98); Mag. Michael Strugl

Ilse Giesinger (880/M-BR/98); Stefan Prähauser, Dr. Peter Böhm

Johann Kraml (872/M-BR/98); Ulrike Haunschmid, Engelbert Schaufler

Mag. Michael Strugl (878/M-BR/98); Karl Drochter, Mag. Walter Scherb

Hedda Kainz (873/M-BR/98); Dr. Reinhard Eugen Bösch, Engelbert Schaufler

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(3) Erklärungen des Landeshauptmannes von Salzburg und des Landeshauptmannes von Vorarlberg

(4) Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes (974/NR sowie 5652/BR d. B.)

Landeshauptmann von Salzburg Dr. Franz Schausberger 31

Landeshauptmann von Vorarlberg Dr. Herbert Sausgruber 36

Berichterstatter zu Punkt 4: Alfred Schöls 39

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima 40

Dr. Paul Tremmel 42

Albrecht Konečny 45

Dr. Günther Hummer 48

Dr. Reinhard Eugen Bösch 50

Johanna Schicker 54

Dr. Michael Strugl 55

Andreas Eisl 57

Ferdinand Gstöttner 58

Aloisia Fischer 59

Landeshauptmann von Salzburg Dr. Franz Schausberger 60

Ernest Windholz 62

Stefan Prähauser 62

Jürgen Weiss 64

Mag. John Gudenus 68

Antrag gemäß § 51 Abs. 2 GO-BR der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen, Punkt (4) der Tagesordnung zu vertagen und an den Ausschuß für Verfassung und Föderalismus zurückzuverweisen 68

Ablehnung 70

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (4) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 70

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel und Kollegen betreffend die Aufnahme von Bestimmungen über die Stärkung des Bundesrates in die Regierungsvorlage über die Strukturreform des Bundesstaates 54

Ablehnung 70

Gemeinsame Beratung über

(5) Bericht über die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes im Jahre 1996 (III-175/BR sowie 5653/BR d. B.)

(6) Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes über das Jahr 1996 (III-174/BR sowie 5654/BR d. B.)

Berichterstatter: Alfred Schöls 71

[Antrag, zu (5) und (6) den Bericht zur Kenntnis zu nehmen]

Redner:

Dr. Peter Böhm 71

Josef Rauchenberger 77

Gottfried Jaud 79

Dr. Reinhard Eugen Bösch 80

Dr. Milan Linzer 81

Mag. John Gudenus 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (5) und (6) den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 85

(7) Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Änderung des Nationalbankgesetzes 1984, des Scheidemünzengesetzes, des Schillinggesetzes, des Devisengesetzes und des Kapitalmarktgesetzes, die Aufhebung des Übergangsrechtes anläßlich einer Novelle zum Nationalbankgesetz 1955, des Bundesgesetzes vom 12. Jänner 1923 betreffend Überleitung der Geschäfte der Österreichisch-Ungarischen


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639. Sitzung / Seite 5

Bank, österreichische Geschäftsführung, auf die Oesterreichische Nationalbank, des Bundesgesetzes vom 18. März 1959 betreffend Beitragsleistungen der Republik Österreich bei Internationalen Finanzinstitutionen, BGBl. Nr. 74/1959, und des Bundesgesetzes betreffend Beitragsleistungen der Republik Österreich bei internationalen Finanzinstitutionen, BGBl. Nr. 171/1991 (1080 und 1090/NR sowie 5651 und 5655/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Grillenberger 85

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Harring 86


Bundesrat
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639. Sitzung / Seite 6

Dr. Kurt Kaufmann 89

Josef Rauchenberger 92

DDr. Franz Werner Königshofer 95 und 106

Alfred Schöls 97

Stefan Prähauser 98

Mag. Walter Scherb 100

Bundesminister Rudolf Edlinger 103 und 108

Dr. Paul Tremmel 107


Bundesrat
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639. Sitzung / Seite 7

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 109

Gemeinsame Beratung über

(8) Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert wird (1078 und 1091/NR sowie 5656/BR d. B.)

(9) Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Übertragung des Dorotheums in das Eigentum der ÖIAG (918 und 1092/NR sowie 5657/BR d. B.)

(10) Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Übereinkommen zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen samt Zusatzprotokoll und Protokoll über den Beitritt Griechenlands zum Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen sowie Erklärung der Republik Österreich (990 und 1093/NR sowie 5658/BR d. B.)

(11) Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an den Neuen Kreditvereinbarungen (New Arrangements to Borrow, NAB) mit dem internationalen Währungsfonds (1051 und 1095/NR sowie 5659/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Rauchenberger 110

[Antrag, zu (8), (9), (10) und (11) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Peter Harring 111

Gottfried Jaud 113

Johann Kraml 113

Engelbert Weilharter 115

Dr. Kurt Kaufmann 116

DDr. Franz Werner Königshofer 118

Wolfram Vindl 120

Bundesminister Rudolf Edlinger 121

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (8) und (10) keinen Einspruch zu erheben 124

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (9) und (11) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 124

(12) Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über die soziale Lage 1996 (III-171/BR sowie 5663/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Grillenberger 125

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Engelbert Weilharter 125

Aloisia Fischer 128

Karl Drochter 129

Monika Mühlwerth 131

Ilse Giesinger 133

Hedda Kainz 135

Engelbert Schaufler 139

Wolfgang Hager 141

Irene Crepaz 144

Bundesministerin Eleonora Hostasch 146

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 149

Gemeinsame Beratung über

(13) Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz 1975 geändert wird (656 und 1101/NR sowie 5660/BR d. B.)

(14) Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierseuchengesetz, das Bienenseuchengesetz, das Fleischuntersuchungsgesetz, das IBR/IPV-Gesetz und das Gesetz betreffend die allgemeine Einführung der Hundetaxe im Lande Vorarlberg geändert und das Gesetz betreffend die Abwehr und Tilgung der Lungenseuche der Rinder sowie das Gesetz betreffend die Abwehr und Tilgung der Rinderpest aufgehoben werden (EU-Veterinärrechtsanpassungsgesetz 1997) (949 und 1103/NR sowie 5662/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Kraml 150

[Antrag, zu (13) und (14) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Andreas Eisl 150

Peter Rieser 151

Johann Payer 153

Jürgen Weiss 154

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (13) und (14) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 155

Eingebracht wurden

Anfrage

der Bundesräte Hedda Kainz und Genossen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Bewilligung gemäß § 30 Berufsausbildungsgesetz (BAG) (Besondere selbständige Ausbildungseinrichtung) (1376/J-BR/98)

Anfragebeantwortungen

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger, Therese Lukasser und Wolfram Vindl (1253/AB-BR/98 zu 1353/J-BR/98)

des Präsidenten des Bundesrates auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konečny und Kollegen (1254/AB-BR/98 zu 1358/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen (1255/AB-BR/98 zu 1359/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1256/AB-BR/98 zu 1360/J-BR/98)


Bundesrat
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639. Sitzung / Seite 8

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Präsident Ludwig Bieringer: Ich eröffne die 639. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 638. Sitzung des Bundesrates vom 27. März 1998 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates Uta Barbara Pühringer.

Entschuldigt sind Frau Bundesrätin Therese Lukasser und Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer.

Angelobungen

Präsident Ludwig Bieringer: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: "Betrifft: Wahl der Mitglieder und Ersatzmänner des Bundesrates.

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Landtag von Niederösterreich hat in seiner 1. Sitzung am 16. April 1998 die Wahl der Mitglieder, die vom Landtag in den Bundesrat entsendet werden, und ebenso die Wahl der Ersatzmänner vorgenommen.

Als Mitglieder wurden gewählt:

1) Dr. Kurt Kaufmann, Lissen 18, 3511 Paudorf

2) Engelbert Schaufler, Römerstraße 104, 2323 Mannswörth

3) Friedrich Hensler, Untere Hauptstraße 4, 2471 Hollern

4) Ing. Walter Grasberger, 3162 Rainfeld 98

5) Mag. Karl Wilfing, Fasanweg 23, 2170 Wetzelsdorf

6) Alfred Schöls, Römerstraße 1, 3001 Mauerbach

7) Herbert Thumpser, Perlmoserau 2b, 3160 Traisen

8) Erich Farthofer, Flurgasse 4a, 3900 Schwarzenau

9) Mag. Günther Leichtfried, Wildgansgasse 8, 3250 Wieselburg

10) Ernst Winter, 3743 Röschitz 299

11) Thomas Ram, Cunogasse 8, 2401 Fischamend

12) Ernest Windholz, Limesgasse 10, 2405 Bad Deutsch-Altenburg

Als Ersatzmänner wurden gewählt:

1) Johann Leodolter, 2651 Edlach 57

2) Margarete Aburumieh, Pielach 32, 3390 Melk


Bundesrat
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639. Sitzung / Seite 9

3) Adolf Steiner, Neusiedl 6, 2560 Berndorf

4) Walter Mayr, Laudongasse 16, 1082 Wien

5) Mag. Herbert Kullnig, Tiefenfucha 43, 3511 Furth

6) Dr. Martin Michalitsch, Josef Plangger-Straße 25, 3032 Eichgraben

7) Helmut Cerwenka, Hauptstraße 30, 3462 Frauendorf

8) Traude Dierdorf, Jakob Haydn-Gasse 3, 2700 Wiener Neustadt

9) Karin Kadenbach, Ringendorferstraße 173, 2002 Großmugl

10) Marlene Heinzelmaier, Schultze Delisch-Gasse 4, 3382 Loosdorf

11) Josef Dinhopel, Dunkelsteinerstraße 4, 2630 Ternitz

12) Ludwig Buchinger, Postfach 169, 3430 Tulln

Die Kanzlei des Bundesrates wurde zu Handen des Herrn Parlamentsrates Dr. Walter Labuda verständigt. Ebenso wurde das Bundeskanzleramt, Sektion V/2, von der Wahl in Kenntnis gesetzt.

Mit freundlichen Grüßen

Mag. Edmund Freibauer"

Präsident Ludwig Bieringer: Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Bundesrätinnen und Bundesräte sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel und anschließend um den Namensaufruf.


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639. Sitzung / Seite 10

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger:
"Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Erich Farthofer.

Bundesrat Erich Farthofer: Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: Ing. Walter Grasberger.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger: Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: Friedrich Hensler.

Friedrich Hensler: Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: Dr. Kurt Kaufmann.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann: Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: Mag. Günther Leichtfried.

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried: Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: Thomas Ram.

Thomas Ram: Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: Engelbert Schaufler.

Bundesrat Engelbert Schaufler: Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: Alfred Schöls.

Bundesrat Alfred Schöls: Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: Herbert Thumpser.

Herbert Thumpser: Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: Mag. Karl Wilfing.

Bundesrat Mag. Karl Wilfing: Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: Ernest Windholz.

Ernest Windholz: Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: Ernst Winter.

Bundesrat Ernst Winter: Ich gelobe.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich begrüße die neuen beziehungsweise wiedergewählten Bundesrätinnen und Bundesräte recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Fragestunde

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde, sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird, im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.08 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Finanzen

Präsident Ludwig Bieringer: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage, 876/M, an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Alfred Gerstl, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Alfred Gerstl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

876/M-BR/98

Wie hoch schätzen Sie den Ausfall an Tabak- und Umsatzsteuer durch das beabsichtigte Werbeverbot für Tabakwaren?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Meine Damen und Herren! Mir liegen keine Unterlagen beziehungsweise Daten darüber vor, in welchem Ausmaß der inländische Tabakwarenabsatz im Falle eines Werbeverbotes berührt würde.


Bundesrat
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639. Sitzung / Seite 11

Solche Untersuchungen sind bislang nicht angestellt worden, und ich kann daher Ihre Frage nicht konkret beantworten.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Nein.

Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Meier.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Ich stelle die Zusatzfrage in folgende Richtung: Sollte ein Ausfall stattfinden, wäre das dann nicht volkswirtschaftlich im Verhältnis zu Einsparungen von höheren Ausgaben im Bereich der Gesundheitsschädigungen dennoch auch positiv zu beurteilen?

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich habe eine gewisse subjektive Sperre, diese Frage zu beantworten. Es ist sicherlich auch diesem Hause bekannt, daß auch ich entgegen meiner eigenen Gesundheit dieser Freude fröne. Es mag durchaus sein, daß man eine solche Rechnung anstellen kann, aber ich möchte eine solche Frage nicht mit Zahlen, aus dem Bauch heraus, beantworten. Bekannterweise verkürzt das Rauchen unter Umständen das Leben und hat somit für die Volkswirtschaft Konsequenzen. (Heiterkeit.)

Präsident Ludwig Bieringer: Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Lauter verquere Fragen bekommen Sie heute gestellt. Ich fröne auch diesem Laster, dieser Freude, pardon. – Die österreichische Tabakwarenverordnung hat es mit sich gebracht, daß das Trafikwesen zu einem der bestkontrollierten Einnahmequellen des Staates gehört. Sie sind zwar Finanzminister, ich richte aber trotzdem eine gesundheitspolitische Frage an Sie. Durch das Trafikwesen wurde das Einstiegsalter für möglicherweise in Zukunft rauchende Jugendliche hinaufgesetzt, denn wenn ein junger Mann oder eine junge Dame in eine Trafik kommt, überlegt er oder sie es sich vielleicht, ob er oder sie sich Zigaretten kaufen soll, wenn es dann dem Papa oder der Mama gemeldet wird.

Herr Bundesminister! Ich frage Sie, ob Sie bereit sind, im Rahmen der EU dafür einzutreten – das Tabakmonopol ist im Zuge der Liberalisierung durch EU-Verordnungen gefallen –, daß die Abgabe von solchen Wirkstoffen – ich sage nicht Giften – in Räumlichkeiten kontrolliert vonstatten geht?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich teile Ihre Auffassung, daß es selbstverständlich – ich meine das ernst – im Interesse der Volksgesundheit liegt, für junge Menschen PR-Aktionen zu starten, die bei ihnen möglicherweise bewirken, jene Leidenschaft, die ich habe, nicht zu entwickeln.

Selbstverständlich hat der Gedanke eines kontrollierten Verkaufes einen bestimmten Reiz, ich meine aber, daß ein solcher Verkauf sicherlich große Probleme im Hinblick auf Wettbewerbsfreiheit und Liberalisierung mit sich brächte. Ich glaube, man sollte das von allen Seiten her prüfen, bevor man eine Vereinbarung einer bestimmten Haltung vornimmt.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke schön.

Wir kommen nunmehr zur 2. Anfrage, 881/M, an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Ich bitte den Anfragesteller, Herr Bundesrat Mag. John Gudenus, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


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639. Sitzung / Seite 12

881/M-BR/98

Warum halten Sie die geplante Umkehr der Beweislast bei Verdacht einer Steuer- oder Abgabenhinterziehung nicht für einen Verstoß gegen die verfassungsmäßige Unschuldsvermutung?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich frage mich, warum Sie mir diese Frage so suggestiv stellen, denn von mir ist die Einführung einer Umkehr der Beweislast nicht beabsichtigt. Ich habe solche Interpretationen in den Medien gelesen, bin persönlich allerdings der Auffassung, daß man diese Frage an jene Adresse richten müßte, wo diese These vertreten worden ist – jedenfalls nicht an mich.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Haben Sie den Eindruck, daß rechtsstaatliche Mittel nicht mehr ausreichen, um den Bürger zu besteuern, und wenn diese nicht ausreichen sollten, wer sollte dann solche Verdachtsmomente ausdrücken und umsetzen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich glaube, daß die gesetzgebenden Körperschaften durchaus ausreichen, Steuergesetze zu beschließen, und die zuständigen Institutionen in der Lage sind, für deren Vollzug zu sorgen. Richtig ist allerdings, daß es Steuergegenstände, Steuersituationen gibt, bei welchen zumindest der Verdacht aufkommen könnte, daß der Steuerpflichtige unter bestimmten Umständen manchmal der Vergeßlichkeit anheimfällt. Daher stehe ich persönlich auf dem Standpunkt, daß es Aufgabe der Finanz ist, im Bereich der Kontrolle, und zwar besonders dort, wo es um Steuern geht, die dem Aspekt der Vergeßlichkeit besonders stark unterliegen, entsprechend nachzuhelfen.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Ing. Polleruhs.

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Sind Ihnen EU-Mitgliedsstaaten bekannt, in denen die Umkehr der Beweislast durchgeführt wird?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich habe das von dieser Seite her noch nicht geprüft. Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Zusatzfrage: Herr Bundesrat Josef Rauchenberger.

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Wenn es nicht um Vergeßlichkeit geht, sondern um andere Dinge, dann möchte ich wissen: Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um gegen Steuerhinterziehung vorzugehen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich will das nicht in Form von Verallgemeinerungen beantworten, die unter Umständen Interpretationen zulassen. Richtig ist, daß es sich, und zwar europaweit, gerade bei der Umsatzsteuer – ich zitiere in diesem Zusammenhang aus einem Bericht des Europäischen Rechnungshofes, allerdings in freier Übersetzung – um eine äußerst betrugsanfällige Steuer handelt. Der Europäische Rechnungshof schätzt den Umsatzsteuerausfall in der gesamten Europäischen Union auf ungefähr 1 Prozent des Bruttosozialproduktes, was einen beachtlichen Betrag darstellt.

Wir in Österreich haben die Situation, daß im Vollzug des Budgets 1997 ein Betrag in der Höhe von 5 bis 6 Milliarden fehlt, was entsprechende Maßnahmen erforderlich macht. Diese sind


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bereits in Angriff genommen worden. So haben wir zum Beispiel die Prüfungskapazitäten verdoppelt und mit Hilfe automatisierter und automationsunterstützter Methoden Risikoanalysen erstellt. Wir werden uns in besonderem Maße auf bestimmte Branchen konzentrieren. Ich bin zuversichtlich, daß wir damit die entstandenen Lücken schließen können werden und damit letztendlich dem Staat jene Steuern zuführen werden, die ihm aufgrund der Gesetzeslage zustehen.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke schön.

Wir kommen nunmehr zur 3. Anfrage, 879/M, an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Wolfram Vindl, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

879/M-BR/98

Welche Privatisierungsmaßnahmen werden Sie bis Ende 1999 durchführen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die österreichische Bundesregierung wird – das ist klar – den Weg der Privatisierung unter bestmöglicher Wahrung der österreichischen Interessen fortsetzen. Wo immer es möglich ist, werden wir die Erfahrungen und das Know-how der ÖIAG dazu nützen.

Der Zeitpunkt für Veräußerungen ist in jedem Einzelfall differenziert zu bestimmen. Ich glaube, daß es nicht geschickt ist, eine klare Festlegung und öffentliche Ankündigungen, zu welchem Zeitpunkt die Republik Veräußerungen und Privatisierungen durchzuführen gedenkt, plakativ vorzunehmen.

Wir haben sowohl für das Budget 1998 wie auch für das Budget 1999 jeweils einen Privatisierungserlös in der Höhe von 3 Milliarden Schilling in den Voranschlägen vorgesehen. Was das Budget 1998 betrifft, ist dieser Betrag allerdings bereits in den ersten drei Monaten fast zur Gänze erlöst worden, wie Ihnen sicher bekannt ist.

In Vorbereitung der Privatisierung – wann immer diese stattfinden wird, ob in den nächsten ein, zwei oder drei Jahren; ich sage das völlig unstrukturiert und nicht von wirtschaftlichen Wertquantitäten ausgehend – geht es um den Verkauf der Bundesanteile an der Dachstein Fremdenverkehrs AG, um die weitere Privatisierung der ATW, um den Verkauf von 49 Prozent der PSK, um die Privatisierung der Österreichischen Staatsdruckerei AG, um die Privatisierung der Post und Telekom AG, um die Privatisierung des Dorotheums – wenn ich mich nicht irre, steht dieser Auftrag heute auf der Tagesordnung –, und es geht um den Verkauf der Länderrechte der DDSG AG und um den Verkauf der Bundesanteile an der Olympia-Eissportzentrum-Innsbruck-GesmbH.

Das sind jene Dinge, die im Augenblick konkretere Formen annehmen, wobei ich Sie um Verständnis bitte, daß ich keine genauen Zeitpunkte angebe, weil dies die taktische Position der Republik verschlechtern würde.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Vindl.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Wie ist der Stand der Privatisierungsverhandlungen betreffend Flughäfen, insbesondere des Flughafens Innsbruck?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Bundesrat! Ich bin Ihnen für diese Zusatzfrage insofern sehr dankbar, weil ich damit auch in der Länderkammer die Möglichkeit


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habe, festzustellen, daß die Republik Österreich nicht die Absicht hat, irgendwelche Anteile von Bundesländer-Flughäfen zu verkaufen.

Die Diskussion, die mißverständlicherweise entstanden ist, ist dadurch begründet, daß die Republik Österreich die Absicht hat, schrittweise ihre Anteile an Gesellschaften, auch an jenen, bei denen nicht die Absicht besteht, Privatisierungen vorzunehmen, der ÖIAG zu übertragen. Die ÖIAG befindet sich im 100prozentigen Eigentum der Republik Österreich, und eine solche Maßnahme der Konzentration der Beteiligungsverwaltung über die ÖIAG ist auch eine Maßnahme zur aktiven Verwaltungsreform, wie wir sie im Arbeitsprogramm der Bundesregierung vorgesehen haben.

In der Zwischenzeit hat es mit einigen Ländern und auch mit Gemeinden Gespräche gegeben. Wenn Gebietskörperschaften einen höheren Anteil an ihren jeweiligen Flughäfen haben wollen, als sie derzeit besitzen, dann ist das möglich – allerdings nach wirtschaftlichen Kriterien. Es ist etwa EU-rechtlich nicht möglich, wie beispielsweise der eine oder andere Freund in den Bundesländern meinte, nur irgendwelche Nominale zu übertragen und damit das Eigentum von einer Gebietskörperschaft in die andere zu verlagern. Das ist ganz einfach wettbewerbsrechtlich, aber auch aus der Position der Republik Österreich nicht denkbar, weil wir nicht in der Lage sein können und auch nicht dürfen, an andere Gebietskörperschaften irgendwelche Geschenke abzutreten. Wenn also ein wirtschaftlicher Preis etwa – Sie fragen konkret danach – von Tirol oder der Stadt Innsbruck für zusätzliche Anteile geboten wird, dann werden wir eine solche Veräußerung sicherlich auch vornehmen.

Das ist aber keine Privatisierung, sondern dann setzt sich das öffentliche Eigentum am Flughafen anders zusammen als derzeit. Wenn ich richtig informiert bin, sind das in Innsbruck zu 50 Prozent der Bund und zu je 25 Prozent das Land Tirol und die Stadt Innsbruck. Ich glaube nicht, daß ich mich irre. Also wenn Tirol und Innsbruck einen höheren Anteil haben möchten, dann ist das möglich. Allerdings sage ich Ihnen auch – ansonsten wäre ich auch ein schlechter Finanzminister –: 1 Prozent verkaufen wir nicht! Denn ein Aktienbesitzer, der 50 Prozent hat und 1 Prozent verkauft, ist nicht besonders klug. – Und das möchte ich mir nicht unterstellen lassen – auch nicht angesichts der Tatsache, daß ich sehr große Leidenschaften für meine Tiroler Freunde habe. (Heiterkeit.)

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter gemeldet. – Bitte sehr, Herr Bundesrat.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Welche Maßnahmen können Sie bei Privatisierungen setzen oder vorgeben, damit strategisch wichtige Unternehmenskerne dem Wirtschaftsstandort Österreich erhalten bleiben?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Bundesrat! Ich glaube, das ist eine sehr wichtige und legitime Frage und auch eine notwendige und grundsätzliche Überlegung, weil es in der Tat so ist, daß bei Gesellschaften, die eher im Aktienbereich strukturiert sind, die Frage, wo der strategische Eigentümer den Mittelpunkt seiner Interessenlage hat, von ganz wesentlicher Bedeutung ist, vor allem dann, wenn es um Forschung und Entwicklung und ähnliche nicht unwesentliche Positionierungen geht.

Wir haben vor, der ÖIAG diesen Bereich der strategischen Eigentümerfunktion zuzuordnen, da sie das im Bereich der Betriebe der ehemaligen verstaatlichten Industrie hervorragend erledigt, sodaß bestimmte sehr wichtige wirtschaftliche Prioritäten unseres Landes wahrgenommen werden können.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Universitätsprofessor Dr. Peter Böhm gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Da die Bundesregierung bis heute unter dem Titel einer sogenannten Privatisierung


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zumeist bloße Ausgliederungen aus dem öffentlichen Sektor oder überhaupt nur Umschichtungen der Eigentumsverhältnisse von einem halböffentlichen Einflußbereich in den anderen vorgenommen hat, wie es sich neben anderen Fällen vor allem beim Verkauf der Bundesanteile an der Creditanstalt-Bankverein an die Bank Austria erwiesen hat, die dadurch über die beiderseitigen Tochterunternehmen und Industriebeteiligungen zu einem marktbeherrschenden oligopolartigen Wirtschaftsimperium geworden ist, drängt sich mir folgende Frage auf:

Werden sich die von Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesminister, geplanten weiteren Privatisierungsmaßnahmen auf vergleichbare Ausgliederungen oder gar auf bloße Verlagerungen der Eigentums- und Beteiligungsverhältnisse – wie im Falle der Fusion von CA-BV und Bank Austria – beschränken, oder wird es sich dabei künftig um echte Privatisierungen handeln?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Bundesrat! Ich glaube, daß man aufgrund der bisherigen Privatisierungspolitik der Republik Österreich diesen Schluß, den Sie in Ihrer Anfrage formuliert haben, nicht ziehen kann. Es gibt Ausgliederungen, das ist überhaupt keine Frage, aber Ausgliederungen sind keine Privatisierungen und sind auch als solche nicht bezeichnet worden. Wenn ich etwa an die ASFINAG oder an die Bundesforste denke, dann kann man sagen, das sind Ausgliederungen. Das ist eine andere Form von wirtschaftlichen Überlegungen, in deren Rahmen man zu dem Schluß kommen kann, daß in bestimmten, bisher verwaltungstechnisch strukturierten Einrichtungen der Republik eine betriebswirtschaftliche Führung – dafür ist die Ausgliederung eine nicht unwesentliche Voraussetzung – zu einer besseren Leistungserbringung führen kann.

Was Privatisierungen betrifft, so möchte ich doch darauf hinweisen, daß der größere Teil der Privatisierungen keine Verschiebung von Anteilen in andere Gebietskörperschaften war, denn Aktienbegehungen sind das ganz sicher nicht. Ich denke an die ATW, ich denke etwa an die Bereiche der ehemaligen verstaatlichten Industrie, ich denke durchaus aber auch – ich nenne das Beispiel, das Sie gebracht haben – an die Bank Austria und die CA. Durch die Veräußerungen der Bundesanteile an der Bank Austria ist mehrheitlich kein öffentliches Eigentum mehr gegeben. Es hat eine Aktienbegehung gegeben, bei der die Republik Österreich dank der Konzentration und der wirtschaftlichen Gestion der Bank Austria wirtschaftlich hervorragend ausgestiegen ist.

Daher meine ich, daß man bei jeder Privatisierung den spezifisch optimalen Weg suchen muß. Man muß auf der einen Seite Erlöse für das Budget bekommen, aber auf der anderen Seite auch danach trachten, daß es nicht zu jenen Erscheinungen kommt, die etwa Herr Bundesrat Drochter in seiner Anfrage befürchtet hat, nämlich zu einem Ausverkauf der österreichischen Wirtschaft.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 871/M, an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Josef Rauchenberger, um Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

871/M-BR/98

Welche kurz- und mittelfristigen Budgetperspektiven sehen Sie für die nachgeordneten Gebietskörperschaften?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Bundesrat! Wie die Budgetanalysen und letztendlich auch die Darstellung der gesamtösterreichischen Defizitquote beweisen, ist die Situation der Budgets der Länder und Gemeinden von der inneren Struktur her in einem besseren Zustand als das Bundesbudget. Das muß man in aller Deutlichkeit sagen.


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Die Republik Österreich hätte im Jahre 1997 ein Maastricht-Defizit von 2,7 Prozent gehabt. Aufgrund der Budgets der Länder und Gemeinden hat sich dieses gesamtösterreichische Defizit auf 2,5 Prozent reduziert, was den messerscharfen Schluß zuläßt, daß die Länder und Gemeinden maastrichtpositive Budgets und Rechnungsabschlüsse vorgelegt haben. Nichtsdestotrotz haben wir mit den Ländern und Gemeinden vereinbart, daß im Hinblick auf die maastrichtzulässige Defizitquote das Verhältnis der zulässigen Neuverschuldung 2,7 Prozent für den Bund und 0,3 Prozent für die Länder und Gemeinden beträgt.

Wichtig ist – insofern ist der erste Tagesordnungspunkt, den Sie heute im Anschluß an die Fragestunde beraten werden, von großer Bedeutung – der Konsultationsmechanismus, weil er den Gebietskörperschaften wechselweise jene Sicherheit vermitteln soll, die dazu führt, daß nicht segensreiche, kreative politische Entscheidungen auf einer politischen Ebene in der anderen politischen Ebene die finanziellen Konsequenzen haben. Daher glaube ich, daß dies eine sehr wichtige und gerade auch für eine mittelfristige Finanzperspektive der Länder und Gemeinden ganz wichtige politische Festlegung ist. Ich verhehle nicht, daß ich als Finanzminister natürlich sehr wohl darauf Bedacht genommen habe, daß bis zum 31. Dezember 1998 auch ein innerösterreichischer Stabilitätspakt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden beschlossen werden muß, sonst löst sich das, was wir heute auch im Bundesrat beschließen, mit 31. Dezember wieder auf.

Eine gemeinsame Stabilitätspolitik hat zwei Facetten: auf der einen Seite die Sicherheit, daß nicht einer dem anderen Ausgaben verordnet, und auf der anderen Seite wird die Einhaltung des Stabilitätspaktes nicht dadurch unterlaufen, daß möglicherweise irgendeine Gebietskörperschaft aus wirtschaftlichen oder vielleicht aus politischen Gründen dazu beiträgt, daß die gesamtösterreichische Defizitquote nicht eingehalten werden kann.

Daher ist der Stabilitätspakt die logische Konsequenz dieser Notwendigkeiten, die wir uns gemeinsam schaffen. Ich bin aber sicher, daß wir bis zum frühen Herbst auch den Stabilitätspakt unter Dach und Fach haben werden.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Ergeben sich aus den von Ihnen dargestellten Perspektiven auch Auswirkungen auf das mit Wien paktierte 30-Milliarden-Paket?

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: In dieser Vereinbarung ergeben sich unter diesen Aspekten grundsätzlich keine Veränderungen. Die dort eingegangenen Verpflichtungen des Bundes können auch weiterhin erfüllt werden.

Ich möchte aber bemerken, daß Wien selbst aufgrund der aktuellen Entwicklung der Stadtplanung, insbesondere im Zusammenhang mit den U-Bahn-Ausbauwünschen, andere Prioritätensetzungen entwickelt hat, die bislang noch nicht mit dem Bund akkordiert sind. Ich persönlich nehme allerdings jene Position ein, daß sich der Bund, soweit der vom Bund zugesagte Finanzrahmen nicht überschritten wird, der gerade im U-Bahn-Bereich 1,5 Milliarden Schilling per anno von beiden Gebietskörperschaften beträgt, in Planungsfragen der U-Bahn in der Stadt Wien sicherlich nicht einmischen wird.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wie man Ihrer Beantwortung schlüssig entnehmen konnte, haben die Länder erheblich dazu beigetragen, daß die Konvergenzkriterien und der Stabilitätspakt erfüllt wurden.

Man konnte in der Zeitschrift "Die Wirtschaft" lesen, daß die Währungsreserven der Oesterreichischen Nationalbank derzeit 269 Milliarden Schilling betragen, und der Präsident der Nationalbank, Liebscher, meinte, ab dem Jahr 2002 wären diese Reserven für den Finanz


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minister verfügbar. Sehen Sie eine Möglichkeit, daß – vorausgesetzt, die Anteilseigentümer geben ihre Zustimmung – auch die Länder an diesem erheblichen finanziellen Kuchen beteiligt werden?


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Präsident Ludwig Bieringer:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Zunächst einmal zu Ihrer ersten Bemerkung: Selbstverständlich haben die Länder und Gemeinden nicht unwesentlich zur Erreichung der Defizitkriterien und vor allem auch zur Verminderung des Schuldenstandes der gesamten Republik beigetragen. Ich habe mich im Rahmen meiner Budgetrede am 25. März auch sehr artig bei den Ländern und Gemeinden dafür bedankt.

Zum zweiten: Die Darlegung der Notenbankreserven in jener sehr freien Interpretation, die Sie jetzt getätigt haben, muß ich ins rechte Licht rücken, denn es geht nicht um einen Betrag von über 200 Milliarden Schilling an Reserven, die der Oesterreichischen Nationalbank zu entnehmen sein könnten, sondern es geht um weit geringere Beträge, die möglicherweise, wenn der Euro in Funktion ist, disponibel sind. Bei diesbezüglichen öffentlichen Formulierungen muß man sehr vorsichtig sein, weil man gerade in der Phase, in der wir uns jetzt befinden, nicht ausschließen kann, daß es zu spekulativen Attacken gegen einzelne Währungen der elf Mitgliedsländer kommt, wodurch es notwendig sein könnte, Interventionen vorzunehmen, um die Stabilität der neuen Währung zu gewährleisten.

Spekulationsattacken hat es immer gegeben. Ich erinnere an die Spekulationsattacke von 1993 gegen den österreichischen Schilling, die damals erhebliche Reserven der Nationalbank erfordert hat, um ein Abrutschen des Schillings zu verhindern. "Spekulativ" muß jetzt nicht unbedingt heißen, daß irgendein böser Spekulant spekuliert, manchmal können auch Regierungen bestimmte wirtschaftliche Dispositionen setzen, die nur aus der subjektiven Perspektive desjenigen, der dann unter Umständen solche Währungsirritationen ausgleichen muß, mit dem Attribut "spekulativ" belegt werden. Hier gehe ich von einer zugegebenermaßen subjektiven Interpretation aus.

Jedenfalls kann man Einflüsse von außen nicht ausschließen, und daher bin ich auch sehr froh, daß alle relevanten vernünftigen politischen Kräfte der Meinung sind, man solle über die Notenbankreserven – zumindest bis zum Jahr 2001 – nicht disponieren, auch gar nicht öffentlich diskutieren. Man soll wissen, daß es solche gibt, aber in welcher Dimension dann bestimmte Dispositionen dieser Mittel vorgenommen werden können, soll man die zuständigen Organe der Politik, aber auch der Notenbank zu einem günstigen Zeitpunkt entscheiden lassen.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Peter Rieser gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Wie wird sich jener Anteil der 0,3 Prozent des Budgetdefizits auf die einzelnen Gemeinden verteilen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Das ist eine extrem spannende Frage (Heiterkeit) , denn ich bin, ehrlich gestanden, ein Föderalist, und ich denke nicht daran, die Länder und Gemeinden in ihrer autonomen, freien Entscheidung, wie sie diese 0,3 Prozent untereinander aufteilen, zu präjudizieren. (Neuerliche Heiterkeit.)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage, 877/M, Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein an den Herrn Bundesminister für Finanzen. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage an Sie lautet:

877/M-BR/98

Wie laufen die Vorbereitungsmaßnahmen für die Einführung des Euro?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Die Vorbereitungen für die Einführung der gemeinsamen Währung verlaufen nach meinem Eindruck sowohl auf der Gemeinschaftsebene als auch auf der Ebene der Mitgliedsstaaten und damit auch in Österreich nach Plan.

Aufgrund der wirtschaftlichen Konvergenz während der letzten Jahre, vor allem aufgrund der erfolgreichen Bemühungen zur Konsolidierung der Staatshaushalte, können wir heute mehr denn je davon ausgehen, daß wir von Anfang an eine große Währungsunion mit voraussichtlich elf Teilnehmern haben werden.

Am 25. März 1998 haben sowohl die Europäische Kommission wie auch das Europäische Währungsinstitut ihre Konvergenzberichte, wie Sie wissen, der Öffentlichkeit präsentiert. Aus beiden Berichten kann man den Schluß ziehen, daß der ECOFIN, die Konferenz der europäischen Finanzminister, für die Konferenz der Staats- und Regierungschefs, die am 2. Mai stattfinden wird, die Empfehlung abgeben wird, daß elf Länder – das sind alle EU-Staaten mit Ausnahme der Briten, der Schweden, der Dänen und der Griechen – von Anfang an der WWU, der Euro-Gruppe, angehören werden können.

Es gibt also die Berichte des EWI und auch der Europäischen Kommission, aber auch jene Berichte, die von manchen nationalen Regierungen beziehungsweise Finanzministern bei den eigenen Notenbanken in Auftrag gegeben worden sind. Auch ich habe die Oesterreichische Nationalbank ersucht, aus ihrer Sicht nicht nur die österreichische Konvergenz zu beurteilen, sondern auch, soweit das möglich und aufgrund öffentlich zugänglicher Fakten auch schlüssig ist, einen Bericht aus ihrer Sicht zu erstellen. Die Deutsche Bundesbank hat so etwas gemacht, wenn ich richtig informiert bin, ebenso die Holländer und, wie ich glaube, auch die Franzosen, es waren einige. Es waren also Hunderte von Experten damit beschäftigt, und es liegt uns jetzt eine in unglaublicher Gründlichkeit erstellte Analyse über die wirtschaftliche Situation der Länder der Europäischen Union vor.

Ich muß Ihnen ehrlich sagen, daß diese vergleichenden Analysen, ohne daß dies nach österreichischem Eigenlob riechen sollte, durchaus den Schluß zulassen, daß wir uns in Österreich in einer Situation befinden, um die uns viele beneiden, nicht nur was die Inflation, die längerfristigen Zinsen, sondern auch was die Defizite betrifft. Wir liegen, selbst was den Schuldenstand betrifft, unter dem Schnitt der Europäischen Union, und zwar um fast 10 Prozentpunkte. Bezüglich der Arbeitslosenquote, wenn sie auch kein Konvergenzkriterium ist – für mich jedenfalls ist sie politisch ein sehr entscheidendes Kriterium; für die österreichische Politik und für mich als Sozialdemokraten besonders ist die Beschäftigungssituation ein prioritäres Anliegen, und manchmal wird sie auch als schmerzlich empfunden –, möchte ich sagen, daß die österreichische Arbeitslosenquote innerhalb der Europäischen Union beispielhaft niedrig ist. Das darf uns aber nicht dazu einladen, daß wir uns zurücklehnen und sagen, wir sind gut, sondern wir müssen auf diesen an und für sich guten Eckdaten aufbauen. Wir müssen, ergänzend zu dem Nationalen Aktionsplan, so wie das auch vorgesehen ist, der öffentlichen Hand jene Hilfestellung geben, die erforderlich ist, um in der sehr flexiblen Arbeitswelt, in der wir uns befinden, jene Chancen, die sich in der WWU ergeben, wahrnehmen zu können, indem wir der ständigen qualitativen Entwicklung der österreichischen Arbeitnehmer entsprechende Ressourcen erarbeiten und erschließen.

Ich glaube, daß wir im internationalen Vergleich kaum einen Vergleich zu scheuen brauchen. Wir leben, wie ich glaube, in einem guten Land, das gute Voraussetzungen hat, auch in diesem neuen Europa, jenen Stellenwert zu erreichen, den wir Politiker uns für unsere Bevölkerung wünschen.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Nein.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr


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Bundesrat Dr. Michael Ludwig gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Werter Herr Bundesminister! Wird es bei der Einführung des Euro, so wie vorgesehen, zu einer Phase der doppelten Preisauszeichnung kommen? Das ist eine Maßnahme, die zweifellos gerade für die Konsumenten in unserem Land von großer Bedeutung wäre.

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesrat
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Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger:
Ein entsprechendes Gesetz ist in Vorbereitung. Die österreichische Bundesregierung vertritt den Standpunkt, daß es aufgrund der sozialpartnerschaftlichen Einigung zu einer gesetzlichen doppelten Preisauszeichnungspflicht kommen soll. Ich bedauere zutiefst, daß wir uns mit dieser unserer Haltung in der Europäischen Gemeinschaft nicht durchgesetzt haben.

Wir haben in Österreich, wie ich meine, mit der Euro-Informationskampagne sehr glaubwürdig klargemacht, daß für uns gerade in der Phase der Umstellung der Konsumentenschutz ein sehr wichtiger Aspekt ist, und ich habe das auch den europäischen Finanzministern gesagt. Wir wollen, daß den Menschen die Sicherheit gegeben wird, daß sie nicht übers Ohr gehauen werden, wenn sie mit Schillingen kommen und diese in Euro umgetauscht haben wollen oder wenn die Preise in dieser Übergangsphase neu festgesetzt werden, in der es zwar nominell noch die Staatswährung, aber de facto eigentlich auch schon die gemeinsame Währung gibt. Das betrifft vor allem die Phase der ersten Monate des Jahres 2002.

Aber wenn die anderen Länder meinen, auf freiwilliger Vereinbarung trotzdem garantieren zu können, daß niemand übers Ohr gehaut wird, dann soll es mir recht sein. Ich würde allerdings mit großer Vehemenz auf der sozialpartnerschaftlichen Einigung, die vor einem halben Jahr erzielt worden ist, bestehen.


Bundesrat
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Präsident Ludwig Bieringer:
Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Harring zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Bundesminister! Die notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen in Österreich selbst werden zu einem großen Teil den Betroffenen überlassen, den Banken, EDV-Firmen, klein- und mittelständischen Unternehmungen, Handelsketten und so weiter. Es entstehen ihnen dadurch – das ist keine Frage – sehr hohe Kosten.

Befürchten Sie nicht, Herr Finanzminister, daß die Betroffenen den Verursacher in bezug auf Ersatz der Kosten ansprechen könnten? Wie würden Sie darauf regieren, wenn das passiert?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, daß Sie mit Verursacher die Bundesregierung meinen? (Bundesrat Dr. Harring: Ich denke an die Bundesregierung, an das Finanzministerium!) – Ich würde mich für nicht zuständig erklären.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage, 883/M, an den Herrn Bundesminister für Finanzen. – Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch, ich bitte Sie um die Verlesung Ihrer Anfrage.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Ich habe folgende Frage an Sie:

883/M-BR98

Inwieweit ist die geplante Form der Finanzierung der Familiensteuerrefom mit dem Konsultationsmechanismus vereinbar?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich möchte Ihnen zunächst einmal sagen, daß die Familienbesteuerung, so wie sie von der Bundesregierung beschlossen ist, nämlich teilweise über die Einkommensteuer und teilweise über eine Erhöhung der Transfers zu bewerkstelligen, den Konsultationsmechanismus nicht auslösen könnte, weil auch steuerliche Maßnahmen, die durch irgendwelche Ereignisse passieren, vom Konsultationsmechanismus ausgenommen sind.

Darüber hinaus stellt sich möglicherweise diese Frage, die Sie schon zu einem früheren Zeitpunkt eingebracht haben, heute nicht mehr, weil die Landeshauptleutekonferenz der Familienbesteuerung in der Zwischenzeit zugestimmt hat.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Welche Auswirkung wird die neue Familienbesteuerung auf die von Ihnen angekündigte Steuerreform haben?`

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich bin dafür, daß wir nicht von der Familienbesteuerung, sondern von der Familienförderung reden, denn bei "Besteuerung" hat man immer das Gefühl, daß jemandem etwas weggenommen wird, aber durch die Reform der Familienbesteuerung bekommen die Familien im Jahr 2000 12 Milliarden Schilling und im Jahr 1999 bereits 6 Milliarden mehr.

Das Prinzip der Familienförderung sieht vor, daß die österreichischen Familien in zwei Etappen im Jahr 2000 um 12 Milliarden Schilling mehr bekommen werden als jetzt. Dies bedeutet selbstverständlich ein bestimmtes Maß an Vorwegnahme, vor allem was die Manövriermasse betrifft.

Ich möchte aber in aller Deutlichkeit sagen, daß die Familienförderung 5 Millionen Österreicher betrifft. In den Familien, die positiv von den Familienförderungsmaßnahmen betroffen sind, leben insgesamt 5 Millionen Österreicher. Wenn man den Statistiken Glauben schenken darf –ich tue das –, dann kann man sehen, Familien mit Kindern tun sich schwerer als andere. Diese Maßnahmen im Bereich der Familienpolitik sind also durchaus legitim.

Wir haben gerade bei den Mehrkinderfamilien mit einem geringeren Einkommen massiv zugelegt. Wir haben noch eine zusätzliche Förderung für sozial unterstützungswürdige Familien vorgesehen. Man kann also davon ausgehen, daß jene 12 Milliarden Schilling, die aufgewendet werden, mehrheitlich sozial berücksichtigungswürdigen Familien zur Verfügung gestellt werden, sodaß man den Schluß ziehen kann, daß diese Maßnahmen einen Teil einer Vorwegnahme der Möglichkeiten der Steuerreform für das Jahr 2000 bedeuten.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Michael Strugl. Ich bitte um Ihre Zusatzfrage.

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Inwieweit können finanzielle Auswirkungen von Initiativanträgen des Nationalrates in den Konsultationsmechanismus einbezogen werden?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich gestehe zu, daß es in dieser Frage bis zuletzt parlamentarische Verhandlungen gab. Dieser Punkt ist zwischen den Parlamentsfraktionen ausgehandelt worden. Um Ihnen im Detail darüber Auskunft geben zu müssen, müßte ich jetzt genau in jene Vorlage hineinschauen, die Sie auf dem Tisch liegen haben müßten, was ich infolge meiner zweiwöchigen Absenz – ich habe mir nämlich gestattet, über Ostern auf Urlaub zu gehen – ehrlich gesagt noch nicht getan habe. Ich bitte um Verständnis. Schauen Sie in die Unterlage, darin müßte es stehen. (Heiterkeit.)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir hoffen, Herr Bundesminister, Sie haben sich in Ihrem Urlaub wenigstens gut erholt.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat. (Bundesrat Gstöttner: Meine Frage hat sich erübrigt!) – Diese hat sich erübrigt.

Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 880/M, an den Herrn Bundesminister für Finanzen. – Ich bitte die Frau Bundesrätin Ilse Giesinger um Verlesung ihrer Anfrage.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Frage lautet:

880/M-BR/98

Wie sehen Sie die Situation, daß eine steigende Zahl von Steuergesetzen vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: An und für sich muß ich das als Faktum zur Kenntnis nehmen. Ich gehe davon aus, daß die Steuergesetze, die der Begutachtung des Verfassungsgerichtshofes nicht standgehalten haben, von der Bundesregierung in der Absicht vorgelegt worden sind, daß man eine bestimmte Situation, die man als unbefriedigend erkannt hat, verändert.

Ich gebe schon zu, daß wir uns mitunter auf einem sehr schmalen Grat bewegen, was die Verfassungskonformität betrifft. Ich möchte aber in aller Deutlichkeit sagen – ich habe das auch im Nationalrat und in der Öffentlichkeit gesagt –, daß ich als Mitglied der österreichischen Bundesregierung und auf die Verfassung vereidigt Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes selbstverständlich zur Kenntnis nehme, daß ich auch danach handle und danach trachte, Korrekturen und Veränderungen am beanstandeten Gesetz vorzunehmen, sodaß eine größere Verfassungskonformität gegeben ist.

Ich nehme mir aber auch heraus – das muß jede demokratische Institution aushalten –, Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes zu kritisieren. Das lasse ich mir auch überhaupt nicht nehmen. Ich bin persönlich der Meinung, daß die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes politischer werden. Daher ist es auch legitim, darüber eine politische Diskussion zu führen.

Ich möchte in dem Zusammenhang aber auf etwas aufmerksam machen, was eine Relevanz für die Steuerreform 2000 haben kann. Denn eine Steuerreform besteht nicht nur darin, daß man Tarife senkt. Das wäre eine sehr hanebüchene Steuerreform. Das wäre eine Steuerreduzierungsmaßnahme. Steuerpolitik ist nicht nur ein Instrument, das dafür da ist, daß der Staat Einnahmen bekommt, sondern es ist auch ein Lenkungsinstrument. Wenn ich heute zur Herstellung bestimmter Manövriermassen bei einer Steuerreform versuche, so wie das auch in den Jahren 1989 und 1994 versucht worden ist, den sozialen Konsens herzustellen, die Betroffenheit von steuerlichen Maßnahmen in den einzelnen gesellschaftlichen Gruppen einigermaßen verträglich zu gestalten, dann ist Steuerpolitik natürlich auch eine politische Frage.

Aber nehmen wir einmal als Beispiel die Bestimmung betreffend Rücklagen für Jubiläumsgelder her. Diese wurde durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Und ich nehme jetzt gar nicht die Familienbesteuerung als Beispiel, denn dieses Thema ist in der öffentlichen Diskussion schon derart "ausgelutscht", daß ich jetzt nicht noch etwas dazulegen möchte. Es geht bei den Rücklagen für Jubiläumsgelder um einen wesentlich kleineren Betrag, aber es ist ein schönes Beispiel.

Die österreichische Bundesregierung hat im Jahr 1994 eine Steuerreform gemacht. Bei dieser Steuerreform kam es zur Streichung der Vermögenssteuer. Es kam zur Streichung der Gewerbeertragssteuer, und es gab eine Reihe von steuerlichen Maßnahmen, die aus der Sicht der


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damaligen Bundesregierung vom Entlastungsfaktor her sozial nicht ausgewogen waren. Es wurde als eine der Äquivalentfinanzierungen für die Streichung der Vermögenssteuer und der Gewerbeertragssteuer, die Betrieben beziehungsweise den wirtschaftlich potenteren Bürgern unseres Landes diente, beschlossen, daß die Rücklagen für Jubiläumsgelder nicht mehr steuerlich geltend zu machen sind. Um das Verhältnis klarzustellen: Die Republik hat durch die Streichung der Vermögenssteuer und Gewerbeertragssteuer an Unternehmen, Vermögende, sagen wir, 100 gegeben und dadurch, daß die Rücklagen für Jubiläumsgelder nicht mehr steuerlich absetzbar sind, versucht, 10 zurückzubekommen. In solch einem Verhältnis steht das ungefähr.

Irgendwer, dem das nicht gepaßt hat, ging zum Verfassungsgerichtshof. Dieser hat diese Bestimmung aufgehoben. Das heißt, der gesamte gesellschaftliche Konsens ist abgebrochen worden. Wenn ich mir vorstelle, daß wir eine Steuerreform vorhaben, die viel mehr an Manövriermasse bewegen soll, bei der es steuerliche Nachlässe, aber auch Äquivalentfinanzierung geben muß, dann muß ich sagen, eine solche Steuerreform wird budgetär mittelfristig zu einem erheblichen Risiko. Das muß man auch in aller Öffentlichkeit diskutieren, und man muß auch den Verfassungsgerichtshof auf seine gesamtgesellschaftspolitische Verantwortung hinweisen.


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Präsident Ludwig Bieringer:
Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Könnte die Tatsache, daß der Verfassungsgerichtshof immer mehr Gesetze aufhebt, damit zusammenhängen, daß immer mehr Anlaßgesetzgebung betrieben wird und langfristige Strategien in den Hintergrund treten?

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich glaube, gerade jene steuerpolitischen Gesetze, von denen ich gesprochen habe, waren nicht Gegenstand von Anlaßgesetzgebungen, sondern waren durchaus strategisch eingebettet, beispielsweise in die Steuerreform 1994.

Aber es mag schon sein, daß man, weil die Mindest-KöSt auch ein äquivalenter Bestandteil eines gesamten Paketes war, das so empfinden kann. Ich habe jedenfalls nicht vor, die Steuerreform 2000 als Anlaßgesetzgebung zu konzipieren, sondern als ein Reformwerk, das dort Erleichterungen schafft, wo es notwendig ist, dort Veränderungen schafft, wo wir das aus wirtschaftlichen Gründen brauchen – etwa beim Faktor Arbeit –, wo wir es aus langfristigen politischen Gründen brauchen – etwa bei der schrittweisen Ökologisierung des Gesamtsystems –, das aber letztendlich auch die soziale Ausgewogenheit der Steuergesetzgebung in Österreich gewährleistet. Ich habe jedenfalls nicht vor, sie so zu konzipieren, daß sie die Bezeichnung Anlaßgesetzgebung verdienen würde.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Bundesminister! Werden Sie sich durch vereinzelte Aufhebungen von Steuergesetzen durch den Verfassungsgerichtshof zukünftig davon abhalten lassen, weiter für eine gerechtere Besteuerung und somit für eine gerechtere Verteilung der eingehobenen Steuergelder zu sorgen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Die Steuerpolitik soll grundsätzlich sozial gerecht sein. Wie das ein Dritter beurteilt, ist zunächst nicht von besonderer Relevanz. Nur eines ist ganz wichtig, nämlich daß man nicht vergißt, daß, wenn vielleicht dort oder da ein Gesetz aufgehoben wird, dadurch unter Umständen das soziale Gleichgewicht der vorigen Maßnahmen irritiert wird, und darauf muß man bei nächster Gelegenheit im Hinblick auf sozialpolitische Ausgewogenheit Rücksicht nehmen.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Professor Dr. Peter Böhm gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Da Ihnen in den Medien die problematische Aussage zugeschrieben wurde, daß der Verfassungsgerichtshof mit seinen aufhebenden Erkenntnissen politische Entscheidungen gefällt habe – es ist auch heute etwas in diese Richtung angeklungen –, insbesondere bei der jüngsten Aufhebung bei den Bestimmungen über die Familienbesteuerung, darf ich Sie, sehr geehrter Herr Bundesminister, folgendes fragen:

Werfen Sie mit der Bewertung der betreffenden Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisse als politisch motiviert – falls Sie eine solche Bewertung tatsächlich getroffen haben sollten – dem Höchstgericht eine ideologisch voreingenommene, also unsachliche Entscheidungspraxis und damit letztlich die Überschreitung seiner Aufgaben vor, oder räumen Sie doch ein, daß es Ihren Legisten offenbar nicht primär darum zu tun war oder nicht immer gelungen ist, mit den von Ihnen entworfenen Steuergesetzen den normativen Vorgaben der Bundesverfassung, ihren tragenden Grundsätzen und der bekannten verfassungsgerichtlichen Judikatur gebührend Rechnung zu tragen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Welch Politiker wäre ich, wenn ich Ihrer These, daß politische Entscheidungen unsachlich sind, Folge leisten würde? – Jede Entscheidung ist eine politische Entscheidung. So ist auch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes politisch, wobei ich den Begriff "Politik" dabei überhaupt nicht bewerte, sondern als einen Begriff an sich feststelle.

Ich habe in der Öffentlichkeit gesagt, daß nach meiner subjektiven Einstellung Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes in zunehmendem Maße politisch sind und daß es daher legitim ist, durchaus auch Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes – ich habe schon gesagt, daß ich den Erkenntnissen selbstverständlich nachkommen muß – öffentlich politisch zu diskutieren. Ich halte das für einen positiven und für keinen negativen Ansatz, weil Politik an und für sich nach meiner Auffassung etwas Positives ist.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, 872/M, des Herrn Bundesrates Johann Kraml an den Herrn Bundesminister für Finanzen. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

872/M-BR/98

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um den Umsatzsteuerschwund in den Griff zu bekommen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich habe bereits bei einer anderen Anfrage darauf hingewiesen, daß es Steuern gibt, die so strukturiert sind, daß sie in manchen Bereichen einer größeren Vergeßlichkeit anheimfallen können. Die Umsatzsteuer gehört dazu. Ich wiederhole, was ich zuerst gesagt habe: Auch der Europäische Rechnungshof hat befunden, daß etwa 1 Prozent des Bruttosozialproduktes der Europäischen Union zu wenig an Umsatzsteuer abgeführt wird. Wir haben daher Maßnahmen einer verstärkten Kontrolle, einer Risikoanalyse konzipiert und umgesetzt.

Ich gehe davon aus, daß wir bereits im Vollzug des Budgets 1998 erfolgreich sein werden. Die ersten drei Monate – diese verstärkte Kontrolltätigkeit ist mit September eingesetzt worden – im Umsatzsteueraufkommen in diesem Jahr zeigen in diese Richtung und haben auch zu etwas verzerrten Darstellungen in der Öffentlichkeit geführt. Manche Medien haben es so dargestellt, als ob das überraschend wäre. Ich bin im Parlament in der ersten Lesung von einem sehr


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respektablen Ökonomen, der Vorsitzender einer Oppositionspartei ist, kritisiert worden, der gemeint hat, daß die Schätzung der Umsatzsteuer für das Jahr 1999 zu optimistisch ist. Ich gehe jedoch davon aus, daß wir durch verstärkte Kontrollen jene Steuern, die dem Staat zustehen, auch bekommen werden.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ihnen und auch uns ist die Tragweite der Krise der heimischen Tourismusbetriebe bekannt. Wie erklären Sie mir den von Ihnen geäußerten Vorwurf, das Gastgewerbe treffe eine wesentliche Schuld an den rückläufigen Staatseinnahmen im Bereich der Umsatzsteuer? – Irgendwie bezeichnen Sie dadurch meine Kollegen und auch mich als Steuerhinterzieher. Haben Sie aber an den enormen Kaufkraftabfluß durch den immer stärker werdenden Wettbewerb in der EU gedacht, der auch in den Ostländern bereits jetzt deutlich erkennbar ist? – Damit haben gerade die Klein- und Mittelbetriebe der Gastronomie zu kämpfen.

Am Wochenende geht der große Trend in Richtung über die Grenze, dadurch ist auch ein Umsatzsteuerschwund zu verzeichnen. Haben Sie sich in der Regierung darüber Gedanken gemacht, mit uns Gespräche weiterzuführen, damit wir endlich Eigenkapital bilden können? Und vor allem: Haben Sie darüber nachgedacht, welchen Sinn das machen würde? (Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.) Haben Sie bedacht, was Ihre Schuldzuweisung in der Tourismuswerbung ausgelöst hat? – Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Gast bei einem Betrüger Urlaub machen will.

Präsident Ludwig Bieringer: Meine Damen und Herren! Ich weise noch einmal eindringlich auf folgendes hin: § 63 Abs. 5 der Geschäftsordnung lautet: "Im Anschluß an die Beantwortung der Anfrage ist der Fragesteller berechtigt, bis zu zwei Zusatzfragen zu stellen. Jede Zusatzfrage muß im unmittelbaren Zusammenhang mit der Hauptfrage beziehungsweise der gegebenen Antwort stehen, darf nur eine konkrete Frage enthalten und nicht in mehrere Unterfragen geteilt sein." – Ich bitte, dies zu bedenken. Ich werde eine Zusatzfrage in solch einer Länge nicht mehr gestatten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Bitte, Herr Bundesminister, ich darf Sie um die Beantwortung bitten.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Gestatten Sie mir in aller Offenheit eine Bemerkung vorweg: Ich interpretiere mich authentisch lieber selbst. Ich habe nämlich nie in der Öffentlichkeit irgendeinen Unternehmer, irgendeine Branche als Betrüger bezeichnet, sondern ich habe auf eine Frage im Hinblick auf die verstärkten Umsatzsteuerprüfungen – die Frage hat gelautet: Das machen Sie quer drüber? – gesagt: Nein, wir haben Risikoanalysen erstellt und werden in den aus steuerpolitischen Gründen risikoreicheren Branchen – das sind meiner Meinung nach unter anderem das Bau- und das Gastgewerbe – in verstärktem Maße prüfen. – Von Betrug, sehr geehrte Frau Bundesrätin, habe ich nicht gesprochen, wie Sie dies in Ihrer Zusatzfrage formuliert haben, und ich verwahre mich auch dagegen, daß so etwas über österreichische Unternehmer – selbst dann, wenn sie steuerliche Probleme haben – gesagt wird.

Zum zweiten möchte ich darauf hinweisen, daß ich gemeinsam mit Herrn Wirtschaftsminister Farnleitner im Hinblick auf die Förderung der Tourismuswirtschaft eigene Kreditlinien mit sehr günstigen Verzinsungen erstellt habe. Der Wunsch nach Eigenkapitalbildung geht über die Fremdenverkehrsbranche hinaus – Sie können das heute einer großen Tageszeitung entnehmen. Herr Bundesminister für Verkehr Dr. Einem weist darin auf jene neuen Möglichkeiten hin, die sich über den ERP-Fonds gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank auftun werden, nämlich Risikokapital gerade für Klein- und Mittelbetriebe zu erstellen und letztendlich damit jene Effekte zu erreichen, die Sie in Ihrer Zusatzfrage urgiert haben.

Ich glaube, daß es richtig ist, daß wir gerade in einem Land, in dem die Klein- und Mittelbetriebe sehr große Bedeutung haben, alles dazu beitragen müssen, um die Strukturen der Klein- und


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Mittelbetriebe, wie sie in Österreich gegeben sind, aufrechtzuerhalten, sie entsprechend zu stärken. Wir haben diesbezügliche Maßnahmen – außerbudgetär, aber zum Teil auch budgetär – sowohl in den Budgets 1998 als auch 1999 verstärkt.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Engelbert Schaufler gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Ich werde mich natürlich an die Vorgaben der einschlägigen Paragraphen halten und eine kurze Frage stellen.

Herr Finanzminister! Sehen Sie eine Möglichkeit, durch Einsparungen den Schwund an Umsatzsteuer zu kompensieren?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Die Tatsache, daß die Umsatzsteuer nicht in dem Maße fließt, wie sie uns zusteht, ist im Vollzug des Budgets 1997 sichtbar geworden. Wir haben im Rechnungsabschluß 1997 – Sie werden das dann bemerken – 213 Milliarden Schilling Umsatzsteueraufkommen präliminiert und haben rund 207 Milliarden bekommen. Das war kein Schätzfehler, sondern das ist die Vergeßlichkeitsquote, um bei dieser Diktion zu bleiben, und wir haben durch andere Maßnahmen im Bereich des Budgetvollzuges diesen Ausfall kompensiert.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage, 878/M, an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Ich bitte Herrn Bundesrat Mag. Michael Strugl um Verlesung der Frage.

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

878/M-BR/98

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um das im Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung genannte Ziel der steuer- und abgabenrechtlichen Entlastung des Faktors Arbeit zu erreichen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich habe, bereits kurz nachdem ich die Funktion als Bundesfinanzminister übernommen habe, die Steuerreformkommission einberufen – eine neunzehnköpfige Expertenkommission, bestehend aus hervorragenden Fachleuten aus der Wirtschaft, aus der Wissenschaft, aus der Politik und aus den unterschiedlichsten Gebietskörperschaften –, mit dem Auftrag, in einer sehr gründlichen Arbeit von ein-, eineinhalb Jahren Vorschläge für die politische Ebene zu erstatten, die im wesentlichen vier Aspekten gerecht werden sollen – mehr ins Detail sind meine Vorschläge nicht gegangen, sonst würde ich eine Expertenkommission ad absurdum führen –:

Erster Punkt ist – unter dem Aspekt, daß Steuerpolitik auch Lenkungspolitik ist –, Maßnahmen zu überlegen, die den Faktor Arbeit verbilligen, um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft zu verbessern.

Zweitens: Auch die Kapitalbesteuerung ist zu überdenken, denn es kann von der Struktur her nicht richtig sein – das ist nicht nur in Österreich so, sondern in der gesamten Europäischen Union –, daß es auf der einen Seite Beschäftigungsprobleme gibt, auf der anderen Seite aber in den letzten zehn Jahren die Steuerbelastung des Faktors Arbeit um 10 Prozent zugenommen hat, während sie beim Kapital, dem sehr mobilen Produktionsfaktor, um 7 Prozent abgenommen hat. Daher ist es wichtig, auch diese Frage zu überdenken, aber in einem gesamteuropäischen Gleichklang – das ist ganz wichtig –, weil Kapital natürlich jener Produktionsfaktor ist, der am schnellsten verschwindet beziehungsweise auftaucht. Es ist also von sehr großer Bedeutung, wie die Rahmenbedingungen vor allem im wichtigen Wirtschaftsraum Europa ausschauen.


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Dritter Punkt: In Etappen ist auch im Interesse einer maßvollen, zukunftsgerichteten Politik die Ökologisierung des Systems zu überlegen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Viertens – das ist ganz wichtig – ist die Konvergenzkompatibilität nicht aus den Augen zu verlieren. Es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, wenn wir in den Jahren 1996 und 1997 mit massiven Maßnahmen die Konsolidierungspolitik einleiten, in den Jahren 1998 und 1999 diese Konsolidierungspolitik stabilisieren, im Jahr 2000 eine Steuerpolitik machen und im Jahr 2001 wieder dort anfangen würden, wo wir 1996 waren. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein. Daher ist die Konvergenzkompatibilität von ganz entscheidender Bedeutung.

Die Steuerreformkommission wird Mitte Herbst ihre Vorschläge erstatten. Ich möchte Ihnen aber noch ergänzend mitteilen, daß in diesem Bereich auch die Frage der gesamteuropäischen Harmonisierung nicht aus den Augen verloren werden darf und daß wir gerade auch während der österreichischen Präsidentschaft die Frage der Steuerharmonisierung besonders bearbeiten werden. Ich muß in aller Deutlichkeit sagen, daß das keine Angelegenheit ist, die man in sechs Monaten erledigen kann, aber wir werden schon am Beginn unserer Präsidentschaft, Anfang Juli, in Wien eine große gesamteuropäische Steuerkonferenz abhalten, vor allem um die Frage des Faktors Arbeit und der Kapitalbesteuerung gesamteuropäisch zu diskutieren.

In diesem Sinne glaube ich, daß wir uns bis zum Herbst Zeit lassen sollten, um auch der Steuerreformkommission die Chance zu geben, fundierte Vorschläge zu erstatten, die dann der politischen Prüfung und Entscheidung unterzogen werden sollen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Drochter gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Ich bin sehr froh darüber, daß Ihre Überlegungen zur Entlastung des Faktors Arbeit steuerrechtlich und abgabenrechtlich schon so weit gediehen sind. Meine Frage lautet folgendermaßen:

Wird es, sollten diese Maßnahmen umgesetzt werden, irgendwelche negativen Auswirkungen auf die soziale Sicherheit in Österreich haben?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich glaube, daß es ein wesentliches Ziel dieser Bundesregierung ist, mit allen Maßnahmen – selbstverständlich auch mit steuerpolitischen – die soziale Sicherheit in unserem Staate zu gewährleisten.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Mag. Scherb gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! In der Vergangenheit sind viele Arbeitsplätze durch Insolvenzen vernichtet worden. Einer der Hauptgründe dieser Insolvenzen ist die mangelnde Eigenkapitalausstattung der österreichischen Betriebe, insbesondere der Klein- und Mittelbetriebe – es ist schon darüber gesprochen worden. (Präsident Bieringer übernimmt den Vorsitz.)

Laut einer österreichischen Universitätsstudie, aber auch laut Studien des europäischen Beobachtungsnetzes würde eine steuerliche Entlastung der nichtentnommenen Gewinne eine Erhöhung der Beschäftigung um bis zu 80 000 Personen bewirken.

Meine Frage ist nun: Sehen Sie die steuerliche Entlastung nichtentnommener Gewinne, die zum Beispiel auch vom Finanzlandesrat in Oberösterreich gefordert wird, als eine Teilmaßnahme, um eine Beschäftigungssteigerung zu erreichen?


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Präsident Ludwig Bieringer:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Ich bin immer sehr skeptisch, wenn in irgendwelchen sehr respektierlichen Studien sehr respektabler Persönlichkeiten behauptet wird, wie viele Arbeitsplätze man mit einer Einzelmaßnahme schaffen könne. So einfach ist es leider in der Politik nicht, sonst bräuchte man nur die drei besten Maßnahmen zu setzen und hätte dann Vollbeschäftigung. Nur der Wissenschafter hat das, was er vorher empfohlen hat, wenn es nicht funktioniert, gleich wieder vergessen. Politik ist viel spezifischer und viel differenzierter zu sehen.

Wir hatten in Österreich bis 1989 die Nichtbesteuerung der nichtentnommenen Gewinne. Das hat sich nicht bewährt, das heißt, die Effekte, von denen gesprochen wurde, sind nicht eingetreten.

Ich halte allerdings auch diesen Aspekt im Rahmen der Steuerreform für diskutierbar, obwohl ich aus persönlicher Überzeugung einer solchen Maßnahme nicht besonders viele positive Facetten abgewinnen kann.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 10. und letzten Anfrage, 873/M, an den Herrn Bundesminister für Finanzen. Die Anfragestellerin ist Frau Bunderätin Hedda Kainz. – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Steuerreform als politisches Steuerungselement – meine Frage dazu lautet:

873/M-BR/98

Worin liegen für Sie die Schwerpunkte für eine Steuerreform 2000?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Frau Bundesrätin! Ich habe bei der vorletzten Frage im wesentlichen skizziert, welchen Auftrag die Steuerreformkommission hat, und möchte das nicht in der Form wiederholen, sondern nur im Zeitraffer sagen: Aufgabe der Steuerreformkommission wird es sein, strukturelle Änderungen zu überdenken, Änderungen, die einerseits die Wettbewerbsposition der österreichischen Wirtschaft verbessern und auf der anderen Seite die soziale Ausgewogenheit garantieren. Das sind zwei sehr wesentliche Aspekte, und daher kam ich zu der Überlegung, der Steuerreformkommission folgendes vorzugeben: Maßnahmen zur Begünstigung des Produktionsfaktors Arbeit, Überprüfung des Faktors Kapital, Ökologisierung des Systems und Konvergenzkompatibilität.

Ich gehe davon aus, daß etwa im Herbst 1998 entsprechende Vorschläge, die letztendlich in die politische Diskussion einbezogen werden können, vorliegen werden.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Sie haben verständlicherweise jetzt keine Einzelmaßnahmen genannt, aber ich möchte Sie dennoch fragen: Die Grundsteuer wird immer wieder von Betroffenen und in den Medien diskutiert, und zwar in der Form, daß es Befürchtungen hinsichtlich einer Veränderung gibt. Tatsache ist, daß seit 1973 bei den Einheitswerten keine Veränderung vorgenommen wurde. Ich darf Sie fragen, ob Sie bei allfällig geplanten Änderungen Basisgrundwerte wie Eigentumswohnungen und kleine Grundbesitze mit entsprechender Sonderbehandlung versehen werden, zum Beispiel in der Form, daß man höhere Steuerfreibeträge vorsieht.

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Das ist natürlich ein sehr spezifischer Teilaspekt des gesamten Steuergefüges. Ich bin aber trotzdem sehr dankbar für diese Frage,


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weil sie mir die Gelegenheit gibt, auch im Bundesrat klarzustellen, daß Vorschläge im Hinblick auf eine Grundsteueränderung nicht von mir stammen – so wie alle Vorschläge, die derzeit diskutiert werden. Es ist aber legitim, daß eine Kommission, die das gesamte Steuergefüge überprüft, über alle Aspekte der Steuerpolitik nachdenkt. Einer der Experten hat als Äquivalent zu Kürzungen im Bereich der Kommunalsteuer und Getränkesteuer diesen Gedanken betreffend den Bereich der Grundsteuer ventiliert.

Der Vorschlag – ich habe das auch in den Zeitungen gelesen –, der bis zum Fünffachen der Grundsteuer geführt hat, hat sogar bewirkt, daß in einem Landtag ein Antrag beschlossen wurde, in dem ich mehr oder weniger als Urheber dieser Idee postuliert wurde, was jedoch nicht stimmt. Es ist das ein Aspekt der Diskussion in der Steuerreformkommission gewesen, der wie alle anderen Überlegungen im Zusammenhang mit der Steuerreform noch nicht der politischen Diskussion und auch noch nicht der Vorbeurteilung durch den Bundesfinanzminister unterzogen wurde.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Minister! Wird es im Rahmen der Steuerreform auch zu einer gerechten Senkung der Lohnsteuer kommen, um die kalte Progression auszugleichen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Es ist mein erklärtes Ziel, in allen Bereichen der Steuerpolitik zu gerechten Lösungen zu kommen.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Engelbert Schaufler gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Finanzminister! Ich hoffe auf die gleiche Antwort. Meine Frage lautet: Können die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Steuerreform 2000 einen Ausgleich für die kalte Steuerprogression wie etwa bei der letzten Steuerreform 1993 erwarten?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Noch einmal: Ich habe dargelegt, welche Zielsetzungen mit der Steuerreform 2000 verbunden sind. Ich habe auch dargelegt, daß die Steuerreformkommission diskutiert und daß die entsprechenden Vorschläge Mitte Herbst vorliegen werden, die dann politisch diskutiert werden. Es ist daher gar nicht einfach, solche Fragen zu beantworten, denn wenn der Finanzminister in der Öffentlichkeit etwas dazu sagt, sagt ein Dritter in authentischer Interpretation: Das will der Finanzminister!

Es ist selbstverständlich klar, daß Tarife, Tarifpolitik und Tarifhöhen überprüft gehören, aber ich habe in der Budgetrede auch sehr deutlich gesagt, daß ich davor warne, die Qualität einer Steuerreform einzig und allein danach zu beurteilen, in welcher Weise Tarife abgesenkt werden. Das ist ein Teil einer Steuerreform, und eine Steuerreform hat auch strukturelle Aufgaben zu erfüllen. Das bedeutet, entscheidend ist, wie groß die Manövriermasse ist, die entsteht, die umverteilt, neu verteilt werden kann und letztendlich dann politisch und wirtschaftlich zu den Effekten führen soll, die wir uns wünschen.

Das ist in Diskussion, und ich bitte Sie, es mir zu ersparen, jetzt sagen zu müssen, in welchem Ausmaß das sein wird, ob es in der Größe wie 1993 – oder auch nicht –, um 3 Prozent weniger oder um 7 Prozent mehr sein wird. Es wäre verfrüht, das jetzt in der Öffentlichkeit darzulegen.

Präsident Ludwig Bieringer: Die Fragestunde ist beendet.


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Einlauf

Präsident Ludwig Bieringer: Eingelangt sind vier Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt sind Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen. Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Der Herr Bundespräsident hat am 25. März 1998, Zl. 300.100/17-BEV/98, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel innerhalb des Zeitraumes vom 15. bis 17. April 1998 den Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

"Der Herr Bundespräsident hat am 31. März 1998, Zl. 300.100/19-BEV, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johann Farnleitner innerhalb des Zeitraumes vom 2. bis 5. April den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer und am 17. und 18. April 1998 die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Präsident Ludwig Bieringer: Dient zur Kenntnis.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Ludwig Bieringer: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 3 und 4, 5 und 6, 8 bis 11 sowie 13 und 14 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Werden dagegen Einwendungen erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Ludwig Bieringer: Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind, sowie der Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Rindfleisch-Etikettierungsgesetz, der voraussichtlich in der 640. Sitzung am 29. April 1998 in Verhandlung genommen wird.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Mit Ausnahme des Rindfleisch-Etikettierungsgesetzes haben die Ausschüsse ihre Vorberatungen über die Verhandlungsgegenstände abgeschlossen und schriftliche Berichte erstattet.

Die Verhandlungen über die zu einem früheren Zeitpunkt eingelangten und zugewiesenen Berichte über die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes im Jahr 1996, des Verwaltungsgerichtshofes über das Jahr 1996 und den Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über die soziale Lage 1996 wurden ebenfalls abgeschlossen, und es wurden hierüber schriftliche Ausschußberichte erstattet.


Bundesrat
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Ich habe alle diese Vorlagen – mit Ausnahme des Rindfleisch-Etikettierungsgesetzes – auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Ergänzung der Tagesordnung gemäß § 41 Abs. 3

Präsident Ludwig Bieringer: Im Einvernehmen mit den Fraktionen schlage ich gemäß § 41 Abs. 3 der Geschäftsordnung vor, die Tagesordnung um einen weiteren Punkt, und zwar: "Wahl eines Ersatzmitgliedes in die Parlamentarische Versammlung des Europarates", zu ergänzen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die sich für diesen Vorschlag auf Ergänzung der Tagesordnung aussprechen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag ist mit der nach § 41 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wird zur geänderten Tagesordnung das Wort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

1. Punkt

Wahl eines Schriftführers für den Rest des ersten Halbjahres 1998

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Wahl eines Schriftführers für den Rest des ersten Halbjahres 1998.

Diese Wahl ist durch die vom neu konstitutierten Niederösterreichischen Landtag durchgeführten Neuwahlen in den Bundesrat notwendig geworden.

Ich werde die Wahl durch Handzeichen vornehmen lassen.

Es liegt mir der Vorschlag vor, Frau Bundesrätin Irene Crepaz für den Rest des ersten Halbjahres 1998 zur Schriftführerin zu wählen.


