Stenographisches Protokoll

640. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Mittwoch, 29. April 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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640. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 29. April 1998

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 29. April 1998: 9.05 – 17.57 Uhr

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Tagesordnung

1. Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern

2. Kulturbericht 1996 der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten

3. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG), BGBl. Nr. 510/1994, geändert wird

4. Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

5. Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird

6. Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 und das Eltern-Karenzurlaubsgesetz geändert werden

7. Entwurf eines Bundesgesetzes über die Durchführung des Titels II der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates vom 21. April 1997 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen (Rindfleisch-Etikettierungsgesetz)

8. Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz geändert wird

9. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (FHStG) geändert wird

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Inhalt

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Sitzungsunterbrechung 101


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640. Sitzung / Seite 2

Personalien

Krankmeldung 7

Entschuldigungen 7

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 32

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 31

Ausschüsse

Zuweisungen 32

Fragestunde

Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten 7

Therese Lukasser (884/M-BR/98); Johann Payer, Dr. Paul Tremmel

Karl Drochter (891/M-BR/98); Monika Mühlwerth, Gottfried Jaud

Dr. Peter Böhm (897/M-BR/98); Wolfram Vindl, Mag. Günther Leichtfried

Uta Barbara Pühringer (885/M-BR/98); Erhard Meier, Dr. Paul Tremmel

Mag. Harald Repar (892/M-BR/98); Monika Mühlwerth, Aloisia Fischer

Mag. John Gudenus (898/M-BR/98); Mag. Harald Himmer, Mag. Harald Repar

Ing. Walter Grasberger (886/M-BR/98); Hedda Kainz, DDr. Franz Werner Königshofer

Erhard Meier (893/M-BR/98); Monika Mühlwerth, Alfred Schöls

Dr. Susanne Riess-Passer (899/M-BR/98); Gottfried Jaud, Dr. Michael Ludwig

Mag. Harald Himmer (887/M-BR/98); Karl Drochter, Thomas Ram

Johann Payer (894/M-BR/98); Ulrike Haunschmid, Peter Rodek

Monika Mühlwerth (900/M-BR/98); Josef Rauchenberger

Wolfram Vindl (888/M-BR/98); Karl Drochter, Dr. Paul Tremmel

Dr. Michael Ludwig (896/M-BR/98); Andreas Eisl, Therese Lukasser

Alfred Schöls (889/M-BR/98); Thomas Ram

Mag. Günther Leichtfried (895/M-BR/98); Ing. Walter Grasberger

Leopold Steinbichler (890/M-BR/98); Johanna Schicker, Helena Ramsbacher


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640. Sitzung / Seite 3

Dringliche Anfrage

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Umsetzung der Maßnahmen zur Verhinderung des Postenschachers (1381/J-BR/98)

Begründung: DDr. Franz Werner Königshofer 102

Beantwortung: Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 105

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 107

Mag. Harald Himmer 109

Stefan Prähauser 111

und (tatsächliche Berichtigung) 122

Mag. John Gudenus 115

Dr. Peter Harring 118

Dr. Paul Tremmel 122

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(1) Beschluß des Nationalrates vom 26. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern (690 und 1104/NR sowie 5665/BR d. B.)

(2) Kulturbericht 1996 der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten (III-177/BR und 5666/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfram Vindl 33

[Antrag, zu (1) keinen Einspruch zu erheben und zu (2) den Bericht zur Kenntnis zu nehmen]

Redner:

Helena Ramsbacher 33

Dr. Michael Ludwig 35

Dr. Vincenz Liechtenstein 38

Mag. John Gudenus 39

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 41

Johann Grillenberger 44

Uta Barbara Pühringer 44

Thomas Ram 45

Dr. Günther Hummer 46

Dr. Peter Böhm 49

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (1) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 51

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 51

(3) Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch


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640. Sitzung / Seite 4

veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG), BGBl. Nr. 510/1994, geändert wird (1112/NR sowie 5663 und 5667/BR d. B.)

Berichterstatterin: Hedda Kainz 51

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Walter Scherb 51

Peter Rieser 54

Mag. Günther Leichtfried 56

Dr. Peter Böhm 58

Ing. Walter Grasberger 59

Mag. Harald Repar 61

Mag. John Gudenus 62

Ulrike Haunschmid 64

Leopold Steinbichler 66

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 66

Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 69

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 71

Gemeinsame Beratung über

(4) Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1998 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (1114/NR sowie 5664 und 5668/BR d. B.)

(5) Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird (1115/NR sowie 5669/BR d. B.)

(6) Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 und das Eltern-Karenzurlaubsgesetz geändert werden (1116/NR sowie 5670/BR d. B.)

Berichterstatterin: Irene Crepaz 72

[Antrag, zu (4), (5) und (6) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Monika Mühlwerth 72

Aloisia Fischer 75

Johanna Schicker 76

Helena Ramsbacher 78

Alfred Schöls 79

Hedda Kainz 80

Dr. Peter Böhm 82 und 86

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 84

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (4) und (5) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 87

Entschließungsantrag der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen betreffend Verbesserung des Rechtsschutzes im Ausschreibungsverfahren 74


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640. Sitzung / Seite 5

Ablehnung 87

einstimmige Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (6) keinen Einspruch zu erheben 87

(7) Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Durchführung des Titels II der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates vom 21. April 1997 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen (Rindfleisch-Etikettierungsgesetz) (1102/NR sowie 5671/BR d. B.)

Berichterstatterin: Uta Barbara Pühringer 88

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Andreas Eisl 88

Ernst Winter 89

Peter Rieser 90

Bundesministerin Mag. Barbara Prammer 90

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 91

Gemeinsame Beratung über

(8) Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz geändert wird (695/A und 1145/NR sowie 5672/BR d. B.)

(9) Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (FHStG) geändert wird (731/A und 1146/NR sowie 5673/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Pfeifer 92

[Antrag, zu (8) und (9) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Peter Böhm 92

Gottfried Jaud 93

Anna Elisabeth Haselbach 94

Dr. Paul Tremmel 96

Mag. Michael Strugl 98

Monika Mühlwerth 100

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (8) und (9) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 101

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Franz Richau und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalsituation der Sicherheitsexekutive (1377/J-BR/98)


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640. Sitzung / Seite 6

der Bundesräte Albrecht Konečny, Stefan Prähauser, Erhard Meier, Irene Crepaz, Mag. Günther Leichtfried, Johann Payer, Hedda Kainz, Josef Pfeifer und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Symposium der steirischen ÖVP zum Thema "Wozu Länder?" (1378/J-BR/98)

der Bundesräte Albrecht Konečny, Stefan Prähauser, Erhard Meier, Irene Crepaz, Mag. Günther Leichtfried, Johann Payer, Hedda Kainz, Josef Pfeifer und Genossen an den Vizekanzler und Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Symposium der steirischen ÖVP zum Thema "Wozu Länder?" (1379/J-BR/98)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (1380/J-BR/98)

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Umsetzung der Maßnahmen zur Verhinderung des Postenschachers (1381/J-BR/98)

der Bundesräte Johanna Schicker, Alfred Gerstl, Erhard Meier, Dr. Paul Tremmel, Peter Rieser, Wolfgang Hager, Ing. Peter Polleruhs, Dr. Vincenz Liechtenstein, Josef Pfeifer, Engelbert Weilharter, Franz Richau, Harald Repar, Dr. Peter Harring und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Notwendigkeit der Errichtung des Semmering-Eisenbahntunnels als unverzichtbare Infrastrukturinvestitionsmaßnahme für Steiermark und Kärnten (1382/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend MÜG (1383/J-BR/98)

der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Dienstpostenplanstruktur am Pädagogischen Institut des Bundes in Wien (1384/J-BR/98)

der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend Auslandsveranstaltungen des Pädagogischen Institutes der Stadt Wien (1385/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aufenthaltsberechtigung für einen iranischen Staatsbürger (1386/J-BR/98)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Peter Rieser und Kollegen (1257/AB-BR/98 zu 1362/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Engelbert Weilharter und Kollegen (1258/AB-BR/98 zu 1371/J-BR/98)

 


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640. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Präsident Ludwig Bieringer: Ich eröffne die 640. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 639. Sitzung des Bundesrates vom 17. April 1998 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates Erich Farthofer.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Franz Wolfinger und Josef Pfeifer.

Fragestunde

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Bevor wir mit der Fragestunde beginnen, mache ich – vor allem im Hinblick auf die seit den letzten Fragestunden in den Bundesrat neu eingetretenen Mitglieder – darauf aufmerksam, daß jede Zusatzfrage in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hauptfrage beziehungsweise der gegebenen Antwort stehen muß. Die Zusatzfrage darf nur eine konkrete Frage enthalten und darf nicht in mehrere Unterfragen geteilt sein.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde, sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird, im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten, falls erforderlich, auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.06 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten

Präsident Ludwig Bieringer: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage, 884/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Therese Lukasser, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

884/M-BR/98

Wie beurteilen Sie die derzeitigen Proteste der Lehrervertreter im Zusammenhang mit den Neuregelungen im Dienstrecht?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Es hat im vergangenen Herbst Verhandlungen mit der Gewerkschaft über eine Neuregelung der Abrechnung der Mehrdienstleistungen – das heißt Überstunden – gegeben. Dabei wurde einer Empfehlung des Rechnungshofes folgend von einer Pauschalabrechnung auf eine Einzelabrechnung übergegangen. Ich halte das System der Einzelabrechnung für ehrlicher, transparenter und gerechter. Derjenige, der eine Mehrdienstleistung erbringt, bekommt diese Mehrdienstleistung – ob es eine Überstunde ist oder eine Einzelsupplierung ist – auch bezahlt.

Im Zuge dieser Umstellung haben sich zahlreiche Fragen ergeben, wobei ich ganz klar feststellen möchte, daß ein Lehrer oder eine Lehrerin, welche auf drei Projekttage geht, ihre Unterrichtsstunden nicht nachholen muß. Es geht darum, daß jene, denen Unterrichtsstunden ausfallen, diese mit Einzelsupplierungen hereinbringen. Jeder Lehrer erhält jede Woche sein Grundgehalt. Es gibt keine Änderung im Grundgehalt und auch keine Änderung im Bereich der


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640. Sitzung / Seite 8

Lehrverpflichtung. Die derzeitige Diskussion beruht auf einigen mißverständlichen Auslegungen und ist daher nicht besonders zielführend.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Teilweise bestanden diese kritisierten Regelungen bereits bisher. Welche Veränderungen, Frau Bundesministerin, treten mit 1. September dieses Jahres in Kraft?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.


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640. Sitzung / Seite 9

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer:
Ab 1. September dieses Jahres werden die Mehrdienstleistungen nicht pauschal, sondern einzeln abgerechnet. Das Maturajahr ist ein verkürztes Schuljahr. Es erfolgt eine Wochendurchrechnung für die Mehrdienstleistungen. Als Verbesserung wird die Projektwoche zusätzlich abgegolten – zusätzlich zum Gehalt und zu den üblichen Reisekosten und Diäten. Auch die Wertigkeit der Mehrdienstleistungen wurde erhöht, und die EDV-Kustodiate haben besondere Zuschläge erhalten.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Johann Payer.