Bundesrat
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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Ich nehme die Wahl an und bedanke mich.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich beglückwünsche Sie dazu sehr herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

2. Punkt

Wahl eines Ordners für den Rest des ersten Halbjahres 1998

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: Wahl eines Ordners für den Rest des ersten Halbjahres 1998.

Auch diese Wahl ist aus dem vorhin genannten Grund notwendig geworden.

Ich werde diese Wahl ebenfalls durch Handzeichen vornehmen lassen.

Es liegt mir der Vorschlag vor, Herrn Bundesrat Engelbert Schaufler für den Rest des ersten Halbjahres 1998 zum Ordner zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Ich nehme die Wahl an und danke für das Vertrauen.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich beglückwünsche Sie dazu sehr herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

3. Punkt

Erklärungen des Landeshauptmannes von Salzburg und des Landeshauptmannes von Vorarlberg

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes (974/NR sowie 5652/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies

Erklärungen des Landeshauptmannes von Salzburg und des Landeshauptmannes von Vorarlberg sowie

ein Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes.

Zunächst darf ich den Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, Herrn Landeshauptmann von Salzburg Dr. Franz Schausberger, ersuchen, zur Abgabe einer Erklärung das Wort zu nehmen. – Bitte, Herr Landeshauptmann.

10.36

Landeshauptmann von Salzburg Dr. Franz Schausberger: Sehr verehrter Herr Präsident Bieringer! Herr Bundeskanzler! Herr Kollege Dr. Sausgruber! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich vorerst einmal sehr herzlich dafür bedanken, daß es mir heute zum zweiten Mal möglich ist, eine Erklärung vor diesem Hohen Hause abzugeben.

Dieser Termin ist für mich deshalb so wichtig, weil ich als derzeitiger Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz Sie gerne über die wichtigsten Themen, die wir in der Landeshauptleutekonferenz derzeit beraten, informieren möchte, über den Stand der Beratungen dieser Themen und darüber, wie es aus unserer Sicht weitergehen sollte.

Außerdem ist es, so glaube ich, durchaus zweckmäßig, daß der Kontakt zwischen den Landeshauptleuten und Ihnen, meine Damen und Herren des Bundesrates, immer wieder neu intensiviert wird.

Ich möchte in meiner Erklärung vor allem auf die Bundesstaatsreform eingehen und einige Worte über die weitere Vorgangsweise bei den diesbezüglichen Verhandlungen sagen. Ich möchte auf den Stand der Beratungen über den Konsultationsmechanismus eingehen. Weiters möchte ich noch einige Worte zur Hebung der Bedeutung des Bundesrates aus der Sicht der Landeshauptleute sagen.


Bundesrat
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Ich habe mit 1. Jänner dieses Jahres den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz von Kollegen Dr. Pühringer aus Oberösterreich für ein halbes Jahr übernommen. Der Zeitpunkt der Übernahme des Vorsitzes in der Landeshauptleutekonferenz war deshalb eine besondere Herausforderung, weil Anfang des Jahres 1998 die Weichenstellungen für die weitere Vorgangsweise für die Bundesstaatsreform und für den Konsultationsmechanismus erfolgten.

Ich habe mir vorgenommen, dieses halbe Jahr – jeder Landeshauptmann, der den Vorsitz übernimmt, bringt auch ein Motto in seine Vorsitzführung mit – unter das Motto "Föderalismus als ein Schritt zu mehr Bürgernähe" zu stellen. Denn wenn Kompetenzen dezentralisiert werden, meine Damen und Herren, dann bringt das für die Länder sicher mehr Bürgernähe in der Verwaltung, weil Aufgaben direkt vom Land wahrgenommen und aus unserer Sicht – ich hoffe, daß wir das auch einhalten können – die Verfahren auch rascher durchgeführt werden.

Wie überall gilt auch hier das Grundprinzip der Subsidiarität, wobei aber auf der anderen Seite – das soll der Sinn der Bundesstaatsreform sein – auch eine "Abschlankung" der Verwaltung des Bundes und eine Vereinfachung der Behördenstruktur erfolgen soll. Denn man kann vor der Bevölkerung sicher keine Bundesstaatsreform vertreten, wenn auf der einen Seite durch den Zuwachs von Aufgaben mehr Ausgaben damit verbunden sind, auf der anderen Seite, auf der Seite des Bundes, aber keine Einsparung damit einhergeht. Wenn beide Seiten auch nach der Bundesstaatsreform gleich viel an Aufwendungen haben wie vorher, dann wäre ihr Sinn sicher verfehlt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Sie wissen, ist das Thema der Bundesstaatsreform – man kann es fast so sagen – eine Geschichte ohne Ende. Die schwierigen Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und der Landeshauptleutekonferenz, die am 8. Oktober 1992 zum Paktum von Perchtoldsdorf geführt haben, welches vom damaligen Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, dem niederösterreichischen Landeshauptmann Ludwig, und Bundeskanzler Vranitzky unterfertigt wurde, haben in weiterer Folge dazu geführt, daß bis heute eigentlich noch kein Abschluß der Beratungen, der Verhandlungen erfolgt ist. Die Landeshauptleutekonferenz hatte sich mit diesem Thema laufend zu befassen und hat auch unzählige Beschlüsse dazu gefaßt.

Für mich war am Anfang dieses Jahres schon klar, daß – unabhängig von der Vorgangsweise zur Bundesstaatsreform – die finanziellen Mehrbelastungen, die durch die Bundesstaatsreform auf die Länder zukommen würden, keinesfalls nur von den Bundesländern allein getragen werden können, obwohl – das muß man auch sagen – der letzte Stand der Verhandlungen zwischen dem Bund und den Ländern durchaus schon in diese Richtung gegangen ist. Mit Ausnahme der Bundesländer Salzburg und Steiermark ist auch die Zustimmung seitens der Länder schon weitgehend vorhanden gewesen.

Ich habe dann noch einmal mit dem Herrn Finanzminister Gespräche auf der Grundlage der Beschlüsse der Landesfinanzreferentenkonferenz aufgenommen, und ich freue mich darüber, daß es dabei gelungen ist, zusätzlich zu dem Paket, das von den Landesfinanzreferenten schon ausverhandelt gewesen ist, noch 280 Millionen Schilling jährlich für die Bundesländer als finanzielle Abgeltung der bevorstehenden Bundesstaatsreform auszuverhandeln. Dieser Betrag in der Höhe von 280 Millionen Schilling soll so lange jährlich den Ländern vom Bund überwiesen werden, bis es zum neuen Finanzausgleich kommt.

Weiters wird eine gemeinsame Bund-Länder-Kommission eingerichtet, die jährlich jene Beträge überprüfen soll, die von den Ländern angegeben werden, was sie die Bundesstaatsreform kostet. Umgekehrt soll sie auch jene Beträge überprüfen, die vom Bund angegeben werden, was er sich durch die Bundesstaatsreform erspart. Ich glaube, das ist eine gute gemeinsame Vorgangsweise. Diese Beträge werden dann die Grundlage für die Finanzausgleichsverhandlungen bilden.

Die Länder haben erklärt, daß sie mit diesen 280 Millionen Schilling bis zum neuen Finanzausgleich einverstanden und zufrieden sind und daß sie – auch dann, wenn sich


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herausstellen sollte, daß sie die Bundesstaatsreform mehr kostet – bis zum neuen Finanzausgleich keine zusätzlichen finanziellen Forderungen erheben werden.

Ich glaube, daß dieses Ergebnis für die Länder sehr positiv und sehr gut gewesen ist. Daher haben die Landeshauptleute in ihrer Konferenz vom 10. März 1998 das Ergebnis dieser Verhandlungen auch akzeptiert und ihm zugestimmt.

Ich möchte heute dem Herrn Finanzminister – er ist leider schon gegangen – auch von dieser Stelle aus ausdrücklich für seine Kooperationsbereitschaft und für sein Verständnis für die Bundesländer danken. Es ist dabei der Umstand zum Tragen gekommen, daß er nicht geringe Zeit auf der anderen Seite, nämlich auf der Seite der Länder, gesessen ist und verhandelt hat. Daher war dieses Ergebnis, wie ich meine, auch möglich.

Wie geht es nun inhaltlich mit der Bundesstaatsreform weiter? – Wie Sie wissen, ist im November des vergangenen Jahres durch ein neues oder zusätzliches Konzept von Herrn Klubobmann Kostelka Bewegung in die Verhandlungen zur Bundesstaatsreform gekommen – nachdem Sie, Herr Bundeskanzler, schon vorher Ihr deutliches Interesse daran, daß wir in der Bundesstaatsreform weiterkommen sollten, erklärt hatten. Ich finde, es ist dann leider trotzdem nicht in dem Tempo weitergegangen, wie wir es uns alle gewünscht hätten.

Klubobmann Dr. Khol hat dann einen Vorschlag zur Umsetzung der Bundesstaatsreform in einem zweistufigen Verfahren unterbreitet. Das ist im Prinzip jetzt der Stand der Dinge. Dabei geht es darum, daß wir in einem ersten Schritt jedenfalls den Entfall der mittelbaren Bundesverwaltung beziehungsweise die Übertragung dieser an die Länder und die Grundlagen für ein einheitliches Anlagengenehmigungsverfahren beschließen und erst in einem zweiten Schritt eine umfassende Kompetenzbereinigung zwischen Bund und Ländern vornehmen. – Das ist, wie ich meine, im wesentlichen unbestritten.

In einer politischen Arbeitsgruppe unter Vorsitz von Staatssekretär Dr. Wittmann wurde Anfang März auch dort die weitere Vorgangsweise zur Bundesstaatsreform beraten und Einvernehmen darüber erzielt, daß man sich zunächst einmal auf diese von mir genannten zwei Punkte beschränkt. Das soll sozusagen ein erster kleiner Schritt oder ein erster Schritt zu einer "kleinen Bundesstaatsreform" sein: Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung, Verfahrenskonzentration und einheitliche Anlagenbehörde.

Von den beiden Klubobmännern der Regierungsparteien wurde betont, daß aber zumindest auch eine grundsätzliche Einigung über die Einführung einer Landesverwaltungsgerichtsbarkeit unverzichtbar ist, wobei aus der Sicht der Länder natürlich genauso unverzichtbar ist, daß im gleichen Zug auch die Frage der Finanzierung der Einführung der Landesverwaltungsgerichtsbarkeit zu klären ist.

 

Als Schwerpunkte der Stärkung der Bundesländer aus dieser "kleinen Bundesstaatsreform" betrachte ich die Verländerung der mittelbaren Bundesverwaltung und – zumindest grundsätzlich – auch die Einführung von Landesverwaltungsgerichten – das aber eben nur unter der Voraussetzung, daß die finanzielle Abgeltung der Mehrkosten für die Länder, wie vereinbart, jedenfalls gesichert ist, weil wir sonst eine solche "kleine Bundesstaatsreform" sicherlich nicht rechtfertigen könnten. Die Gespräche mit dem Bund über die Finanzierung der Landesverwaltungsgerichte müssen noch geführt werden.

Durch die Verländerung der mittelbaren Bundesverwaltung wird die Vollziehung dieser Angelegenheiten zur Angelegenheit der Länder, was kraft der Finanzverfassung auch den Übergang der vollständigen Finanzierungsverpflichtung auf die Länder bedeutet. Das heißt, die Länder werden zusätzlich zum Personal- und Amtssachaufwand auch für den Zweckaufwand aufzukommen haben, während der Bund in all diesen Fragen keinerlei Finanzierungsverpflichtungen mehr haben wird.

Meine Damen und Herren! Eine Verländerung der mittelbaren Bundesverwaltung ohne gleichzeitige Vorsorge für die entsprechenden finanziellen Mittel im Finanzausgleich kann aus den ureigensten Interessen der Länder sicherlich nicht in Frage kommen!


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Mit dem Übergang der mittelbaren Bundesverwaltung auf die Länder muß meiner Überzeugung nach aber auch ein Abbau in der Verwaltung des Bundes, nämlich in den Bereichen, die auf die Länder übertragen werden, erfolgen. Es kann nicht so sein, daß die Aufgaben an die Länder abgegeben werden, aber der Bund seine Verwaltung nicht zumindest schrittweise entsprechend "abschlankt". Es ist uns klar, daß man nicht gleich eine Reduzierung auf Bundesebene im Verhältnis 1 : 1 erreichen kann, schon deshalb nicht, weil das Personal nicht plötzlich freigestellt werden kann. Aber in der weiteren Folge muß auch für die Länder ersichtlich sein, daß durch die Bundesstaatsreform auf der Bundesseite eine entsprechende Verwaltungsreduzierung erreicht werden kann.

Eine weitere notwendige Bedingung für eine sinnvolle Verländerung der Bundesverwaltung ist jedenfalls die Beschränkung der Aufsichtsrechte des Bundes auf ein unbedingt notwendiges Mindestmaß.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ein Punkt, bei dem die Länder die Dinge mit besonderer Vorsicht beobachten. Die Verländerung der mittelbaren Bundesverwaltung darf unserer Meinung nach nicht zu einem ungerechtfertigten Ausbau der Aufsichtsrechte des Bundes gegenüber den Ländern führen. Eine solche Erweiterung – eigentlich wäre das keine Erweiterung, sondern eine Neueinführung von Aufsichtsrechten – muß auf das unbedingt notwendige Ausmaß eingeschränkt werden!

Die Regierungsvorlage für die Bundesstaatsreform mit ihren beinahe grenzenlosen Auskunfts- und Berichtspflichten geht in diesem Punkt sehr weit – um nicht zu sagen, zu weit –, zumal sie auch Angelegenheiten betrifft, die bisher von den Ländern sehr gut und gänzlich autonom vollzogen worden sind. Ich meine, daß diese zusätzlich geplanten Aufsichts- und Kontrollrechte des Bundes, wenn sie ein zu großes Ausmaß erreichen würden, jeder Verwaltungsvereinfachung und damit letztendlich auch den Zielen und den Intentionen der Bundesstaatsreform widersprechen würden.

Meine Damen und Herren! Ich denke jedoch, daß unter dem Gesichtspunkt der mit dem Bund vereinbarten finanziellen Abgeltung, die ich schon erwähnt habe, und einer "Abschlankung" der Bundesdienststellen sowie einer Beschränkung der Aufsichtsrechte des Bundes die Verländerung der mittelbaren Bundesverwaltung für die Länder – und damit auch für die Bürgerinnen und Bürger in den Ländern – durchaus sinnvoll ist. Nur unter diesen Voraussetzungen kann man eine Verländerung der mittelbaren Bundesverwaltung tatsächlich vertreten.

Nun höre ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß es für die nächste Runde der Beratungen über die Vorgangsweise für die Bundesstaatsreform Vorschläge gibt, die kontraproduktiv sind. Wir sind derzeit noch nicht in der Lage, auf diese Vorschläge genau einzugehen. Aber wenn man hört, daß etwa Gegenforderungen gestellt werden, die dazu führen würden, daß Kompetenzen von den Ländern wieder an den Bund übertragen würden, oder dazu, gewisse Positionen der Länder zu schwächen, dann kann ich nur sagen: Das wird – ich darf das in Ihrer Anwesenheit, Herr Bundeskanzler, besonders deutlich sagen – die weiteren Verhandlungen sicherlich sehr erschweren.

Ich würde sehr darum bitten, daß man dabei bleibt, worüber man sich grundsätzlich und dem Grunde nach in der letzten Zeit geeinigt hat, nämlich bei der Übertragung der mittelbaren Bundesverwaltung, beim Anlageverfahren und bei einer grundsätzlichen Erklärung zur Landesverwaltungsgerichtsbarkeit. Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Einfluß darauf zu nehmen, daß keine zusätzlichen Forderungen gestellt werden, weil das die Beratungen beziehungsweise die Zu-Ende-Führung der Beratungen sicherlich sehr erschweren würde.

Ich möchte auch klarstellen: Die Länder sind natürlich an der Bundesstaatsreform interessiert, meine sehr verehrten Damen und Herren – aber nicht um jeden Preis! Ich muß das betonen: nicht um jeden Preis! – Wenn es zu keiner Einigung kommt, dann müssen wir das zur Kenntnis nehmen. Ich muß aber auch sagen: An uns liegt es derzeit nicht.

Wenn man jetzt versucht, sozusagen in der Zielgeraden noch alles Mögliche hineinzuverpacken, dann wird das sicherlich nicht möglich sein. Wir sind sehr daran interessiert, diesen ersten


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Schritt, der im wesentlichen ausverhandelt ist, zu einem guten Ergebnis zu führen. Ich glaube, das würde allen guttun. Das würde sowohl der Bundesregierung als auch dem Nationalrat, dem Bundesrat und den Ländern guttun, und ich hoffe sehr, daß wir diesbezüglich zu einem baldigen Abschluß der Verhandlungen kommen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neben der finanziellen Abgeltung der Bundesstaatsreform war es mir auch möglich, mit Ermächtigung aller Landeshauptleute am 10. März 1998 die Schlußakte zur Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus gemeinsam mit dem Herrn Bundeskanzler und dem Präsidenten des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes zu paraphieren. Sie wissen, der entscheidende Vorteil des Konsultationsmechanismus ist der gegenseitige Schutz der Gebietskörperschaften bei der Tragung der Kosten aus Gesetzen und Verordnungen.

Bereits im Dezember des Vorjahres wurde das Ermächtigungs-BVG im Nationalrat diskutiert. Wie bekannt ist, hat es aber Einsprüche einiger Länderparlamente und auch des Nationalrates gegeben. Darüber wurden nun weitere Verhandlungen geführt, letztmalig in einer politischen Arbeitsgruppensitzung bei Staatssekretär Wittmann Anfang März. Dabei konnten wir von seiten der Landeshauptleute erreichen, daß die Bagatellgrenze auf ein erträgliches Maß gesenkt wurde.

Das System der Lastenaufteilung im Finanzausgleich wird durch die Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus eine neue Qualität erhalten. Seitens der Länder konnte auch erreicht werden – das scheint mir sehr wichtig zu sein –, daß der Konsultationsmechanismus und der künftige Stabilitätspakt rechtlich miteinander verbunden werden. Der Konsultationsmechanismus und der künftige Stabilitätspakt werden zusammen bestehen, eine Kündigung des einen zieht auch eine Kündigung des anderen nach sich.

Nachdem nun auch in der Sitzung des Verfassungsausschusses des Nationalrates am 20. März dieses Jahres die Zustimmung erzielt werden konnte, hat der Nationalrat bekanntlich am 25. März 1998 in dritter Lesung das Ermächtigungs-BVG beschlossen. Heute wird der Konsultationsmechanismus auch von Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates, diskutiert. Ich hoffe, daß Sie Ihre Zustimmung zu diesem wichtigen Gesetz geben werden. Ich darf Sie darum bitten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie außerdem, in Ihrem jeweiligen Land dafür einzutreten, daß auch die Landtage möglichst rasch dem Konsultationsmechanismus ihre Zustimmung geben. Wir alle brauchen diesen Konsultationsmechanismus dringend: sowohl der Bund, aber ganz besonders auch die Bundesländer! Ich kann daher nur an Sie appellieren und bitten, darauf einzuwirken, daß die Landtage ebenfalls ihre Zustimmung geben. Die offenen Fragen betreffend Länderparlamente und Nationalrat, konnten inzwischen, wie ich meine, weitgehend geklärt werden.

Über die knifflige Frage, wie die zulässige Neuverschuldungsquote aufgeteilt sein soll, die insgesamt für die Länder, für die Städte und für die Gemeinden vorgesehen ist, wurde noch keine Einigung erzielt. Auf Vorschlag des Salzburger Landesfinanzreferenten, der derzeit den Vorsitz bei den Landesfinanzreferenten innehat und der die Verhandlungen seitens der Landesfinanzreferenten führt, soll bis Jahresmitte ein Expertenteam einen Vorschlag dazu erarbeiten. Der nächste Termin für ein solches Gespräch ist bereits festgelegt.

Sehr verehrte Damen und Herren des Bundesrates! Die Konvergenzkriterien können wir nur dann einhalten, wenn alle Gebietskörperschaften für ihren Bereich dauernd einen Beitrag zur Stabilität der Währung leisten. Voraussetzung für den Stabilitätspakt ist natürlich der Konsultationsmechanismus.

Wie gesagt, ich hoffe sehr, daß sowohl der Nationalrat als auch der Bundesrat wie auch die einzelnen Landtage diesem Konsultationsmechanismus bald ihre Zustimmung geben.

Erlauben Sie mir zum Abschluß, aus der Sicht eines Landeshauptmannes einige Gedanken zum Bundesrat und zur Zukunft des Bundesrates zu äußern.


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Die Situation Österreichs in der Europäischen Union zeigt, wie auch schon beim Konsultationsmechanimus und beim zukünftigen Stabilitätspakt ausgeführt wurde, daß damit auch die Beziehung der Länder zum Bund wesentlich komplexer wird.

Ich sehe es deshalb für notwendig und wichtig an, daß der Bundesrat in Hinkunft ein effektives und effizientes Sprachrohr und eine effiziente Interessenvertretung der Länder ist. Es ist meiner Ansicht nach unbedingt erforderlich, daß die Debatte über die Reform des Bundesrates wieder intensiv aufgenommen wird. Ich möchte daher die Forderung aufstellen, daß der Bundesrat als Länderkammer eine echte Vertretung der Interessen der Länder durch die Bundesräte wird. Dazu wird es notwendig sein, daß die Länder beziehungsweise die Landtage die Möglichkeit bekommen, wichtige landespolitische Anliegen über den Bundesrat einzubringen und auch durchzusetzen. Nur so kann aus meiner Sicht ein echtes Landesmandat ausgeübt werden, und nur so ist es auch möglich, in entscheidenden Fragen des Föderalismus den Ländern die Möglichkeit zu geben, über den Bundesrat als Länderkammer tatsächlich auch etwas zu bewirken.

Ich denke, daß damit auch der Bundesrat insgesamt entsprechend aufgewertet wird. Eine Stärkung des Bundesrates, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist auch ein Stärkung der Bundesländer!

Ich könnte mir als einige Forderungen zur Aufwertung des Bundesrates unter anderem vorstellen: ein Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Bundesgesetzen, die in die Vollziehung der Länder fallen; ein Recht zur Stellungnahme des Bundesrates zu Gesetzesvorhaben des Bundes bis zum Zeitpunkt der Beschlußfassung durch den zuständigen Ausschuß des Nationalrates; die Wahl des Rechnungshofpräsidenten und der Mitglieder der Volksanwaltschaft durch die Bundesversammlung; ein Widerspruchsrecht bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union, sodaß letztendlich all das zusammen zu einer Umbildung des Bundesrates zu einem Organ der Länder und damit zu einer echten Vertretung der Interessen der Länder durch die Bundesräte führen würde.

Meine Damen und Herren! Ich denke, daß im Sinne einer offenen Föderalismusdiskussion versucht werden sollte, den Bundesrat aufzuwerten und damit auch die Mitbestimmung der Länder im Bund zu verstärken.

Ich möchte mich nach diesen wenigen Gedanken zu einer Stärkung und einer Reform des Bundesrates bei Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr für Ihre Aufmerksamkeit bedanken. Ich hoffe, daß das eine oder andere an Information dabei gewesen ist, was Sie auch in Ihrer politischen Tätigkeit verwenden können. Ich bitte Sie sehr um Ihre Unterstützung bei der Durchsetzung der Interessen der Länder und im speziellen Fall der Landeshauptleutekonferenz. (Allgemeiner Beifall.)

11.00

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann von Salzburg für seine Ausführungen und bitte nunmehr den Herrn Landeshauptmann von Vorarlberg Dr. Herbert Sausgruber um seine Erklärung. – Bitte, Herr Landeshauptmann.

11.00

Landeshauptmann von Vorarlberg Dr. Herbert Sausgruber: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Kollege Schausberger! Meine Damen und Herren! In einer großen gemeinsamen Anstrengung haben Bund, Länder und Gemeinden, die Sozialpartner und letztlich auch die Bevölkerung mit starker Hilfe der Länder in den letzten drei Jahren für den Bund, für einige Länder und viele Gemeinden in Österreich ein finanzielles Gleichgewicht geschaffen, das nicht nur für die Handlungsfähigkeit der Gebietskörperschaften, sondern vor allem für die Wachstumschancen unserer Wirtschaft eine wesentliche Voraussetzung war. Niedriger Zins, eine niedrige Inflationsrate und Exporterfolge mit einem schönen Wachstum bestätigen diesen Kurs der Stabilisierung der öffentlichen Haushalte eindrucksvoll. Wir bekennen uns ausdrücklich in gemeinsamer Verantwortung zu diesem Stabilisierungskurs.


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Das Gleichgewicht der Haushalte und die Hilfe der Länder, um dieses Ziel zu erreichen, wurden in den Verhandlungen 1995 zur Finanzierung der EU-Mitgliedsbeiträge in einer Größenordnung von insgesamt etwa 30 Milliarden Schilling für alle Gebietskörperschaften ohne Landwirtschaftsförderung, bei der Übernahme von Kostenrisiken vor allem durch Länder und Gemeinden, bei der Neuordnung der Spitalsfinanzierung, die insgesamt ein Volumen von mehreren zig Milliarden Schilling umfaßt – die Kostenrisiken für Wachstum bei den Ausgaben sind in Prozentpunkten dieses Gesamtvolumens einzuschätzen –, bei mehreren Finanzausgleichsabschlüssen und schließlich fast genau vor zwei Jahren beim Schnüren des Sparpaketes vereinbart.

Meine Damen und Herren! Teil der Strategie dieser Stabilisierung war in einem frühen Stadium der Gespräche der Finanzausgleichspartner noch mit Finanzminister Lacina die Regel, die heute in einer juristischen Fassung im Bundesparlament abschließend behandelt werden soll: Wer anschafft, zahlt, oder anders herum betrachtet: Die gemeinsame Anstrengung der notwendigen Stabilisierung der öffentlichen Haushalte, vor allem des Bundes, soll nicht durch Überwälzen von Lasten auf die anderen Partner gestört werden.

Gemeinsame, vorwiegend ausgabenseitige Anstrengungen aller Gebietskörperschaften sollen das Gleichgewicht wieder herstellen. Es wurde also eine faire Partnerschaft vereinbart: Jeder spart in seinem Bereich und nicht auf Kosten der anderen.

Die Länder haben sich auf die Einhaltung dieser Zusagen verlassen und – ich sage das nicht zum ersten Mal – nur unter diesen Voraussetzungen die wesentlichen Verschiebungen von Finanzkraft zu ihren Lasten akzeptiert.

Vor diesem Hintergrund ist es ungewöhnlich, daß Bundeskanzler, Finanzminister und Klubobmänner der Regierungsparteien im Herbst 1996 die Erstfassung dieser Vereinbarung unterzeichneten und erst heute die abschließende parlamentarische Zustimmung auf Bundesebene in geänderter Form erfolgen soll. Mit Freude vermerke ich trotzdem, daß es nun doch zur Zustimmung und Umsetzung kommen soll.

Unerfreulich ist, daß die Bundesstaatsreform auch in der mehrfach abgeschlankten Form trotz schriftlicher Festlegungen hoher und höchster Amtsträger des Bundes immer noch nicht umgesetzt ist und es seit neuestem wieder Gesten gibt, durch Gegenforderungen diesen Prozeß zu verzögern oder allenfalls abzubrechen.

Meine Damen und Herren! Das ist auch der tiefere Grund einer Verfassungsklage des Landes Vorarlberg gegen Teile des geltenden Finanzausgleichsgesetzes. Wir fordern Pakttreue ein, das Einhalten von schriftlich Vereinbartem, und wir akzeptieren nicht, daß die gemeinsame Verantwortung aller Gebietskörperschaften zur Stabilisierung der öffentlichen Haushalte in Anspruch genommen wurde, wir uns auch zur Verfügung stellten, aber daraus erwachsende vereinbarte Verpflichtungen nicht oder nur zögerlich eingehalten werden.

Es gab bisher schon im Bundesrecht Bestimmungen, die Bund, Länder und Gemeinden verpflichteten, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht anzustreben und eine faire Partnerschaft zu üben. Ich weise auf Artikel 13 des Bundes-Verfassungsgesetzes, § 4 des Finanz-Verfassungsgesetzes, § 5 des Finanzausgleichsgesetzes und § 14 des Bundeshaushaltsgesetzes hin.

Die praktischen Erfahrungen mit diesen Instrumenten sind allerdings nicht gut. Sie waren nicht ausreichend wirksam. Die entscheidende Schwäche liegt im Fehlen von Sanktionen, die Wirkung hängt nur vom guten Willen ab. Der Nationalrat hat sich häufig darüber hinweggesetzt und auch durchwegs die Augen vor den Folgekosten seiner Gesetze geschlossen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Das Versagen dieser rechtlichen Mechanismen war auch ein Grund, warum der Bundeshaushalt vor nunmehr zwei oder drei Jahren in eine gefährliche "Schieflage" geriet, die insgesamt die wirtschaftlichen Chancen Österreichs gefährdete.

Der Nationalrat hat also nicht nur die Augen vor den Folgekosten seiner Gesetze verschlossen, sondern war in der Ausgabenpraxis über die wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus großzügig. Von Einzelfällen abgesehen fand sich auch im Bundesrat weder ein entsprechend ausgestalte


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tes Instrument noch seit über zehn Jahren eine Mehrheit, um dieser Entwicklung entgegenzutreten.

Die Länder haben in ihren Jahrzehnte zurückreichenden Forderungsprogrammen, zuletzt 1985, immer wieder ergebnislos beklagt, daß die derzeitigen Mechanismen keine Gewähr dafür bieten, die Interessen der Länder entsprechend zu berücksichtigen. Es wurden daher im jeweiligen Finanzausgleichsgesetz ein Schutz vor zusätzlichen Belastungen und verbesserte Möglichkeiten für den Bundesrat gefordert, zur Wahrung der Interessen der Länder eine erhöhte Einflußnahme auszuüben, insbesondere durch eine Ausweitung des Zustimmungsrechtes. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)  – Ich will Sie nicht hindern, mir zuzustimmen.

Meine Damen und Herren! Die Länder haben also – der Systematik der Bundesverfassung folgend – durchaus den Bundesrat und eine Stärkung seiner Mitwirkungsrechte ins Auge gefaßt. Aber als sich abzeichnete – das muß man offen ansprechen –, daß dazu auf Bundesebene offenkundig kein politischer Wille besteht und daß sich die Mehrheit des Bundesrates selbst damit offenbar auch nicht identifizieren kann und will – ich verweise nur auf das Schicksal des vor zwei Jahren eingebrachten Antrages der Vorarlberger Bundesräte –, mußten die Länder nach Alternativen suchen. Wir haben sie in diesem Mechanismus wenigstens ein Stück weit gefunden.

Es galt die Notwendigkeit der Suche nach Alternativen umso mehr und mit besonderer Dringlichkeit – das wird auch in den kommenden Monaten, Herr Bundeskanzler, noch eine sehr wesentliche Rolle spielen, wenn wir uns nicht einig werden –, als mit der sich damals abzeichnenden und inzwischen umgesetzten Teilnahme Österreichs an der Europäischen Währungsunion die Länder und Gemeinden mit der notwendigen Haushaltsdisziplin, die wir absolut begrüßen und unterstützen, bei den gegebenen Mechanismen in eine doppelte Belastung zu kommen drohten. Auf der einen Seite erwartete der Bund zu Recht eine Zuordnung allfälliger Sanktionszahlungen im Rahmen der Europäischen Währungsunion nach dem Verursacherprinzip und wollte das nicht alleine tragen, weil auch Länder und Gemeinden – und Sozialversicherungsträger, aber für unsere Frage jetzt Länder und Gemeinden – bei der Überschuldung unseres Landes im Verhältnis zur Europäischen Union eine gewisse Rolle spielen können, andererseits hätten sich die Länder und Gemeinden nicht gegen nachteilige Kostenverschiebungen durch Gesetzgebungsakte wehren können.

Meine Damen und Herren! Diese Doppelbelastungen konnten und wollten wir nicht akzeptieren. Deshalb haben wir in einem ersten wichtigen Schritt, in einer Nebenabrede zur 15a-Vereinbarung über die Reform des Gesundheitswesens und der Krankenanstaltenfinanzierung, in der wir, wie gesagt, nach vielen Jahren einer ausgeglichenen Risikotragung vor allem von den Krankenkassen die künftige Last und das künftige Risiko von Kostensteigerungen weggenommen haben, um ihnen eine Stabilisierung ihrer Finanzierung möglich zu machen, und die Krankenanstaltenträger diese Risiken übernommen haben, das heißt im wesentlichen Länder und Gemeinden, vereinbart, daß Gesetze und Verordnungen des Bundes, die für die Länder oder Gemeinden unmittelbare finanzielle Belastungen im Krankenanstaltenwesen verursachen, nur mit Zustimmung der Landesregierungen und des Städte- beziehungsweise des Gemeindebundes beschlossen werden können. Das ist eine wichtige Vereinbarung, die die Autonomie des Bundesgesetzgebers massiv begrenzt. Ohne diese Zustimmung wäre es allerdings nicht zur Neuordnung der Finanzierung der Krankenanstalten gekommen.

Dem folgte die im Rahmen des Strukturanpassungsgesetzes getroffene Vereinbarung vom Jänner 1995, wonach in der Schulgesetzgebung alle Gesetze und Verordnungen des Bundes des Einvernehmens mit allen Ländern bedürfen. Damit war – mit Zustimmung des National- und Bundesrates, die diese Vereinbarungen als Teile der parlamentarischen Materialien zur Kenntnis genommen hatten – die Bundesgesetzgebung in zwei wichtigen Bereichen wesentlich stärker an direkte Zustimmungsakte gebunden, als es durch den ersten umstrittenen Entwurf des Konsultationsmechanismus, der im parlamentarischen Bereich auf Bundesebene, in einigen Regionen auch auf Landesebene, kritisiert wurde, vorgesehen war. Ich hatte daher volles Verständnis für den Bundeskanzler, den Finanzminister und die Klubobmänner der Regierungsparteien, die im Herbst 1996 bei der Unterzeichnung der Erstfassung dieser Vereinbarung offenbar


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vermeinten, für eine wesentlich flexiblere Lösung Zustimmung zu finden, was dann aber nicht der Fall war.

Ich hoffe, daß die den Wünschen des Nationalrates entsprechend angepaßte Vereinbarung, die wir in Vorarlberg – wir haben unvorsichtigerweise aufgrund der Unterschrift gleich im Landtag die Zustimmung zur Urfassung einstimmig beschlossen – einer neuerlichen parlamentarischen Behandlung im Landtag zuführen müssen, bald Rechtskraft erlangen kann. Das liegt nicht zuletzt auch im Interesse des Bundes selbst, da ohne Konsultationsmechanismus kein Abschluß von Verhandlungen über den Stabilitätspakt möglich sein wird, weil im Stabilitätspakt eine Einbindung von Ländern und Gemeinden in Sanktionszahlungen stattfinden wird müssen. Diesbezüglich haben wir ein massives Interesse, daß ohne unsere Zustimmung keine Kostenüberwälzungen erfolgen können.

Der Konsultationsmechanismus ist ohne Zweifel ein Kompromiß. Natürlich kann man so komplizierte Sachverhalte in der juristischen Fassung nicht perfekt konstruieren. Sie leben mehr vom Geist einer guten Partnerschaft als von dem, was tatsächlich juristisch dadurch erfaßt wird. Aber mangels mehrheitsfähiger anderer Alternativen ist es eine durchaus brauchbare Regelung für die Länder, vor allem aber unersetzlich für die Gemeinden, die ohne diesen Mechanismus von allen Gesetzgebungsebenen ähnlichen Überwälzungen von Kosten ausgesetzt wären. Es ist aber auch für den Bund und die dort Verantwortlichen eine Stütze für den vernünftigen Umgang mit der knappen Ressource Finanzkraft, die bei allen Gebietskörperschaften knapp ist, beim Bund in ganz besonderer Weise.

Ich bitte Sie daher in Ihrer Eigenschaft als Länderkammer, den Ländern sowie dem Gemeinde- und Städtebund den Abschluß der nunmehr doch in Aussicht genommenen Vereinbarung über diesen Konsultationsmechanismus und einen Stabilitätspakt zu ermöglichen.

Viel Zeit für das Zustandebringen des Konsultationsmechanismus und des Stabilitätspakts steht nicht mehr zur Verfügung. Die Gesetzgebungsperiode des Nationalrates dauert längstens noch 20 Monate. Wenn man die Sommerpause 1999 und eine Zeit der Wahlwerbung abzieht, dann werden es nicht viel mehr als 12 Monate für Beschlußfassungen sein.

Es mehren sich daher auch die Zweifel, ob es in dieser Zeit noch gelingen wird, die den Ländern 1992 in einer eigenen Vereinbarung zugesagte und seit Juni 1994 als Teilerfüllung dem Nationalrat vorliegende Bundesstaatsreform zustande zu bringen.

Ich möchte an dieser Stelle davor warnen, das Vertrauen der Länder in die Paktfähigkeit des Bundes noch einmal beziehungsweise weiterhin auf die Probe zu stellen, und zwar nicht, weil wir in der Lage wären, etwas zu erzwingen – das ist mir durchaus bewußt, Herr Bundeskanzler –, sondern weil dabei Vertrauen verlorengeht und weil das Verlorengehen von Vertrauen zwischen den Gebietskörperschaften für alle, für den Bund und für das Gemeinwohl, ein Schaden ist. Der Bund wird auch in den nächsten Jahren in manchen Fragen Länder und Gemeinden als Partner brauchen, nicht nur zur Ordnung der Finanzen. Wenn es zur politischen Gewohnheit des Bundes wird, Vereinbartes nicht einzuhalten, muß man zumindest davon ausgehen, daß die Bereitschaft zu Vereinbarungen mit dem Bund insgesamt abnimmt – nicht nur, aber auch beim Finanzausgleich.

Mit diesem Appell an den Bund, nämlich eine in Jahrzehnten gewachsene solide Partnerschaft zwischen den Gebietskörperschaften, wobei es zur Kultur gehörte, daß Vereinbartes auch umgesetzt wird – nach bestem Wissen und Gewissen –, wieder neu zu beleben, möchte ich meine Rede schließen. (Allgemeiner Beifall.)

11.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke Herrn Landeshauptmann Sausgruber für seine Ausführungen. Ich bitte nun um die Berichterstattung über den 4. Punkt der Tagesordnung, die Herr Bundesrat Schöls übernommen hat. – Bitte.

Berichterstatter Alfred Schöls: Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine Herren Landeshauptleute! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Der Bericht des Aus


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schusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes liegt Ihnen vor. Ich darf daher – Ihr Einverständnis vorausgesetzt – auf die Verlesung des Berichtes verzichten.

Ich darf im Namen des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus mitteilen, daß dieser nach Beratung der Vorlage am 15. April 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag stellt, keinen Einspruch zu erheben.

Frau Präsidentin! Ich darf Sie bitten, die Debatte zu eröffnen und die Abstimmung durchzuführen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung und die Antragstellung.

Wir gehen jetzt in die Debatte ein.

Als erster hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Ich darf ihn bitten, das Wort zu ergreifen.

11.22

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Herren Landeshauptleute! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin an sich deswegen zur Bundesratssitzung gekommen, weil ich vorhabe, zu einem "scheinbar unscheinbaren" Thema, nämlich zum Ermächtigungsgesetz für Städte- und Gemeindebund, über zwei wichtige politische Visionen zu diskutieren – über die wichtige politische Vision einer bürgernahen Verwaltung, einem in diesem Sinne verstandenen Konzept der Subsidiarität und des Föderalismus, aber nicht in dem Sinne, daß man ein "Hackel" mehr zieht, daß man die Autonomie des einen oder anderen mehr einschränken beziehungsweise mehr Kompetenzen an eine Position zu Lasten einer anderen finden kann, sondern verstanden als bürgernahe Verwaltung, dem guten Prinzip der Subsidiarität folgend, daß jene Dinge, die für den Bürger am besten und effizientesten auf Ebene der Gemeinden gemacht werden können – dieses Wort höre ich viel zu selten –, auch auf Ebene der Gemeinden gemacht werden sollen, daß jene Dinge, die am besten auf Ebene der Länder gemacht werden können, auf Ebene der Länder gemacht werden solle, und daß jene Dinge, die auf Ebene des Bundes gemacht werden sollen, dem Bund überlassen werden sollen, zu entscheiden, was zu tun ist. Dies soll auch im europäischen Sinn als Teil dieses Europa auf Ebene der Europäischen Union verstanden werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Sinne war es unsere gemeinsame Absicht, eine Bundesstaatsreform zu versuchen, die diesem Namen auch Rechnung trägt, eine Bundesstaatsreform zu versuchen, die, ähnlich wie es nun auch die Schweizer beginnen, ohne Vorurteile, ohne Kompetenz- und Machtdenken analysiert, wo und in welcher Form die Leistungen für die Bürger im Sinne dieses Wandels vom Hoheitsstaat zum Dienstleistungsstaat am effizientesten erbracht werden können.

Wir haben gemeinsam festgestellt, daß diese Arbeit mehr Zeit in Anspruch nimmt, als es ursprünglich gedacht war. Wir werden daher diese umfassende Bundesstaatsreform, zu der ich mich bekenne – aber unter Einschluß der Gemeinden, der Länder, des Bundes und der europäischen Ebene –, sehr sachlich und gut organisiert – und ich hoffe auch entsprechend zügig – durchführen können.

Es ist unbestritten – ich bekenne mich dazu –, daß wir gesagt haben, daß Teile des Perchtoldsdorfer Abkommens, und zwar Übertragung der mittelbaren Bundesverwaltung, Anlagenrecht und Verfahrenskonzentrationen, unverzüglich umzusetzen sind und umgesetzt werden sollen. Ich würde meinen, die Menschen in unserem Lande interessiert keine Buchhalterdiskussion. Sie wollen eine bürgernahe und effiziente Verwaltung. Ich freue mich daher, daß wir die technischen Arbeiten gemacht haben, daß sich die Länder jetzt mit diesem alten Vorschlag einverstanden erklären, 280 Millionen Schilling an Abgeltung zu haben, und vieles ähnliches mehr.


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Das muß jetzt endlich umgesetzt werden. In diesem Sinne ist es meiner Ansicht nach ein wenig verwunderlich, wenn ich diesbezüglich Mahnungen höre. Das Vertrauen, das notwendig ist, ist doch die Grundlage des Zusammenarbeitens. Österreich ist ein föderaler Bundesstaat, und wir haben die Pflicht, auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene für das Wohl des Bürgers zusammenzuarbeiten und nicht gegeneinander zu arbeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu einem meiner Meinung nach ebenfalls sehr wesentlichen zweiten Punkt, zum Thema Konsultationsmechanismus, möchte ich folgendes sagen: Der Konsultationsmechanismus ist ein notwendiger Teil eines großen gemeinsamen Projektes – der Stabilität des Haushaltes in Österreich, der Stabilität der Haushalte in Europa. Er ist daher ein wesentlicher Teil eines europäischen Projektes, dem sich Österreich verpflichtet fühlt. Österreich ist ein sicherer Teil dieses Weges zu einem gemeinsamen und friedlichen Europa. Ich hoffe, daß wir uns alle darüber einig sind, daß dieses gemeinsame und friedliche Europa nur dann entstehen kann, wenn wir über den Binnenmarkt hinaus auch Zeichen der besser und gemeinsam koordinierten Wirtschafts-, Sozial- und Währungspolitik zu erfüllen haben.

Österreich hat nun die Chance, innerhalb des großen Wirtschaftsblockes Europa eine gemeinsame Währung zu realisieren. Zur Erreichung des Zieles dieser gemeinsamen Währung, die der Wirtschaft Europas, der Wirtschaft Österreichs und den Arbeitsplätzen in unserem Lande zusätzliche Impulse geben wird, ist es nötig, daß wir mit allen anderen 14 europäischen Staaten, die in Kürze dieser Währungsunion angehören werden – daß im Moment drei Länder noch nicht so weit sind, wird sich auch in wenigen Jahren geben –, ein Vertrauensverhältnis aufbauen, damit jeder Staat auch für die Stabilität seines Haushaltes sorgt. Aus diesem Grund gibt es diese Verpflichtung im europäischen Stabilitätspakt, daß alle Staaten die Haushaltsdisziplin einhalten. Ich war sowohl als Finanzminister als auch als Bundeskanzler immer klar dafür, daß wir diese faire Partnerschaft auf europäischer Ebene auch auf österreichischer Ebene abbilden und daher natürlich diesen Konsultationsmechanismus brauchen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daß dieses Unterfangen ein bißchen länger gedauert hat – auch leicht angemahnt vom Herrn Landeshauptmann Sausgruber –, liegt natürlich auch am Selbstverständnis der österreichischen Parlamentarier, der vom Volk gewählten Vertreter. Diese sagen – aus meiner Sicht – zu Recht: Wir wollen die Möglichkeit haben, zum Beispiel auch Initiativanträge oder Ausschußabänderungsanträge und ähnliches mehr einzubringen. Seitens der Bundesregierung wurde entsprechend reagiert, und es wurde eine Lösung gefunden, die das Recht der gewählten Volksvertreter nicht einschränkt, aber den Ländern trotzdem den Schutz gibt, daß über diesen Weg nicht Belastungen an die Länder herangetragen werden, die sie im Sinn eines fairen, ausgewogenen Finanzsystems, Finanzausgleiches, nicht kalkuliert hatten.

Das heißt, es ist ein Weg gefunden worden, der die Interessen der Exekutive und – so hoffe ich auch – die Interessen der Legislative in entsprechender Form abdecken kann; ein Weg, der auf der einen Seite die Rechte der Parlamentarier nicht einschränkt, der es aber auf der anderen Seite ermöglicht, daß die Verpflichtungen, die die Regierungen auf Landes-, Bundes-, Gemeinde- und Städteebene eingegangen sind, auch tatsächlich eingehalten werden können.

Das heißt, es gibt nun einen Konsultationsmechanismus, der sicherstellt, daß das Prinzip "Wer zahlt, schafft an" auch umgesetzt werden kann. Das war das Prinzip, das wir durchgängig realisieren wollten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist natürlich auch notwendig, daß wir – die Partner des Finanzhaushaltes – uns gemeinsam dazu verpflichten, in einem Stabilitätspakt dafür zu sorgen, daß jeder Partner seinen Teil der Stabilitätsverpflichtungen einhalten kann. Ich freue mich darüber, daß es möglich sein wird, auf Bundesebene und auch auf Ebene der Länder, Städte und Gemeinden diese Vereinbarungen und Pakte rasch umzusetzen.

Abschließend darf ich Sie bitten, daß wir den Weg, den Österreich nun geht, nämlich ein Teil dieses gemeinsamen friedlichen Europas zu werden, bei dem wir auch sehr viel an Autonomie –


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das muß man ganz offen sagen – der österreichischen Gesetzgebung auf eine gemeinsame europäische Ebene verlagern, weil es oftmals sinnvoll und notwendig ist, Projekte, Maßnahmen und Politikfelder gemeinsam auf europäischer Ebene zu diskutieren, unter dem Prinzip der sinnvollen Subsidiarität beschreiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es muß uns doch allen klar sein, daß dieses gemeinsame Europa nicht nur das Europa des Binnenmarktes und der gemeinsamen Währung sein kann, sondern daß die logische Schlußfolgerung aus einer funktionsfähigen gemeinsamen Währung auch eine gemeinsame, besser koordinierte Wirtschaftspolitik, eine besser koordinierte gemeinsame Sozialpolitik und – ich sage als überzeugter Europäer noch etwas dazu, auch wenn sie im Augenblick noch nicht zufriedenstellend funktioniert – auch eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik sein muß. Das gehört zum Selbstbewußtsein Europas dazu! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, bin ich davon überzeugt, daß diese anscheinend so nebensächlichen "Ermächtigungen", die hier und heute beschlossen werden, doch wesentliche Schritte in Richtung einer bürgernäheren Verwaltung und auch in Richtung dieser Vision des starken, selbstbewußten und gemeinsamen Europa sind. Diese Ziele und Visionen werden aber nur dann zu realisieren sein, wenn das in einem vertrauensvollen Miteinander der Gemeinden, Städte und Länder mit dem Bund selbst geschieht. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

11.33

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Herren Landeshauptleute! Hochgeschätzter Bundesrat! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Die heutige Vorlage des Konsultationsmechanismus hätte eine Sternstunde werden können, ich persönlich fürchte, daß dieser Mechanismus ein Komet ist, der den Planeten Föderalismus beschädigt, wenn nicht gar zertrümmert. (Bundesrat Konečny: Denken Sie an Nestroy!) – Herr Kollege Konečny! Sie werden noch genug Möglichkeiten für Zwischenrufe haben. Sparen Sie sich Ihren Atem!

Der Herr Bundeskanzler und die beiden Herren Landeshauptleute haben allerdings differenziert darüber gesprochen: Der Herr Landeshauptmann von Vorarlberg hat sehr starke Bedenken zum Föderalismus geäußert und meinte – ich fasse das kurz zusammen –: Uns ist der Spatz in der Hand in bezug auf den Konsultationsmechanismus lieber als die Taube auf dem Dach, weil der Bundesrat letztlich in seiner Mehrheit nicht in der Lage sein wird, das Procedere so zu gestalten, daß wir echte Länderkompetenzen vertreten können.

Ich habe Verständnis für diese Meinung, allerdings muß ich folgendes bemerken: Alle drei Herren haben hier etwas ganz Gravierendes vergessen: Beim Blick auf diese Regierungsvorlage – der Herr Bundeskanzler hat erwähnt, die Parlamentarier müßten in bezug auf ihre Initiativrechte auch bedacht werden – findet man bei diesem Konsultationsmechanismus keinen einzigen Parlamentarier. Das ist ein Verfassungsgesetz! Das ist der Bruch Nummer eins: Hier wird ein ganz gravierendes Recht des Bundesrates als föderatives Gremium der Länder mißachtet!

Die Ländervertreter haben bis jetzt als Bundesrat, als Gesamtorgan keine Mitsprachemöglichkeit gehabt. Ich habe Ihnen, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, das seinerzeit vorgehalten, das geschah unter anderem in der Bundesratssitzung am 13. März 1998, als die Freiheitlichen eine dringliche Anfrage einbrachten und Sie zum Konsultationsmechanismus gesagt haben: Die Klubobleute, die Fraktionsführer der Mehrheitsfraktionen im Nationalrat und Bundesrat haben mitgewirkt. – Das ist ein bißchen wenig! Wir würden uns erwarten, daß eine Mitwirkung in der Form gegeben ist, daß der Parlamentarier direkt eingebunden ist!

Wo liegt die Budgethoheit, meine Damen und Herren? – Die Budgethoheit liegt in den Ländern bei den Länderparlamenten und, meine Damen und Herren, im Bereich des Bundes beim Natio


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nalrat. Sie, meine Herren, haben föderalistisch gesprochen und wie Exekutivorgane gehandelt, die Sie ja sind, und haben hier de facto eine Bevormundung der Länderparlamente, des Nationalrates und des Bundesrates vorgenommen!

Herr Landeshauptmann Sausgruber! Ich habe mir Ihre damalige Rede angeschaut, die Sie über die Möglichkeiten und Grenzen der Bundesländer im Bereich der Konsolidierung öffentlicher Budgets, die Einschätzung des Konsultationsmechanismus und den Stabilitätspakt aus der Sicht der Länder gehalten haben. (Zwischenbemerkung von Landeshauptmann Dr. Sausgruber. ) Landesstatthalter Dr. Sausgruber, Vorarlberger Landesregierung. (Landeshauptmann Dr. Sausgruber: Ich habe das erste Mal das Vergnügen, hier zu sein!) Nein, nicht hier! Ich sagte, Sie haben diese Rede bei einem Kurs über Finanzwissenschaften gehalten.

Sie haben einen sehr gewichtigen Satz gesagt, nämlich daß dieser Konsultationsmechanismus ein tiefer Eingriff in die Landeskompetenzen – und zwar in die Gesetzgebungsbefugnis und in die Budgethoheit – ist. Es handelt sich dabei nicht um ein Paktum – ich zitiere wörtlich –, sondern um eine einseitige Regelung des Bundes gegenüber den Ländern und Gemeinden. Das verstößt gegen das bundesstaatliche Prinzip. – Sie haben das in Richtung Schuldenstand und Stabilitätspakt gemeint. (Landeshauptmann Dr. Sausgruber: Sie haben das völlig mißverstanden! Das gilt für den Stabilitätspakt in der ursprünglichen Form!) Ja, aber ich möchte hier etwas herauspicken (Bundesrat Konečny: Ja, Sie wollen etwas herausreißen!) – nicht "reißen", "herauspicken", Herr Konečny! (Bundesrat Konečny: Davon sind wir überzeugt!) –, daß nämlich, wenn es zu dieser Vereinbarung kommt, maßgebliche Verfassungsbestimmungen tangiert werden. – Und das wird niemand bestreiten.

Was heißt das, meine Damen und Herren? – Daß das nämlich eine Materie ist, der der Bundesrat zustimmen müßte. Allein die Vorlage stimmt hier nicht entsprechend: Das ist keine Einspruchsmaterie, das ist eine Zustimmungsmaterie aufgrund der entsprechenden Qualität, die diese Vorlage in Richtung Verfassungsänderung auch hat!

Diese Meinung vertreten im übrigen nicht nur wir Freiheitlichen, sondern das haben maßgebliche Parlamentarier ebenso in Richtung Parlament gesagt. Der Präsident des Nationalrates Dr. Fischer warnt: Länder, keine Reformen ohne Parlament!

Ich zitiere wörtlich: Nach meinem Verfassungsverständnis könnten die Landeshauptleute mit der Bundesregierung alles ausschnapsen und ausmachen, was im Kompetenzbereich der Bundesregierung oder der Landesregierungen liegt. Wenn es aber um Themen geht, für die der Gesetzgeber die Letztverantwortung trägt, muß ich als Demokrat und Parlamentarier darauf beharren, daß das nicht über den Kopf der gesetzgebenden Körperschaften hinweg geschieht. – Das ist sehr eindeutig und sehr klar, nur die Konsequenz daraus ist – diese Vorlage hat schon einige weiße Haare –, daß die Parlamentarier in diesem Bereich noch immer nicht tätig sind. (Bundeskanzler Mag. Klima: Aber ist sie jetzt beschlossen vom Nationalrat?) – Beschlossen ist sie (Bundeskanzler Mag. Klima: Somit ist sie demokratisch legitimiert!), aber unter falschen Voraussetzungen! Denn der Einwand, Herr Bundeskanzler, den ich gemacht habe, daß da der Parlamentarier mitwirken sollte – ich habe das mit der Budgethoheit begründet –, ist nach wie vor nicht beseitigt.

Oder: Maßgebliche Tiroler Parlamentarier meinen etwa, Tirol habe Widerstand gegen die Aushöhlung des Parlamentarismus geleistet. Mit besonderer Schärfe wird gesagt: Mit der Ignoranz von Zentralisten, unterstützt von regierungshörigen Parlamentariern, soll in die Verfassungsautonomie der Länder eingegriffen und das Räderwerk der Landtagsabwicklung blockiert werden. Nationalrat und Landtage seien nicht nur bei der Entstehung des Entwurfes übergangen worden, sondern würden auch in den geplanten Konsultationsgremien keine Rolle spielen. Die Damen und Herren, die dabei tätig waren, wissen das. Das wurde von der Mehrheit des Tiroler Landtages getragen, und dem ist nach wie vor nicht widersprochen worden.

Oder: Eine Dame aus unserem Haus sagt zum Konsultationsmechanismus: Hinsichtlich des Konsultationsmechanismus hätten sich die Landeshauptleute nun abermals als die einzigen und


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wahren Vertreter der Länder hineinreklamiert. Die Landeshauptleutekonferenz gebe dem Bundesrat wieder keine Chance, kritisiert sie. – So lautet eine Meinung aus diesem Haus.

Die Chance, meine Damen und Herren, ist noch nicht ganz vorbei. Wir hätten sie heute. Wir hätten die Möglichkeit dazu, und ich habe das seinerzeit bereits erwähnt. § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes sieht genau diesen Mechanismus vor, der heute in diesem Papier bezüglich Konsultationsmechanismus enthalten ist. Da ist die Beteiligung der Parlamentarier vorgesehen. Man müßte nur den zweiten Bereich, nämlich die Bundesgesetze mit finanzieller Folgewirkung für die Länder, darin einbauen, denn dann wäre auch die verfassungsmäßig vorgesehene hierarchische Ordnung wiederhergestellt, daß die Vertreter des Souveräns – das Volk wählt die Parlamentarier –, die Parlamentarier, letztlich über diese Bereiche bestimmen, die nicht ohne sind.

Es wurde heute schon der Finanzausgleich zitiert. Im jetzigen Budget sind 172 Milliarden Schilling vorgesehen. Das geht an Ihnen, meine Damen und Herren, vorbei. 172 Milliarden Schilling werden verteilt, und Sie, die Sie die Länderinteressen zu vertreten haben, wissen das nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Weiss. ) – Zumindest verhalten sich Sie so, Herr Präsident Weiss, als ob Sie es nicht wissen würden. Ich unterstelle Ihnen, daß Sie es wissen. Ich werde aber aufgrund Ihres Abstimmungsverhaltens dann sehen, ob Sie es offiziell wissen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich glaube überhaupt, daß man zu Korrekturen übergegangen ist. Wir haben unter anderem auf der heutigen Tagesordnung auch noch die Beschlußfassung über die Ausschußzusammensetzung. Mittlerweile hat es in Niederösterreich eine Landtagswahl gegeben, und nach dem d’Hondtschen System wäre vor der Landtagswahl die Verteilung folgendermaßen gewesen: 7 : 6 : 3 und nach der Landtagswahl 7 : 5 : 4. Das paßt aber nicht. Der Wählerwille sollte korrigiert werden, daher hat man die Anzahl der Ausschußmitglieder und damit die Anzahl der Ausschußmitglieder der F-Fraktion reduziert. Daher ist man zu folgendem Verhältnis gekommen: 7 : 5 : 3.

Ich weiß nicht, ob wir uns daran halten, daß wir eine konsensuale Verfassung – das ist heute beschworen worden – haben wollen. Wenn Sie das nicht haben wollen, dann werden Sie die Konsequenz spätestens bei den nächsten Wahlen zu spüren bekommen, aber das ist für mich nur ein sehr geringer Trost, auch wenn meine Gemeinschaft zulegt. Für mich wäre es wesentlich mehr Trost, wenn der wahre Gedanke des Föderalismus Platz greifen könnte.

Es gibt eine Reihe von Anträgen – die nachfolgenden Debattenredner meiner Fraktion werden das noch erwähnen – und Ideen, die aufgezeigt und dargetan wurden, meine Damen und Herren! Diese sind schon alt, und ich möchte nicht sagen, daß sie "alte Hüte" sind. Es sind dies beispielsweise: Zustimmung zu Gesetzen, Mitwirkung bei der Ernennung von Verfassungsrichtern und jenen des Verwaltungsgerichtshofes, also Inkorporationsverbot, Aufhebung des Harmonisierungsgebotes und Einführung der Verwaltungsgerichte in den Ländern. Man redet jetzt endlich konkret darüber, denn das ist ein echtes Problem. Durch die Überlastung der obersten Gerichte, Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof, ist letztlich der Zugang des Bürgers zum Recht gefährdet. Da hätten auch die Länder Aufgaben und Möglichkeiten, entsprechend mitzuwirken. – All das, meine Damen und Herren, ist bis jetzt nicht geschehen. Die entsprechende Anträge liegen vor.

Der Kernpunkt – ein Sprichwort heißt so schön: Ohne Geld ka Musi’ – ist das Mitspracherecht bei Bundesgesetzen, die die Landesfinanzen entsprechend belasten. Dieses ist nach wie vor nicht gegeben. Wenn der sehr geehrte Herr Landeshauptmann von Salzburg, der durchaus einen sehr guten Standpunkt in bezug auf die Bezirksgerichte hat, sagt, er möchte natürlich auch die Reform des Bundesrates – er ist jetzt leider nicht anwesend –, dann muß ich ihm entgegnen, daß er damit im eigenen Haus beginnen soll, und zwar dahin gehend, daß die Salzburger Bundesräte endlich ein Rederecht zu wichtigen Themen, die es im Bereich des Landes und in Zielrichtung Bund gibt, bekommen. Das wäre an und für sich eine gute Möglichkeit.


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All diese Gedanken, die ich jetzt formuliert habe, meine Damen und Herren, haben wir schon 1995 an das Institut für Föderalismusforschung gerichtet. Unter anderem schreibt unser Bundesobmann: Wir bekennen uns zum föderalistischen Prinzip. Die Eigenverantwortlichkeit der Länder, die Bürgerbeteiligung zu stärken, kommt durch Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Ländern den Interessen der Menschen entgegen und erleichtert durch die Überschaubarkeit der Verhältnisse eine volksnahe Verwaltung. All das haben wir formuliert, aber auch folgende Punkte: Mitspracherecht – jetzt kommt es! – bei Bundesgesetzen, die die Landesfinanzen belasten, Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung, Einführung der Verwaltungsgerichte in den Ländern und so weiter.

Leider war das ein Schreiben ohne entsprechendes Echo. Wenn ich mir das Informationsblatt des Institutes für Föderalismusforschung anschaue, dann kann man sehen, es wird – in der Praxis ist es auch richtig, ich habe den Vergleich mit dem Spatz in der Hand und der Taube auf dem Dach gebracht – dieser Konsultationsmechanismus rundum gelobt. Jedoch wird nicht darüber gesprochen, wie sehr die parlamentarische Demokratie eingeschränkt ist. Ich habe es schon gesagt, daß diesbezügliche Anträge sonder Zahl im Haus liegen.

Herr Landeshauptmann Sausgruber hat Artikel 98 zitiert und gesagt, es sei ein Vertrauensverlust vorhanden. Ich weiß schon, worauf dieser Vertrauensverlust abzielt. Die seinerzeitige Vereinbarung, das Perchtoldsdorfer Paktum vom Oktober 1992, ist unter anderem auch deswegen gescheitert, weil der Finanzminister im Artikel 98 eine "Supervollmacht" bekommen hätte sollen. Diese hätte bedeutet, daß nicht die gesamte Bundesregierung, sondern der Finanzminister allein ermächtigt ist, gegen Ländergesetze mit finanzieller Folgewirkung beim Bund Einspruch zu erheben. Das war der wahre Grund. Die Schuldzuweisungen sind zu Unrecht vom Bund in Richtung Länder geschoben worden. Ich habe das nicht vergessen.

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen nochmals § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes in Erinnerung rufen, der diesen Mechanismus, der im Konsultationsmechanismus verankert ist, bereits beinhaltet und der verfassungsmäßig abgedeckt wäre. Das wäre doch ein Weg, das wäre doch eine Möglichkeit, meine Damen und Herren, die Parlamente, so wie es die Bundesverfassung vorsieht, entsprechend einzubinden.

Bitte, seien Sie heute sehr kritisch! Sie wissen um die Exekutivlastigkeit unserer Verwaltung und über die Einschränkung der Legislative. Verharren wir nicht in einem Zustand, daß uns immer wieder vorgeworfen werden kann, der Bundesrat als Gesamtheit habe eigentlich nichts gemacht, der Bundesrat als Gesamtheit habe ein Gesetz passieren lassen. Dieser Ausdruck stammt nicht von mir, sondern der Herr Bundeskanzler, Herr Kollege Payer, hat ihn gebraucht. Das ist ein Ermächtigungsgesetz zur Entmachtung der Parlamentarier, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich bitte, bei dieser Vorlage diesen schleichenden, aber gefährlichen Verfassungsbruch zu stoppen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konečny. – Bitte.

11.52

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Herren Landeshauptleute! Ich glaube, es gehört zu den positiven Seiten der heutigen Debatte, daß – ich würde gerne einladen, das fortzusetzen, ich fühle mich dadurch eher hervorgehoben, denn gestört – wir hier schon zweimal konkrete Begegnungen zwischen dem Bundeskanzler und den Landeshauptleuten gesehen haben. Ich glaube, wenn es heute gelingt, ein paar von den angesprochenen, verschiedenen Modulationen der Wellen ein wenig abzubauen, dann ist allein schon diese Diskussion als erfolgreich zu bezeichnen.

Ich möchte aber doch ein wenig zurückgehen und über die Vorlage selbst hinaus an das erinnern, was, wie ich glaube, der Herr Bundeskanzler in einer sehr treffenden Weise in unsere Diskussion eingebracht hat.


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Es kann doch wohl nicht so sein, daß die Frage einer Neustrukturierung des Bundesstaates, die Frage des Stabilitätspaktes diskutiert werden muß oder kann – unter dem Gesichtspunkt einer für niemanden außer dem Betroffenen selbst einsehbaren Weise, wo es um Macht, um Positionen, um Rechte geht –, sondern es kann doch nur einen einzigen Zugang geben, und zwar den, daß dieses ganze Gefüge des Bundesstaates mit seinen unterschiedlichen Rechtsträgern dem Bürger und der Bürgerin der jeweiligen Einheit zu dienen hat und daß wir uns zuallererst zu überlegen haben, wie wir dieser Aufgabe nachkommen können.

Es ist auch nicht zu übersehen – daher finde ich auch die Bemerkung des Kollegen Tremmel in seiner Schlußapotheose im besonderen Maße unpassend –, daß wir daran festhalten müssen, daß Föderalismus kein bilaterales Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern, sondern ein vielfältiges Geflecht, aber zumindest ein trilaterales Verhältnis ist, das die Gemeinden miteinschließt.

Die Wortmeldungen des Klubobmanns Khol sind an sich nicht Bestandteil meines Zitatenschatzkästleins, aber in diesem Fall hat er eine Formulierung gefunden, die es in ihrer Genialität vermeidet, auf irgend jemanden in diesem Land mit dem Finger zeigen zu müssen. Ich darf daher aus der einschlägigen Debatte des Nationalrates diesen wirklich eindrucksvollen Satz zitieren. Er meint: Es sei ein altes Prinzip des deutschen Föderalismus, daß nämlich das, was die Länder dem Bund vorwerfen, sie auch selbst tun, daß nämlich der Bund den Ländern ständig in den Hosensack fährt und ihnen das Geld herausnimmt, ohne sie zu fragen. Das würfen allerdings die Gemeinden auch den Ländern vor. Er sagt dann wörtlich, und das ist einfach auch von der Sprache her sehr schön: Die Bayern zum Beispiel waren immer unglaublich föderalistisch gegenüber Bonn und haben ihre Gemeinden gleichzeitig nach den Traditionen des Grafen Mongelas geknechtet.

Es ist auch deshalb genial, weil es sozusagen in einen anderen Bereich verweist, er muß sich mit niemandem in diesem Land anlegen. Aber wahr ist es! – Die Ermächtigung ist nicht die Ermächtigung zu dem, was Kollege Tremmel kometenhaft oder apokalyptisch hier gezeichnet hat, sondern es ist eine Ermächtigung dafür, den dritten Partner des Föderalismus ernstzunehmen. Und zu dieser Ermächtigung bekennen wir uns vorbehaltlos! (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht darum, über den Weg eines Konsultationsmechanismus, über den Weg eines Stabilitätspaktes drei Partner zu vereinen und – nachdem das ansonsten in unserer Verfassungsordnung nicht vorgesehen wäre – den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund einzubeziehen.

Ich will mich nicht in großer Ausführlichkeit mit dem Mechanismus beschäftigen. Das ist zum Teil geschehen, und das wird zum Teil geschehen. Der wesentliche Grundsatz dabei ist, daß Belastungen, die beim anderen Partner wirksam werden können, jeweils nur dann beschlossen werden können, wenn hierüber Einverständnis besteht – sei es, indem es der Partner hinnimmt, weil es eine in sich stimmige Maßnahme ist, oder sei es, daß die Kostentragung zum Wirken kommt.

Ich glaube, das ist ein faires Prinzip, und es ist ein Prinzip, mit dem wir für die nächsten Jahre einen Weg gefunden zu haben hoffen, dynamisch unsere Aufgabenerfüllung weiterzuentwickeln. Denn es geht doch darum, daß die Bürgerinnen und der Bürger – zu Recht – ein Mehr an Anforderungen an die Organe dieses Bundesstaates – und zwar in allen seinen Ausprägungen – stellen und daß wir uns daher sehr genau überlegen müssen, wo und durch wen diese Anforderungen am besten und am kostensparendsten erfüllt werden können. Ich glaube, über das rein Formale hinaus muß und wird ein Dialog über die Aufgabenerfüllung in Gang kommen müssen.

Es hat am Beginn dieser Debatte einen Hinweis beider Landeshauptleute gegeben, daß das, was so halbwegs an Einigung zustande gekommen sei, jetzt nicht durch Gegenforderungen des Bundes gefährdet werden solle. Es hat darüber einen Dialog gegeben, aber das Entscheidende ist nicht so sehr die Vertrauenswürdigkeit und die Fragen, ob das gegenseitige Vertrauen von Verhandlungspartnern eine Rolle spielt, ob wir an irgendeinem Punkt X der Verhandlungen abschneiden und sagen, das war es jetzt, sondern das Entscheidende muß sein, daß die verän


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derte und sich verändernde Gesellschafts- und auch Verfassungswirklichkeit in eine solche Einigung – vielleicht nicht in der ersten Stufe, darüber kann man diskutieren, aber tendenziell – immer wieder eingehen muß.

Nehmen wir nur ein Beispiel: Wir erleben eine hochinteressante Diskussion in zahlreichen Bundesländern – darunter auch im Bundesland Salzburg, in dem sie ganz offensichtlich am weitesten gediehen ist –, das traditionelle Modell der österreichischen Landespolitik aufgeben zu wollen, also die Abbildung des Landtages in der Landesregierung ex Landesverfassung wegzugeben, zugunsten des klassisch parlamentarischen Prinzips des Wechselspiels zwischen Regierung und Opposition – wobei die Regierung gehalten ist, eine Mehrheit zu haben, sonst ist sie es nicht –, wobei aber die Opposition nicht in die Position gerät, mitvollziehen zu müssen, weil sie per Landesverfassungsauftrag Mitglied der Regierung ist.

Das ist eine hochinteressante Diskussion. Ich persönlich würde auch auf der Seite der Weiterentwickler vom Proporzsystem zu einem Wechselspiel zwischen Regierung und Opposition stehen, aber das hat natürlich auch Konsequenzen für den Bundesstaat. Darüber, meine Damen und Herren, haben wir – die beiden Landeshauptleute haben das diskret umschrieben – schon viele Diskussionen in diesem Haus gehabt.

Wenn wir über den Bundesrat sprechen, dann müssen wir fragen: Wer sind wir denn? Sind wir Vertreter – je Gruppe, nicht politische Gruppe, sondern delegierte Gruppe – eines Bundeslandes in dem Sinn, daß wir – das wurde angedeutet – von der Landesregierung – sicherlich nicht, nicht einmal unter den heutigen Konstruktionen – oder vom Landtag in einem Spiel von Mehrheiten auf bestimmte Positionen jemals gebunden werden könnten? – Ein moralischer Druck ist etwas, was zur politischen Auseinandersetzung gehört. Aber wir sind doch – Herr Kollege Tremmel, auch von Ihnen – immer wieder mit Ideen konfrontiert, die Mitglieder des Bundesrates, in welcher technischen Form auch immer, an Standpunkte zu binden, die im betreffenden Land erarbeitet werden. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Ich mache Sie jetzt nur – das ist nur eine Seitenlinie meiner Argumentation – auf den inneren Widerspruch aufmerksam, das zu fordern und zu sagen, dieselben Bundesräte, die dann per Auftrag gebunden sind, gehören ins Konsultationsgremium. – Das müssen Sie einmal auflösen. Denken Sie es zuerst durch! Einer von den beiden Vorschlägen geht also nicht. (Bundesrat Dr. Bösch: Gerade das macht Sinn, Herr Kollege! Gerade das macht Sinn! Gerade das macht den Sinn aus!) – Nein, das macht keinen Sinn. Wenn ich Parlamentarier binde, dann sind sie so gut wie Beamte, mit Verlaub gesagt. Das ist also nicht das, was eine selbständige Rolle in einem solchen Gremium begründen könnte, und dagegen würde ich mich ganz energisch verwahren. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Grundsätzlich sei gesagt, wenn Parlamentarismus Sinn machen kann, dann kann er nicht der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft nachgebildet werden. Wenn dieser Vorschlag jemals Realität würde, dann bräuchten wir alle nicht dazusitzen. Dann würden neun Aktionäre des Bundesrates da sitzen und ihre Aktienpakete hochheben, wenn es keine Abweichung davon geben kann, weil eine Bindung vorliegt. (Bundesrat Dr. Tremmel: Herr Konečny! Dann wäre der § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes nach Ihrer Argumentation verfassungswidrig!) Nein, das ist er nicht, weil es ein Spezialfall ist, der auch in der Verfassung angesprochen ist.

Meine Damen und Herren! Das ist einfach nicht Parlamentarismus, das ist ein mögliches Prinzip, und es ist das auch in diesem Fall eine völlig anders geartete Regelung. Wir können und wir haben natürlich Interessenvertretungen durch die Länder, das ist auch absolut legitim. Es gibt natürlich Verhandlungen zwischen den Landeshauptleuten und der Bundesregierung. Wie der betreffende Vertreter seinen Standpunkt in seinem eigenen Land erarbeitet, worauf er sich stützt, wie er ihn letztlich durchsetzt, ist eine politische Frage. Aber Parlamentarismus ist das nicht. Nicht überall dort, wo es verschiedene Meinungen gibt, kann man deshalb von Parlamentarismus sprechen.

Parlamentarismus bedeutet die Ausübung eines freien Mandates selbst dann, wenn in unserem Fall dieses Mandat abgeleitet ist, sich also nicht aus der Volkswahl ergibt. Sie wissen, daß


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meine Fraktion sehr heftig dafür eingetreten ist, daß jeweils im Zusammenhang mit Landtagswahlen auch eine direkte Wahl der Bundesräte erfolgt.

Ich habe das nicht erwähnt, um einen über viele Jahre bestehenden Meinungsdissens noch einmal auszugraben, sondern weil gerade die Frage des Konsultationsmechanismus ein gutes Beispiel dafür ist, um zu belegen, daß das eine mit dem anderen nicht zusammengeht.

Wir leiten mit unseren heutigen Beschlüssen eine ganz bestimmte, mühsam herausverhandelte, aber richtige Tendenz in der bundesstaatlichen Entwicklung ein. Dieses verfassungsrechtliche finanzielle Verantwortungsprinzip, wenn ich es einmal so nennen darf, das wir hiemit zu statuieren möglich machen, erscheint unter den europäischen Rahmenbedingungen notwendig und richtig. Es werden weitere Schritte folgen müssen – solche, für die die Vorbereitungen schon sehr weit gediehen sind, und solche, die sich erst herausentwickeln werden. Dazu gehört auch in beiden Teilen die Funktion dieses Bundesrates selbst.

Ich nehme an, daß Kollege Bösch später dann das, was uns in die Hand gedrückt wurde, einbringen wird, und ich gestatte mir daher gleich vorab, eine Bemerkung zu diesem offenbar geplanten Entschließungsantrag zu machen. Der Bundesrat hat – dem sind energische, harte und mit einem Teilkonsens endende Gespräche in diesem Haus vorangegangen – selbst Vorschläge erstattet, darunter einen, der auch heute hier erwähnt wurde und den wir aus guten Gründen für den wichtigsten halten, nämlich die Möglichkeit, zu werdenden Gesetzesbeschlüssen des Nationalrates in früher Phase im Sinne eines politischen Dialogs zwischen den beiden Häusern des Parlaments Stellung zu nehmen.

Ich glaube nicht, daß der Vorschlag, der mir sehr vernünftig erscheint – wir haben ihn schließlich miterfunden –, dadurch irgendeinen Stellenwert gewinnt, daß er von der Regierung eingebracht wird. Ich glaube – ganz im Gegenteil –, daß es eine gute Sache ist, wenn die Parlamente in eigenen Anträgen versuchen, ihre Position zu definieren. Ich verstehe daher – mit Verlaub gesagt – diesen mangelnden Mannes- und Frauenmut vor Regierungsthronen verratenden Entschließungsantrag nicht ganz.

Wir sind uns darüber einig, daß wir einen föderalistischen, auf diesen drei Säulen – da gibt es noch viele andere Einflußelemente – aufbauenden Bundesstaat wollen. Darüber, wie dieser Bundesstaat im einzelnen technisch und politisch zu organisieren ist, gibt es sicherlich Meinungsdifferenzen. Ich glaube, wir sollten es uns abgewöhnen, irgend jemandem, der in diesem schwierigen Kräfteparallelogramm mitwirkt, auch den politischen Parteien, üble Absichten wie die Aushöhlung des Parlamentarismus zu unterstellen.