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es ist in den heutigen Tageszeitungen die Rede davon, daß Projektwochen und ähnliche Schulveranstaltungen abgesagt werden. Das bedeutet natürlich einen wirtschaftlichen Schaden für den Fremdenverkehr. Allein im Ennstal – so steht es in einer steirischen Zeitung – würde das 440 Millionen Schilling Einnahmenverlust bedeuten.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Denken Sie darüber nach, daß Lehrer für die Abhaltung von Projektwochen und ähnlichen Tätigkeiten leistungsadäquater entlohnt werden sollen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.


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640. Sitzung / Seite 10

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer:
Die Lehrer werden leistungsadäquat entlohnt. Sie erhalten neben ihrem Grundgehalt Reisekosten, Tagesdiäten, Übernachtungskosten. Der Leiter einer Projektwoche erhält eine Monatsmehrdienstleistung, das sind zwischen 2 000 und 4 000 S, für diese Woche. Der Begleiter erhält die Abgeltung in Form einer Erzieherstunde. Das sind mindestens 1 300 S pro Woche. Die Lehrer werden also leistungsgerecht entlohnt. Wenn man dazu noch bedenkt, daß bei immer mehr Projektwochen Trainer von den Häusern zur Verfügung gestellt werden und die Lehrer wirklich als Begleiter dabei sind, so ist diese Belohnung, glaube ich, durchaus im Rahmen dessen, was noch vertretbar ist.

Ich meine, daß Projektwochen ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts sind. Ich weiß von allen Pflichtschullehrern, daß sie diese Wichtigkeit auch anerkennen, und ich hoffe, daß durch diese Diskussion, die jetzt geführt wird, ganz klar aufgezeigt wird, daß sich im Bereich der Projektwochen die Situation nicht verschlechtert, sondern verbessert hat, daß es zusätzliche Abgeltungen gibt und daß daher dieser Boykott völlig unsinnig ist.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kommt es bei diesem neuen Dienstrecht, sprich Gehaltsgesetz, zu einer Umverteilung der Finanzmittel zwischen den einzelnen Schultypen – ich meine Pflichtschulen, BHS und AHS –, und werden dadurch Einsparungen erzielt?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es kommt meiner Meinung nach zu keiner Neuverteilung der Finanzmittel, schon gar nicht zwischen den Pflichtschulen und den weiterführenden Schulen. Für die Pflichtschulen und auch für die AHS ist diese Neuregelung fast nicht relevant, weil sie keine Mehrdienstleistungen mehr haben. In Wien haben die AHS durchschnittlich 0,9 Mehrdienstleistungen. Im Prinzip geht die ganze Diskussion also um die Mehrdienstleistungen.

Sollen die Überstunden auch dann ausbezahlt werden, wenn jemand auf einer Projektwoche ist? – Dazu haben wir schon vor zwei Jahren gesagt, daß das nicht gemacht wird. Das heißt, eine Umverteilung kann stattfinden zwischen älteren Lehrern und jüngeren Lehrern – was ich für sehr sinnvoll halte –, die tatsächlich die Einzelsupplierungen machen. Die Pauschalierungen bei den anderen Lehrern gibt es dafür nicht mehr.

Eine Einsparung ist aus der Verkürzung des Maturajahres zu erwarten, wobei man noch nicht weiß, welche Vorbereitungskosten anfallen werden. Die Vorbereitung auf die schriftliche Matura wird jetzt ja als Mehrdienstleistung ausbezahlt. Es ist ursprünglich berechnet worden, daß durch diese Neuregelung eine Einsparung von etwa 700 Millionen Schilling erzielt werden kann. Durch die Verhandlungen mit der Gewerkschaft sind aber wieder 200 Millionen dazugekommen, sodaß wir jetzt höchstens bei 500 Millionen Schilling Einsparung liegen, und es wird sich erst herausstellen, wie findig man im Auslegen der neuen Regeln ist und wie das dann auch wirklich greifen wird.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 891/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Karl Drochter, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

891/M-BR/98

Welche konkreten Pläne gibt es im Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, die derzeit zum Selbstkostenpreis von mehreren gemeinnützigen Erwachsenenbildungsverbänden angebotenen Vorbereitungslehrgänge zur Berufsreifeprüfung zu fördern, um damit die Kosten für die TeilnehmerInnen zu verringern?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es gibt derzeit die grundsätzliche Überlegung, daß vorhandenes Wissen an Schulen für die Vorbildung zur Berufsreifeprüfung angeboten werden soll. Die Frage ist, ob es unentgeltlich sein soll. Ich glaube, es kann nicht alles an Wissensvermittlung unentgeltlich sein. Wir sind jedoch gerade dabei, die derzeitigen Angebote der Erwachsenenbildungsorganisationen zu evaluieren. Im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes wurde eine Evaluationsgruppe eingerichtet, auch um die Anforderungen zu prüfen, und es gibt Überlegungen, ob eventuell eine Subjektförderung geschehen sollte, das heißt, derjenige, der die Leistung in Anspruch nimmt, wird gefördert. Darüber hinaus muß man natürlich auch sehen, daß die Erwachsenenbildungsvereine mit nicht unbeträchtlichen Mitteln gefördert werden. Die Diskussion ist also im Gange, und es gibt Überlegungen in diese Richtung, aber noch kein Ergebnis.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht, Herr Bundesrat? – Bitte.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Tendieren Sie eher zu einer stärkeren Förderung der Erwachsenenbildungseinrichtungen für die Berufsreifeprüfung oder zur Förderung der einzelnen KursteilnehmerInnen?

Präsident Ludwig Bieringer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich glaube, daß beide Wege richtig wären. Es muß jetzt noch ausgerechnet beziehungsweise festgelegt werden, wie man mehr erreichen könnte. Mir würde das Modell, einen Jugendlichen, der sich speziell auf eine Berufsvorbereitungsprüfung vorbereitet, persönlich zu fördern, sehr gut gefallen, denn er könnte sich in die Vorbereitung dann dort einkaufen, wo er gern möchte. Wir sind dabei, beide Modelle zu überprüfen, auch im Hinblick auf die Durchführbarkeit und die anfallenden Kosten. Aber wie gesagt: Ich muß das Ergebnis der Arbeitsgruppe abwarten.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Die Möglichkeit zur Berufsreifeprüfung ist ja noch sehr neu, es gibt sie erst seit kurzem. Können Sie trotzdem schon sagen, wie groß der Ansturm ist, wie groß überhaupt das Interesse ist, diese Berufsreifeprüfung zu machen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Das Interesse an der Berufsreifeprüfung ist sehr groß. Ich werde zum Abschluß dieses Schuljahres die genauen Zahlen erhalten. Es werden ungefähr 800 bis 1 000 Personen sein, die sich für dieses Angebot interessieren.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Gottfried Jaud gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Frau Ministerin! Die Matura ist kostenlos. Ist daran gedacht, auch die Berufsreifeprüfung kostenfrei zu gestalten?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Wie ich bereits vorher ausgeführt habe, beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit dieser Frage. Derzeit werden Beiträge eingehoben. Wir haben auch bereits Modelle, die vorsehen, für die Vorbereitung der Matura Beiträge einzuheben. Ich halte das nicht für so unvernünftig. Wir haben gesehen, daß, wenn jemand etwas bezahlt, er dann viel eher dabeibleibt und mehr Interesse an der Vorbereitung besteht. Wir sind dabei, auch dieses Modell zu überprüfen.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, 897/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Professor Dr. Peter Böhm, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

897/M-BR/98

Welche konkreten Maßnahmen liegen Ihrer gegenüber den Medien geäußerten optimistischen Annahme, daß es bis zum Jahr 2000 keine arbeitslosen Junglehrer mehr geben werde, zugrunde?

Präsident Ludwig Bieringer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Erstens: Ich kann mich nicht erinnern, jemals gegenüber den Medien gesagt zu haben, daß es bis zum Jahr 2000 keine arbeitslosen Junglehrer mehr geben wird. Das ist eine unrichtige Darstellung.


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Zweitens leben wir in Österreich in einem freien Staat, in dem jeder studieren kann, was er will. Es kann aber niemandem zugesichert werden, daß er im Anschluß an sein Studium genau jenen Arbeitsplatz erhält, auf den er sich vorbereitet hat. Das heißt, wir müssen von den Jugendlichen, die mit ihrem Studium fertig sind, verlangen, daß sie flexibel sind.

Bezüglich der Lehrerzahlentwicklung kann man nur sagen, daß derzeit etwa 7 000 auf der Warteliste stehen, was aber nicht heißt, daß 7 000 arbeitslos sind. Wirklich arbeitslos gemeldet sind 800 bis 1 000. Es kann keine Garantie abgegeben werden, daß man dann, wenn man ein Lehramtsstudium abgeschlossen hat, einen Arbeitsplatz bekommt. Es erhalten alle Maturanten von mir einen Brief, in dem ganz klar drinnen steht, mit welchen Wartezeiten sie zu rechnen haben. Bei Deutsch und Geschichte sind es derzeit acht bis zehn Jahre. Ich kann aber nicht die Entscheidung eines jungen Menschen übernehmen, was er studieren will. Das muß jeder selbst überlegen. Ich kann nur informieren.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Professor.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Erachten Sie es für wirklich gerecht, im Beruf bewährte und engagierte aktive Lehrer – wenn auch nicht rechtlich, so zumindest gesellschaftlich und moralisch – vorzeitig in den Ruhestand zu drängen, um für solche Junglehrer Platz zu machen, die bereits zu Beginn ihres Studiums um die geringen bis fehlenden Chancen wußten, in den Schuldienst aufgenommen zu werden?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es wird niemand in den Ruhestand gedrängt. Es gibt Angebote, die angenommen werden können oder nicht. Ich stelle mir vor, daß Menschen zwischen 50 und 60 Jahren reif genug sind, selber entscheiden zu können, ob sie ein Angebot annehmen wollen oder nicht. Das Angebot für den Vorruhestand basiert auf Freiwilligkeit, und es wird besonders von Lehrerinnen, deren Männer schon in Pension sind, sehr gerne angenommen. Es wird also niemand hinausgedrängt. Wir brauchen in den Schulen das Wissen und die Erfahrung gerade auch der älteren Kollegen und Kolleginnen.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Wolfram Vindl zu Wort gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Kann man abschätzen, bis wann die Lehrerarbeitslosigkeit behoben sein wird beziehungsweise wann wieder ein Lehrermangel bestehen wird?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Da die Lehrer derzeit zu 50 Prozent in der Altersstufe zwischen 47 und 60 Jahren sind, könnte es möglich sein, daß es in ungefähr zehn bis 13 Jahren, das heißt 2010, einen Lehrermangel gibt – wenn nicht die Möglichkeit des Vorruhestandes angenommen wird und sich somit die Alterskurve entzerrt. Wir wissen aber jetzt schon, daß wir bis zum Jahr 2030, 2040 etwa 300 000 Schüler und Schülerinnen weniger haben werden. Das heißt, daß dann zwar viele Lehrer in Pension gehen werden, es aber weniger Schüler geben wird und weniger Lehrer gebraucht werden. Man muß also sagen: Langfristig gesehen wird die Zahl der Lehrer und Lehrerinnen nicht mehr enorm wachsen können. Bei 300 000 Jugendlichen weniger gibt es einfach 300 000 Schulplätze weniger.