Die Tatsache, daß wir ein als richtig erkanntes Ziel, ein als richtig erkanntes Organisationsprinzip unseres Bundesstaates verschiedenartig ausstatten wollen, unterscheidet uns, macht uns auch für den Bürger und die Bürgerin unterscheidbar. Aber es disqualifiziert keinen von uns, weil wir diese Organisationsform, die zugleich auch die Plattform ist, auf der wir unsere selbstverständlichen ideologischen und gesellschaftspolitischen Differenzen in einer fairen und demokratischen Art und Weise austragen können, gemeinsam sicherstellen wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.10

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Günther Hummer das Wort. – Bitte.

12.10

Bundesrat Dr. Günther Hummer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Landeshauptleute! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man die Freude hat, mehrere Jahre hindurch diesem Hohen Haus angehören zu dürfen, dann kann man sich erinnern, daß wohl kaum einmal ein Sitzungstag verstrichen ist, an dem nicht ein Redner beklagte, daß der Bund Gesetzesvorhaben durchsetze, ohne Bedacht darauf zu nehmen, ob die Länder und Gemeinden in den Folgen dieses Gesetzes betroffen würden. Man konnte dem nichts entgegenhalten, vor allem auch deshalb nicht, weil es ungeheuer schwierig ist, festzustellen – und das auch nur dem Fachmann und dem nur schwerlich –, wo die Kosten letztlich zu tragen sind. Die Kosten sind bei ihrer


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Quelle schwer festzustellen. Es ist nicht leicht, zu sagen, wer letztlich Kosten verursacht, und noch schwieriger ist es, zu sagen, wer letztlich Kosten trägt. Das soll bei der Diskussion über einen Konsultationsmechanismus nicht außer acht gelassen werden.

Wir im Bundesrat, Mehrheiten des Bundesrates, sind der Meinung – wenn ich mich recht entsinne, lautete sogar einmal eine einstimmige Entschließung des Bundesrates dahin gehend –, daß der Bundesrat ein Zustimmungsrecht haben solle, wenn die Länder durch Maßnahmen des Bundes Kosten zu tragen hätten. Eine solche Forderung kann man wiederholen, aber man muß sich der Tatsache bewußt sein, daß dies ein relativ stumpfes Schwert ist, weil uns Parlamentariern gar nicht die Instrumente zur Verfügung stehen, tatsächlich nachzuweisen, ob Kosten und welche Kosten entstehen. Wir könnten sozusagen nur eine Bremse betätigen, um es letztlich anderen überlassen zu müssen, wie das Gesetzesvorhaben ausschauen sollte und wer die Kosten trägt.

So kann ich denn zum Unterschied von Herrn Bundesrat Dr. Tremmel den heutigen Tag nicht als einen Trauertag des Föderalismus, sondern als einen Freudentag des Föderalismus bezeichnen, wenn heute der Grundstein dazu gelegt wird, daß durch einen Konsultationsmechanismus vor gesetzgeberischen Maßnahmen festgestellt werden muß, welche Kosten entstehen, wo sie entstehen und wer sie letztlich und zu welchem Anteil zu tragen hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wäre sich wohl jeder des Beifalls sicher, der fordert, man könnte einen solchen Konsultationsmechanismus beschließen, wie er nun im wesentlichen schon fertig vorliegt, aber es wäre wohl unsere Sache, daß man entsprechende Maßnahmen einbaut, die eine Vertretung der Parlamente sicherstellen, etwa in einem proportionalen Ausmaß, daß Vertreter des Nationalrates, des Bundesrates oder auch der Landtage einem solchen Gremium angehörten.

Wenn man aber der von mir eingangs gesehenen Schwierigkeit der Feststellung von Kosten Rechnung tragen will, muß ein sehr praktikables, praktisches Organ geschaffen werden, das auch entsprechende Stäbe von Fachleuten hinter sich hat, wie das etwa ein Landeshauptmann, ein Landesfinanzreferent mit den Organen der Ämter der Landesregierungen und vor allem natürlich ein Finanzminister mit einem mächtigen Finanzministerium zur Verfügung hat. Daher glaube ich – wenn die Forderung, daß auch der Bundesrat ein Zustimmungsrecht bekommt, erhoben wird –, daß es sich insgesamt zu einem wesentlichen Bestandteil einer Föderalismusreform gestalten könnte, wenn wir heute diesem Ermächtigungsgesetz zustimmen und keinen Einspruch dagegen erheben.

Ermächtigt – darüber müssen wir uns im klaren sein – werden nur der Gemeindebund und der Städtebund. Bund und Länder bedürfen keiner Ermächtigung, miteinander einen Pakt abzuschließen. Es gibt zwar eine Bestimmung im Bundes-Verfassungsgesetz Artikel 115 Abs. 3, wonach der Städtebund und der Gemeindebund berufen sind, die Interessen der Gemeinden zu vertreten. Eine solche Bestimmung würde aber nicht ausreichen, sie in einen Pakt miteinzuschließen, der auf einer vorgesetzlichen Ebene Recht schafft, und deshalb ist es notwendig, dieses Ermächtigungsgesetz heute zu beraten und zu beschließen.

Es soll dabei allerdings Artikel 15a des Bundes-Verfassungsgesetzes grundsätzlich zur Anwendung kommen, wobei für die Einrichtung der Konsultationsgremien, die einstimmig zu beschließen haben werden, und für Abweichungen von § 2 des Finanz-Verfassungsgesetzes eine Abweichung von dem Grundsatz, daß der Aufwand, der sich aus der Besorgung der Aufgaben der Gebietskörperschaften ergibt, von diesen Gebietskörperschaften selbst zu tragen ist, und auch eine Sonderbestimmung, die es den Landtagen ermöglicht, mit einfacher Mehrheit zuzustimmen, zusätzlich in den heutigen Gesetzesbeschluß aufgenommen werden.

Es stellen sich zwei Fragen: Was sind rechtlich gesehen der Städtebund und der Gemeindebund? – Ich glaube, man sollte sich, wenn eine solch weitreichende Ermächtigung ausgesprochen wird, darüber doch ins Klare kommen.

Artikel 115 Abs. 2 ermächtigt den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund, die Interessen der Gemeinden zu vertreten. Der bekannte Verfassungsrechtler Bernd Christian Funk hat in einem Beitrag zu dieser Verfassungsbestimmung, die im Jahr 1988


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im Zuge der damaligen B-VG-Novelle beschlossen wurde, festgestellt, daß es sich um nutzloses Verfassungsrecht handle, denn der rechtliche Status von Gemeindebund und Städtebund als Vereine habe sich nicht geändert. Es sei immer außer Zweifel gestanden, daß auch die Gemeinden wie die Gebietskörperschaften berechtigt sind, Vereine zu gründen und als Mitglieder Vereinen anzugehören, und es gebe auch keine Bestandsgarantie.

Es wäre nach Auffassung Funks ohne weiteres möglich, daß sich Gemeinde- und Städtebund auflösen, vereinsrechtliche Auflösungsbeschlüsse fassen, daß die Vereinsbehörde, wenn gesetzliche Bedingungen nicht erfüllt würden, in der Lage wäre, diese Verbände aufzulösen. – Ich kann mich aber der Argumentation bei allem schuldigen Respekt diesem bekannten Verfassungsrechtler gegenüber in diesem einen Punkt nicht anschließen, wenngleich ich die gewisse Aversion von Verfassungsrechtlern gegen Erklärungen, Deklarationen und Zielbestimmungen im Bundesverfassungsrecht verständlich finde.

Es darf nämlich nicht verkannt werden, daß jeder Rechtsanwender, jeder, der Recht anzuwenden hat, jede Person, jede Behörde, jede Gebietskörperschaft, von der Einheit, Geschlossenheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung auszugehen hat, weil er nicht das Recht, die Rechtsordnung und den Rechtsstaat selbst in Frage stellen kann. Und wenn die Verfassung Institutionen beruft, so gibt es dadurch gesetzlich Berufene, das heißt auch Berechtigte und Verpflichtete. Die Vertretung der Gemeinden ist Gemeindebund und Städtebund zur Pflicht gemacht, sie wurde nicht in ihr Ermessen und ihr Belieben gestellt. Daß sie sich wie sonstige Vereine nach Belieben auflösen könnten, von der Vereinsbehörde aufgelöst werden könnten, daß ihnen beliebig andere zu gründende Vereine Konkurrenz machen könnten – all dies ist wohl mit dem Geist der Rechtsordnung und dieser Verfassungsbestimmung nicht in Einklang zu bringen; nur daß es sich durchaus nicht um nutzloses Verfassungsrecht handelt.

Die neue Qualität, der das vorliegende Ermächtigungs-Bundesverfassungsgesetz Rechnung tragen sollte, beruht vor allem auf einer neuen Qualität des Städte- und Gemeindebundes, die da lautet: hoheitsrechtliche Paktfähigkeit in der Gesetzgebung selbst, nicht nur in deren Vorbereitung, soweit sie die Tragung der Kosten anlangt. Dies würde sich nämlich aus der bloßen Berufung, wie sie bislang seit 1988 schon besteht, nicht ergeben.

Wir können zusammenfassen: Der Konsultationsmechanismus kommt zweifelsohne vor allem dem schwächeren Partner zustatten, wenngleich er selbstverständlich auch die Länder und Gemeinden im gleichen Maße verpflichtet wie den Bund. Der Konsultationsmechanismus macht keinen Eingriff in die Kompetenzen des Nationalrates, Bundesrates, der Landtage oder auch der Verordnungsgeber. Sie alle haben nach wie vor die Freiheit, den Inhalt des von ihnen zu schaffenden Rechts festzulegen. Es muß nur vorher eine Regelung bezüglich der Kosten getroffen werden. Wenn diese Kostenregelung nicht zustande kommt, dann hat die Kosten jene Gebietskörperschaft zu tragen, die den betreffenden Gesetzgeber oder Verordnungsgeber stellt.

Diese Vorgangsweise ist einsichtig, es ist eine Regelung, die man auch als billig bezeichnen kann. Es soll verhindert werden, daß sozusagen leichtfertig Maßnahmen auf Kosten und zu Lasten Dritter gesetzt werden. Der Stabilitätspakt gewährleistet das, was uns allen so sehr am Herzen liegt: daß die gemeinsame europäische Währung mit der Garantie ihrer Stabilität und Sicherheit eingeführt werden und bestehen kann.

Aufgrund all dieser Überlegungen bin ich aus gutem Grunde der Ansicht, daß man gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch erheben sollte. (Beifall bei der ÖVP.)

12.22

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. – Bitte.

12.22

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Herr Landeshauptmann! Meine Damen und Herren! Der Vorarlberger Landtag – der Herr Landeshauptmann hat dies in seinem Beitrag erwähnt – hat den ersten Entwurf betreffend den Konsultationsmechanismus einstimmig angenommen. Bei der Abstimmung werde ich


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deshalb als Bundesrat des Landes Vorarlberg, als einziger meiner Fraktion, aus Respekt vor diesem Votum der heutigen Vorlage zustimmen. Dabei werde ich mich nicht als Notar fühlen, wie dies Herr Kollege Konečny abwertend gesagt hat.

Denn wir Freiheitlichen sind der Ansicht, daß die Bundesräte in bestimmten Materien mit den Absichten ihrer Landtage verschränkt werden können müssen – in bestimmten Materien und bei einem bestimmten Quorum des Landtages! Wenn wir heute über den Sicherheitsbericht debattieren, wenn wir heute über den Sozialbericht debattieren, dann sei es jedem unbenommen, die Positionen seiner Fraktion und seiner Partei darzulegen. Wenn es aber um grundsätzliche Verfassungsfragen, wenn es um Finanzfragen geht, dann müssen die Landtage die Möglichkeit haben, über die Bundesräte in die Bundesgesetzgebung einzugreifen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es hat mich gefreut, daß Herr Kollege Konečny heute zum ersten Mal über die Reform des Bundesrates gesprochen hat – meine Damen und Herren von der SPÖ, Sie können ihm das weitersagen –, denn bislang glänzten die Koalitionsparteien bei all diesen Themen durch Diskussionsverweigerung. Sämtliche Anträge, die wir eingebracht haben, wurden nicht einmal auf die Tagesordnung der zuständigen Ausschüsse gesetzt. Ich werde dazu noch Stellung nehmen.

Die Herren Landeshauptleute haben schon darauf Bezug genommen, daß diese Verhandlungen rund um den Konsultationsmechanismus – ich darf mir an dieser Stelle erlauben, auch inhaltlich an der Vorgangsweise der Koalitionsparteien Kritik zu üben – eineinhalb Jahre gedauert haben und daß der erneuerte Text am 10. März paraphiert worden ist und nun die Parlamente dabei sind, diese Vorlagen zu beschließen.

Der neue Text – das geben wir auch als Freiheitliche zu – trägt einigen Forderungen des Parlaments und der Landtage Rechnung, nämlich daß nach Einleitung parlamentarischer Beratungen durch Initiativ- und Abänderungsanträge kein Konsultationsmechanismus mehr in Gang gesetzt werden kann, dafür aber jene Gebietskörperschaft, der das gesetzgebende Organ angehört, allfällige, durch diese Anträge bedingte Mehrausgaben selbst zu tragen hat.

All das stellt durchaus eine Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf dar. Das bestreiten wir auch gar nicht. Das Prinzip, das in verschiedensten Beiträgen schon strapaziert wurde: Wer anschafft, der soll auch bezahlen!, ist auch nicht falsch. Da haben Sie, meine Damen und Herren der Koalitionsparteien, unsere volle Zustimmung.

Uns Freiheitlichen geht es bei der Vorgangsweise rund um die Beschlußfassung dieses Konsultationsmechanismus im wesentlichen um zwei Dinge: Erstens: Das Zustandekommen dieses Konsultationsmechanismus ist verfassungsrechtlich – ich möchte es einmal so ausdrücken – nicht ganz in Ordnung. Da wird an verfassungsmäßig legitimen Einrichtungen vorbei auf Regierungsebene ein Mechanismus eingesetzt, der in die Legislative eingreift. Sie betreiben damit eine schleichende Verfassungsänderung, ohne dies laut und deutlich zu sagen und ohne dies offen zu debattieren.

Wir sind auch der Ansicht, daß die Materie, die in dieser Vorlage heute hier von uns zu beschließen ist, in die Verfassungen der Länder eingreift und daß sie deshalb nicht eine Einspruchs-, sondern eine Zustimmungsmaterie hätte sein müssen. Wir sind der Ansicht, daß es eine Zustimmung hätte geben müssen, weil vom Finanz-Verfassungsgesetz abweichende Lösungen gefunden werden können und die Landtagsquoren präjudiziert werden.

Der zweite Punkt, den ich kritisiere, ist jener, der mich im Grunde genommen am meisten ärgert, nämlich daß dieser Konsultationsmechanismus nicht im Bundesrat eingerichtet wird, in einem verfassungsmäßig legitimierten Organ. Das ist schlicht und einfach unverzeihlich!

Das neue Gremium Konsultationsmechanismus wurde in regierungskoalitionärer Eintracht eingerichtet, obgleich man bereits verfassungsmäßig legitime Organe hätte. Wir haben nämlich nicht nur den Bundesrat, der die Interessen der Länder auf Bundesebene zu vertreten hat, sondern wir haben im Finanz-Verfassungsgesetz von 1948 in § 9 – Vorredner haben schon darauf Bezug genommen – diesen Ständigen Ausschuß zwischen National- und Bundesrat, der sich


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der Finanzfragen annehmen soll, festgeschrieben. Aber "ständig" heißt bei diesem Ausschuß leider Gottes eigentlich niemals. Durch all die Funktionen, die nun im Rahmen des Konsultationsmechanismus absolviert werden müssen, hätte dieser verfassungsmäßig vorgeschriebene Ausschuß aufgewertet werden können.

Meine Damen und Herren! Es ist unbestritten, daß die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern grundlegend neu geordnet werden müssen und daß insbesondere auch die Aushöhlung des in Österreich ohnehin schwach entwickelten bundesstaatlichen Prinzips gestoppt werden muß. Die zentralistischen Tendenzen haben sich nach dem Beitritt zur Europäischen Union durch die Kompetenzverlagerung zu den Unionsorganen noch verstärkt – entgegen allen Beteuerungen vor der Abstimmung über den EU-Beitritt.

Meine Damen und Herren! Die Regionalparlamente werden in einen zunehmenden Legitimationsnotstand geraten. Im Rahmen der Europäischen Union ist auch das Parlament der Republik Österreich und damit auch der Bundesrat ein Regionalparlament. Dieser neuerliche massive Kompetenzverlust verstärkt eine Entwicklung, die das bundesstaatliche Prinzip der Bundesverfassung aushöhlt und eigentlich eine schleichende Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellt.

Es ist nicht zu bezweifeln, daß Österreich bereits jetzt einen relativ schwach ausgebildeten Bundesstaat darstellt, da der Bund ein erhebliches Übergewicht an Kompetenzen aufweist und der Einfluß des Bundesrates auf die Bundesgesetzgebung leider Gottes zu gering ist. Die Herren Landeshauptleute haben schon darauf Bezug genommen.

Im sogenannten Perchtoldsdorfer Übereinkommen, das ich nicht näher erläutern muß, wurde deshalb eine Aufwertung des Bundesrates – nicht nur des Bundesstaates, sondern auch des Bundesrates! – paktiert, und in der Folge wurden eine entsprechende Regierungsvorlage sowie entsprechende Änderungen des Finanzverfassungsrechtes ausgearbeitet. Im Zuge der parlamentarischen Beratungen stellte sich diese Bundesstaatsreform aber eher als föderalismusfeindlich dar, weshalb die Länder ihre ursprüngliche Zustimmung dann auch zurückziehen mußten. Die erwähnte Regierungsvorlage, meine Damen und Herren, wurde seither nicht mehr behandelt. Die Debatte um eine Bundesstaatsreform ist zu einem gänzlichen Stillstand gekommen. Das, was die Herren Landeshauptleute angedeutet haben, nämlich daß die Verhandlungen weitergehen sollen, macht uns gespannt, und wir Freiheitlichen werden auf die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppen warten.

Um eine weitere Aushöhlung des bundesstaatlichen Prinzips der Bundesverfassung zu verhindern, sollten daher nach unserer Auffassung auf Regierungsebene die Beratungen über die Bundesstaatsreform auf der Grundlage der zwischen Bund und Ländern bereits vereinbarten Grundsätze möglichst rasch wiederaufgenommen werden. Ziel der Beratungen muß eine Stärkung der Länderrechte sein.

Ein wesentlicher Aspekt bei der Gestaltung des Bundesstaates ist natürlich die Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften. Das diskutieren wir auch heute im Zusammenhang mit dem Konsultationsmechanismus. Rechtssetzende Akte einer Gebietskörperschaft bewirken oftmals für andere – das ist unbestritten – erhebliche finanzielle Belastungen, ohne daß sich diese dagegen erfolgreich zur Wehr setzen können. Eine Regelung, die die finanziellen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu ordnet und für diesen Fall auch Vorkehrungen trifft, ist daher im Interesse der Verwirklichung des bundesstaatlichen Prinzips durchaus geboten. Das soll auch von unserer Seite anerkannt werden, zumal es fast ausschließlich rechtssetzende Akte des Bundes sind, deren finanzielle Auswirkungen auf die anderen Gebietskörperschaften den Gegenstand weitläufiger Debatten bilden.

Meine Damen und Herren! Diese Koordinierung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist im Verfassungsorgan Bundesrat einzurichten. Dafür sind wir da, dafür sieht die Bundesverfassung dieses parlamentarische Organ vor. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Natürlich müßte der Bundesrat, um diese Aufgabe auch wahrnehmen zu können, reformiert werden, das ist keine Frage. Wir haben dazu auch schon Vorschläge gemacht.


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Daß dies nicht ganz aus der Luft gegriffen ist, beweisen auch Pressemeldungen von Kollegen der Regierungsparteien. So hat die Vizepräsidentin des Bundesrates, Frau Haselbach, anläßlich unserer Debatte zum selben Thema erklärt, daß die SPÖ den Konsultationsmechanismus ursprünglich im Bundesrat hätte einrichten wollen. Sie schreibt: Dem Bundesrat wäre eine zentrale Rolle zugekommen. Der Bundesrat wäre jenes Organ gewesen, das gegen einen Gesetzesbeschluß des Nationalrates einen Einspruch aus finanziellen Gründen hätte erheben sollen, wenn durch diese Maßnahme Kosten für die Länder entstehen würden, die von diesen auch in Würdigung des politischen Zieles nicht seriöserweise hätten getragen werden können. – So schrieb es die Vizepräsidentin der SPÖ, Haselbach.

Aber auch ÖVP-Politiker haben sich in diese Richtung geäußert. Der Klubobmann der ÖVP, Andreas Khol, hat klar gesagt: Sollten die Bundesratsmitglieder tatsächlich ein gebundenes Mandat erhalten und zudem ein Vetorecht gegen bestimmte Beschlüsse des Nationalrates erlangen können, könnte sich der Konsultationsmechanismus erübrigen. – Diese Dinge beweisen mir, daß diese Möglichkeit auch innerhalb der Regierungsparteien, innerhalb der Koalition durchaus ernsthaft debattiert worden ist.

Wir Freiheitlichen – aber nicht nur wir Freiheitlichen, sondern auch andere Fraktionen, auch die Vorarlberger Bundesräte – haben Anträge zur Reform des Bundesrates eingebracht. Es steht schon im Perchtoldsdorfer Abkommen, daß der Bundesrat zu seiner Reform eigene Vorschläge machen sollte. Wir haben folgendes vorgeschlagen:

Die österreichische Länderkammer sollte ein verbindliches Vetorecht gegenüber dem Nationalrat bekommen. Bei einer allfälligen Pattstellung der beiden Kammern sollte ein Vermittlungsausschuß das letzte Wort haben. Die Zahl der Bundesräte könnte verringert werden. Es müßte eine Regelung beschlossen werden, daß die Bundesräte mit den Absichten ihrer Landtage verschränkt werden. Ob man das mit einer Bindung an Beschlüsse des Landtages macht oder wie auch immer, darüber müßte debattiert werden.

Wir haben weiters vorgeschlagen, daß der Landeshauptmann kraft seines Amtes im Bundesrat sein sollte. Wir haben vorgeschlagen, daß die Landeshauptleutekonferenz, die Landtagspräsidentenkonferenz – warum, meine Damen und Herren, nicht auch die Präsidenten von Städte- und Gemeindebund? – in diesem föderalistischen Gremium ihre Auffassung im Rahmen der Bundesgesetzgebung dokumentieren können. Wir haben vorgeschlagen, daß die finanziellen Interessen durch den bereits bestehenden gemeinsamen Finanzausschuß geregelt werden sollten.

Herr Vizepräsident! Ich weiß, daß Sie selbst ein Leidtragender der Situation im Bundesrat sind. Der Herr Präsident ist zurzeit nicht anwesend. Es ist mir als Freiheitlicher aber ein Anliegen, in der heutigen Debatte von dieser Stelle aus zu fordern, daß alle diese Anträge, die die Verfassungsreform und die Bundesratsreform betreffen und die derzeit in irgendwelchen Schubladen liegen, endlich einmal auf die Tagesordnung des dafür zuständigen Ausschusses für Verfassung und Föderalismus gebracht werden, damit endlich einmal darüber diskutiert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte Sie ersuchen, daß Sie dieses Anliegen an den Herrn Präsidenten weiterleiten, der nach § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Möglichkeit dazu hätte.

Meine Damen und Herren! Wir haben am 20. 11. 1997 einen gemeinsamen Gesetzesantrag beschlossen, der das Stellungnahmerecht des Bundesrates und seiner Ausschüsse im Gesetzwerdungsverfahren vorsieht. Herr Kollege Konečny hat sich schon bemüßigt gefühlt, dagegen zu polemisieren, daß wir heute einen


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Entschließungsantrag einbringen, der diesem Anliegen Nachdruck verleihen soll, denn, meine Damen und Herren, dieser Gesetzesantrag wurde bereits am 20. November 1997 hier im Bundesrat einstimmig verabschiedet. Ich habe überhaupt nichts von seiten des Nationalrates gehört, daß diesem Anliegen auch nur in irgendeiner Weise Rechnung getragen worden ist. Wir Freiheitlichen bringen daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel und Kollegen betreffend die Aufnahme von Bestimmungen über die Stärkung des Bundesrates in die Regierungsvorlage über die Strukturreform des Bundesstaates

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, vor Behandlung im Verfassungsausschuß des Nationalrates die Regierungsvorlage zur Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 im Sinne einer Strukturreform des Bundesstaates (14 der Beilagen, XX. GP) um jene Bestimmungen über die Stärkung des Bundesrates zu ergänzen, die dieser in seinem Gesetzesantrag an den Nationalrat (953 der Beilagen, XX. GP) formuliert hat."

*****

Meine Damen und Herren! Ich darf zusammenfassen: Wir Freiheitlichen wollen eine Reform des Bundesrates, und wir wollen endlich eine umfassende Debatte über alle Anträge, die zu diesem Thema vorliegen, hier im Bundesrat führen. Wir vertreten konkret die Auffassung, daß der Konsultationsmechanismus im verfassungsmäßig legitimierten Organ Bundesrat – ich habe versucht, das zu argumentieren – eingerichtet wird. Wir haben daher, meine Damen und Herren Kollegen Bundesräte, als Bundesräte, die diesem Gremium selbstbewußt nunmehr endlich eine Aufgabe geben sollten, den von den Koalitionsparteien gewählten Weg für falsch zu erachten. Meine Fraktion wird deshalb der Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.38

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Johanna Schicker das Wort. – Bitte.

12.38

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme nun wieder zur Tagesordnung zurück, nachdem Herr Dr. Bösch doch ein bißchen abweichend von derselben über andere Themen gesprochen hat. Die Bundesratsreform steht heute nicht auf der Tagesordnung.

Mit der heutigen Beschlußfassung des Bundesverfassungsgesetzes über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes sind Städte- und Gemeindebund unter anderem dazu berechtigt, Anträge gemäß Artikel 138a Abs. 1 B-VG zu stellen. Bei diesen Anträgen handelt es sich um das Feststellungsbegehren in bezug darauf, ob eine Vereinbarung im Sinne des Artikels 15a Abs. 1 B-VG vorliegt und ob von einem Land oder dem Bund die aus einer solchen Vereinbarung resultierenden Verpflichtungen erfüllt worden sind.

Das vorliegende Ermächtigungsgesetz stärkt die Rechtsstellung der Gemeinden und ihrer Vertretungen, und das ist gut so. Diese getroffenen Regelungen sind ein erster Schritt in die richtige Richtung eines gelebten und praktizierten Föderalismus. Wenn auch nicht alle Forderungen des Österreichischen Städte- und Gemeindebundes in diesem Gesetz Eingang gefunden haben, so bleibt doch zu hoffen, daß die vorgesehenen Ermächtigungen keine Spezialbestimmungen im Hinblick auf den Konsultationsmechanismus und den Stabilitätspakt bleiben, sondern der Bund die Notwendigkeit eventueller Verbandsklagen der kommunalen Interessenvertretungen akzeptiert.

Verstärkte Einflußmöglichkeiten bedeuten aber auch höhere Verantwortung, und so werden die gesetzlich autorisierten Interessenvertreter der österreichischen Gemeinden in Zukunft viel poli


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tisches Geschick und Fingerspitzengefühl beweisen müssen, um ein Mittelmaß zwischen einerseits – so könnte man sagen – Überrumpelung und andererseits Blockade finden zu können.

Aber auch für uns Bundesräte wird es in Zukunft meiner Meinung nach nicht einfach sein, diese Aufgabe zu erfüllen. Ich frage mich: Wie werden wir diese Gratwanderung beschreiten? – Damit meine ich folgenden Umstand: Wir sind auf der einen Seite Vertreter einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes, auf der anderen Seite von den Landtagen entsandte Vertreter unserer Länder und darüber hinaus zum Großteil auch noch in unseren Kommunen tätig. Wir werden des öfteren zwei oder gar drei Seelen in unserer Brust haben, die jeweils in eine andere Richtung tendieren, und doch werden wir letztendlich unsere Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen treffen. Davon bin ich überzeugt.

Durch dieses heute zu beschließende Ermächtigungsgesetz werden der Österreichische Gemeindebund und der Österreichische Städtebund Vertragspartner in einer sonst dem Bund und den Ländern vorbehaltenen Vereinbarungsform und können damit den Konsultationsmechanismus auslösen. Dieser Konsultationsmechanismus sieht, vereinfacht gesagt, vor – das ist heute schon des öfteren angeklungen –: Wer anschafft, der zahlt! – Wer also in Zukunft ein Gesetz plant, das für eine andere Gebietskörperschaft Kosten zur Folge hat, muß zunächst mit den Betroffenen über die Kosten verhandeln. Bei Nichteinigung muß die das Gesetz beschließende Körperschaft für die Kosten selbst aufkommen. In Streitfällen wird über die anfallenden Kosten in einem eigenen Schiedsgericht beraten, in Bedarfsfällen kann auch der Verfassungsgerichtshof aktiv werden.

Ich möchte noch zwei Punkte, die im Konsultationsmechanismus leider keine Berücksichtigung finden, anführen. Das ist erstens die zu kurze Frist für die Beeinspruchung beziehungsweise für die Abgabe einer Stellungnahme der Gemeinden von nur acht Tagen, und das ist zweitens die Einbindung des Gemeindebundes und des Städtebundes bereits in die Verhandlungen von Unterausschüssen und auch in die Erarbeitung von Richtlinien und Verordnungen. Es wäre erfreulich, wenn künftig auch diese Punkte noch Berücksichtigung fänden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.43

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Michael Strugl das Wort. – Bitte.

12.43

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohen Haus! Zweifellos bedeutet der Konsultationsmechanismus einen ersten Schritt – ich glaube, so muß man das auch sehen – in Richtung mehr Föderalismus.

Wenn eine Gebietskörperschaft die andere nicht mehr einseitig belasten kann, wenn man einander beraten und das Einvernehmen hergestellt werden muß, dann führt das zu mehr Fairneß und zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften.

Wenn ich daran denke, daß sich – das wurde heute in der Fragestunde schon angesprochen – beispielsweise die Länder, aber auch die Gemeinden – mit Erfolg – bemühen, im Rahmen ihrer Budgetpolitik verantwortungsvoll und vernünftig zu wirtschaften, und wenn es dann immer wieder dazu gekommen ist, daß ihre Sparbemühungen mit einem Bundesgesetz, das sie zusätzlich belastet hat, zunichte gemacht wurden, dann muß ich sagen: Mit dem Konsultationsmechanismus haben wir tatsächlich einen Fortschritt erzielt. Denken wir nur – um ein Beispiel zu nennen – an den Gesundheitsbereich, bei dem es um eine Materie mit einer bedeutenden budgetmäßigen Größenordnung geht, die den Gestaltungsspielraum der Länder oft stark eingeschränkt hat.

Wichtig dabei ist zweifellos die Kostenwahrheit. Wenn Gesetze und Verordnungen auf ihre Folgekosten hin überprüft werden müssen und wenn man sich auch die Frage stellen muß, ob man sich die eine oder andere Regelung auch tatsächlich leisten kann, dann wird das mit dazu beitragen, daß der Drang zur Regulierung ein wenig eingebremst wird.


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Alles in allem wird der Konsultationsmechanismus die Länder und die Gemeinden zweifellos stärken. Genauso sehe ich das beim legistischen Zwilling zu dieser Regelung, beim Stabilitätspakt, der hier noch zu beraten und zu beschließen sein wird. Ich glaube, unter dem Aspekt, daß dadurch eine neue Qualität der Zusammenarbeit, mehr Fairneß und mehr Partnerschaft verwirklicht werden können, ist das zu begrüßen.

Auch wenn das ein Schritt zu mehr Föderalismus ist, so sind wir deshalb – auch das ist hier schon erwähnt worden – nicht der Aufgabe enthoben, eine Bundesstaatsreform durchzuführen. Dabei geht es nicht darum, Machtansprüche zu verteidigen, sondern darum, Doppelgleisigkeiten zu beseitigen und Kompetenzen zu bereinigen. Die Wendung von mehr Bürgernähe und vom besseren Zugang des Bürgers zum Recht ist heute hier auch schon bemüht worden. Es geht darum, daß das auch einmal realisiert wird.

Die Verantwortlichkeit soll dort beheimatet sein, wo die Aufgaben besser wahrgenommen werden können, und das ist in vielen Fällen in den Ländern und in den Gemeinden.

Herr Landeshauptmann Schausberger hat schon einige Beispiele genannt, wie man in ersten Stufen die Bundesstaatsreform umsetzen möchte, wie zum Beispiel durch die Auflassung der mittelbaren Bundesverwaltung, um die Instanzenwege abzukürzen, und zwar selbstverständlich immer unter der Maßgabe, daß die Länder die entsprechende Kostenabdeckung erhalten, oder in Form einer Verfahrenskonzentration nach ökonomischen Prinzipien durch eine einheitliche Anlagengenehmigungsbehörde oder auch durch die Errichtung von Landesverwaltungsgerichtshöfen.

Ich möchte dieser Auflistung noch einen Punkt hinzufügen, nämlich die Verländerung der Bundesstraßenverwaltung, die ein klassisches Beispiel für eine Doppelverwaltung zwischen Bund und Land darstellt. Durch dieses System entstehen nicht nur höhere Kosten, sondern werden auch Bauvorhaben, die wichtig sind, in den Ländern verzögert. Wir alle kennen Klagen von Anrainern, die dadurch belastet sind, daß es aufgrund von dieser Doppelgleisigkeit bei Verkehrslösungen zu zeitlichen Verzögerungen kommt. Daher sollten die Kompetenzen für den Bereich der Bundesstraßen den Ländern übertragen werden. Natürlich soll auch dafür gesorgt werden, daß den Ländern die dadurch entstehenden Kosten abgedeckt werden.

Ich sehe es auch so, daß in solch einer Diskussion auch über den Bundesrat selbst geredet werden kann. Das ist auch schon getan worden. Die Forderung nach dem Ausbau des Bundesrates zu einer echten Länderkammer, ausgestattet mit entsprechenden Rechten, ist natürlich nichts Neues. Die einzelnen Punkte zur Verwirklichung dieses Anliegens sind zum Beispiel: das Zustimmungsrecht des Bundesrates zu den Bundesgesetzen, die in die Vollziehung der Länder fallen, oder das Zustimmungsrecht zu den Finanzausgleichsgesetzen oder das Recht der Stellungnahme bei Gesetzesvorhaben oder das Vorschlagsrecht bei der Wahl des Rechnungshofpräsidenten oder – um noch einen Punkt hinzuzufügen – die Korrektur von offensichtlichen Mängeln bei Nationalratsbeschlüssen im Einvernehmen mit dem zuständigen Ausschuß im Sinne einer Qualitätssicherung der Gesetze, denn wir haben in der Vergangenheit mehrmals erlebt, daß ein Gesetz sehr schnell beschlossen werden mußte und erst im nachhinein erkannt wurde, daß die Probleme im Detail stecken.

Ich kann mich nicht der Meinung des Bundesrates Dr. Tremmel anschließen, daß es sich hiebei um alte Hüte handelt. Das würde bedeuten, daß etwas, was längere Zeit gültig ist, dann irgendwann einmal seine Richtigkeit verliert. Ich sehe das anders. (Bundesrat Dr. Tremmel: Da interpretieren Sie zwar richtig, aber ich habe gesagt: Es ist nach wie vor aktuell, aber die Forderungen sind schon alt!) Sie haben wörtlich gesagt: Das sind alte Hüte! Ich erlaube mir, zu sagen, daß ich das nicht so sehe, Herr Dr. Tremmel! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich gebe Ihnen schon recht, wenn Sie meinen, man müsse an die Umsetzung dieser Forderungen herangehen. Es nimmt sich auch jeder Landeshauptmann, der den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz übernimmt, vor, das umzusetzen.

Ich glaube, anhand des Stufenplans, den Herr Landeshauptmann Schausberger hier vorgestellt hat, kann man sehen – wenn man ehrlich ist, gibt man das auch zu –, daß es intensive Be


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mühungen gibt, das zu tun. Nur deshalb, weil darüber diskutiert wurde, heißt es noch lange nicht, daß das jetzt von der Tagesordnung verschwinden soll.

Dabei wäre es aber, wie ich meine, von Vorteil, wenn wir an die Erreichung dieses Zieles gemeinsam herangehen würden, wenn nicht nur die Gebietskörperschaften zusammenarbeiten würden, sondern wir versuchen würden, gemeinsam – über alle Parteigrenzen hinweg – Lösungen zu finden. Dieses Ziel wäre es, glaube ich, wert, diese Vorgangsweise anzustreben.

Diese Forderungen gehören, auch wenn sie seit längerer Zeit bestehen, nicht in das Museum. Dieser Meinung werden doch auch Sie sein! Im Laufe Ihres Oppositionslebens haben sicher auch Sie zum wiederholten Male gleichlautende Forderungen erhoben. Doch wenn ich Ihrer Logik folge, dann müßten wir uns schon im politischen Museum befinden. Ich glaube, so werden Sie das selbst nicht sehen wollen. (Beifall des Bundesrates Schöls. )

Zusammenfassend: Der Konsultationsmechanismus ist zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung, wobei uns allen klar ist, daß wir alle uns wünschen, daß es schneller geht, daß wir eine größere Lösung zustande bringen. Aber zweifellos ist es so, daß Politik auch immer die Kunst des Möglichen ist. Auf jeden Fall wird der Konsultationsmechanismus zu mehr Bürgernähe führen.

Es wird noch eine Bundesstaatsreform umzusetzen und eine sinnvolle Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden durchzuführen sein, und zwar im Sinne einer fairen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Dies ist noch anzustreben. Unter diesem Aspekt ist diese Regelung zu begrüßen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.52

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Andreas Eisl das Wort. – Bitte.

12.52

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Meine Herren Landeshauptleute! Ich nehme doch diesen Gesetzentwurf zum Anlaß, auch wenn Kollegin Crepaz gesagt hat, das sei nicht Gegenstand der Tagesordnung, um über die Novelle ... (Bundesrätin Schicker: Das war nicht Kollegin Crepaz, sondern ich!) Entschuldigung, Schicker. Ich verwechsle euch immer wieder, obwohl ich Sie besser kenne als Frau Crepaz. (Bundesrat Prähauser: Das kann passieren bei zwei hübschen Frauen!) – Ja, weil sie gleich hübsch sind. Das kann mir zum Beispiel bei Prähauser und bei Farthofer nicht passieren. (Bundesrat Prähauser: Das glaube ich!)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß wir bei dieser Novelle die Bundesräte mehr in die Landtagsarbeit hätten einbinden müssen. Es wäre auch möglich gewesen, in diese Gesetzesnovelle das Rederecht in den Landtagen generell für alle Bundesräte miteinzubauen. Die Bundesräte sind in den Landtagen – wir alle hier wissen es – gewissermaßen ausgegrenzt, sie haben keine Teilhabe daran. Sie sind zwar bei den Landtagssitzungen anwesend, sind auch bei den Klubsitzungen dabei, aber bei der Behandlung von Gesetzesmaterien kann von ihnen das Rederecht nicht wahrgenommen werden. Ich bedauere es, daß es eigentlich – soweit ich informiert bin – bis dato nur zwei Bundesländer gibt, und zwar Tirol und Steiermark, die es zustande gebracht haben, daß das Rederecht auch von Bundesräten wahrgenommen werden kann. (Bundesrätin Schicker: Das ist auch in Salzburg nicht so!) Das haben die Landeshauptleute selbst in der Hand. Ich appelliere auch an Herrn Landeshauptmann Schausberger, diesen Umstand zu verändern.

Vor kurzem wurde in Salzburg mit Zähnen und Klauen eine neue Verfassung verabschiedet. Mehr mit Klauen, würde ich sagen, Herr Landeshauptmann! Man hat aber auch dort die Möglichkeit zur Wahrnehmung des Rederechts durch die Bundesräte nicht in die Landesverfassung miteingebaut. Man sollte keine Gesetzesnovellierungen im Hinblick auf momentan im Amt befindliche Personen machen. Mir ist nämlich einmal gesagt worden: Wenn Herr Eisl nicht mehr im Bundesrat ist, dann werden wir vielleicht einmal über diese Materie sprechen. – Ich hoffe, daß das nicht ernst gemeint war. Ich würde mich freuen – denn ich meine, daß das auch im


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Interesse der Länder ist –, wenn ich vom Bund als eine Art Berichterstatter dem Landtag Neuigkeiten übermitteln könnte. Man muß nicht immer alles aus den Zeitungen erfahren. Besser wäre es, wenn man die Wahrheit aus den jeweiligen Fraktionen erführe. Mit der Bitte, diesem Appell zu entsprechen, lasse ich Sie, Herr Landeshauptmann, wieder zurück nach Salzburg fahren. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.55

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner. Ich erteile ihm das Wort.

12.55

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Herren Landeshauptleute! Meine Damen und Herren! Seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union spürt man einen neuen Geist der Gemeinsamkeit, des Miteinanders. Auch in Österreich selbst brauchen wir das Miteinander zur Lösung aller Fragen, ganz besonders dann, wenn es um finanzielle Fragen geht.

Ich teile die Meinung, daß das Vertrauensverhältnis zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gestärkt und gefestigt werden muß. Dabei ist es ganz wichtig, daß man sich nicht gegenseitig im Regen stehen läßt. Es muß über die Begleitumstände von Gesetzesbeschlüssen, vor allem über deren finanzielle Auswirkungen gesprochen werden.

Bei der immer schwieriger werdenden Finanzlage vieler Gemeinden ist die Prüfung der Kostenseite neuer Gesetze besonders wichtig. Es ist äußerst bedeutend, daß in Hinkunft der Städtebund und der Gemeindebund durch das Ermächtigungsgesetz in diese Prüfung eingebunden sind und damit die Rechte und die Interessen der Gemeinden wahrnehmen können. Die künftig verstärkten gemeinsamen Beratungen werden sicherlich zu einem erhöhten Kostenbewußtsein führen.

Wichtig erscheint mir, daß die Länder rechtzeitig in die Beratungen über die Begutachtungen beziehungsweise Stellungnahmen einbezogen werden. Nur so können berechtigte Einwände eingebracht und eine kürzere und sicherlich auch befriedigendere Arbeitsweise erreicht werden.

Noch neu zu regeln sein wird der Bereich der Verwaltungsverfahren zwischen Bund und Ländern. Es muß im Sinne der Bürgernähe zu einer Zusammenfassung der Verwaltungsverfahren – ich schließe da auch die Verwaltungsbereiche und die Verhandlungsbereiche der Gemeinden ein – kommen, denn es ist oftmals nur schwer zu erklären, daß für eine Baumaßnahme drei, vier, ja sogar oft fünf Verhandlungen an ebenso vielen Tagen mit ebenso vielen Bescheiden erforderlich sind. Ziel soll es sein, daß die Bürger für die Angelegenheit eines Komplexes einer Baumaßnahme einen Bescheid erhalten. Ich weiß, daß eine solche Verhinderung noch vieler Beratungen und auch mancher Korrekturen bedarf, aber je früher man beginnt, umso schneller kann man diese Frage lösen.

Gestatten Sie mir noch einen Hinweis: In der Landbevölkerung sorgten Gerüchte beziehungsweise auch schon gesetzte Maßnahmen selbst für Unruhe, beispielsweise die Auflösung von Gendarmerieposten und von Straßenmeistereien, die Zusammenlegung von Vermessungsämtern, Bezirksgerichten, Finanzämtern und Krankenhäusern, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Wir bitten die Verantwortlichen in Bund und Ländern, zu bedenken, daß solche Veränderungen zwar verstanden werden, das Problem jedoch nicht nur in der Form gelöst werden kann, daß nur die finanziellen und organisatorischen Gründe im Vordergrund stehen, und daß man auch auf die Bevölkerung Rücksicht nehmen muß.

Es muß auch immer darauf Bedacht genommen werden, daß jede Zusammenlegung, jede Veränderung, jede Wegerweiterung für die Bewohner zu einer Verschlechterung führen, insbesondere für die Leute auf dem Land, die zum Großteil ohnehin im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel benachteiligt sind. Daher sollten solche Veränderungen gut überlegt und Verschlechterungen für die Bevölkerung auf den Land weitgehendst vermieden werden.


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Beachten muß man auch eventuelle fachliche und finanziell belastende Begleitmaßnahmen. Sosehr es zu begrüßen ist, daß Verantwortungsbereiche von den Ländern auf die Gemeinden verlagert werden, weil dadurch eine kürzere Behandlung erwartet wird, muß doch bedacht werden, daß den Letzten – in diesem Fall die Gemeinden – die Hunde beißen. Ich möchte dazu kurz ein Beispiel nennen: Gemäß der Novelle zum Wasserrecht werden die Sachverständigen jetzt nicht mehr vom Land, sondern von den Verbänden und somit von den Gemeinden gestellt. Solche Leute sind nicht nur schwer zu bekommen, sondern sie sind auch entsprechend teuer. Es ist also eine zusätzliche finanzielle Belastung zu tragen.

Es ist wichtig, daß die Gemeinden, vertreten durch den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund, als gleichberechtigte Partner eingebunden und nun unmittelbar wirken können.

Unser aller Ziel ist eine bürgernahe Verwaltung auf allen Ebenen, besonders natürlich auf der Ebene, die direkt mit dem Bürger zu tun hat, nämlich in den Gemeinden. Aber auch da sollte man nicht unberücksichtigt lassen, daß diese Bereitschaft zwar gegeben ist, daß aber jede Verlagerung hin zu den Gemeinden mit Mehrkosten im Personalbereich verbunden ist und diese bei "gebremsten" Dienstpostenplänen und bei fallenden Einnahmen nicht einfach zu bewältigen ist.

Ich möchte als Bundesrat und Bürgermeister nicht jammern, denn ich glaube, daß das falsch wäre, muß aber doch feststellen, daß der finanzielle Spielraum für viele Gemeinden sehr, sehr eng geworden ist und der Haushaltsausgleich für immer mehr Gemeinden nicht mehr möglich ist. Fassen Sie das bitte als einen gewissen Hilferuf für die Gemeinden auf, verbunden mit dem Hinweis, daß es zu keinen zusätzlichen finanziellen und damit auch zu keinen zusätzlichen personellen Kosten und Belastungen mehr für die Gemeinden und die Bürger kommen soll, ja kommen darf.

Dazu noch ein kurzer weiterer Hinweis zu dem immer wieder auftauchenden Gerücht, das die Abschaffung der Getränkesteuer betrifft. Die Antwort kann nur lauten: Die Getränkesteuer muß für die Gemeinden erhalten bleiben! Jede andere Entscheidung hätte negative Auswirkungen, ja katastrophale Folgen für die Gemeinden.

Meine Damen und Herren! Dieses Bundesverfassungsgesetz ermächtigt Bund, Länder und Gemeinden, miteinander Vereinbarungen über einen Konsultationsmechanismus und einen Stabilitätspakt abzuschließen. Die Gemeinden werden durch den Gemeindebund und den Städtebund vertreten. Eine besondere Aufgabe ist die Ermittlung der Kostenkomponente und insbesondere der Kostenauswirkungen der Beschlüsse auf die Gebietskörperschaften.

Es liegt nun in der Verantwortung des Gemeinde- und Städtebundes, die Rechte der Gemeinden wahrzunehmen und entsprechende Schritte zu setzen. Es ergeben sich neue Möglichkeiten und auch neue Chancen. Dieses Bundesverfassungsgesetz ist ein wichtiger Schritt für unsere Bundesstaatsreform und auch ein wichtiger Schritt für die Zukunft unseres Gemeinwesens. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.02

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster erteile ich Frau Bundesrätin Aloisia Fischer das Wort.

13.02

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Herren Landeshauptmänner! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist zu der vorliegenden Regierungsvorlage schon sehr viel Inhaltliches ausgeführt worden, und ich denke, es ist keiner beleidigt, wenn ich mich relativ kurz halte. (Bundesrat Eisl: Ich schon!)

Ich darf zu dir, Herr Bundesrat Eisl, eine Bemerkung machen. Wenn du sagst, unser Herr Landeshauptmann will mit Zähnen und Klauen eine Gesetzesvorlage durchbringen, dann denke ich, du sprichst die Abschaffung des Proporzes an, und ich weiß, daß die Abschaffung des Proporzes eine alte Forderung der Freiheitlichen Partei war. Ich hoffe, daß dieser Vorschlag unseres


Bundesrat
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Herrn Landeshauptmannes durchgeht und auch beispielgebend für viele andere Bundesländer sein möge.

Der Föderalismus als ein Schritt zu mehr Bürgernähe. – Es ist wichtig, daß Bundespolitik, Landespolitik und Kommunalpolitik gut aufeinander abgestimmt sind, daß es einen lebendigen Meinungs-, Erfahrungs- und Ideenaustausch gibt, daß ein partnerschaftliches Miteinander erreicht wird. Die ganzheitliche Verantwortung muß gerade in einer Zeit der großen Veränderungen und Herausforderungen in besonderem Maße gelten. Das Gleichgewicht zwischen der Aufteilung der Ausgaben und der Aufgaben und dem Finanzausgleichsgesetz muß stimmen.

Wenn Kompetenzen dezentralisiert werden, bringt das für das Land mehr Bürgernähe. Es ist die Möglichkeit gegeben, auf die Anforderungen der Regionen, der Bürger in allen Belangen schneller und praktikabler reagieren zu können.

Demokratie kann aber nur gedeihen, wenn sie auch vom Bürger aktiv und interessiert mitgestaltet wird. Damit jedoch Bürgerinnen und Bürger mitgestalten können, müssen sie die Möglichkeit haben, den Mechanismus der demokratischen Willensbildung zu durchschauen, und jeder muß in seinem Bereich die Regeln und Gesetzesvollziehungen nachvollziehen können.

Die Diskussion über den Konsultationsmechanismus und den Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften geht in die Zielgerade. Eine alte Weisheit – ich darf diese noch einmal strapazieren – wird wahr: Wer anschafft zahlt, wer zahlt schafft an.

Die Zusammenarbeit zwischen Bund, Land und Gemeinden wird enger. Partnerschaft ist heute des öfteren angesprochen worden. Es soll nicht mehr möglich sein, daß Gesetze ohne vorherige Absprachen beschlossen und Land und Gemeinden finanziell belastet werden.

Mit dem Konsultationsmechanismus für mich untrennbar verbunden ist Föderalismus, ist Bundesstaats- und Bundesratsreform. Ich ersuche dich, Herr Landeshauptmann, dich, als Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, daß du dich gemeinsam mit deiner Kollegin und deinen Kollegen auch weiterhin für die noch notwendigen Schritte für die Bundesstaats- und Bundesratsreform einsetzt und daran arbeitest, denn ich habe Sorge, daß jetzt, wenn der Punkt des Konsultationsmechanismus erreicht ist und es, wie du angeschnitten hast, die kleine Bundesstaatsreform geben soll, eventuell notwendige weitere Reformschritte hintangestellt werden könnten. Um diesen Einsatz bitte ich dich, deine Kollegin und deine Kollegen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Landeshauptmann Dr. Franz Schausberger. Ich erteile es ihm.

13.07

Landeshauptmann von Salzburg Dr. Franz Schausberger: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Ich bitte, noch ein paar Worte sprechen, noch ein paar Dinge anschneiden zu dürfen, bevor ich mich auf Anregung des Herrn Bundesrates Eisl wieder nach Salzburg begebe. (Heiterkeit.) Er weiß, daß ich dort gut aufgehoben bin und daß Salzburg bei mir gut aufgehoben ist. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Eisl: Das wird sich ändern!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, auf ein paar Dinge noch ganz kurz einzugehen. Es wurde immer wieder die Rolle der Parlamente, des Nationalrates, des Bundesrates und der Landtage, im Zusammenhang mit dem Konsultationsmechanismus angesprochen. Ich glaube, wir haben eine Lösung gefunden, die den Aktionsradius der Parlamente in keiner Weise einschränkt. Es ist nur so, daß, wenn die Parlamente eine Initiative beschließen, die mit Geldausgeben verbunden ist – und es gibt sehr wenige Initiativen, die damit nicht in Verbindung zu bringen sind –, dann muß, wenn es keine Einigung mit der anderen Gebietskörperschaft gibt, eben jene Gebietskörperschaft, die diesem Parlament entspricht, auch die Kosten tragen. Ich glaube, daß das eine faire Regelung ist, denn sonst könnte man ja mit jeder parlamentarischen Initiative den Konsultationsmechanismus aus den Angeln heben. – Das ist das erste.


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Das zweite: Es wurde immer wieder darauf hingewiesen, man sollte doch den Bundesräten das Rederecht in den Landtagen einräumen. Das ist erstens eine Sache, Kollege Eisl – ich glaube, Kollege Prähauser wird das in seiner Rede auch noch bringen –, die natürlich die Landtage zu beschließen haben. Den Mitgliedern der Landesregierung kann es relativ egal sein, ob die Landtagssitzungen noch um eine Stunde länger dauern oder nicht, allerdings ist es sicherlich nicht der richtige Weg, das Heil allein im Rederecht der Bundesräte in den Landtagen zu sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, denn ohne eine zusätzliche Kompetenz und ohne die Gewißheit, daß der Bundesrat dann auch tatsächlich jenes Gremium ist, das die Interessen der Länder vertritt, und ohne daß die Landtage auch die Möglichkeit haben, ihren Bundesräten gewisse politische Richtlinien in den Bundesrat mitzugeben, wird es keine Änderung geben.

Daher meine ich, das mit dem Rederecht ist überhaupt keine Glaubensfrage, sondern nur die Frage, ob die Landtage das machen wollen oder nicht. Von mir und auch von den Kollegen Landeshauptmännern und von der Landeshauptfrau wird es diesbezüglich sicherlich keine Probleme geben.

Ich bin dem Herrn Bundeskanzler sehr dankbar, daß er heute eine Klarstellung vorgenommen hat, nämlich die Klarstellung, daß er ganz eindeutig dafür eintritt, daß der erste Schritt für die Bundesstaatsreform gesetzt wird, und zwar so, wie wir ihn jetzt schon sehr weit vorbereitet haben, nämlich in der Form, daß wir die Übertragung der mittelbaren Bundesverwaltung an die Länder vornehmen, daß wir das Anlagenverfahren durchführen und daß wir eine Entscheidung betreffend die Landesverwaltungsgerichtsbarkeit treffen.

Das sind die drei Punkte, und die sollten wir jetzt auch umsetzen! Ich kann mir vorstellen, daß der Herr Bundeskanzler bemüht ist, seine Fraktion zu veranlassen, keine zusätzlichen Wünsche in diesem Paket unterzubringen, denn sonst müßten wir mindestens noch ein oder zwei Jahre weiter beraten.

Denn eines ist richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir sollten diesen ersten Schritt einmal setzen. Es ist lange genug beraten, es ist lange genug geredet worden. Wenn wir diesen ersten Schritt gesetzt haben, sollten wir – ich bin mit dem Herrn Bundeskanzler einer Meinung – die Frage der Regelung der Kompetenzen im Rahmen einer ausführlichen und sachlichen Debatte durchführen. Ich bin ihm sehr dankbar, daß er heute klargestellt hat, daß er dafür eintritt, daß dieser erste Schritt in der nächsten Zeit gesetzt wird.

Es wurde darauf hingewiesen, daß schon über Jahre diskutiert wird, daß immer von Bemühungen gesprochen wird, daß wir aber eigentlich noch nicht sehr viel weitergekommen sind.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, gerade die heutige Debatte im Bundesrat und die Debatte vorher im Nationalrat zeigen doch, daß wir nicht nur weiterhin unsere Bemühungen aussprechen, sondern ganz konkrete Schritte weitergekommen sind. Ich bin sehr froh, daß das in meiner Zeit als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz geschehen kann. Das ist gar nicht mein Verdienst, aber wir haben jetzt eben den Vorsitz, und es ist für einen Vorsitzenden sehr positiv, wenn es in seiner Zeit passiert. Aufbauend auf den Vorberatungen und Vorbereitungen des Kollegen Pühringer aus Oberösterreich ist es nunmehr soweit, daß wir Einigung erzielt haben über die Frage der Finanzierung dieses ersten Schrittes der Bundesstaatsreform, daß wir Einigung erzielt haben über den Konsultationsmechanismus und daß wir eigentlich, wenn keine Komplikationen eintreten, auch den ersten Schritt für die kleine Bundesstaatsreform tun können.

Das heißt, wir sind jetzt von der Phase der Diskussion, von der Phase der Bemühung in die Phase der Umsetzung und der Realisierung eingetreten. Darüber freue ich mich, und ich kann den österreichischen Bundesrat nur bitten, uns bei den weiteren dringend notwendigen Schritten auch weiterhin zu unterstützen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)


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13.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Ernest Windholz das Wort.

13.12

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Geschätzter Herr Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Herren Landeshauptleute! Beim Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes wird relativ häufig von SPÖ und ÖVP auch das Wort "Reform" mitverpackt, in Wahrheit vorgeschoben. Es ist eine Reform, wie wir Freiheitlichen sie seit 1986 in der Realität laufend erleben. Der Weg, der eingeschlagen wird, ist in Wahrheit ein Weg des Ignorierens des Wählerwillens.

Wir werden heute auch noch die neue Ausschußeinteilung und die Mitgliederanzahl präsentiert bekommen. Ich darf hier bereits erwähnen: Auch das ist eine von SPÖ und ÖVP immer wieder ins Leben gerufene "Reform". Die niederösterreichische Landtagswahl vom 22. März dieses Jahres hat hier im Bundesrat eine Verschiebung der Mandatsverhältnisse nach sich gezogen. Die Freiheitlichen haben, wie immer, dazugewonnen, die Sozialisten haben verloren, es gibt einen Wechsel eines Mandats. (Bundesrat Prähauser: "Sozialdemokraten" heißt das!) Sozialdemokraten nennen Sie sich, das ist richtig, seit dem Fall des Eisernen Vorhanges, weil sich die Kommunisten dort mittlerweile Sozialisten nennen. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Na, der gefällt mir!)

Auch diese Art der Reform ist für mich nichts Neues, denn das habe ich in meiner Heimatgemeinde bereits mehrmals erlebt. Beim erstmaligen Antreten der Freiheitlichen bei der Gemeinderatswahl im Jahr 1995 wurden wir auf Anhieb zur zweitstärksten Kraft und zogen auf Anhieb in den Gemeindevorstand ein. Dort mußten wir miterleben, wie sofort der Gemeindevorstand vergrößert wurde, weil auch dort die Sozialisten einen Gemeindevorstandssitz verloren hatten. (Staatssekretär Dr. Wittmann: Sozialdemokraten!)

Zwei Jahre später gab es eine Nachwahl. Die Freiheitlichen haben auch dort – wie immer – als einzige gewonnen, SPÖ und ÖVP verloren, und dann geschah genau das Umgekehrte: Die Freiheitlichen hätten einen zweiten Vorstandssitz gewonnen, worauf der Vorstand natürlich sofort verkleinert wurde, um das zu verhindern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Form der Reformen wird auch deshalb bedenklich, weil man bereits wieder laut über Konzentrationsregierungen in den Ländern nachdenkt. Eine meiner Vorrednerinnen hat natürlich sofort angedroht, daß es in Salzburg bald soweit sein wird, und ich, meine Damen und Herren, sage Ihnen: Es ist typisch, daß Sie prompt vergessen, von den garantierten Minderheits- und Kontrollrechten zu sprechen.

Auch bei dem in Verhandlung stehenden Konsultationsmechanismus zeigt sich, daß die Koalition der Wahlverlierer durch schleichende Verfassungsänderungen, die für mich schon in der Nähe eines Verfassungsbruches zu orten sind, den Wählerwillen ignoriert. Sie versucht, solange sie noch über eine Verfassungsmehrheit verfügt, ihre Pfründe auf alle Zeiten abzusichern. In Wahrheit soll dadurch eine echte Demokratisierung des Landes, wie sie durch eine Stärkung der Rechte des Bundesrates zielführenderweise möglich wäre, verhindert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.16

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Prähauser das Wort.

13.16

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Ich möchte ebenfalls die Gelegenheit nutzen, auch wenn mein Landeshauptmann schon nach Salzburg zurückgekehrt ist, zu seinen Ausführungen ein paar Worte anzumerken, zumal gerade Salzburg auch ein Beispiel dafür ist, daß es in Sachen Reform des Bundesrates, Aufwertung des Bundesrates bisher zu mehr Lippenbekenntnissen als zu Taten gekommen ist, wenngleich ich aber nicht anstehe, zu sagen, daß dies quer durch alle Parteien Schuldige trifft, und eigentlich das Verlangen der Landtage, Bundesräte aufgewertet zu wissen, nicht erkennbar ist.


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Ich möchte aber hinzufügen, daß ich kein Problem mit unserem Selbstverständnis habe. Ich weiß, daß wir als Bundesrätinnen und Bundesräte unsere Arbeit gut machen, weshalb ich auch keinen Anlaß sehe, irgend etwas zu verteidigen oder zu fordern.

Ich meine jedoch, daß der Konsultationsmechanismus – so, wie er heute beschlossen wird – für mich doch einen Wermutstropfen beinhaltet. Ich hätte mir schon vorgestellt oder vorstellen können, daß der Bundesrat durch beratende Repräsentanten diesen Gremien zumindest hätte zugeteilt werden sollen. Wie der Nationalrat das für sich sieht, ist nicht meine Sache, ich spreche hier für den Bundesrat. Ich glaube, daß die Vertretung der Länder, eben die Bundesräte, hier einen Platz hätten haben müssen, um entsprechend mitwirken und beraten zu können. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Es wäre gut angestanden, dieses Zeichen zu setzen, denn wir hören oft, der Bundesrat gehört aufgewertet, es müßten Reformen erfolgen. Herr Landeshauptmann Sausgruber hat in seinem Referat darauf hingewiesen, daß es Anträge aus Vorarlberg gebe, die keine Mehrheiten gefunden haben. Dazu muß ich sagen, daß der Bundesrat ein demokratisches Forum ist, in dem man sich um Mehrheiten bemühen muß. Da kann es schon passieren, einmal mit Wünschen nicht durchzukommen. Übrigens haben diese Anträge auch nicht immer die Zustimmung der eigenen Fraktion, der ÖVP, gefunden. Das ist klar. Hier hat ein Land für sich selbst Interessen, bringt diese ein, hat sich aber der Demokratie zu unterwerfen und darüber abstimmen zu lassen. Da kam es einfach zu keinen Mehrheiten. Ähnliches haben die Niederösterreicher in diesem Gremium auch erfahren müssen, als es in der Energiesache gegen ihre Vorschläge ausgegangen ist.

Ich glaube, daß wir natürlich alle Möglichkeiten haben, den Bundesrat aufzuwerten –"aufzuwerten" ist an sich ein schlechtes Wort aus meiner Sicht –, den Bundesrat stärker im Bewußtsein der Länder zu verankern. Ich habe mehrmals den Vorschlag gemacht, gemeinsame Ausschüsse in den Ländern zu installieren, in denen die Bundesräte gemeinsam mit Vertretern der Land-tage Gesetze, die zu beschließen sind, besprechen, durchgehen und dann, wenn es geht, ge-meinsame Vorgehensweisen wählen. Ich halte nichts von einem gebundenen Mandat, die Freiheit und die Letztverantwortlichkeit, die wir vor den Wählern vor Wahlen propagieren, sollte auch nachher gegeben sein, aber ich meine, wenn man Landesinteressen, die speziell ein Bundesland betreffen, intern gemeinsam koordiniert und bespricht, kann es schon passieren, daß auch hier nicht alle BundesrätInnen unbedingt mit einer Zunge sprechen müssen, was natürlich auch, wenn es um Interessen eines bestimmten Landes geht, mit der Gefahr verbunden ist, daß keine Mehrheit gefunden wird. So etwas kann passieren, das sollte man als Demokrat auch nie vergessen.

Ich möchte hier noch einmal anmerken, ich würde einen gemeinsamen Ausschuß begrüßen. Natürlich kann so etwas keine Einbahnstraße sein. Natürlich wäre ein Rederecht im Landtag eine gute Voraussetzung, dem Bundesrat Gewicht zu verleihen. Ich meine nicht die Tatsache, daß, wenn einige Bundesräte das Wort ergreifen würden, die Landtagssitzungen um eine Stunde länger dauern würden. Das sollte wirklich kein Gradmesser für uns sein. Ich meine, wenn es Gesetze zu behandeln gibt, die hier abzuhandeln sind, sollte es dem Landtag eine Stunde wert sein, sich auch von uns informieren zu lassen. Wir würden somit nicht nur anonym nach Wien fahren, sondern hätten den Auftrag, mit Leistungen aufzuwarten und dem Landtag zu berichten.

Ich glaube, daß die Vorberatung (Bundesrat Rieser: Beispiel Steiermark!)  – in der Steiermark und in Tirol gibt es ähnliches – in einem gemeinsamen Ausschuß eine gute Grundlage wäre. Aber viel wichtiger ist die Möglichkeit der Berichterstattung vor dem Plenum des Landtages, um darauf zu verweisen, was Bundesräte im Interesse des Landes beschlossen oder abgestimmt haben.

Ich glaube, Reform sollte mehr als ein Lippenbekenntnis sein, und ich würde vorschlagen, daß der Bundesrat gemeinsam mit der Vertretung der Länder eine Arbeitsgruppe einrichtet, wo man gemeinsam, über Parteigrenzen hinweg, diese Problematik erörtern sollte, und zwar ohne Seitenblicke auf irgendwelche Machtverluste auf der zentralen oder der föderativen Seite. Ich


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glaube, wir haben die Aufgabe, für das Land, für jene, die uns hier hereinwählen, das Beste zu tun. Ich weiß, daß jeder mit bestem Wissen und Gewissen danach trachtet, in diesem Sinne zu handeln, aber die Möglichkeiten sind nicht so, wie man sich das vorstellt.

Kollege Windholz! Ich darf Ihnen versichern, normalerweise werden solche Ausführungen nicht kommentarlos von uns hingenommen. Es war Ihre Jungfernrede, und es gebietet der Anstand in diesem Haus, nicht dazwischenzureden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Aber eines darf ich Ihnen schon sagen, Herr Kollege Windholz: Wir sind hier nicht in einer Gemeindefraktion, wir sind nicht im Wahlkampf, wir sind auch in keiner Parteizentrale, sondern wir befinden uns im Bundesrat. Da darf ich Ihnen zur Erleichterung Ihres Wissens eines mitteilen ... (Bundesrat Weilharter: Wie ein Oberlehrer! – Abg. Dr. Bösch: Sagen Sie das in Ihrer Fraktionssitzung!) Herr Kollege Bösch! Meine Fraktion hält sich an die demokratischen Spielregeln.

Herr Kollege Windholz! Noch einmal: Es gibt zum Beispiel auch das Ergebnis der letzten Nationalratswahl 1995, da hat die Freiheitliche Partei nicht zu den Gewinnern gehört. Ich darf auch auf die Gemeindewahl in Wals-Siezenheim Bezug nehmen, wie Sie wissen, der fünftgrößten Landgemeinde Österreichs. Dort haben nicht ÖVP und SPÖ durch Änderung der Gemeindeordnung dafür gesorgt, daß die Freiheitlichen möglicherweise weniger Einfluß in der Gemeinde haben, sondern dort war es der Wähler. Dort wurde die Zahl Ihrer Mandate halbiert, dort konnte man Ihren Einfluß messen, dort haben Sie einen Vizebürgermeister gestellt, man hat ihn kennengelernt und nicht mehr gewählt. (Bundesrat Windholz: Die Ausnahme bestätigt die Regel!)

Denken Sie bei solchen Äußerungen daran: Hochmut kommt vor dem Fall. Ich darf für uns sagen, daß wir uns beizeiten daran erinnern werden. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.23

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

13.23

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das Budgetbewilligungsrecht der Parlamente hatte ursprünglich die Funktion, die Ausgabenfreudigkeit der Herrscher einzubremsen und eine Verschärfung der als drückend empfundenen Abgabenlast für die Untertanen zu verhindern. In der Zwischenzeit sind die Parlamente an die Stelle der Herrscher getreten, allerdings gibt es heute kein ausreichendes Instrument, ihre eigene Ausgabenfreudigkeit einzubremsen.

Herr Kollege Mag. Strugl hat auf einen Gesichtspunkt der Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus und einen Stabilitätspakt hingewiesen, der in der Debatte nicht zu kurz kommen sollte, nämlich darauf, die Vorschrift in § 14 des Bundeshaushaltsgesetzes mit der Verpflichtung zur Ausweisung der Folgekosten ernster zu nehmen, als das bisher der Fall war.

Ich halte dies für einen ganz wichtigen Nebeneffekt dieser Vereinbarung, auch im Interesse des Bundes selbst, weil es letztlich auch auf die Bundesfinanzen zurückfällt, wenn der Nationalrat bei seiner Ausgabenfreudigkeit und bei den gutgemeinten Gesetzen, die er beschließt, die Augen vor den Folgen, insbesondere auch vor den finanziellen Folgen seines Tuns allzu nachhaltig verschließt.

Das bisherige Instrumentarium wird durch die Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus schärfer und wirksamer gemacht. Das ist ein ganz wesentlicher Fortschritt, auf den Herr Kollege Strugl zu Recht hingewiesen hat.

Bevor ich auf den Konsultationsmechanismus selbst zu sprechen komme, möchte ich ganz kurz auf den von den Herren Dr. Bösch und Dr. Tremmel eingebrachten Entschließungsantrag eingehen, mit dem die Bundesregierung ersucht werden soll, einen Gesetzesantrag, der dem Nationalrat ohnedies vorliegt, noch einmal einzubringen. Das ist der eine Gesichtspunkt.

Der zweite ist, daß, selbst wenn man das für vernünftig hielte, es außerordentlich schwierig umzusetzen wäre, weil der von Ihnen reklamierte Gesetzesantrag des Bundesrates auf der Tages


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ordnung eines in den nächsten Tagen stattfindenden Verfassungsausschusses des Nationalrates steht. Also die Bundesregierung müßte wahrscheinlich sogar eine Sondersitzung einlegen, um das, was ohnedies bereits Beratungsgegenstand ist, noch einmal einbringen zu können.

Aus diesem Grund sehen wir keinen Grund, diesem Antrag, so sehr wir natürlich mit dem Inhalt konform gehen, daß die Gesetzesanträge des Bundesrates im Nationalrat behandelt werden sollen, zuzustimmen, weil diese Materie ohnedies bereits auf der Tagesordnung des zuständigen Nationalratsausschusses steht.

Als ich in den Medien verfolgt habe, daß die Freiheitliche Partei so wie die anderen Oppositionsparteien auch im Nationalrat gegen den Konsultationsmechanismus und zunächst einmal – etwas anderes steht gar nicht auf der Tagesordnung – gegen das Ermächtigungsbundesverfassungsgesetz aufgetreten sind, hat mich das nicht sehr überrascht. Das ist zum einen die Rolle der Opposition, das ist zum anderen auch Ausdruck der Selbstverständlichkeit, daß es auf Bundesebene natürlich unterschiedliche verfassungspolitische Positionen zu Anliegen der Länder und Gemeinden geben kann. Das läßt sich natürlich auch an rechtswissenschaftlichen Beiträgen ablesen, auch mag es durchaus unterschiedliche juristische Beurteilungen zu dem gefundenen Mechanismus geben.

Ich habe mir gedacht, da wir alle – und die freiheitliche Fraktion appelliert an uns sehr häufig, wir sollen das tun – Länderinteressen vertreten, wir werden hier einmal eine Premiere erleben, die freiheitliche Fraktion verhält sich maßgeblich anders als im Nationalrat, zumal ich noch im Ohr habe, was der freiheitliche Landesparteiobmann Gorbach aus Vorarlberg zum Konsultationsmechanismus gesagt hat. (Bundesrat Dr. Tremmel: Einer von neun!) Zunächst hat er sich über die Verhinderungstaktik des Nationalratspräsidenten Fischer mehr als nur empört gezeigt, nicht schlicht empört, sondern mehr als nur empört war er. Kurze Zeit darauf hat er die gestrige Einigung – gemeint war die Unterzeichnung der Schlußakte – als äußerst positiv in Richtung wirklichen Föderalismus bezeichnet. – Wörtliches Zitat aus den "Vorarlberger Nachrichten" vom 11. Dezember 1996. (Bundesrat Dr. Tremmel: Bei uns gibt es wirkliche Meinungsfreiheit!)

Ich habe mir dann gedacht, wenn schon ein freiheitlicher Landesparteiobmann, und zwar nicht der erfolgloseste, sich so ganz klar positioniert, dann wird das bei Ihnen ein entsprechendes Gewicht haben. Ich war dann überrascht, als die FPÖ unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Gründe im Ausschuß dagegengestimmt hat, ohne diese dort allerdings nennen zu wollen. Ich habe gedacht, das ist eine ganz geschickte Inszenierung, man arbeitet auf einen dramaturgischen Höhepunkt in der Bundesratssitzung hin. Er ist allerdings ausgeblieben, weil sich diese verfassungsrechtlichen Bedenken in den bisherigen Wortmeldungen darauf beschränkt haben, zu sagen, es findet mit diesem Gesetzesbeschluß – und über etwas anderes haben wir heute nicht abzustimmen – eine Entmachtung der Parlamente statt, gemeint auch der Landtage, und daher wäre dieses Bundesverfassungsgesetz zustimmungspflichtig. Herr Kollege Bösch hat das dann noch näher begründet, weil die Quoren für eine Beschlußfassung im Landtag geändert würden. (Präsident Bieringer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Was ist nun Inhalt dieses Gesetzesbeschlusses? – Die Länder dürfen etwas, was sie bisher nicht durften, nämlich Vereinbarungen mit dem Österreichischen Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund abschließen.

Es wird ihre Zuständigkeit also nicht eingeschränkt, sondern erweitert. Und es ist auch nicht richtig, daß quasi mit einer verfassungsgesetzlichen Vorgabe die Quoren für die Beschlußfassung im Landtag geändert wurden. Was eingeführt wird, ist lediglich eine Ermächtigung an den Landtag, der darüber frei zu entscheiden hat, ob er die nachfolgende Vereinbarung mit Zweidrittelmehrheit oder mit einfacher Mehrheit beschließt. Er kann es mit einfacher Mehrheit beschließen. Hier wird also die Dispositionsmöglichkeit des Landtages erweitert und nicht eingeschränkt. Daher fehlt für einen der im Bundesverfassungsgesetz vorgesehenen Anwendungsfälle des Zustimmungsrechtes jegliche Voraussetzung. Die Möglichkeit der Landtage wird ausgeweitet. Sie selber können beschließen, ob sie den Konsultationsmechanismus wollen oder nicht.


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Würden wir dem von Ihnen angekündigten Abstimmungsverhalten folgen, dann würden wir die Landtage um diese Möglichkeit einer eigenständigen Entscheidung bringen. Das heißt, wir würden ihnen den juristischen Boden unter den Füßen wegziehen, um sich überhaupt erst mit dem Konsultationsmechanismus beschäftigen zu können.

Nun diskutieren wir heute natürlich auch über den Konsultationsmechanismus, aber er ist nicht Gegenstand der Beschlußfassung. Er wird es sein, wenn die Vereinbarung von dazu befugten Vertretern des Bundes, der Länder, Städte- und Gemeindebund unterzeichnet wurde und dem parlamentarischen Genehmigungsverfahren zu unterziehen ist. Aber auch in diesem Fall vertrete ich die Auffassung, daß kein Zustimmungsfall vorliegen wird, weil die Vereinbarung nach 15a und in dieser Sonderform anders als ein Staatsvertrag ja nicht die Gesetzgebungshoheit der Landtage einschränkt, wie das etwa der Fall ist, wenn wir mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein Abkommen schließen, das etwa Besteuerungsfragen regelt, und die Länder dann in ihrem Bereich manches nicht mehr beschließen dürften, was sie bisher beschließen konnten.

Die Vereinbarung bedarf der Genehmigung der Landtage. Wenn ein Landtag sich in seiner Freiheit eingeschränkt fühlt oder der Auffassung ist, es wäre nachteilig für das Land, steht es jedem Landtag frei, dieser Vereinbarung nicht beizutreten. Insoweit geben wir den Landtagen den nötigen Spielraum, wenn wir diesen Vorlagen zustimmen. Wir schwingen uns nicht auf in die Rolle, über den Landtagen stehend befinden zu wollen, was gut für sie sei. Diese Rolle überlasse ich den Landtagen gerne selbst.