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Bundesrat Mag. Günther Leichtfried, ich bitte um Ihre Zusatzfrage.

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Tatsache ist, daß sehr viele Junglehrer auf der Straße stehen – Sie haben es gerade selbst gesagt – und daß damit intelligentes Potential nicht oder nur unzureichend eingesetzt ist.


Bundesrat
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Eine Möglichkeit, arbeitslosen Lehrern adäquate Arbeit zu verschaffen, wäre auch – was immer wieder diskutiert wird – die Reduzierung der Klassenschülerhöchstzahl. Wie stehen Sie zu dieser Reduzierung der Klassenschülerhöchstzahl?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesrat
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Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer:
Herr Bundesrat! Ich sehe die Reduzierung der Klassenschülerhöchstzahl äußerst positiv, und ich bitte Sie, das beim Finanzminister durchzubringen. (Heiterkeit.)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 885/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Uta Barbara Pühringer, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich möchte vorerst aus meiner Sicht als Personalvertreterin im Pflichtschullehrerbereich bestätigen, daß bei uns kein Lehrer in den Ruhestand gedrängt wurde, da nur jene davon Gebrauch gemacht haben, die das selber wollten. (Präsident Bieringer gibt das Glockenzeichen.) Wir sind als Personalvertreter dankbar dafür.

Meine Frage lautet:

885/M-BR/98

Kann die Wirkung des Vorruhestandsmodells bereits abgeschätzt werden?

Präsident Ludwig Bieringer: Frau Bundesministerin, bitte. (Bundesrat Dr. Tremmel: Selbst der stärkste Präsident ist bei einer Frau machtlos!)

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Frau Bundesrätin! Die Annahme des Vorruhestandsmodells hängt besonders davon ab, wie gut die Personalvertretung darüber informiert hat. In Niederösterreich und Oberösterreich wurde besonders gut informiert, wofür ich mich bedanke. Da gibt es bereits an die 200 Interessenten und Interessentinnen. Bis zum Schulschluß wird uns dann klar vorliegen, wie viele Interessenten es gibt. Ich meine aber, daß das Vorruhestandsmodell erst nächstes Jahr wirklich im Bewußtsein verankert sein und greifen wird.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Zur Hälfte ist meine Frage zwar schon beantwortet, dennoch frage ich, welche Erwartungen setzen Sie in die künftige Akzeptanz setzen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Frau Bundesrätin! Ich habe die Erwartung, daß innerhalb von zwei Jahren etwa 1 000 Lehrer und Lehrerinnen dieses Angebot annehmen werden.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Meier, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Frau Bundesministerin! Gibt es bereits Aufgliederungen über die Inanspruchnahme des Vorruhestandsmodells nach den einzelnen Bundesländern und Schularten mit konkreten Zahlen, aus denen hervorgeht, wie viele "JunglehrerInnen" – unter Anführungszeichen – dadurch in den Schuldienst aufgenommen werden können?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Herr Bundesrat! Es gibt derzeit noch keine Aufgliederung. Die Abteilungen sind angewiesen, diese Zahlen von den Landesschulräten einzuholen, und ich werde sie Ihnen gerne zur Verfügung stellen, wenn wir sie haben.

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Kollege Tremmel, Ihre Zusatzfrage, bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Ich stelle keine langen Vorfragen, mit Ausnahme dieser Zwischenbemerkung jetzt. – Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ist dieses Vorruhestandsmodell, von dem Sie meinten, es werde niemand in den Ruhestand gedrängt, im Sinne der Gleichbehandlung mit anderen Bereichen? Ich spreche etwa von der österreichischen Post, wo es eine Karenzierung ab dem 55. Lebensjahr gibt und wo man im 60. Lebensjahr in Pension gehen kann. Ist diese Gleichbehandlung gegeben?

Präsident Ludwig Bieringer: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Kenntnisse über das Modell der Post sind bei mir nicht vollständig vorhanden. Ich meine aber, daß es ein gutes Modell ist, das den Lehrern eine echte Chance bietet.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage, 892/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Harald Repar, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

892/M-BR/98

Wie können Sie sich eine Fortsetzung der Integration von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf über die Pflichtschule hinaus vorstellen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Bei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist zu unterscheiden zwischen Sinnesbehinderung, Körperbehinderung und geistiger Behinderung. Sinnesbehinderte und Körperbehinderte werden selbstverständlich in alle Schulen, für die sie die Qualifikationen und Fähigkeiten besitzen, integriert. Sie machen bekanntlich Matura und studieren an der Universität.

Für geistig behinderte Kinder haben wir die Möglichkeit geschaffen, sie bis zum Ende der Pflichtschulzeit zu integrieren, sie dann aber auch besonders zu betreuen. Eine Integration in eine berufsbildende beziehungsweise berufsbildende höhere Schule ist nicht zu vertreten, wenn der Jugendliche nicht die Fähigkeiten hat, die Zielsetzung dieser Schule auch zu erfüllen. Das heißt, nach der Pflichtschulzeit, die für Kinder mit geistiger Behinderung auch ein zehntes und ein elftes Schuljahr umfassen kann, ist eine Integration in die Gesellschaft, in einen Arbeitsprozeß vorzubereiten, ist auf einen Arbeitsplatz vorzubereiten. Es kann nicht sein, daß die Schule der einzige Ort für Integration ist. Schule bereitet darauf vor, die Integration muß dann aber in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz weiter erfolgen.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich frage das heute nicht zum ersten Mal, und ich hoffe immer wieder auf eine befriedigende Ant


Bundesrat
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wort: Können Sie sich vorstellen, nach dem Modell des sonderpädagogischen Förderbedarfs auch eine Förderung der Mehrbegabten vorzunehmen?


Bundesrat
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Präsident Ludwig Bieringer:
Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es gibt bereits eine eigene Dienststelle bei mir im Haus, die die Begabtenförderung vornimmt. Zahlreiche Projekte werden in den Bundesländern umgesetzt. Die Begabtenförderung ist also neben der Integration der Behinderten ein wichtiger Schwerpunkt. Sie können jederzeit die entsprechenden Unterlagen von unserer Dienststelle erhalten.


Bundesrat
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Präsident Ludwig Bieringer:
Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Aloisia Fischer gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Frau Bundesministerin! Sie haben meine Frage teilweise in Ihrer Antwort auf die Hauptfrage schon beantwortet. Ist es sinnvoll, Kinder mit geistiger Behinderung in berufsbildende höhere Schulen zu integrieren?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich glaube nicht nur, daß es nicht sinnvoll ist, ich glaube, daß es unverantwortlich ist. Denn gerade geistig behinderte Menschen müssen auch einen Sinn finden in einem Arbeitsplatz, müssen Sinn finden in der Gesellschaft, müssen in die Gesellschaft integriert sein. Deswegen haben wir alles daranzusetzen, daß geistig behinderte Kinder nach ihrer Pflichtschulausbildung übergeleitet werden in eine Integration in den Beruf, eine Integration in der Gesellschaft.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage, 898/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

898/M-BR/98

In welcher Form wird die umfangreiche Verkehr- und Eisenbahnsammlung des Technischen Museums in den nächsten Jahren der Öffentlichkeit zugänglich sein?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Derzeit wird daran gearbeitet, Standorte zu suchen, wo diese umfangreichen Sammlungen auch in einer entsprechenden Umgebung untergebracht werden können. Da das nicht so einfach ist, ist vorläufig daran gedacht, im zweiten Obergeschoß des Technischen Museums die wichtigsten Ausstellungsstücke für etwa drei bis vier Jahre öffentlich zugänglich zu machen.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Bislang waren diese Ausstellungsstücke vor dem Technischen Museum zu sehen. Welche Verwendung wird der Raum, der bislang für diesen Zweck genützt wurde, in Zukunft einnehmen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Meinen Sie den Garten vor dem Technischen Museum? Es spricht in der Gesamtplanung nichts dagegen, daß einige Ausstellungsstücke vor dem Technischen Museum stehen bleiben. Bis wir einen neuen Standort haben, bis wir eine neue Lösung haben, werden wir versuchen, die wichtigsten Stücke im Museum und außerhalb des Museums weiterhin zu zeigen.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Mag. Harald Himmer um die Zusatzfrage.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Frau Bundesminister! Was wurde aus dem Angebot von Wiener Neustadt, den Hangar zur Verfügung zu stellen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Dieses Angebot wurde mir von Wiener Neustadt mündlich überbracht. Ich habe um weitere, detaillierte Unterlagen gebeten, es ist allerdings bisher diesbezüglich nichts bei mir eingelangt.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Mag. Harald Repar gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Mich würde interessieren, ob es in Wien Überlegungen gibt, ein Technologie-Museum zu errichten, ähnlich wie in anderen Hauptstädten der Welt, beispielsweise in Paris?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die erste und wichtigste Aufgabe ist es, die derzeit bestehenden Museen in ausreichendem Maße zu sanieren, wiederzueröffnen und auf den neuesten Stand zu bringen. Ich stelle mir vor, daß, um gerade auch unser Verkehrswesen richtig zu dokumentieren, neue Medien notwendig sind – etwa CD-ROMs und interaktive Medien.

Wenn wir diese Finanzmittel aufgebracht haben, werde ich gerne beginnen, Überlegungen hinsichtlich eines neuen Museums anzustellen.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 886/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Walter Grasberger, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

886/M-BR/98

Was unternehmen Sie für die Suchtprävention an den österreichischen Schulen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es ist mir ein besonders ernstes und besonders großes Anliegen, daß wir im Rahmen der Suchtprävention Schwerpunkte setzen. Das erste ist, daß wir mit den Lehrerinnen und Lehrern festgestellt haben, daß wir die Jugendlichen zu starken Persönlichkeiten heranbilden müssen, zu starken Persönlichkeiten, die nein sagen können. Das ist sowohl eine Prävention für Gewalt an Kindern, für sexuelle Gewalt als auch für Suchtprävention.

Wir haben nun die Aktion "Drogenfreie Schule" gestartet, bei der wir in einer großangelegten Informationskampagne die Schüler und Schülerinnen informieren, die Eltern informieren, bei der wir die Zusammenarbeit zwischen der Schule und der Sicherheitswache besonders fördern, bei der wir besonders auch die Schulwarte in den Mittelpunkt der Arbeit stellen, denn die sehen und die wissen, wenn irgendwo etwas los ist.

Der Mai ist der Aktionsmonat, und da werden alle diese Aktivitäten verstärkt wahrgenommen.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie haben in Ihrer Beantwortung diese Aktion "Drogenfreie Zonen", die von Ihnen gestartet wurde, angesprochen. Wie schätzen Sie gegenwärtig und auch in Zukunft die Akzeptanz dieser Aktion an den Schulen ein?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Wir haben in jedem Bundesland bereits einige Pilotprojekte verwirklicht. Mir geht es bei dieser drogenfreien Zone um folgendes:

Auch die Gesellschaft muß dokumentieren, daß sie Verantwortung für das gesunde Aufwachsen der Jugend übernimmt. Das heißt, rund um die Schulen muß die Aufmerksamkeit verstärkt werden. Auch die Erwachsenen sind aufgerufen, verdächtige Vorgänge zu melden.

Und wenn manchmal Kritik geübt wird an dieser Tafel "Drogenfreie Zone" – da gibt es manche, die sagen: Wenn man da diese Tafel aufstellt, darf man eine Straße weiter Drogen einnehmen! –, muß ich daran erinnern, daß es auch die Tafel gibt: Achtung Schule!, Kinder nicht überfahren! Trotzdem darf man auch hinter dem nächsten Straßeneck die Kinder nicht überfahren.

Es geht um ein Ausschildern, um eine Arbeit mit allen Sinnen sozusagen, um ein optisches Ausschildern, darum, Wissen zu vermitteln. Ich würde mich sehr freuen, wenn auch einige Diskotheken oder einige Jugendtreffs ebenfalls die Tafel "Drogenfreie Zone" anbringen würden, um zu dokumentieren, daß Drogen nicht erwünscht sind, daß auch wir Erwachsene Verantwortung für die Jugend übernehmen.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Hedda Kainz.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesminister! Liegen Ihnen Materialien vor, aus denen zu entnehmen ist, in welchen Schultypen oder Altersbereichen ein besonderes Gefährdungspotential vorhanden ist?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Der Trend zeigt, daß das Einstiegsalter bei Jugendlichen weiter absinkt und bereits bei etwa zwölf Jahren liegt. Nach unseren bisherigen Erfahrungen ist nicht nur der städtische Raum davon betroffen, sondern es sind auch ländliche Schulen sehr stark davon betroffen, weshalb man auch dort verstärkt Aktivitäten setzen muß.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sie haben von der Schule als "Drogenfreie Zone" gesprochen. Deshalb jetzt konkret meine Frage: Soll die "Drogenfreie Zone" in bezug auf die Schule der Regelfall sein, oder gibt es auch Schulen, die man mehr oder weniger schon als drogenverseucht bezeichnet, wo es drogenfreie Zonen nur als Rückzugsrefugien für Schüler gibt, die jetzt noch clean sind oder auch in Zukunft clean bleiben wollen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Der Ausdruck "Drogenfreie Zone" soll signalisieren, daß sowohl die Schule als auch die Gesellschaft Verantwortung für die Jugendlichen übernimmt.


Bundesrat
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Es gibt keine "drogenverseuchten" Schulen in dem Sinne, sondern es gibt Schulen, wo es mehr Probleme gibt, und es gibt Schulen, wo es weniger Probleme gibt. Gerade durch diesen Aktionsmonat soll es verstärkte Kontrollen der Sicherheitswache rund um die Schulen geben – das ist mit dem Innenminister abgesprochen –, es soll verstärkte Kontaktnahme der Schulwarte mit der Sicherheitswache geben, denn die Schulwarte sehen ja, wenn vor der Schule etwas los ist. Das heißt, ich möchte mit dieser Aktion auch signalisieren, daß die Schule allein diese Probleme nicht bewältigen kann. Wir brauchen auch die Erwachsenen dazu, wir brauchen die Umgebung dazu, wir brauchen auch die Gesellschaft dazu.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, 893/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Erhard Meier, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Frage an Sie lautet:

893/M-BR/98

Welche Maßnahmen werden Sie endlich treffen, damit die unter dem Titel "Hauptschule im Abwärtstrend – Krise der Hauptschule" kürzlich erneut aufgezeigte Entwicklung des Schülerrückganges gebremst wird?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich glaube, zuerst sollte man einmal die Zahlen einigermaßen relativieren. Wenn österreichweit der Anteil der Hauptschule von 70,3 auf 69,8 Prozent sinkt, ist es trotzdem immer noch so, daß fast 70 Prozent der Zehn- bis Vierzehnjährigen in Österreich in eine Hauptschule gehen. Da gleich von einem "Abwärtstrend" zu sprechen, halte ich für leicht übertrieben.

Es wird aber auch deutlich, daß durch gezielte Informationen, die sich in einzelnen Bundesländern nur in Richtung AHS bewegen, besonders auch in städtischen Gebieten, der Trend ein anderer ist. Ich meine, daß Hauptschulen mehr in den Mittelpunkt gestellt werden müssen, und zwar durch die Öffentlichkeitsarbeit jedes einzelnen Landesschulrates/Stadtschulrates, daß aufgezeigt werden muß, daß Hauptschulen zu über 60 Prozent die Autonomie ernst nehmen, eigene Schwerpunkte anbieten, und daß manche Schüler glücklichere Jahre hätten, wenn sie in einer Hauptschule wären, anstatt in einer AHS mit jeder Menge Nachhilfe bis zur vierten Klasse "durchgeboxt" zu werden und dann ohnehin in eine andere Schule zu wechseln.

Es ist bekannt, daß etwa 50 Prozent der Jugendlichen nach der vierten Klasse AHS woandershin wechseln, also nicht die klassische Langform besuchen. Das heißt, es muß sich auch die AHS überlegen, ob sie überhaupt noch eine klassische Langform ist.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?– Bitte.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Da bin ich beim Stichwort "Autonomie". Glauben Sie nicht, daß die Autonomie immer mehr dadurch eingeengt wird, daß der Schule durch die Vermehrung von Pflichtaufgaben innerhalb des bestehenden Rahmens, ohne diesen auszuweiten, Zusätzliches angelastet wird, sodaß bezüglich dieser von Ihnen erwähnten wichtigen Sonderangebote immer weniger Spielraum für autonome Beschlüsse an der jeweiligen Schule übrigbleibt?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich glaube einfach, daß man die Entwicklung grundsätzlich anders sehen muß. Es kann nicht angehen, daß immer nur Dinge dazukommen, es müssen auch Dinge wegfallen. Wenn ich in einer Schule Schwerpunkte setze, dann kommt zwar ein Schwerpunkt dazu, es fallen aber andere Stunden weg. Das heißt, die Schule kann nicht immer mehr "angefüllt" werden, sondern es


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kommen neue Aufgaben hinzu und alte Aufgaben fallen weg. Es werden Schwerpunkte gesetzt, dafür fallen andere Stunden weg.

Ich glaube, man muß auch sehen, daß es eine Herausforderung zu einer Veränderung ist, daß die Schule also nicht alles und jedes weitermachen kann – und noch etwas dazu machen kann. Das wird ja auch schon ausgedrückt in der flexiblen Stundentafel: Wenn jemand Schwerpunkte setzt, fallen innerhalb der Stundentafel dafür andere Dinge weg. (Bundesrat Meier: Das müßte man noch genau diskutieren!)

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrat Monika Mühlwerth gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Minister! Ich gebe Ihnen völlig recht, daß viele Schüler in der Hauptschule wesentlich besser aufgehoben und glücklicher wären als in einer AHS. Tatsache ist aber auch, daß es, vor allem in den Ballungszentren, viel Kritik gibt, was den Wissensstand der Hauptschüler anbelangt. Es wird oft kritisiert, daß Hauptschüler keine ausreichenden Kenntnisse zum Beispiel in der Rechtschreibung oder auch in den Grundrechnungsarten haben.

Daher meine Frage, Frau Minister: Welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, um das Leistungsniveau an den Hauptschulen insgesamt anzuheben, damit diese Schüler dann auch wirklich eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Das Leistungsniveau an den Hauptschulen in den Ländern ist äußerst hoch. Das Leistungsniveau an einem Standort, wo 50 Prozent in die AHS gehen, ist natürlich dementsprechend niedriger. Deshalb kann in diesem Bereich nur versucht werden, denen, die in der zweiten und dritten Leistungsgruppe sind, die Schwerpunktausbildung im Lesen, Schreiben, Rechnen, in den sogenannten Kulturtechniken, zu geben. Die vierte Kulturtechnik ist der Medienbereich.

Es wird von weiterführenden Schulen genauso geklagt, daß die, die aus der AHS kommen, gewisse Dinge nicht können, also die Klagen der weiterführenden Schulen sind permanent. – Wobei wir natürlich die Rückmeldung über die Hauptschüler sehr ernst nehmen und in diesen Bereichen auch Schwerpunkte setzen. Man muß aber auch sehen, daß es eben in den Ballungsräumen ein anderes Schülermaterial an den Hauptschulen gibt als an den AHS.

Präsident Ludwig Bieringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Alfred Schöls gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Vor allem im ländlichen Raum ist ein zunehmender Trend von Übertritten von einer Hauptschule in eine Oberstufe einer AHS oder einer BHS feststellbar, was es den jungen Menschen erspart, lange Anfahrtszeiten oder die Internatsunterbringung auf sich zu nehmen.

Ist Ihnen bekannt, wieviel Prozent der Maturanten eines Jahrganges über die Hauptschule in einer solchen Oberstufe zur Matura kommen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: 50 Prozent der Maturanten und Maturantinnen in Österreich kommen über den Weg der Hauptschule zur Matura.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage, 899/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer, um Verlesung der Anfrage.


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640. Sitzung / Seite 19

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer
(Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

899/M-BR/98

Wie stehen Sie zu der Tatsache, daß der nach wie vor keine echte Reue zeigende Kinderschänder Otto Mühl unmittelbar nach seiner Haftentlassung in Museen, die Ihrem Ressort zuzuordnen sind, ausstellen darf?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.


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Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer:
Zuerst stelle ich fest, daß in einem Museum eine Ausstellung erfolgt ist, also nicht in Museen Ausstellungen . Zweitens habe ich bereits ganz klar in der Öffentlichkeit erklärt, daß ich den Zeitpunkt für unglücklich halte, daß ich es für das falsche Signal halte in jede Richtung. Ich habe auch die Ausstellung deshalb nicht eröffnet. Ich glaube aber nicht, daß ein Politiker die Ausstellungsphilosophie eines Hauses zensurieren sollte. Der Direktor trägt dafür die Verantwortung, und solange er nichts Ungesetzliches macht, will ich auch nicht einschreiten.

Präsident Ludwig Bieringer: Ist eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Sie haben das Wort "Ausstellungsphilosophie" gebraucht. Ich möchte Sie fragen: Wie stehen Sie zu einer Ausstellungsphilosophie, die bedeutet, daß in dieser Ausstellung Exponate gezeigt werden, wo die rituelle Ermordung des freiheitlichen Bundesparteiobmannes verherrlicht wird und andere Ungeheuerlichkeiten zu sehen sind. Geschieht dies mit Ihrer Billigung?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Erstens habe ich die Ausstellung nicht eröffnet, zweitens habe ich die Ausstellung nicht gesehen. Ich habe den Medien entnommen, daß es sich um mittelmäßige Bilder handelt. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie haben die Frage nicht beantwortet!) Ich habe es nicht gesehen! (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Dann sollten Sie es sich anschauen!)