Es war in mehreren Ausführungen von Rednern von einem Verfassungsbruch die Rede, gemeint war vermutlich der Inhalt des Konsultationsmechanismus, also dieser Vereinbarung. Ich denke, damit muß man sich natürlich ernsthaft auseinandersetzen. Der Vorwurf des Verfassungsbruches an jene, die das beschließen, ist natürlich außerordentlich schwerwiegend, und er trifft den Kollegen Bösch genauso wie mich. Daher habe ich mir darüber durchaus Gedanken gemacht.

Was bringt dieser Konsultationsmechanismus? – Er bringt zum einen eine Verbesserung bereits bestehender Instrumentarien, das ist das Begutachtungsverfahren, das zwar bis jetzt nicht explizit verrechtlicht ist, aber doch selbst in der Bundesverfassung stillschweigend vorausgesetzt ist, jedenfalls hinsichtlich der Landesgesetzgebung. Es ist eine Verbesserung des Instrumentes der Kostendarstellungspflicht, § 14 Bundeshaushaltsgesetz, und es ist eine Verbesserung des Instrumentes der Verhandlungspflicht nach § 5 des Finanzausgleichsgesetzes, wonach der Bund mit den anderen am Finanzausgleich beteiligten Gebietskörperschaften Verhandlungen führen muß, wenn er ihre Ausgaben erhöht oder ihre Einnahmen schmälert.

Diese Verhandlungspflicht war bisher sanktionslos, sie wurde häufig wenig ernsthaft gehandhabt. Die Länder haben immer beklagt, daß das kein ausreichendes Instrument wäre. Jetzt bekommt dieses Instrument ein bißchen Zähne. Wenn diese Verhandlungen nicht geführt werden, dann trifft den Bund das Risiko, daß Kosten, über deren Tragung nicht verhandelt wurde, von ihm selbst zu übernehmen sind. Das heißt, § 5 des Finanzausgleichsgesetzes wird in seiner Wirksamkeit verbessert. Das alles spielt sich aber in dem bereits verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich vorgegebenen Rahmen ab.

Nun kann man darüber diskutieren, ob die ursprüngliche Fassung der Vereinbarung, diese Konsultationspflicht, Kostendarstellungspflicht und dergleichen mehr, die auch für parlamentarische Anträge vorgesehen war, nicht zu stark in die Eigenständigkeit des Gesetzgebers eingreifen würde, ganz abgesehen davon, daß die Vereinbarung selbst gewissermaßen augenzwinkernd für den Fall vorgesorgt hat, daß, wenn ein Parlament nicht konsultiert und nicht Kosten ausweist, dieses die Kosten selber tragen muß. Das hat dazu geführt, daß die Parlamente gesagt haben – Nationalrat, auch Diskussion im Bundesrat und in einigen Landtagen –, wir möchten aus dieser Kosultationspflicht herausgenommen werden. Es soll so wie bisher im Vorfeld der Erarbeitung von Gesetzesvorschlägen bleiben, nicht im Bereich der Gesetzgebung selbst. Diesem Wunsch wurde Rechnung getragen.


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Ich füge nur hinzu, daß durch das Herausnehmen der parlamentarischen Anträge aus dem Konsultationsmechanismus natürlich auch die Verpflichtung gefallen ist, für parlamentarische Anträge die Folgekosten auszuweisen. Das ist ein Schönheitsfehler bei der ganzen Angelegenheit, weil es, wie ich glaube, auch für den Nationalrat, für die Landtage, für den Bundesrat wichtig gewesen wäre, sich nicht von dieser Verantwortung für die Ausweisung von Folgekosten zu verabschieden. Das ist in dieser Änderung der Vereinbarung mit hinausgekommen. Das ist aber eine Regelung, die der Nationalrat in anderer Art und Weise auch treffen kann, nämlich durch eine Verbesserung der Instrumentarien der Geschäftsordnung oder des Bundeshaushaltsgesetzes.

Die Freiheit der Parlamente, Gesetze zu beschließen, ist völlig unbehindert. Das betrifft den Nationalrat, den Bundesrat wie auch die Landtage. Neu ist eine Art Änderung der Kostentragungsregel des Finanzverfassungsgesetzes, nämlich ergänzt um – volkstümlich formuliert – eine Bestimmung, wonach jeder den ihm zugewiesenen Aufwand trägt, aber wenn der Bund den Ländern oder Gemeinden Kosten verursacht, dann muß er sie tragen. Eine ähnliche Bestimmung finden wir auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Das ist an sich eine Lösungsmöglichkeit, die, wenn man sie ernst nähme, den Konsulationsmechanismus überflüssig machen würde. Wenn man in das Finanzausgleichsgesetz hineinschriebe, wenn der Bund den Ländern und Gemeinden Kosten verursacht, dann muß er sie ihnen abgelten, dann wäre das eine ganz klare Regelung, mit der auch die Bundesrepublik Deutschland, allerdings unter anderen Rahmenbedingungen der Wirksamkeit des Bundesrates, ganz offenkundig das Auslangen findet.

Was wir jetzt haben, ist ohne Frage ein Kompromiß dieser verschiedenen Überlegungen, der für die Länder und für die Gemeinden – ich kann jetzt nur das wiedergeben, was deren eigene Vertreter immer wieder sagen – ein riesiger Fortschritt ist.

Natürlich ist man versucht, zu sagen – das ist nicht das erste Mal in der Diskussion gekommen –, daß § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes mit diesem gemeinsamen Ausschuß, einer Art Vermittlungsausschuß, ein tauglicher Anknüpfungspunkt wäre. Dieser Ausschuß wird derzeit vermittelnd tätig, wenn der Bund gegen ein Landesgesetz, das Abgaben zum Gegenstand hat, Einspruch erhebt. Und dieser Ausschuß entscheidet dann letztlich darüber, ob dieser Einspruch wirksam bleibt oder ob das Landesgesetz bei einem Beharrungsbeschluß kundgemacht werden kann.

Anders herum gestrickt würde das dann heißen, die Bestimmung wird ergänzt um den Fall, daß der Bundesrat gegen ein Bundesgesetz Einspruch erhebt. Dann entscheidet dieser Vermittlungsausschuß, der paritätisch zusammengesetzt ist und bei dem die Länder letztlich aber natürlich am kürzeren Hebel sitzen, weil sie dort auch über den Bundesrat keine entsprechende Durchsetzungsmöglichkeit haben.

Ein zweiter Gesichtspunkt kommt noch dazu. Wenn man sagt, der Bundesrat ist ein Parlament, das zwar nicht direkt, sondern nur mittelbar gewählt ist und das, so wie es in anderen Staaten auch der Fall ist, die erste Kammer in gewisser Weise in anderer Zusammensetzung so quasi in Form parlamentarischer Gewaltenteilung mitkontrolliert, dann entspricht es natürlich einer unangreifbaren inneren Logik, daß das nur mit einem freien Mandat möglich ist.

Wenn man aber gleichzeitig den Ansatzpunkt verfolgen will – und § 9 Finanz-Verfassungsgesetz geht ja in diese Richtung –, daß es eine Ländervertretung sein soll, dann ist das nach meinem Empfinden bei der Ausübung von treuhänderischen Befugnissen für andere mit einem freien Mandat schlecht vereinbar. Wenn ich jemanden damit betraue, meine Interessen zu vertreten in einem Rechtsstreit, vor der Finanzverwaltung und so weiter, dann ist es doch wohl selbstverständlich, daß es kein freies Mandat des Rechtsanwalts, des Notars oder des Steuerberaters geben kann. Wir würden auch in finanziellen Angelegenheiten in gewisser Weise als Treuhänder der Landtage, der Länder auftreten, um an ihrer Stelle zu tun, was sie sonst selbst tun, und das setzt ja wohl völlige Willensübereinstimmung voraus.


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Das ist der Schwachpunkt des Ansatzes mit § 9 Finanz-Verfassungsgesetz: daß es keinen Konsens über die Funktion des Bundesrates in dieser Ausprägung, natürlich auch keinen Konsens über ein freies oder gebundenes Mandat gibt, und daher ist dieser Ansatzpunkt für die Länder kein gangbarer Weg gewesen. Das verstehe ich.

Ich sehe im Zusammenhang mit dem Konsultationsmechanismus auch keine Diskussion, bei der es um die Alternative geht: hie Konsultationsmechanismus – hie Bundesrat, in dem Sinne, daß sich beides ausschließt. Ich denke, daß das durchaus eine befruchtende Ergänzung sein kann. Die Länder haben künftig die Möglichkeit, im Begutachtungsverfahren in besserer Form als bisher Einfluß zu nehmen, Bedenken zu artikulieren. Es ist auch unsere Aufgabe, zu beurteilen, was wir damit machen, wenn der Nationalrat diese Bedenken nicht entsprechend gewürdigt hat.

Wir haben auch, wenn es der Nationalrat endlich beschließt, die Möglichkeit, bereits vorab zu Gesetzentwürfen Stellung zu nehmen. Das halte ich für außerordentlich wichtig. Gerade unter den Rahmenbedingungen des Konsultationsmechanismus wird dem eine große Bedeutung zukommen. Ich sehe also beim besten Willen keine Einschränkung des Parlamentarismus, sondern viele Ansatzpunkte für eine Intensivierung. Wenn wir es nicht selbst tun, wird uns auch künftig niemand daran hindern, die Interessen der Länder zu vertreten. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.43

Präsident Ludwig Bieringer: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm dieses.

13.43

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Vorsitzender! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wir stellen einen Antrag auf Rückverweisung. Wir meinen, daß gemäß Artikel 44 Abs. 2 der Bundesverfassung dies eine sogenannte Zustimmungsmaterie ist, und gehen davon aus, daß diese nicht ordnungsgemäß im Ausschuß behandelt worden ist.

Auch wenn mein Vorredner, der hochverehrte Herr Bundesrat Weiss, die vielen positiven Aspekte dieser Materie erwähnt und gemeint hat, daß alles in Ordnung ist, und uns mit großer juristischer Fachkenntnis erläutert hat, wie positiv und wie ordnungsgemäß dieses Gesetz zustande gekommen ist, stehen wir auf dem Standpunkt, daß dem nicht so ist. Wir werden daher auch eine verfassungsrechtliche Prüfung verlangen.

Gute Frucht kann nur über guter Wurzel gedeihen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Wenn daher ein Gesetz mit noch so guten Absichten und mit vermeintlich so guten Auswirkungen für die Betroffenen nicht verfassungsgemäß, nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, so ist man jedenfalls berechtigt, Zweifel Ausdruck zu verleihen, was ich hiermit mache – um eine gute Wurzel zu schaffen, damit eine gute Frucht getragen wird. So oft wird ja kein Gesetz im Sinne eines Konsultationsmechanismus und der Ermächtigung für Länder und Städte und Gemeinden geschaffen. Wir murksen schon jahrelang daran herum – ein Grund mehr, daß hier guter Samen und gute Wurzel vorhanden sind, um eine gute Frucht zu erhalten. (Bundesrat Schöls: Sie wollten doch dem Bösch die Chance geben, daß er mich umstimmt! Sie bringen ihn um die einmalige Chance!) So ist es. Wir nehmen die Chance nicht wahr, es zu machen. (Bundesrat Schöls: Das wird man Ihnen nicht danken in Ihrer Fraktion!)

Viel Gescheites und viel Richtiges haben die beiden Landeshauptleute gesagt. Sehr schwärmerisch ist der Herr Bundeskanzler hier vorgegangen, indem er die Vorteile der EU ... (Bundesrat Prähauser: Nicht schwärmerisch, sehr konkret!)

Lassen Sie mir doch das "schwärmerisch"! Er hat doch mit so viel Elan, mit so viel Begeisterung die Vorzüge der EU in bezug auf die Gesetzgebung, in bezug auf eine bessere Koordinierung in der Wirtschaft und Sozialgesetzgebung sowie Außenpolitik und Sicherheitspolitik erwähnt. Der Herr Bundeskanzler hat ja hier eigentlich fast eine verspätete Pro-EU-Rede gehalten. Wir sind ohnedies nichts anderes gewöhnt, und der Herr Bundeskanzler hat ja durchaus recht: Nachdem der Bundesregierung beziehungsweise der Republik schon fast 70 Prozent der Kompetenzen


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nach Brüssel abgetragen worden sind, kann man das als Bundeskanzler ja nur belobigen. Er hat jetzt weniger zu tun damit, meine Damen und Herren. Das ist der Vorteil! Er hat weniger zu tun, und die Länder sollen mehr Arbeit bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn der Herr Bundeskanzler und Sie der Meinung sind, daß das so schön ist, dann reden wir doch nicht immer nur von Bund, Ländern und Gemeinden. Wir müssen in unsere Überlegungen auch die Brüsseler Verwaltung und die dortige Gesetzgebung einbeziehen. Das fließt viel zu wenig ein. Und Sie werden sehen, es wird nicht lange dauern, dann wird es die Bundesländer geben, es wird eine Brüsseler Zentralverwaltung geben, aber die Bundesregierung wird eigentlich nur als Potemkinsches Dorf übrigbleiben. Sie ist dann eine Kulisse, hinter der sich nichts mehr abspielt. Diesen Punkt bitte ich Sie, auch zu bedenken: Hier geht es um die Republik Österreich, nicht nur um die Interessen der Länder!

Wenn nun der Herr Landeshauptmann von Vorarlberg sehr richtig Zweifel hegt, ob überhaupt eine Bundesstaatsreform stattfinden soll, und meint, daß das Vertrauen verlorengeht, dann ist ihm zuzustimmen. Genauso ist ihm zuzustimmen, wenn er mehr Mitwirkungsrechte und auch eine Gerichtsbarkeit der Länder fordert. Ähnlich spricht auch sein Kollege aus Salzburg. Er beklagt das mangelnde Tempo der Reform, er fordert auch die Landesverwaltungsgerichtsbarkeit. Und daß die Länder nicht um jeden Preis eine Bundesstaatsreform wollen, hat der Landeshauptmann von Salzburg ebenfalls gesagt.

Das sind interessante Einschränkungen. Wenn die Landeshauptleute es ganz ehrlich meinen mit einer Bundesstaatsreform, dann sollen sie auch Steuerhoheit für die Länder verlangen. Denn man kann nicht verlangen, daß der Bund die Steuern eintreibt, den "Pfui-Teufel" im Fall des Falles abgibt, und Landeshauptleute wie Feschaks dastehen und sagen: Na, wir haben das ja nicht gewollt, schimpft auf den Bund!, und dann möglicherweise hervorragende oder weniger hervorragende Wahlergebnisse bekommen.

Wenn schon eine Bundesstaatsreform, dann muß auch eine Steuerschöpfung bei den Ländern möglich sein. Das ist auch ein Schutz für den Herrn Bundeskanzler. Er könnte sagen: Herr Landeshauptmann, ihr habt das so gewollt. (Staatssekretär Dr. Wittmann: Der Bundeskanzler braucht keinen Schutz!) Der Bundeskanzler hat ohnehin nicht so gute Wahlergebnisse. Er könnte einmal ein bißchen Unpopularität an die Länder abgeben, Herr Staatssekretär.

Noch etwas. Herr Kollege Konečny hat gemeint, ein Bundesrat ist doch keine Aktiengesellschaft, in dem neun Partner, neun Aktiengesellschaften, also neun Partner ... (Bundes


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rat Konečny: Aktionäre heißt das!) Bitte? (Bundesrat Konečny: Aktionäre heißt das!) Aktionäre, meinen Sie? (Bundesrat Konečny: Habe ich gesagt!) Haben Sie "Aktionär" gesagt, Herr Konečny? – Er hat "Aktionär" gesagt! Sehen Sie, der Herr Kollege Konečny hat "Aktionär" gesagt. Das ist erfreulich.

Wir sind Aktionäre (Bundesrat Konečny: Ja, wir nicht!)  – oder nicht, er will es gar nicht mehr wissen, denn vor einiger Zeit hat er hier noch gesagt: Wir sind Partner der Bundesregierung.

Da ist es mir schon fast lieber, wir sind neun Aktionäre als ein Partner der Bundesregierung, Herr Kollege Konečny! Sie haben das gesagt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Das wollen wir nicht, habe ich gesagt!)

Also bitte, Sie haben damals gesagt, Sie sind ein Partner der Bundesregierung. (Bundesrat Konečny: Das will ich!) Aber das ist ja doch noch viel ärger! (Bundesrat Schöls: Aber nur dann, wenn ihr in der Regierung seid, dann ist es gefährlich!) Ein Partner der Bundesregierung? Mir sind da neun Aktionäre lieber. (Anhaltende Zwischenrufe.)

Präsident Ludwig Bieringer: Meine Damen und Herren! Am Wort ist Herr Bundesrat Gudenus. Ich bitte, den Redner ausreden zu lassen! – Bitte. (Bundesrat Konečny: Wenn er nur ausreden würde!)

Bundesrat Mag. John Gudenus (fortsetzend): Aber ich finde es sehr angenehm, daß Herr Kollege Konečny jetzt zugibt, daß ihm ein Partner der Bundesregierung lieber ist als neun Partner, sprich: Aktionäre der Bundesregierung. Ein bisserl Diversifikation wäre doch gut! (Bundesrat Konečny: Man muß auch verstehen, was man zitiert!) Also, wollen Sie lieber Aktionär sein oder Partner? (Bundesrat Konečny: Ich bin ein Partner, auch ein neunfacher, Herr Kollege! Sie haben mir nur wie immer nicht zugehört! Das ist Ihr gutes Recht, aber dann zitieren Sie mich nicht!)

Schauen Sie, Sie sollen nicht Partner der Bundesregierung sein, Sie sollen Partner Ihrer Bevölkerung sein, die Sie zu vertreten haben, Herr Kollege! (Bundesrat Konečny: Das habe ich gesagt!) Dann brauchen Sie kein Aktionär zu sein – das sind Sie vielleicht im Privaten. Werden Sie Partner der Bevölkerung! Wir Freiheitliche sind Partner der Bevölkerung und bauen darauf unsere Erfolge. Sie sind Aktionär! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Linzer: Bitte mehr Niveau!) Wer tief sitzt, braucht sich um sein Niveau nicht zu sorgen, Herr Kollege! (Bundesrat Konečny: Aber wer hoch steht, hat es deshalb noch lange nicht!)

Meine Damen und Herren! Diese Materie weisen wir daher zurück. Wir wollen eine Neuverhandlung, und wir bitten Sie, unsere Vorstellungen, die Vorstellungen der Freiheitlichen zur Reform des Bundesrates, einzubeziehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.52

Präsident Ludwig Bieringer: Die Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen haben gemäß § 51 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates beantragt, diesen Punkt der Tagesordnung zu vertagen und zur weiteren Behandlung an den Ausschuß für Verfassung und Föderalismus zurückzuweisen. Die Abstimmung findet am Schluß der Debatte statt.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen, diesen Punkt der Tagesordnung zu vertagen und an den Ausschuß für Verfassung und Föderalismus zurückzuverweisen.

Ich bitte jene Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenminderheit.

Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Aufnahme von Bestimmungen über die Stärkung des Bundesrates in die Regierungsvorlage über die Strukturreform des Bundes vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Dieser Entschließungsantrag ist daher abgelehnt. (Bundesrat Mag. Gudenus: Da waren sehr bewegliche Hände!)


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Herr Kollege Gudenus! Gibt es irgend etwas? Es haben sich, wenn Sie genau geschaut haben, vier Bundesräte geirrt, haben aufgezeigt und dann sofort wieder zurückgezogen. Selbst wenn ich diese vier Bundesräte dazuzählen würde, wäre es immer noch die Stimmenminderheit. Ich stelle daher ausdrücklich fest, daß Ihr Entschließungsantrag abgelehnt wurde.

5. Punkt

Bericht über die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes im Jahre 1996 (III-175/BR sowie 5653/BR der Beilagen)

6. Punkt

Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes über das Jahr 1996 (III-174/BR sowie 5654/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zu Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies: Bericht über die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes im Jahre 1996 und Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes über das Jahr 1996.

Ich darf dazu den Herrn Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes Dr. Ludwig Adamovich und den Herrn Vizepräsidenten Dr. Karl Piska sehr herzlich in unserer Mitte begrüßen. Ich bitte beide Herren, auf der Regierungsbank Platz zu nehmen. (Allgemeiner Beifall.)

Die Berichterstattung über die Punkte 5 und 6 hat Herr Bundesrat Alfred Schöls übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Alfred Schöls: Nicht Mucha, sondern Gudenus was here! – Herr Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Meine Herren Präsidenten! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf über die Tagesordnungspunkte 5 und 6 berichten.

Die Berichte liegen schriftlich vor. Ich verzichte daher auf die Verlesung der Berichte und darf im Namen des Ausschusses sowohl für den Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 1996 – Tagesordnungspunkt 5 – als auch für den Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 1996 – Tagesordnungspunkt 6 – unserer heutigen Tagesordnung berichten, daß der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus nach Beratung der Vorlage am 15. April 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag stellt, beide Berichte zur Kenntnis zu nehmen.

Herr Präsident! Ich darf bitten, die Debatte zu eröffnen und die Abstimmung über die beiden Berichte durchzuführen.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich bedanke mich für die Berichterstattung und darf den Herrn Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Pesendorfer ebenfalls sehr herzlich in unserer Mitte begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. – Bitte.

13.58

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Herren Präsidenten! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Die Tätigkeitsberichte beider Höchstgerichte des öffentlichen Rechts, sowohl der des Verfassungsgerichtshofes als auch der des Verwaltungsgerichtshofes für das Geschäftsjahr 1996, sind wie gewohnt sorgfältig und professionell erstellt. Sie bieten einen hervorragenden Überblick über die aktuelle Situation, in der sich die beiden Gerichtshöfe befinden. Es ist dies eine leider äußerst alarmierende Situation, die in der völligen Überlastung der Höchstrichter


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zum Ausdruck kommt und sich wiederum zwangsläufig in einem korrespondierenden Rechtschutzdefizit des rechtsuchenden Bürgers niederschlägt.

Es versteht sich doch von selbst, daß eine überlange Erledigungsdauer zuletzt auch die materielle Gerechtigkeit verletzt. Zumindest trägt die zu spät kommende Entscheidung, ungeachtet ihrer sachlichen Richtigkeit, dem aktuellen Leben in seiner fortschreitenden Dynamik nicht mehr Rechnung.

Den Verfassern der vorliegenden Tätigkeitsberichte war der Ernst der Lage voll bewußt, der zunehmend in eine Krise des Rechtsstaates und seiner Legitimation einmünden kann und wird.

Die in Gesetzgebung und Verwaltung verantwortlichen Entscheidungsträger, ressortmäßig an erster Stelle der Bundeskanzler, waren dessen ungeachtet bis heute nicht imstande oder nicht willens, diese eminente Gefahr für den Rechtsstaat abzuwenden, das heißt, die untragbaren Rahmenbedingungen der Höchstgerichte soweit zu verbessern, daß deren Funktionsfähigkeit wiederhergestellt wird. Da diese Tätigkeitsberichte – und nicht erst die für das Jahr 1996 vorgelegten – seit etlichen Jahren geradezu als Alarmsignal zu werten sind, als Appell an die politisch Verantwortlichen, die dringend gebotene Abhilfe zu schaffen, und der Ruf bis heute ungehört verhallt ist, werden wir sie nicht zur Kenntnis nehmen.

Das bedeutet keinerlei Kritik an den Verfassern der Berichte, sondern es ist dies vielmehr der einzige uns mögliche Schritt, um auf die Unhaltbarkeit der Lage aufmerksam zu machen und eben dadurch die Höchstgerichte und ihre Sorgen ernstzunehmen.

Ich wende mich nunmehr den Berichten im einzelnen zu. Lassen Sie mich mit jenem des Verfassungsgerichtshofes beginnen.

Im Berichtsjahr wurden an den Verfassungsgerichtshof 4 772 neue Fälle sowie eine 11 122 Beschwerden umfassende Serie zur Mindestkörperschaftsteuer herangetragen. Insofern handelte es sich um die größte Belastung, der der Gerichtshof seit seinem Bestehen ausgesetzt war. 4 714 Fälle aus früheren Jahren und dem Geschäftsjahr 1996 selbst konnten im gleichen Zeitraum erledigt werden. Zum Ende des Berichtsjahres ergab sich ein Stand von insgesamt 13 182 offenen Fällen.

Gewiß läßt sich dieser an sich vernichtende Befund unter Hinweis auf die soeben erwähnten Parallelbeschwerden in Sachen Mindestkörperschaftsteuer deutlich relativieren. Das vermag aber in keiner Weise zu beruhigen, denn auch Rückstände von über 2 000 echten Fällen, die teilweise mehrere Jahre zurückreichen, lassen sich unter den gegebenen Umständen nicht aufarbeiten, sind doch 1996 mehr neue Beschwerden angefallen, als alte erledigt werden konnten.

Die zunächst acht und ab April neun ständigen Referenten bereiteten im Jahresdurchschnitt je rund 523 Fälle vor. Das sind – man stelle sich das vor! – zirka 10 Fälle pro Woche. Die fünf ständigen Referenten, die überwiegend mit Fällen aus dem Fremdenrecht im weiteren Sinne befaßt waren, waren sogar noch erheblich stärker belastet. Zugleich liegt in diesen 523 Fällen pro Jahr ohnehin schon eine erhebliche Steigerung der Arbeitseffizienz der Referenten, vergleicht man sie mit der Zahl von 238 bearbeiteten Fällen noch im Jahre 1987. Nach meiner Überzeugung ist damit die Entscheidungskapazität aller Referenten und damit auch des gesamten Gerichtshofs an ihre Grenzen gelangt.

Wäre eine entsprechend Vermehrung der Richterplanstellen ein gangbarer Ausweg? – Ich bezweifle das entschieden, und das nicht etwa primär mangels budgetärer Bedeckbarkeit. Meines Erachtens würde damit nämlich das strukturelle Problem der Überlastung einer Institution, die an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen ist, nicht wirklich gelöst. Dabei vernachlässige ich noch den internationalen Vergleich, in dem Österreichs Höchstgerichte – gemessen an der Bevölkerungszahl – ohnehin die meisten Richterstellen aufweist, ebenso lasse ich auch die Frage außer acht, ob ein kleines Land tatsächlich über eine so große Zahl von Spitzenjuristen und zugleich Persönlichkeiten verfügt, die das Anforderungsprofil von Höchstrichtern erfüllen.


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Als weitere Alternative könnte auch daran gedacht werden, die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs zu Vollrichtern zu machen, die Konzentration der Entscheidungstätigkeit auf vier Sessionen also aufzugeben. Eine ähnliche Entwicklung hat sich jüngst beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vollzogen, der in einen ständigen Gerichtshof umgestaltet wurde.

Das damit verbundene Problem sehe ich aber darin, daß dann wohl die bisher bewährte Streuung in der beruflichen Herkunft der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes verlorenginge. Müßte man diesem nämlich als Vollrichter angehören, würden sich wohl kaum noch hochqualifizierte Repräsentanten aus der Anwaltschaft, vielleicht auch nicht einmal mehr aus hohen Rängen der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder aus den Universitäten als Bewerber gewinnen lassen.

Was aber die in bezug auf die Verfassung vorgesehenen Mitarbeiter und das Personal insgesamt anlangt, wurde der Verfassungsgerichtshof bei der Besetzung von Planstellen und bei anderen personalpolitischen Maßnahmen immer wieder mit restriktiven Vorgaben der Bundesregierung oder der zuständigen Bundesminister konfrontiert – dies ungeachtet der ohnehin äußerst bescheidenen Personalwünsche des überlasteten Gerichtshofes. Mit Recht sieht er darin eine Gefährdung seiner Kontrollaufgaben.

Dazu heißt es im Bericht zutreffend: Wollte man dem Verfassungsgerichtshof die Realisierung budgetpolitischer Ziele zur absolut bindenden Pflicht machen, so hätte dies zur Konsequenz, daß er auch seine Rechtsprechung daran zu orientieren hätte. Daß dies nicht im Sinne der Verfassungsgerichtsbarkeit sein kann, liegt auf der Hand. – Ende des Zitats.

Soll dies auch in Zeiten gesichert sein, in denen die Budgetkonsolidierung eine wichtige Staatsaufgabe bildet, so muß der Verfassungsgerichtshof auch in solchen Zeiten über die nötigen personellen und sachlichen Ausstattungen verfügen. Wird ihm diese verweigert, bedeutet das eine Gefährdung seiner Handlungsfähigkeit.

Meine Damen und Herren! Gewiß erkennen Sie alle die Dramatik und Sprengkraft der Entwicklung eines Rechtsstaates, die sich – bei aller Nüchternheit amtlicher Diktion – in diesem Hinweis verbirgt.

Zur Personalpolitik des Verfassungsgerichtshofes sei im Hinblick auf die aktuelle Frage der Frauenförderung anerkennend hervorgehoben, daß dort nicht nur die Zahl der weiblichen Bediensteten mehr als zwei Drittel der Gesamtzahl ausmacht, sondern auch mehr als die Hälfte der Bediensteten der Verwendungs- beziehungsweise Entlohnungsgruppe A/lit. a weiblich ist, darunter auch die Generalsekretärin und ihre Stellvertreterin.

Den rechtsuchenden Bürger interessiert indes anderes, und zwar die Qualität des vom Verfassungsgerichtshof gewährleisteten Rechtsschutzes. Um noch einmal auf die Dauer der Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zurückzukommen: Sosehr ich es aufgrund der geschilderten Arbeitsbedingungen verstehe, wenn es der Gerichtshof als Erfolg betrachtet, daß es ihm erneut gelungen ist, die durchschnittliche Anhängigkeitsdauer eines Falles etwa auf dem Niveau der Vorjahre zu halten, so wenig darf dabei verschwiegen werden, daß von den 2 002 zu Beginn des Jahres 1996 noch offenen Fällen 1 716 Rechtssachen Beschwerden nach Artikel 144 B-VG betrafen; das sind gerade jene Beschwerden, die von Bürgern gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden erhoben worden sind, weil sie diese ihrer Meinung nach in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt hatten. Hinzu kommt noch, daß solche Beschwerden erst nach Ausschöpfung des oft mehrstufigen administrativen Instanzenzuges zulässig sind. Die Gesamtdauer einer solchen Prozedur, die dem Bürger zu seinem Recht verhelfen soll, bedarf dann keiner weiteren Erörterung.

Auch am Ende des Berichtsjahres betrafen von insgesamt 2 060 unerledigten Fällen 1 790 Causen solche Beschwerden nach Artikel 144 B-VG.

Positiv ist hervorzuheben, daß der Verfassungsgerichtshof nicht nur die Kontakte mit bereits etablierten vergleichbaren Institutionen pflegt, sondern auch neu eingerichtete Verfassungsgerichte, insbesondere in den ost- und südosteuropäischen Reformstaaten, mit seinen Erfahrungen unterstützt.


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Besonderes Interesse von seiten des Gesetzgebers wie auch der Verwaltung sollte stets den sogenannten Wahrnehmungen des Verfassungsgerichtshofes entgegengebracht werden. Wie schon aus Anlaß der letzten Berichte der Volksanwaltschaft muß allerdings auch in diesem Zusammenhang konstatiert werden, daß diese zumeist höchst wertvollen Erfahrungen der genannten Organe aus ihrer Praxis zumeist ungehört verhallen und folgenlos bleiben.

Zwei Punkte fallen gerade deshalb aufgrund ihrer besonderen Aktualität ins Auge. Zum einen weist der Bericht – beileibe nicht erstmals – auf das längst bekannte Rechtsschutzdefizit der österreichischen Verfassungsgerichtsbarkeit hin, nämlich darauf, daß der Verfassungsgerichtshof nach geltendem Recht im Gegensatz zu den ordentlichen Gerichten und zu ausländischen Verfassungsgerichten, insbesondere dem deutschen Bundesverfassungsgericht, zu keinen Maßnahmen einstweiligen Rechtsschutzes ermächtigt ist, kennen wir doch in dieser Richtung lediglich das Institut der Gewährung aufschiebender Wirkung im Verfahren nach Artikel 144 B-VG.

Das war schon im innerstaatlichen Bereich eine gravierende Lücke effektiver Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Aus der Sicht meiner Fraktion durchaus bedauerlich, in der Sache aber berechtigt, unternimmt der Bericht einen neuen Vorstoß, den Gesetzgeber zur Schließung dieser Lücke zu bewegen, und zwar mit dem Verweis darauf, daß für Österreich verbindliche Regelungen des EU-Rechts die Erlassung einstweiliger Verfügungen erforderlich machen können und dies dazu führen könnte, daß der Verfassungsgerichtshof dazu verhalten wäre, solch einstweilige Verfügungen ohne Grundlage im österreichischen Recht in unmittelbarer Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu erlassen.

Zum anderen spricht der Bericht das in letzter Zeit virulent gewordene Problem der sogenannten Massenverfahren an. Die bereits vorhin erwähnten 11 122 Beschwerden, mit denen Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheide bekämpft wurden, waren zu 98 Prozent wortgleich und beruhten offensichtlich auf einer einzigen Musterbeschwerde. Nicht grundlos wird daher im Bericht die Befürchtung geäußert, daß dieses in dieser Angelegenheit erstmals erprobte Instrument auch in künftigen Fällen eingesetzt werden könnte, und das ist mit der Gefahr verbunden, den Gerichtshof lahmzulegen.

In diesem Zusammenhang schlägt daher der Verfassungsgerichtshof legistische Maßnahmen in der Richtung vor, die schon bisher bestehenden Rechtsinstitute auszubauen, wie die Aussetzung von Parallelverfahren in gleichartigen Fällen und die Gestaltungsmöglichkeiten in bezug auf die sogenannte Anlaßfallwirkung.

Im folgenden wende ich mich dem Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes zu. Mein eingangs übergreifend für beide Gerichtshöfe dargelegter Krisenbefund wird in bezug auf den Verwaltungsgerichtshof in noch drastischerer Form bestätigt, heißt es im Bericht doch einleitend: Das abgelaufene Jahr reihte sich würdig an das Katastrophenjahr 1995 an. Weiterhin sind effiziente Maßnahmen zu einer langfristigen Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht in Sicht.

Die in den Tätigkeitsberichten der letzten Jahre erhobenen Warnungen des Gerichtshofes haben sich bewahrheitet. 1996 schlug der seit Jahren weit überhöhte Anfall mit einem weiteren rapiden Ansteigen der Zahl der offenen Beschwerdeakten auf über 13 000 voll zu Buche. Diese Entwicklung, nämlich daß pro Monat etwa 400 Akten mehr anfallen, als erledigt werden können, weshalb der Berg der unerledigten Akten auch künftig pro Jahr um 4 000 bis 5 000 wachsen wird, zeigte auch im Jahre 1997 keine Umkehr.

Weiter wird im Bericht betont: Die derzeitige Situation kommt bereits einem Notstand gleich, worüber mittlerweile auch die Öffentlichkeit informiert ist. Jede Abhilfe müßte daher darauf abzielen, daß beim Verwaltungsgerichtshof nicht mehr als zirka 3 000 Beschwerden pro Jahr neu anfallen, die mit Erkenntnissen im Senat erledigt werden müssen.

Eine solche Reform wäre allein durch die Schaffung einer ersten verwaltungsgerichtlichen Instanz anstelle der zweiten Verwaltungsinstanz erreichbar – sei es durch eine umfassende Erweiterung der Zuständigkeiten der Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern, sei es


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durch regionale Verwaltungsgerichte des Bundes oder am besten durch Landesverwaltungsgerichte.

Die zuletzt genannte Lösung war stets – wir haben das heute wieder mehrfach gehört – eine zentrale Forderung im Zusammenhang mit der sogenannten Bundesstaatsreform. Umso bedauerlicher ist es, wenn derzeit gerade die Bundesländer keine echte Initiative zur Einrichtung solcher Landesverwaltungsgerichte entfalten. Ob das daran liegt, daß die Exekutivorgane der Länder, insbesondere Landeshauptleute und Landesregierungen, befürchten, durch eine allzu effektive Rechtskontrolle eine Beschneidung ihrer politischen Macht hinnehmen zu müssen, oder ob sie lediglich – wie heute ausgesprochen – die Finanzierung dieser Gerichtshöfe aus den Landeshaushalten nicht für gesichert erachten, mag dahingestellt bleiben.

Gewiß läge es insofern auch am Bund, sich zunächst in jenem Ausmaß an den Kosten der neu einzurichtenden und zu erhaltenden Landesverwaltungsgerichte zu beteiligen, als er selbst durch eine entsprechende Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes an Kosten einsparte. Der Rechtszug von den Verwaltungsgerichten erster Instanz an den Verwaltungsgerichtshof in Wien wäre dann nur noch zur Klärung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung und zur Wahrung einer bundeseinheitlichen Rechtsprechung zu eröffnen.

Eine entsprechende Befugnis des Gerichtshofes, die Annahme sonstiger Beschwerden, bei denen diese Voraussetzungen nicht zutreffen, abzulehnen, brächte ihm die dringend gebotene Entlastung.

Signifikant für das bereits angedeutete Entlastungspotential erscheint die prozentuelle Verteilung der gegenwärtigen Erledigungsarten. 43 Prozent Formalentscheidungen und 37 Prozent Abweisungen der Beschwerden als unbegründet standen nur 20 Prozent Aufhebungen des angefochtenen Bescheides gegenüber; also 1 780 Fälle von insgesamt 8 903 Erledigungen.

Zur Illustration aber zurück zu den Anfallszahlen. Im Berichtsjahr fielen 12 790 Beschwerden an – gegenüber 1995 eine weitere Steigerung um zirka 15 Prozent, bei den 6 303 Anträgen auf Gewährung von aufschiebender Wirkung eine solche um 42 Prozent. 8 903 Beschwerden wurden im selben Zeitraum erledigt, somit um zirka 14 Prozent mehr als im vorangegangenen Geschäftsjahr; ebenso 6 317 Anträge auf Gewährung von aufschiebender Wirkung, das waren um 76 Prozent mehr als im Vorjahr.

So beachtlich diese Steigerung der Erledigung auch ist, vermag sie doch an folgender trister Bilanz nichts zu ändern: Zu Beginn 1996 waren aus den Jahren von vor 1992 einschließlich 1992 noch 230 Fälle, aus dem Jahr 1993 621 Fälle und aus dem Jahr 1994 1 476 Fälle nicht abgeschlossen. Somit waren 2 327 oder 24 Prozent der damals offenen Beschwerdefälle länger als ein Jahr anhängig. Ferner blieben am Ende des Berichtsjahres 13 638 anhängige Beschwerden und 1 464 Anträge auf Zuerkennung von aufschiebender Wirkung unerledigt. Bei den Beschwerdesachen bedeutete dies gegenüber 1985 eine Erhöhung um 40 Prozent. Im Ergebnis hatte sich die Zahl der anhängigen Rechtssachen somit innerhalb von zwei Jahren von 6 442 auf 13 638 mehr als verdoppelt. Zudem lag die Gesamtzahl der Ende 1996 länger als ein Jahr anhängigen Beschwerden bei 4 642, was 34 Prozent aller anhängigen Fälle entspricht. Demnach hat die ständige Überlastung eine drastische Erhöhung der Rückstände bewirkt, was sich in der entsprechenden Verlängerung der Verfahrensdauer ausdrückt.

Bemerkenswert ist auch die Proportion zwischen dem Beschwerdeanfall von 266 pro Berichter, gegenüber 232 im Vorjahr, und der Erledigungszahl von 185 pro Berichter. Daraus erklärt sich, daß bereits 1995 im Durchschnitt 324 Fälle pro Monat zusätzlich unerledigt blieben. Für 1997 wurde daher mit einem Anwachsen der Rückstände auf zirka 16 500 Rechtssachen gerechnet. Gegenüber dem Jahr 1988 hat sich diese Zahl damit bereits vervierfacht.

Nach all dem kann folgende Einsicht, die im Bericht aufscheint, nicht länger verwundern: Die Einhaltung der sich aus Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die zulässige Dauer der Beschwerdeverfahren kann bei Fortdauer der derzeitigen Situation nicht mehr in allen Fällen gewährleistet werden.


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Dergleichen spricht folgendes Resümee für sich: Der Verwaltungsgerichtshof wäre bei derzeitigem Personalstand auch ohne einen einzigen neuen Beschwerdefall mit der Aufarbeitung der derzeit unerledigten Beschwerdefälle rund drei Jahre beschäftigt. Zudem beträgt die Arbeitsbelastung der Richter des Verwaltungsgerichtshofes seit Jahren das Doppelte, mittlerweile bereits das Drei- bis Vierfache des international üblichen Ausmaßes, denn der Neuanfall hat sich gegenüber der Mitte der achtziger Jahre mehr als verdreifacht, während die Zahl der Berichter im gleichen Zeitraum nur um 20 Prozent vermehrt worden ist. Die individuelle Belastung der Richter des Gerichtshofes beträgt heute bereits das Vierfache jener der beim deutschen Bundesverwaltungsgericht oder Bundesfinanzhof Tätigen.

Bei der Durchschnittsleistung der letzten zehn Jahre von 120 Akten pro Jahr hätte der Gerichtshof, um 1996 rückstandsfrei zu arbeiten, über 106 Hofräte – statt in Wirklichkeit 48 – und die entsprechende Zahl von Senatspräsidenten sowie das entsprechende nichtrichterliche Personal verfügen müssen. Seit 1995 fallen um zirka 30 Prozent mehr Akten an, als erledigt werden können, sodaß jährlich eine Menge in der Größenordnung eines früher üblichen Jahresanfalls in die Zahl der unerledigten Fälle eingeht. So sind im ersten Quartal des Jahres 1997 pro Monat um 250 Akten mehr eingelangt, als erledigt werden konnten. Nach einer linearen Hochrechnung würden bei Fortdauer dieser Tendenz Ende 1998 bereits 20 000 Beschwerden anhängig sein.

Gewiß ist einzuräumen, daß im Berichtsjahr 60,3 Prozent des Neuanfalls dem Fremdenrecht im weitesten Sinne zuzurechnen waren. Der inzwischen geschaffene Bundesasylsenat wird in diesem Bereich zweifellos eine gewisse Filterfunktion erfüllen, die den Verwaltungsgerichtshof spürbar entlasten kann. Dennoch weist jener Senat des Verwaltungsgerichtshofes, dem die Beschwerdefälle zum Aufenthaltsgesetz allein zugewiesen worden sind, um den Zusammenbruch der übrigen Senate zu verhindern, bereits einen Rückstand von 4 100 Akten auf. Die Bearbeitung würde zirka drei Jahre dauern, wenn der betreffende Senat von jedem Neuanfall freigestellt würde.

Aber auch in bezug auf den Gerichtshof insgesamt steht es nicht besser. Selbst unter der optimistischen Annahme, daß nach einer Reform jedes Jahr 3 000 neue Fälle und 2 000 Altfälle erledigt werden könnten, bedürfte der derzeitige Rückstand bereits einer Aufarbeitungszeit von sieben Jahren. Bei einer erst Anfang 1999 einsetzenden Reform würde sich dieser Zeitraum auf zehn Jahre verlängern.

Wie bereits ausgeführt, kann die Abhilfe – das heißt, die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichtshofs – nicht mittels einer ohnehin nicht finanzierbaren schrankenlosen Vermehrung der richterlichen Planstellen, sondern nur durch eine drastische Verringerung des Geschäftsanfalls erreicht werden. Andernfalls riskiert die Republik das Eintreten eines Stillstands der Rechtspflege. Von der Rückwirkung eines solchen rechtsstaatlich unhaltbaren Zustandes auf die Motivation der Richter, die Qualität der Entscheidungen und auf die durch die faktische Rechtsschutzverweigerung bedingten Legitimationsverluste des Staates aus der Sicht des Bürgers will ich gar nicht erst reden.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich das bedrückende Faktenmaterial beider Tätigkeitsberichte und die daraus abzuleitenden Schlußfolgerungen folgendermaßen zusammenfassen:

Die permanente Überlastung der beiden Höchstgerichte des öffentlichen Rechts, die bereits notorisch und sowohl für die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates als auch für das rechtsuchende Publikum zur elementaren Frage geworden ist, wird in den letzten Jahren in jedem Tätigkeitsbericht, und zwar von Mal zu Mal deutlicher, drängender, ja fast schon in dramatischer Form beklagt.

Die Regierung und die sie tragende parlamentarische Mehrheit bleiben davon offensichtlich unberührt, lassen sie doch keine ernsthafte Anstrengung erkennen, diese drohende Gefahr für den schleichenden Zerfall des Rechtsstaates abzuwenden – eine Gefahr, die aus dem faktischen Abbau der Kontrollfunktion resultiert, die unsere Höchstgerichte aufgrund ihrer völlig unzulänglichen Ausstattung und ihrer untragbaren Arbeitsbelastung nicht mehr ausreichend garantieren können.


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Neuerlich zitiere ich hiezu wie folgt aus dem Bericht: Gerade deshalb muß aber raschest gehandelt werden, da infolge der seit dem ersten Alarmzeichen tatenlos verstrichenen Zeit nicht mehr sehr viel Zeit bleibt, um den Verfallprozeß noch umkehren zu können. – Ende des Zitats.

Dieses bedrückende Resümee veranlaßt mich, die Abgeordneten der Regierungsparteien nochmals nachdrücklich aufzurufen, gemeinsam mit uns für jene unerläßlichen institutionellen Rahmenbedingungen einzutreten, die erst wieder eine funktionsfähige Rechtsprechung der Höchstgerichte ermöglicht. Das sind wir alle dem Bürger schuldig, der einen grundrechtlich gesicherten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz hat. Nicht zuletzt versucht der Bericht, zutreffend ins Bewußtsein der Verantwortlichen zu heben, daß ein Nichtfunktionieren des Rechtsstaates ungleich mehr Folgekosten verursachen würde, als durch die Einrichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz bei gleichzeitigem Wegfall einer Verwaltungsinstanz an Mehrkosten entstehen könnte.

Da wir jedoch nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür ersehen können, daß Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, die Alarmsignale und Appelle der vorliegenden Tätigkeitsberichte ernst nehmen, setzen wir ein Zeichen des Protestes. Solange sie seitens der Verantwortlichen offensichtlich folgenlos bleiben, reagieren wir auf diese Berichte in der Form, daß wir sie nicht zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.24

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. Ich erteile ihm dieses.

14.24

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Der Herr Staatssekretär ist im Moment nicht da. – Sehr geehrte Damen und Herren! Es sind noch keine neun Monate vergangen, seit hier im Bundesrat am 24. Juli des Vorjahres eine dringliche Anfrage der freiheitlichen Bundesräte betreffend Kollaps des Rechtsstaates durch Überlastung der Höchstgerichte und Gefährdung der Länderrechte diskutiert wurde.

Ich muß gestehen, daß ich mich an diese Anfrage, insbesondere beim Studium des Berichtes über die Tätigkeit des Verwaltungsgerichtshofes im Jahre 1996, wieder erinnerte. Schon in der Einleitung unter den Allgemeinen Bemerkungen des Berichtes sind Feststellungen getroffen worden, die ich jetzt nicht mehr zu zitieren brauche, nachdem sie Herr Dr. Böhm schon sehr ausführlich verlesen hat. Dennoch ist es eine öffentliche Anklage bezüglich der Überlastung des Verwaltungsgerichtshofes. Ähnliches gilt auch für den Verfassungsgerichtshof.

Der Verfassungsgerichtshof hat es offenbar in realer Einschätzung der Ausweglosigkeit unterlassen, auf eine derart drastische Überlastung in ähnlicher Form zu reagieren. Die vorgelegten Zahlen sprechen allerdings eine ebenso deutliche Sprache. Waren es 1981 noch 877 Akten, die neu anfielen, und 694 Akten, die erledigt werden konnten, blieben dennoch am Jahresende 1 545 als unerledigt offen.

1996 fielen 15 894 Akten an, 4 714 wurden erledigt, und 13 182 blieben offen. Berücksichtigt man dabei, daß 11 122 Beschwerden allein zur Mindestkörperschaftssteuer erhoben wurden, so blieben dennoch 4 772 normale Fälle beziehungsweise 2 060 am Jahresende offene Beschwerden übrig.

Bei den Beschwerden zur Mindestkörperschaftssteuer handelt es sich überdies um die größte bisher angefallene Serie von Beschwerden, die 1997 einer den Besonderheiten der Situation entsprechenden Erledigung zugeführt wurde. Allein mit der Registrierung der zu dieser Serie gehörenden Beschwerden war ein enormer administrativer Aufwand verbunden, der nach Darstellung des Verfassungsgerichtshofes nur unter Aufbietung aller Kräfte bewältigt werden konnte.

Die Brisanz derartiger Entwicklungen darf keinesfalls bagatellisiert werden, ebensowenig aber zu einer Fehleinschätzung führen. Lassen Sie mich deshalb mögliche Lösungsansätze erarbeiten. Ich beziehe mich dabei auch auf die in den Berichten angeführten Vorschläge, ebenso wie auf jene, die anläßlich der im Vorjahr geführten Diskussion erhoben wurden.


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Die Funktionsfähigkeit der Höchstgerichte kann nicht durch schrankenlose Vermehrung richterlicher Planstellen, sondern nur durch drastische Verringerung des Beschwerdeanfalls aufrechterhalten werden. Ansätze in diese Richtung wurden bisher – aus welchen Gründen auch immer – nicht besonders dringlich behandelt.

Zur Verringerung des Beschwerdeanfalls kann sicherlich auch die notwendige Eindämmung der Gesetzgebung führen. Dies ist ein Vorwurf auch an den Bundesrat selbst, da es wenig Sinn macht, mit dazu beizutragen, Novellen zu beschließen, noch ehe das Gesetz selbst in Kraft treten konnte. (Bundesrat Dr. Bösch: Richtig! – Bundesrat Dr. Tremmel: Richtig!) Diese unüberlegten, oft unter Zeitdruck erfolgten Gesetzesbeschlüsse sorgten in der Vergangenheit mit Recht für Unverständnis in der Öffentlichkeit, Unsicherheit in der Anwendung und damit automatisch für eine weitere Belastung der Höchstgerichte. (Bundesrat Mag. Gudenus: Bravo! – Bundesrat Dr. Bösch: Wir werden Sie beim Wort nehmen, Herr Kollege! – Demonstrativer Applaus des Bundesrates Mag. Gudenus. )  – Sie können mich immer beim Wort nehmen.

Die massivste und umfassendste Lösung wäre sicherlich die Einrichtung von Landesverwaltungsgerichtshöfen. Diese Lösung geht vom Grundgedanken aus, daß die derzeit bestehenden Unabhängigen Verwaltungssenate durch Landesverwaltungsgerichtshöfe abgelöst werden und damit dem Verwaltungsgerichtshof in Wien gleichsam als erste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgeschaltet werden.

Durch eine zweiinstanzige Verwaltungsgerichtsbarkeit soll nicht nur eine Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes in Wien erreicht werden, sondern darüber hinaus in der Form der Landesverwaltungsgerichte eine gerichtliche Instanz gebildet werden, die im Sinne des Artikels VI Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowohl in Angelegenheiten der strafrechtlichen Anklage in Verwaltungsstrafsachen als auch über zivilrechtliche Ansprüche, die im Zusammenhang mit verschiedenen Verwaltungsangelegenheiten auftreten können, entscheiden kann.

Im Zusammenhang mit den Vorschlägen zur Bundesstaatsreform und den dabei vorgesehenen Bestimmungen, die mit der Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung im Zusammenhang stehen – insbesondere mit dem Entfall des in der mittelbaren Bundesverwaltung möglichen Rechtszuges an den zuständigen Bundesminister –, käme Landesverwaltungsgerichten künftig vornehmlich die Funktion zu, im Bereich der bisherigen mittelbaren Bundesverwaltung, soweit sie durch eine weitgehend autonome Landesvollziehung ersetzt wird, den Verlust einer Berufungsinstanz in der Gestalt des zuständigen Bundesministers wettzumachen.

Dazu muß man objektiverweise aber auch festhalten, daß der Bundesminister als Berufungsinstanz in der Praxis äußerst selten zum Tragen kam. Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch, daß der Verzicht auf eine Berufungsinstanz politischer Organe – konkret auf den Bundesminister – und die Übertragung an unabhängige Senate den Entfall parlamentarischer Kontrollrechte mit sich bringen werden.

Erfreulicherweise haben wir heute – sowohl vom Herrn Bundeskanzler als auch vom Herrn Landeshauptmann aus Salzburg – Erklärungen gehört, daß es in dieser Frage zu einem Einvernehmen kommen wird und daß dieser Bereich der Landesverwaltungsgerichtshöfe in absehbarer Zeit realisiert werden kann.

Entscheidend – das ist in dieser Debatte besonders zum Ausdruck gekommen – ist dabei aber die Finanzierungsfrage. Daß die Länder diesbezügliche Forderungen stellen, ist legitim, und ich hoffe, daß es auch in diesem Bereich zu einer Lösung kommt – frei nach dem Motto: "Wer anschafft, soll zahlen".

Nach der Neugestaltung der der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugrunde liegenden Konzeption soll es künftig in jedem Land ein Landesverwaltungsgericht geben. Lediglich für das Land Wien wird eine Ausnahme insofern vorgesehen, als es besondere Landesverwaltungsgerichte für bestimmte Aufgabenbereiche – in Anknüpfung an die bestehende Behördenstruktur – geben kann.


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Mit der Ablösung der bestehenden Unabhängigen Verwaltungssenate durch Landesverwaltungsgerichte sollen diese eine nur durch einige, wenn auch nicht unbedeutende Ausnahmen durchbrochene, aber sonst umfassende Zuständigkeit erhalten.

Trotz der von mir dargestellten Lösungsansätze und von mir bereits ausgeführten Fragen zur Eindämmung der Gesetzgebung selbst sowie auch Fragen einer umfassenden Rechtsbereinigung, die erforderlich ist, sind natürlich konkrete Vorschläge zur Behebung der Überlastung des Verwaltungs- und des Verfassungsgerichtshofes notwendig. Wenn die heutige Diskussion mit dazu beitragen kann, diese Überlegungen umgehend einer parlamentarischen Behandlung zuzuführen, dann ist meines Erachtens ein erster, aber wichtiger Schritt in die richtige Richtung gesetzt.

Nur dann, wenn die Gerichte in der Lage sind, Entscheidungen innerhalb angemessener Fristen zu treffen, wird der Bürger der Gerichtsbarkeit jenes Vertrauen entgegenbringen, das dieser in einem Rechtsstaat zukommt. Schaffen wir diese Voraussetzungen, schaffen wir sie so bald wie möglich! (Beifall bei der SPÖ und bei den Freiheitlichen.)

14.32

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile ihm dieses.

14.32

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Präsidenten der Höchstgerichte Österreichs! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Der uns heute vorliegende Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes zählt für mich zu den schaurigsten Berichten, die ich im Hohen Haus während meiner jahrelangen Tätigkeit vorgelegt bekommen habe!

Die beiden Tätigkeitsberichte, nämlich der über den Verfassungsgerichtshof und der über den Verwaltungsgerichtshof, gleichen sich in einem Punkt, wie meine Vorredner bereits festgestellt haben, nämlich darin, daß die Flut der Geschäftsfälle in den letzten Jahren dramatisch zugenommen hat. Während aber der Bericht des Verfassungsgerichtshofes erkennen läßt, daß er seiner Aufgabe, wenn auch unter großen Schwierigkeiten, nachkommen kann, so geht aus dem Bericht des Verwaltungsgerichtshofes eindeutig hervor, daß dieser seiner Aufgabe einfach nicht mehr nachkommen kann.

In dem vorliegenden Bericht aus dem Jahre 1996 steht, wie mein Vorredner Dr. Böhm bereits erwähnte, daß die Aufarbeitung der derzeit unerledigten Beschwerdefälle rund drei Jahre dauern würde – man denke einmal darüber nach, was in drei Jahren, in dieser langen Zeit alles passieren kann beziehungsweise was sich in dieser Zeit in unserer Gesellschaft verändert –, und dies auch nur dann, wenn keine neuen Beschwerdeakte mehr einlangen würden.

Seit dem Beschluß dieses Berichtes, der uns heute vorliegt, ist aber ein weiteres Jahr vergangen, und ich bin überzeugt davon, daß sich die Situation inzwischen noch wesentlich verschärft und verschlechtert hat.

Der Bericht spricht nicht nur von fehlendem Personal, sondern auch von Raumnot und mangelnden Investitionsmitteln zur Fertigstellung einer bereits investierten und brachliegenden EDV-Anlage. Eine für uns hier im Parlament besonders beschämende Aussage lautet: In der 125jährigen Geschichte des Verwaltungsgerichtshofes hat es noch nie eine derartige Situation gegeben, nämlich daß die Arbeit des Verwaltungsgerichtshofes praktisch lahmliegt.

Wir leben aber hier in Österreich in einem Staat mit sehr hohem Wohlstand, in einem Staat mit hoher Sicherheit, und zwar auch mit hoher Rechtssicherheit. Das könnte einige allerdings zu dem Rückschluß verleiten, daß dies deshalb so ist, weil eben verschiedene staatliche Einrichtungen nicht so funktionieren, wie es eigentlich von Rechts wegen vorgesehen ist. Das hieße aber wiederum nichts anderes, als daß wir hier im Parlament Gesetze beschließen beziehungsweise daß in den Ministerien Verordnungen erlassen werden, die für das gute Funktionieren unserer Gesellschaft besser nicht vollzogen würden.


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Für mich als Nichtjuristen ist es unverständlich, daß hier in diesem Haus, hier im Parlament, so viele Juristen tatenlos zusehen, wie eine juristische Einrichtung, die der österreichischen Bevölkerung Rechtssicherheit garantieren soll, sukzessive die Möglichkeit, ihre Aufgaben zu bewältigen, verliert.

Ich möchte keine Vorschläge hinsichtlich einer Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten in den Verwaltungsgerichten abgeben. Darüber wurde aus berufenerem Munde bereits viel gesagt und auch sehr viel geschrieben. Ganze Bücher wurden damit gefüllt. Auch in dem vorliegenden Bericht stehen einige Vorschläge, wie die Arbeit des Verwaltungsgerichtshofes sofort und ohne hohe Kosten verbessert werden könnte.

Ich möchte mich ganz bewußt nicht in die Diskussion über die Vorteile zentraler oder dezentraler Verwaltungsgerichte einmischen, wie sie heute von Landeshauptleuten im Hohen Haus vorgetragen wurden. Die Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, seit es Verwaltungsgerichte gibt, und reichen noch bis in die Monarchie zurück. Heute, im Zuge unseres EU-Beitrittes, ist die Situation der Verwaltungsgerichte sicherlich wiederum neu zu überdenken.

Die vorliegenden Berichte an das Parlament haben den Sinn und Zweck, uns Abgeordnete darüber zu informieren, wie es in den verschiedenen Abteilungen der Bundesverwaltung aussieht. Wenn wir aber einen solchen Hilferuf – im vorliegenden Bericht des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich für mich eindeutig um einen Hilferuf, und zwar um einen Hilferuf in höchster Not – nicht ernst nehmen, dann machen wir uns schuldig. Wir als Abgeordnete des Parlaments würden uns damit schuldig machen, die Rechtssicherheit in unserem Staate Österreich nicht mehr ernstzunehmen! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Da gilt auch die Ausrede von Sparsamkeit und mangelnden Finanzmitteln nicht, denn in erster Linie kostet die Bewältigung des im Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Problems keine Geldmittel, sondern Hirnschmalz, Ideen, wie man Veränderungen durchführen kann, und zwar auf gesetzlicher Ebene.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte deshalb an euch alle – wie bereits meine Vorredner auch – den Appell richten: Sehen Sie sich diesen Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 1996 an! Er ist sehr kurz gehalten, leicht überschaubar und vor allem so abgefaßt, daß er für jedermann – auch für Nichtjuristen wie mich – verständlich ist. Dafür möchte ich den Verantwortlichen ein ganz besonderes Lob aussprechen. – Dasselbe gilt übrigens auch für den Bericht des Verfassungsgerichtshofes.

Deshalb, sehr geehrter Herr Dr. Böhm, wäre es meiner Ansicht nach auch falsch, diesen Bericht nicht zur Kenntnis zu nehmen. Im Gegenteil: Wir sollten den Bericht zur Kenntnis nehmen, sollten ihn uns aber sehr genau ansehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn Sie nur 10 Minuten oder eine Viertelstunde dafür opfern, dann werden Sie sehen, welche Probleme im Verwaltungsgerichtshof bestehen. Dann werden Sie mir auch recht geben: Da muß etwas getan werden!

Ich möchte deshalb auch, so wie das meine Vorredner bereits getan haben, in aller Ernsthaftigkeit alle Klubs aufrufen – dieser Appell, sehr geehrter Herr Präsident, richtet sich auch an Sie –: Lösen wir gemeinsam die Probleme des Verwaltungsgerichtshofes, damit die Rechtssicherheit in unserem Staat auch weiterhin gewährleistet ist! – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

14.40

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile ihm dieses.

14.40

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Herren Präsidenten! Wir Freiheitlichen haben mit den Höchstgerichten hier im Lande durchaus gute Erfahrungen, namentlich auch mit dem Verfassungsgerichtshof, und dies nicht nur, was dessen Entscheidungen anlangt, sondern auch aufgrund der Tatsache, daß bei der letzten Bestellung eines Mitgliedes dieses Gerichtshofes auf freiheitlichen


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Antrag zum ersten Mal ein Hearing der Bewerber um diese Stelle, für welche dem Bundesrat das Vorschlagsrecht zukam, durchgeführt wurde. Wir hoffen, daß das nur der Beginn einer langfristigen Entwicklung war.

Ich kann mich inhaltlich in bezug auf die Berichte, über die wir heute debattieren, kurz fassen. Ich möchte nur für die freiheitliche Fraktion sagen, daß wir die gute Arbeit und das Engagement der dort Tätigen, Herr Kollege Jaud, durchaus anerkennen und respektieren. Ja ich möchte sogar ein Lob betreffend die sichere Unabhängigkeit unserer Obersten Gerichte hier im Lande aussprechen. Auch jene Entscheidungen, die der Bundesregierung nicht ins Konzept passen und deshalb von ihr rücksichtslos kritisiert werden, werden – besonders in letzter Zeit – vom Verfassungsgerichtshof konsequent und klar vertreten. – Meine Herren! Ich gratuliere Ihnen dazu! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Jaud. )

Wir können aber, wenn wir diese Berichte lesen – Herr Kollege Jaud hat das in eindrucksvoller Weise schon dargelegt –, die dafür zuständige Bundesregierung, den Bundeskanzler und auch die Regierungsparteien im Parlament, im Nationalrat, nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Wenn Sie lesen müssen, daß es Rückstände von 13 182 Fällen im Verfassungsgerichtshof und von 13 638 Fällen im Verwaltungsgerichtshof gibt, und wenn im Bericht über das Jahr 1996 in der Präambel schon angeklungen ist, daß sich das abgelaufene Jahr als Katastrophenjahr würdig an die anderen Jahre reihe (Bundesrat Rauchenberger: Aufpassen, Herr Kollege!) , dann, Herr Kollege Rauchenberger, können Sie nicht sagen, daß die Verantwortlichen nicht rechtzeitig Alarm geschlagen hätten.

Ich glaube, das Problem in dieser Sache ist, daß dieses Parlament einfach schlechte Gesetze macht. Meine Damen und Herren! Erinnern Sie sich zurück, worüber wir hier zu debattieren hatten! Erinnern Sie sich doch zurück an das Führerscheingesetz! Ich meine, daß das, was wir in diesem Zusammenhang hier im Hohen Hause erlebt haben, eines guten Parlaments nicht mehr würdig war. Absurde Beispiele für den Regelungswahn haben wir in den letzten Jahren sonder Zahl gehabt. Das Sozialversicherungsgesetz aus 1955 wurde in den darauffolgenden 36 Jahren nicht weniger als 86mal novelliert, wobei oft durch eine einzige Novelle mehr als hundert Paragraphen geändert wurden. Das Arbeitslosenversicherungsgesetz wurde allein 1996 siebenmal novelliert, davon viermal mit Rückwirkung zu verschiedenen Stichtagen. Das ergibt zehn bis elf verschiedene Fassungen pro Jahr. Das Einkommensteuergesetz wurde 1996 siebenmal geändert – von den rückwirkenden Änderungen im Zusammenhang mit dem sogenannten Strukturanpassungsgesetz ganz zu schweigen. Das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 wurde 15mal novelliert.

Meine Damen und Herren! Sie ersehen aus dieser Gesetzesflut, die hier im Hohen Haus entsteht, daß es an uns Parlamentariern liegt, diesen Engpaß, den es bei den Obersten Gerichtshöfen gibt, endlich anzupacken. Wir haben klar festzustellen, daß die Gesetze vom Parlament gemacht werden, und zum Parlament gehört nicht nur der Nationalrat, sondern auch der Bundesrat! Wenn Sie, Herr Kollege Rauchenberger, angekündigt haben, daß Sie in Zukunft mit uns Freiheitlichen gegen unsinnige, unklare, übereilte Gesetze stimmen werden (Bundesrat Rauchenberger: Aus eigener Einsicht!) , dann hat mich das gefreut. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Rauchenberger: Ich wehre mich gegen die Vereinnahmung, Herr Dr. Bösch!)

Meine Damen und Herren! Dieser Alarmschrei der Obersten Gerichtshöfe muß von den Parlamenten gehört werden, und wir als Bundesrat hätten auch die Aufgabe, den Nationalrat zu zwingen, eine klare Gesetzgebung zu machen. Wir hätten ein wenig einen Erziehungsauftrag gegenüber unserem größerem Bruder ein paar Türen weiter. Diesen Erziehungsauftrag werden wir freiheitlichen Bundesräte in Zukunft auch wahrnehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.45

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer. Ich erteile dieses.

14.45

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Herr Präsident! Meine Herren Präsidenten von den Hohen Gerichtshöfen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Es ist


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639. Sitzung / Seite 82

schon sehr viel gesagt worden über die zur Diskussion stehenden Berichte über die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes beziehungsweise des Verwaltungsgerichtshofes im Jahre 1996. Wenn wir über diese Berichte diskutieren, sollten wir uns natürlich auch die Hintergründe ansehen, die teilweise schon erwähnt worden sind.

Der eine Hintergrund ist wohl, daß es große gesellschaftliche Veränderungen gibt, und zwar sowohl im Inland, also in Österreich, als auch vom Ausland her; ich meine damit die starken Migrationsbestrebungen.

Kollege Bösch hat soeben von der Gesetzesflut gesprochen. Zweifellos ist diesbezüglich eine große Sensibilisierung der Bevölkerung zu vermerken. Es gibt den Wunsch nach Reglementierung, dadurch entsteht natürlich auch ein entsprechend größerer Anfall. Es sind heute schon die Massenverfahren angesprochen worden. Kollege Bösch! Ich stehe nicht an, zu sagen, daß wir Abgeordnete dafür verantwortlich sind, aber zu diesen müssen Sie sich auch zählen. Auch Sie stellen vielfach Anträge, die aus unserer Sicht nicht gerade berechtigt sind; eben Anträge zur Reglementierung von Anliegen, die Ihnen eben wichtig erscheinen.

Faktum ist, daß wir uns zweifellos die Form der Gesetzgebung ansehen und sie überprüfen sollten, damit wir vielleicht auch von dieser Warte aus eine Entlastung herbeiführen können und nicht immer wieder einen zusätzlichen Anfall von Geschäftsfällen für die Gerichtshöfe bewirken. Wichtig ist die schon seit vielen Jahren geforderte Neukodifikation des Verfassungsrechts, der unzähligen Verfassungsbestimmungen. Damit wäre es hoch an der Zeit. Die Hohen Herren Präsidenten der Gerichtshöfe haben dies bereits mehrmals schriftlich und auch mündlich in Ansprachen gefordert.

Unter den gegebenen Umständen, also wenn wir auch die Sparbudgets in Betracht ziehen, die mit sich bringen, daß es einerseits kein zusätzliches Personal, also keine weiteren Planstellen gibt und anderseits auch der Raumbedarf nicht entsprechend befriedigt werden kann, kommt es eben zu einer Überlastung, einer teilweise sogar dramatischen Überlastung der Gerichtshöfe. Es mangelt an gewisser Rechtskontrolle, und wir sind zweifellos an der Schmerzgrenze angelangt, bei der sich die Bürger eben beklagen, daß verfassungsmäßig gewährleistete Grundrechte in den Verfahren durch die überlangen Fristen nicht gewährleistet sind. Wir sollten aber, wie gesagt, dabei auch immer daran denken, ob nicht ein Mea culpa angebracht wäre.

Meine Damen und Herren! Es ist heute schon angeklungen, daß Maßnahmen wie zusätzliches Personal, zusätzliche Raumbeschaffung, beispielsweise beim Verwaltungsgerichtshof, allein nicht ausreichen. Wir brauchen auch eine weitgehende Systemänderung, eine Änderung, wie gesagt, beim Verhalten im materiellen Recht, bei der Gesetzgebung, aber auch eine Änderung beim formellen Verfahren, sprich die Einführung von Landesgerichtshöfen, sei es als Bundesinstitution, sei es als Landesinstitution. Erfreulicherweise wurde heute vom Vorsitzenden der Landeshauptmännerkonferenz, Landeshauptmann Dr. Schausberger, aber auch vom Herrn Bundeskanzler bestätigt, daß diesbezüglich Einvernehmen besteht. Es wäre, so glaube ich, hoch an der Zeit. Eine weitere Verzögerung wäre unter den gegebenen Umständen absolut unzulässig.

Wenn gesagt wird, daß die Bundesländer – aus finanziellen Gründen oder auch aus strategischen Gründen – nicht gerade um diese Landesgerichtshöfe buhlen, so kann ich mir vorstellen, daß ein zusätzlicher Aspekt in diese Diskussion eingebracht werden könnte, nämlich daß die Bestellung von Mitgliedern der Obersten Gerichtshöfe, des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes, sehr zentral geregelt ist. Das heißt, daß Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes derzeit mehrheitlich von der Bundesregierung beziehungsweise vom Nationalrat vorgeschlagen und vom Bundespräsidenten ernannt werden. Also etwa 20 Nominierungen erfolgen über den Bund, und nur 4 Nominierungen gehen über den Einflußbereich der Länder. Beim Verwaltungsgerichtshof ist es gemäß Artikel 134 der Bundesverfassung überhaupt so, daß der Präsident, der Vizepräsident und die übrigen Mitglieder vom Bundespräsidenten über Vorschlag der Bundesregierung ernannt werden.

Es hat im Länderforderungskatalog 1985 unter Punkt 9 schon ein Ansinnen dahin gehend gegeben, daß den Ländern ein dem Bund gleichwertiges Vorschlagsrecht für die Besetzung der lei


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tenden richterlichen Funktionen eingeräumt wird. Ein Verfassungsvergleich mit der Bundesrepublik Deutschland zeigt, daß diese Forderung nicht unangemessen ist, denn dort gibt es sehr wohl eine Bestellung je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat. Außerdem darf ich darauf verweisen, daß die Verfassungsnovelle 1929 diese Bestimmung eigentlich abgeändert und jene Regelung eingeführt hat, die wir heute noch haben.

Meine Damen und Herren! Diese Argumentation wird dadurch verstärkt, daß die Länder von der Tätigkeit der beiden Gerichtshöfe maßgeblich betroffen sind. Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet auch über die Gesetzmäßigkeit der Landesvollziehung und der Verfassungsgerichtshof unter anderem auch über die Verfassungsmäßigkeit von Landesgesetzen und die Gesetzmäßigkeit von Wahlen in den Ländern. Schließlich entscheidet der Verfassungsgerichtshof als Schiedsgericht über Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern. Schiedsgerichte werden aber ansonsten üblicherweise von den betroffenen Parteien gleichrangig besetzt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich den Vorrednern anschließen und meine, daß es hoch an der Zeit ist, daß wir gemeinsam, über Parteigrenzen hinweg, von der gesetzgeberischen Seite her Maßnahmen treffen, um bei diesen dramatischen Umständen eine Wendung zum Besseren herbeizuführen. In diesem Sinne werden meine Fraktionskollegen und ich diesen Berichten zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Prähauser. )

14.54

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile dieses.

14.54

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine Herren Präsidenten! Meine Damen und Herren! Im Grunde genommen sind sich alle Redner darin einig, daß der Zustand, dem die Obersten Gerichte ausgesetzt sind, untragbar ist. Wir unterscheiden uns vielleicht nur dadurch, daß wir den Berichten nicht zustimmen. Wir können uns nicht der Meinung anschließen, durch eine Zustimmung ein Wohlverhalten des Gesetzgebers herbeizuführen, sondern wir müssen unsere Kritik durch eine Nichtzustimmung ausdrücken, denn sonst könnte der Eindruck erweckt werden, man sei mit dem Zustand einverstanden. Wir sind mit dem Zustand nicht einverstanden!

Die Vorgaben der Bundesregierung, die die Einhaltung bestimmter budgetpolitischer Zielsetzungen gewährleisten sollen, sind mit ein Grund, daß deren Wahrnehmung durch die Gerichte dazu führt, daß die Kontrollaufgaben nicht in dem Maße wahrgenommen werden können wie vorgesehen.

Auch in Zeiten der Budgetkonsolidierung haben die Obersten Gerichte eine besonders wichtige Staatsfunktion und Staatsaufgabe zu erfüllen. Es müssen daher auch dann die notwendigen personellen und sachlichen Voraussetzungen für die Arbeit jener Gerichte vorhanden sein, und wenn diese nicht vorhanden sind, so müssen sie geschaffen werden, meine Damen und Herren!

Diese Kritik geht nicht nur inhaltlich, wenn man die Berichte interpretiert, sondern auch wortwörtlich aus ihren Berichten hervor. Wir Freiheitlichen, aber, wie man hört, auch die Kollegen von den anderen Fraktionen, die sich sonst als Partner der Bundesregierung bezeichnen, stehen hinter ihren Anliegen. Ich wollte nur, daß man sagen könnte: Laßt auf Worte Taten folgen! – Mir kommen hingegen berechtigte Zweifel.

Wer den Gerichten ihre Ansprüche verweigert, der behindert und gefährdet ihre Handlungsfähigkeit, meine Damen und Herren! Und sie ist nicht nur gefährdet, die Handlungsfähigkeit ist schon in Frage gestellt! Noch viel mehr: Man behindert und gefährdet die Rechtsstaatlichkeit Österreichs! Auch das müssen wir lauthals sagen. Und, meine sehr verehrten Kollegen, die Rechte der Bürger werden geschmälert. Das bedrückt mich ganz besonders, denn wir sind für die Bürger da. Wir haben für die Bürger dazusein, und die Gerichte sind es auch kraft ihrer Profession.


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Wenn man zusammenfaßt, was manche Kollegen an Zahlenmaterial wiedergegeben haben, dann kann man nur sagen: Der Neuanfall an Beschwerden oder Eingaben muß unter der Erledigungszahl liegen. Oder: Es müssen den Gerichten mehr Mitarbeiter zur Verfügung gestellt werden – auch wenn es Landesgerichte sind. Grundsätzlich müssen dann mehr Mitarbeiter, mehr Richter, mehr Referenten, die Tätigkeit ausüben. Die ständige Überlastung führt nämlich zu einer dramatischen Erhöhung der Rückstände, besonders im Verwaltungsgerichtshof. – Wir wissen all das, aber es muß immer wieder gesagt werden. Deswegen können wir diesen Berichten nicht die Zustimmung geben.

Wenn ich auch sonst kein Freund internationaler Konventionen bin, so muß ich sagen, es ist vielleicht doch ein kleiner Rettungsanker im Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu finden, welcher die zulässige Dauer von Beschwerdeverfahren regelt. Aber wo ist die Sanktion? Welche Sanktion sieht die Europäische Menschenrechtskonvention vor? – Sie ist mir nicht geläufig, vielleicht gibt es sie. Ich wollte, es gäbe sie. Man müßte sie, wenn es sie nicht gibt, für diese Fälle sogar erfinden.

Es besteht der Eindruck – auch deswegen stimmen wir nicht zu –, daß die Funktion der Obersten Gerichte im politischen Bewußtsein der Mandatare, aber auch der Österreicher keine Priorität genießt. Auch das muß klar gesagt werden. Bei uns Freiheitlichen hat sie Priorität, und das drücken wir auch damit aus, daß wir diesen Berichten nicht zustimmen können.

Es muß eine Verfallsprozeßumkehr eintreten, meine Damen und Herren! Aber natürlich ist diese Verfallsprozeßumkehr auch im Haus zu hinterfragen: Wieso liegen diese Berichte schon ein dreiviertel Jahr hier?