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Gottfried Jaud.

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Ministerin! Besteht überhaupt die Möglichkeit, einen "Künstler" – unter Anführungszeichen – wie Otto Mühl von allen öffentlich geförderten Aktivitäten auszuschließen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich glaube, daß es ein Direktor eines Museums selbst verantworten muß, welche Ausstellungen er macht. Ich halte aber trotzdem – und ich betone es noch einmal – diese Ausstellung, die auch mit öffentlichen Mitteln gefördert wird, für äußerst unglücklich, möchte aber keine Zensur erteilen.

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie stehen Sie zur im Kulturbericht 1996 angesprochenen Stärkung der Autonomie der Bundesmuseen und der damit verbundenen Möglichkeit der Museumsdirektoren, ihre Ausstellungsprogramme selbst zu gestalten?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Autonomie der Museen soll in eine Vollrechtsfähigkeit geführt werden. Wir sind derzeit dabei, das Museumsgesetz fertigzustellen, damit es in Begutachtung gehen kann. Es wird die Autonomie der Direktoren über das Ausstellungswesen ungefähr gleich bleiben. Sie sind jetzt äußerst tüchtig und machen in der Teilrechtsfähigkeit sehr viele interessante Angebote. Und wenn keine ungesetzlichen Handlungen passieren, sehe ich da auch keinen Anlaß, einzuschreiten.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 10. Anfrage, 887/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Harald Himmer, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Frau Bundesminister! Meine Frage an Sie lautet:

887/M-BR/98

Welche Maßnahmen setzen Sie, um den Einsatz neuer Medien an Österreichs Schulen zu forcieren?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Technologieoffensive ist ein Schwerpunkt. Österreich liegt mit der Technologieoffensive an der Spitze in Europa. Wir haben in den Jahren 1997 bis 1998 jeweils 200 Millionen Schilling in die Ausstattung der Schulen mit Hard- und Software investiert. Wir müssen heuer mehrere hundert Millionen Schilling in die Ausstattung der Verwaltungssoftware investieren. Es sind dies also äußerst große Beträge. Es haben die Schulen Anschluß an Internet und Anschluß an Intranet. Es gibt überall Bildungsserver. Wir haben Pilotprojekte, Lehrerfortbildung, und was mir ein besonderes Anliegen ist: Die Schulbibliotheken werden zu Lernzentren ausgebaut, wo der Jugendliche Zugang zum Internet hat, wo der Jugendliche mit neuen Medien arbeiten lernt.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Magister.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Wie weit ist die Vernetzung der österreichischen Schulen bis heute fortgeschritten?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Derzeit sind zirka 1 600 Schulen an das Internet angeschlossen, bis zur Jahrtausendwende sollen alle Schulen Zugang haben.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Drochter.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): So erfreulich die umfassenden Förderungsmaßnahmen für neue Medien an den Schulen sind, gibt es doch noch sehr große regionale Unterschiede in der Ausstattung. Das ist sehr oft abhängig vom Wohlstand der Gemeinde beziehungsweise der Elternvereine oder vom Sponsoring. Welche Maßnahmen können Sie setzen, damit bei allen österreichischen Pflichtschulen Chancengleichheit Platz greift?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Nachdem in Österreich größter Wert auf den Föderalismus und auf die in der Bundesverfassung festgelegten Zuständigkeiten gelegt wird, sind für Pflichtschulen und Berufsschulen die Gemeinden und die Länder zuständig, für Bundesschulen habe ich Sorge zu tragen. Ich sehe immer wieder, daß gerade Gemeinden sich sehr engagieren und sehr viel investieren, und ich bitte Sie,


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in Ihren Ländern darauf hinzuwirken, daß dieses Verständnis für die Notwendigkeit der technischen Ausstattung gerade in den Gemeinden und in den Ländern weiter gefördert wird. Etliche Bundesländer unternehmen sehr große Anstrengungen, was Netzwerke und Anschaffung der Hardware angeht, und in einigen Ländern gibt es bereits Modelle in der Form, daß die Gemeinden bei der Anschaffung der Hardware unterstützt werden.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Thomas Ram gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Sehen Sie nicht auch die Gefahr, daß durch eine Überbetonung der neuen Medien die Vermittlung von elementaren Grundkenntnissen in den Schulen leiden könnte?

Präsident Ludwig Bieringer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Diese Gefahr sehe ich nicht, denn die elementaren Grundkenntnisse sind mit Hilfe der neuen Medien zu erwerben.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 11. Anfrage, 894/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Johann Payer, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

894/M-BR/98

Was tun Sie gegen die nach wie vor im internationalen Vergleich hohen Drop-out-Raten in den Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Wie ich schon mehrfach festgestellt habe, ist diese Frage falsch gestellt. Bitte um Entschuldigung, wenn ich das sage. Es gibt im internationalen Vergleich keine Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, deshalb kann es auch keinen internationalen Vergleich bezüglich der Drop-out-Raten geben. Es gibt in den anderen Ländern diese Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, wie wir sie haben, nicht.

Es ist aber natürlich festzustellen, daß aufgrund des neunten Pflichtschuljahres sehr viele den Übergang suchen, indem sie in eine erste Klasse gehen, erste Klasse Handelsschule, erste Klasse HTL, und dann ausscheiden und eine Lehre machen. Wir haben erstens versucht, es den Schülern durch die Schaffung der Polytechnischen Schule, dieses interessanten Angebotes, leichter zu machen, in eine Polytechnische Schule zu gehen. Zweitens haben wir das Frühwarnsystem eingeführt, das neue Aufnahmeverfahren eingeführt und hoffen, daß wir dadurch die Drop-out-Rate senken können.

Es ist aber im Zuge des Nationalen Aktionsplanes eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, die nun einmal versucht, diese Zahlen zu erfassen. Außerdem hat es der Leiter der Sektion II, Herr Dipl.-Ing. Heuritsch, es übernommen, eine Schülerkennzahlmöglichkeit zu erarbeiten, damit wir den Verlauf der Schülerlaufbahnen besser dokumentieren können.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie haben das Frühwarnsystem angesprochen. Ich komme aus dem Bereich der Pflichtschule und halte das für sehr wichtig und für sehr gut.


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Meine Frage: Gibt es Untersuchungen, die vielleicht signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Schultypen über die Anwendung dieses Frühwarnsystems aufzeigen?

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Wir haben festgestellt, daß das Frühwarnsystem gerade im Pflichtschulbereich durch den ständigen Kontakt mit den Eltern immer schon sehr ernst genommen wurde. Wir haben aber auch festgestellt, daß die Fünfer bei den allgemeinbildenden höheren Schulen um 10 Prozent zurückgegangen sind, bei den Handelsakademien sogar um 20 bis 23 Prozent.

Ich hoffe, daß dieser Trend anhält, denn ich glaube, daß es für jedes Kind ein negatives Erlebnis ist, eine schlechte Note zu bekommen.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich spreche aus der Erfahrung, die ich all die Jahre mit Praktikanten der höheren Tourismusfachschulen und der Gastgewerbefachschulen mache, wo ich immer wieder feststellen muß, daß nicht nur die Qualifikation, sondern auch der Wille zur Ausübung dieses Berufes fehlt.

Ich frage Sie: Könnten Sie sich mit dem Gedanken vertraut machen, doch wieder einen nicht allgemeinen, sondern branchenbezogenen Eignungstest vornehmen zu lassen, bei dessen Anmeldung die Schüler bereits nicht nur mit den Vorzügen, sondern vor allem mit den Nachteilen des Berufes vertraut gemacht werden, womit von vornherein dem Ausscheiden während der Schulzeit in so großer Zahl Einhalt geboten wird?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es ist auch bei der derzeitigen Gesetzeslage durchaus möglich, Schüler mit der Realität des Berufes vertraut zu machen. Ich glaube nicht, daß man den Schülern zu viele Nachteile sagen sollte, sondern die Realität, wie der Beruf wirklich ist, denn die Nachteile werden sicher wieder auch von Vorteilen und besonderen Beziehungen, die man in diesem Bereich auch hat, aufgewogen.

Ich halte das für einen vernünftigen Vorschlag, und es sollten sich Tourismusschulen überlegen, wie sie den Schülern das schon bei einem Aufnahmegespräch nahebringen können.

Präsident Ludwig Bieringer: Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Peter Rodek zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Es ist eine Tatsache, daß alle Schüler von diesen Schulen aufgenommen werden. Meine Frage daher: Kann dies als Arbeitsplatzsicherung für die Lehrkräfte betrachtet werden?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es werden nicht alle Schüler aufgenommen. Unser oberstes Ziel ist es, jenen Schülern, die geeignet sind und einen bestimmten Beruf erlernen wollen, diese Möglichkeit zu bieten. Es ist Aufgabe der Politik, den jungen Menschen die Möglichkeit zu einer Berufsausbildung zu geben. Sie müssen dafür geeignet sein, sie müssen die notwendigen Vorkenntnisse besitzen und müssen sich natürlich dann in der Schule bewähren.

Vorderstes Ziel ist es also, den Jugendlichen Angebote zu machen. Die Lehrerbeschäftigung ist nicht das oberste Ziel, das wir damit verfolgen.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke schön.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
640. Sitzung / Seite 23

Wir kommen nunmehr zur 12. Anfrage, 900/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Ich bitte die Antragstellerin, Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage an Sie lautet:

900/M-BR/98

Wie stehen Sie zu der Tatsache, daß im Wiener Stadtschulrat eine von Schülern offenbar im Zusammenhang mit einer Unterrichtsveranstaltung verfertigte Zeichnung, auf der die FPÖ und die Kronenzeitung mit NS-Symbolen gemeinsam dargestellt sind, ausgestellt wurde?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Diese Ausstellung erfolgte nach meiner Information im Anschluß an einen Workshop in der Arbeiterkammer, wo die Jugendlichen aufgefordert worden sind, ihre Ängste zum Ausdruck zu bringen. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind aufgehängt worden. Der Herr Stadtschulratspräsident Scholz hat diese Zeichnung gesehen, sie entfernt, und ich glaube, er hat richtig reagiert, sodaß dazu nicht mehr zu sagen ist.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Frau Ministerin! Da muß ich jetzt eine kleine Korrektur anbringen: Dieses Plakat wurde erst nach Aufforderung durch den freiheitlichen Vizepräsidenten vom Amtsführenden Präsidenten entfernt, und es ist ja auch kein Einzelfall, daß die FPÖ gerne mit Symbolen des Nationalsozialismus oder Rechtsextremismus in Verbindung gebracht wird.