Demnächst kommen die Berichte für das Jahr 1997 heraus, wir aber behandeln heute erst die Berichte über das Jahr 1996, meine Damen und Herren! Da hätten wir gleich warten und die Berichte für beide Jahre zusammenfassen können, wenn es aus irgendwelchen Gründen nicht anders geht. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Folgendes möchte ich zu den Berichten kritisch anmerken. Es steht darin, daß die Rechtsfindung für die Bürger nicht mehr zum Nulltarif möglich sein soll und daß ungefähr ein Sechstel der Kosten der beschwerdeführende Bürger zu tragen hat. Ich stelle das deswegen kritisch fest, weil wir immer wieder mit einer schleichenden Gebühren- und Steuererhöhung konfrontiert werden. Es wäre vielleicht fast schon besser, wenn man keine Steuern mehr einhebt, sondern jeden Bürger, der die Öffentlichkeit in Anspruch nimmt, mit einer Umlage der Kosten in Form einer Gebühr belastet.

Das soll umso mehr eine kritische Anmerkung zur Gebührenanhebung sein, als ich denke, daß die Gebührenanhebung den Anfall der Tätigkeit in den Gerichten vermutlich nicht verringern wird. Sollte sie dort aber den Anfall der Tätigkeit verringern, so hieße das eigentlich, dem Bürger das Recht vorzuenthalten. – Das waren zwei kritische Anmerkungen zu den Berichten in bezug auf die Gebühren.

Grundsätzlich kann man nur sagen, daß diese beiden Berichte dramatisch sind. Das haben wir alle hier festgestellt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.01

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über die vorliegenden Berichte. Die Abstimmung erfolgt getrennt.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Bericht über die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes im Jahre 1996.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes über das Jahr 1996.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts ist somit angenommen.

Ich darf den Herren Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes und dem Herrn Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofes sehr herzlich dafür danken, daß sie bei dieser Debatte anwesend waren. (Allgemeiner Beifall.)

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Änderung des Nationalbankgesetzes 1984, des Scheidemünzengesetzes, des Schillinggesetzes, des Devisengesetzes und des Kapitalmarktgesetzes, die Aufhebung des Übergangsrechtes anläßlich einer Novelle zum Nationalbankgesetz 1955, des Bundesgesetzes vom 12. Jänner 1923 betreffend Überleitung der Geschäfte der Österreichisch-Ungarischen Bank, österreichische Geschäftsführung, auf die Oesterreichische Nationalbank, des Bundesgesetzes vom 18. März 1959 betreffend Beitragsleistungen der Republik Österreich bei Internationalen Finanzinstitutionen, BGBl. Nr. 74/1959, und des Bundesgesetzes betreffend Beitragsleistungen der Republik Österreich bei internationalen Finanzinstitutionen, BGBl. Nr. 171/1991 (1080 und 1090/NR sowie 5651 und 5655/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Änderung des Nationalbankgesetzes 1984, des Scheidemünzengesetzes, des Schillinggesetzes, des Devisengesetzes und des Kapitalmarktgesetzes, die Aufhebung des Übergangsrechtes anläßlich einer Novelle zum Nationalbankgesetz 1955, des Bundesgesetzes vom 12. Jänner 1923 betreffend Überleitung der Geschäfte der Österreichisch-Ungarischen Bank, österreichische Geschäftsführung, auf die Oesterreichische Nationalbank, des Bundesgesetzes vom 18. März 1959 betreffend Beitragsleistungen der Republik Österreich bei Internationalen Finanzinstitutionen, BGBl. Nr. 74/1959, und des Bundesgesetzes betreffend Beitragsleistungen der Republik Österreich bei internationalen Finanzinstitutionen, BGBl. Nr. 171/1991.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Grillenberger übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Johann Grillenberger: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 15. April 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben. – Danke.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Harring. – Bitte.


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639. Sitzung / Seite 86

15.05

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrte Präsidentin! Vom Finanzministerium ist offensichtlich niemand hier ... (Der Redner erblickt einen Beamten in der Sitzreihe hinter der Regierungsbank.) Entschuldigen Sie! Der Herr Staatssekretär gibt uns nicht die Ehre. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute geht es darum, keinen Einspruch zu erheben – das ist nicht unsere, wohl aber Ihre Absicht, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, wie wir vorgestern im Ausschuß gemerkt haben – gegen die Novelle zum Nationalbankgesetz.

Die Redner der Regierungsparteien werden mit Sicherheit wieder davon sprechen, daß wir damit eine weitere wichtige Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Wirtschafts- und Währungsunion erfüllen, daß die Oesterreichische Nationalbank nun in das Europäische System der Zentralbanken eingegliedert wird und so weiter, also lauter wichtige Dinge. So weit, so gut.

Wir verlieren aber eine ganze Reihe von Kompetenzen. Wir sind dort zwar vertreten, haben aber noch weniger als bisher zu reden. Bei der Entscheidungsfindung war die Notenbank schon bisher nicht besonders freudig am Werk, denn man hat sich in den vergangenen Jahren eigentlich eher als Filiale von Frankfurt verstanden. Die berühmte Hartwährungspolitik ist mehr oder weniger aus Deutschland importiert worden, war aber eine gute Sache.

Warum sage ich das hier? – Weil ich davon überzeugt bin, daß nach dieser Novelle die wirtschaftspolitische Kompetenz für die österreichische Notenbank und damit auch für die Wirtschaftspolitik in Österreich geringer geworden ist. Was wir früher de facto in Frankfurt abgegeben haben, geben wir jetzt umso mehr de jure ab. Ich bin davon überzeugt, daß die Redner der Regierungsparteien sagen werden, daß in der Nationalbank beste wirtschaftspolitische Arbeit geleistet werde und daß diese hervorragenden Leistungen zu geringstmöglichen Kosten erbracht werden sollten. Das hat zumindest Herr Nationalrat Nowotny im Hohen Haus wörtlich so gesagt. Allerdings ist Nowotny in diesem Zusammenhang ein besonderer Fall.

Aber dazu, dies wirklich zu den geringstmöglichen Kosten zu erfüllen, liefert die Novelle tatsächlich keinen Beitrag. Denn wenn es um übliche und geringstmögliche Kosten geht, können 17,5 Monatsgehälter neben einer weit über die Beamtenpension hinausgehenden Vergütung für die Mitarbeiter dieser Forderung wohl kaum entsprechen. Das glaubt den Damen und Herren ohnedies niemand mehr. In diesem Zusammenhang sollte man sich einmal bei der Presse bedanken, da sie diese Dinge lückenlos aufgezeigt hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Nationalbank soll auf Europakurs, auf EU-Kurs gebracht werden. Ich frage Sie, ob Sie, wenn Sie hier keinen Einspruch gegen diese Novelle erheben, wirklich davon überzeugt sind, daß zur EU-Konformität auch die Perpetuierung des unseligen Proporzes gehört. Es ist offensichtlich niemand bereit, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Die Aufteilung in rot und schwarz ist nach wie vor lückenlos und in diesem Sinne perfekt. (Bundesminister Edlinger nimmt auf der Regierungsbank Platz.)

Meine Damen und Herren! Unvereinbar dürfte auch sein, daß die Vertreter der entscheidenden Großbanken – also der Bank Austria, der BAWAG und der Raiffeisen-Gruppe – direkt im Generalrat vertreten sind und sich dort sozusagen selbst kontrollieren. Die Oesterreichische Nationalbank ist nämlich Aufsichtsbehörde im Sinne des § 74 f sowie der §§ 79 bis 81 des Bankwesengesetzes. Ich frage mich nachdrücklich, ob es rechtstheoretisch überhaupt miteinander vereinbar ist, was dort geschieht. Die Oesterreichische Nationalbank ist auch zentrale Meldestelle für Großkredite. Das heißt, daß sie nach § 75 des Bankwesengesetzes monatlich von allen österreichischen Banken Monatsausweise erhält. Das sind Berichte über den Geschäftsgang dieser Banken, und daraus erfahren auch die Vertreter der Großbanken alle jene Daten, welche die Mitbewerber betreffen. Ich frage mich, und ich frage den inzwischen eingetroffenen Herrn Finanzminister: Ist es rechtstheoretisch wirklich in Ordnung, daß sich dort die Kontrolleure quasi selbst kontrollieren?

Meine Damen und Herren! Man sollte nicht vergessen, daß die Oesterreichische Nationalbank auch mit der Prüfung von Kreditinstituten betraut werden kann. Das heißt, das Bundesmini


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sterium gibt der OeNB den Auftrag, dieses oder jenes Kreditinstitut in Österreich zu prüfen. Angesichts dessen ist es meiner Ansicht nach unvereinbar, daß die Vertretung im Generalrat so geregelt ist, wie sie leider auch nach dieser Novelle weiterhin geregelt sein wird. Es wird an keiner Stelle ausgeschlossen, daß sich die Mitglieder des Generalrates alle diese Informationen verschaffen können. Die Kontrollore kontrollieren sich also selbst und erhalten Datenmaterial von Mitbewerbern. Das alles hätte man reparieren können, man hat das aber offensichtlich nicht gewollt. Wie ist es mit den Reserven? – Der hochverehrte Herr Bundesminister für Finanzen hat in der Fragestunde gesagt, daß man über die Reserven nicht reden darf. (Bundesminister Edlinger: "Soll man nicht reden", habe ich gesagt!) Er hat auch auf manche Fragen keine Antwort gegeben. Das steht ihm selbstverständlich zu. Wenn Sie mir über bestimmte Dinge keine Antwort geben – zum Beispiel darüber, wie das mit den Kosten zum Euro ist –, ist das Ihre Sache. Aber Sie werden mir nicht verbieten können, über Dinge zu reden, von denen ich glaube, daß sie die Bevölkerung interessieren. Daher werden wir auch in Zukunft über die Reserven der Notenbank reden, selbst wenn Sie uns das verbieten wollen.

Für Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, stellt sich die Frage nach der Entscheidung über diese exorbitant hohen Reserven. Möchten Sie lieber die Privilegien weiter ausbauen oder erhalten, oder könnten Sie sich etwas anderes vorstellen, das man mit diesen Beträgen machen könnte? – Wir haben gesagt, wir könnten uns vorstellen, daraus die längst fällige Steuerreform zu finanzieren oder Vorkehrungen dagegen zu schaffen, daß etwas geschieht, von dem der Herr Bundesminister gesagt hat, daß es ein Treppenwitz der Geschichte wäre: über die Steuerreform zu reden und gleichzeitig wieder eine Steuererhöhung einzuführen. Da bin ich hundertprozentig Ihrer Ansicht: Das wäre nicht vernünftig!

Meine Damen und Herren! Bei den Reserven handelt es sich zunächst um die Währungsreserven. Ich frage mich, was vom Jahr 2000 an mit diesen Reserven im Wert von über 200 Milliarden Schilling geschehen wird. Nur ein Teil davon wird für Europa benötigt. Wir haben versucht, uns im Ausschuß darüber Klarheit zu verschaffen, aber das ist uns nicht gelungen. Wir haben darauf keine Antwort erhalten.

Ich spreche heute nicht über die 23 Milliarden Schilling im Pensionstopf, möchte aber kurz auf die Mindestreserve eingehen. Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, ob Sie sich damit beschäftigt haben oder überhaupt damit zu beschäftigen beabsichtigen. Wenn wir oft über kleine Beträge reden und darüber, daß da oder dort Kosten entstehen und der Steuerzahler dafür bezahlen muß, sollten wir folgendes bedenken: In der Oesterreichischen Nationalbank liegen 59 Milliarden Schilling als Mindestreserve. Das ist ein Riesenbetrag!

Diese 59 Milliarden Schilling, die bei der Notenbank auf den Mindestreservekonten liegen, werden von allen österreichischen Kreditinstituten dort hinterlegt. Die Oesterreichische Nationalbank zahlt für die Mindestreserve nicht einen einzigen Schilling an Zinsen. Das heißt, dieses Geld wird zinsenlos zur Verfügung gestellt, und so ungeschickt kann man eine Bank ja gar nicht führen, daß man mit solchen Riesenbeträgen, die man zinsenlos im Portefeuille hat, keine Gewinne erzielen könnte. Es wäre ja eine Weltmeisterleistung, damit nicht Gewinn zu erzielen!

Bei 59 Milliarden Schilling entsteht, wenn wir den heutigen durchschnittlichen ViBOR-Satz von 3,2 Prozent heranziehen, ein Jahresertrag von 1,9 Milliarden bis 2 Milliarden Schilling. Auch das ist ein Riesenbetrag, und darüber geht man einfach hinweg. Eigentlich ist das ein Geschenk aller Österreicherinnen und Österreicher an die österreichische Notenbank, weil letztlich der Steuerzahler oder der Kreditnehmer höhere Bankzinsen dafür zu bezahlen hat.

Im Gesetz – es ist typisch, wie dieses Gesetz die österreichischen Banken bezeichnet, vielleicht ist das irgend jemandem von den Damen und Herren aufgefallen – werden die österreichischen Banken auch – unter Anführungszeichen – "mindestreservepflichtige Unternehmen" genannt. In Hinkunft werden die Banken in der Novelle als "mindestreservepflichtige Unternehmen" bezeichnet, und das ist typisch, weil es sich die Notenbank auch vorbehält, selbst und allein zu entscheiden, wie die Mindestreservesätze festzulegen sind.


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Daran ist mir auch der folgende Punkt aufgefallen. Ich möchte heute neuerlich danach fragen, weil es vorgestern im Ausschuß nicht möglich war, darauf eine Antwort zu bekommen: Warum fehlt in der Novelle der alte § 43? – Im § 43 war bisher genau geregelt, wie es mit der Mindestreserve ist. Im Entwurf beziehungsweise im neuen Gesetz steht im § 43 – dort sind sechs oder sieben Absätze weggefallen – nur noch, die – nicht wörtlich, aber abgekürzt – OeNB hat zur Erfüllung des Artikels 105 Abs. 5 des EG-Vertrages "den ... dort bezeichneten Aufsichtsbehörden Hilfe zu leisten". Es steht im Prinzip sonst nichts mehr über die Mindestreserve darin.

Daher liegt der Verdacht nahe, daß mit der Mindestreserve etwas geschehen wird. Wir hätten sehr gern gewußt, was damit geschehen soll. Diese Auskunft wollte man uns offensichtlich nicht geben, obwohl wir vorgestern im Ausschuß sehr sachlich nachgefragt haben. Die einzige Antwort war: Ja, es ist da etwas in der EU im Gespräch. – Aber wahrscheinlich steht uns als Oppositionspartei überhaupt keine Auskunft darüber zu, ebenso nicht den Österreichern. Wahrscheinlich wird man irgendeine Regelung treffen und uns dann vor vollendete Tatsachen stellen.

Wir könnten uns vorstellen, daß man die Erträge aus der unverzinst liegenden Mindestreserve entweder den Banken zurückgibt, dadurch die Kredite billiger macht und dies auch kontrolliert, oder einen Beitrag zu den Umstellungskosten liefert, die den Herrn Finanzminister ja nicht interessieren. Letztlich sollten die Bürger damit begünstigt werden. Man könnte sich für die Erträge, für diese 2 Milliarden, die jährlich daraus zufließen, auch das eine oder andere im Hinblick auf eine Teilfinanzierung der Steuerreform oder soziale Maßnahmen einfallen lassen. Es gäbe dafür viele Möglichkeiten. Es müßte nicht unbedingt die 10-Prozent-Klausel in der Novelle verbleiben, der zufolge nach wie vor der Pensionsfonds in der Notenbank dotiert werden muß.

Wir haben – ich füge bedauernd hinzu, daß ich das bereits zwei- oder dreimal gesagt habe, damit es im Protokoll steht, und sage es jetzt absichtlich noch einmal – vorgestern auch gefragt: Wie wird es mit den Zweigstellen der Notenbank in den Bundesländern weitergehen? Was hat es für einen Sinn und welche Vorstellung steckt dahinter, daß es damit weitergeht wie bisher? Was machen die Zweigstellen in den Notenbanken? – Die einzige Antwort, die wir darauf bekommen haben, lautet: Die Aufgabe der Zweigstellen in den Notenbanken ist es, die Banken mit Bargeld zu versorgen. Aus – sonst ist den Beantwortern dazu nichts eingefallen! Wir haben nur noch eine Mitteilung erhalten, daß in den Zweigstellen ohnedies nur zwei Mitarbeiter tätig seien. Das betraf St. Pölten, in Klagenfurt – diese Zweigstelle kenne ich persönlich – sieht es ganz anders aus.

Ich frage den Herrn Bundesminister für Finanzen noch einmal: Was für einen Sinn haben die Landesstellen der österreichischen Notenbank? Was ist dort vorgesehen? Wieviel könnte man sich ersparen, wenn es diese nicht mehr gäbe? Was kosten also diese Bankstellen? – Das würde uns sehr interessieren. Meine Damen und Herren! Dazu möchte ich Sie abschließend fragen, ob "Die Presse" am Ende nicht doch recht hat, wenn dort Christine Domforth in einem mit "Der Hintergrund" überschriebenen Artikel schreibt: "Wird Nationalbank 1999 zum ,Auslaufmodell’?"

Meine Damen und Herren! Ich denke, daß mit der vorliegenden Novelle nicht das Notwendige getan wurde, um zu verhindern, daß die Tendenz tatsächlich dahin geht, die Notenbank quasi zu einem "Auslaufmodell" zu machen. Es ist die Frage zu stellen, welche Kompetenzen ihr verbleiben. Es ist weiters zu fragen: Sind die Bürger bereit, dafür weiterhin Steuermittel einzusetzen? Ist der Aufwand, der dort getrieben wird, gerechtfertigt? Sind die Privilegien einfach zur Kenntnis zu nehmen?

Diese Novelle zeigt deutlich die Absicht, Macht und Einfluß zu erhalten und sich um die öffentliche Meinung gewissermaßen am besten überhaupt nicht zu kümmern. Sie haben auch hier im Bundesrat sicherlich schon bemerkt, daß das nicht der Stil der Freiheitlichen ist. Daher werden wir dieser Novelle nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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639. Sitzung / Seite 89

15.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster ist Herr Bundesrat Dr. Kaufmann zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.18

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Mit der heutigen Novelle zum Nationalbankgesetz 1984 erfüllt Österreich eine weitere wichtige Voraussetzung für die Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Währungsunion.

Neben der Erfüllung der Konvergenzkriterien ist in dieser Legislaturperiode die Schaffung einer unabhängigen Notenbank einer der wichtigsten ordnungspolitischen Schritte. Es geht darum, die Nationalbank in das Europäische System der Zentralbanken einzugliedern. Wir verlieren zwar nationalstaatliche Kompetenz, gewinnen aber künftig im Rahmen der Mitgliedschaft in der Europäischen Zentralbank zusätzliche, internationale wirtschaftspolitische Gestaltungsmöglichkeiten auf der Basis einer gleichberechtigten Teilnahme aller Mitgliedsländer. Ich denke, das ist besonders wichtig, und möchte das meinem Vorredner vor Augen halten, weil er gemeint hat, daß wir nunmehr vollkommen weg von der künftigen Währungs- und Wirtschaftspolitik wären.

Ich meine, es ist auch wichtig, daß wir uns nicht mehr alleine an der Deutschen Bundesbank, an den Kursbewegungen der D-Mark orientieren, sondern daß der künftige Gouverneur der Nationalbank gleichberechtigt in Entscheidungsgremien der Europäischen Zentralbank vertreten sein wird.

Meine Damen und Herren! Vom Europäischen Währungsinstitut wurde auch die Novelle zum Nationalbankgesetz geprüft. Es wurde grünes Licht gegeben, und ich glaube, daß hier versucht wurde, durch eine sehr starke Veränderung der Kompetenzen des Generalrates und des Direktoriums eine objektive beziehungsweise unabhängige Nationalbank zu schaffen.

Der künftige Generalrat wird eine Art Aufsichtsratfunktion haben, wird aus zwölf Mitgliedern plus dem Präsidenten und Vizepräsidenten bestehen. Mein Vorredner, Kollege Harring, der jetzt nicht anwesend ist, hat gemeint ... (Bundesrat Dr. Bösch: Doch! Hier!) Entschuldigung, Herr Kollege, Sie sind früher dort gesessen. Bitte um Entschuldigung! Herr Kollege Harring hat gemeint, daß die Bankenvertreter im Aufsichtsrat sitzen und sich selbst über die Nationalbank kontrollieren. – Man muß wissen, daß 50 Prozent des Grundkapitals dem Bund gehören. Daher hat einerseits der Bund das Recht, Aufsichtsräte zu bestellen, andererseits ist es natürlich das Recht der Aktionäre, auf der Basis von 1 Million Euro einen Aufsichtsrat zu stellen. Ich meine, daß ist in jeder Aktiengesellschaft so und ist auch hier ähnlich konstruiert.

Damit die Unabhängigkeit dieses Gremiums verbessert wird, wird das Direktorium künftig öffentlich ausgeschrieben. Der Generalrat wird künftig der Bundesregierung einen Dreiervorschlag vorlegen müssen, und die Bundesregierung hat diesen Vorschlag dann dem Bundespräsidenten zur Bestellung des Gouverneurs und der Direktoriumsmitglieder vorzulegen. Ich gebe schon zu, daß das eine relativ komplizierte Konstruktion ist. Es gibt aber, glaube ich, keine bessere Lösung, um die Unabhängigkeit der Nationalbank zu garantieren und zu gewährleisten.

Kollege Harring hat auf die Kritik hingewiesen, die seitens der Freiheitlichen in den letzten Jahren bezüglich Gehälter und Pensionsregelungen in der Nationalbank zum Ausdruck gebracht wurde. Ich bin der Ansicht, daß man sehr wohl darüber diskutieren sollte, und doch sehr viele Reformschritte eingeleitet werden. Wenn man über die Funktion der Nationalbank spricht, so muß man darauf hinweisen, daß dieses Institut in den letzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet hat, daß die Oesterreichische Nationalbank, was die Geld- und Währungspolitik, die Finanzpolitik betrifft, ihre Aufgaben außerordentlich gut erfüllt hat. Wir können also stolz auf diese Leistungen sein, wer immer auch diese Aufgaben dort erfüllt.

Meine Damen und Herren! Mehr als zwei Jahrzehnte lang konnte trotz aller wechselnder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der innere und äußere Wert des Schillings stabil gehalten werden. Dies ist die Konsequenz aus der Hartwährungspolitik der Nationalbank und zeigt auch die Glaubwürdigkeit und Reputation dieses Institutes. Gerade die österreichische Währungspolitik ist damit zu einem Eckpfeiler der österreichischen Wirtschaftsperformance geworden.

Meine Damen und Herren! Selbst die innenpolitischen Diskussionen rund um die Privilegien der Nationalbank konnten das Image der Nationalbank als Hüterin der Währung in keiner Weise beeinträchtigen. Es gibt Umfragen, die bestätigen, daß 61 Prozent der Bevölkerung der Meinung


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sind, daß die Nationalbank jene Institution ist, das die höchste Vertrauenswürdigkeit in Österreich genießt. Es wurde auch ein Index erstellt, der eine Art Unabhängigkeitsindex der wichtigsten Notenbanken der Welt über einen Zeitraum von 40 Jahren ist, und hier wird der Oesterreichischen Nationalbank ein ausgezeichnetes Zeugnis ausgestellt. Sie rangiert neben der Deutschen Bundesbank an zweiter Stelle im Unabhängigkeitsindex.

Ein wichtiger Stabilitätsfaktor in diesem Zusammenhang ist die Einbindung aller gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere der Sozialpartner, in die Willensbildung der Nationalbank. Das war Ihre Kritik, daß hier rot-schwarzer Proporz vorherrsche. Es sind dies die Vertreter der Sozialpartner, und ich muß sagen, bei den Sozialpartnern herrschen nicht die Parteien, sondern sie sind Vertreter der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen. (Bundesrat DDr. Königshofer: Das ist ganz neu!) Kollege! Gerade diese Sozialpartner haben ... (Bundesrat DDr. Königshofer: Der Wirtschaftsbund oder der Bauernbund?)

Ich möchte gerne wissen, wieviel Vertreter auch Ihrer Fraktion bei den Sozialpartnern vertreten sind? – Genauso viele Vertreter, nicht in der Größenordnung ... (Bundesrat DDr. Königshofer: Welche Sozialpartner sitzen denn in der Nationalbank? Da sitzen die Raiffeisen und der Konsum drinnen! Das heißt, das sind die Sozialpartner!) Sie haben ein eigenes Verständnis für Sozialpartner. Erstens gibt es den Konsum seit langem nicht mehr. (Bundesrat Weilharter: Eben!) Zweitens ist die Struktur der Sozialpartner demokratisch aufgebaut, und es sind praktisch alle politischen Gruppierungen vertreten. Die Spitzen der Sozialpartner sind in diesen Gremien vertreten. Das ist eine vollkommen demokratisch organisierte Konstruktion. Ich weiß nicht, welche Probleme Sie mit diesen demokratischen Einrichtungen haben? – Jedenfalls ist wichtig, daß die Sozialpartner die Währungspolitik der letzten Jahrzehnte mitgetragen haben. Die Kombination, daß nämlich die Sozialpartner in der Nationalbank verankert sind, hat zum Wohl der österreichischen Wirtschaft und auch zum sozialen Frieden in diesem Lande beigetragen.

Die Nationalbank genießt auch international einen ausgezeichneten Ruf. Die österreichischen Banknoten gehören zu den fälschungssichersten der Welt. Ich möchte nur auf eine Kriminalstatistik aus den USA verweisen. Danach werden in den USA pro Jahr 2000 Fälle von Dollarfälschungen bekannt, in Österreich gibt es hingegen kaum Schillingfälschungen. Daß die Qualität oder das Know-how der Oesterreichischen Nationalbank europaweit gefragt ist, sieht man auch darin, daß die Nationalbank als Geldmacher, als Hersteller fälschungssicherer Eurobanknoten intensiv in diese Produktion miteingebunden ist.

Kollege Harring, nun zu Ihrer Kritik die Nationalbank betreffend: In den letzten Jahren – gerade zwischen 1993 und 1997 – ist es zu Strukturreformen und Personaleinsparungen in der Nationalbank gekommen. Sie haben auch die Reservefonds erwähnt, Kollege Harring. Dabei haben Sie wohl vergessen oder es ist Ihnen vielleicht entgangen, daß gerade in den Maastrichtkriterien verlangt wird, daß die Nationalbank nicht zur Staatsfinanzierung herangezogen werden darf. Darauf wird in diesem Nationalbankgesetz nochmals ausdrücklich hingewiesen. (Bundesrat Dr. Harring: Was hat das mit der Mindestreserve zu tun?) Sie wissen, daß gerade diese Fonds entsprechend angelegt sind und daß die Finanzierung und die Gewinne aus dem Fonds sehr wohl dem Bundesbudget zufließen. Wie gesagt: Zwischen 1993 und 1997 hat es nicht nur eine Strukturreform sowie Personaleinsparungen in der Nationalbank gegeben, sondern auch Einsparungen im Topmanagement. Die Anzahl der Abteilungen wurde reduziert, der Mitarbeiterstand wurde um 10 Prozent gesenkt.

Sie haben vorhin die Zweiganstalten erwähnt, Kollege Harring. Ich habe schon in der Ausschußsitzung bezüglich Zweiganstalten bewußt gesagt: Wir sind der Bundesrat, wir sind die Länderkammer und haben daher auch großes Interesse daran, daß die Nationalbank in den Ländern vertreten ist. (Bundesrat Dr. Harring: Kann ja stimmen!) Und daher haben wir – vor allem als Niederösterreicher – auch großes Interesse daran, daß die Zweiganstalt in St. Pölten erhalten bleibt. Die Funktion der Zweiganstalten ist primär jene, die Geldversorgung der heimischen Wirtschaft zu erfüllen. (Bundesrat Dr. Harring: Das kann nicht die einzige Funktion sein! Vielleicht gibt es viele andere!) Aber das ist sicherlich die wichtigste Funktion. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. ) Ja, das ist sehr nett.


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Zum Pensionsrecht: Es gibt einen Entschließungsantrag des Nationalrates aus dem Jahre 1996 mit der Absicht, das Pensionsrecht der Nationalbank abzuändern. Es hat hier Versuche gegeben, das in diese Novelle miteinzuarbeiten. Die Nationalbank hat nun von sich aus beschlossen, mit 1. Mai 1998 ein neues Pensionsrecht einzuführen, basierend auf der ASVG-Versicherung und entsprechender Pensionskassen. Es entfällt auch die weitere Dotierung der Pensionsreserven.

Kollege Harring, Sie haben erwähnt, die Nationalbank sei eine Art Auslaufmodell. (Bundesrat Dr. Harring: Nicht ich! Die Presse schreibt das!) Also gut, aber Sie haben es damit hier als Ihre Meinung zitiert. – Ich meine, die wichtigste Aufgabe der Nationalbank wird künftig sein, die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit der europäischen Notenbanken sicherzustellen. Dazu hat auch die Oesterreichische Nationalbank beizutragen. Die wichtigsten Funktionen werden künftig – und das sind sie auch heute schon – folgende sein: die Geldversorgung der heimischen Wirtschaft, die Banknotensicherheit zu gewährleisten, die Aufsicht über den österreichischen Finanzmarkt und auch die Haltung der Liquiditätsreserve und der Mindestreserven.

Sie haben kritisiert, daß die Mindestreserven nicht verzinst werden, Kollege Harring. Es ist ja eine der Hauptfunktionen der Nationalbank, daß sie Geldmengen aus dem Verkehr zieht, um damit inflationsdämpfend zu wirken. Das ist einer der wichtigsten Punkte, die man in der Volkswirtschaft lernt, bei Professor Streissler und Kollegen. (Bundesrat DDr. Königshofer: Wir haben keine Inflation!) Das ist die wichtigste Funktion der Nationalbank. Damit ist auch verbunden, daß man diese Geldmengen ja auch nicht verzinsen kann. Sonst würde das bedeuten, daß die einzelnen Geldinstitute quasi das Geld in der Nationalbank anlegen; und in diesem Fall sogar sehr sicher an. (Bundesrat Dr. Harring: Das stimmt!) Dies dient der Geldpolitik und daher geht meines Erachtens Ihre Kritik, daß das Geld nicht verzinst wird, ins Leere, weil die Funktion der Nationalbank ja in diesem Fall eine ganz andere ist. Sie zieht Geld aus dem Verkehr, um inflationsdämpfend zu wirken. (Bundesrat DDr. Königshofer: Wir haben aber keine Inflation derzeit!) Momentan nicht, aber das ist trotzdem eine der wichtigsten Funktionen. Seien wir dankbar dafür, daß wir keine Inflation haben! Daß wir in Österreich keine Inflation haben, ist ja ein Puzzlespiel aus mehreren Faktoren und einer der Faktoren ist jener, daß die Nationalbank entsprechend funktioniert.

Wenn man von den künftigen Aufgaben spricht, meine ich, daß eine der wichtigsten Aufgaben der Oesterreichischen Nationalbank jene ist, ihr Know-how auch an die Nachbarstaaten weiterzugeben. Wir diskutieren über die Ostöffnung, aber es ist genauso wichtig, Know-how an die nationalen Banken der Nachbarstaaten weiterzugeben und ihnen zu helfen, stabile Währungen zu schaffen.

Meine Damen und Herren! Ich meine, mit dieser Novelle wird ein wichtiger Schritt, nicht nur für ein geeintes Europa, gesetzt, sondern auch ein wichtiger Schritt für die gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion und somit auch für die Verbesserung des Wirtschaftsstandortes Österreich.

Vergessen wir nicht, daß gerade in den letzten zehn Jahren viele Arbeitsplätze, ja Tausende Arbeitsplätze, durch Währungsschwankungen verlorengegangen sind. Ich denke hier nur an unseren Nachbarstaat Italien, der durch eine Absenkung der Lira bewußt Wirtschaftspolitik betrieben hat.

Meine Damen und Herren! Eine gemeinsame Währung, zu der wir uns wohl alle bekennen, bedeutet einen großen Fortschritt im Interesse der Arbeitsplatzsicherung, im Interesse der österreichischen Exportwirtschaft und im Interesse der Menschen unseres Landes.

Meine Fraktion wird der Novelle zum Notenbankgesetz gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


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639. Sitzung / Seite 92

15.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Rauchenberger. – Bitte.

15.35

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Aufgrund der in Artikel 108 EG-Vertrag auferlegten Verpflichtung zur Umsetzung innerstaatlicher Rechtsvorschriften, einschließlich der Zentralbanksatzungen aller EU-Mitgliedstaaten, um das Europäische System der Zentralbanken einzurichten, sind das Bundesgesetz über die Änderung des Nationalbankgesetzes 1984 und die damit im Zusammenhang stehenden Gesetze Gegenstand dieser aktuellen Debatte.

Die Tätigkeit der Oesterreichischen Nationalbank rückt damit in einem noch weit stärkeren Ausmaß als bereits durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union in den Blickpunkt der interessierten Öffentlichkeit. Unbestritten ist, daß ein Informationsbedürfnis der Bevölkerung durch die bevorstehende Wirtschafts- und Währungsunion, im besonderen auf Auswirkungen für die nationale Notenbank und damit für die Sicherheit und Stabilität unserer Währung vorhanden ist und zudem einer ständigen Steigerung unterliegt.

Diesen Umstand und die seit Jahren in der öffentlichen Diskussion stehenden Fragen im Zusammenhang mit der österreichischen Notenbank beabsichtige ich daher, in der Debatte zur gegenständlichen Gesetzesvorlage etwas ausführlicher zu berücksichtigen. Dies auch deshalb, weil kein Anlaß besteht, der Bevölkerung wesentliche Fragen über die weitere Entwicklung der österreichischen Wirtschafts- und Währungspolitik vorzuenthalten. Andererseits aber auch deshalb, weil die Wirtschafts- und Währungspolitik der Oesterreichischen Nationalbank bisher sehr erfolgreich auf Herausforderungen der Zeit, wie Internationalisierung, Deregulierung und Liberalisierung des Kapitalverkehrs, ebenso wie auf die vor Jahren zu Recht geäußerte Kritik reagierte und dazu sehr konkrete Veränderungen einleitete und in verschiedenen Reformphasen bereits umsetzte.

Die Oesterreichische Nationalbank genießt in der Bevölkerung zu Recht hohes Ansehen als Hüterin einer stabilen Währung. Umso mehr gilt es, dieses Vertrauen auch für die Zukunft zu sichern. Wenn nun mit 1. Jänner 1999 die europäischen Staaten erstmals eine einheitliche Währung einführen, so entspricht dies dem Stabilitätsbedürfnis ihrer Bewohner und wird allgemein als Erfolg einer Entwicklung wirtschaftlicher und finanzieller Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten anerkannt. Durch die Euro-Initiative der Bundesregierung konnten die ursprüngliche Skepsis, ja auch die vorhandenen Ängste gegenüber der Währungsumstellung in der Bevölkerung erheblich abgebaut und gleichzeitig das Gefühl vermittelt werden, daß sich eben nur der Name und die Recheneinheit der Währung ändern werden, die Kaufkraft aber erhalten bleiben wird.

Damit dies aber auch tatsächlich eintritt, bedarf es bestimmter Rahmenbedingungen, unter anderem auch des vorliegenden Bundesgesetzes, mit dem diese Ziele verwirklicht werden sollen. Gegenwärtig ist die Satzung der Oesterreichischen Nationalbank im Nationalbankgesetz 1984 in der novellierten Fassung von 1993 festgelegt. Demnach ist die Oesterreichische Nationalbank eine Aktiengesellschaft. Sie verfügt über ein Nominale von 1,5 Milliarden Schilling. Das Stammkapital liegt zur Hälfte bei der Republik Österreich. Ihre Organisationsstruktur, also Generalversammlung der Aktionäre, Generalrat und Direktorium, spiegelt diese Rechtsform wider.

Der Generalrat besteht aus einem Vorsitzenden, dem Präsidenten, zwei Vizepräsidenten und elf weiteren nebenamtlichen Mitgliedern. Er leitet die Bank und trifft alle wichtigen geldpolitischen Entscheidungen. Das Direktorium, das aus dem Generaldirektor, der diesem vorsteht, dessen Stellvertreter und zwei bis vier weiteren Mitgliedern besteht, nimmt die Verwaltung und Leitung der Bank wahr. Der Generaldirektor hat dem Generalrat Bericht zu erstatten und nach Maßgabe der Richtlinien zu handeln. Ein Staatskommissär beaufsichtigt die Geschäftstätigkeit der Bank, um sicherzustellen, daß dem Nationalbankgesetz Folge geleistet wird.

Erlauben Sie mir, nach der kurzen Darstellung der gegenwärtigen Situation der Struktur der Nationalbank auf die wichtigsten Bestimmungen der Nationalbankgesetze inhaltlich einzugehen. § 4 des Nationalbankgesetzes 1984 beziehungsweise 1993, aufgrund dessen die Bank bei der Festlegung ihrer Geld- und Kreditpolitik der Wirtschaftspolitik der Regierung Rechnung zu tragen hat, wird durch folgende Bestimmung ersetzt:


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Im Rahmen des Gemeinschaftsrechtes, insbesondere der Artikel 2 und 105 des EG-Vertrages, hat die Oesterreichische Nationalbank mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln dahin zu wirken, das Ziel der Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisstabilität möglich ist, ist den volkswirtschaftlichen Anforderungen in bezug auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigungsentwicklung Rechnung zu tragen und die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft zu unterstützen.

Damit die Unabhängigkeit voll gewahrt werden kann, ist vorgesehen, daß bei der Wahrnehmung von Aufgaben der ESZB der Bank und den Mitgliedern ihrer Beschlußorgane ausdrücklich untersagt ist, Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft oder von EG-Mitgliedstaaten oder von anderen Stellen einzuholen oder entgegenzunehmen. In allen Angelegenheiten des ESZB geht die Entscheidungsgewalt vom Generalrat auf das Direktorium über, wodurch das Problem, daß die Generalratsmitglieder nur ehrenamtlich fungieren, gelöst wird. Dem Generalrat gehört nur ein Vizepräsident an, die Anzahl der Mitglieder dagegen ändert sich nicht. Die Mindestamtszeit des Präsidenten, also des Gouverneurs, des Vizepräsidenten, Vizegouverneurs und der beiden anderen Direktoriumsmitglieder wird künftig fix auf fünf Jahre erhöht. Bisher war es bis zu fünf Jahren. Die Definition der Gründe für ihre etwaige Entlassung wird im Sinne von Artikel 142 der ESZB-Satzungen angepaßt. Nebentätigkeiten, die zu Zweifeln an ihrer persönlichen Unabhängigkeit Anlaß geben könnten, werden untersagt. Es wird ferner eine Bestimmung eingeführt, nach der der Präsident, Gouverneur, oder der Vizegouverneur in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des EZB-Rates und des erweiterten Rates der EZB nicht an Beschlüsse des Direktoriums und des Generalrates gebunden sind.

Die Befugnisse des Staatskommissärs werden reduziert, es verbleibt ihm nur noch das Recht, an der Generalversammlung der Aktionäre sowie an den Sitzungen des Generalrates mit beratender Stimme teilzunehmen. Die Einbindung in das ESZB und anderer Rechtsvorschriften wird durch Bestimmungen eingeführt, deren zufolge die Bank integraler Bestandteil des ESZB ist und bei der Verfolgung von Aufgaben der ESZB entsprechend den Leitlinien und Weisungen der EZB zu handeln hat. Außerdem werden die Bestimmungen über die Beteiligung an internationalen Währungseinrichtungen und die Ausgabe von Banknoten abgeändert.

Die im Gesetzentwurf enthaltenen Bestimmungen zur Gewährleistung der personellen Unabhängigkeit der Direktoriumsmitglieder treten am Tage der Errichtung der EZB in Kraft. Für den Rest von Stufe zwei wird eine Übergangsregelung vorgesehen, durch die das Direktorium vor Beeinträchtigungen durch den Generalrat in Angelegenheiten, die die Vorbereitung von Stufe drei durch die Bank betreffen, geschützt wird. Alle sonstigen Bestimmungen treten an dem Tag in Kraft, an dem Österreich die einheitliche europäische Währung einführen wird.

Wie ich bereits in meiner Einleitung ausführte, gelang es der Oesterreichischen Nationalbank – neben der Wahrnehmung währungspolitischer Aufgaben – insbesondere in den letzten Jahren, eine grundlegende und systematische Unternehmenserneuerung umzusetzen. Aufgrund der in der Öffentlichkeit wiederholt irreführenden Darstellung vermeintlich vorherrschender Privilegien erachte ich es in meinem Beitrag für notwendig, dazu einige Klarstellungen zu geben und von verschiedenen Reformschritten zu berichten.

So wie zahlreiche nationale und internationale Unternehmungen unterzog sich auch das Unternehmen Oesterreichische Nationalbank im vorangegangenen Jahrzehnt einer verstärkten Organisationserneuerung mit gravierenden Auswirkungen auf die Personalstruktur. Die Reformmaßnahmen waren unter anderem gravierende Einsparungen im Bereich der Bezüge der Bankleitung sowie eine Verringerung der Zahl der Führungspositionen in der oberen und mittleren Leitungsebene. Die Anzahl der Direktoren wurde von sechs auf vier reduziert, die Verträge der neuernannten Direktoren wurden der Gehaltspyramide unterworfen, die Hierarchiestufe der Direktor-Stellvertreter wurde vollständig abgeschafft. Durch die Reorganisation wurden insgesamt sieben Abteilungen und damit verbunden auch einige Abteilungsleiter eingespart. Dies entspricht einer Verringerung um 16 Prozent. Bis Ende Dezember 1997 wurde der Mitarbeiterstand – in Kombination mit Aufgabenentlastungen und Reduzierung der Zahl der Abteilungen – von 1 234 auf 1 114, also um 120, gesenkt, was einer Verringerung von rund 10 Prozent entspricht. Die Reformmaßnahmen brachten im Personalbereich eine prognostizierte, kumulierte


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Einsparung von rund 750 Millionen Schilling. (Bundesrat DDr. Königshofer: Unsere Forderungen haben schon Wirkung!)

Im internationalen Vergleich verfügt die Oesterreichische Nationalbank angesichts der Mitarbeiterzahl der Zweigstellen pro 100 000 Einwohner zusammen mit jenen der niederländischen Zentralbank über das schlankste Europas. Zudem wurden weitreichende Änderungen der Dienstbestimmungen, insbesondere bei den Pensionskonditionen der Dienstnehmer sowie den freiwilligen Sozialleistungen der Bank beschlossen. Das gegenständliche Bundesgesetz nimmt zudem Bezug auf das bestehende Pensionssystem der Oesterreichischen Nationalbank gemäß Entschließungsantrag Nr. 58/E vom 15. Mai 1997, demzufolge dieses Pensionssystem mit der vorliegenden Novelle verändert werden soll.

Konkret ist dazu vorgesehen, daß ab 1. Mai 1998 neu eintretende Mitarbeiter der Oesterreichischen Nationalbank dem ASVG-System unterstellt werden. Zusätzlich ist die Schaffung einer Pensionskasse vorgesehen, deren konkrete Bedingungen derzeit in Verhandlung stehen, jedoch soll eine Angleichung an die für die EZB geltende Regelung getroffen werden. Rund 150 Personen unterliegen bereits seit ihrem Eintritt in die Oesterreichische Nationalbank nach 1993 einer Neuregelung im Pensionssystem. Sie leisten bereits einen Pensionsbeitrag von 10,25 Prozent bis zur Höchstbemessungsgrundlage nach den Bestimmungen des ASVG und für den allfällig darüberliegenden Betrag einen von 2 Prozent. Die vor 1993 in den Dienst der Nationalbank getretenen Mitarbeiter leisten einen Pensionsbeitrag von 2 Prozent ihres jeweiligen Einkommens ohne Begrenzung nach oben. Auch hinsichtlich des Zugangs zur Pension, Vordienstzeiten, Anwartschaften und Lebensalter, wurden seit 1992 deutliche Einschnitte gegenüber den ursprünglich geltenden Bestimmungen und Möglichkeiten vorgenommen.

Insgesamt kann sich das Unternehmen Oesterreichische Nationalbank heute ohne Probleme jedem Vergleich mit anderen modernen Dienstleistungsbetrieben stellen. Es gibt nicht mehr Sozialleistungen als anderswo. Ebenso entspricht die Entlohnung von Mitarbeitern den vergleichbarer Sektionen. (Bundesrat Dr. Harring: Das glauben Sie selbst nicht!) Alle anderen Behauptungen sind von Neidkomplexen geleitet, Herr Dr. Harring!

Stimmt es, daß Sie Bankangestellter sind? (Bundesrat Dr. Harring: Das ist keine Frage!) Wunderbar! Dann habe ich ein Beispiel für Sie. Sie haben vorhin die 17,5 Gehälter kritisiert. Ich nehme an, daß Sie als Bankangestellter auch dem Bankenkollektivvertrag unterliegen. (Bundesrat Dr. Harring: Nein!) § 13 Abs. 4 des Bankenkollektivvertrages ist eine Regelung, die auf Sozialpartnerebene verhandelt wurde und für viele Bankangestellte Österreichs gilt. Darf ich sie Ihnen vorlesen? Darf ich sie Ihnen erklären? (Bundesrat Dr. Harring: Ich habe einen anderen Kollektivvertrag!) Dann sind Sie doch von Neid getragen. Entschuldigen Sie! Wenn Sie als einziger Bankangestellter diese Regelung nicht haben, dann tut es mir leid. (Bundesrat Dr. Harring: Lesen Sie Ihren Text weiter vor, weil Sie verstehen wirklich nichts!)

Hören Sie mir zu, und urteilen Sie dann. § 13 Abs. 2 Bankenkollektivvertrag sieht vor, daß, wenn jemand in Pension geht, er ein Anrecht auf ein Jahresgehalt plus zwei Monatsgehälter hat. Ein Jahresgehalt beträgt nach dem Bankenkollektivvertrag 15 Monate. Wenn man zu dem zusätzlich die Sonderzahlungen dazurechnet, kommt man auf zweieinhalb Monate. Damit haben Sie 17,5 Monate, und die sind im gesamten Bankenbereich Österreichs üblich. Das ist eine Kollektivvertragsregelung. Daher ist es eine Unterstellung, wenn Sie behaupten, das sei ein Privileg, die von Neid getragen ist. (Bundesrat Dr. Harring: Es gibt vier verschiedene Banken-Kollektivverträge!) Das ist durchaus möglich. (Bundesrat Dr. Harring: Dann behaupten Sie doch nicht so einen Unsinn!)

Ich behaupte, daß das ein Bestandteil eines Kollektivvertrages ist. (Bundesrat Dr. Harring: Das gilt nur für die Aktienbanken!) Ja, natürlich. (Bundesrat Dr. Harring: Das ist mutig, herauszugehen, etwas zu sagen, was nicht stimmt!) Freilich ist es mutig. Es ist genauso mutig, sich herzustellen und immer wieder Neidkomplexe zu schüren. Sie wollen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, Herr Kollege Dr. Harring, daß in Anerkennung unseres Rechtsstaates in bestehende Verträge nicht eingegriffen werden kann. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Harring. ) Das ist


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bestehendes Recht. Das ist Kollektivvertrag. Das ist Recht. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. )

Lassen Sie mich zum Abschluß kommen. Um die Teilnahme Österreichs an der Währungsunion zu gewährleisten, muß die Nationalbank die Voraussetzungen für die Teilnahme am ESZB schaffen. Zur Sicherstellung dieser Voraussetzungen dienen nicht nur das vorliegende Bundesgesetz, sondern auch umfangreiche organisatorische und rechtliche Anpassungen. Wichtige Schritte wurden dazu bereits in den vorangegangenen Jahren gesetzt. Nun erfolgt im Interesse Österreichs der Übergang zur Wirtschafts- und Währungsunion mit einer von der EZB getragenen Politik und dem Euro, einer gemeinsamen Währung als Stabilitätsfaktor in Europa.

Im Vertrauen auf diese Politik und Währung wird meine Fraktion daher gegen dieses Gesetz keinen Einspruch erheben, und auch ich stimme gerne zu. (Beifall bei der SPÖ.)

15.50

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat DDr. Königshofer. – Bitte.

15.50

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Vielleicht darf ich zuerst den Irrtum des Kollegen Rauchenberger in bezug auf die Kollektivverträge aufklären. Er spricht vom Bankenkollektivvertrag, der aber nur für die Angestellten der österreichischen Aktienbanken gilt. Daneben gibt es noch drei andere Kollektivverträge, nämlich jenen für die Angestellten der Österreichischen Sparkassen, jenen für die Angestellten der Genossenschaftsbanken nach dem Prinzip Schulze und Delitsch, das sind die Volksbanken, und jenen für die Raiffeisenbanken. Soweit mir bekannt ist, ist Herr Kollege Harring nicht Mitarbeiter einer Aktienbank, sondern Direktor einer Raiffeisenbank. Daher ist das, was Herr Kollege Rauchenberger hier verzapft hat, objektiv unrichtig. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber nun zur Sache, meine Damen und Herren! Dieser vorliegende Gesetzesbeschluß bringt nur einige marginale und – ich würde auch sagen – formale Änderungen einschlägiger Gesetze mit sich. Dabei stehen wir vor einer ganz gravierenden Änderung der währungspolitischen und monetären Rahmenbedingungen in Europa. Und gerade diese Änderung sollten einmal grundsätzliche Fragen in bezug auf eine Neupositionierung der Oesterreichischen Nationalbank aufwerfen.

Meine Damen und Herren! Wir gehen der Vollendung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion entgegen. Die dritte Stufe sieht die Einrichtung einer Europäischen Zentralbank mit Sitz in Frankfurt am Main vor, und diese Zentralbank soll eine von der Politik unbeeinflußte Währungspolitik in Europa für den Euro machen. Die OeNB verliert damit ganz wesentliche Kompetenzen und ist nur mehr ein kleiner Teil eines größeren Ganzen, nämlich ein Teil dieser Europäischen Zentralbank. Sie wird keine eigene Währungspolitik mehr machen können. Die Währungspolitik der Oesterreichischen Nationalbank hat sich ohnehin in der Vergangenheit auf die D-Mark-Anbindung reduziert, aber immerhin war sie noch frei in ihrer Entscheidung, nämlich die Entscheidungen der Deutschen Bundesbank nachzuvollziehen oder nicht.

Die Oesterreichische Nationalbank wird auch keine eigene Zinspolitik mehr machen können. Auch diesbezüglich hat sie schon jahrelang mit der Deutschen Bundesbank gleichgezogen, aber sie war immerhin in der Entscheidung frei, diese Vorgaben nachzuvollziehen oder nicht.

Die Devisenbewirtschaftung haben wir ohnehin schon seit Jahren hinter uns, weil seit November 1991 die Devisenliberalisierung in Kraft getreten ist. Seither ist der freie Geldverkehr möglich, allerdings hat die Nationalbank bisher auf einer Meldepflicht, die völlig unverständlich ist, bestanden. Es hat schwere Strafen für den Fall gegeben, daß ein österreichischer Bürger in München oder Frankfurt ein Konto eingerichtet hat, ohne dies der Nationalbank zu melden.

Somit reduzieren sich die Aufgaben der Nationalbank letztendlich auf den Bereich der Geldversorgung, der auch schon angesprochen wurde. Unter "Geldversorgung" versteht man den Druck


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der Banknoten und die Verteilung. Ich will jetzt nicht über die Münzen reden, das macht die Münze Österreich, eine Tochtergesellschaft der Nationalbank. Die Nationalbank hat eine neue Druckerei gebaut in der Hoffnung, auch aus Europa Aufträge zu bekommen, um für andere Staaten Euro-Geldscheine drucken zu können. Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, daß Österreich nicht das einzige Land ist, das eine moderne Druckerei gebaut hat. Ich sage Ihnen nur, in Deutschland gibt es zwei noch modernere und noch größere Druckereien dieser Art, nämlich in München und in Berlin. Nach einem Kostenvergleich wird sich herausstellen, wer günstigere Angebote stellt und wer weniger günstigere. Ich bin neugierig, ob letztendlich jeder österreichische Euro in Österreich gedruckt werden wird, wenn die Kosten nicht entsprechend passen.

Weiters geht es um die Verteilung des Geldes über die Zweigstellen. Kollege Kaufmann spricht in diesem Zusammenhang von der großartigen Notwendigkeit, daß man die Zweigstellen in den Landeshauptstädten braucht, um die Banknoten dort zu verteilen. Herr Kollege Kaufmann! Es gibt doch heute ganz andere Instrumentarien, um das Geld zu verteilen – den Wertbrief der Post habe ich nur scherzhaft angesprochen. Ich kann, wenn ich als Nationalbank den Sitz in Wien habe, das Geld direkt an die Zentralen der großen Banken liefern, an eine Bank Austria, an eine CA, an eine Raiffeisen-Zentralbank, an eine ÖVAG, und diese können dann das Geld an ihre Tochterbanken oder ihre Filialen verteilen, eventuell unter Inanspruchnahme privater Sicherheitsdienste, wie das ohnehin schon am Land gang und gäbe ist. Da gibt es die Firmen Protectas, Securitas und andere.

Meine Damen und Herren! Sie sehen, daß die Oesterreichische Nationalbank kaum mehr echte währungs- und devisenpolitische Aufgaben hat, und deshalb wäre es notwendig, diese Nationalbank radikal abzuschlanken und ihr andere Aufgaben zuzuweisen. Ein sogenanntes Lean-Banking-Konzept, das für viele Geschäftsbanken entworfen wurde, wäre auch für die Nationalbank höchst wünschenswert. Das bedeutet: eine radikale Personalreduktion nicht nur in den Filialen, sondern auch in der Zentrale in Wien, weil einfach die Aufgabenstellung nicht mehr so sein wird, wie sie noch heute ist oder vor fünf oder zehn Jahren war. Ich fordere auch die Auflassung sämtlicher Zweigstellen in den Bundesländern und die Veräußerung der damit verbundenen Sachanlagen, also die Veräußerung der Gebäude, der Grundstücke und der sonstigen Einrichtungen. Mit diesen außerordentlichen Erträgen, meine Damen und Herren, kann man über die Nationalbank eine indirekte Wirtschaftsförderung betreiben.

Nun komme ich in diesem Zusammenhang auf die Senkung der Mindestreservensätze zu sprechen. Wenn man Gelder zusätzlich einnimmt, dann wird es wohl leicht möglich sein, die Mindestreserven, die die Banken unverzinst zu deponieren haben, zu senken. Es ist überhaupt nicht einzusehen – Kollege Kaufmann hat von Inflation gesprochen –, daß wir in einer Zeit, in der wir nominell nur mehr 1 Prozent Inflationsrate haben – in Wirklichkeit sind wir am Weg in eine deflationäre Entwicklung; der Warenkorb ist nur mehr eine theoretische, eine fiktive Kennzahl –, eine derart restriktive Geldpolitik betreiben. Die Mindestreservensätze, die sich auf die einzelnen Spar- und Giroeinlagen der Banken aufteilen und danach abzuliefern sind, könnten zurückgenommen werden. Das heißt, es käme zu einer Entlastung der Geschäftsbanken, und diese könnten die Zinsvorteile an ihre Kunden, also sowohl an die Sparer als auch an die Geschäftskunden, weitergeben.

Die Nationalbank könnte auch folgendes machen: Sie könnte mit dem Geld, das hier hereinkäme, einen Fonds auffüllen, der zur Haftungsübernahme für Jungunternehmer herangezogen würde. Damit würde der Start von neuen Betrieben wesentlich vereinfacht werden, weil es zu einer Risikoteilung der Kapitalgeber käme. Wenn zum Beispiel ein Jungunternehmer 2 Millionen braucht, er aber nur für 1 Million eine Bankhaftung bekäme, dann ist es sicherlich leichter, auch die zweite Million in Form eines Kredites zu bekommen, weil die Geschäftsbank dann nicht mehr das alleinige Risiko für 2 Millionen zu tragen hätte. – Das wäre mein Vorschlag.

Weitere notwendige Maßnahmen wären die Auflösung von nicht betriebswirtschaftlich und sozialpolitisch notwendigen Rücklagen, die in Milliardenhöhe bestehen und die eine Manövriermasse für steuer- und abgabensenkende Maßnahmen darstellen würden.


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Meine Damen und Herren! Ich nenne einmal die Größenordnung der Rücklagen der Nationalbank laut Jahresabschluß 1996. Da gibt es einen allgemeinen Reservefonds in der Größenordnung von 19,5 Milliarden Schilling, eine freie Reserve in Höhe von 28 Milliarden Schilling, eine Reserve aus valutarischen Kursdifferenzen in Höhe von 36,2 Milliarden Schilling, andere Reserven in der Höhe von 7,3 Milliarden Schilling und eine Pensionsreserve in der Höhe von sage und schreibe 23,5 Milliarden Schilling. Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen eines: Diese Pensionsreserve ist weder sozial- noch betriebswirtschaftlich notwendig, denn die Pensionen für die Nationalbankangestellten werden aus den laufenden Erträgen bezahlt, und eine Rücklagenbildung in dieser Größenordnung ist nicht notwendig. Geben Sie sie endlich frei! Ringen Sie sich durch! Der Finanzminister wartet auf dieses Geld! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Abschließend möchte ich noch auf die Eigentümerstruktur zu sprechen kommen, wobei Herr Kollege Kaufmann auch gesagt hat, hier gebe es demokratisch-sozialpartnerschaftliche Gegebenheiten. Ich sage Ihnen eines: Dem ist nur teilweise so. Dazu darf ich Ihnen die bisherige Eigentümerstruktur der Nationalbank noch einmal mitteilen, weil sie nicht allgemein bekannt sein dürfte. Im Jahr 1955, im Zuge der Neuordnung der Rechtsverhältnisse, hat die damalige Bundesregierung der ÖVP und SPÖ und ihr nahestehenden Organisationen zugestanden, Aktien der Nationalbank zum Nominalwert zu erwerben.

Somit haben wir folgende Eigentümerstruktur: Die Republik Österreich besitzt 50 Prozent der Nationalbank, die Raiffeisen-Zentralbank 8,67 Prozent, die Wirtschaftskammer 8,33 Prozent, der ÖGB 8,33 Prozent, die P.S.K.-Beteiligungsverwaltung 8,33 Prozent, die Bank Austria Industrie-Holding 4,26 Prozent, die BAWAG 3,6 Prozent, die Wiener Städtische Versicherung 0,46 Prozent – dann kommt das schwarze Pendant dazu –, die Bundesländer Versicherung 2,67 Prozent. So geht es weiter bis zu den Raiffeisen-Landesbanken von Tirol und Vorarlberg. In Summe gibt das sechs Sitze im Generalrat, drei werden von ÖVP-Vertretern und drei von SPÖ-Vertretern ausgeübt.

Herr Bundesminister! Ich mache jetzt noch einmal den Vorschlag – wie wir das schon im Zuge einer dringlichen Anfrage gemacht haben –: Überlegen Sie, ob man nicht die Eigentümerverhältnisse der Nationalbank so ändern könnte, daß nicht nur der Bund und Parteiorganisationen Eigentum halten, sondern daß auch die Länder und Gemeinden am Eigentum der Nationalbank partizipieren. Denn das wäre eine föderalistische Maßnahme, wenn zum Beispiel der Bund ein Drittel, die Bundesländer ein Drittel und auch die österreichischen Gemeinden – zumindest die größeren – ein Drittel des Vermögens, des Kapitals der Nationalbank hielten. Denn dann würde auch der Gewinn der Nationalbank in föderalistischem Sinne verteilt und nicht so, wie es jetzt laut Artikel 1 Ziffer 60 vorgesehen ist, daß der Bund 90 Prozent des Reingewinnes der Oesterreichischen Nationalbank vorweg erhält.

Meine Damen und Herren! Die massiven Änderungen der Rahmenbedingungen – wie ich sie eben aufgezeigt habe – durch die Umstellung der Währung fordern geradezu eine strategische Neupositionierung dieser Oesterreichischen Nationalbank – vielleicht in dem Sinne, wie ich sie eben in einigen Bereichen zu skizzieren versucht habe. Reine Formalkosmetik, wie sie hier vorliegt, im Hinblick auf Euro und Europäische Zentralbank ist entschieden zuwenig, und deshalb können wir Freiheitliche dem vorliegenden Gesetzesbeschluß nicht die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.02

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schöls. – Bitte.

16.02

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe an und für sich die Absicht gehabt, meine Wortmeldung zurückzunehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mühlwerth: Schade, daß Sie es nicht gemacht haben!) Aber als Kollege Dr. Königshofer vom Rednerpult aus Strategien der Freiheitlichen verkündet hat, ist mir eingefallen, daß es in der Oster


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liturgie den Spruch des Herrn gibt: Noch ehe der Hahn dreimal kräht, wirst du mich verraten haben.

Es hätte mich gewundert, Herr Dr. Königshofer, wenn es Ihnen und der freiheitlichen Verunsicherungstruppe gelungen wäre, noch ehe sich die heutige Bundesratssitzung dem Ende zuneigt (Beifall bei ÖVP und SPÖ – Bundesrat Eisl: Das würde ich nach der niederösterreichischen Landtagswahl nicht sagen!) , Ihre Worte, die wir heute über Konsultationsmechanismus, über Föderalismus, über mehr Mitwirkung gehört haben, nicht selbst zurückzunehmen.

Herr Dr. Königshofer! Wenn Sie Kollegen Dr. Kaufmann ins Lächerliche ziehen, weil er für Zweiganstalten in den Bundesländern eintritt, und heute in der Früh gesagt haben, der Bundesrat und die frei gewählten Bundesräte haben die Aufgabe, Länderinteressen zu vertreten (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer ), so darf ich Ihnen mitteilen, daß es die offizielle Stellungnahme des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung, datiert mit 9. Dezember 1997, an das Bundesministerium für Finanzen, in Durchschrift auch an das Präsidium des Nationalrates, gibt, in der das Land Niederösterreich, dessen Landtag gestern die niederösterreichischen Bundesräte wieder in dieses Hohe Haus entsandt hat, darauf besteht, daß die Zweiganstalt in St. Pölten bestehen bleibt. Kollege Dr. Kaufmann hat sonst nichts gemacht als das, von dem Sie heute in der Früh mit weinerlicher Stimme beklagt haben, daß wir es nicht machen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Nein! Kein Mensch hat hier geweint, Herr Kollege!)

An den Taten haben wir Sie erkannt. Ehe die heutige Sitzung zu Ende ist, haben wir wieder gesehen, was Sie machen wollen: destabilisieren, reden, damit die Zeit vergeht, und Aussagen machen, damit Sie in den Zeitungen stehen und als Weltverbesserer dastehen. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. – Da werden wir nicht mitmachen, und daher habe ich meine ursprüngliche Wortmeldung, die ich storniert hatte, noch einmal aufgenommen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Prähauser. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

16.05

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich möchte mich bei all meinen Vorrednern für ihre Ausführungen bedanken. Kollegen Rauchenberger und Kollegen Kaufmann danke ich dafür, daß sie in einer akribischen Einzeldarlegung die Problematik verständlich aufgelistet und uns allen klargemacht haben, worum es bei dieser Materie geht; Kollegen Schöls dafür, daß er Ungereimtheiten hier klargestellt hat; aber auch den Kollegen Harring und Königshofer möchte ich danken, weil sie uns zumindest ansatzweise den Anschein vermittelt haben, sich mit der Materie, über die sie gesprochen haben, auch auseinandergesetzt zu haben; ganz im Gegensatz zu ihren fünf Rednern im Nationalrat, bei denen ich in keinem einzigen Satz – ich habe mir das genau durchgelesen – feststellen konnte, daß es dort tatsächlich jemandem um die Sache gegangen ist. Das möchte ich hier aber unterstreichen. Daß Sie subjektive Darstellungen abgeben, sei Ihnen als Opposition zugestanden, aber denken Sie daran: Nicht alle sind im Finanz- oder Bankgeschäft tätig, auch andere Sichtweisen müssen im Interesse Österreichs angebracht werden.

Die Novelle zum Nationalbankgesetz ist notwendig geworden, weil die Europäische Zentralbank demnächst entstehen wird und damit wesentliche Kompetenzen der Währungs- und Finanzpolitik delegiert werden. Nachdem ich eingangs schon gesagt habe, daß die Freiheitlichen nicht immer den Eindruck machen, sich mit der Materie auseinanderzusetzen, darf ich einen Absatz aus dem Bericht des Finanzausschusses zitieren, damit wir alle zumindest den gleichen Wissensstand haben:

Der vorliegende Gesetzentwurf dient der Vorbereitung der Einführung der gemeinsamen europäischen Währung – Euro. Gemäß Artikel 108 EG-Vertrag sind alle EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, sicherzustellen, daß ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften einschließlich ihrer Zentralbanksatzungen spätestens zum Zeitpunkt der Errichtung des Europäischen Systems der Zentralbanken – ESZB – mit dem EG-Vertrag und mit der ESZB-Satzung in Einklang stehen.


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Mit gegenständlichem Sammelgesetz sollen nun die mit der Oesterreichischen Nationalbank in Zusammenhang stehenden legistischen Anpassungserfordernisse umgesetzt werden. Die Neuerungen wurden gleichzeitig zum Anlaß der Umsetzung von innerstaatlichem Änderungsbedarf und erforderlichen Rechtsbereinigung genommen. – Soweit dieser Absatz aus dem Entwurf.

Aus der Anlage der europäischen Geldpolitik tritt nun die Oesterreichische Nationalbank als Mitspielerin in das Zentrum des Systems der Europäischen Notenbank. Dabei geht es um Kompetenzen, die an die EZB abgeführt werden müssen, inhaltlich geht es aber auch um mehr Mitwirkung, um mehr Mitspracherecht. Vom bloßen Nachvollziehen deutscher Geldmarktpolitik wird die heimische Nationalbank damit zur aktiven Gestalterin und Mitgestalterin des Europäischen Währungssystems.

In der ihr übertragenen Rolle hat die Nationalbank primär die Aufgabe, für einen stabilen Euro und Preisstabilität zu sorgen. Das ist wichtig, das ist die erste – ich möchte es sogar so sagen – hehre Aufgabe einer Notenbank.

Ich bin sehr froh darüber, meine Damen und Herren, daß der österreichische Gesetzentwurf von der in vielen Mitgliedstaaten geübten Gepflogenheit, die Preisstabilität zu einem Götzen zu erheben, abgeht und die Berücksichtigung der Beschäftigungsentwicklung in den Zielkatalog mitaufgenommen hat. Ich persönlich hätte mir noch eine stärkere Betonung der Arbeitsplatzsicherung gewünscht, denn der Euro als einigende Kraft in einem immer stärker verschmelzenden Europa kann nur dann die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen, wenn er von der Bevölkerung akzeptiert wird, und diese Akzeptanz wird in erster Linie von der Preisstabilität, aber auch und nicht zuletzt von den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt abhängen.

Die heute zu beschließende Novelle ist eine solide Basis für die Einführung des Euro in Österreich. Die Nationalbank wird nachhaltig abgesichert und gleichzeitig mit jener Schlagkraft ausgestattet, die unsere Notenbank für eine führende Rolle im EZB-System brauchen wird.

Wenn seitens der Freiheitlichen Partei die Auffassung vertreten worden ist, daß die Novelle raschest zurückgezogen werden – so waren Ihre Debattenbeiträge im Nationalrat ausgerichtet – und in der Versenkung verschwinden sollte, müßte man natürlich schon bedenken, was eine derartige Forderung nach sich zöge. Das hieße nichts anderes, als daß das sehr wichtige Datum, das von Österreich einzuhalten ist, um sämtlichen Kriterien der Währungsunion gerecht zu werden, von Österreich versäumt würde. Das heißt, wir haben mit der Vorlage dieser Gesetzesnovelle die zeitlich letzte Möglichkeit, diesem so wichtigen Formalkriterium zu entsprechen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten konnten trotz aller wechselnden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowohl der innere als auch der äußere Wert des Schilling stabil gehalten werden. Auch wichtig für jegliche derartige Situation, insbesondere für die Nationalbank als die für die Währungspolitik zuständige Institution, ist, daß ein hohes Ausmaß an Reputation vorhanden ist, daß ein hohes Ausmaß an Glaubwürdigkeit vorhanden ist.

Eine Umfrage aus der letzten Zeit ist ein Beweis dafür, daß diese Institution "Oesterreichische Nationalbank" trotz aller Diskussionen eine hohe Reputation sowie eine hohe Glaubwürdigkeit genießt. Nach dieser Umfrage sind 61 Prozent der Bevölkerung der Meinung, daß die Nationalbank jene Institution ist, die am meisten als vertrauenswürdig angesehen wird. Das ist nach der Polizei die zweite Institution in Österreich, der man hohe Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit beimißt.

Was die Unabhängigkeit anlangt, können wir, so glaube ich, auf die bisherige Performance der Oesterreichischen Nationalbank im europäischen Vergleich, ja sogar im internationalen Vergleich stolz sein. Ein Unabhängigkeitsindex, der nicht nur die europäischen, sondern auch die Banken beispielsweise der USA, Kanadas und Australiens umfaßt, besagt, daß die Oesterreichische Nationalbank nach der von Deutschland über den Zeitraum der letzten 40 Jahre mit 65 Prozent die höchste Unabhängigkeit im Vergleich zu allen anderen Nationalbanken hat. Das sollte man auch sagen, wenn man es weiß. Es schadet nicht, etwas dazuzulernen.


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Wir werden mit diesem Schritt keinesfalls Gestaltungsmöglichkeiten für Österreich in der künftigen Währungspolitik aufgeben. Wir werden mit dem künftigen Gouverneur dieser Oesterreichischen Nationalbank Sitz und Stimme im Rat der Europäischen Zentralbank haben und damit natürlich gleichberechtigt mit allen anderen, die in diesem Rat sind, die künftige Währungspolitik in Europa beeinflussen.

Bis jetzt haben wir immer das nachvollzogen, was in Deutschland vorgegeben worden ist; in Hinkunft können wir gleichberechtigt mitstimmen. Das ist der wesentliche Unterschied. Das sollte auch festgehalten werden.

Es ist über eine enorme Aufblähung des Mitarbeiterstabs der Oesterreichischen Nationalbank diskutiert worden. Wir haben uns die Vergleichsdaten von anderen größeren Ländern besorgt. Wir haben in Österreich etwas mehr als 1 000 Beschäftigte in der Oesterreichischen Nationalbank. Die Bundesrepublik Deutschland beschäftigt in diesem Bereich rund 15 000 Mitarbeiter. Wir wissen aber, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht 15mal mehr Einwohner als Österreich hat. In Frankreich gibt es 18 000 Beschäftigte auf diesem Sektor; auch Frankreich hat keine 18mal größere Bevölkerung als Österreich.

Man kann kritisieren, man soll Verbesserungsvorschläge machen, aber man soll Österreich und die österreichischen Institutionen dadurch nicht in Mißkredit bringen und schlechter darstellen, als sie im internationalen Wettbewerb sind. Das sollte man auch betonen und nicht vergessen. Das sind wir unserem Österreich schuldig!

Wir können zweifellos auf die Leistung der Oesterreichischen Nationalbank stolz sein, und wir gehen davon aus, daß in Hinkunft im Rahmen der gleichberechtigten Mitbestimmung der Oesterreichischen Nationalbank in der künftigen europäischen Währungspolitik genau dieselbe Stabilität für unsere Währung gegeben sein wird wie in der Vergangenheit und daß die großartige Performance auch in den kommenden Jahrzehnten beibehalten wird. – Die Sozialdemokraten stimmen diesem Antrag zu. (Beifall bei der SPÖ.)

16.13

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Scherb. – Bitte.

16.14

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie wir aus den Diskussionen der vergangenen Zeit hinlänglich wissen, haben die Währungsunion und die Einführung des Euro Vor- und Nachteile. Einerseits verursacht der Prozeß der Währungsumstellung enorme Kosten bei Wirtschaft, Behörden und Körperschaften. Die Gemeinden werden auf der einen Seite von der Umstellung enorm belastet werden, ohne daß diese Gemeinden auf der anderen Seite Vorteile aus der Währungsunion lukrieren können.

Andererseits gibt es natürlich auch Einsparungspotentiale, zum Beispiel beim Auslandszahlungsverkehr und auch bei gewissen Institutionen wie der Nationalbank. Es ist erschreckend und gleichzeitig ein weiterer Beweis dafür, welche negativen Auswirkungen das rot-schwarze Proporzsystem für Österreich hat, wenn man sieht, daß mögliche Einsparungspotentiale absichtlich nicht genutzt werden.

Diese Novelle zum Nationalbankgesetz zeigt deutlich, daß die Regierung die enormen Einsparungspotentiale, die bei der Nationalbank gegeben wären, nicht nutzen will – unter anderem auch deshalb, weil dann ein wichtiger Versorgungspostenlieferant ausfallen würde. Durch diese Novelle soll die Nationalbank in Zukunft noch leichter für Proporzzwecke mißbraucht werden können, was ich später begründen werde.

Die Aktionärsliste zeigt deutlich – sie wurde auch von meinem Kollegen Königshofer schon vorgelesen –, wie akribisch auf Zehntelprozentpunkte genau die Nationalbank zwischen Rot und Schwarz aufgeteilt ist und bleibt. Dadurch, daß die Anteile an der Nationalbank an wirtschaftliche und politische Vorfeldorganisationen der Parteien ausgelagert wurden, wurde sehr gewieft ein


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vom Wählerergebnis unabhängiger Proporz geschaffen: RZB, Wirtschaftskammer, Bundesländerversicherung auf der einen Seite stehen ÖGB, BAWAG und Wiener Städtische Versicherung auf der anderen Seite gegenüber.

Da die Nationalbank aufgrund ihrer naturgemäßen Monopolsituation automatisch Gewinne macht – ich denke nur an die unverzinsten Mindestreserven, die auch schon mehrmals angesprochen wurden –, ist es nicht sinnvoll, daß sogenannte private Aktionäre Anteile an der Nationalbank halten. Die Nationalbank sollte im Eigentum aller Österreicher, das heißt im Eigentum des Bundes und, wenn möglich, der Länder und Gemeinden stehen, wenngleich ihre Unabhängigkeit vertraglich abgesichert werden muß. – Soviel zur Nationalbank als wichtigem Teil des österreichischen Proporzsystems.

Nun möchte ich auf die Rolle der Nationalbank als bedeutender Versorgungspostenlieferant näher eingehen.

Das Abtreten der wichtigsten zins- und währungspolitischen Aufgaben an die Europäische Zentralbank müßte eine drastische Verkleinerung der Gremien und Organe sowie ein Abspecken der Nationalbank als Gesamtes zur Folge haben. Dies ist leider keineswegs der Fall. Der Generalrat besteht aus Präsidenten und Vizepräsidenten sowie zwölf weiteren Mitgliedern. Das ergibt 14 hochdotierte Versorgungsposten, die ohne jegliche Objektivierungsverfahren zwischen Rot und Schwarz aufgeteilt werden. Das Direktorium setzt sich aus Gouverneur und Vize sowie zwei weiteren Mitgliedern zusammen. Die Zahl der mehr als 1 000 Mitarbeiter der Nationalbank wird natürlich trotz des Wegfalls von Aufgaben nicht weiter reduziert werden. Viele Mitarbeiter werden sich dann voll und ganz der Aufrechterhaltung des Privilegiensystems widmen können. Und dieses Privilegiensystem ist enorm!

Sehr geehrter Herr Kollege Rauchenberger! Wenn Sie sagen, daß das wohlerworbene Rechte sind, in die nicht eingegriffen werden kann, dann muß ich entgegenhalten, daß gerade bei ASVG-Pensionisten bisher oft in bestehende Rechte eingegriffen worden ist und daß auch Kollektivverträge abgeändert werden können und nicht auf ewige Zeiten festgeschrieben werden müssen. (Bundesrat Dr. Harring: So ist es!) Nicht nur die Gehälter und vor allem die Pensionen betragen ein Vielfaches dessen, was Angestellte mit vergleichbaren Qualifikationen und Aufgabengebieten in der Privatwirtschaft verdienen.

Da kann man einige Beispiele für Pensionen anführen. Der Garagenmeister erhält 15mal im Jahr eine Pension in der Höhe von 43 000 S. Der Leiter der Reinigungskräfte erhält 15mal im Jahr eine Pension in der Höhe von 55 000 S. (Bundesrat Rauchenberger: Das ist ein altes Taferl! Das ist fünf Jahre alt!) – Aber immer noch aufrecht.