Ich muß schon anmerken, daß ich das mehr als unerträglich finde. Daher frage ich Sie, Frau Ministerin: Was werden Sie tun, damit diese Art der Darstellung in Zukunft nicht mehr stattfindet?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß das ein Workshop der Arbeiterkammer war, nicht der Schule, und ich bin daher nicht dafür zuständig. In der Schule darf so etwas nicht passieren, das wissen die Lehrer und Lehrerinnen genau. Mir hat Herr Präsident Scholz mitgeteilt, daß er dieses Plakat auf jeden Fall hätte abnehmen lassen. Ich glaube, daß damit die Angelegenheit erledigt ist.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
640. Sitzung / Seite 24

Bundesrat Josef Rauchenberger, bitte.

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Halten Sie die indirekt erhobene Forderung der Freiheitlichen Partei für gerechtfertigt, sinnvoll und demokratisch vertretbar, auf Lehrer und Schüler auch von seiten der Schulbehörde her indirekt Druck auszuüben und deren persönliche Ängste und Einstellungen im Rahmen des Unterrichtes zu verhindern oder zu beeinflussen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Bitte um Entschuldigung, ich verstehe die Frage nicht.

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Halten Sie es für gerechtfertigt und sinnvoll, von seiten der Schule indirekt einen Druck auf Schüler und Lehrer auszuüben, um ihre persönliche Einstellung in bezug auf die vorhin gestellte Frage der Freiheitlichen zu beeinflussen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich glaube, daß es nicht notwendig ist, auf Lehrer und Schüler Druck auszuüben, sondern es ist ganz klar, daß es Aufgabe der Schule ist, gegen Rassismus, gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Verhetzung zu arbeiten, und das wird in den Schulen auch so gesehen.

Ich war gerade in den letzten Monaten bei sehr vielen Gedenkveranstaltungen, und es wird überall deutlich, daß Lehrer freiwillig mit den Schülern an dieser Thematik arbeiten. Ich glaube also nicht, daß es notwendig ist, Druck auszuüben.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke schön.

Wir kommen nunmehr zur 13. Anfrage, 888/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Wolfram Vindl, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

888/M-BR/98

Welche Maßnahmen setzen Sie, um eine Verbesserung der Situation der technisch-gewerblichen Fachschulen zu erreichen, nachdem der Lehrlingsbericht 1997 des Wirtschaftsministeriums darauf hingewiesen hat, daß die Zahl der Lehrstellensuchenden, die eine technisch-gewerbliche Fachschule abgebrochen haben, sehr hoch ist?

Präsident Ludwig Bieringer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Gerade im Bereich der technisch-gewerblichen Fachschulen sind natürlich die Anforderungen sehr hoch. Das heißt, es muß schon beim Aufnahmeverfahren darauf Rücksicht genommen werden in der Form, daß dem Schüler wirklich die Realität bewußt gemacht wird. Außerdem glaube ich, daß wir die technischen Fachschulen auch neu konzipieren müssen, daß sie noch mehr mit praktischer Ausbildung verbunden sein müssen. Es gibt hier sehr interessante Modellprojekte gerade in Fohnsdorf, und wir werden diese neuen Modellprojekte im technischen Bereich umsetzen.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): In welcher Form ist an eine Ausweitung des Schulversuches an der HTL Kapfenberg gedacht?

Präsident Ludwig Bieringer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich muß mich korrigieren: Es ist nicht nur in Fohnsdorf der Modellversuch, sondern es ist auch in Kapfenberg ein Modellversuch. Wir werden uns alle diese Modellversuche sehr genau anschauen, um ein neues, attraktives Angebot zu finden.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
640. Sitzung / Seite 25

Bundesrat Karl Drochter, bitte.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Was sind eigentlich die Gründe für die heute schon des öfteren angesprochenen hohen Drop out-Quoten bei den technischen Schulen? Ist es eine mangelhafte, unzureichende Ausbildung an den Pflichtschulen oder eine zu hohe Erfolgserwartung an den technischen Schulen?

Präsident Ludwig Bieringer: Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Die Anforderungen an den technischen Schulen sind äußerst hoch. Die Schüler und Schülerinnen haben derzeit 39 Stunden Unterricht; vor zwei Jahren waren es noch 40 Stunden. Eine Untersuchung der Universität Linz hat ergeben, daß der Schüler an einer technischen Schule im Schnitt 65 Stunden in der Woche mit der Schule beschäftigt ist. Diese 65 Stunden umfassen den Schulweg, die Hausarbeiten, das Lernen und das Aufarbeiten des Lehrstoffes.

Ich glaube, daß man an den technischen Schulen dem Schüler und der Schülerin den Einstieg erleichtern muß, daß man versuchen muß, mit gezielten Methoden, den Schüler dort abzuholen, wo er ist. Die Methode nach dem Motto: Ihr seid jetzt 36 Schüler, 18 von euch werde ich nächstes Jahr nicht mehr sehen! halte ich für falsch, sondern ich bin der Meinung, daß die Lehrer und Lehrerinnen die Schüler dort abholen müssen, wo sie sind. Es muß aber auch eine Einstiegsqualifikation geben. Diese muß überprüft werden. Außerdem muß dem Schüler die Realität der Schule deutlich gemacht werden.

An den technischen Schulen gibt es, wie gesagt, eine hohe Leistungsanforderung. Wir müssen aber alles daransetzen, daß die Drop-out-Rate verringert wird. Ganz verhindern werden wir es nicht können, daß es zu Drop-outs kommt, weil die Qualität der Schule erhalten bleiben muß.

Präsident Ludwig Bieringer: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Dr. Paul Tremmel zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Die Lehrplanentrümpelung, sehr geehrte Frau Minister, ist eine unendliche Geschichte. Im Ausbildungsplan für diesen Schulbereich sind verständlicherweise die neuen Arbeitstechniken – ich nenne demonstrativ EDV – präferenziert.

Althergebrachte Handwerkstechniken, zum Beispiel bei Maurern, die Stukkaturmaurer werden, werden zu wenig vermittelt, obwohl da größter Bedarf besteht. Ist da an eine Änderung gedacht?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Gerade in jenem Bereich, den Sie angesprochen haben, nämlich im spezialisierten Handwerksbereich, besteht echter Bedarf. Es gibt zuwenig Stukkateure für Restaurationsarbeiten, und es gibt zum Beispiel auch zu wenig Kunsttischler, die alte Einlegeböden machen können.

Ich meine, daß es eine ganz besonders große Herausforderung für die Fachschulen und für die Lehrlingsausbildung ist, in diese Bereiche einzusteigen. Es muß jede Schule eine gute Mischung aus althergebrachten wichtigen Dingen und aus neuen Dingen bieten. Deswegen gibt es im HTL-Bereich auch sehr viele Spezifikationen, die auf die neuesten Innovationen ausgerichtet sind und wo auch handwerkliche Grundlagen unterrichtet werden.

Ich werde Ihre Anfrage zum Anlaß nehmen, das auch an den Schulen weiter zu diskutieren, weil ich das für wichtig halte.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 14. Anfrage, 896/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Der als verhindert gemeldete Bundesrat Josef Pfeifer hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung sein Einverständnis bekanntgegeben, daß Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig in das Fragerecht eintritt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
640. Sitzung / Seite 26

Ich bitte den Anfragesteller um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ein Schwerpunkt des Nationalen Aktionsplans für Beschäftigung ist das lebensbegleitende Lernen. Die Frage des Bundesrates Pfeifer lautet:

896/M-BR/98

Inwieweit gibt es in Ihrem Ressort Pläne zur Integration der Erwachsenenbildung – schließlich ist das lebensbegleitende Lernen ein Schwerpunkt im "Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung" – in ein Gesamtbildungskonzept?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
640. Sitzung / Seite 27

Präsident Ludwig Bieringer:
Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Erstens: Es muß die Bereitschaft zum lebensbegleitenden Lernen in der Schule grundgelegt werden. Die Schüler müssen mit Freude am Lernen und Weiterentwickeln aus der Schule kommen.

Zweitens: An den Schulen vorhandenes Wissen muß für lebensbegleitendes Lernen, für berufliche Ausbildung zugänglich gemacht werden. Dazu haben wir gemeinsam die Teilrechtsfähigkeit geschaffen, damit Schulen in Zusammenarbeit mit den Betrieben Wissen anbieten können.

Drittens: Die Arbeit der Erwachsenenbildungsverbände muß noch verstärkt in den Mittelpunkt gerückt werden. Es muß in einem gemeinsamen Aktionsplan die ganze Breite des lebensbegleitenden Lernens erfaßt werden.

Ich habe dazu eine Arbeitsgruppe im Ministerium eingerichtet, die derzeit diese Weiterentwicklung mit den Erwachsenenbildungsverbänden erarbeitet.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Ludwig.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sie haben zu Recht davon gesprochen, daß die Einrichtungen der Erwachsenenbildung verstärkt in den Vordergrund gerückt werden sollen. Die Erwachsenenbildungsorganisationen stehen in Österreich vor großen finanziellen und organisatorischen Herausforderungen. Ich denke da nur an die Sozialversicherungspflicht, die vom 1. August 1999 an neu geregelt wird, und zwar insbesondere für Kursleiterinnen und Kursleiter, aber auch an die steigenden Kosten für Schulraummieten.

Die gemeinnützigen Erwachsenenbildungsorganisationen bekommen im Jahr 130 Millionen Schilling aus Ihrem Ressort. Das ist ein sehr kleiner und bescheidener Anteil am Gesamtbudget. Denken Sie daran, den Anteil für die Erwachsenenbildungsorganisationen in Ihrem Ressort zu erhöhen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Wünschen darf man immer. Ich hoffe, daß es das Budget im Jahr 2000 hergibt.

Man muß aber gerechtigkeitshalber feststellen, daß in Österreich insgesamt zirka 4 Milliarden Schilling, soviel ich weiß, in die Erwachsenenbildung investiert werden, und zwar inklusive jenen Beiträgen, die Organisationen und Betriebe dazu leisten.

Aber ich glaube, daß es sehr wichtig ist, daß wir uns die Frage stellen: Was kann man von demjenigen erwarten, der Bildung in Anspruch nimmt, und was muß man fördern? In dieser Hinsicht werden wir, so meine ich, noch einen großen Schritt weitergehen müssen, und da hoffe ich auf eine gute Zusammenarbeit.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Andreas Eisl.

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Frau Bundesminister! Das lebensbegleitende Lernen ist, wie schon mehrfach erwähnt wurde, wichtig. Ist vorgesehen, auch für den Seniorenbereich ein Bildungskonzept zu erstellen, oder ist ein solches bereits in Ausarbeitung?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es ist derzeit nicht vorgesehen, für den Seniorenbereich ein Bildungskonzept zu erstellen. Es gibt zahlreiche Angebote, die jeder Senior selbst in Anspruch nehmen kann. Dazu muß ich sagen – ich bin ganz ehrlich –: Ich bin prinzipiell dagegen, jedem Senior alles zu ermäßigen, denn das ist – man sagt das heutzutage so – die sogenannte Generation, die den Enkelkindern etwas vererbt. Ich meine, daß man auch für diesen Bereich alle Angebote öffnen soll, aber natürlich gegen entsprechendes Entgelt. So sollte meiner Meinung nach ein Senior, der an einer Universität studiert, Studiengebühren zahlen. Ich sage das ganz offen und ehrlich.