Ich werde jetzt auf die Privilegien eingehen, die nach wie vor Gültigkeit haben und sich nicht geändert haben. Es gibt zusätzlich zu diesen hohen Gehältern ... (Bundesrat Rauchenberger: Aber er hat nicht zugehört! Er hat gesagt, der Generalrat bekommt 14mal ... dazu! Er hat nicht zugehört, daß 12 davon ... ohne Gage sind!) – Das weiß ich schon.

Es gibt bei den Privilegien Kinderzulagen in der Höhe von 2 230 S bis 3 180 S monatlich, die natürlich zusätzlich zum gesetzlichen Kindergeld ausgezahlt werden. Es gibt Zuschüsse zum staatlichen Karenzurlaubsgeld in der Höhe von 2 750 S pro Monat im ersten Jahr und 1 650 S pro Monat im zweiten Jahr. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zusätzlich zu den ohnehin großzügigen Urlaubsvereinbarungen wird jeder vierte Urlaubstag nicht gerechnet, wenn der Urlaub in der Zeit zwischen 15. Oktober und 15. April genommen wird. 620 Wohnungen in den schönsten Wiener Lagen werden an aktive und pensionierte Mitarbeiter der Nationalbank zu einer Miete von sage und schreibe 17 S pro Quadratmeter vermietet – Kaltmiete allerdings, da kommen noch die Betriebskosten dazu.

Das Mittagessen wird jährlich mit 20 Millionen Schilling subventioniert, Urlaubsquartiere werden jährlich mit 15 Millionen Schilling subventioniert. (Bundesrat Rauchenberger: Das haben sie verdient!) Zusätzlich werden Fahrtengelder, Kinderkrippen und Sportstätteneinrichtungen in Millionenhöhe unterstützt. Die Liste der Privilegien ließe sich noch weiter fortsetzen.


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Jeder in der Privatwirtschaft Tätige kann sich angesichts dieser Privilegien nur verhöhnt fühlen. (Bundesrat Dr. Tremmel: So ist es! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu einer Abspeckung der Nationalbank gehört natürlich auch, daß die Anzahl der Filialen in den Bundesländern zumindest zur Diskussion gestellt werden kann. Herr Kollege Kaufmann! Mein Föderalismusglaube geht nicht soweit, daß man aus Imagegründen in den Landeshauptstädten ... (Bundesrat Schöls: Ihre Wünsche erfüllen wir! Die zwei neuen Bundesräte aus Niederösterreich, die gestern gewählt wurden , ...) Ich komme aus Oberösterreich! (Bundesrat Schöls: ... können unter Beweis stellen, ob sie das leben, was sie heute in der Früh weinerlich vom Rednerpult gefordert haben! Das ist die Realität!)

Die zwei Bundesräte müssen das nicht unbedingt fordern, aber aus Oberösterreich kommt eine solche Forderung nicht, und ich sehe, ... (Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Aber mein Föderalismusglaube geht nicht so weit, daß ich meine, daß man in den Landeshauptstädten Zweigfilialen aufrechterhalten müßte, die funktional nicht ausgelastet sind. Der Föderalismus kann nicht in Form von Geldverschwendung Einzug halten.

Zu den Reserven der Nationalbank wurde auch von meinen Kollegen Harring und Königshofer einiges gesagt. Diese Reserven betragen 114 Milliarden Schilling, die freie Reserve allein beträgt 28 Milliarden Schilling. Spätestens wenn die Europäische Zentralbank ihre Arbeit zur Gänze aufnimmt, müßten diese Reserven stark abgebaut werden und dem österreichischen Budget zugute kommen – was natürlich nicht der Fall sein wird. Vielmehr befürchte ich, daß diese Reserven in Zukunft für Proporzzwecke mißbraucht werden sollen. Dafür eröffnet § 4 Abs. 1 dieser Novelle viele Möglichkeiten. Mit § 4 Abs. 1 dieser Novelle wird der Nationalbank das Recht eingeräumt, in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung Rechtsgeschäfte abzuschließen, die nicht zu den eigentlichen Aufgaben des Europäischen Zentralbankensystems gehören.

Dahinter steckt, daß sich die Nationalbank an privatwirtschaftlichen Unternehmen beteiligen kann, wodurch eine versteckte Verstaatlichungspolitik betrieben werden kann. Da die Nationalbank ihre Gewinne ohnehin abliefern muß, wird im vordergründigen Interesse dieser potentiellen Beteiligungspolitik nicht die Rendite der jeweiligen Beteiligung stehen, sondern es werden andere vom Proporz getragene Interessen im Vordergrund stehen. Wir Freiheitlichen werden, wenn das in Zukunft passiert, rechtzeitig darauf hinweisen.

Die Beteiligungspolitik der ATW hat in der Vergangenheit gezeigt, welch enormen volkswirtschaftlichen Schaden eine ausufernde branchenfremde Beteiligungspolitik von Staatsmonopolen anrichten kann. Ich denke da nur an Head und HTM.

Abschließend fasse ich meine wichtigsten Forderungen nochmals zusammen: Erstens: Die wirtschaftlichen und politischen Vorfeldorganisationen von politischen Parteien müssen als Aktionäre der Nationalbank ausscheiden. Die Nationalbank gehört ins Eigentum des Staates, der Länder und der Gemeinden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zweitens sind die Organe der Oesterreichischen Nationalbank zu verkleinern, die Nationalbank muß schlanker werden.

Drittens sind die Privilegien der Mitarbeiter der Nationalbank abzubauen und zu reduzieren.

Viertens ist die Anzahl der Zweigstellen drastisch zu reduzieren.

Fünftens sind die Reserven zugunsten des Budgets zu reduzieren. Da diese Punkte in der vorliegenden Nationalbankgesetz-Novelle nicht einmal annähernd beziehungsweise ansatzweise erfüllt werden, stimmen wir Freiheitlichen dieser Novellierung nicht zu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.26


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

16.26

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur zu einigen wenigen der angesprochenen Diskussionsbereiche Stellung nehmen, weil es mir wichtig zu sein scheint, daß einige Dinge doch nicht ganz unwidersprochen bleiben.

Zunächst einmal möchte ich feststellen, daß der Anlaß für die Novelle des Nationalbankgesetzes in der Tat die Erfüllung der Konvergenzkriterien im Hinblick auf die Wirtschafts- und Währungsunion ist und war. Das ist auch die Hauptzielrichtung der heute vorliegenden Novelle. Ich darf Ihnen mitteilen, daß diese Vorlage in der Form, in der sie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Konvergenzberichte von EWI und der Europäischen Kommission vorgelegen war, in Österreich allerdings noch nicht die rechtsrelevante Beschlußfassung hinter sich hatte. Weiters darf ich Ihnen mitteilen, daß jene Vorlage, die heute auch im Bundesrat liegt, vom EWI als rechtlich konvergent betrachtet wird und daß die Zielsetzungen, die die Oesterreichische Nationalbank als Teil des Systems der Europäischen Zentralbanken künftighin wahrzunehmen hat, durch diese Gesetzesnovelle abgedeckt sind.

Ich möchte wirklich davor warnen, bestimmte künftige Aufgabenstellungen, die die Oesterreichische Nationalbank im Rahmen des Systems der Europäischen Zentralbanken wahrzunehmen hat, auch in der Öffentlichkeit oder in einem parlamentarischen Organ wie dem Bundesrat so leichtfertig zu definieren, wie das der sehr geschätzte Herr Bundesrat Königshofer getan hat. Denn die künftige Aufgabe der Oesterreichischen Nationalbank besteht nicht darin, Banknoten zu verteilen. Die Oesterreichische Nationalbank hat vielmehr auch jene analytischen und volkswirtschaftlichen Positionen zu erarbeiten und festzulegen, die schließlich und endlich der Gouverneur beziehungsweise der Vizegouverneur im Bereich der EZB zu vertreten hat.

Diese Aufgabe wird schwieriger und aufwendiger, sie wird auch in einem größeren Maße von sehr großem Verantwortungsbewußtsein getragen sein müssen. Denn der Gouverneur – ich halte dies für richtig – unterliegt nicht der Weisung irgendeines politischen Organes, etwa der Bundesregierung. Denn es könnte durchaus einmal der Fall sein, daß sich innerhalb der Europäischen Union – nicht in Schönwetterperioden, aber vielleicht in Zeiten, in denen es zu irgendwelchen wirtschaftlichen Irritationen kommt – nationale Regierungen, möglicherweise sogar auch die Europäische Kommission, eine andere Geldpolitik wünschen würden, als das die in eigener Verantwortung zu entwickelnde Geldpolitik der Europäischen Zentralbank vorsieht.

Daher ist es meiner Meinung nach von ungeheurer Bedeutung, daß sich gerade ein kleines Land, dessen Bedeutung in der Europäischen Zentralbank viel stärker zum Ausdruck kommt, als das einem 7-Millionen-Staat eigentlich zukommen würde, dieser Verantwortung bewußt ist. Denn in der kommenden Europäischen Zentralbank – immerhin eine Einrichtung, in der Staaten mit 290 Millionen Bürgern vertreten sind – hat jeder Staat den gleichen Anteil, nämlich einen Gouverneur. Weiters hat sich jedes Mitglied gleichberechtigt einzubringen und hat damit natürlich auch eine große und sehr wichtige Verantwortung wahrzunehmen.

Ich möchte Sie auch darauf hinweisen, daß sich die wirtschaftlichen Beziehungen der Republik Österreich durch die Teilnahme an der WWU nicht plötzlich nur auf die WWU konzentrieren. Es gibt über die Europäische Zentralbank hinaus selbstverständlich nicht nur internationale Währungsinstitutionen wie den IWF, sondern auch durchaus wirtschaftlich relevante, wichtige Organisationen wie die OECD, da sehr wohl auch eigenständige, die Republik Österreich und ihre Volkswirtschaft betreffende Positionen einzunehmen sind. Es geht um die Abwicklung des Auslandszahlungsverkehrs und ähnliches mehr.

Stellt man die Situation lediglich so dar – auch wenn einem das vielleicht da und dort einen Lacher oder ein Nicken einbringt –, daß die Nationalbank künftig nur ein Briefkästchen wäre, in dem eine Manschette über Banknoten gewickelt wird, die dann nach Vorarlberg geschickt wer


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den, dann wäre das doch ein wenig zu hanebüchen – jedenfalls dann, wenn man eine sachliche und seriöse Diskussion führen will.

Lassen Sie mich nun im folgenden zur Eigentümerstruktur Stellung nehmen. Ich bekenne mich zu der Eigentümerstruktur, die die Oesterreichische Nationalbank hat, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Österreich ist in seiner gesamten Wirtschaftspolitik und auch in der Verantwortung, die wir in diesem Staate haben – sehr zum Unterschied von anderen demokratischen Ländern in Europa – durch einen sehr starken sozialpartnerschaftlichen Konsens geprägt. Ich weiß schon, daß die Sozialpartnerschaft in verschiedenen Phasen der österreichischen Innenpolitik einen unterschiedlichen Stellenwert gehabt, mitunter auch unterschiedliches Ansehen genossen hat. Aber in der Tat ist der österreichische Weg des sozialen Ausgleichs ein solcher, der in zunehmendem Maße – immer mehr gerade in politisch schwierigen Zeiten, in Zeiten von Veränderungen, in denen es auch darum geht, unter Umständen bei der Problemlösung mitzuhelfen – an Bedeutung gewinnt. Das System des Einbindens der Sozialpartner in wichtige wirtschaftspolitische Entscheidungen wird in zunehmendem Maße als beispielhaft dargestellt. Ich glaube, daß Geldpolitik und auch die Wahrnehmung der künftigen Kompetenzen durchaus eine Legitimation für die sozialpartnerschaftliche Mitwirkung darstellen, die sich letztendlich auch im konzeptiven Bereich niederschlägt.

Denn eines muß ich schon in aller Offenheit und mit aller Deutlichkeit sagen: Es gibt viele europäische Länder, wo dann, wenn das Haus bereits brennt, nach den Sozialpartnern – gemeint sind dann in erster Linie die Gewerkschaften – gerufen und verlangt wird, daß sie Verantwortung mittragen. Wenn es aber darum geht, auch konzeptiv sozial ausgewogene Politik zu machen, dann ist die Einbindung der Sozialpartner sehr häufig ein etwas ungeliebtes Kind.

Ich meine, daß die gesamte Nachkriegsgeschichte der Republik Österreich und die Entwicklungen, die sich heute in diesem Lande abzeichnen, zu einem guten Teil auf diesem sozialpartnerschaftlichen Konsens basieren, der zwar oft nicht sehr spektakulär, aber doch sehr wirkungsvoll, sehr lösungsorientiert war. Ich bin der Ansicht, daß wir diesen Grundkonsens der sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit nicht aus kleinkarierter Parteipolitik gefährden sollten. Ich bekenne mich dazu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Nun läßt sich sicher auch darüber diskutieren, ob die Nationalbank nicht eine andere Eigentümerstruktur haben könnte. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, daß irgend jemand, der vernünftig denkt und Aktiengesellschaften analysiert, meinen kann, daß man einem Aktionär ganz einfach etwas wegnehmen kann. Ich bin äußerst erstaunt, daß das immer wieder vorkommt. Denn manche meinen – ich habe das auch im Nationalrat und im Finanzausschuß des Nationalrates mit großer Verblüffung gehört –, daß die jetzigen Aktionäre, die letztendlich ein gewaltiges Vermögen repräsentieren, absalutieren und durch jemanden ersetzt werden, der nur den Nominalpreis bezahlt, der vor 50 Jahren relevant war. (Bundesrat DDr. Königshofer: Fairer Preis!) Es kann nur ein fairer Preis sein.

Angesichts der gemeinsamen Konsolidierungsbemühungen von Bund, Ländern und Gemeinden wäre es allerdings interessant, zu sehen, wie die Länder und Gemeinden imstande wären, 50 Prozent des Wertes der Oesterreichischen Nationalbank den jetzigen Aktionären abzukaufen. Auf die Diskussionen in den einzelnen Landtagen wäre ich sehr gespannt. Daher ist das ein Scheinargument – es sei denn, Sie bekennen sich zur Enteignung der jetzigen Aktionäre. Es wäre sehr interessant, zu erfahren, ob Sie sich in der Tat in bestimmten differenzierten Vorgangsweisen über Eigentum in solch leichtfertiger Weise hinwegsetzen würden.

Es könnte sein, daß Bundesländer Anteile an der Nationalbank kaufen wollen. Die Republik Österreich wird zwar keine verkaufen, aber vielleicht findet sich ein Aktionär – wir befinden uns in einem marktwirtschaftlichen System –, der einem Bundesland – vielleicht Oberösterreich – Anteile verkauft. Ich würde mich als Finanzminister überhaupt nicht dagegen wehren. Allerdings muß es auf der einen Seite jemanden geben, der kaufen möchte, und auf der anderen Seite jemanden, der verkaufen möchte, und dann muß man sich über den Preis einigen. Das ist ein Grundprinzip der freien Marktwirtschaft, das ist auch ein Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft, das ist ein Grundprinzip, zu dem ich mich bekenne. Ich bekenne mich nicht dazu, daß


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Sie jetzt von mir als Finanzminister vielleicht verlangen, daß ich den jetzigen Eigentümern faktisch ihr Eigentum stehle und jemand anderem schenke. Das ist nicht die Politik, die ich mache. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zu den Notenbankreserven: Ich habe heute in der Fragestunde und auch mehrfach bereits im Nationalrat zur Frage der Notenbankreserven Stellung genommen. Ich glaube, daß das überhaupt keine Frage ist. Herr Bundesrat Harring hat gemeint, ich habe zumindest bei ihm den Eindruck hervorgerufen, daß ich ihm das Reden über die Währungsreserven verbieten möchte. Erstens einmal kann ich das gar nicht, zweitens entspricht es nicht meiner Auffassung, sondern ich habe eigentlich heute vormittag und auch im Nationalrat gemeint, es sei nicht klug, zum jetzigen Zeitpunkt des Eintritts in die WWU über Währungsreserven zu sprechen und möglicherweise sogar Festlegungen zu treffen. Die Oesterreichische Nationalbank ist mit ihren Reserven, die man für den Fall spekulativer Angriffe auf unsere Währung einsetzen kann, in einer guten Situation. Die Lust darauf, auf den Schilling zu spekulieren, ist in dem Maße geringer, als bekannt ist, daß die Notenbanken über entsprechende Ausgleichsreserven verfügen. Daher habe ich nur gemeint, daß es aus meiner Sicht – ohne daß ich jemandem unterstelle, daß er nicht klug wäre, wenn er sich nicht an meine Empfehlung hält – derzeit nicht klug wäre, über Währungsreserven und die Reserven der Oesterreichischen Nationalbank öffentlich zu diskutieren.

Aber eines sage ich auch ganz deutlich: Ich hätte gerne gewußt, wie Sie eine Steuerreform, also eine strukturelle Reform, die Einnahmenminimierungen auf Dauer bringen soll – so habe ich Sie verstanden, ich habe im Nationalrat nachgefragt, also wenn Sie es nicht so gemeint haben, dann hat es jedenfalls Herr Trattner so gemeint –, mit einer Einmalmaßnahme finanzieren wollen. Denn Sie können der Notenbank nicht jedes Jahr 20 Milliarden entziehen, um eine Tarifreform zu finanzieren. Das ist die Quadratur des Kreises, denn egal, nach welchem Parteiprogramm Sie möglicherweise Politik beurteilen, ob es das sozialdemokratische, das ÖVP-Programm oder das freiheitliche Programm ist, zweimal zwei bleibt vier, Herr Kollege, und zwar in allen Programmen. Daher kann man mit einem Betrag nicht eine strukturelle Maßnahme auf Dauer finanzieren. Das ist ein Argument, von dem eigentlich jeder weiß, daß es richtig ist.

Ich habe schon in der Debatte im Nationalrat gesagt, daß ich es durchaus für legitim halte, darüber nachzudenken, in welcher Form und in welchem Ausmaß Notenbankreserven so eingesetzt werden, daß sie den Österreichern, in welcher Weise auch immer – jetzt bin ich sehr vorsichtig beim Formulieren – im Jahr 2002 zur Verfügung gestellt werden. Das kann ein Fonds sein, aus welchem Forschung und Entwicklung finanziert wird, oder das können Exportfinanzierungen in Form einer Fondskonstruktion sein, oder das kann die Finanzierung von Wissenschaft sein und so weiter. Das ist alles machbar. Nur: Vor Zuflüssen direkt in das Budget warne ich sehr, denn das Absaugen von Mitteln aus der Nationalbank zum Zwecke der Zuführung an das Budget birgt zumindest die Tendenz in sich, einer Geldmaschine gleich zu werden, und das würde wahrscheinlich von außen auch so beurteilt werden. Also wenn Sie vernünftig denken, dann haben Sie mich als Partner, aber wenn Sie Schlagzeilen produzieren wollen, dann nicht.

Nun komme ich zum nächsten Punkt, zu den Landesstellen und den Ländern. Eigentlich bin ich ein wenig belustigt, denn alle Bundesländer haben in ihrer Stellungnahme den entsprechenden Paragraphen kritisiert. Ich war eigentlich der Meinung – und deshalb habe ich mich fast ein wenig gefürchtet, als ich heute hierher gekommen bin –, daß alle Bundesräte wie ein Mann oder wie eine Frau über mich herfallen würden, weil ich es gewagt habe, mich darüber hinwegzusetzen und der künftigen Gestion der Nationalbank freizustellen, in welchen Bundesländern in welchem Ausmaß und in welcher Quantität künftig Außenstellen aufrechtzuerhalten sind, es ihr zu überlassen, ob sie das überhaupt für wirtschaftlich vertretbar und für geschäftspolitisch notwendig hält oder nicht. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich bekenne mich dazu, daß wir in diesem Punkt die Stellungnahmen der Bundesländer nicht berücksichtigt haben, sondern diese Entscheidung der künftigen Gestion der Nationalbank überlassen wollen. Wenn man möchte, daß die künftige Geschäftsführung auch die ökonomische Verantwortung für die Nationalbank in einem viel stärkerem Maße wahrzunehmen hat als bisher, und zwar in entsprechender Unabhängigkeit, dann bin ich dafür, daß man ihr die Gestionierung überläßt.


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Letzte Bemerkung: Ich möchte mich mit dem Diskussionsbeitrag des Herrn Bundesrates Scherb nicht besonders intensiv auseinandersetzen. Ich habe schon ähnliche Argumente gehört und sie nicht als besonders profunden Beitrag in der Diskussion über die Oesterreichischen Nationalbank empfunden. Ich möchte nur eines sagen, damit nicht das Märchen von der Abschlankung, von Versorgungsposten und von ähnlichem weiter bestehen bleibt:

Zum ersten. Es wurde bereits gesagt, daß die Oesterreichische Nationalbank in ihrer heutigen Struktur eine der "schlankesten" Notenbanken in der Europäischen Union, gemessen an der Bevölkerung des jeweiligen Landes, ist.

Zum zweiten: Die Direktion wird in Hinkunft aus vier Mitgliedern bestehen. Sie hat früher aus fünf, zu einer bestimmten Zeit sogar aus sechs Mitgliedern bestanden. Zwei von diesen vier Mitgliedern werden sich von nun an in ihrer Funktion als Gouverneur beziehungsweise als Vizegouverneur eine geraume Zeit eines Arbeitsmonats nicht in Österreich befinden, aber trotzdem müssen die laufenden Geschäfte der Nationalbank geführt werden. In Anbetracht dessen ist ein Direktorium bestehend aus vier Personen ein "schmales" Direktorium. Ich sage Ihnen: Es gibt in keiner Notenbank weniger Direktoriumsmitglieder, vier ist das mindeste, in den meisten Notenbanken gibt es sechs bis sieben.

Was die Generalräte betrifft, so handelt es sich dabei – das möchte ich auch in aller Deutlichkeit sagen – um eine ehrenamtliche Funktion. Wie man ehrenamtliche Funktionäre versorgen kann, weiß ich nicht. Wenn ich Ihnen jenen negativen Beigeschmack zubillige, den Sie da gemeint haben, als Sie von Versorgung sprachen, dann muß ich sagen: Das sehe ich nicht so! Die Generalräte der Oesterreichischen Nationalbank amtieren ohne Bezahlung. Sie nehmen eine sehr verantwortungsvolle Tätigkeit, auch im Interesse ihrer jeweiligen Eigentümer, wahr.

Ich möchte Sie bitten, im Interesse der fristgerechten Konvergenz der Republik Österreich das Notenbankgesetz in der vorliegenden Fassung zu beschließen, und danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.45

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat DDr. Königshofer

16.45

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Erläuterungen, möchte aber doch eine Sache im Sinne der freiheitlichen Politik klarstellen, damit man nicht glaubt, daß wir blind in eine Steuerdiskussion hineingehen.

Herr Bundesminister! Wir wissen auch, daß man mit Einmalmaßnahmen nicht dauernde Steuerentlastungen schaffen kann. Aber wir gehen davon aus, daß man dann, wenn man eine Manövriermasse zur Verfügung hat, um etwas zu bewegen, eine Entlastung der Masseneinkommen erwirken kann, und die Entlastung der Masseneinkommen führt zu erhöhter Kaufkraft, und die erhöhte Kaufkraft führt zu Käufen.

Wenn heute ein Arbeiter einkauft, dann zahlt er, je nachdem, welchen Artikel er kauft, verschiedenste Steuern. Er zahlt auf jeden Fall einmal Umsatzsteuer, und wenn er tankt, zahlt er Mineralölsteuer. Außerdem zahlt er, je nachdem, was er konsumiert, Getränkesteuer, Biersteuer, Sektsteuer, Tabaksteuer et cetera. Dann sprudeln für Sie, Herr Finanzminister, die Einnahmen im indirekten Steuerbereich. So haben wir das gemeint!

Sie müssen sich das anschauen: Seit 1989, seit der Steuerreform, ist die Lohnsteuereinnahme für das Finanzministerium um über 100 Prozent gestiegen, und zwar von 88 Milliarden Schilling auf weit über 180 Milliarden Schilling. Herr Finanzminister! Wir meinen nur: Geben Sie den österreichischen Lohnempfängern einen Teil dieser hohen Steuerleistung, die Sie aufgrund der


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Inflation eingenommen haben, zurück, und Sie werden selbst auf der anderen Seite wieder erhöhte Steuereinnahmen haben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.47


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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Eine weitere Wortmeldung wird von Herrn Bundesrat Dr. Tremmel gewünscht. Ich erteile ihm das Wort.

16.47

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Vielleicht habe ich Sie mißverstanden: Ich konnte Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie warnten, über die vorhandenen Währungsreserven zu sprechen, und Sie brachten zum Ausdruck, daß es die Freiheitlichen sind, die zuviel und zu oft darüber reden.

Herr Bundesminister! Ich zitiere das "WirtschaftsBlatt", Österreichs erste Tageszeitung für Wirtschaft und Finanzen, in welcher Nationalbankpräsident Klaus Liebscher zitiert wird. Er hat dieses Zitat zumindest unwidersprochen gelassen. Da steht folgendes: Die Währungsreserven der Oesterreichischen Nationalbank, derzeit 269 Milliarden Schilling, werden teilweise frei, sobald die Einführung des Euro abgeschlossen ist. Ab dem Jahr 2002 kann daher überlegt werden, wieviel für andere Zwecke verwendet wird, sagte der Nationalbankpräsident Klaus Liebscher. – Das war der Anlaß der Diskussion!

Als Opposition nehmen wir uns das Recht heraus – das wird doch erlaubt sein –, Sie, der Sie sehr vorsichtig formulieren, zu fragen: Was passiert mit diesen Beträgen nach dem Jahr 2002? – Sie haben gesagt, es soll als Spekulationsreserve verwendet werden, bei Spekulationen gegen einzelne Währungen oder gegen den Euro. Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Wie haben andere Länder vorgesorgt? Haben sie in der gleichen Größenordnung vorgesorgt? Wie sind die entsprechenden Deponien bei der Europäischen Zentralbank vorgesehen?

Herr Bundesminister! Ich weise es zurück, daß wir Freiheitlichen Währungsverunsicherung betreiben.

Nächster Punkt: Eigentümerstruktur. Herr Bundesminister! Sie haben gesagt, die Sozialpartnerschaft, die in Form der Eigentümerstruktur in der Oesterreichischen Nationalbank verankert ist, soll dort so verankert bleiben, und Sie wollen nicht, daß jenen das gestohlen wird, damit man das anderen schenkt. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Edlinger. ) Sie haben von der Verlagerung der Anteile in Richtung Bundesländer gesprochen.

Ich halte fest, daß der Föderalismus in der Bundesverfassung stärker als die Sozialpartnerschaft verankert ist, und ich halte ebenso fest, daß es schon Gesetze gegeben hat, die Eigentumsverlagerungen rückwirkend vorgenommen haben. Ich denke da etwa an die Bank Austria und an die CA. Es gäbe dafür genug Beispiele.

Die Möglichkeiten, daß da die Bundesländer als tragendes Instrument unseres Staates mitbeteiligt werden, wären von vornherein nicht mit so absoluter Bestimmtheit, wie Sie das sagten, auszuschließen.

Drittens: die Gleichbehandlung der Empfänger von Leistungen, nämlich der Angestellten der Oesterreichischen Nationalbank. Wir haben vor einiger Zeit die Pensionsreform über die Bühne gebracht, und es haben dabei Einkommensbezieher in vielen Bereichen, ob es die Beamten, die Angestellten der ÖBB oder jene der Post sind, dazu beigetragen, daß unser Budget finanziert wird. Da hätte der Bund, da hätten Sie Einfluß darauf gehabt, daß auch bei der Oesterreichischen Nationalbank die entsprechenden Strukturen – abgesehen davon, daß Ihre Vorgänger das versprochen haben – im Sinne der Gleichbehandlung geändert werden. Das hätten wir uns gewünscht. Herr Bundesminister! Ihre Antwort war zwar gekonnt, blumig, aber Sie haben jene Punkte, die wir gewünscht haben, nicht berührt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.52

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine weitere Wortmeldung gewünscht? – Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Finanzen. Ich erteile es ihm.

16.52

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: In aller Kürze: Es ist nicht mein Ehrgeiz, sehr geehrter Herr Bundesrat, Sie zufriedenzustellen (Heiterkeit bei der SPÖ) , sondern mein Ehrgeiz ist es, eine Lösung in der Frage der Oesterreichischen Nationalbank zu treffen, die EU-konform ist, die der Republik Österreich dient und die nach Auffassung der österreichischen Bundesregierung den richtigen Weg darstellt.

Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen: Ich haben Ihnen nicht unterstellt, eine Diskussion über die Notenbankreserven ausgelöst zu haben. Ich habe – soferne ich nicht völlig an Verdrängung leide, kann ich das sagen – mit keiner wie immer gearteten Bemerkung Sie oder Ihre politische Partei in dieser Hinsicht erwähnt. Es ist allerdings erstaunlich, daß Sie sich betroffen fühlen. Das mag vielleicht an Ihnen selbst liegen.

Ich habe ganz allgemein und sehr dezidiert gemeint, daß ich eine Diskussion über die Notenbankreserven, darüber, was damit nach dem Jahre 2002 geschehen soll, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für klug halte – ganz egal, wer eine solche Diskussion führt. Das sage ich auch in aller Deutlichkeit, und zwar aus durchaus legitimen Gründen, denn kein Mensch weiß nämlich heute, wie hoch im Jahre 2002 die Reserven der Oesterreichischen Nationalbank sein werden. Wenn ohnehin alles paletti wäre, würden wir diese Reserven gar nicht brauchen, und man könnte sagen: Im Jahre 2002 sind es vielleicht 280 Milliarden Schilling! – Dann könnte man natürlich heute schon darüber reden. Aber das weiß man eben nicht.

Ich möchte eigentlich keine politischen Festlegungen vornehmen. Ich halte es für sehr gefährlich, wenn der Finanzminister der Republik sagt: Ich meine, mit der Reserve von X soll dann dies und jenes geschehen! – Das registriert man dann: Das ist nicht irgendwer, der das gesagt hat, sondern das ist der Finanzminister der Republik, das kann man abhaken, das kommt möglicherweise! – So gesehen erscheint eine solche Bemerkung in einem völlig anderen Licht.

Ich möchte Sie bitten, mir jetzt nicht Arroganz zu unterstellen, aber ich habe eben eine Funktion inne, die in ihrer Außenwirkung zur Folge haben kann, daß eine Aussage von mir von einem Dritten unter Umständen ganz anders aufgefaßt wird, als es uns allen lieb wäre. Daher habe ich dem Parlament gegenüber sehr deutlich gesagt, daß ich mir verschiedene Möglichkeiten vorstellen kann, nur nicht eine solche, bei welcher Reserven abgezogen werden und in das Budget fließen. Das kann ich mir nicht vorstellen, und daher ist die Variante der Äquivalentfinanzierung der Steuerreform – Sie geben mir gerade durch Ihr Kopfnicken recht – eigentlich eine, die nicht funktioniert.

Jetzt möchte ich gar nicht darüber diskutieren, ob dann, wenn ich einmal eine Steuersenkung um 20 Milliarden Schilling vornehme und das Loch fülle, bereits im nächsten Jahr die Umwegrentabilität 20 Milliarden Schilling ausmachen würde. Das müssen Sie mir einmal vorzeigen, wie das geht. Denn dann könnte ich das Budget sanieren, indem ich die Steuern um 100 Milliarden Schilling senke, wenn dadurch im nächsten Jahr diese 100 Milliarden Schilling und weitere 100 Milliarden Schilling in das Budget fließen würden. Mit diesem Prinzip hätten wir bald unsere 1 500 Milliarden Schilling Schulden angebracht. Aber so einfach funktioniert die Steuerpolitik nicht. So einfach ist eine Steuerreform nicht zu bewerkstelligen.

Eine effektive Steuerreform – ich habe das heute vormittag schon gesagt –, eine Steuerreform, die dem Wirtschaftsstandort Österreich und die auch den Menschen dient, ist nicht ausschließlich vom Ausmaß von Tarifsenkungen abhängig, sondern auch von jenen Maßnahmen, mit welchen strukturell eingegriffen wird, mit welchen bewirkt wird, daß die Wirtschaft eine Belebung erfährt, daß die Kaufkraft der Menschen steigt, daß Beschäftigung entsteht und daß letztendlich so die Wirtschaft einen Schub erhält. Das ist das Ziel, das wir der Steuerreform im Jahre 2000 zugrunde gelegt haben.

Sehr geehrter Herr Bundesrat! Es ist richtig, daß die österreichische Bundesregierung eine Pensionsreform beschlossen hat, und es ist richtig, daß langfristig – langfristig! – und strukturell da


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durch eine Dämpfung der Pensionszuschüsse erwartet werden kann. Aber die Pensionsreform, die die Bundesregierung vorgeschlagen hat, geht davon aus, daß niemand, der sich in Pension befindet oder der unmittelbar davor steht, einen Verlust seiner Pension zu befürchten hat. Das war ein ganz entscheidendes Kriterium. Deshalb werden wir nämlich heute – beispielsweise von Herrn Rürup – kritisiert, daß die Pensionsreform zu kurz greift.

Herr Bundesrat! Es kann Ihnen doch nicht entgangen sein, daß in der Zwischenzeit quasi durch eine Betriebsvereinbarung – und das reicht – die Oesterreichische Nationalbank ihr Pensionssystem sehr wohl geändert hat. Es gilt für alle, die mit dem 1. Mai 1998 in die OeNB eintreten, das ASVG plus einem Pensionskassensystem. Aber selbstverständlich ist es so wie in allen anderen Bereichen auch, daß derjenige, der sich in Pension befindet, nicht am nächsten Ersten weniger bekommt. Das ist in keinem Bereich durch die Pensionsreformpolitik geschehen, und das wäre auch unfair. Es wäre auch unfair gegenüber den betroffenen Menschen, weil sie sich letztendlich eine andere Disposition – mit gutem Recht eine andere Disposition – ihrer individuellen Lebensabendgestaltung vorgenommen haben.

Es sind pensionspolitische Veränderungen immer langfristig anzusetzen, wenn man nicht möchte, daß es zu gewaltigen Verunsicherungen gerade bei jenen Menschen kommt, die es sich am wenigsten verdient haben, nämlich bei den Alten. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert wird (1078 und 1091/NR sowie 5656/BR der Beilagen)

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Übertragung des Dorotheums in das Eigentum der ÖIAG (918 und 1092/NR sowie 5657/BR der Beilagen)

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Übereinkommen zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen samt Zusatzprotokoll und Protokoll über den Beitritt Griechenlands zum Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen sowie Erklärung der Republik Österreich (990 und 1093/NR sowie 5658/BR der Beilagen)


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11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an den Neuen Kreditvereinbarungen (New Arrangements to Borrow, NAB) mit dem internationalen Währungsfonds (1051 und 1095/NR sowie 5659/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 bis 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz über die Übertragung des Dorotheums in das Eigentum der ÖIAG,

ein Übereinkommen zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen samt Zusatzprotokoll und Protokoll über den Beitritt Griechenlands zum Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen sowie Erklärung der Republik Österreich und

ein Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an den Neuen Kreditvereinbarungen (New Arrangements to Borrow, NAB) mit dem Internationalen Währungsfonds.

Die Berichterstattung über die Punkte 8 bis 11 hat Herr Bundesrat Josef Rauchenberger übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Josef Rauchenberger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Zum Tagesordnungspunkt 8 liegt allen Bundesrätinnen und Bundesräten der Ausschußbericht schriftlich vor.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 15. April 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 9 liegt der Ausschußbericht ebenfalls schriftlich vor. Er betrifft ein Bundesgesetz über die Übertragung des Dorotheums in das Eigentum der ÖIAG.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 15. April 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 10 betreffend ein Übereinkommen zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden liegt der Ausschußbericht ebenfalls schriftlich vor.

Ich darf berichten, daß der Finanzausschuß nach Beratung der Vorlage am 15. April 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag stellt, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 11 betreffend den Internationalen Währungsfonds liegt der Ausschußbericht ebenfalls schriftlich vor.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 15. April 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, ebenfalls keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen und die Verhandlungen einzuleiten.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke der Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.


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Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. Ich erteile es ihm.

17.00

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zunächst danke ich für die Berichterstattung. Ich möchte mich nur mit einem Punkt kurz beschäftigen, und zwar mit dem unter Punkt 11 der Tagesordnung angesprochenen Internationalen Währungsfonds.

Ich denke, es ist einigermaßen bedeutsam, daß wir heute zur Kenntnis nehmen sollen, daß letzten Endes der Steuerzahler einen Betrag von 7,7 Milliarden Schilling dem IWF zwar nicht sofort zur Verfügung stellt, aber immerhin die Auszahlung dieses Betrages garantiert. Die Zurverfügungstellung ist, wie wir den Unterlagen entnehmen können, an sich freiwillig, denn es gibt keine verpflichtenden internationalen Verträge mit der Forderung, das zu tun. Wohl aber entspricht dies sicherlich einer guten Usance. Der zur Verfügung gestellte Betrag ist als Kredit gedacht und wird erst nach Inanspruchnahme verbucht. Das heißt, der Herr Bundesminister für Finanzen ist in der glücklichen Lage, diesen Kredit nicht sofort verbuchen zu müssen, weil es sich nur um eine Zusage, eine Promesse handelt. Das ist vielleicht auch der Grund dafür, daß der Ministerrat diesen Beschluß nahezu unbemerkt über die Bühne gebracht hat. Das haben wir zumindest den Unterlagen und Pressemeldungen entnehmen können.

Meine Damen und Herren! Im Finanzausschuß haben wir versucht, uns über die Höhe der Forderung Österreichs, die zurzeit insgesamt gegenüber dem IWF besteht, einen Überblick zu verschaffen. Das war nicht möglich. Daher frage ich jetzt den Herrn Bundesminister: Wie hoch sind im Augenblick tatsächlich die Verpflichtungen, die der Internationale Währungsfonds Österreich gegenüber hat?

Den Wochenausweisen der Oesterreichischen Nationalbank, die leider mit Dezember 1996 enden, ist folgendes zu entnehmen: Die Forderungen aus der Beteiligung am Internationalen Währungsfonds belaufen sich auf 18,7 Milliarden Schilling; abzüglich des nicht abberufenen Teiles der Quote von 9,8 Milliarden Schilling verbleibt eine effektuierte Zahlung von 8,8 Milliarden Schilling. Darin sind sicherlich die 7,7 Milliarden Schilling, über die wir heute beschließen, nicht enthalten. Ich nehme an, daß die Verpflichtung des IWF gegenüber Österreich etwa 18 Milliarden Schilling betragen könnte, vielleicht sind es auch nur 13 Milliarden Schilling. Am ehesten werden es wahrscheinlich 13,3 Milliarden sein. Aber offensichtlich herrscht Unklarheit darüber, wie hoch der Betrag ist und welcher Zusammenhang mit den Sonderziehungsrechten besteht.

Meine Damen und Herren! Es handelt sich also um eine Kreditpromesse, und bei jedem Kredit – das weiß eigentlich jeder – gibt es auch Bestimmungen darüber, zu welchem Zeitpunkt, in welcher Höhe und in welchen Raten er zurückzuzahlen ist.

Ich darf daher als zweite Frage anschließen: Wie wird diese Rückzahlung erfolgen? Ist das irgendwo festgelegt? – Aus den Unterlagen und aus der heutigen Vorlage ist leider nicht zu entnehmen, zu welchem Zeitpunkt oder unter welchen Konditionen die Rückzahlung dieses Kredites erfolgen wird. Ich glaube der Aussage im Ausschuß nicht, die wir vorgestern erhalten haben. Dort lautete die Auskunft, daß Österreich nur eine Rückzahlungsforderung zu stellen braucht, und innerhalb von ein bis zwei Jahren werde daraufhin die Rückzahlung erledigt sein.

Ich denke aber, daß es hierfür irgendwelche Unterlagen oder Verträge geben müßte, weil ich aus der Zahlenreihe der Forderungen aus der Beteiligung am IWF entnehmen kann, daß seit dem Jahr 1965 die Gesamtforderung, ausgehend von 2,6 Milliarden Schilling, permanent angestiegen ist und Ende 1996 schon bei 18,7 Milliarden Schilling lag. Von Rückzahlungen, ausgebuchten Haftungen oder zurückgenommenen Promessen ist in diesen Unterlagen nichts zu sehen. Ich glaube aber, daß der Steuerzahler ein Recht darauf hat, zu wissen, wie das vor sich gehen soll.


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Die Situation ist nämlich nicht völlig unproblematisch. Ich zitiere aus der gestrigen "Presse", daß über die Politik des Internationalen Währungsfonds bei allen Nationen, die daran mitzahlen – es zahlen jetzt nicht mehr nur die G 7, sondern inzwischen sind es schon G 10, und insgesamt sind 25 Länder im Paket "Nationen" als Beitragsleistende zusammengefaßt –, großes Unbehagen herrscht, weil diese Politik des Internationalen Währungsfonds sehr problematisch ist. "Deutschland und die USA" – ich zitiere – "wollen dafür sorgen, daß Investoren und Spekulanten ihre Risken bei internationalen Finanzkrisen künftig voll tragen müssen. Dieses Ziel haben die Finanzminister Theo Waigel" und andere Spitzenpolitiker "unterstrichen."

Das heißt, der IWF, für den wir heute diese Garantie abgeben, müßte dafür Mechanismen schaffen, daß Gläubiger und Investoren die Konsequenzen ihrer eigenen Entscheidungen – auch ihrer eigenen Fehlentscheidungen – selbst tragen müssen. Es kann nicht angehen, daß blind entschieden wird und daß unbeteiligte Steuerzahler in irgendwelchen Ländern der Welt dann voll zur Kasse gebeten werden.

Was die Größenordnung betrifft: Es sollen insgesamt 555 Milliarden Schilling an Garantien aufgebracht werden, um in Hinkunft Krisen sofort bewältigen zu können.

Ich darf weiters eine APA-Meldung zitieren, die sich mit dem Thema Weltbank und Internationaler Währungsfonds beschäftigt. Sie stammt vom 8. Februar, denn damals ist dieser Ministerratsbeschluß – ich möchte sagen, fast in einer Nacht-und-Nebel-Aktion – zustande gekommen. Damals hat die APA zu Weltbank und IWF folgendes gemeldet:

"Natürlich haben in Singapur alle dem Herrn James D. Wolfensohn" – das ist der Präsident der Weltbank – "gedankt, der bei offiziellen Banketten" – er war dort unterwegs – "in Bangkok, in Jakarta, in Manila und in Seoul immerhin 16 Milliarden Dollar den Ländern versprochen hat, um diese Finanzkrise in den Griff zu bekommen.

Auf seiner neuntägigen Reise durch die Krisenregion, die am Sonntag zu Ende ging, legt Wolfensohn sogar hier und da noch ein paar Dollar drauf" – das sind nur unwesentliche Beträge –: "300 Millionen in Thailand, 600 Millionen in Indonesien, 500 Millionen auf den Philippinen. Da sollte er sich wohl Dank erwarten können." Das glauben wir auch. Und doch mußte sich der Weltbankpräsident mehr als einmal Kritik gefallen und Fehler vorhalten lassen. Der 64jährige geriet richtig in die Defensive. "Wir haben in der Vergangenheit nicht alles richtig gemacht", gestand er in Jakarta ein, nachdem er beim Frühstück mit Oppositionspolitikern und Entwicklungshilfeorganisationen ungewöhnlich scharf angegangen wurde. – Das ist er sicher nicht gewohnt. Kern der Vorwürfe: Noch wenige Monate vor Ausbruch der Krise in Asien haben die Weltbank und der Internationale Währungsfonds Indonesien als durchaus erfolgreiches entwicklungspolitisches Modell gelobt.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Ist es für uns hier im Bundesrat wirklich so einfach, diese 7,7 Milliarden Schilling zur Kenntnis zu nehmen? – Wir haben wenig Informationen. Die Beschlüsse sind, wie das "WirtschaftsBlatt" meldet, nahezu unbemerkt im Ministerrat verabschiedet worden. Wir wissen im Augenblick nicht genau, wie hoch die laufenden Forderungen aus diesen Beteiligungen tatsächlich sind. Es ist uns nicht bekannt, ob das zurückgefordert werden kann oder nicht, wir wissen nicht, ob das irgendwann einmal zurückgezahlt wird. Österreich hat keinen Einfluß, sondern hat nur eine Mithaftung zu tragen.

Ich frage mich: Ergibt das für Volksvertreter einen Sinn? Haben sie soviel Phantasie, daß man hier sofort, obwohl wirklich schlecht informiert, einstimmig mitbeschließen und mitbestimmen sollte? Oder wird nicht auch Ihnen, meine Damen und Herren, da und dort angst und bange, daß man Dinge beschließt, auf die man den später überhaupt keinen Einfluß mehr hat? – Man kann sich wahrscheinlich nicht zur Gänze davon verabschieden, aber ich denke, daß man hier sehr vorsichtig und behutsam vorgehen sollte.

Weil wir nicht in der Lage sind, zu sagen, ob das in Ordnung ist und wie hoch die Verbindlichkeiten sind, werden wir Freiheitliche dieser Vorlage heute nicht zustimmen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.09


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639. Sitzung / Seite 113

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Gottfried Jaud das Wort.

17.09

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die öffentliche Hand ist kein guter Unternehmer – dazu gibt es unzählige Beispiele –, deshalb ist die Privatisierung des Dorotheums sehr zu begrüßen und zu befürworten.

Wie wir im Ausschuß hörten, soll das Dorotheum, ähnlich wie die Austria Tabakwerke, an die Börse gebracht werden. Das Gesetz läßt allerdings auch eine andere Möglichkeit des Verkaufs zu. Ich hoffe aber, daß es letztlich zu einem Börsegang des Dorotheums kommt, weil sonst die Gefahr besteht, daß es von staatlichen oder staatsnahen Institutionen gekauft wird. Damit würde eigentlich die Privatisierung des Dorotheums ad absurdum geführt. Bei einem Börsegang können sich alle Österreicher am Dorotheum beteiligen, die bereit sind, Geld hiefür auszugeben. Damit wird ein Betrieb, der indirekt, nämlich über die Regierung, bisher bereits der Bevölkerung gehört hat, den Österreichern direkt zur Verfügung und damit auch zur Verwaltung gestellt werden.

Nun möchte ich einige Sätze zum neuen Kreditvereinbarungsgesetz mit dem Internationalen Währungsfonds vorbringen. Österreich hat sich immer schon an den verschiedenen Aktivitäten des Internationalen Währungsfonds beteiligt. Die heute zu beschließende neue Kreditvereinbarung – es ist ja nur eine Kreditvereinbarung, eine Bereitstellung, aber kein Zuschuß – dient der Bereitstellung von 7,1 Milliarden Schilling für eventuell notwendige "Feuerwehraktionen" des Internationalen Währungsfonds, zum Beispiel für den Fall, daß eine Währung in Schwierigkeiten gerät.

Insgesamt stehen dem Internationalen Währungsfonds für solche Aktivitäten zirka 600 Milliarden Schilling als abrufbarer Kredit zur Verfügung. Das heißt, das Geld wird nicht sofort ausgeliehen, sondern steht für solche Aktionen bereit und wird bei Bedarf anteilsmäßig von allen Mitgliedern abberufen. Österreich hat jeweils einen Anteil von 0,82 Prozent bereitzustellen – wenn das richtig ist, was uns im Ausschuß gesagt wurde.

Wer sich gegen einen solchen Beschluß stellt, der stellt sich nach meiner Auffassung auch gegen die Solidarität der internationalen Währungsgemeinschaft. Der Wohlstand in unserem Lande resultiert zu einem Großteil auch aus unseren internationalen Wirtschaftsverflechtungen. Damit diese funktionieren, sind stabile Währungen in den Ländern, die unsere Handelspartner sind, eine Grundvoraussetzung. Die Vorteile aus der internationalen Wirtschaftsverflechtung bedingen auch Verpflichtungen. Eine dieser Verpflichtungen ist unsere Solidarität mit dem Internationalen Währungsfonds.

Wir von der Österreichischen Volkspartei geben deshalb im Interesse der österreichischen Wirtschaft dieser Gesetzesvorlage gerne unsere Zustimmung! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Johann Kraml das Wort.

17.13

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Jaud hat gesagt, die öffentliche Hand sei kein guter Unternehmer. Das mag manchmal so sein, ich sage aber hinzu, daß auch die privaten Unternehmer nicht immer die guten Unternehmer sind. (Bundesrat Dr. Harring: Leider!)

Meine Damen und Herren! Der Bund hält derzeit 100 Prozent Anteilsrechte am Dorotheum. Die vorliegende Gesetzesvorlage sieht nun als ersten Schritt eine Übertragung in das Eigentum der


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ÖIAG vor. Diese wiederum wird beauftragt, ein Privatisierungskonzept vorzubereiten und der Bundesregierung vorzulegen. Die ÖIAG bekommt also keinesfalls die Möglichkeit zur freien Veräußerung des Dorotheums, und das halte ich für wichtig. Die ÖIAG hat im Bereich der Privatisierungsvorbereitungen das entsprechende Know-how vorzuweisen und hat zum Beispiel bei der ATW und bei der Saline gezeigt, daß sie im Interesse des Eigentümers, der Republik Österreich, vorgeht.

Erlöse aus der Privatisierung gehen zu 100 Prozent an den Bund beziehungsweise verringern dessen Refundierungspflichten gegenüber der ÖIAG.

Meine Damen und Herren! Die Geschäftsfelder des Dorotheums sind nicht uninteressant. Im Geschäftsbericht für 1996 steht, daß mehr als 495 000 Kunstgegenstände, Antiquitäten und Schmuckstücke im Dorotheum neue Besitzer gefunden haben. Der Gesamtumsatz belief sich auf 1,5 Milliarden Schilling, und der Jahresgewinn lag immerhin bei 36 Millionen Schilling. Bei Versteigerungen wurden 764 Millionen Schilling umgesetzt, der freie Verkauf brachte einen Umsatz von 725 Millionen Schilling. Das Darlehensvolumen im Pfandkreditbereich betrug über 400 Millionen Schilling, und das durchschnittliche Darlehen lag bei 3 598 S. Die Pfandkredite des Dorotheums dienen also hauptsächlich der kurzen Liquiditätsüberbrückung. Somit kommt dem Dorotheum nach wie vor auch eine wichtige soziale Aufgabe zu. Gerade Kunden für Pfandkredite brauchen eine seriöse, verläßliche und diskrete Anlaufstelle.

Nicht nur im Pfandbereich, sondern auch in kulturpolitischer Hinsicht hat sich das Dorotheum zu einem wichtigen Institut entwickelt. Es ist eines der ältesten Auktionshäuser der Welt. Meine Damen und Herren! Dem Dorotheum ist es gelungen, auf dem internationalen Kunstmarkt eine wichtige Stellung zu erlangen. Diese Stellung gilt es zu halten und weiter auszubauen. Gerade auf einem Markt, der von starkem Wettbewerb geprägt ist und auf dem nicht immer mit fairen Mitteln gekämpft wird, ist ein Eigentümer besonders wichtig, der sich nicht gänzlich als Eigentümer verabschiedet. Ich begrüße es daher, daß das Dorotheum – das ist gesetzlich festgelegt – zu 25 Prozent im Eigentum der ÖIAG verbleiben soll.

Es gilt auch, dem Dorotheum den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern, allerdings vorsichtig und mit Augenmaß. Was es auf alle Fälle zu verhindern gilt, ist ein Ausverkauf an die Konkurrenz.

Meine Damen und Herren! Weiters liegt uns heute ein Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an den neuen Kreditvereinbarungen mit dem Internationalen Währungsfonds vor. Es handelt sich hierbei nicht um eine Kapitalaufstockung des Währungsfonds, sondern um eine Zusage, in Fällen der Bedrohung der Stabilität des internationalen Finanzsystems einen Kredit an den IWF zur Verfügung zu stellen. Dieser Kredit wird zu den üblichen IWF-Zinsen verzinst. Schuldner ist immer der Internationale Währungsfonds. Das heißt, wir bekommen Zinserträge für unser Geld.

Die Möglichkeit, mit kurzfristigen Überbrückungskrediten Stabilität auf dem Finanzmarkt zu schaffen, ist besonders wichtig. Unsere Wirtschaft ist darauf angewiesen, daß es international vernünftige und stabile Rahmenbedingungen gibt. Krisenfälle, wie wir sie im südostasiatischen Wirtschaftsraum in den letzten Monaten erleben mußten, werden nie ganz auszuschließen sein. Wir können und müssen aber versuchen, sowohl in den einzelnen Ländern als auch im internationalen Finanzsystem Bedingungen zu schaffen, die das Entstehen von Krisen nach Möglichkeit verhindern.

Vor jeder Krise gibt es eine Phase, in der horrende Profite aus Tätigkeiten in den betroffenen Ländern gezogen werden. Wenn daraufhin die Notbremse gezogen werden muß, dann werden die Lasten in der Regel nicht von den Profiteuren getragen, sondern zumeist von den sozial Schwachen. Besonders wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang die Ausarbeitung eines internationalen Frühwarnsystems zu sein, damit auf Krisen schon im Ansatz reagiert werden kann.


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Insgesamt gesehen ist es wichtig und richtig, daß sich der IWF in Krisenländern engagiert und dort sozusagen "Feuerwehr" spielt. Letztlich kommt dieser Einsatz wieder der öffentlichen Wirtschaft zugute.

Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wird daher den vorliegenden Gesetzen ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

17.19

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile ihm das Wort.

17.20

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Über die Tagesordnungspunkte 8, 9, 10 und 11 wird eine gemeinsame Debatte durchgeführt. Ich erlaube mir, meinen Beitrag auf die zwei Tagesordnungspunkte 8 und 9 zu beschränken.

Ein Gedanke zum Tagesordnungspunkt 8, dem Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert wird: Darin geht es um die Rückvergütung der sogenannten unechten Vorsteuer, welche in Form einer Beihilfe refundiert wird. Natürlich kann es bei gleichen medizinischen Leistungen zu unterschiedlichen Kosten und, da man die Berechnungen seitens der Träger mit unterschiedlichen Methoden vornimmt, zu unterschiedlichen Tarifen und letztlich zu unterschiedlichen Verrechnungen und Gebühren kommen. Die Leistungsträger selbst verwenden unterschiedliche Parameter für die Leistungsberechnungen, somit müssen die Gebühren, die Kosten, die zur Verrechnung anstehen, unterschiedlich sein.

Meine Damen und Herren! Unabhängig davon wäre es nach dem Steuerrecht nicht möglich, eine unechte Steuer, anders als in Form einer Beihilfe zu refundieren. Wie schon gesagt, ist aufgrund der verschiedenen Berechnungsmethoden eine generalisierende Refundierung nicht vorzusehen und die Beihilfenform zu wählen.

Weil ich gerade die unterschiedlichen Kosten anspreche: Wir wissen, daß bei gleichen medizinischen Leistungen Kostenunterschiede zwischen unterschiedlichen Trägern in einer Größenordnung bis zu 500 Prozent zutage treten. Aber man soll bei dieser Diskussion nicht unerwähnt lassen, daß unterschiedliche Kosten und Tarife auch davon abhängig sind, wer der Träger ist: ob es private Krankenanstaltenträger sind oder ob es sich um Krankenhäuser handelt, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden.

Aber wie heißt es so schön in der berühmten Fernsehwerbung: Dies ist eine andere Geschichte, und das sollte ein anderes Mal – wenn das zuständige Regierungsmitglied hier ist – behandelt und debattiert werden.

Wir werden dem Tagesordnungspunkt 8, der Refundierung in Beihilfenform, unsere Zustimmung geben.

Meine Damen und Herren! Nun zum Tagesordnungspunkt 9, dem Bundesgesetz über die Übertragung des Dorotheums in das Eigentum der ÖIAG. Hier ist die Vorgangsweise der Koalitionsparteien symptomatisch und bezeichnend dafür, wie sie mit öffentlichem Gut und letztlich mit Steuergeld umgehen. Sie wollen das Dorotheum unter dem Titel "Privatisierung" der ÖIAG übertragen. Das klingt gut und hört sich gut an. So weit, so gut, könnte man sagen, meine Damen und Herren! Aber wenn eine Übertragung von öffentlichem Gut von der einen öffentlichen Hand in eine andere – wenn auch in einen anderen Bereich der öffentlichen Hand – erfolgt, so ist es unverständlich und für meine Begriffe sogar grob fahrlässig, wenn dies ohne Bewertung vor sich geht.

Meine Damen und Herren! Diese Vorgangsweise ist jedem Bürger, jedem Steuerzahler gegenüber ein Hohn, da jeder Bürger, der etwas von der öffentlichen Hand erwerben will, der ein öffentliches Gut erwerben will, ein Lied darüber singen kann, wie und was alles bewertet wird und welche Bewertungsmethoden dabei angewendet werden.


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Meine Damen und Herren! Darüber, welche Bewertungsmethoden es gibt, kann auch jeder Unternehmer ein Lied singen und Geschichten schreiben, wenn es im privaten Bereich zu Eigentumsübertragungen kommt. Ich nenne nur ein Beispiel – und hier fehlt mir der Aufschrei des Wirtschaftsbundes –: Bei Betriebsübergaben wird alles, von der letzten Schraube und der kaputten Glühbirne angefangen bis hin zu den Baulichkeiten, bewertet. Es ist einfach unglaublich, welche Bewertungstortur die Privatwirtschaft gemäß Privatrecht bei Eigentumsübertragungen durchzumachen hat.

Meine Damen und Herren! Nicht zuletzt wissen Sie sicherlich auch, welche Verfahren man im Falle eines Nachlasses und Erbfalles über sich ergehen zu lassen hat. Ihnen ist bekannt, was in diesem Bereich alles bewertet wird, damit festgestellt wird, welcher Wert vererbt oder übertragen wird oder in die Hinterlassenschaft einfließt.

Im Bewußtsein dessen stellen Sie von den Regierungsparteien sich hin und wollen das Dorotheum ohne Bewertung, ohne über seinen Wert zu reden, in die ÖIAG eingliedern. Meine Damen und Herren! Da fehlt jede Logik und jede Vernunft, und das bedeutet nicht nur einen sorglosen Umgang mit Steuergeld, sondern im weitesten Sinn auch eine Verhöhnung des Bürgers und der Bevölkerung.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wenn es Ihr Ziel ist, die Bevölkerung mit dieser Vorgangsweise zu verhöhnen, dann sollten Sie den Mut haben, offen zu sagen, daß Sie zwischen öffentlichem und privatem Gut unterscheiden, daß öffentliches Gut von Ihnen anders behandelt und bewertet wird als privates Gut und privates Eigentum! Haben Sie den Mut, sagen Sie es dem Bürger! Handeln Sie nicht nur danach, sondern haben Sie auch den Mut, den Wählerinnen und Wählern, den Bürgern gegenüber zu dieser Entscheidung zu stehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.26

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann das Wort.

17.26

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf den Tagesordnungspunkt 9, die Privatisierung des Dorotheums, beschränken, weil ich denke, daß einige Klarstellungen meinem Vorredner gegenüber nötig sind.

Meine Damen und Herren! Es war die Freiheitliche Partei, die in einem Entschließungsantrag vom 14. März 1996 von der Bundesregierung verlangt hat, raschest das Dorotheum zu privatisieren. Man hat in diesem Entschließungsantrag dem Finanzminister sogar eine Frist bis zum Sommer 1996 gesetzt. Nun aber möchte sich die Freiheitliche Partei mit einer mehr als fadenscheinigen Ausrede von diesem seinerzeitigen Antrag distanzieren. (Bundesrat Weilharter: Die Methode ist es, Herr Kollege!)

Meine Damen und Herren! Gerade die ÖIAG, der das Dorotheum übertragen werden soll, hat sich in den letzten Jahren als die Privatisierungsagentur der österreichischen Bundesregierung bewährt. (Bundesrat DDr. Königshofer: Austrian Industries, die haben Sie filetiert und verkauft!) Herr Kollege! Schauen Sie sich einmal die Berichte der ÖIAG der letzten Jahre an! Die ÖIAG hat im Ausmaß von 28,6 Milliarden Schilling privatisiert, und die ÖIAG-Aktienplazierungen gelten international als besonders wichtig und wertvoll. Ich glaube, die ÖIAG ist die einzige Institution, die diese Privatisierung durchführen kann.

Andere Länder wie Großbritannien schaffen eigene Privatisierungsagenturen. Ich glaube, wir können uns in diesem Fall durchaus des Know-hows der ÖIAG bedienen. Da Sie gesagt haben, Kollege Weilharter, es sei keine Bewertung durchgeführt worden, möchte ich Sie daran erinnern, daß die ÖIAG zu 100 Prozent dem Bund gehört. Das heißt, es ist kein Verkauf im eigentlichen Sinn, sondern das Dorotheum wird an die ÖIAG übertragen. Wenn Sie die Erläuterungen zum Gesetz genau gelesen hätten, wüßten Sie, daß darin die Bedingungen angeführt sind, unter


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denen das Dorotheum privatisiert werden soll. Das steht genau drinnen. (Bundesrat Eisl: Es wird nicht privatisiert! Es wird ausgegliedert! "Privatisiert" ist der falsche Ausdruck!)

Herr Kollege! Lesen Sie sich den Gesetzestext durch, dann werden Sie vielleicht draufkommen, daß drinnen steht – ich zitiere –: "Im Interesse der Nutzung des bei der ÖIAG bestehenden Know-hows ... ist die Übertragung dieser Anteilsrechte in das Eigentum der ÖIAG zum Zweck der Wahrnehmung der Anteilsrechte sowie zum Zweck der Privatisierung vorgesehen; das Gesetz enthält den Auftrag an die ÖIAG, die Dorotheum Gesellschaft m.b.H. nach Möglichkeit vorrangig über die Börse mit einem möglichst hohen Anteil für österreichische Anleger zu privatisieren ..."

Mehr, als die ÖIAG konkret damit zu beauftragen, die Privatisierungsschritte zu setzen, kann man als Gesetzgeber in dem Fall nicht mehr machen. (Bundesrat Weilharter: Welchen Wert soll die ÖIAG privatisieren, Herr Kollege, wenn man es nicht einmal bewertet?) Wie gesagt, Herr Kollege, Sie suchen eine fadenscheinige Ausrede, um sich von Ihrem seinerzeitigen Entschließungsantrag verabschieden zu können.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, mit der Übertragung des Dorotheums an die ÖIAG und der raschest erfolgenden Privatisierung wird eine Politik fortgesetzt, die sich die Österreichische Volkspartei schon im Jahr 1987, als sie in die Bundesregierung eingetreten ist, zum Ziel gesetzt hat.

Weil Kollege Kraml vorhin gesagt hat, daß auch der Unternehmer schlecht wirtschaftet, möchte ich Ihnen zur Privatisierungsdiskussion Milton Friedman zitieren; vielleicht kennen Sie ihn. Er hat gesagt, es gibt vier Arten, auf die man Geld ausgeben kann: Man gibt sein Geld für sich selbst aus: Dann ist man besonders sparsam. Man gibt sein Geld für andere aus: Dann werden die Menschen schon großzügiger. Man gibt fremdes Geld für sich aus: Da fallen die meisten Schranken. Und man gibt fremder Leute Geld für andere aus: Dann gibt es kein Halten mehr. – Das war eigentlich der Grund dafür, daß man in den achtziger Jahren zu privatisieren begonnen hat, damit sich die öffentliche Hand von wirtschaftlichen Funktionen verabschiedet, die sie an und für sich selbst nicht ausüben sollte.

Privatisieren ist eines der wesentlichen wirtschaftspolitischen Ziele einer freien Marktwirtschaft. Ich bin stolz auf die Volkspartei und die Bundesregierung, weil es in den letzten zehn Jahren gelungen ist, die verstaatlichte Industrie erfolgreich zu privatisieren, sodaß diese Unternehmungen heute erfolgreich sind. Darüber ist auch heute wieder in den Tageszeitungen zu lesen. Ich bin froh darüber, daß es uns im letzten Regierungsübereinkommen wiederum gelungen ist, uns über entsprechende Privatisierungsschritte zu einigen. Diesmal geht es um die Privatisierung der Austria Tabakwerke und der Salinen AG sowie um die Umwandlung der Post- und Telegraphenverwaltung in eine Aktiengesellschaft.

Wenn Sie den letzten Bericht des Finanzministers aus dem Hauptausschuß des Nationalrates zum Thema "Übertragung der Aktien der Bank Austria" gelesen haben, so können Sie feststellen, daß Bundesanteile im Wert von 7,8 Milliarden Schilling privatisiert wurden. (Bundesminister Edlinger: Ein guter Preis!) Ein sehr guter Preis, der dafür erzielt wurde! Wir können stolz darauf sein, daß uns das in der Bundesregierung gemeinsam gelungen ist.

Nun zum Dorotheum: Wie heute schon einer meiner Vorredner gesagt hat, ist es nicht nur eine sozialpolitische Institution, sondern eine Institution, die man aus Wien nicht mehr wegdenken kann. Das Dorotheum ist das sechstgrößte Auktionshaus der Welt, wird die "Dorothee" genannt und besteht seit dem Jahr 1707. Es war von Anfang an als Pfandleihanstalt organisiert und hat diese Funktion heute noch inne. Sie haben ja vorhin erwähnt, daß das Dorotheum noch heute im Jahr rund 450 Millionen Schilling als Darlehen, quasi Pfanddarlehen, an über 100 000 Kunden vergibt. Im Durchschnitt beträgt das Darlehen maximal rund 4 000 S. Das heißt, das Dorotheum hat heute noch eine sozialpolitische Funktion, obwohl es in den letzten Jahren zu einem sehr interessanten Auktionshaus mit internationalen Kontakten umgestaltet wurde und internationaler Wertschätzung gefunden hat.


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Das Dorotheum wurde im Jahr 1979 in eine GesmbH umgewandelt und hat einen Umsatz von 1,5 Milliarden Schilling – die eine Hälfte kommt aus Auktionen, die andere aus dem Freiverkauf. Gerade das Dorotheum ist ein klassischer Fall für Privatisierung. Daß dies notwendig ist, entsprechende Reformschritte im Dorotheum durchzuführen, zeigt der letzte Rechnungshofbericht, in dem festgestellt wird, daß die Personaltangente zu hoch ist. Der Generaldirektor hat mir vor ein paar Tagen gesagt, daß der Kollektivvertrag für Angestellte des Dorotheums umgewandelt wird. Das heißt, es gilt nicht mehr der Kollektivvertrag für Bankangestellte allein, sodaß es nunmehr die Möglichkeit gibt, daß dieses Auktionshaus nicht nur bis halb vier Uhr nachmittags geöffnet hat, sondern normale Öffnungszeiten wie jeder Handelsbetrieb anbietet. Dadurch wird auf die internationalen Erforderungen und Notwendigkeiten Rücksicht genommen.

Ich bin mir sicher, daß es der ÖIAG gelingen wird, die Institution Dorotheum entsprechend am Markt zu plazieren. Ich hoffe, daß sich aufgrund der Sperrminorität durch den Bund genügend österreichische Anleger finden werden.

Insgesamt möchte ich zum Thema Privatisierung abschließend sagen, daß wir stolz darauf sein können, daß es uns in den letzten zehn Jahren gelungen ist, alle wichtigen staatlichen Unternehmen, die keine Hoheitsverwaltung durchführen, zu privatisieren. Die Liste reicht von der OMV bis zur AUA. Es stehen noch weitere Privatisierungsschritte an, etwa bei der Staatsdruckerei und bei den Flughäfen. Es wird sicherlich noch Diskussionen darüber geben, ob man die Flughäfen vollständig privatisiert oder den Bundesländern entsprechende Anteile verkauft. Jedenfalls waren die in den letzten Jahren durchgeführten Privatisierungen größtenteils erfolgreich.

Meine Fraktion wird daher dem Gesetz zur Übertragung des Dorotheums an die ÖIAG gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

17.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile ihm das Wort.

17.37

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch über das Privatisierungsgesetz betreffend das Dorotheum sprechen, weil ich glaube, daß dieses Gesetz wiederum eine Facette der österreichischen Deregulierungs- und Privatisierungspolitik aufzeigt. Es geht dabei kurz gesagt um folgendes: Der Bund, der zu 100 Prozent die Anteile der Dorotheum Auktions-, Versatz- und Bank-GesmbH besitzt, überträgt – man könnte auch sagen: schenkt – seine Anteile der ÖIAG mit dem Auftrag, daß die ÖIAG die Anteile veräußert. Dabei verbleiben 25 Prozent bei der ÖIAG. (Bundesminister Edlinger: Und den Erlös zurückschenkt!) Das schenkt sie nicht zurück, Herr Minister, 25 Prozent verbleiben bei der ÖIAG. Die überschießenden Mittel werden zur Schuldenreduktion der ÖIAG verwendet, wodurch sich die Haftungen des Staates verringern. Ich glaube, so habe ich das richtig dargestellt.

Daran darf man die Frage knüpfen: Warum müssen die Mittel überhaupt so verwendet werden? – Da geht es um Altlasten aus der Verstaatlichten-Politik der sechziger und siebziger Jahre. Der Herr Kollege hat ja gesagt, was passiert, wenn man mit fremdem Geld fremde Dinge finanziert, und das war das Prinzip der Verstaatlichten-Politik über all diese Jahre. Diese Zeit und diese Schulden holen uns heute ein. Das Dorotheum wird verkauft, um die Schulden aus dieser Zeit abzudecken.

Herr Minister! Warum heißt diese Gesellschaft jetzt wieder ÖIAG? Sie wurde ja einmal umbenannt und hochtrabend "Austrian Industries" genannt. Es wurde auch gesagt, daß die Austrian Industries Ende der neunziger Jahre an der Wiener Börse notieren werden. Sie notieren nicht an der Wiener Börse, es gibt sie nicht mehr, und die ÖIAG ist jene Rückzuggesellschaft, der es obliegt, die ertragsstarken Teile aus dem Austrian-Industries-Bereich zu filetieren und dann zu verkaufen. Das hat sie mit einigem Erfolg getan, aber auch das andere muß man in diesem Zusammenhang ansprechen.


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Der Kollege hat auch gesagt: Es gibt in dieser Sache einige offene Fragen. Dazu gehört die prinzipielle Frage nach dem Wert des Dorotheums. Jeder private Unternehmer oder jeder Private, der ein Grundstück verkauft, wird einmal den Verkaufsgegenstand bewerten. Ein Unternehmer wird zunächst einen Unternehmensteil vorher bewerten, um zu wissen, welchen Preis er in etwa erzielen wird können. Wo sind die Verkaufslimits, Herr Minister?

Jeder private Aktionär, der Aktien verkauft – oder zumindest die allermeisten –, erteilt der Bank einen limitierten Verkaufsauftrag, in dem es heißt: nicht unter einem gewissen Preis. Läßt man der ÖIAG völlig freie Hand in der Erzielung des Preises für das Dorotheum? – Damit ließe man die ÖIAG über die Haftungsverpflichtungen des Bundes disponieren, und das kann ich nicht gutheißen!

Man müßte vorschreiben, daß das Dorotheum innerhalb einer gewissen Zeit und nicht unter einem bestimmten Preis veräußert werden soll. Alles andere kann in die Hände der ÖIAG gelegt werden. Wenn eigene Vermögenswerte der Republik in die Hände der ÖIAG gelegt werden, möchte ich gar nicht unterstellen, daß fahrlässig damit umgegangen wird, aber ich meine, daß der Eigentümer sich die Verfügungsgewalt über sein Eigentum vorbehalten sollte. (Bundesminister Edlinger: Wer ist in der Hauptversammlung der ÖIAG?) Die Republik, der Bund; da werden Ihre Sektionschefs drinnen sitzen. (Bundesminister Edlinger: Wer? – Ich! Das dürfen Sie nicht vergessen!) Ja Sie, Herr Minister, aber in Ihrer Vertretung Sektionschefs!

Herr Minister! Ich denke, daß man den Wert im vorhinein festschreiben oder ein Limit geben sollte. Denn sonst können Sie die Dinge nur nachträglich sanktionieren, also nachdem die Verträge schon unterschrieben sind. Dann wird es Probleme geben.

Ich stelle fest, daß derzeit niemand auch nur die geringste Ahnung hat, wieviel das Dorotheum wert ist und welcher Verkaufserlös zu erwarten sein wird. Ich erblicke darin eine typisch österreichische Vorgangsweise: Es wird eine lange Vorbereitungsphase, eine lange Käufersuche und langwierige Bewertungsprozeduren geben. Das hat sich auch bei der Veräußerung der Firma Steyr gezeigt. Da hat man über den Wert ebenfalls nicht genau Bescheid gewußt beziehungsweise den Anbietern nicht einmal die Möglichkeit gegeben, eine eigenständige Bewertung durchzuführen. Herr Generaldirektor Hampel hat sich dazu im Fernsehen folgendermaßen geäußert: Er habe schon "befürchtet", daß noch bessere Angebote kommen werden – eine eigenartige Auslegung von zu erwartenden Mehrerlösen!

Als ein negatives Beispiel dafür, wie man in der Vergangenheit versucht hat, ein staatliches Unternehmen zu veräußern, nenne ich das frühere staatliche Reisebüro: das Verkehrsbüro. Der damalige Wirtschaftsminister – das war Dr. Wolfgang Schüssel – wollte das Verkehrsbüro verkaufen, und zwar an den damaligen Generaldirektor Dr. Galler – man nennt solch einen Vorgang Management Buyout. Herr Dr. Galler hat 500 Millionen Schilling für das Verkehrsbüro geboten. Er hätte das wahrscheinlich über Kredite finanziert. Aber dann sind die Freiheitlichen daraufgekommen, daß dieser Preis nicht richtig sein kann. Jörg Haider hat eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft gerichtet, und man hat vom Verkauf auf diese Art und Weise Abstand genommen. Es hat sich herausgestellt, daß auf der Aktiva-Seite des Verkehrsbüros 30 Prozent Casino-Anteile enthalten waren, und allein diese Anteile haben damals einen Wert von ungefähr von 1,5 Milliarden Schilling repräsentiert. Das ergibt eine Differenz von 1 Milliarde Schilling! (Bundesrat Dr. Kaufmann: Wir reden hier über das Dorotheum und nicht über das Verkehrsbüro!) Ich zeige in diesem Zusammenhang auf, wie es in der Vergangenheit falsch gelaufen ist!

Herr Kollege Kaufmann! Ihr Parteiobmann, Ihr Herr Wirtschaftsfachmann Dr. Schüssel hätte das damals so durchgezogen. Ich sage Ihnen: Wenn Jörg Haider nicht gewesen wäre, dann hätte die Republik 1 Milliarde Schilling verloren. Schon aufgrund dessen hat sich Jörg Haider für diese Republik rentiert! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Leichtfried: Da haben wir eine andere Meinung!)

Meine Damen und Herren! Einem Procedere, wie es hier vorgezeichnet ist, werden wir nicht zustimmen, weil wir einfach nicht verstehen können, warum man nicht von seiten des Mini


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steriums eine Unternehmensbewertung durch einen unabhängigen Wirtschaftstreuhänder durchführen läßt, sodaß der Wert des Unternehmens einigermaßen bekannt wäre, warum nicht eine direkte Ausschreibung durchgeführt wird, warum man nicht zum Höchstpreis verkaufen sowie den Erlös zur Schuldenreduktion heranziehen kann. Das wäre eine einfache und klare Vorgehensweise, zu der auch Ihre Beamten im Ministerium in der Lage wären.

Warum es nicht so gemacht wird, entzieht sich unserer Kenntnis. Man wählt den komplizierteren, den indirekten Weg. Wir befürchten daher eine lange Dauer bis zur Veräußerung, relativ hohe Kosten und dadurch verringerte Erlöse. Deshalb werden wir diesem Gesetzesbeschluß unsere Zustimmung nicht geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.45

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Wolfram Vindl das Wort.

17.45

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Gestatten Sie mir einige Anmerkungen zum Tagesordnungspunkt 10.

Mit dem vorliegenden Übereinkommen zur Unterstützung der Zollverwaltungen aus dem Jahr 1967 verfolgten die damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, wie es damals noch hieß, das Ziel, eine enge Zusammenarbeit ihrer Zollverwaltungen herzustellen und im Wege des zukünftigen Abbaues der Binnenzölle die Entwicklung der geplanten Zollunion zwischen den Vertragsstaaten zu fördern. Von der inzwischen vollzogenen Schaffung eines Binnenmarktes war damals noch nicht die Rede.

Durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union verpflichtete sich Österreich, dem zum EU-Acquis gehörenden Übereinkommen bis Ende des Jahres 1998 beizutreten. Das Übereinkommen sieht auch die gegenseitige Unterstützung der Vertragsstaaten bei der genauen Erhebung von Zöllen und sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben sowie zur Verhinderung, Ermittlung und Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen Zollgesetze vor.

Der Anwendungsbereich des Übereinkommens wurde im Laufe der Zeit durch verschiedene EG-Rechtsvorschriften über die Amtshilfe auf den Gebieten der gemeinsamen Zoll- und Agrarregelung, der Mehrwertsteuer und der Verbrauchssteuern ausgehöhlt. Der Anwendungsbereich dieses Übereinkommens ist daher im wesentlichen auf die Zusammenarbeit des Bereiches Justiz und Inneres des Vertrages über die Europäische Union reduziert worden.

Nach dem Übereinkommen sind die Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet, der Zuständigkeitsbereich der nationalen Zollverwaltungen ist jedoch in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. Während zum Beispiel in Frankreich oder Großbritannien die Durchführung der Zollgesetze im Sinne des Übereinkommens ausschließlich der Zollverwaltung obliegt, sind in anderen Staaten für die Vollziehung von nationalen Verbrauchssteuern oder für die Durchführung der Vorschriften über Verbote und Beschränkungen im grenzüberschreitenden Warenverkehr oder für finanzstrafrechtliche Verfolgungen ganz oder teilweise andere Verwaltungen zuständig.

Um einen gleichmäßigen Anwendungsbereich des Übereinkommens zu gewährleisten, gelten für die Zwecke des Übereinkommens auch die eventuell einbezogenen anderen Verwaltungen als Zollverwaltungen. Damit ist klargestellt, daß diese anderen Verwaltungen die gleichen Rechte und Pflichten haben, die das Übereinkommen für die Zollverwaltungen vorsieht, und daß die innerstaatliche Kompetenzverteilung durch das Übereinkommen nicht berührt wird.

Dies ermöglicht in Angelegenheiten gewisser Verbote oder im Rahmen finanzstrafrechtlicher Verfolgungsmaßnahmen einen Amtshilfeverkehr zwischen der Zollverwaltung eines Mitgliedstaates und der Polizeiverwaltung eines anderen Mitgliedstaates, in dem die Zollverwaltung für


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diese Materien nicht zuständig ist. Im Bereich der nicht vergemeinschafteten Verbrauchssteuern ist auch ein Amtshilfeverkehr zwischen einer Zollverwaltung und einer Steuerverwaltung möglich.

Da sich im Übereinkommenstext kein ausdrücklicher Hinweis darauf findet, daß die Rechtshilfe zwischen Justizbehörden vom Übereinkommen unberührt bleibt, geht die Republik Österreich davon aus, daß die geltenden Bestimmungen über die Rechtshilfe zwischen den Justizbehörden in Strafsachen nicht berührt werden.

Hohes Haus! Da im Nationalrat dieses Übereinkommen einstimmig verabschiedet wurde, ersuche ich auch die Damen und Herren dieses Hohen Hauses, gegen diese Regierungsvorlage keinen Einspruch zu erheben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.50

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte sehr, Herr Bundesminister.

17.50

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige Bemerkungen vor allem zu zwei Bereichen, zunächst zum Privatisierungsauftrag an die ÖIAG im Hinblick auf das Dorotheum. Meiner Ansicht nach ist eine Reihe von Debattenbeiträgen nur deshalb gehalten worden, weil in dieser Hinsicht Informationsmangel besteht. Ich möchte versuchen, diesem abzuhelfen.

Zunächst möchte ich feststellen, daß die ÖIAG zu 100 Prozent im Eigentum der Republik steht und von der Bundesregierung ausdrücklich damit beauftragt ist, schrittweise die Beteiligungen der Republik Österreich zu übernehmen – aus Gründen der Verwaltungsreform, aus Gründen der Entlastung der Finanzverwaltung und auch, weil dort die professionellen Ressourcen gebündelt sind, die dafür notwendig sind, die wirtschaftlichen Positionen der Republik Österreich im Bereich von Betrieben zu verwalten beziehungsweise auch in die Funktion eines strategischen Eigentümers einzutreten. Daher ist es im Falle von Übertragungen wie jener des Dorotheums zunächst entbehrlich, irgendwelche Bewertungen vorzunehmen, die letztlich zu überhaupt nichts dienen. Denn selbstverständlich sind Bewertungen vorzunehmen.

Zum zweiten: Die ÖIAG privatisiert treuhändisch im Namen der Republik. Natürlich könnte die Finanzverwaltung die Privatisierung selbst vornehmen, wenn sie die entsprechenden Ressourcen für deren Vorbereitung entwickeln würde. – Bitte? (Bundesrat DDr. Königshofer: Sie beauftragen die ÖIAG! Wozu ist die Anteilsverwaltung?)

Ich habe geglaubt, daß im Parlament bekannt ist, warum wir das machen. – Sie haben richtig gesagt, daß die ÖIAG Schulden hat. Sie haben vielleicht nicht gewußt oder es für entbehrlich gehalten, hier darzustellen, daß die Republik Österreich sich verpflichtet hat, die Schulden sehr langfristig zu bedienen. Das heißt, daß die Republik Österreich gegenüber der ÖIAG eine Rechtsverpflichtung hat, jährlich die Schulden abzudecken.

Wenn man auf der anderen Seite Vermögen veräußert, etwa im Rahmen der Privatisierung, dann hat man zwei Möglichkeiten. Die Republik kann einerseits selbst privatisieren. Die Frage der Bewertung ist nur dann von besonderer Relevanz, wenn man an einen strategischen Partner verkauft. Das ist im Fall des Dorotheums nicht vorgesehen. Vorgesehen ist – das können Sie auch der Regierungsvorlage entnehmen – ein Börsengang. Bei einem Börsengang ist es völlig egal, welchen Erlös Sie sich wünschen, da der Markt den Preis regelt. Aktienkäufe und -verkäufe regeln sich durch Angebot und Nachfrage. Man kann sich dafür entscheiden, nicht zu verkaufen, wenn man es nicht für günstig hält. Wie auch der ATW-Börsengang und der Verkauf der Bank Austria bewiesen haben, sind die entsprechenden Qualifikationen und fachlichen Ressourcen in der ÖIAG vorhanden.


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Aber lassen Sie mich zurückkommen zu der Frage, warum es die Republik nicht selbst macht. – Würde das von der Republik selbst gemacht werden, dann würde ich möglicherweise sogar denselben Erlös bekommen, allerdings hätte ich ihn dann im administrativen Budget zu verbuchen. Wenn es aber die ÖIAG macht, so wie der Auftrag lautet, dann verkürzt das meine Zahlungsverpflichtung gegenüber der ÖIAG, und ich habe diesen Erlös aus dem administrativen Budget in dem mit den Maastricht-Kriterien konformen Budget. – Ich dachte eigentlich, daß qualifizierte Bundesräte diesen Gedanken nachvollziehen können, ohne daß man ihn derart deutlich aussprechen muß.

Ich sage das, damit künftig nicht irgendwelche Märchen darüber erzählt werden, welche üblen Maßnahmen und Undurchsichtigkeiten geschehen wären. Das ist eine Maßnahme, die es uns erst gestattet, Maastricht-konform zu budgetieren und bestimmte Privatisierungserlöse tatsächlich Maastricht-relevant einzubeziehen, um der Bevölkerung andere Maßnahmen, die sonst nötig wären, zu ersparen. Insofern ist das, wie ich glaube, eine sehr kluge, wirtschaftlich vernünftige und sozialpolitisch gerechtfertigte Maßnahme. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Bundesrat Jaud hat gemeint, der Staat sei grundsätzlich ein schlechter Unternehmer. Ich will mich auf diese philosophische Diskussion nicht einlassen. Aber daß der Staat nicht unbedingt ein schlechter Unternehmer ist, beweist gerade das Dorotheum. Denn wäre es ein schlecht geführtes Unternehmen, dann wäre es kein so gutes Unternehmen – wie hier ja viele festgestellt haben –, daß man die Chance hat, an der Börse einen Preis zu erzielen. Insofern meine ich, daß die These, der Staat sei ein schlechter Unternehmer, ebenso falsch ist wie andere Stereotype, die man oft in solchen Diskussionen hört. Wichtig ist, in welchem Geist ein Unternehmen geführt wird, und daß beim Dorotheum ein guter Geist hinter der Führung steht, ist, glaube ich, unbestritten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum zweiten Bereich möchte ich vorausschicken, daß ich etwas nicht ganz verstanden habe. Herr Bundesrat Weilharter hat sich mit der Novelle zum Sozialhilfegesetz beschäftigt und in der Diskussion darüber bestimmte Argumente vorgebracht, die mit der Novelle in keinem ursächlichen Zusammenhang stehen. Das war vielleicht ein Schmuck für die Rede. Richtig ist, daß es – und ich sage das in aller Deutlichkeit – um die Korrektur einer Maßnahme geht, in der anläßlich der großen Krankenanstaltenfinanzierungsreform etwas übersehen worden ist, und zwar in einem Bereich, der meiner Ansicht nach sonst gut gelungen ist. Dort geht es um Milliardenbeträge und um das zukünftige, preisbewußte Führen von Krankenanstalten, und dort ist in der Tat ein winziger Aspekt übersehen worden.

Wie Sie wissen, erfolgt die unechte Umsatzsteuerbefreiung faktisch nach der Art einer Beihilfe; sonst könnte das rein wirtschaftlich nicht funktionieren. Eine solche Weiterverrechnung ist bei sozialversicherten Auslandspatienten aus Gründen des internationalen Rechts nicht möglich. Bund, Länder und Gemeinden haben gemeinsam versucht, dieses Problem zu lösen. Ihr Ziel bestand darin, nicht zu sagen: Da kann man nichts machen, das zahlt der österreichische Steuerzahler!, sondern statt dessen einen Weg zu finden, wie die tatsächlich angelaufenen Kosten der Behandlung von krankenversicherten Auslandspatienten unter den Bedingungen, die durch die Verrechnung in den Krankenanstalten im Rahmen des leistungsbezogenen Krankenanstaltenfinanzierungssystems vorgegeben sind, der ausländischen Krankenversicherungsanstalt angerechnet werden können.

Diese Möglichkeit ist gefunden worden. Leider haben wir ein halbes Jahr dazu gebraucht, um einen Vorschlag zu machen. Es ist nicht immer leicht, dann, wenn Bund, Länder und Gemeinden das gleiche wollen, die Wünsche auch relativ rasch zu akkordieren. Es ist in der Tat so, daß für das Jahr 1997 eine Nachverrechnung nicht möglich ist. Für 1998 aber ist dies geregelt. – Meiner Ansicht nach hat alles andere, was in Ihrem Debattenbeitrag eine Rolle gespielt hat, damit nichts zu tun gehabt.

Letzter Punkt: die Kreditvereinbarungen mit dem IWF. Ich glaube, daß das ein sehr ernstes Thema ist und daß in der Tat im Bereich des IWF Reformen erforderlich sind. Ich sage Ihnen aber ehrlich, daß sich selbst bei verbesserter Entwicklung der Frühwarnsysteme und ähnlichem


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mehr, etwa der Einbindung von Privaten bei Schadensfällen – das sind Überlegungen, die derzeit nicht nur im ECOFIN, sondern auch im IWF diskutiert werden –, auch die Frage stellt: Was passiert eigentlich, wenn einem Land durch ein Frühwarnsystem signalisiert wird: "Moment! Da ist ein wenig Vorsicht geboten!"? – Wenn der IWF "Vorsicht!" sagt, dann bricht garantiert erst recht eine Krise aus! Es ist ein unglaublich sensibler Bereich, um den es da geht.

Ich bin der Meinung, daß man etwas für die Entwicklung von Frühwarnsystemen tun muß. Man muß von jenen Ländern, denen man Hilfestellungen gibt, verlangen, daß sie zur Unabhängigkeit ihrer Notenbanken beitragen. Da handelt es sich nicht immer um ausgesprochen demokratische Staaten, wenn Sie wissen, was ich meine. Wir müssen verlangen, daß die Kontrolle und die nationale Bankenaufsicht gestärkt werden, daß die Häufigkeit bestimmter Vorkommnisse, wie wir sie aus dem südostasiatischen Raum kennen, minimiert wird und daß bei Interventionen letztlich auch auf die Situation der örtlichen Bevölkerung Rücksicht genommen wird.

Was im Zuge von Interventionen, die dazu dienen, die Lage währungspolitisch und stabilitätspolitisch wieder in den Griff zu bekommen, an Elend und Leid in der Bevölkerung dieser Länder ausgelöst wird, weil man auf die soziale Dimension dieser Interventionen zu wenig Rücksicht nimmt, hinterläßt in mir ein ungutes Gefühl der Betroffenheit, weil wir indirekt in dieses Finanzierungsgeschehen miteingebunden sind.

Ich meine daher, daß man die Notwendigkeit solcher Interventionen weiterhin anerkennen muß. Denn die Globalisierung der Wirtschaft hat die Wirtschaftsräume sehr eng aneinandergefügt. Die Verflechtungen sind sehr eng geworden, sodaß man nicht sagen kann: Das passiert auf der anderen Seite der Weltkugel; bis das zu uns kommt, wird die Situation schon wieder anders sein. – Das ist unter Umständen viel rascher da, als man sich das vorstellt.

Die direkten und indirekten Auswirkungen der Asienkrise auf die europäische Wirtschaft in langfristiger Hinsicht – für die Jahre 1998 und 1999 – sind schwer prognostizierbar. Das ist einer der Gründe dafür, daß wir den Voranschlag 1999 auf der Basis eines Wirtschaftswachstums von 2,8 Prozent erstellt haben, nicht aber aufgrund der von den Wirtschaftsforschern prognostizierten 3 Prozent. Denn Vorsicht ist angebracht.

Zur konkreten Frage, in welcher Höhe die Forderungen der Republik Österreich beziehungsweise der OeNB gegenüber dem IWF liegen, möchte ich vorschlagen, daß ich Ihnen die Antwort aus Gründen der Zeitersparnis aus einer Anfragebeantwortung an die Freiheitlichen vorlese. – Vielleicht könnten Sie künftighin die innerfraktionelle Kommunikation in der Freiheitlichen Partei verbessern. (Bundesrat Konečny: Ja, das wäre schön!) Ich habe nämlich erst unlängst, am 12. März 1998, Herrn Mag. Gilbert Trattner auf die exakt gleiche Frage exakt geantwortet. Möglicherweise könnte man solche Informationen künftig intern weitergeben.

Ich lese Ihnen diese Antwort gerne vor und hoffe, daß mich Herr Mag. Gilbert Trattner nicht der Verletzung des Briefgeheimnisses zeihen wird. Ich hoffe, er gestattet, daß ich das hier verlese.

Herr Abgeordneter Trattner fragte mich wörtlich: Wie hoch ist das Engagement? – Ich lese Ihnen vor – es ist eine sehr knappe Antwort –, in welcher Weise sich das uns darstellt:

"Die Mitgliedstaaten des Internationalen Währungsfonds" – also auch Österreich – "gewähren diesem keine Kredite im banktechnischen Sinn, der Mitgliedsbeitrag (Rechtsbasis: IMF Articles of Agreement) entspricht ökonomisch jedoch einer Kreditgewährung. Dieser Mitgliedsbeitrag, die sogenannte Quote, Österreichs am Internationalen Währungsfonds beträgt derzeit 1,1883 Mrd. Sonderziehungsrechte (SZR), das sind 20,5 Mrd. ATS zu einem Kurs von 1 SZR = 17,2704 ATS per 30. Jänner 1998. Davon wurden laut Wochenausweis der Oesterreichischen Nationalbank vom 7. März 1998 15,4 Mrd. ATS, das sind rund 75 %, eingezahlt. Dieser Betrag wird mit einem an der SZR-Verzinsung (16. Februar 1998: 4,26 Prozent) angelehnten Zinssatz verzinst. Diese SZR-Verzinsung ergibt sich aus gewichteten Dreimonatszinssätzen der fünf wichtigsten Weltwährungen." – Ende des Zitats. 


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Ich hoffe, daß ich trotz der Kürze zur Verständlichkeit beigetragen habe. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

18.06

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird noch von jemandem das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte über diese Punkte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgen.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Übertragung des Dorotheums in das Eigentum der ÖIAG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Übereinkommen zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen samt Zusatzprotokoll und Protokoll über den Beitritt Griechenlands zum Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen sowie Erklärung der Republik Österreich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an den Neuen Kreditvereinbarungen (New Arrangements to Borrow, NAB) mit dem internationalen Währungsfonds.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Bevor wir zum nächsten Punkt der Tagesordnung kommen, gebe ich bekannt, daß mir der Wunsch vorgelegt wurde, die Sitzung zur Führung fraktioneller Beratungen über einen späteren Tagesordnungspunkt zu unterbrechen.


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Ich komme diesem Wunsch nach und unterbreche die Sitzung für vorläufig 10 Minuten.

(Die Sitzung wird um 18.08 Uhr unterbrochen und um 18.40 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Ludwig Bieringer: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

12. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über die soziale Lage 1996 (III-171/BR sowie 5663/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen zum 12. Punkt der Tagesordnung: Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über die soziale Lage 1996.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Johann Grillenberger übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Johann Grillenberger: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 15. April 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. – Bitte.

18.42

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Der Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über die soziale Lage 1996 bietet eine sehr umfassende Darstellung der sozialen Situation in Österreich. Man kann bei erster Betrachtung des Konvolutes attestieren, daß auf viele Bereiche beziehungsweise auf alle Sozialkomponenten und -bereiche Österreichs eingegangen worden ist – allerdings muß dazugesagt werden: aus der subjektiven Sicht der Regierung.

Meine Damen und Herren! Im Bericht ist die Rede von einer Steigerung des Bruttoinlandsproduktes um 1,3 Prozent. Da die öffentlichen Haushalte auf die wirtschaftliche Entwicklung restriktiv reagierten und die Steigerung des Wirtschaftswachstums auf den privaten Konsum zurückzuführen war – das geht auch aus der Einleitung des Berichtes hervor –, muß man genauer nachfragen und nachlesen, woraus die Steigerung des Bruttoinlandsproduktes um die besagten 1,3 Prozent resultieren kann. Woher kommt diese Steigerung?

Meine Damen und Herren! Gleichzeitig sagt der Bericht aus, daß das Realeinkommen des einzelnen im Durchschnitt gesunken ist. Man könnte nun, ohne nachzudenken, fälschlicherweise sagen: Es ist ein positiver Bericht. Das Bruttoinlandsprodukt ist gestiegen, und die Einkommenssituation des einzelnen hat sich zwar nicht unbedingt positiv entwickelt, ist aber in Summe verkraftbar.

Meine Damen und Herren! Nein, das wäre zu leichtsinnig, das wäre schludrige Sozialpolitik. Wenn man, ohne nachzudenken und ohne letztlich die Zahlen zu ergründen, diesen Bericht weiterlesen würde, dann würde das nach meiner Definition dem Stil und dem Wunsch der Bundesregierung entsprechen.

Meine Damen und Herren! Das Realeinkommen ist laut Bericht gesunken. Die öffentlichen Aufträge, vor allem in der Bauwirtschaft, haben stagniert. Das heißt, wie ich schon gesagt habe, daß die Staatsbürger die Steigerung des Bruttoinlandsproduktes finanziert haben. Gleichzeitig muß man wissen – das ist die Kernaussage angesichts dieser Entwicklung –, daß, wenn das


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Realeinkommen des einzelnen gesunken ist, die Finanzierung der Bruttoinlandsproduktsteigerung nur auf die Ersparnisse des einzelnen zurückzuführen sein kann. Das heißt mit anderen Worten: Die Österreicherinnen und Österreicher haben die privaten Bedürfnisse letztlich mit Ersparnissen finanzieren müssen.

Meine Damen und Herren! Das ist eine traurige Realität, und eigentlich könnte man das als Bilanz der rot-schwarzen Sozialpolitik bezeichnen. Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie brauchen sich darüber nicht aufzuregen. Ich verstehe, daß es für Sie unter Umständen kein Thema ist, wenn sich die Einkommenssituation negativ entwickelt hat. Aber wenn Sie sich schon nicht darüber aufregen, daß der einzelne seine Ersparnisse antasten mußte, um das Bruttoinlandsprodukt zu steigern, dann haben Sie wenigstens den Mut und stehen Sie zu dieser Ihrer verfehlten Sozialpolitik und zu Ihrer verfehlten Einkommenspolitik!

Meine Damen und Herren! Der Hinweis im Bericht, daß die Steigerung des Bruttoinlandsproduktes auf dem Export fußt, ist insofern nicht zulässig, als auch der Bericht darauf hinweist, daß auf den österreichischen Exportmärkten eher gedämpfte Stimmung herrschte. Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Wenn Sie die negative Entwicklung damit begründen und im Bericht so darstellen, daß an der seit 1993 rückläufigen Erwerbsquote in Österreich – das geht aus allen Sozialberichten von 1993 bis heute hervor – das Rezessionsjahr 1993 Schuld habe, dann erhebt sich selbstverständlich nicht nur für einen Parlamentarier, sondern auch für die österreichischen Damen und Herren Staatsbürger die Frage: Was haben Sie seit 1993, als Sie erkannten, daß es ein Rezessionsjahr war, getan, um zu verhindern, daß sich dieser negative Trend fortsetzen kann? – Meine Damen und Herren! Hier setzt berechtigterweise die Kritik nicht nur der Opposition, sondern auch der betroffenen Staatsbürger ein.

Die Erwerbsquote ist sowohl bei Männern als auch bei Frauen um ungefähr 0,5 Prozent gesunken. Der Rückgang der selbständigen Beschäftigung beträgt im Berichtszeitraum 1996 2,6 Prozent. In absoluten Zahlen gesprochen bedeutet das, 9 800 Selbständige haben aufgegeben und das Handtuch geworfen.

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Beispiel aus diesem Bericht: Im Berichtszeitraum 1996 ist die Zahl der unselbständig Beschäftigten gegenüber dem Vorjahr, 1995, gestiegen. 21 000 Menschen weniger waren im Berichtszeitraum 1996 beschäftigt. In Prozenten ausgedrückt heißt das: Es gab von 1995 bis 1996 eine negative Steigerung von 1,1 Prozent. Nicht zu übersehen ist die Arbeitslosenrate, die 1996 im Vergleich zum Jahr 1995 um 6,6 Prozent auf absolute 7 Prozent gestiegen ist.

Meine Damen und Herren! Diese Steigerung von 6,6 Prozent darf nicht unerwähnt bleiben, auch wenn in diesem Bericht zu relativieren versucht wird. Man spricht von einer Arbeitslosenzahl von 7 Prozent. Diese Gesamtzahl ist grundsätzlich zu diskutieren und zu hinterfragen. Aber vor allem ist zu hinterfragen, wie es zu solch einer gravierenden Steigerung von einem Jahr zum anderen kommen konnte.

Meine Damen und Herren! Nicht unerwähnt lassen sollte man bei der Debatte zum Sozialbericht 1996 jene Gruppe, die im Berichtszeitraum zumindest einmal von Arbeitslosigkeit betroffen war. Das waren immerhin 9 Prozent der Bevölkerung oder – in absoluten Zahlen – 709 000 Menschen.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Man könnte in Summe diesen Bericht als sogenannte Sozialbilanz der Regierung bezeichnen. Der Wirtschaftswissenschaftler Hilmar Nahr hat einmal sehr treffend gesagt: Die Bilanz ist das Jahreszeugnis eines Managers. Wie treffend dieses Zitat ist, zeigt dieser Sozialbericht, der die Bilanz der Sozialpolitik der Bundesregierung ist. Meine Damen und Herren! Dieser Bericht, der nun zur Debatte und zur Beratung steht, ist nichts anderes als die Bilanz der rot-schwarzen Sozialpolitik im Jahre 1996.

Meine Damen und Herren! Es ist eigentlich beschämend für den Parlamentarismus, es ist beschämend für Volksvertreter, wenn man dann von seiten der Regierungsparteien versucht, diesen negativen Bericht, diese negative Entwicklung der Bevölkerung und dem Parlament als Erfolg zu verkaufen.


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639. Sitzung / Seite 127

Meine Damen und Herren! Sie wollen uns einreden, daß die Regierung alles getan hat, um die Armut in Österreich zu bekämpfen. Über eine Million Menschen leben an der Armutsgrenze. Das, meine Damen und Herren, ist die traurige Bilanz, die Sie anscheinend – Ihre Ruhe bestätigt mir das – nicht berührt. Diese Zahl stammt von keinem bösen Freiheitlichen, Sie wissen – ich glaube, ich brauche es nicht zu zitieren –, von wem diese Aussage stammt.

Meine Damen und Herren! Ich frage die Regierungsparteien: Wo bleibt die steuerliche Entlastung der nichtentnommenen Gewinne in den Betrieben, damit sich die Insolvenzrate hinsichtlich der Betriebe reduziert?

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Wo bleiben konkrete Maßnahmen dafür, die seit 1993 sinkende Erwerbsquote zu stabilisieren oder sogar die Entwicklung umzukehren?

Meine Damen und Herren! Man muß auch bei der Sozialdebatte hinterfragen: Wo bleiben die Entlastungen im Steuerrecht, zum Beispiel der Wegfall der sogenannten Strafsteuer für Mehrleistungen, auch Überstundenbesteuerung genannt? Wo bleibt die Reduktion der Lohnnebenkosten? Wo bleibt insgesamt eine Steuerreform, die letztlich Anreize schafft, daß sich die Einkommenssituation sowohl auf Arbeitgeberseite als auch auf Arbeitnehmerseite wieder stabilisiert und nicht rote Zahlen geschrieben werden müssen?

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie haben trotz Kenntnis dieser negativen Entwicklung nicht den Mut gehabt, dem negativem Trend etwas entgegenzustellen. Ganz im Gegenteil! Der Österreichische Wirtschaftsbund freut sich sogar über diese negative Entwicklung. Dazu zitiere ich die Vertreter des Wirtschaftsbundes, die in ihrer eigenen Zeitschrift "Der Unternehmer" vom März dieses Jahres unter dem Titel "Big is beautiful" folgendes schreiben: Trotz steigender Gewinne müssen die Banken von ihren hohen Personalkosten herunter. In wenigen Jahren wird die Bankenlandschaft völlig anders aussehen. Bankbeamte sind out. – Und jetzt kommt es: Der Euro, aber auch das Internet ermöglichen europaweite Angebote bei Geldanlagen und Finanzierungen. Angelpunkt wird die Vergleichbarkeit der Zinsen in der einheitlichen Währung sein, dem Euro. Um im globalen Finanzierungsgeschäft mithalten zu können, versuchen die Banken, immer größer und mächtiger zu werden. Da das angestrebte Wachstum aus eigener Kraft aber kaum zu schaffen ist, übernehmen sie mit riesigen Einsätzen Konkurrenten. Tummeln sich Fusionäre in identischen Märkten, können sie Kosten senken und Kapazitäten besser auslasten. Gut ein Fünftel des heimischen Bankenpersonals dürfte in den nächsten Jahren ausscheiden und nicht mehr ersetzt werden.

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! "Big is beautiful" – ist das Ihr sozialer Weg? Ist das Ihre Arbeitsmarktpolitik? – Wenn ja, dann stehen Sie dazu, dann sagen Sie es auch in der Öffentlichkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! All das sind Bereiche, in denen wir uns Veränderungen erwartet hätten und die Regierung aufgefordert und aufgerufen wäre, die sozialen Härten auszugleichen, die Armut einzudämmen und zu bekämpfen. Passiert ist leider – um nicht zu sagen nichts! – zu wenig.

Meine Damen und Herren! Das permanente Fortschreiben der Probleme in sogenannten Sozialberichten oder Berichten über die soziale Lage kann nicht der Weg eines Parlaments sein. Meine Damen und Herren! Der Versuch, diese negative Entwicklung auch noch positiv darzustellen, scheint mir der falsche Weg zu sein. Wir, die freiheitliche Fraktion, werden daher diesem Sozialbericht und vor allem der Scheinheiligkeit, mit der behauptet wird, daß dies ein positiver Bericht über die soziale Lage in Österreich sei, keine Zustimmung geben.

Meine Damen und Herren! Wir würden gerne einem Sozialbericht zustimmen, aus dem hervorgeht, daß sich die wirtschaftliche Lage des einzelnen und der Familien stabilisiert hat und daß es sich letztlich wieder lohnt, in Österreich zu arbeiten. Wenn das der Fall sein wird, meine Damen und Herren, wenn ein Bericht das in Hinkunft aussagen wird, dann werden Sie uns als Partner haben! Aber für diesen Weg, den Sie selbst gewählt und dem Sie nicht gegengesteuert haben, geben wir uns nicht her. Daher werden wir unsere Zustimmung verweigern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.56


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639. Sitzung / Seite 128

Präsident Ludwig Bieringer:
Nächste Wortmeldung: Frau Bundesrätin Aloisia Fischer. – Bitte.

18.56

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Österreich hat eine der besten sozialen Absicherungen in Europa. Dies kann man in vielen Berichten und in vielen vergleichbaren Aufzeichnungen nachlesen. Ich bedanke mich bei Ihnen, Frau Bundesministerin (Beifall bei ÖVP und SPÖ), aber auch bei Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für diesen umfassenden Bericht, der sehr viele Themen anspricht, der ein aussagekräftiges Nachschlagewerk ist, der uns aber auch beauftragt, dort, wo es notwendig ist, gegenzusteuern.

Ich nehme einen Bereich heraus: die Arbeitslosigkeit. Dies ist ein Umstand, welcher die Lebensplanung und die Lebensgestaltung der betroffenen Menschen gewaltig durcheinanderbringt und diese Menschen verunsichert. 709 000 Personen waren 1996 zumindest einmal von Arbeitslosigkeit betroffen, davon 73 000 Personen länger als ein Jahr. Obwohl Österreich unter dem OECD- und dem EU-Durchschnitt der Arbeitslosigkeit liegt, ist doch jeder Arbeitslose in Österreich einer zuviel.

Arbeitslosigkeit treibt Menschen in arge finanzielle und psychische Probleme. Jugendliche, die auf der Straße stehen, haben Schwierigkeiten mit ihrer Lebensplanung. Langzeitarbeitslosigkeit bildet einen schmalen Grat zur Armut. Die mittlere monatliche Auszahlungssumme beträgt für arbeitslose Männer 9 900 S, für Frauen 7 400 S. 60 Prozent der arbeitslosen Frauen haben ein Einkommen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz.

In Forschungsprojekten wird Armut am häufigsten als Einkommensarmut definiert. Der Bericht sagt aus, daß nicht – Gott sei Dank nicht mehr! – überwiegend ältere Menschen von Armut betroffen sind. Aufgrund von Pensionserhöhungen, aufgrund der Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes konnte da in der Vergangenheit wesentlich geholfen und etliches verbessert werden. Aber der Bericht sagt auch aus, daß immer mehr Personen betroffen sind, die im erwerbsfähigen Alter stehen. Es sind Familien mit mehreren Kindern und Alleinerzieher davon betroffen. 60 Prozent der von Armut betroffenen Kinder leben in Haushalten mit drei und mehr Kindern oder in Haushalten von AlleinerzieherInnen.

Der Bericht weist aber auch eine gesamte Berufsgruppe als überdurchschnittlich armutsgefährdet aus. Ich spreche hier den Beruf des Bauern und der Bäuerin an. Der Arbeitsplatz Bauernhof ist in Gefahr! Der Arbeitsplatz Bauernhof muß abgesichert werden, denn jeder Mensch, der diesen Arbeitsplatz verläßt, drängt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und verschärft dort die Situation. Reaktionen darauf sind unbedingt notwendig – Reaktionen, die unsere Landwirtschaft absichern, aber auch Reaktionen, die Wirtschaft und Gewerbe absichern. Denn Wirtschaft und Gewerbe schaffen Arbeitsplätze und sichern die Erwerbsquote. Deshalb ist es notwendig, bestehende Arbeitsplätze abzusichern und bei Neugründungen und Erweiterungen praxisgerechte und zeitlich kurze Verfahrensdauer zu ermöglichen.

Ich darf noch zwei Punkte ansprechen. Ab 1. 9. 1996 – Frau Bundesministerin, Sie wissen diesbezüglich um meine Sorge – ist die Anspruchsvoraussetzung für die vorzeitige Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit geändert worden. Für alle Frauen, die am 1. 9. 1996 bereits das 55. Lebensjahr vollendet hatten, blieb das alte Recht aufrecht. Bei Frauen, deren Geburtsdatum nach dem 1. 9. 1941 liegt, entstehen durch diese neue Regelung, durch diese neuen Anspruchsvoraussetzungen Härtefälle, welche – darum bitte ich – durch eine Einschleifregelung – ich will keine Aufhebung der neuen Gesetzeslage, aber ich möchte eine Einschleifregelung – entschärft werden können.

Der zweite Punkt, den ich ansprechen will, ist der Berufsschutz. Es gibt, so glaube ich, zwei Arten von Berufsschutz: den normalen Berufsschutz und, wiederum in der Landwirtschaft, den verschärften Berufsschutz. Der verschärfte Berufsschutz trifft nicht selten Frauen im ländlichen Raum, welche nach schwerer Krankheit oder Leiden, aufgrund der härteren Arbeit, aufgrund der großen Herausforderungen im Beruf ihren Beruf nicht mehr ausüben können und auf den


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639. Sitzung / Seite 129

allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Gerade in ländlichen Regionen haben sie aber keine Möglichkeit, dort einen Arbeitsplatz zu finden.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Das Unverständnis der Betroffenen ist uns gewiß. Sozialpolitik ist etwas Lebendiges. Neue Verbesserungen werden auch heute wiederum diskutiert und verhandelt, denn es gilt, die Sozialpolitik ständig den geänderten Rahmenbedingungen anzupassen.

Die Aussage eines Jugendlichen vor kurzem lautete: Ich habe Angst, keinen Arbeitsplatz zu bekommen, deshalb keine Familie ernähren zu können, und Pension bekomme ich wahrscheinlich sowieso keine mehr! – Daß diese Sorge nicht wahr wird, dafür haben wir zu arbeiten, dafür tragen wir die Verantwortung, und wir werden dies gemeinsam mit der Frau Bundesministerin auch in Zukunft tun! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.03

Präsident Ludwig Bieringer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile ihm dieses.

19.03

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich glaube auch, daß der Sozialbericht 1996 sehr übersichtlich und für politisch Interessierte ein sehr brauchbares Nachschlagewerk ist. Niemand hat behauptet, daß das Jahr 1996 ein leichtes Jahr gewesen ist. Es gab zweifelsohne große Probleme, diese wurden auch rechtzeitig erkannt, und es wurden auch von der Bundesregierung rechtzeitig Maßnahmen gesetzt.

Ich kann aber dem Gejammer von Kollegen Weilharter nicht folgen. Es scheint sein politisches Schicksal zu sein, denn wenn er eine Zeitung von morgen lesen würde, dann würde er darin die Erläuterung finden, daß Österreich trotz des schwierigen Jahres 1996 zu den reichsten Ländern dieser Erde gehört. Wir Österreicher liegen an siebenter Stelle. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. ) Diese Daten, Kollege Weilharter, wurden nicht von Österreich selbst erstellt, sondern wurden von der Weltbank in Washington erstellt und beruhen auf wirtschaftlichen Daten aus dem Jahre 1996, bei denen das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen für alle Österreicherinnen und Österreicher mit 350 000 S angegeben wird.

Sicherlich gibt es sechs Länder, die reicher sind. (Bundesrat Weilharter: Ist das Ihre Meinung als Arbeitnehmervertreter?) – Das ist nicht meine Meinung. Ich habe nur eine Tageszeitung zitiert, die Sie morgen sicherlich noch kaufen können.

Es ist richtig, daß die Arbeitslosigkeit im Jahr 1996 gestiegen und ein sehr großes Problem gewesen ist. Ich kann Ihnen aber versichern, daß die Arbeitslosenrate in der Höhe von 4,4 Prozent nach EU-Kriterien und 7 Prozent nach internen Erfassungsmethoden für uns zu hoch gewesen ist. Wir haben auch keine Freude damit gehabt, daß im Jahr 1996 die Zahl der offenen Stellen, die die Wirtschaft den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zur Verfügung gestellt hat, dramatisch zurückgegangen ist.

Aber die Sozialdemokratie und vor allem die Gewerkschaft und Arbeiterkammern haben anläßlich dieser Entwicklung Druck gemacht und haben die Ursachen der ansteigenden Arbeitslosigkeit klar angesprochen. Bereits die Maßnahmen, die im Jahre 1996 gesetzt wurden, haben schon im Jahre 1997 zu einer deutlichen Verbesserung auf dem österreichischen Arbeitsmarkt geführt, die sicherlich noch nicht so weit gediehen oder entwickelt sind, daß wir ruhen könnten. Aber wir haben aufgrund dieser Entwicklung auch Aktionen gesetzt und Aktionismus gezeigt – als Gewerkschafter und als Sozialdemokraten. Es hat eine Reihe nationaler Aktionen gegeben, Ende Mai zum Beispiel die Aktion: "Europa braucht Arbeit".

Kollege Weilharter! Ihr Bundesparteiobmann hat der österreichischen Gewerkschaftsbewegung diesen Slogan gestohlen und ist mit dem gleichen Slogan: "Europa braucht Arbeit" im zehnten Wiener Bezirk am Viktor Adler-Platz aufgetreten. Die dort Versammelten haben sich sehr darüber gewundert. (Bundesrat Dr. Bösch: Von wem reden Sie? Von wem sprechen Sie?)


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In der Folge hat dann die österreichische Bundesregierung, an der Spitze der Bundeskanzler, auf europäischer Ebene Druck gemacht, Initiativen gesetzt, unterstützt durch die nordischen EU-Länder, durch die Franzosen, daß dann in Amsterdam Wirklichkeit wurde, daß man der Beschäftigung in Europa annähernd den gleichen Stellenwert beigemessen hat wie der Einführung des Euros.

Ich möchte auch nicht verschweigen, daß wir, bevor es im November zu dem Beschäftigungsgipfel in Luxemburg gekommen ist, als Europäischer Gewerkschaftsbund eine sehr eindrucksvolle Demonstration durchgeführt haben, an der sich über 40 000 Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa beteiligt haben. Das hat dazu geführt, Kollege Weilharter, daß die Beschäftigung auch in der Europäischen Union ein vorrangiges Thema geworden ist.

Die Konsequenzen daraus sind, daß diese 15 europäischen Mitgliedsländer bis 15. April des heurigen Jahres ihre Beschäftigungsprogramme vorlegen mußten, mit denen zumindest die Mindestnormen des Luxemburger Programmes erfüllt werden. Das Ziel dieser Beschäftigungsaktivitäten ist es, bis zum Jahr 2002 die Arbeitslosigkeit spürbar zu senken. Wir alle wissen, daß dies auch in Österreich unter großen Kraftanstrengungen möglich ist.

Sie, sehr geschätzte Frau Bundesministerin, haben mit Bundesminister Farnleitner gestern das österreichische Beschäftigungspapier, das gemeinsam mit den Sozialpartnern erarbeitet wurde, der Bevölkerung vorgestellt. Die österreichische Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Arbeitslosenrate von derzeit 4,5 Prozent bis zum Jahr 2002 um 1 Prozent auf 3,5 Prozent zu senken. Dieses von der Bundesregierung beschlossene nationale Beschäftigungskonzept enthält viele Elemente, die von den Sozialpartnern, von der Wirtschaft, aber auch vom ÖGB zur Sicherung und zur Verbesserung der Beschäftigung sowie vor allem zur Senkung der Arbeitslosigkeit gefordert wurden. Insbesondere die Festlegung auf quantitative Ziele für mehr Beschäftigung und die Verringerung der Arbeitslosigkeit sowie Maßnahmen für die Verbesserung der Infrastruktur und Forschung und Entwicklung sind wesentliche Elemente dieses Konzeptes.

Wir gehen davon aus, daß die von der Regierung vorgelegten Details im Interesse der Betroffenen rasch wirksam werden. Kollege Weilharter! Eine erste Überprüfung der Wirksamkeit dieser von uns geforderten und damit angeregten Details wird bereits im Dezember dieses Jahres unter der österreichischen EU-Präsidentschaft möglich sein.

Die Sozialpartner haben rechtzeitig erkannt, daß trotz aller bisherigen Anstrengungen aufgrund der geburtenstarken Jahrgänge und Veränderungen in den Ausbildungsgewohnheiten Schwierigkeiten auf dem Sektor der Jugendausbildung und -beschäftigung entstehen werden. Aus diesem Grunde haben wir – die Sozialpartner – gemeinsam wirksame und praxisorientierte Vorschläge zur Jugendbeschäftigung und zur Jugendausbildung sowie zur Arbeitsorganisation vorgelegt. Darin sind nachvollziehbare konkrete Lösungen enthalten und das Recht auf Bildung für die Jugend, insbesondere für die bevorstehenden kritischen Jahre – das heurige Jahr und das nächste Jahr –, gewährleistet. Dafür darf ich vor allem im Namen der Jugend, sehr geehrte Frau Bundesministerin, recht herzlich danken.

Die von der Regierung dargelegten Überlegungen zur Jugendbeschäftigung zeigen uns den Willen zur Errichtung eines Auffangnetzes für die Jugendlichen ohne Ausbildungsmöglichkeiten, haben jedoch einen anderen Ansatz, und es müssen sicherlich noch die Detailfragen in einer Arbeitsgruppe geklärt werden. Daher ist es auch hier – ich sage das sehr offen – nicht sehr leicht, eine konkrete Bewertung vorzunehmen.

Die Sicherung der Jugendbeschäftigung und die Umsetzung der Maßnahmen im nationalen Beschäftigungsprogramm für alle Arbeitsuchenden, ob jung oder alt, ob Mann oder Frau, werden daher die Aufgaben der nächsten Monate sein. Es muß uns gemeinsam gelingen, die gleiche Effizienz – ich wiederhole das – wie bei der Einführung des Euros in der Frage der Beschäftigung zu realisieren. Nur wenn das gelingt, wird die Bevölkerung bereit sein, Europa als ein sinnvolles Zukunftsprojekt ernstzunehmen.

Das vorliegende Beschäftigungsprogramm, das Sie, meine Damen und Herren der FPÖ, und besonders Sie, Kollege Weilharter, sich einmal im Detail anschauen sollten, ist eine gute Grund


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639. Sitzung / Seite 131

lage. Wir erwarten aber – ich sage das auch unverblümt –, daß man seitens der Regierung und der Wirtschaft sehr rasch an die Verwirklichung herangeht. (Bundesrat Weilharter: Seit 1993! Seit 1993!)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Nun möchte ich noch eine Bitte und ein dringendes Anliegen an Sie richten. Es geht darum, die nicht mehr sachlich begründbaren arbeits- und sozialrechtlichen Unterschiede zwischen den Angestellten und Arbeitern abzubauen. Da geht es vor allem um Kündigungsfristen und um die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Diesbezüglich gibt es gravierende Unterschiede zwischen den Arbeitern und den Angestellten.

Einige Beispiele dazu aus der Praxis: Ein Maurer, zehn Jahre beschäftigt, wird gekündigt – Kündigungsfrist eine Woche. Ein Angestellter in der gleichen Branche, zehn Jahre beschäftigt, wird gekündigt – Kündigungsfrist drei Monate. Ein Arbeiter, sechs Jahre beschäftigt, wird krank – sechs Wochen volle Entgeltfortzahlung. Ein Angestellter, sechs Jahre beschäftigt, wird krank – acht Wochen volles Gehalt, vier Wochen 50 Prozent des Gehaltes.

Es geht nicht nur um materielle Unterschiede, meine sehr geehrten Damen und Herren, sondern es geht auch um gesellschaftliche Unterschiede. Diese Unterschiede sind nicht mehr zeitgemäß, die Schlechterstellung wird von der Gruppe der Arbeiter als diskriminierend empfunden. (Bundesrat Weilharter: Dann müssen Sie den Sozialbericht ablehnen, weil das geht genau dort hervor!)

Ich zeige die Unterschiede auf und ersuche und verlange, daß diese Unterschiede abgebaut werden. Mit einer Ablehnung werden Sie diese Unterschiede, Kollege Weilharter, sicherlich nicht verändern!

Man kann Probleme, die es gibt, nicht in destruktiver Weise lösen, sondern nur durch eine positive Kooperation. Ich bin davon überzeugt, daß es mit gutem Willen, vielleicht auch von Ihrer Fraktion, Kollege Weilharter, möglich sein wird, diese nicht mehr berechtigten, nicht mehr zeitgemäßen, diese diskriminierenden Unterschiede aus der Welt zu schaffen.

Wir Sozialdemokraten werden sicherlich dem nicht sehr erfreulichen Sozialbericht des Jahres 1996 zustimmen. Dieser ist durch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten bedingt, die es gab. Kollege Weilharter! Man darf nicht vergessen, daß wir Österreicher uns nicht nur im europäischen Wettbewerb bestens bewähren, sondern uns auch der globalen wirtschaftlichen Auseinandersetzung gestellt haben und diese auch bestehen werden.

Aber die wichtigsten Voraussetzungen sind, daß wir unseren Kolleginnen und Kollegen, den Arbeitern, den Angestellten und vor allem der Jugend die notwendige Qualifikation angedeihen lassen. Das ist als erster Schritt mit dem gestern vorgestellten Beschäftigungsprogramm gesichert. Jetzt geht es darum, alle Kräfte dafür einzusetzen, daß diese Maßnahmen auch umgesetzt werden. Die Wirtschaft und auch die Gewerkschaften werden darauf drängen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

19.18

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.

19.18

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es immer ganz interessant, wenn solche Berichte zur Diskussion stehen, daß dann die Bundesräte der ÖVP und der SPÖ am Rednerpult ihre eigene Regierung auffordern, doch endlich tätig zu werden und zu handeln.

Herr Kollege Drochter! Die Forderung nach der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten kenne ich jetzt mittlerweile schon seit zehn Jahren. Ihre Partei – da hat auch die Gewerkschaft durchaus genug mitzureden – ist aber schon viel länger in der Regierung. Da muß man sich als Oppositionelle schon die Frage stellen: Warum haben Sie es nicht gemacht? Was haben Sie in


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639. Sitzung / Seite 132

all den Jahren getan? – Sie hätten doch die Möglichkeit gehabt, und jetzt fordern Sie es wieder ein?! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Tremmel: So ist es!)

Daß wir mit den Maßnahmen, die von Ihnen getroffen werden, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien, im zunehmenden Wettbewerb und in der zunehmenden Globalisierung tatsächlich bestehen können, das glauben nicht einmal die Medien, die sonst sehr regierungsfreundlich schreiben.

In den letzten fünf Jahren hat zum Beispiel die Zahl der offenen Lehrstellen immer weiter abgenommen. Gleichzeitig ist die Zahl der Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz mehr bekommen haben, gestiegen. Nachdem der Druck schon ziemlich groß geworden ist und – wie man in Wien sagt – der Hut gebrannt hat, hat Herr Kanzler Klima gesagt: Da muß etwas geschehen! – Er hat den Mund ein bißchen voll genommen und gesagt: Im Herbst steht kein Lehrling ohne Ausbildungsplatz auf der Straße.

Leider besagt die Statistik, daß Ende 1997 – da hat er sowieso schon vorher, das muß man ihm zugestehen, alle Kraft zusammengenommen, damit er sein Versprechen erfüllen kann – 2 800 Jugendliche ohne Lehrstelle waren. – Dann war wieder Ruhe, man hat nicht sehr viel über Jugendarbeitslosigkeit gehört.

Man hat aber dann langsam erkannt, daß heuer im Herbst wieder 4 000 Schüler die Pflichtschulen verlassen und auf der Suche nach einer Lehrstelle sein werden. Aber auch da hat man sich noch nicht der Not gehorchend etwas überlegt und einen Plan ausgearbeitet. Nein, da mußte erst der Zwang aus Brüssel kommen, der von allen europäischen Ländern einen Nationalen Aktionsplan eingefordert hat, um die europaweite Arbeitslosigkeit und damit auch die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Dann gab es wieder eine große Diskussion. Das Interessante ist, daß man sich über die wesentlichen Teile, an denen Sie zuerst im Ministerrat fast schon gescheitert waren – die eine Seite hat gesagt: Dem stimmen wir nicht zu!, Frau Ministerin Gehrer hat gesagt: Nein, es kommen nicht alle in die Berufsfachschulen!, Frau Ministerin Hostasch wollte den Betrieben wieder keinen Förderungsbeitrag geben –, dann eben doch geeinigt hat, aber nur deshalb, weil man gewußt hat, am 15. muß dieser – abgekürzt – NAP nach Brüssel gehen. Das heißt, es war kein Kompromiß, bei dem von beiden Seiten Einsicht geherrscht und man gesagt hat: Na gut, ich gebe da ein bißchen nach, da gibst du ein bißchen nach, und dann wird es im Sinne der Jugendlichen beschlossen!, sondern der Druck aus Brüssel war das Ausschlaggebende.

Die Kosten dafür betragen insgesamt 1 Milliarde Schilling. Ich möchte gar nicht grundsätzlich kritisieren, daß wir 1 Milliarde Schilling für Jugendliche und für ein Beschäftigungsprogramm ausgeben, sondern ich kritisiere es deshalb, weil es wieder nur kosmetische Maßnahmen sind. Sie können sich zu keiner einzigen strukturellen Maßnahme durchringen. Es handelt sich immer nur um eine kleine Verschönerungsaktion, und dann wurschteln wir wieder weiter bis zum nächsten Mal. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn in Wirklichkeit werden diese Lehrlinge jetzt wieder "zwischengeparkt". Das schaut für die Arbeitslosenstatistik gut aus – sie scheinen nämlich in der Statistik als Arbeitslose nicht mehr auf. Wir haben aber noch die vom letzten Jahr "geparkt", denn diese sind schon in Berufsfachschulen untergebracht worden, damit sie die Arbeitslosenstatistik nicht ... (Bundesministerin Hostasch: Gibt es ja gar nicht! Berufsfachschulen gibt es nicht!) Na selbstverständlich! Egal, wie diese Schulen heißen, sie sind jedenfalls in Berufsschulen untergebracht, um die Statistik nicht noch weiter zu verschlechtern. (Bundesrätin Haunschmid: Beschäftigung von arbeitslosen Lehrlingen!) Selbstverständlich ist es so!

Jetzt machen Sie es eben wieder. Ein Teil kommt dann dem Wifi zugute – zufälligerweise gehört es der Wirtschaftskammer –, ein Teil kommt zum BFI – das gehört zufälligerweise dem ÖGB –, das heißt, die beiden verdienen auch daran, Hauptsache, die Lehrlinge sind weg, und die statistischen Zahlen fallen uns nicht auf den Kopf!


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639. Sitzung / Seite 133

Das hat man schon in den siebziger Jahren mit den Maturanten gemacht. Da hat man auch gefürchtet, daß die Maturanten die Arbeitslosenstatistik hinauftreiben werden, und dann hat man sie auf die Universitäten geschoben (Bundesrat
Konečny: Das war die Erfindung des Studiums!) , hat aber hinterher natürlich nicht die entsprechenden Jobs für sie gehabt. Das steht heute in jeder Statistik. Durchschnittlich gibt es heute nicht so viele Akademikerjobs wie Akademiker. Genau das gleiche wird auch mit den Lehrlingen passieren. Jetzt haben wir sie "zwischengelagert", dann werden sie wieder auf den Arbeitsmarkt kommen und leider keine Arbeitsplätze bekommen. Warum nicht? – Weil Sie nicht in der Lage sind, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, die zu mehr Arbeitsplätzen führen!

Warum gibt es denn heute so wenige Betriebe, die bereit sind, Lehrlinge aufzunehmen? – Das ist immer dieselbe Forderung. Die Betriebe haben hohe Ausbildungskosten. Es ist nicht wahr, daß der Lehrling die billige Arbeitskraft ist, die sich für den Unternehmer rentiert. In vielen Fällen – ich sage nicht in allen, aber in sehr vielen Fällen – scheitert es auch an der Qualifikation der Pflichtschulabgänger. (Bundesrat Konečny: Ja selber schuld!) Es war vor einer Woche ein Bericht in der "ZiB 2", in dem festgestellt wurde, daß Lehrlinge vor allem dort, wo sie mathematische Fähigkeiten brauchen, scheitern und auch in der Berufsschule nicht bestehen können, weil sie nicht einmal die Grundrechnungsarten beherrschen! Da muß ich Ihnen schon vorwerfen, sehr geehrte Damen und Herren von der Regierung, daß Sie natürlich auch auf dem Bildungssektor völlig versagt haben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben sich immer noch nicht dazu durchringen können, bei den Schutzbestimmungen entsprechende Maßnahmen zu treffen. Daran haben Sie nur ein bißchen gekratzt. Selbstverständlich bekenne ich mich dazu, daß Lehrlinge auch Schutz brauchen. Sie sollen nicht ausgenützt werden, sie sollen keine für sie gefährlichen Arbeiten machen müssen, die sie aufgrund ihres Ausbildungsstandes noch nicht ausführen können. Aber man kann es auch übertreiben. Es gibt genügend Schutzbestimmungen, die nicht dem Grundgedanken des Schutzes entsprechen, wo übertrieben worden ist, und dann verkehrt sich der Schutz leider in sein Gegenteil.

Sie haben die bürokratischen Hürden bei Unternehmensgründungen, die schon viele ... (Bundesrat Freiberger: Sagen Sie mir eine, bitte!) Das ist ein nächster Punkt, Sie müssen eben zuhören. Und wenn Sie mir nicht folgen können, tut es mir leid. (Bundesrat Konečny: Sie sind etwas gefragt worden!)

Sie haben nichts getan bei den Behaltemaßnahmen. Es ist nach wie vor schwierig, einen Lehrling nach der zweimonatigen Behaltefrist, wenn er nicht entspricht und gar nicht arbeiten will, auch wieder zu entlassen. All das motiviert Unternehmen nicht, Lehrlinge aufzunehmen.

Ich stimme diesem Sozialbericht nicht zu – das ist Papier, das kann nichts dafür –, weil ich gegen Ihre Regierungspolitik stimme, die völlig versagt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.28

Präsident Ludwig Bieringer: Nächste Wortmeldung: Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. – Bitte.

19.28

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hoher Bundesrat! Frau Kollegin Mühlwerth! Da Sie die Lehrlingsproblematik angeschnitten haben, möchte ich sagen, daß für Arbeitsplätze grundsätzlich die Betriebe zuständig sind und nicht die Politik. Die Politik kann für die Rahmenbedingungen sorgen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das tut sie ja!)

Außerdem meine ich, wir müssen in Zukunft auch einmal ein größeres Konzept überlegen, wonach die Lehrlingsausbildung der Staat übernimmt. Die Studenten können kostenlos studieren, alles übernimmt der Staat. Die Ausbildung der Lehrlinge müssen teilweise sie selbst und teilweise die Unternehmer bezahlen.

Ich möchte jetzt einen Teil des Sozialberichtes näher beleuchten, und zwar den Sozialversicherungsbereich. Tatsache ist, daß schon lange über eine Chip-Karte anstatt des Krankenscheins gesprochen wird. Tatsache ist, daß diese bereits für 1. 1. 1997 versprochen wurde. Nach


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639. Sitzung / Seite 134

meinen Informationen ist der heutige Stand folgender: Die Chip-Karte ist bereits konzipiert, und zwar in der Form, daß auf der Chip-Karte nur ganz wenige Daten gespeichert sind, wie zum Beispiel die Versicherungsnummer, sodaß der Inhaber geschützt ist. Die Chip-Karte wird voraussichtlich im Jahre 1999 eingeführt werden.

Tatsache ist auch, daß durch die Einführung der Krankenscheingebühr in der Höhe von 50 S den Betrieben zusätzliche Kosten durch die Abwicklung auferlegt wurden und ebenso den Versicherten, vor allem den Kranken.

Die Krankenscheingebühr hat zum Beispiel nach der vorläufigen Gebarung der Vorarlberger Gebietskrankenkasse für das Jahr 1997 zusätzlich 24 Millionen Schilling an Einnahmen gebracht, sodaß der vorläufige Mehrertrag 126 Millionen Schilling beträgt. Das heißt, daß die Einnahmen aus der Krankenscheingebühr knapp 20 Prozent des Mehrertrages ausmachen. Ich denke, daß das in den anderen Bundesländern in etwa auch so sein wird.

Im Jahr 1997 haben die Gebietskrankenkassen Niederösterreich, Burgenland, Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg nach der vorläufigen Gebarung Mehrerträge zwischen 1,1 und 3,5 Prozent erzielt, sodaß sich für Gesamtösterreich ein Plus in der Höhe von 1,3 Prozent ergibt. Das sind zirka 1,22 Milliarden Schilling im Jahr. Ebenso haben die Betriebskrankenkassen einen vorläufigen Mehrertrag von 4,9 Prozent, die österreichischen Bergbau-Krankenkassen verzeichnen ein Plus von 2,4 und die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft sogar ein vorläufiges Plus von 7,6 Prozent.

Ich meine, daß ein Selbstbehalt für Versicherte richtig ist. Die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft sowie die Versicherung für Beamte haben auch einen Selbstbehalt. Aber es müßte überlegt werden, ob nicht aufgrund dieser zusätzlichen Einnahmen die Beiträge zur Sozialversicherung gesenkt werden könnten und der Selbstbehalt für Versicherte in einer anderen Form eingehoben werden könnte. Außerdem können wir in unseren Betrieben auch nicht einfach Gebühren einführen, sondern müssen innerbetrieblich kreativ versuchen, die Kosten zu senken. Dies könnten die Krankenkassen auch tun.

Meiner Meinung nach sollte auch eine Stärkung der Selbstverwaltung der einzelnen Sozialversicherungsträger erfolgen. Die Erfahrung zeigt, daß kleine Einheiten, wenn sie selbst für die Einnahmen und Ausgaben zuständig sind, viel eher Mehrerträge erzielen und verantwortungsvoll mit dem ihnen anvertrauten Geld umgehen, zumal sie auch unmittelbar den Kontakt mit den Mitgliedern haben. Aber auch die Mitglieder gehen vorsorglicher mit den Leistungen um, weil vieles überschaubar ist. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Die Vorarlberger Gebietskrankenkasse fordert dies auch in einer Resolution vom 26. März dieses Jahres. Die Einnahmenseite ist praktisch ausnahmslos der Disposition der Sozialversicherungsträger entzogen, und die Gestaltungsmöglichkeiten im Leistungs- und Vertragspartnerbereich sind auf ein Minimum reduziert. In diesem Zusammenhang könnte auch eine Satzungsermächtigung – das heißt, eine Kann-Bestimmung – erfolgen.

Auch möchte ich beispielhaft erwähnen, daß die Vorarlberger Gebietskrankenkasse aufgrund dieses vorläufigen Mehrertrages eine Reihe von Leistungen für die Versicherten verbessert hat. Dies ist durch den voraussichtlichen Mehrertrag von 126 Millionen Schilling für 1997 und durch die Prognose für 1998 möglich. Die drei wichtigsten Verbesserungen in diesem Zusammenhang sind: erstens: höhere Kostenübernahmen im Bereich der Heilbehelfe und Hilfsmittel, zweitens: Unterstützung in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen und drittens: Bezahlung eines Sechstels der Schutzimpfung für Kinder.

Abschließend möchte ich sagen, daß es meiner Meinung nach grundsätzlich notwendig ist, langfristig Rahmenbedingungen zu schaffen, damit der einzelne beziehungsweise die einzelne wieder mehr Eigenverantwortung trägt, sein Leben selbst gestalten kann und nicht alles als selbstverständlich vom Staat erwartet. Denn der Staat kann eigentlich nur ausgeben, was er auch wieder einnimmt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.35


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kainz. – Bitte.

19.35

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich nehme schon fast traditionell den Sozialbericht zum Anlaß, um mich mit der Situation der Frauen zu beschäftigen, und zwar mit der Situation der Frauen, wie sie sich in der Praxis darstellt. Ich gehe davon aus, daß das nicht allein durch die Kompetenz eines Bundesministeriums beeinflußbar ist. Ich würde mir wünschen, ich könnte meine Kritik ausschließlich an eine Person richten, von der ich weiß, daß sie in diesen Fragen mit ihren Vorstellungen darauf angewiesen ist, wie andere mit ihren Ideen umgehen. Denn ich denke, dann würde sich diese Situation anders darstellen.

Meine Damen und Herren! Vieles von dem, was der Sozialbericht aussagt – diese Aussage ist die Zusammenfassung der Dinge, wie sie sich in der Realität darstellen –, ist auch durch andere Faktoren beeinflußt. Deshalb ist auch Kritik in unsere eigene Richtung angebracht. An jedem von uns ist dort, wo er eine andere Meinung vertritt, diese Kritik gerechtfertigt. Die politische Verantwortung und das politische Handeln müssen die Rahmenbedingungen schaffen, um diese Situation zu verändern. Das hat aber sehr viele weltanschauliche Hintergründe und – zugegeben – auch Fakten in jenen Bereichen, die nicht in einem Parlament durch die Gesetzgebung beeinflußbar sind.

Es sind heute sehr viele Zahlen genannt worden. Ich bitte Sie trotzdem um Verständnis, daß ich diesen sehr umfassenden Bericht teilweise zitiere, weil er sich als wertvolles Hilfsmittel zum Darstellen der Situation eignet. Ich weise aber auch gleich darauf hin, daß einige dieser Zahlen von mir weiterentwickelt wurden, weil ich diese Zusammenstellung auch für das heurige Jahr verwendet habe.

Meine Aussage leite ich grundsätzlich etwas provokant damit ein, daß Armut weiblich ist, die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt in erster Linie Frauen zu spüren bekommen und sich die Situation veränderter Beschäftigungsstrukturen, erhöhter Qualifikationsanforderungen und des erhöhten Konkurrenzdrucks, also des Enger-Werdens auf dem Arbeitsmarkt, aus den verschiedensten Ursachen in erster Linie bei den Frauen bemerkbar macht und – ich weise noch einmal darauf hin – sehr oft auch in der Einstellung zu diesen Problemen bemerkbar macht.

Es sagt der Bericht aus – auch die Aussagen in dem jetzt zitierten NAB weisen darauf hin –, daß wir im europäischen Vergleich generell durchaus eine gute Situation vorfinden. Nicht jedoch hält diesem Vergleich – zumindest nicht in den überwiegenden Fakten – der Bereich bezüglich Frauen stand. Dieser allgemeine negative Beschäftigungstrend – ich bitte, mich nicht auf einzelne Zeiträume festzunageln, denn aus dem Bericht 1996 läßt sich durchaus etwas anderes ableiten, als es jetzt für die Situation 1997 anzunehmen ist – wirkt sich eben sehr stark bei Frauen aus, und ich behaupte, daß dieses Hinausdrängen oder Nicht-Hineinlassen der Frauen in die Beschäftigungssituation auch eine enorme Gefährdung unseres Sozialversicherungssystems bedeutet, denn es kann nicht die Hälfte der theoretisch zu Beschäftigenden dieses System tragen, obwohl die Leistungen daraus auf viel mehr zu verteilen sind.

Ich möchte wenige Zahlen verwenden, den negativen Trend bei den Frauen jedoch mit Zahlen untermauern. Diese Zahl ist aus 1997: Im August 1997 hat es 1 342 000 in Beschäftigung stehende, unselbständig erwerbstätige Frauen gegeben, im Oktober waren es nur mehr 1 314 000.

Der grundsätzliche Hintergrund, den ich durchaus auch in der weltanschaulichen Begründung angesprochen habe, ist folgender: Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern ziehen sich Frauen in Österreich in stärkerem Ausmaß und in erster Linie aus familiären Gründen, insbesondere wegen der fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen – und zwar langfristig und nicht freiwillig, das möchte ich auch betonen –, aus dem Erwerbsleben zurück.


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Frauen ziehen sich aber auch wegen der allgemeinen Bedingungen, die sie auf dem Arbeitsplatz vorfinden, aus dem Erwerbsleben zurück; ich werde dann noch auf einige wenige Bereiche zu sprechen kommen. Das ist genau das, was ich schon angesprochen habe, was eben nicht ausschließlich im Bereich der Sozialpolitik zu beeinflussen ist, sondern diese Bedingungen sind dort, wo Arbeit vorhanden ist, nämlich in den Unternehmen, zu gestalten. Die Bedingungen der Arbeitswelt sind für Frauen noch immer deutlich schlechter als für ihre männlichen Kollegen. Ich weise diesbezüglich wieder auf die gesellschaftliche Begründung hin. Fehlende Mobilität, Probleme in jenen Bereichen, die sich außerhalb der Ballungszentren ergeben, und natürlich auch eine gewisse Drucksituation, die sich auf die Bezahlung auswirkt, sind ebenfalls Hindernisgründe für eine ausreichende und befriedigende Beschäftigung.

Teilzeitarbeit, die zunehmend im Vormarsch ist, und notgedrungen auch die zum großen Teil natürlich aus der Drucksituation gestalteten, nicht gerade existenzsichernden Bezahlungen wirken sich auf die Situation der Frauen aus. Daher kann man die Aussage, daß Armut weiblich ist, durchaus anwenden.

Die Zahl – ich gehe jetzt etwas in die Vergangenheit zurück – der teilzeitbeschäftigten Frauen hat sich seit dem Jahre 1982 mehr als verdoppelt. Die Quote der teilzeitbeschäftigten Männer ist in diesem Zeitraum von 0,7 Prozent auf 4 Prozent gestiegen, was eine zu vernachlässigende Größe ist, während sich diese Quote bei den Frauen von 17 auf 27 Prozent erhöht hat. Dem ist noch hinzuzufügen, daß die angebotenen Teilzeitarbeitsmöglichkeiten in den meisten Fällen weder den Notwendigkeiten und schon gar nicht den Wünschen der Frauen entsprechen. Dramatisch ist die Situation, da mit der Zunahme der Teilzeitarbeitsplätze Vollzeitarbeitsplätze verlorengegangen sind. Diese Zahlen habe ich im Hohen Haus schon in der Debatte im Zusammenhang mit den Ladenöffnungszeiten präsentiert.

80 Prozent aller teilzeitbeschäftigten Frauen arbeiten im Dienstleistungssektor, im Handel und im Gesundheitswesen. Zwei Drittel der weiblichen unselbständig Teilzeitbeschäftigten sind Hilfsarbeiterinnen oder angelernte Arbeiterinnen. Dazu sind viele Schlüsse zulässig, einerseits jene, daß eben die angebotenen Teilzeitarbeitsplätze nicht mit den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Frauen, aber auch nicht mit ihrer Qualifikation übereinstimmen. Es besteht immer wieder die große Gefahr, Teilzeitbeschäftigung als Lösung zum Abbau von Arbeitslosigkeit zu sehen. Das ist eine völlige Fehleinschätzung, denn gerade Frauen sind in der Situation, daß sie ihren Lebensunterhalt nicht abdecken können – überhaupt dann, wenn diese Frauen für sich alleine oder noch zusätzlich für Kinder zu sorgen haben.

Es gibt außerdem ein weites Problemfeld, und zwar die Zunahme der Zahl der geringfügig Beschäftigten. Ich möchte mich über diesen Bereich nicht weiter auslassen. Wir haben diese Fragen ausführlich behandelt; ich bin auch sehr froh darüber, selbst wenn diese Situation mit einzelnen Wünschen nicht übereinstimmt. Grundsätzlich ist jedoch das Bemühen gegeben, alle Einkommen und alle Beschäftigten in die Sozialversicherung einzubeziehen. Wir erleben in weiten Bereichen, daß sich die Menschen jetzt versichern lassen, um für Zeiten, in denen die Bedeutung noch gar nicht eingeschätzt werden kann, Sozialversicherungsansprüche zu erwerben, die dann im höheren Lebensalter eine Absicherung bedeuten. Ich meine, daß das einerseits den Frauen entgegenkommt und andererseits dem Grundsatzprinzip zu entsprechen hat, daß alle Einkommen auch zur sozialen Absicherung beizutragen haben.

Ich möchte aber im Zusammenhang mit der geringfügigen Beschäftigung noch darauf hinweisen, daß 50 Prozent der geringfügig Beschäftigten ausschließlich geringfügig beschäftigt sind und kein weiteres Einkommen haben. Die Schlüsse daraus überlasse ich Ihnen gerne selbst, weise jedoch vorwegnehmend zurück, daß das darauf hindeutet, daß Frauen dies nur als Zusatzeinkommen sehen. Bei Männern mag das vielleicht nur für eine bestimmte, kurze Lebensphase gelten, soweit es sich um Pensionisten und Studenten handelt.

Ein typisch weibliches Problem im Anschluß an eine Phase der geringfügigen Beschäftigung ist die Frage des Wiedereinstieges. Viele Frauen sind bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem sie den Karenzurlaub in Anspruch nehmen, arbeitslos. Das sind etwa 30 Prozent. Für 80 Prozent der Frauen ergibt sich die Situation, obwohl sie das nicht beabsichtigen oder freiwillig tun, daß der


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Ausstieg aus dem Erwerbsleben bereits zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Karenzurlaubes eintritt.

Die sogenannte Babypause, die uns allen ein Anliegen sein sollte, ist für viele Frauen nicht nur der Karriereknick, sondern auch der Knick in ihrer Lebensplanung und hat zur Folge, daß ich nun wiederum behaupten kann, daß Armut weiblich ist. Wenn Sie den Sozialbericht nur ein wenig durchgeblättert haben, konnten Sie die Definition von Armut und auch die Zahl jener, die sich in dieser Situation befinden, nachlesen; das sind in erster Linie Alleinerzieherinnen.

Es gibt viel zu wenig flexible Ansätze. Ich sehe Flexibilität, wenn sie eingelöst wird, durchaus positiv. Wir brauchen flexible Ansätze, um in erster Linie Müttern und Alleinerzieherinnen, die diese Probleme alleine bewältigen müssen, im betrieblichen Umfeld entgegenzukommen. Wir als Betriebsräte haben uns derzeit mit Fragen auseinanderzusetzen, die jahrelang kein Problem bedeutet haben, wie etwa die Frage der Stillgelegenheiten, weil viele Frauen Angst um ihren Arbeitsplatz haben. An dieser Stelle bedanke ich mich sehr intensiv dafür – ich habe das Wort herzlich vermieden, obwohl wir auch ein wenig herzlicher miteinander umgehen könnten –, daß Fragen betreffend Teilzeitkarenz in einer Art und Weise gelöst werden konnten, die für viele Frauen, auch wenn sie Belastungen in der Betreuung ihrer Kinder bedeutet, die Existenz zu sichern hilft. Ich würde jeder Frau wünschen, daß sie die ersten Monate mit ihrem Kind intensiv genießen kann. Eines ist aber zur Kenntnis zu nehmen, nämlich daß es dem Kind keine Vorteile bringen kann, wenn die Existenz von Mutter und Kind gefährdet ist.

In der Praxis wird die Frage der Kinderbetreuung in erster Linie den Frauen überlassen. Es ist sich die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit – vor allem dort, wo die traditionelle Rollenverteilung im Vordergrund steht – nicht darüber bewußt, und es ist auch in den Köpfen der Väter nicht im notwendigen Ausmaß verankert, daß die Beteiligung an dieser lohnenden Aufgabe der Kinderbetreuung wahrgenommen werden soll. Es wird alles daranzusetzen sein, dieses Problem nicht mit Geld, das in den meisten Fällen nicht ausreichen kann, sondern mit Sachleistung, nämlich mit kind- und muttergerechter, familiengerechter und ausreichender Kinderbetreuung, zu lösen. In diesem Bereich können wir uns leider im europäischen Vergleich nicht so gut behaupten, denn die Versorgung mit Kinderkrippen liegt in Österreich bei etwa 2,5 Prozent, während sie in – in unseren Köpfen als traditionell eingestuften – Ländern wie Italien und Spanien doppelt so hoch ist.

Der Versorgungsgrad an Kindergärten für Kinder ab drei Jahren sieht im europäischen Vergleich ähnlich aus, er liegt in Österreich bei 61 Prozent, in Italien bei 85 Prozent, Spanien liegt etwas darunter. Verstärktes Augenmerk sollte auch – ich glaube, darüber wurde in letzter Zeit zu wenig diskutiert – auf die Betreuung der 6- bis 15jährigen gerichtet werden. Ich meine, daß die Kombination von Erziehungsarbeit, Betreuungsarbeit und Schule wieder mehr diskutiert werden muß. Hier haben wir vermehrt anzusetzen.

Ein weiteres Ziel – das ist eine ganz konkrete Forderung, die mich zu der Diskussion überleiten läßt, der diese Woche im Nationalrat und auch in den Medien sehr breiter Raum gewidmet wurde – sind die Forderungen des Frauen-Volksbegehrens.

Ich meine, daß es höchst an der Zeit ist, in manchen Bereichen über seinen Schatten zu springen und mehr die Bedürfnisse der Frauen als die eigene traditionelle Einstellung zur Situation der Frau zu sehen und damit – so möchte ich fast sagen – Zwangsbeglückung zu betreiben. Es ist wichtig, den Frauen jene Möglichkeiten zu bieten, die sie selbst wollen und die ihre Umstände erfordern, und weniger daran zu denken, wie man selbst als Einzelperson zu dieser Angelegenheit steht. Das ist vor allem dort schwierig, wo im Rahmen von politischen Funktionen die Möglichkeit besteht, die eigene persönliche Einstellung auch in Form von Bindungen für andere einzubringen.

Die Frage, die sehr konkret anzugehen ist, ist jene der Behaltefrist nach dem Karenzurlaub. Es ist unbedingt notwendig, diese Frist auf 26 Wochen auszudehnen, weil gerade diese Phase für den Wiedereinstieg von Frauen sehr bedeutungsvoll ist und ihre gesamte Lebenssituation grundlegend beeinflußt.


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Wichtig ist auch die Frage des Karenzurlaubsgeldbezuges. Der Aspekt, eine gesellschaftliche Situation herbeizuführen, die einer Beteiligung des Vaters das Wort redet, mag ein Grund gewesen sein. Ich stelle fest, daß das nicht gegriffen hat, und ich glaube, daß das auch nicht so schnell greifen wird. Es herrscht die Situation, daß Alleinerzieherinnen dieses halbe Jahr, um das verkürzt worden ist, unbedingt brauchen, um bis zum Wiedereinstieg in das Berufsleben die Kinderbetreuung sicherzustellen.

Die Frage der Einkommenssituation wurde ebenfalls im Volksbegehren angesprochen, ebenso wie auch das Recht auf Teilzeitarbeit für beide Elternteile bis zum Eintritt der Kinder in die Schule. In bezug auf die Einkommenssituation sind heute schon sehr viele Zahlen genannt worden; deshalb werde ich diese an und für sich von mir vorbereiteten Zahlen nicht anführen.

Ein Hinweis erscheint mir jedoch unerläßlich: Bezüglich des im Frauen-Volksbegehren geforderten Mindesteinkommens, das grundsätzlich für beide Geschlechter mit 15 000 S fixiert wurde, sind die Zahlen bei den Frauen im Vergleich zu jenen bei den Männern dramatisch niedriger. Ich glaube, ich sage Ihnen nichts Neues. Im Vorjahr lautete der Bericht ähnlich. Das ist genau der Punkt, der in seiner Verantwortung nicht an das Parlament und die ressortzuständige Ministerin gehen kann, sondern dessen Umsetzung mit dem nötigen Verständnis im Bereich der Sozialpartner zu erfolgen hat. Die Verantwortung dafür nur der Stärke der Gewerkschaften zuzuordnen oder mit plakativen Forderungen zu untermauern, ist sicher zu wenig. Da bedarf es der Taten und auch eines breiten Handelns im Bereich der Wirtschaft. Es gibt aber in Unternehmen in der Wirtschaft auch andere Einsparungsmaßnahmen als nur jene auf dem Personalsektor.

Meine Damen und Herren! Ich habe jetzt in Anbetracht der geführten Diskussion eine Reihe von Zahlen nicht angeführt. Ich denke, wenn Sie dem Bereich der sozialen Situation der Österreicherinnen und Österreicher etwas Interesse entgegenbringen, dann haben Sie, ohne den gesamten Sozialbericht ausführlich studieren zu müssen, Gelegenheit dazu, das Wesentliche herauszulesen. Ich meine, es wäre auch sinnvoll, das zu tun, denn Kritik auf Grundlage mangelnder Information zu üben, ist für jene, die sich darum bemühen, in diesem Bereich Verbesserungen herbeizuführen, sehr schwer zu ertragen.

Ich möchte diese Diskussion nun mit einigen grundsätzlichen Bemerkungen im Zusammenhang mit dem Frauen-Volksbegehren abschließen und doch auch meiner weltanschaulichen Einstellung das Wort reden. Sie erlauben mir, daß ich versuche, etwas prägnanter zu formulieren, und mich nicht bemühe, Auffassungsunterschiede nicht aufkommen zu lassen, denn ich denke, Gemeinsamkeit ist das eine, nur kann man eine Situation, die es zu verändern gilt, nicht nur mit amikalen Worten kritisieren.

Ich habe die Notwendigkeit, die Forderungen des Frauen-Volksbegehrens weiter zu verfolgen, aufgezeigt, auch wenn diese Forderungen für bürgerliche Parteien – so scheint es zu sein – unannehmbar sind. (Bundesrat Mag. Himmer: Was sind bürgerliche Parteien? – Es gibt nur eine!) Diese Definition überlasse ich Ihrem eigenen Standpunkt. Ich empfinde als bürgerliche Parteien all jene, die der Situation der Frauen nicht mit entsprechender Offenheit gegenüberstehen. (Bundesrat Mag. Himmer: Das ist eine wirklich unsachliche Argumentation! Was hat das mit bürgerlichen Parteien zu tun?)

Herr Kollege! Ich verwende meine Argumentation. Es bleibt Ihnen unbenommen, dort, wo Sie die Gelegenheit haben zu sprechen, Ihre Argumentation zu verwenden. Ich sehe die Rollen, die den Frauen auch aus Ihren Reihen zugeordnet werden, als traditionell und bürgerlich an. (Bundesrätin Schicker: Du kannst ruhig sagen, die ÖVP war dagegen!) Die Rollenvorstellung, die sich auch aus den Zahlen ergibt, nämlich daß Kindererziehung und Kinderbetreuung ausschließlich der Frau zugeordnet werden, halte ich für bürgerlich. Ich möchte ganz einfach sagen, daß Kinder auch Väter haben, und diese haben sich dieser Verantwortung auch zu stellen.

Es haben sich Frauen – das behaupte ich – durch den massiven Einsatz sozialdemokratischer Frauen zwar viele Rechte und, wenn Sie so wollen, legistische Gleichstellung erworben; das hat jedoch noch keine Auswirkungen in der Praxis. Ich habe bereits darauf hingewiesen – ich werde mir das in der Zusammenfassung sparen, um auch Ihre Emotionen nicht zu sehr zu strapa


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zieren –, daß das Einkommen, die Wertschätzung und die gesellschaftliche Position von Frauen endlich von der überkommenen Rolle befreit werden müssen, daß Frauen nur als Mütter und Ehefrauen zu funktionieren haben. Frauen sind selbständige Individuen und Arbeitskräfte, von denen ich behaupte, daß die österreichische Wirtschaft und das österreichische Sozialgefüge ohne sie nicht leben könnten, wenn sie nicht im Bereich der unselbständigen Erwerbstätigkeit einen Beitrag zum Funktionieren dieses Staatswesens leisten würden. (Beifall bei der SPÖ.)

19.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schaufler. – Bitte.

19.58

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Verehrte Damen! Geschätzte Herren! Ich muß immer wieder ein wenig Kritik daran üben, daß der Bericht doch einen großen Abstand zur aktuellen Situation aufweist, er betrifft das Jahr 1996, wir schreiben bereits das Jahr 1998. Ich gebe aber zu, daß wir alle den Bericht diesmal etwas früher bekommen haben, wofür ich mich bedanke, Frau Bundesministerin, aber noch früher wäre noch schöner gewesen. Das wissen wir beide.

Ich habe mir den Bericht, der – wie schon angesprochen wurde – eine Fundgrube für Diskussionen, kritische Bemerkungen und auch Veränderungsansätze ist, genau angesehen und möchte mich ganz konkret zwei Punkten widmen. Es sind dies die Aspekte der Entwicklung und Verteilung des Einkommens einerseits und jene der Armut beziehungsweise Armutsbekämpfung andererseits. Hier scheint mir ein besonderer Zusammenhang zu bestehen.

Der Bericht weist aus, daß das Volkseinkommen nominell im Jahre 1996 um 3,1 Prozent, real um 0,6 Prozent zugenommen hat. Dennoch ist der Anteil der Lohneinkommen, bei denen die Nettolohnquote bereits im Jahre 1976 57,4 Prozent betragen hat, in diesen zwanzig Jahren auf 47,8 Prozent, also um rund 10 Prozentpunkt, zurückgegangen. Das ist schon Überlegung wert.

Die Reallohneinkommen der Arbeitnehmer haben Mitte der achtziger Jahre jährlich um etwa 1,8 Prozent zugenommen.

Im Jahre 1996 – das schmerzt mich persönlich – ist das Nettoreallohneinkommen je Arbeitnehmer um 2,2 Prozent gesunken. Das war jedoch nicht das erste Minus, das zu verzeichnen war, denn schon 1995 mußten wir ein Minus von 0,4 Prozent hinnehmen. Wir kennen aber auch bereits die Zahlen des Jahres 1997 und wissen, daß es ein Minus von mehr als 2,5 Prozent gab.

Das hat mit der jetzigen Regierung nichts zu tun. Es stimmt schon – wenn Sie es genau wissen wollen –, daß ehemalige Regierungen mehr Geld ausgegeben haben, als sie eingenommen haben. Die Zeche mußte dann vom Staatsbürger bezahlt werden. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. ) Das stimmt nicht, Herr Kollege!

Für den Bereich der Arbeitnehmer bedeutet das innerhalb von zwei oder drei Jahren, also 1995, 1996 und 1997, einen realen Einkommensverlust von mehr als 5 Prozent, und das Geld fehlt natürlich in den Haushalten. Ich erlaube mir zu sagen, daß das an und für sich ein Weg in die falsche Richtung ist, denn die Verminderung des Einkommens führt zu weniger Inlandskonsum, was wiederum Arbeitsplatzgefährdung bedeutet. Und das wäre, wenn man nicht gegensteuert, der direkte Weg in die Armut.

Erlauben Sie mir, mit einigen Zahlen zu argumentieren: Laut Bericht sind etwa 11 bis 14 Prozent der Bevölkerung in Österreich armutsgefährdet. Die Armutsquote liegt bei 5 Prozent. Da erhebt sich die Frage, wer nun eigentlich gefährdet ist. Um welche Gruppen es geht, wurde zum Teil schon angesprochen: Es handelt sich einerseits um Haushalte, in denen Arbeitslose leben oder die nur von Arbeitslosen besetzt sind. Weiters gehören Gastarbeiterfamilien den Gruppen an. Vor allem sind davon auch Familien mit mehreren Kindern betroffen, in welchen meist nur ein Verdiener lebt, denn bei zwei und drei Kindern ist es kaum möglich, daß der Ehepartner, der die Kinder betreut, eine unselbständige Beschäftigung ausübt.


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Schließlich gehören zu dieser Gruppe auch Haushalte mit Arbeitnehmern aus Niedriglohnbereichen. Welche sind die Niedriglohnbereiche? – Allgemein muß man feststellen – das wird in einem Bericht in der Zeitschrift "Soziale Sicherheit", Nummer 3 aus 1998, über die Einkommensdaten 1996 ganz klar und deutlich nachgewiesen –, daß in Österreich im Jahre 1996 226 000 Arbeitnehmer ein Bruttomonatseinkommen von unter 12 000 S bezogen haben. Das heißt im Klartext, daß jeder 14. unselbständige Arbeitnehmer von dieser Einkommensgröße betroffen ist.

Ich möchte vorausschicken: Mit einem Bruttoeinkommen in Höhe von 12 000 S befindet man sich im Bereich der Armut beziehungsweise jedenfalls im Bereich der Armutsgefährdung. Dabei kommt es darauf an, wie sich der Haushalt zusammensetzt.

Wenn man einen größeren Zeitraum betrachtet und einen Vergleich anstellt, beispielsweise zwischen dem Jahr 1990 und dem Jahr 1996, dann muß man sagen, ist natürlich ein gewaltiger Fortschritt zu verzeichnen. 1990 betrug die Zahl jener, die unter 12 000 S verdient haben, noch 750 000, nämlich 250 000 Männer und 500 000 Frauen, und 1996 sind es – wie gesagt – nur noch 226 000. Dieser Vergleich ist jedoch nicht ganz korrekt, denn man müßte auch den Kaufkraftverlust von 12 000 S innerhalb dieser sieben Jahre berücksichtigen und gegenüberstellen.

Wenn ich mir die Wirtschaftsklassen ansehe, in denen die österreichischen Arbeitnehmer beschäftigt sind, dann schmerzt es mich persönlich sehr, daß für die Dienstnehmer in der Land- und Forstwirtschaft der niedrigsten Mittellohnwert pro Monat mit etwas mehr als 16 000 S ausgewiesen ist. Knapp auf dem Fuß folgt das gemäß der Einteilung in Wirtschaftsklassen so bezeichnete Gaststättenwesen – womit nicht die Gastronomie allgemein gemeint ist –, in welchem das Einkommen um knapp 1 000 S höher ist, also 17 500 S beträgt. – Bei den genannten Zahlen handelt es sich um Bruttowerte. Wenn man davon die Abgaben abzieht, dann wird klar, daß auch diese Gruppen an der Grenze zur Armutsgefährdung liegen.

In Anbetracht dieser im Bericht ausgewiesenen Zahlen muß man sich vor Augen führen, daß beispielsweise ein Erwachsener mit einem Kind mit einem Nettoeinkommen in Höhe von 11 600 S monatlich selbstverständlich an der Armutsschwelle liegt. Von zwei Erwachsenen und zwei Kindern ganz zu schweigen, und dabei handelt es sich um die durchschnittlichen Familien in Österreich, für welche ermittelt wurde, daß 20 900 S netto notwendig sind, um nicht in die Armut abzurutschen. Wenn ich dem die Einkommen der Wirtschaftsklassen der Niedriglohnbereiche gegenüberstelle, dann brauche ich nicht weiterzureden, denn die Schlußfolgerungen mögen Sie selbst ziehen!

Befaßt man sich noch genauer mit diesem Artikel in der "Sozialen Sicherheit", dann kann man feststellen, daß 60 Prozent der Männer und Frauen im Durchschnitt ein Einkommen haben, das unter 26 600 S liegt. Wenn man den entsprechenden Nettobetrag errechnet und dieses Einkommen auf einen Haushalt bezieht, in dem zwei Erwachsene und zwei Kinder leben, dann ist bereits wieder die Armutsschwelle erreicht beziehungsweise bereits unterschritten. Diese problematische Entwicklung hat insbesondere in den eingangs angesprochenen drei Jahren durch die Verminderung des Nettoreallohneinkommens zugenommen. – Das sind die Aussagen einer Gegenüberstellung der Einkommensdaten 1996 aus dieser zitierten "Sozialen Sicherheit", Nummer 3 aus 1998.

Wenn Sie den von mir genannten Beispielen gefolgt sind, dann können Sie erkennen, daß insbesondere Familien mit Kindern – das betone ich noch einmal – besonders gefährdet sind. Das führt zu folgenden Fragen: Was hat die Regierung getan, um gegenzusteuern, und was wurde von den Parteien gefordert? – Ich kann auf diese rhetorisch gestellten Fragen antworten: Ja, es wurde etwas getan. Es wurde manches gefordert, und es wurde gegengesteuert.

Ich bin stolz, hier für eine Partei stehen zu dürfen, die bereits seit 1995 massiv die Forderung erhoben hat, eine Familienentsteuerungsreform in Gang zu setzen und durchzuführen. 1997 – das ist uns allen hier im Hohen Haus bekannt – hob der Verfassungsgerichtshof die bestehende Familienbesteuerung als gleichheitswidrig auf, mit der Vorgabe, daß mit Ende 1998 eine Neuregelung erfolgen muß.


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Nicht verstanden habe ich in der Diskussion um dieses Verfassungsgerichtshoferkenntnis allerdings Aussagen des Koalitionspartners, und ich verstehe sie bis heute nicht. Zwei Aussagen davon möchte ich zitieren. Von den SPÖ-Frauen ist der Satz gekommen – ich zitiere wortwörtlich –: "Das Urteil ist kein Schritt zur Bekämpfung der Familienarmut, im Gegenteil: Mit steuerlichen Maßnahmen lassen sich finanzielle Probleme nicht bekämpfen." – Das war die eine Aussage. Eine zweite Aussage in diesem Zusammenhang wurde von der ehemaligen Staatssekretärin, von der von mir ansonsten sehr geschätzten Frau Ederer getroffen. Sie hält das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gar für eine "Frechheit" – ich zitiere wortwörtlich –: "Sollte die Familie steuerlich mehr berücksichtigt werden, müsse man eben an anderer Stelle der Familienförderung sparen." – Das ist für mich völlig unverständlich, ich habe diese Aussagen seinerzeit nicht verstanden, und ich verstehe sie heute nicht! (Bundesrat Eisl: Nur deswegen, weil Sie sie nicht verstehen, müssen sie nicht falsch sein!) Herr Kollege Eisl! Dazu möchte ich feststellen: Die Bemühungen meiner Partei waren schlußendlich von Erfolg gekrönt! (Beifall bei der ÖVP.)

Sie kennen das Ergebnis. Ich darf mit Freude sagen, daß sich Minister Bartenstein durchgesetzt hat, wofür ich ihm herzlich danke. Ich möchte die wesentlichen Punkte in Erinnerung rufen: Die Familien werden in Zukunft 12 Milliarden Schilling mehr bekommen, was bedeutet, daß pro Kind und Monat 500 S mehr in die Haushalte fließen, was im Jahr 6 000 S pro Kind bedeutet. Die heiß umkämpfte Mehrkinderstaffel bleibt bestehen. Daß man diese Familienentsteuerung nicht schlagartig einführen konnte, wird auch jedem klar sein: Diese Entsteuerung kommt in zwei Etappen, im Jahr 1999 und im Jahr 2000.

Ich hatte heute vormittag ein Schlüsselerlebnis, über welches ich mich gefreut habe: Bundesminister für Finanzen Edlinger erklärte in der Fragestunde, daß von dieser Familienentsteuerung zirka fünf Millionen Österreicher positiv betroffen sein werden, und er traf die Aussage, daß der größte Anteil dieser 12 Milliarden Schilling jährlich sozial berücksichtigungswürdigen Familien zugute kommen wird. – Das war für mich ein Schlüsselerlebnis, und ich bin froh, daß jetzt auch der Herr Finanzminister diese Neuregelung für 1999 und 2000 so einschätzt.

Diese aktive Maßnahme im Kampf gegen die Verarmung allgemein und vor allem der Verarmung der Familien wird sich sicher in den Berichten über die soziale Lage in Österreich in den Jahren 1999 und in den folgenden Jahren positiv niederschlagen.

Wir benötigen in diesem Bereich in nächster Zeit allerdings unbedingt eine weitere Maßnahme, nämlich die steuerliche Entlastung der unselbständig Erwerbstätigen im unteren und mittleren Einkommensbereich durch eine gezielte und klare Steuerreform. Gleichzeitig, werte Damen, geschätzte Herren, ist der steigenden Arbeitslosigkeit mit allen Mitteln entgegenzutreten, denn sie ist ein Indikator für das Abrutschen in die Armutsgefährdung und in den Armutsbereich. Ich begrüße daher am heutigen Tage, daß es in den letzten Tagen eine Einigung über den nationalen Aktionsplan betreffend Beschäftigung gegeben hat.

Ich darf daher zusammenfassen: Drei Punkte sind wichtig: Beschäftigungsinitiativen, steuerliche Entlastung der Arbeitnehmer und Familienentsteuerung. Mit Maßnahmen betreffend diese drei Punkte müßte es gelingen, die Armut beziehungsweise die Armutsgefährdung in Österreich wesentlich zu minimieren. Ich freue mich schon auf die Berichte, die dann positiver sein werden als der vorliegende! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hager. – Bitte.

20.12

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Auch ich werde mich – wie mein Vorredner Kollege Schaufler – mit einem Teilbericht des Sozialberichtes 1996 beschäftigen, nämlich mit der Armut in Österreich.

Der vorliegende Bericht behandelt sehr ausführlich und informativ die Definition von Armut: Armut wird dann angenommen, wenn eine Kombination von knappen finanziellen Ressourcen


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und einem Mangel an bestimmten gesellschaftlichen Standards vorliegt. Diese Definition ist deshalb so wichtig, weil die Zahl von armen Menschen sehr stark von der verwendeten Zählmethode abhängt.

Es ist zunächst zwischen Armutsgefährdung und tatsächlicher Armut zu unterscheiden. Armutsgefährdung liegt bereits vor, wenn die Hälfte des durchschnittlichen österreichischen Pro-Kopf-Einkommens unterschritten wird. Laut Haushaltspanel, einer Studie, die auf zirka 3 400 Haushaltsfragebögen basiert, sind zwischen 11 und 14 Prozent der Bevölkerung in Österreich armutsgefährdet. Kollege Schaufler hat diese Zahl bereits genannt.

Die Einkommenshöhe allein ergibt jedoch ein unzureichendes Bild der tatsächlichen Lebenssituation. Deshalb muß – um von Armut sprechen zu können – mindestens noch eine der folgenden Bedingungen zusätzlich zutreffen: Die Betroffenen müssen in einer Substandardwohnung oder in einer überbelegten Wohnung wohnen, große finanzielle Nöte beim Heizen, bei der Beschaffung von Nahrung und Bekleidung und Rückstände bei der Zahlung von Mieten und Krediten haben. – Unter Berücksichtigung dieser Umstände beträgt die Armutsquote in Österreich 5 Prozent, in absoluten Zahlen ausgedrückt sind das 410 000 Menschen.

Das subjektive Gefühl, arm zu sein, ist also nicht unbedingt mit der klar definierten und nachvollziehbaren tatsächlichen Armut gleichzusetzen. Das Gefühl, zu wenig zu verdienen und zu viele Lasten tragen zu müssen – seien sie nun aufgrund eigener Entscheidungen oder durch nicht beeinflußbare Umstände entstanden –, also das Gefühl, zu wenig zu besitzen, oder überhaupt das Gefühl mangelnder Sicherheit, ist allerdings zutiefst verständlich und zutiefst menschlich.

Aus diesem urmenschlichen Problem beziehen natürlich Zukunftsängste und generelle Unzufriedenheit überhaupt ihre Nahrung. Jeder einzelne ist gezwungen, damit umzugehen und einen Weg für sich zu finden. Unverantwortlich und für die Betroffenen nicht zielführend ist es allerdings, wenn man mit diesen Gefühlen der Menschen spielt und latente Ängste schürt.

Unser Sozialsystem ist stark erwerbsorientiert aufgebaut. Das heißt, wer Arbeit hat oder aus der Erwerbstätigkeit ausscheidet, ist sozial abgesichert. Die Sicherung eines Einkommens, das ein menschenwürdiges Dasein gewährleistet und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht, gehört zu den Primärfunktionen der Sozialpolitik. Arbeit zu haben bedeutet aber noch nicht, daß man dafür ausreichend bezahlt wird. Es gibt immer noch vollzeitbeschäftigte Menschen, deren Lohn kaum ausreicht, daß sie ihren unmittelbaren Lebensunterhalt selbständig bestreiten können. Und wenn von einer solchen Situation noch dazu eine Alleinerzieherin oder ein Alleinverdiener in einer kinderreichen Familie davon betroffen ist, dann wird leicht verständlich, daß es zur Armutsgefährdung kommt.

Ich muß sagen: Sogenannte Deregulierungsvorschläge verschleiern mit ihren Lockmotiven wie "Individualismus", "Liberalismus", "persönliche Entscheidungsfreiheit" die dahinterliegende Absicht der Schwächung der Position des einzelnen Arbeitnehmers. Die Fluchtversuche aus dem Arbeitsrecht in Form von Werkverträgen, geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen und so weiter sind ein eindeutiger Beleg dafür.

Dem ist Solidarität im Sozialsystem entgegenzusetzen. "Solidarität" bedeutet in diesem Falle, daß sozial Schwächere unterstützt werden, um ihre materiellen Bedürfnisse befriedigen zu können.

Die Diskussionen über die Inanspruchnahme von Sozialleistungen waren stets begleitet von Einwänden, daß ein Teil der Bezieher das Sozialsystem zu weit ausnütze, um Leistungen zu bekommen, die ihnen eigentlich nicht zustehen. Der Mißbrauch von Sozialleistungen ist eindeutig abzulehnen. Von konservativer Seite wird aber immer wieder versucht, den Anspruch auf Sozialleistungen mit der Problematik der Finanzierung zu verknüpfen und somit eine Begründung für Abbaumaßnahmen zu finden.

Ich möchte ganz klar festhalten, daß die Frage, wer für die Finanzierung der Leistungen aufkommt, nicht nur für die betroffenen Zahler und Leistungsempfänger relevant ist, sondern auch


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für die Einschätzung der Verteilungsgerechtigkeit innerhalb des gesamten Systems. Ich meine: Wer eine Sozialleistung braucht, soll sie auch bekommen, ohne sich wie ein Dieb am Allgemeingut zu fühlen.

Im Sozialbericht wird festgestellt, daß fünf Bereiche im Rahmen der Armutsbekämpfung zentrale Bedeutung haben. Es sind dies die Bereiche der Bildungs- und Ausbildungssysteme, der Erwerbs- und Verdienstchancen, der monetären Sozialleistungen für Personen ohne Erwerbsmöglichkeiten, der sozialen und pflegerischen Betreuungsangebote und des Wohnungsmarktes. – Auf einen der genannten Bereiche möchte ich noch näher eingehen.

Kollegin Kainz hat das Thema bereits angeschnitten: 11 Prozent aller armen Personen leben in AlleinerzieherInnenhaushalten. Von den AlleinerzieherInnenhaushalten sind 12 Prozent als "arm" zu bezeichnen. Deren Armutsquote ist somit mehr als doppelt so hoch wie die der Gesamtbevölkerung. Auch wenn die Erwerbsquote bei AlleinerzieherInnenhaushalten höher ist als bei der Gesamtheit der Frauen, so beziehen gemäß Haushaltspanel dennoch nur 57 Prozent ein regelmäßiges Erwerbseinkommen, 10 Prozent sind arbeitslos, und 14 Prozent sind in Karenz. Die restlichen 19 Prozent leben von Unterhaltsleistungen oder sonstigen Sozialleistungen.

Die Hälfte aller Alleinerzieherinnen erzielt entweder kein Erwerbseinkommen oder ein geringeres monatliches Erwerbseinkommen als 6 000 S. Müßten AlleinerzieherInnenhaushalte nur mit ihrem Erwerbseinkommen, Unterhaltszahlungen und anderen privaten Einkünften auskommen, so lägen zirka zwei Drittel dieser Haushalte unter der Armutsgefährdungsgrenze. Das Haushaltseinkommen des untersten Viertels der AlleinerzieherInnenhaushalte besteht zu 85 Prozent aus Sozialleistungen.

Die hohe Kinderarmutsquote und die nach Haushaltsgröße steigende Armutsquote steht im direkten Zusammenhang mit den erschwerten Erwerbsmöglichkeiten von Müttern. Die Erwerbsquote für alle Frauen im erwerbsfähigen Alter beträgt 62 Prozent, in Familien mit einem Kind 61 Prozent und bei Familien mit drei oder mehr Kindern gar nur mehr 35 Prozent. Der Grund dafür ist, daß die Kinderbetreuung in den Familien – das wurde heute auch schon gesagt – nach wie vor überwiegend in der Verantwortung der Frauen liegt und noch immer eine Unterversorgung an geeigneten außerhäuslichen Kinderbetreuungseinrichtungen besteht.

Der Wunsch vieler Frauen, einen Beruf auszuüben, wird häufig auch durch traditionelle Strukturen verhindert oder erschwert. Damit sind sowohl die Einstellung gemeint, daß der Platz der Frau am Herd ist, sowie auch Defizite im Betreuungsbereich, aufgrund welcher die Berufsausübung beider Elternteile nicht möglich ist.

Es liegt aber im Interesse der Gesellschaft, Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu schaffen. Die Erwerbstätigkeit von Frauen wird stark vom Familienstand und dem Vorhandensein von Kindern beeinflußt. Kinder sind für Frauen der häufigste Anlaß, ihre Berufstätigkeit zu unterbrechen oder zu beenden. Es bedarf also des Ausbaues von Betreuungseinrichtungen, die auf die Bedürfnisse berufstätiger Eltern beziehungsweise berufstätiger Frauen, insbesondere hinsichtlich der Öffnungszeiten, abgestimmt sind.

Ich nenne eine auf das Jahr 1996 bezogene Zahl, um anschaulich zu machen, welches Ausmaß das angesprochene Problem hat: Im August 1996 wurden in der Steiermark vom AMS über 6 800 arbeitslose Frauen wegen Mobilitätseinschränkungen aufgrund von Betreuungspflichten als "schwer vermittelbar" eingestuft.

Im Bezirk Murau läuft zum Beispiel gerade ein Frauenprojekt für Wiedereinsteigerinnen, für das sich 80 Frauen interessiert haben. 40 davon haben jedoch nach der ersten Anmeldung schon feststellen müssen, daß sie aufgrund mangelnder Kinderbetreuungsmöglichkeiten gar nicht daran teilnehmen können.

Ein bedarfsgerechtes Versorgungsniveau beinhaltet neben Kindergärten und Kinderhorten auch Kinderkrippen, Tagesmütter und andere Formen von Kinderbetreuungseinrichtungen, denn die größte Unterversorgung besteht tatsächlich im Bereich der Kleinstkinderbetreuung bis drei Jahre.


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Lassen Sie mich abschließend sagen: Gleichheit, Solidarität und Gerechtigkeit müssen die wesentlichen Prinzipien der Sozialpolitik bleiben! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Crepaz. – Bitte.

20.22

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Der vorliegende Sozialbericht spiegelt einige unerfreuliche Tendenzen in bezug auf die Arbeitsmarktlage – wie wir heute schon gehört haben –, im besonderen auf die Arbeitslosenrate, den Bestand an offenen Stellen, den Lehrstellenmarkt und die Zunahme an geringfügig Beschäftigten wider, und das vor dem Hintergrund einer guten Wirtschaftsentwicklung und einer deutlichen Verbesserung der internationalen Wettbewerbssituation Österreichs.

Fragwürdige Standortdebatten, Angst und Panikmache bewirken eine von Einzelinteressen motivierte Erzeugung von Pessimismus, der sachlich unbegründet ist. Dadurch wird das Wirtschaftsklima beeinträchtigt. Viele der Wünsche haben nichts mehr mit der realen Situation der Unternehmen zu tun, sondern werden geschickt dazu verwendet, berechtigte Anliegen der Arbeitnehmer zurückzudrängen. Kurz gesagt: Die Unternehmen haben überhaupt kein Interesse daran, positive Tendenzen in der Wirtschaftsentwicklung anzuerkennen, weil man natürlich mit dem Argument, daß man sich in einer schweren Wirtschaftskrise befinde, niedrige Löhne, Entlassungen und die Flucht aus dem Arbeits- und Sozialrecht rechtfertigen kann. Das oft vorgebrachte Argument, daß arbeitsplatzschaffende Investitionen aufgrund zu geringer Gewinne ausbleiben, ist nicht haltbar. Gewinne und Eigenkapitalausstattung befinden sich nach der Rezession von 1993 auf einem höheren Niveau als zu Zeiten der Vollbeschäftigung.

Wie wichtig die Sicherung der Erwerbsarbeit ist, wird sowohl im vorliegenden Sozialbericht als auch in der Studie über Arbeitsmarkt, Arbeitslosigkeit und Armut in Tirol, im sogenannten Armutsbericht, der in Tirol in den vergangenen Wochen ein großes mediales Echo ausgelöst hat, deutlich gemacht. Vieles, was der Sozialbericht 1996 aufzeigt, wird in dieser Studie bestätigt. Generell wird festgehalten, daß immer mehr Personen wegen der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt direkt auf Verarmungsprozesse zusteuern, die in der Folge nicht nur ihre eigenen, sondern auch die zukünftigen Lebenschancen aller Haushaltsmitglieder beeinträchtigen.

Die Armutsgefährdung steigt in Arbeitslosenhaushalten um ein Vielfaches. In Tirol war 1996 schon fast jede vierte Arbeitskraft von Arbeitslosigkeit betroffen. Das entspricht 66 297 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Im selben Jahr kamen 11,6 Arbeitslose auf eine offene Stelle. Das ist der bisherige Höchststand seit 1948. Tiroler Arbeitslose waren im Vergleich zu den anderen Bundesländern am stärksten von Mehrfacharbeitslosigkeit betroffen, nämlich zu 42,8 Prozent. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist um 24,1 Prozent gestiegen. Insgesamt hat sich das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit über die Jahre enorm verschärft. 1996 gab es siebenmal soviel Langzeitarbeitslose wie 1980.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erwerbsarbeit ist in unserer Gesellschaft die dominante Einkommensquelle und kann durch Unterstützungsleistungen des Sozialstaates nur unzureichend ersetzt werden. Nach dem Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Armut zu fragen, ist somit eigentlich überflüssig.

Aber nicht nur Arbeitslosigkeit führt zur Armut. Das Wirtschaftssystem des ausgehenden 20. Jahrhunderts beginnt sich seiner sozialen Pflichten zu entledigen und produziert eine Armutspopulation, die in Erwerbsarbeit steht. Dieser Entwicklung der sogenannten "working poor" steht der Staat mit einer gewissen Hilflosigkeit gegenüber. Die arbeitende Bevölkerung gilt oder galt allein aufgrund der Tatsache, daß sie Erwerbsarbeit ausübt, per Definition nicht als arm. Eine arbeitende Armutspopulation ist im Sozialstaatskonzept nicht vorgesehen. Dementsprechend gibt es bis jetzt auch keine sozialstaatlichen Transfers für die "working poor".


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Die Sozialhilfe ist kein geeignetes Instrument zur Absicherung der Armutspopulation. Die Richtsätze für Sozialhilfeempfänger und -empfängerinnen liegen unter allen angewandten Armutsgrenzen. Erschwerend kommt hinzu, daß die Restriktionen in diesem Bereich drastisch zunehmen. Die Zahl der Abweisungen von Anträgen auf Sondernotstandshilfe und von Einstellungen der Sondernotstandshilfe hat sich in Österreich von 1995 auf 1996 beinahe verfünffacht, in Tirol sogar versechsfacht.

Durch die Sparmaßnahmen auf der Ebene der staatlichen Sozialpolitik werden immer mehr Problemlagen auf die Ebene kommunaler Sozialhilfeleistungen zurückverlagert. Alleinerzieherinnen, Mindestpensionistinnen und Arbeitslose müssen zunehmend Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Länder und Gemeinden wehren den finanziellen Belastungsdruck zu Lasten und auf Kosten der potentiell Anspruchsberechtigten ab. Die steigende Armutsgefährdung wird somit letztlich auf die Ebene des Individuums und der Familie zurückverlagert und sozusagen privatisiert.

Bei den Ausgaben der Sozialhilfe in Tirol ist zwar insgesamt ein Zuwachs zu verzeichnen, dieser resultiert aber in erster Linie und aus dem erhöhten Aufwand der pflegebedürftigen Personen in Heimen und Anstalten.

Im wichtigen Bereich der Politik für behinderte Menschen sind in Tirol leider auch negative Tendenzen festzustellen: Die Landesregierung kauft sich im Gegensatz zu manchen Ministerien, die ihrer Beschäftigungspflicht vorbildlich nachkommen, lieber frei. Zur Behebung dieser Mißstände ist es meiner Meinung nach notwendig, die Abschlagszahlungen entsprechend zu erhöhen, um den Menschen, deren Chancen auf dem gespannten Arbeitsmarkt äußerst gering sind, Unterstützung zukommen zu lassen.

Ein weiteres sehr wichtiges Thema, das ich noch ansprechen möchte, ist die Jugendarbeitslosigkeit. Jugendliche Arbeitslose sind prinzipiell dem Risiko ausgesetzt, die erste grundsätzliche Integration in den Arbeitsmarkt nicht zu schaffen, weil sie keine Lehrstelle beziehungsweise keinen Arbeitsplatz finden. Nach wie vor ist die Arbeit trotz aller Diskussionen über einen Wertewandel in der postindustriellen Gesellschaft der zentrale gesellschaftliche Integrationsfaktor. Wenn Arbeitslosigkeit, wie wir wissen, schon generell soziale Ausgrenzung, psychische Erkrankung, den Verlust des Selbstwertgefühls, Desorientierung und Sinnverlust bewirkt, dann trifft das Jugendliche noch mehr als Erwachsene. Ihren bisherigen Höhepunkt erreichte die Jugendarbeitslosigkeit 1996. Die Arbeitslosenquote der Tiroler Jugendlichen lag bei 6,4 Prozent. Die Zahl der Lehrstellensuchenden pro offener Lehrstelle hat sich dramatisch erhöht. Die Zahl der Jugendlichen, die bereits länger als sechs Monate eine Lehrstelle suchen, hat sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifacht. – Gerade im Bereich der Lehrlingsbeschäftigung vermisse ich die Zusammenarbeit mit dem Regierungspartner. Streitigkeiten innerhalb der Regierung und falsche Profilierungssüchte werden auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen.

Im Bericht wird auch hervorgehoben, daß der Schwerpunkt auf einer offensiven Beschäftigungspolitik liegen muß. Wie im Tätigkeitsbericht erwähnt, lagen die Schwerpunkte des Ressorts darin, daß gesamte sozial- und arbeitsmarktpolitische Instrumentarium dafür einzusetzen, um maximale Beschäftigungschancen zu realisieren. Eine wichtige Grundlage der zukünftigen Vorgangsweise ist nun im nationalen Beschäftigungsplan zu sehen.

Trotzdem möchte ich nochmals betonen, daß es sich bei den geschilderten Problemen nicht um eine quasi naturgesetzliche Entwicklung aufgrund einer allgemeinen schweren Wirtschaftskrise handelt. Die Zukunftssicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich wird nicht gelingen, wenn die Wirtschaft laufend, unabhängig von Fakten, vehement neue Entlastungen seitens der öffentlichen Hand verlangt und den Abbau sozialer Sicherungen fordert. – Durch die budgetären Maßnahmen und die daraus folgende Konsolidierung werden gute Bedingungen für eine aktive Wirtschaftspolitik geschaffen, die auch an die Arbeitnehmer weitergegeben werden sollten! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.30


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte.

20.30

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Lassen Sie mich Ihnen zuerst für Ihre Stellungnahmen und die Debatte danken. Dies hat mir gezeigt, daß Sie mit großem Interesse und Aufmerksamkeit den Sozialbericht meines Ressorts für das Jahr 1996 gelesen und sich damit auseinandergesetzt haben. Ich schließe daraus, daß es meinen Kolleginnen und Kollegen im Ressort gelungen ist, für Sie wichtige Informationen in sehr konzentrierter Form zu transportieren. Das ist bei der Fülle an Informationen, die wir in unserem Ressort immer wieder vermitteln wollen, nicht immer ganz leicht, weil zugleich auch deren Lesbarkeit sichergestellt werden soll.

In diesem Sozialbericht wird erstmals die Frage der Armut und Armutsgefährdung angesprochen. Ich möchte betonen, daß dieser Bericht in keiner Form, in keiner Passage und keinem Bereich geschönt, sondern absolut ehrlich ist. Hätten wir ihn als einen geschönten politischen Bericht herstellen wollen, wäre also dies der politische Wille gewesen, dann hätten wir darin die Frage der Armut nicht ansprechen dürfen. Uns ging es darum, deutlich ins Bewußtsein zu rücken, daß sich mein Ressort, aber auch sehr viele Damen und Herren hier im Hause mit dieser Thematik auseinandersetzen, und daß wir gemeinsame Anstrengungen unternehmen und alles tun wollen, damit wir eine Reduzierung dieser Gefährdung erreichen können.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Trotzdem muß man zu einem auf ein einzelnes Jahr bezogenen Sozialbericht betonen, daß er eine Momentaufnahme dieses Jahr darstellt. Daher ist es manchmal nicht zulässig oder zumindest nicht ganz zutreffend, wenn einzelne Zahlen herausgegriffen, kommentiert und interpretiert werden. In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf den Debattenbeitrag von Herrn Bundesrat Weilharter zurückkommen, in dem er sich mit der Entwicklung der Nettorealeinkommen auseinandergesetzt hat.

Herr Bundesrat! Ich halte es gerade in dieser Frage für wichtig, eine mittelfristige Beobachtung vorzunehmen. Wenn Sie darüber Jahresvergleiche anstellen, wenn Sie die davorliegenden Jahre heranziehen sowie die Jahre, die nach dem Zeitraum dieses Sozialberichtes liegen, und überdies die Prognosen berücksichtigen, die uns für 1998 und 1999 vorliegen, dann werden Sie sehen, daß 1996 ein schwieriges Jahr war. Es hat deshalb die von Ihnen aufgezeigte Entwicklung mit sich gebracht, aber dem ist zur Seite zu stellen, daß wir in mittelfristiger Perspektive Nettoreallohnzuwächse verzeichnen können, und das sogar zu einem Prozentsatz, der mit einem Ausmaß von durchschnittlich 2 bis 3 Prozent deutlich höher als in manchen vergleichbaren Staaten liegt.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Man muß meiner Ansicht nach erkennen, daß 1996 zwar ein schwieriges Jahr war, wir es aber – auch unter den Aspekten von 1997 und 1998 – sehr erfolgreich bewältigen konnten. Ich darf mir – da hier ein paar Zahlen zum Thema Beschäftigung herausgegriffen wurden – erlauben, auch in dieser Hinsicht auf eine mittelfristige Perspektive hinzuweisen und aufzuzeigen, daß wir seit 1990 ein Plus von 175 000 unselbständig Erwerbstätigen zu verzeichnen haben. Das entspricht einem Zuwachs von 6 Prozent. Lassen Sie mich auch auf die Entwicklung über längere Vergleichszeiträume verweisen: Gegenüber 1983 gibt es heute 320 000 unselbständig Erwerbstätige mehr, und im Abstand von zehn Jahren – von 1988 bis 1998 – zeigt sich eine Steigerung um 300 000 unselbständig Erwerbstätige.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es sind dies Werte, mit denen wir im Hinblick auf individuelle Betroffenheiten neue Zukunftschancen bieten konnten. Es ist ein Beweis für die Leistungsfähigkeit unserer österreichischen Wirtschaft, in diesem Ausmaß zusätzliche Arbeitsplätze zur Verfügung stellen zu können, aber darin zeigt sich auch ein Leistungsbeweis der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich mit geänderten Rahmenbedingungen arrangieren und auf diese Rücksicht nehmen mußten sowie die entsprechenden Qualifikationen dafür erbringen konnten. Plus 300 000 Arbeitsplätze in einem Zeitraum von zehn Jahren, das ist ein


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Stärkezeichen einer Volkswirtschaft. Ich glaube, auf diese sollten wir stolz sein! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Sehr geschätzte Frau Kollegin Fischer! Ich möchte in bezug auf Ihre Ausführungen kurz darauf hinweisen, daß wir uns vor einiger Zeit gemeinsam darüber freuen konnten, daß es uns gelungen ist, für die Bäuerinnen wieder einen Fortschritt bei der Betriebshilfe zu erzielen und damit eine persönliche Betroffenheit deutlich zu verbessern. Ich werde mich selbstverständlich gerne bemühen, auch in anderen Fragen, in denen wir eine reale Chance auf Weiterentwicklung sehen, gemeinsam entsprechend vorzugehen.

Nunmehr möchte ich Bezug nehmen auf die Debattenbeiträge von Herrn Bundesrat Drochter und Frau Bundesrätin Mühlwerth, in denen die Frage der Unterschiede im Arbeitsrecht von Arbeitern und Angestellten angesprochen wurde. Es war eine Koalitionsregierung der Vergangenheit – sie bestand aber aus den gleichen Koalitionspartnern –, die wesentliche Fortschritte in der Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten zustande gebracht hat. Dazu gehört ein einheitliches Urlaubsrecht, das heißt, es bestehen gleiche Urlaubsansprüche für Arbeiter und Angestellte. Ein Meilenstein im Arbeitsrecht wurde dadurch gesetzt, daß es nunmehr ein gleiches Abfertigungsrecht gibt.

Jetzt wird es darum gehen, jene Forderungen, die in der "Aktion Fairneß" formuliert wurden – insbesondere jene sachlich nicht gerechtfertigten Unterschiede, auf die Herr Bundesrat Drochter konkret eingegangen ist –, in gemeinsamen Verhandlungen mit den Sozialpartnern zu einem Ergebnis zu bringen. Es geht darum, diese sachlich nicht gerechtfertigten Unterschiede zu beseitigen, und daher bitte ich auch Sie, mich überall dort, wo Sie politisch Einfluß nehmen, in diesem Anliegen zu unterstützen. Es ist ein wichtiges Vorhaben, das wir damit realisieren wollen. Je mehr Verbündete dafür gefunden werden können, desto größer sind die Chancen, es tatsächlich zu realisieren.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Mehrere Bundesrätinnen und Bundesräte haben heute die Frage der Armut und der Armutsbekämpfung angesprochen. Ich möchte mich hier insbesondere bei Herrn Bundesrat Hager dafür bedanken, weil ich gesehen habe, mit welch profundem Zugang Sie sich mit dieser Frage auseinandergesetzt haben; dies mit dem Hinweis darauf, daß es sehr wichtig ist, sich mit der Frage der Definition des Arbeitsbegriffes auseinanderzusetzen und überdies dementsprechend zu erkennen, an welchen Stellen angesetzt werden muß, damit Armut und Armutsgefährdung bekämpft werden können.

Man muß feststellen, daß "Armut" in gewisser Hinsicht ein willkürlich festgelegter, relativer Begriff ist sowie auch eine relative Betroffenheit zum Ausdruck bringt. Wenn man die Sache aus diesem Blickwinkel betrachtet, dann ist festzuhalten, daß heute bei den ärmeren Menschen beispielsweise eine Ausstattung mit Konsumgütern und dem zur Verfügung gestellten Einkommen in einem Ausmaß gegeben ist, das nicht nur wesentlich höher liegt als bei einkommensschwachen Haushalten vor 25 Jahren, sondern auch in vielen Fällen höher ist als das Durchschnittseinkommen zur Mitte der siebziger Jahre. Ich will hier keine Betroffenheit beschönigen, jedoch in diesem Zusammenhang auf eine gewisse Relativität hinweisen.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Nichtsdestoweniger habe ich in unserem Ressort eine Expertenarbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit dem Thema "Bedarfsorientierte Mindestsicherung" auseinandersetzt. Es geht darum, eine Bestandsaufnahme über die derzeitige Situation vorzunehmen, eine begriffliche und inhaltliche Klärung der verschiedenartigen öffentlichen Daten über Grundsicherungselemente und bedarfsorientierte Mindestsicherungen herbeizuführen und entsprechende Vorschläge zu erarbeiten, mit denen eine noch bessere Situation hergestellt werden könnte.

Dies erfolgt unter Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gruppen, die sich mit der Armut auseinandersetzen. Wir haben die Mitarbeit von Experten aus allen Organisationen, die sich in dieser Hinsicht sozial engagieren, sichergestellt. Ich erwarte, daß ich im Laufe des zweiten Halbjahres 1998 die ersten Ergebnisse der Expertenarbeit zur Verfügung gestellt bekommen werde und auf dieser Basis sowie unter Bezug auf weitere profunde Grundlagen eine Weiter


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entwicklung unseres hervorragenden Sozialversicherungssystems und unseres gesamten Sozialsystems vornehmen kann.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Meiner Ansicht nach ist es angebracht, darauf zu verweisen, daß die Treffsicherheit unserer Sozialleistungen, Sozialtransfers und Sozialausgaben sehr groß ist. Wir haben zur Untersuchung der Treffsicherheit der Sozialleistungen eine Studie in Auftrag gegeben, die im Sozialbericht erwähnt wird und im vergangenen Jahr präsentiert worden ist.

Sie sind schon darauf eingegangen, Herr Bundesrat, daher möchte ich nur kurz replizieren: Gäbe es keine Sozialleistungen für Kinder und Personen bis zum 60. Lebensjahr, dann hätten fast 40 Prozent dieser Haushalte ein Pro-Kopf-Einkommen, das unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz der Pensionsversicherung liegt. Aufgrund der Sozialleistungen reduziert sich dieser Prozentsatz um mehr als ein Drittel. Unsere Sozialleistungen haben eine Treffsicherheit, die an die 70 Prozent heranreicht.

Erlauben auch Sie mir einige – ein bißchen kritische – Anmerkungen zu Ihren Ausführungen, sehr geschätzter Herr Bundesrat Schaufler! Meiner Ansicht nach ist zur Erreichung hoher Treffsicherheit in der Unterstützung schwächerer Einkommensbereiche, insbesondere einkommensschwacher Familien, ein weiterer Ausbau der Direktleistungen, der Transferleistungen wesentlich hilfreicher als steuerliche Maßnahmen. Dort, wo keine Steuern anfallen, weil das Einkommen so niedrig ist, daß dessen steuerliche Begünstigung nichts bringt, sind Direktleistungen erfolgreicher zur Bekämpfung der Armut und haben dementsprechend auch eine höhere soziale Funktion.

Darin erblicke ich eine unterschiedliche Wertung im Zugang zur Unterstützung von Familien. Trotzdem bin ich sehr froh, daß wir innerhalb der Bundesregierung eine grundsätzliche Einigung über ein sehr großes Paket im Familienbereich erzielen konnten und damit eine große Anzahl von Familien unterstützen sowie auch die private Nachfrage deutlich fördern können. Die erhöhte private Nachfrage wird auch dazu beitragen, in Österreich den Konsum zu stimulieren, wodurch das Wachstum und damit wiederum Beschäftigung stimuliert werden. Wir befinden uns da in einem Gesamtgefüge, in dem auf diese Weise ein sehr wichtiger, positiver Impuls ausgelöst wird. Daher bekenne ich mich gerne zu der Gesamteinigung, die wir erzielt haben.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich möchte weiters auf den folgenden Aspekt des Berichtes verweisen, weil zuvor Frau Bundesrätin Kainz – neben anderen – auf die frauenspezifische Betroffenheit eingegangen ist. Es ist mir bei Abfassung dieses Berichtes ein Anliegen gewesen, in allen seinen Teilen die unterschiedliche Betroffenheit von Männern und Frauen statistisch darzustellen, damit Sie ebenso wie ich eine bessere Grundlage für Entscheidungen im Hinblick darauf haben, in welchen Bereichen schwerpunktartig Veränderungen erforderlich zu sein scheinen. Daher werden nicht nur Durchschnittswerte angegeben, sondern es erfolgt eine nach Geschlechtern differenzierte Darstellung.

Ich möchte Sie davon informieren, daß ich gemeinsam mit der Frauenministerin und ihrem Bereich sowie in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern – insbesondere jenen der Arbeitnehmerseite – eine Studie in Auftrag geben werde, deren Ziel es ist, branchenweise zu hinterfragen, wie sich statistisch erfaßte Einkommensunterschiede erklären können, aus welchen Gründen bei gleichen Voraussetzungen unterschiedliche Einkommenssituationen gegeben sind, und wie es dazu kommt, daß wir, obwohl es in Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen keine geschlechtsspezifischen Kriterien gibt, trotzdem vor dem Faktum stehen, daß sich in der Praxis die Einkommen von Männern und Frauen unterscheiden.

Wir wollen versuchen, dies branchenspezifisch bis ins Detail zu untersuchen, auch im Hinblick darauf, ob verschiedene Formen der Bewertung von Tätigkeiten gegeben sind. Wir vermuten, daß damit indirekte Diskriminierungen verbunden sind. Wir werden uns bemühen, auf wissenschaftlichen Grundlagen neue Ansätze für eine echte Gleichberechtigung zu finden, um auch zu echter gleicher Entlohnung bei gleicher, bei gleichwertiger Tätigkeit von Männern und Frauen zu


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kommen. Nachdem diese Studie in Auftrag gegeben sein wird und uns die ersten Ergebnisse vorliegen werden, werde ich mir erlauben, Sie davon in Kenntnis zu setzen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! In der Debatte ist auch die Situation der Jugend, vor allem der Lehrlinge, angesprochen worden. Erlauben Sie mir, in diesem Zusammenhang – weil das ein wichtiger Aspekt der Arbeitsmarktsituation ist – darauf zu verweisen, daß wir in Österreich – dies bezieht sich wieder auf das Jahr 1996 – in einer Gesamtbewertung der Arbeitsmarktdaten an erster Stelle in Europa liegen, wie eine Studie des Instituts für Höhere Studien, die auf ein Arbeitsmarkt- und Arbeitslosen-Ranking abzielt, klar aufzeigt. Was die Jugendarbeitslosigkeit betrifft, hatten wir im Jahr 1996 mit 6 Prozent die niedrigste Jugendarbeitslosigkeitsquote unter allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verzeichnen. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Dr. h. c. Mautner Markhof. )

Ich nenne Ihnen diese paar Zahlen nur, weil sie sehr beeindruckend sind. Die österreichische Jugendarbeitslosenrate ist sogar niedriger als jene von Luxemburg; dort liegt sie bei 9,1 Prozent. Auf der anderen Seite steht eine Horrorvorstellung: Spanien hat mit 41,9 Prozent Arbeitslosigkeit unter den 15- bis 24jährigen einen Horrorprozentsatz vorzuweisen. In Finnland betrug 1996 die Arbeitslosigkeit in diesem Altersbereich 38 Prozent, in Italien 33 Prozent und Frankreich 29 Prozent.

Ich möchte hier nicht beschönigen, daß es auch bei uns vielleicht nicht gelingt, immer gleich jedem und jeder Jugendlichen genau jene Berufsperspektive und Ausbildungsperspektive zu geben, die sie sich erträumen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ein bißchen versuchen Sie das schon!) Trotzdem sind wir mit Abstand die Besten, wenn es gilt, Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen und der Jugend eine Chance zu geben! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Sehr geschätzte Frau Bundesrätin Mühlwerth! Ich möchte Sie bitten: Wenn Sie sich mit dem dualen Berufsausbildungssystem auseinandersetzen, wenn Sie sich mit der Situation von Lehrlingen auseinandersetzen, dann informieren Sie sich bitte über die Rechtslage! Informieren Sie sich bitte über die Fakten, informieren Sie sich bitte über die realen Hintergründe mancher Situationen! (Bundesrätin Mühlwerth: Was glauben Sie, was ich mache?) Sie werden dann zu einer anderen Beurteilung kommen, als Sie sie heute in Ihrem Debattenbeitrag vorgenommen haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen noch einmal für Ihr Interesse am Sozialbericht danken. Wir werden uns bemühen, die direkt oder indirekt angesprochenen Anregungen bei Erstellung des nächsten Sozialberichtes zu berücksichtigen. Wir wissen heute schon, daß der Sozialbericht für 1997 in vielen Passagen ein besseres Bild auf die reale Situation in Österreich werfen wird, als jener für 1996 es tun konnte. – Ich danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.


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13. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz 1975 geändert wird (656 und 1101/NR sowie 5660/BR der Beilagen)

14. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierseuchengesetz, das Bienenseuchengesetz, das Fleischuntersuchungsgesetz, das IBR/IPV-Gesetz und das Gesetz betreffend die allgemeine Einführung der Hundetaxe im Lande Vorarlberg geändert und das Gesetz betreffend die Abwehr und Tilgung der Lungenseuche der Rinder sowie das Gesetz betreffend die Abwehr und Tilgung der Rinderpest aufgehoben werden (EU-Veterinärrechtsanpassungsgesetz 1997) (949 und 1103/NR sowie 5662/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zu den Punkten 13 und 14 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz 1975 geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Tierseuchengesetz, das Bienenseuchengesetz, das Fleischuntersuchungsgesetz, das IBR/IPV-Gesetz und das Gesetz betreffend die allgemeine Einführung der Hundetaxe im Lande Vorarlberg geändert und das Gesetz betreffend die Abwehr und Tilgung der Lungenseuche der Rinder sowie das Gesetz betreffend die Abwehr und Tilgung der Rinderpest aufgehoben werden (EU-Veterinärrechtsanpassungsgesetz 1997).

Die Berichterstattung über die Punkte 13 und 14 hat Herr Bundesrat Kraml übernommen. Ich darf ihn um die Berichte bitten.

Berichterstatter Johann Kraml: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Berichte des Gesundheitsausschusses liegen Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich erspare mir daher deren Verlesung.

Der Gesundheitsausschuß stellt nach Beratung mit Stimmenmehrheit für beide Beschlüsse des Nationalrates den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die beiden Berichte und die Anträge.

Wir gehen in die Debatte ein. Sie wird, wie schon erwähnt, zusammengezogen durchgeführt.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Eisl. – Bitte.

20.51

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es geht bei diesen beiden Punkten um das Veterinärrechtsanpassungsgesetz und das Gesundheitsgesetz. Wie aus dem Bericht eindeutig hervorgeht, soll das Tierseuchengesetz der Rechtslage in der Europäischen Gemeinschaft beziehungsweise in der EU angeglichen werden. Leider muß ich aufgrund des Berichtes feststellen, daß mit dieser Änderung der in Österreich sehr hohe Standard gesenkt wird, und das ist schade.

Wir haben vor dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft oft gehört, daß Österreich die hohen Standards in Umwelt, Gesundheit und Seuchenbekämpfung auch in der Gemeinschaft beibehalten wird. Jetzt trifft genau das ein, was wir schon immer befürchtet haben: daß wir uns der EU angleichen müssen!


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Österreich hat in den Jahren von 1970 bis 1980 sehr viel Geld aufgewendet, um seuchenfrei zu werden. Die österreichische Landwirtschaft – und damit auch der Konsument – hat diesen Vorzug erleben dürfen, aber jetzt laufen wir Gefahr, daß er mit der Senkung der Werte wieder verlorengeht. Aus dem Bericht geht beispielsweise eindeutig hervor, daß Speisereste schon dann zur Verfütterung zugelassen werden, wenn sie 30 Minuten auf nur 75 Grad erhitzt worden sind. Das ist in den meisten Fällen zuwenig! Die Schweiz hingegen fordert nachweislich eine Erhitzung auf 130 bis 140 Grad unter einem Druck von mindestens 3 Bar, damit die BSE-Erreger auch tatsächlich abgetötet werden.

Weiters geht aus dem Bericht hervor, daß die von der Varroamilbe übertragene Bienenseuche der Landwirtschaft in den letzten Jahren einen Schaden im geschätzten Ausmaß von 2 Milliarden Schilling zugefügt hat. Dies wirkt sich auch ungünstig auf die Umwelt aus, weil häufigere Nichtbestäubung und eine Schädigung der Pflanzen die Folge ist.

Leider sind auch in bezug auf das Lebensmittelgesetz Mängel festzustellen. Wir wissen, daß auch in dieser Hinsicht Standards gesenkt werden, damit sie der EU angepaßt werden. Das ist keine gute Ausgangsposition für den Konsumenten, aber das ist auch schlecht für die Landwirtschaft, weil infolge dieser Senkung die kleinen und mittleren Betriebe mit dem Absatz ins Hintertreffen geraten. Es werden in verstärktem Ausmaß billige Lebensmittel eingeführt werden. Ich habe zum Beispiel etwas über eine Billigmargarine aus Finnland gelesen, die künftig auch auf den österreichischen Markt kommen wird. Unsere eigene Ware wird dann zunehmend in den Regalen liegenbleiben.

Auf diese Weise wird eindeutig klargestellt, daß der vom damaligen Landwirtschaftsminister Fischler propagierte "Feinkostladen Österreich" endgültig abgeräumt ist. Es wird keinen Feinkostladen in der Ausstattung geben, wie uns das immer vorgegaukelt wurde. Davon waren wir ohnehin nie ganz überzeugt, und jetzt wird die Rechnung präsentiert. (Bundesrat Richau: Vorschläge?) Die Vorschläge bestehen darin, Herr Kollege: beizubehalten, was sich bewährt hat! Ich weiß aber, daß das nicht gestattet ist. Deshalb denke ich, daß man dem Bürger draußen reinen Wein einschenken und ihm sagen sollte: Mit dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft werden die Werte gesenkt, auch im Hinblick auf Seuchen. (Zwischenruf des Bundesrates Payer. )

Vor nicht allzu langer Zeit haben wir hier den Tiertransport diskutiert. Es gibt in ganz Europa – außer am Walser Berg – keine Kontrolle, sodaß wir ein Gesetz beschlossen haben, das nie greifen kann. Das sind alles Dinge, die nur eingeführt werden, um dem Bürger vorzugaukeln, daß wir uns engagieren und daß wir trotz Beitritts zur EU alles in bester Ordnung vorfinden und fest im Griff haben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Bieringer übernimmt den Vorsitz.)

Wir sehen auch in bezug auf die Umwelt, wie die Standards gesenkt werden! Sämtliche Diskussionen hier im Haus, auch drüben im Nationalrat, oder die Debatten in den Landtagen drehen sich mehr oder weniger um die Erhaltung dessen, was wir bisher hatten. Keiner verlangt, daß es mehr wird, es geht nur darum, das Vorhandene zu erhalten! (Bundesrat Steinbichler: Sie sagen bewußt die Unwahrheit! Wir haben längst die höchsten Standards ...!) Wir haben in Österreich die besten, höchsten Standards, aber sie werden gesenkt! Haben Sie das nicht durchgelesen? – Die Standards werden gesenkt und angeglichen! (Bundesrat Rauchenberger: Welche? – Ein Beispiel!)

Die Angleichung bedeutet eine Senkung, und das ist der Grund dafür, daß wir dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.56

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächster ist Herr Bundesrat Peter Rieser zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

20.56

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Herr Kollege Eisl! Ganz teile ich die Meinung nicht, daß die Pflanzen bei der Nichtbestäubung durch die Bienen einen Schaden erleiden. (Heiterkeit und Beifall bei der


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ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir auch nicht erwartet!) Ich sehe diese beiden Gesetze auch nicht nur negativ. Die zwei Berichte des Gesundheitsausschusses geben uns heute die Gelegenheit, über ... (Bundesrat Eisl: Du verläßt dich auf die künstliche Besamung, nicht Bestäubung! Das geht bei Rindern nicht! Nur bei den Blumen!) Ja.

Diese beiden Gesetze geben uns heute die Gelegenheit, über diese Themen zu diskutieren. Lieber Herr Kollege Eisl! Wir können diskutieren, inwiefern es um das Einkaufen, um das Kochen und um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in Österreich geht. Diese zwei Gesetze – das Lebensmittelgesetz und das EU-Veterinärrechtsanpassungsgesetz – sind für uns ein klares Bekenntnis zum Verbraucherschutz.

Wir haben in Österreich einen sehr hohen Standard der Essens- und Trinkkultur. Essen und Trinken nehmen im Lebensstil der Österreicher einen überdurchschnittlich hohen Stellenwert ein. Die mengenmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist in Österreich schon seit längerer Zeit – Gott sei Dank – ausreichend gesichert, doch nimmt die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Lebensmitteln laufend zu. In diesem Zusammenhang darf ich den Anbietern – einerseits jenen, die in der Landwirtschaft tätig sind, und andererseits jenen im Bereich der Gastronomie – ein sehr gutes Zeugnis ausstellen. Im gesamten Lebensmittelsektor wird in Österreich eine Wertschöpfung im Ausmaß von 265 Milliarden Schilling erwirtschaftet. Das macht 12 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsproduktes aus.

Im internationalen Vergleich zeigt sich, daß die Lebensmittelkontrolle – ihr kommt wegen der Liberalisierung sehr hohe Bedeutung zu – in Österreich als sehr genau eingestuft werden kann. Befragt nach den Kriterien, die für den Konsumenten die Qualität von Lebensmitteln ausmachen, nennen die Österreicher drei Punkte: die Frische, die Herkunft der Lebensmittel und die Naturbelassenheit.

Wer ist verantwortlich? Wer kontrolliert die Gesetze beziehungsweise die Verordnung? – Wir haben im Ausschuß darüber diskutiert, und ich habe dem Vertreter des Ministeriums unter anderem auch die Frage gestellt, wie viele Lebensmittelkontrollore es in Österreich gibt. Ich habe dankenswerterweise auch eine Antwort bekommen, und zwar schriftlich! – Es sind in Österreich 251 Lebensmittelkontrollore eingesetzt, die jährlich auf 40 000 bis 50 000 gezogene Proben kommen. (Bundesrat Eisl: Inzwischen ist einer in Pension gegangen!) Durch die Verschiebung der Zuständigkeit von der Bezirksverwaltungsbehörde auf den Landeshauptmann werden nicht nur Kosten gespart, sondern es kann auch konzentrierter vorgegangen werden.

Richtig und wichtig – das möchte ich auch erwähnen – ist, daß das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nicht mißbraucht wird. Gerade Bauernmärkte haben eine besondere Verpflichtung, auch tatsächlich Bioprodukte anzubieten. Dort, wo "Bio" draufsteht, muß auch Bio drinnen sein! Jene, die in diesem Bereich Mißbrauch betreiben, werden in Zukunft mit diesem neuen Gesetz – auch das haben wir diskutiert – strenger zur Verantwortung gezogen werden.

Ganz kurz noch zum Veterinärrechtsanpassungsgesetz: In dieser Novelle geht es um die Umsetzung der EU-Richtlinien. Frau Bundesministerin! Im Vollzug muß sichergestellt werden, daß der bürokratische Aufwand für bäuerliche Betriebe in Grenzen gehalten wird. Aufzeichnungen soll es nur soweit wie notwendig geben, damit, wenn Wartezeiten bei Verabreichung von Arzneimitteln eingehalten werden müssen, dies auch nachvollziehbar und kontrollierbar ist. Es gibt vom Gesundheitsausschuß des Nationalrates eine Ausschußfeststellung, die sich mit dem Fleischuntersuchungsgesetz auseinandersetzt. Gemäß dieser soll eine Kontrolle von Tieren und nicht von Betrieben erfolgen. Neuerliche zusätzliche Auflagen über diese vereinbarte Aufzeichnungspflicht hinaus würde die Landwirtschaft als Schikane empfinden. Frau Bundesministerin! Im Ausschuß wurde versichert, daß der Verordnungstext nach Rücksprache mit der Interessenvertretung, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer, erfolgt.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zum Abschluß noch eine Bemerkung: Früher gab es Gesetze zum Schutz für die Bauern. Heute werden immer mehr Gesetze zum Schutz vor den Bauern verabschiedet. Der volkswirtschaftliche Nutzen der eigenen Lebensmittelpro


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duktion soll nicht durch Bürokratie, die niemandem dienlich ist, weder den Konsumenten noch den Produzenten, zerschlagen werden! – In diesem Sinne danke ich. (Beifall bei der ÖVP.)

21.03

Präsident Ludwig Bieringer: Nächste Wortmeldung: Herr Bundesrat Johann Payer. Ich erteile ihm das Wort.

21.03

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Rede und Gegenrede sind ein notwendiges und wichtiges Kennzeichen einer funktionierenden Demokratie. Wenn es Kritik nicht gäbe, würde unsere demokratische Staatsform ein tragendes, grundlegendes, innovatives Element verlieren. – Ich persönlich habe heute allerdings leider den Eindruck gewonnen, daß die Opposition in unserem Hohen Haus das Instrument der Kritik in einer Art und Weise ausübt, die nicht dazu angetan ist, daß Anregungen – mögen sie auch noch so positiv sein – angenommen werden: Denn grundsätzlich verweigern die Freiheitlichen beinahe jeder Vorlage die Zustimmung!

Als voraussichtlich letzter Redner der heutigen Sitzung kann ich über den heutigen Tag ein bißchen Bilanz ziehen: Die Opposition hat nur ganz wenigen Vorlagen zugestimmt. Daher entsteht bei mir der Eindruck, daß sie das wichtige Recht der Kritik selbst schwächen, Herr Kollege Eisl, wenn Sie sich immer stärker in die Rolle der Dauerneinsager hineinkatapultieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Eisl: Dieser Eindruck ist falsch, Herr Kollege!)

Ich bin verwundert, daß Sie auch diesen zwei Gesetzen, dem Lebensmittelgesetz und dem EU-Veterinärrechtsanpassungsgesetz, Ihre Zustimmung verweigern. Das österreichische Lebensmittelgesetz ist – das wird europaweit bestätigt – eines der strengsten und sichersten der Welt. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das wollen wir in ganz Europa! Leider ist es aber nicht gelungen!) Daher habe ich leider den Eindruck, daß Sie Ihre Argumentation, die Sie schon vor dem EU-Beitritt verwendet haben, ganz einfach weiter verwenden wollen. Ihre Argumentation bestand damals schon darin, daß Sie der österreichischen Bevölkerung Angst vor Lebensmitteln machen wollen, die es überhaupt nicht gibt, von denen Sie behaupten, sie seien mit Schildläusen oder ähnlichen Stoffen versetzt. Sie sprachen vor dem EU-Beitritt von Blutschokolade, mit der unser Land überschwemmt werden sollte. Heute müssen Sie zugeben, daß die damalige Argumentation nicht stimmt und daß niemand in der EU die österreichische Bevölkerung um ihre Gesundheit bringen will. Gerade das Gegenteil ist der Fall! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Mit der heutigen Novellierung des Lebensmittelgesetzes kommt es zu einer weiteren Verbesserung. Es ist nämlich sehr einsichtig, daß EU-Verordnungen im Bereich der Lebensmittelüberwachung unmittelbar Geltung haben müssen und die Bestimmungen hinsichtlich der Zuständigkeit für Überwachung und Vollziehung sowie Verwaltungsstrafen daher novelliert werden sollten. Daß die mittelbare Bundesverwaltung des Gesetzes bei den Landeshauptleuten liegt und nur noch in den seltensten Fällen beim Minister, ist anzuwendendes EU-Recht und zudem auch sinnvoll, weil die Überwachung vor Ort besser gewährleistet ist, als wenn sie vom Bund ausgeht. Das ist ein sehr guter und sehr föderativer Gedanke!

Es ist auch positiv, daß bei der EU-Bioverordnung nicht nur eine reine Überwachungstätigkeit vorgesehen ist, sondern auch ein aktives Tätigwerden der zuständigen Behörde. Die vorgesehene Lösung der Verlagerung hin zum Landeshauptmann ist auch kostensparend, da sie den Ländern erspart, entsprechende Kapazitäten in den Bezirksverwaltungsbehörden einzurichten. – Diese Ansicht wird auch in der Stellungnahme des Rechnungshofes geteilt.

Als weiteres positives Kriterium bewerte ich, daß die im Lebensmittelgesetz 1975 vorgesehenen Geldstrafen erhöht werden. Es ist dies eine Erhöhung nach mehr als zwei Jahrzehnten. Diese Regelung wird zu mehr Produktsicherheit führen. Es ist dies also eine Regelung im Sinne des Konsumenten.

Alljährlich, vor allem in den Sommermonaten, erfahren wir aus den Medien, daß verdorbene Lebensmittel in den Geschäftsregalen und in Kühlvitrinen gefunden werden. – Diese Meldungen


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werte ich als Beweis dafür, daß die Lebensmittelkontrolle in Österreich funktioniert. Der Grund für verdorbene Lebensmittel ist meistens die Unterbrechung der Kühlkette. (Bundesrat Eisl: Jetzt habe ich geglaubt, daß Sie sagen werden: Die Opposition ist daran schuld!) Deshalb ist es notwendig, die Kontrollen weiterhin aufrechtzuerhalten beziehungsweise noch zu verbessern.

Hohes Haus! Noch einige kurze Anmerkungen zum EU-Veterinärrechtsanpassungsgesetz: Mit der vorliegenden Novelle wird das österreichische Tierseuchengesetz mit den einschlägigen Vorschriften der EU harmonisiert und präzisiert. Diese Harmonisierung ist nicht – wie Kollege Eisl behauptet – eine Nivellierung, sie betrifft nicht eine Senkung von Grenzwerten, sondern ist eine positive Erweiterung.

Ich möchte folgendes Beispiel anführen: Ich habe gerade § 1 Abs. 4 herausgesucht. Hier werden EU-Vorschriften hinsichtlich Pferdepest, Fischseuchen und so weiter zusätzlich zum bisherigen Gesetz übernommen.

Noch ein Wort zur Tierseuchenbekämpfung, wie sie Kollege Eisl dargestellt hat: Es geht um eine Anpassung und nicht um eine Senkung. Es geht um mehr Klarheit, es geht um Präzisierung!

Kollege Eisl meinte, daß die Erhitzung von Speiseresten ein Problem sei. Dazu möchte ich sagen: Speisereste sind all das, was vom Menschen nicht gegessen wurde. Diese müssen laut Gesetz noch zusätzlich erhitzt werden, damit sie den Schweinen verfüttert werden können. Auf diese Weise wird aus Speiseresten nicht plötzlich Sondermüll, der den Schweinen vorgesetzt wird. Ich meine, daß wir Speisereste, die für den Menschen verträglich sind, nicht unbedingt einer Sonderverbrennung mit 140 Grad – die Sie wahrscheinlich wollen! – oder ähnlichem zuzuführen brauchen!

Meine Damen und Herren! In Österreich wurde bereits auch mit den bisherigen Gesetzen bewiesen, daß Seuchen verhindert werden können – im Unterschied zu anderen europäischen Staaten. Da gebe ich Ihnen recht! Und die heutigen Novellen stellen eine weitere Verbesserung dar. Es gilt aber, auch zukünftig alles daranzusetzen, daß Österreich weiterhin tierseuchenfrei bleibt. Es gilt, alle Vorkehrungen in diese Richtung zu treffen – im Interesse der Landwirtschaft, im Interesse der österreichischen Bevölkerung, im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten.

Aus diesen Gründen wird meine Fraktion gegen diese beiden Vorlagen keinen Einspruch erheben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.12

Präsident Ludwig Bieringer: Nächste Wortmeldung: Herr Vizepräsident Jürgen Weiss. – Bitte, Herr Präsident.

21.12

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit meiner kurzen Wortmeldung löse ich ein Versprechen ein, das ich Herrn Kollegen Konečny gegeben habe.

Bei der Erstellung der Tagesordnung hat bei ihm die Tatsache zu Recht Verwunderung ausgelöst, daß im Rahmen des Veterinäranpassungsgesetzes ein Gesetz über die Einführung einer allgemeinen Hundetaxe im Lande Vorarlberg geändert wird. Und wenn sich vielleicht jemand die Mühe gemacht hat, die Materialien durchzulesen, dann wird das Erstaunen noch etwas größer geworden sein: Denn es handelt sich hiebei um ein Gesetz, das der Vorarlberger Landtag – damals noch mit allerhöchster Genehmigung – im Jahre 1875 beschlossen hatte und das nach wie vor in Geltung steht. Dies nicht deshalb, weil die Vorarlberger Gesetze so gut sind, daß sie Jahrhunderte überdauern, sondern aus dem ganz einfachen Grund, weil der Landtag damals in der Lage war, in diesem Gesetz nicht nur fiskalische Regelungen, nämlich die Einführung einer Hundetaxe, sondern auch veterinärpolizeiliche Regelungen zu treffen, nämlich die Pflicht, daß die Hunde einmal jährlich der Veterinärbehörde vorgeführt werden müssen, offenkundig um auf ihren Gesundheitszustand untersucht zu werden.


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Diese Zuständigkeit ist im Zuge der Neuordnung der Kompetenzen nach der Gründung der Republik an den Bund übergegangen. Das Vorarlberger Landesgesetz hatte dann zwei Teile, einen landesrechtlichen und einen bundesrechtlichen, und das Land Vorarlberg stand vor dem Problem, das inhaltlich überflüssig gewordene Gesetz nicht aufheben zu können, weil eine Teilzuständigkeit des Bundes bestand.

Dieser Mangel wird nun behoben. Wir bedanken uns dafür, daß der Vorarlberger Landtag nun in einem Akt von Rechtsbereinigung ein aus dem Jahre 1875 stammendes, funktionslos gewordenes Gesetz aufheben kann!

Damit bei Ihnen keine unangebrachte Verwunderung darüber ausbricht, daß das Land Vorarlberg auf Einnahmen verzichtet: Die Hundetaxe besteht nach wie vor, sie beruht inzwischen aber auf einer anderen Rechtsgrundlage. – Ich bedanke mich. (Allgemeiner Beifall.)

21.14

Präsident Ludwig Bieringer: Wir danken für diese historische Aufklärung!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Zunächst lasse ich über den Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelgesetz 1975 geändert wird, abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tierseuchengesetz, das Bienenseuchengesetz, das Fleischuntersuchungsgesetz, das IPR/IPV-Gesetz und das Gesetz betreffend die allgemeine Einführung der Hundetaxe im Lande Vorarlberg geändert und das Gesetz betreffend die Abwehr und Tilgung der Lungenseuche der Rinder sowie das Gesetz betreffend die Abwehr und Tilgung der Rinderpest aufgehoben werden, EU-Veterinärrechtsanpassungsgesetz 1997.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag keinen Einspruch zu erheben ist somit angenommen.

15. Punkt

Wahl der Ausschüsse

Präsident Ludwig Bieringer: Wir kommen nun zum 15. Punkt der Tagesordnung: Wahl der Ausschüsse.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Bieringer, Konečny, Dr. Tremmel und Kollegen gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäftsordnung vor, anstelle der bisher bestehenden Ausschüsse den Ausschuß für Verfassung und Föderalismus, den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, den Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft, den Ausschuß für innere Angelegenheiten, den Landes


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verteidigungsausschuß und den Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit jeweils 18 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern neu zu wählen, wobei jeweils 8 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 6 auf die SPÖ und 4 auf die FPÖ entfallen.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Bieringer, Konečny, Dr. Tremmel und Kollegen gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäftsordnung vor, anstelle der bisher bestehenden Ausschüsse den Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, den Justizausschuß, den Ausschuß für Umwelt, Jugend und Familie, den Finanzausschuß, den Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten, den Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr, den Ausschuß für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz und den EU-Ausschuß gemäß § 13a der Geschäftsordnung des Bundesrates mit jeweils 15 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern neu zu wählen, wobei jeweils 7 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 5 auf die SPÖ und 3 auf die FPÖ entfallen.

Ferner liegt mir ein Antrag der Bundesräte Bieringer, Konečny, Dr. Tremmel und Kollegen gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäftsordnung vor, den Geschäftsordnungsausschuß mit 12 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern neu zu wählen, wobei jeweils 5 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 4 auf die SPÖ sowie 3 auf die FPÖ entfallen.

Ich werde diese drei Anträge unter einem zur Abstimmung bringen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die sich für die Neuwahl der von mir genannten Ausschüsse aussprechen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Die Ausschüsse gemäß § 13 der Geschäftsordnung sind somit neu gewählt.

Überdies liegt mir ein Antrag der Bundesräte Bieringer, Konečny, Dr. Tremmel und Kollegen auf Neuwahl des Unvereinbarkeitsausschusses gemäß § 6 Abs. 1 Unvereinbarkeitsgesetz mit 12 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern vor, wobei jeweils 5 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 4 auf die SPÖ und 3 auf die FPÖ entfallen.

Wir kommen nur zur Abstimmung über die Neuwahl des Unvereinbarkeitsausschusses.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die sich für die Neuwahl des Unvereinbarkeitsausschusses aussprechen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Unvereinbarkeitsausschuß ist somit neu gewählt.

Die Konstituierung aller Ausschüsse wird am Dienstag, dem 28. April 1998, ab 14 Uhr erfolgen.

16. Punkt

Wahl eines Ersatzmitgliedes Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zum 16. Punkt der Tagesordnung: Wahl eines Ersatzmitgliedes Österreichs in die Parlamentarische Versammlung des Europarates.

Vom Bundesrat ist anstelle des bisherigen Ersatzmitgliedes Ing. Johann Penz ein Ersatzmitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates zu wählen.

Es liegt mir nur ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Dr. Milan Linzer lautet.

Wird die Durchführung der Wahl mittels Stimmzettel gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem von mir bekanntgegebenen Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Danke. Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.


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Herr Bundesrat Dr. Milan Linzer ist somit als Ersatzmitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates gewählt.

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Ich nehme die Wahl an und bedanke mich sehr herzlich für das Vertrauen!

Präsident Ludwig Bieringer: Ich wünsche dir, sehr geehrter Herr Bundesrat, für diese Aufgabe viel Glück und Erfolg! (Allgemeiner Beifall.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt eine Anfrage, nämlich 1376/J, eingebracht wurde.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Mittwoch, der 29. April, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Diese Sitzung beginnt mit der Fragestunde. Es werden Anfragen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten zum Aufruf gelangen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 28. April 1998, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 21.22 Uhr