Präsident Ludwig Bieringer: Frau Bundesrätin Therese Lukasser, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ist daran gedacht, auch in der Erwachsenenbildung neue Technologien zum Einsatz zu bringen, etwa mit der Intention, daß der Lernende individuell Lehrinhalte auswählen kann?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Gerade im Bereich der Erwachsenenbildung werden neue Medien notwendiger denn je. Wir müssen es möglich machen, daß nicht diejenigen, die etwas lernen wollen, an einen bestimmten Ort kommen müssen, sondern daß das Wissen zu ihnen kommt. Dazu braucht man interaktive Lernmedien, neue Software und die Aufbereitung des gesamten Wissens auf derartigen neuen Medien.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 15. Anfrage, 889/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herr


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
640. Sitzung / Seite 28

Bundesrat Alfred Schöls, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

889/M-BR/98

Welche Maßnahmen setzen Sie zur Steigerung der Verbleibsquote im berufsbildenden Schulwesen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Im berufsbildenden Schulwesen ist das Aufnahmeverfahren neu geregelt worden. Es gibt das Frühwarnsystem. Es gibt im Zusammenwirken mit den Lehrern die Vorgangsweise, daß man sagt: Wir holen die Schüler dort ab, wo sie sind, und begleiten sie durch die Schule. Für ganz wichtig halte ich es, daß im engen Kontakt mit den Eltern frühzeitig Defizite ausgeglichen werden. Wir befinden uns da auf einem guten Weg.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Schöls.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Haben Sie schon Erfahrungswerte, inwieweit sich die heuer erstmals geltenden neuen Regelungen im Bereich der berufsbildenden höheren Schulen, nämlich das Frühwarnsystem und das neue Aufnahmeverfahren – Sie haben schon darauf hingewiesen –, bisher bewährt haben?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Wir haben festgestellt, daß im Schnitt 10 Prozent weniger Fünfer gegeben worden sind. Im Handelsschul- und im HAK-Bereich waren es bis zu 23 Prozent. Auch im HTL-Bereich ist der Wert über 10 Prozent gelegen. Ich meine daher, daß dieses System, das zum erstenmal umgesetzt wurde, ein sehr zielführendes ist.

Präsident Ludwig Bieringer: Danke.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Thomas Ram um die Zusatzfrage.

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Ministerin! Ist Ihrer Meinung nach die Aufnahme von Lehrlingen in die angesprochenen Schulmodelle eine geeignete Maßnahme zur Steigerung der Verbleibsquote?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Nein!

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 16. Anfrage, 895/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Günther Leichtfried, um Verlesung der Anfrage.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
640. Sitzung / Seite 29

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried
(SPÖ, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Ich komme noch einmal zum Problem "arbeitslose Lehrer und Lehrerinnen" zurück. Meine Frage lautet:

895/M-BR/98

Inwieweit können Sie sich vorstellen, verstärkt LehrerInnen, die keine adäquate Anstellung im Schulbereich finden, in der Erwachsenenbildung einzusetzen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich glaube, daß ich vom Ministerium aus prinzipiell niemanden integrieren werde, meine aber, daß die Erwachsenenbildungsorganisationen durch entsprechende finanzielle Unterstützung sehr wohl in die Lage versetzt werden sollen, geeignete Lehrer und Lehrerinnen einzusetzen. Dabei muß ich allerdings auf der anderen Seite feststellen, daß ich es für eine gute und wichtige Sache hielte, wenn Lehrerinnen und Lehrer ein paar Jahre außerhalb des Lehrbereichs tätig wären, um andere, wichtige Erfahrungen sammeln zu können. Ich meine, daß es für jemanden, der zuerst in die Schule geht, dann auf der Uni studiert und dann wieder das ganze Leben in der Schule ist, keine schlechte Erfahrung wäre, wenn er zwei bis drei Jahre in einem anderen Bereich tätig wäre. Ich meine, daß man jene Qualifikationen, die man entweder im Ausland oder im Wirtschaftsbereich erworben hat, auch als besondere Qualifikationen bei der Anstellungsbewerbung werten sollte.

Präsident Ludwig Bieringer: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Leichtfried.

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Ich kann diese Ihre Aussage, Frau Bundesminister, nur unterstreichen. Ich möchte Sie aber, da Sie gesagt haben, es gehe um finanzielle Beteiligung – es ist heute schon einmal gesagt worden, daß die Erwachsenenbildung von Ihrem Ministerium aus unterstützt wird, daß aber viele Gelder von Interessenvertretungen fließen; es kommt finanzielle Unterstützung aber vor allem auch von den Gemeinden –, fragen: Inwieweit wäre es vorstellbar, von Ihrem Ministerium aus die finanzielle Unterstützung dann, wenn arbeitslose Lehrer verwendet werden, etwas zu erhöhen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es gibt bereits das Projekt 8000; so heißt es, glaube ich. Es werden im Rahmen dessen 21 Millionen Schilling ausgegeben. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, daß es besser wäre, den Verbänden direkt finanzielle Mittel zukommen zu lassen, die dann die Leute, die angestellt werden sollen, selbst aussuchen, anstatt für die Hingabe von Dienstposten zu sorgen. Es ist durchaus vorstellbar, daß man den Umstand, daß arbeitslose Lehrer eingesetzt werden, als besonderes Kriterium für die finanzielle Förderung macht.

Aber noch einmal: Die Erfahrung, die man in einem ganz normalen Wirtschaftsbetrieb machen kann, ist auch eine gute Erfahrung.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Frau Bundesrätin Helene Ramsbacher um die Zusatzfrage. – Wie ich sehe, wird keine gewünscht.

Bitte, Herr Ing. Walter Grasberger.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Der Bereich Erwachsenenbildung wurde heute schon mehrmals angesprochen, und von Ihnen wurden Fragen dazu mit vielen Details beantwortet. Meine Zusatzfrage lautet: Ist im Rahmen der Lehrerausbildung auch der Bereich oder das Fach – oder wie immer man das bezeichnet – Erwachsenenbildung vorgesehen, beziehungsweise sollte das nicht verstärkt gelehrt werden?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich glaube, daß es sehr wichtig ist, bei der Weiterentwicklung der Pädagogischen Akademien zu beachten, daß das Angebot verbreitert wird, daß auf moderne Entwicklungen wie Integration et cetera eingegangen wird. Ein wichtiger Bereich dabei sollte auch jener der Erwachsenenbildung sein. Ich bin zurzeit mit den Pädak-Verantwortlichen diesbezüglich im Gespräch. Ich meine, daß auch Lehrer so viele Zusatzqualifikationen wie möglich erwerben sollten, weil dadurch das Berufsfeld breiter wird und man dann mehr Chancen auf einen Arbeitsplatz hat.

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nunmehr zur 17. und letzten Anfrage, 890/M, an die Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Leopold Steinbichler, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

890/M-BR/98

Welche Maßnahmen setzen Sie zur Verbesserung der Bildungs- beziehungsweise Arbeitsplatzchancen von Frauen?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Es ist mir ein besonderes Anliegen, daß Mädchen besonders gefördert und ihnen damit auch bessere


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
640. Sitzung / Seite 30

Arbeitsplatzchancen gegeben werden. In meinem Bundesministerium wurde der Aktionsplan 2000 ausgearbeitet, im Rahmen dessen 99 Maßnahmen vorgesehen sind, von denen 33 Maßnahmen bereits umgesetzt werden. Das beginnt damit, daß die Koedukation in den Vordergrund gestellt wird, und setzt sich fort mit dem Fördern von Mädchen in naturwissenschaftlichen Bereichen. Weiters werden Informationsveranstaltungen betreffend nicht typische Frauenberufe gemacht, die darauf abzielen, daß nicht alle Mädchen, die in den Lehrberuf gehen, die Berufe Friseurin, Verkäuferin oder Handelsangestellte wählen.

Es wurden im Rahmen dieser Berufsinformation in allen Bundesländern die Mädchen mit jenen Frauen, die in ungewöhnlichen Berufen tätig sind, zusammengeführt, beispielsweise mit einer Pilotin oder einer Malermeisterin oder einer Installateurmeisterin.

Außerdem widmet sich der Schulbereich in der Weise besonders der Mädchenförderung, daß an internationalen Projekten teilgenommen wird.

Aber ich glaube, daß vor allem in den Köpfen der Männer eine Meinungsänderung vor sich gehen muß, beispielsweise in der Richtung, daß man Mädchen, die Automechanikerinnen sind, nicht von vornherein als unfähig erachtet, daß man nicht meint, daß das eigene Auto von einen Mädchen nicht repariert werden kann.

Präsident Ludwig Bieringer: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Johanna Schicker.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie haben zwar zur Frage der Ausbildung der Mädchen schon einige Beispiele angeführt, ich frage Sie aber trotzdem: Glauben Sie beziehungsweise sind Sie überzeugt davon, daß in den verschiedenen Schultypen die Ausbildung der Mädchen so adäquat erfolgt, daß sie dadurch die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt vorfinden wie die Burschen? Vielleicht können Sie noch einige Beispiele dafür geben.

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
640. Sitzung / Seite 31

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer:
Ich glaube, daß Mädchen prinzipiell die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt vorfinden wie Burschen. Das liegt nicht an der Ausbildung in der Schule – dafür muß ein gut Teil Vorarbeit geleistet werden –, sondern es liegt an der Berufswelt, die zum Großteil eine Männerwelt ist. Männer müssen zuerst einmal akzeptieren, daß Frauen auch Autos reparieren können.

Mir wird oft erzählt, daß es Lehrbetriebe gibt, wo gesagt wird: Für diesen Bereich nehmen wir keine Mädchen, wir können uns nicht vorstellen, daß ein Mädchen das schafft! Es gibt aber anscheinend auch Autobesitzer, die sagen: Nein, von einer Frau will ich mein Auto nicht repariert haben!, weil sie es sich gar nicht vorstellen können, daß auch eine Frau das kann. Ich bin aber überzeugt davon, daß die Frauen das genauso gut können wie Männer, gerade was den technischen Bereich betrifft.

Wir ermutigen Mädchen, in technische Bereiche zu gehen, technische Richtungen zu studieren, in den ganzen Handwerksbereich hineinzugehen, und wir stellen immer wieder fest, daß Mädchen das genausogut können wie Burschen, wenn nicht sogar besser.

Präsident Ludwig Bieringer: Frau Helena Ramsbacher, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Frau Ministerin! In den vergangenen Tagen haben wir erfreulicherweise in den Medien gehört, daß es in Zukunft mehr Kindergarten- und Kinderbetreuungsplätze geben wird, um den Frauen den Einstieg in die Berufswelt oder überhaupt das Arbeiten zu erleichtern. Werden Sie sich auch in Zukunft verstärkt darum kümmern, daß es vor allem auf dem Land mehr Betreuungsplätze, speziell für Kinder, die aus der Schule kommen und nachmittags eine Betreuung brauchen, also für die ab 6jährigen, gibt?

Präsident Ludwig Bieringer: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Ich glaube, man muß einmal, um den Frauen gerecht zu werden, feststellen, daß auch die Hausarbeit und die Kindererziehung eine Arbeit ist, und zwar eine äußerst anspruchsvolle, und man sollte daher nicht sagen, daß nur außerhäusliche Arbeit eine Arbeit ist. Ich meine, daß Hausarbeit mindest genauso hoch zu werten ist wie Berufsarbeit.

Ich meine aber, daß Frauen, die einen guten Beruf erlernt haben, in das Erwerbsleben wieder einsteigen können sollten. Ich halte es für ganz besonders wichtig, daß die Möglichkeit des Wiedereinsteigens in die Berufswelt den Frauen erleichtert wird.

Ich glaube aber nicht, daß man, wenn man ein Kind auf die Welt bringt, die Verantwortung dafür abgeben und sagen kann: Der Staat soll das Kind erziehen, und ich will mich selber verwirklichen!, sondern ich glaube, daß man, wenn man ein Kind in die Welt setzt, eine Verantwortung dafür übernimmt, auf alle Fälle für eine gewisse Zeit.

Aber es muß auch eine flexible Lebensplanung möglich sein. Es müssen Hilfen geboten werden, daß dann, wenn die Kinder groß sind, die Berufstätigkeit wieder erfolgen kann.

Ich unterstütze es sehr, wenn man sagt, es müsse in den Gemeinden festgestellt werden, welches Angebot gemacht werden muß. Das kann nicht zentral verordnet werden, das kann nicht von oben nach unten verordnet werden, sondern es muß in den Gemeinden selbst mit Fingerspitzengefühl geprüft werden, ob tatsächlich ein Ganztagskindergarten notwendig ist oder ob die Kinder, wenn es nur zwei oder drei sind, unter Umständen bei einer Tagesmutter untergebracht werden können. Ich meine, daß diese Entscheidung in der Gemeinde gefällt werden muß.

Auf alle Fälle müssen Frauen nach einer gewissen Zeit die Möglichkeit des Einstiegs in die Berufswelt wieder haben.

Präsident Ludwig Bieringer: Die Fragestunde ist beendet.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Ludwig Bieringer: Ich gebe bekannt, daß mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer betreffend die Umsetzung der Maßnahmen zur Verhinderung des Postenschachers an den Herrn Bundeskanzler vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung dieser dringlichen Anfrage an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Ludwig Bieringer: Eingelangt sind zwei Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und an alle Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt ist ein Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend eine Ministervertretung

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Der Herr Bundespräsident hat am 21. April 1998, Zl. 300.100/21-BEV/98, folgende Entschließung gefaßt.

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, Dr. Johann Farnleitner, am 29. und 30. April dem Bundesminister für Landesverteidigung, Dr. Werner Fasslabend, und innerhalb des Zeitraumes


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
640. Sitzung / Seite 32

vom 1. bis 4. Mai 1998 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Mag. Wilhelm Molterer, mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Präsident Ludwig Bieringer: Dient zur Kenntnis.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse sowie den Kulturbericht 1996 der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen über diese sowie über die bereits früher eingelangten Beschlüsse des Nationalrates betreffend die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern und über das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz abgeschlossen und schriftliche Berichte erstattet.

Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Ludwig Bieringer: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24stündigen Aufliegefrist der Ausschußberichte Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschußberichte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Ludwig Bieringer: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 4 bis 6 sowie 8 und 9 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 26. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern (690 und 1104/NR sowie 5665/BR Beilagen)

2. Punkt

Kulturbericht 1996 der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten (III-177/BR und 5666/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


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Es sind dies:

Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern und

Kulturbericht 1996 der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Die Berichterstattung über die Punkte 1 und 2 hat Herr Bundesrat Wolfram Vindl übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Wolfram Vindl: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Der Tagesordnungspunkt 1 betrifft den Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheit über den Beschluß des Nationalrates vom 26. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinien 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern.

Geschätzte Damen und Herren! Der Ausschußbericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor. Ich verzichte daher auf dessen Verlesung.

Ich lese nun den Beschlußantrag vor:

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 28. April 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Tagesordnungspunkt 2 betrifft den Bericht des Ausschusses für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend den Kulturbericht 1996 der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Auch dieser Ausschußbericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor. Daher erübrigt sich dessen Verlesung.

Der Ausschußantrag lautet:

Der Ausschuß für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 28. April 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher. Ich erteile ihr das Wort.

10.25

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrte Frau Ministerin! Herr Präsident! Hohes Haus! Wir diskutieren heute den Kulturbericht 1996. Wie bereits "Die Presse" im Dezember 1997 geschrieben hat, ist der Aktualitätsbezug – so wie beim Tourismusbericht und bei anderen Berichten – wieder einmal in Frage zu stellen. Es geht dabei um den Erscheinungstermin. Der Bericht erscheint wieder wesentlich zu spät.

Die im vorliegenden Bericht enthaltenen Daten und Zahlen sind allerdings positiv. Wir werden sie in jedem Fall respektieren. So ist die gestiegene Besucherfrequenz auf jeden Fall positiv hervorzustreichen. Um ganze 19 Prozent hat sich die Besucherzahl gesteigert. Dabei kann man sicherlich einen großen Teil – das wissen wir alle – auf die Monet-Ausstellung zurückführen. Aber wir alle freuen uns natürlich trotzdem darüber.

Die mangelnde Aktualität dieses Kulturberichtes führte dazu, daß im Ausschuß in erster Linie über die Neukonstruktion der Bundesmuseen die Debatte geführt wurde. Wissenschaftliche Anstalten mit voller Rechtspersönlichkeit sind uns versprochen worden, herausgekommen ist allerdings nur eine Teilrechtsfähigkeit. Das halte ich für das eigentliche Problem. Den Fondsideen,


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die von den niederländischen Vertretern durchaus positiv geschildert wurden, wurde leider nicht nachgegangen.

Sie versprechen, daß in die bestehenden Dienstverträge nicht eingegriffen wird. Es ist allerdings schwierig, zu verstehen, wie sich das mit der Vollrechtsfähigkeit vereinbaren lassen wird.

Wenn man fragt, warum ausgegliedert wird, dann erhalten wir von Ihnen immer die Antwort, es handle sich weder um Sparmaßnahmen noch um Privatisierung noch gewissermaßen um eine Kindesweglegung.

Wir Freiheitliche hätten Sparmaßnahmen natürlich mehr als nur begrüßt und sehr wohl auch verstanden. Wir würden auch einer Privatisierung zustimmen; Sie hätten dafür unsere Unterstützung. Leider ist keines davon der Fall.

Es konnten mit der Teilrechtsfähigkeit, wie der vom mir geschätzte Kollege Morak erwähnt hat, Erfolge für die Museen erzielt werden. So gibt es beispielsweise mehr Spielraum für die Direktoren und mehr Möglichkeit zur Eigeninitiative, sodaß sich die Leute mehr trauen. Die Erfolge können wir auch an den Zahlen ersehen. Es hat die Teilrechtsfähigkeit auch eine Steigerung der Geschäftstätigkeit und der Erfolge nach sich gezogen. Allerdings handelt es sich, wie gesagt, wirklich nur um eine Teilrechtsfähigkeit.

Der einzige weitere logische Schritt wäre nun, wie wir es uns wünschen, daß die Vollrechtsfähigkeit nun eingeführt würde. Weil die von uns beabsichtigte Erlangung der Vollrechtsfähigkeit eine wirklich wichtige Angelegenheit in der österreichischen Kulturpolitik ist, sollten die internationalen Modelle, wie zum Beispiel das sehr erfolgreiche holländische, genauer angeschaut werden.

Nach einer sechsjährigen öffentlichen Diskussion hat man in den Niederlanden eine Stiftungsform mit Aufsichtsrat gewählt, dessen Befugnis mit jener des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft vergleichbar ist. In der holländischen Konstruktion sind der Direktor, der Vorstand des Aufsichtsrates und somit die Geschäftsführung für die Stiftung verantwortlich. Er vertritt diese gerichtlich und außergerichtlich. Der Aufsichtsrat ernennt und entläßt den Direktor. Mit dem Aufsichtsrat hat das Museum seinen eigenen Vorgesetzten, der nur die Interessen des Museums vertritt, während nach der vorangegangen Regelung der Minister die Interessen der kulturellen Einrichtungen berücksichtigen mußte, wie es in Österreich noch der Fall ist.

Dieser Weg ist sicherlich nicht zielführend, das haben wir ja gesehen, und deshalb wollen wir etwas Neues.

Der Aufsichtsrat ist ein Organ des Museums, in der Satzung der Stiftung ist bestimmt, daß sich der Aufsichtsrat bei der Erfüllung seiner Aufgaben nach den Interessen der Stiftung und nicht nach den Interessen des Ministers zu richten hat. Um dieser Bestimmung Nachdruck zu verleihen, ist außerdem festgelegt, daß Beamte, die natürlich gegenüber dem Minister politisch verantwortlich sind, nicht in den Aufsichtsrat berufen werden können.

Weiters: Um diese ministerielle Verantwortung zu garantieren, hat der holländische Staat einige Befugnisse in den Satzungen der Stiftung festgelegt: erstens bedürfen Satzungsänderungen, insbesondere solche über Zielsetzung und Verwaltungsstrukturen, der Genehmigung des Ministers; zweitens werden die Mitglieder des Aufsichtsrates vom Minister eingesetzt und abberufen; drittens muß der Minister bei der Ernennung und Abberufung des Direktors gehört werden; viertens bedarf die Auflösung der Stiftung der Genehmigung des Ministers. Das bringt unseres Erachtens sicherlich genügend Möglichkeiten, um sich als erstes politisches Organ einzubringen.

Der große Unterschied zwischen dem holländischen Modell und dem Entwurf des Ministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten ist nun folgender: Während es in den Niederlanden zu einer tatsächlichen Ausgliederung kam, will man bei uns die Erlangung der Vollrechtsfähigkeit mit dem Ziel verbinden, weiterhin den beträchtlichen Einfluß des Ministeriums geltend zu machen.


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Wir stehen nun vor der Situation, daß statt einer ordentlichen Ausgliederung nur die Umwandlung in Anstalten des Bundes ermöglicht werden soll. Und dies scheint uns leider eben keine ganze, sondern eine halbe Lösung zu sein.

Im Kulturbericht 1996 ist darüber hinaus eine wirklich sehr gute Übersicht über Besucher- und Budgetentwicklungen in den einzelnen Museen enthalten, allerdings sind die Zielvorgaben, wie sich die Museen in Zukunft entwickeln sollen, nicht eindeutig definiert.

Ich möchte nun zum 1. Punkt der Tagesordnung kommen, nämlich zum Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der EG verbrachten Kulturgütern.

Der Kulturausschuß hat sich sehr eingehend mit dieser Thematik beschäftigt, und auch quer durch alle Medien und alle Diskussionen hat man sich mit dieser Materie befaßt. Durch die Umsetzung dieser Richtlinie wird zwar das österreichische Ausfuhrverbotsgesetz noch perfektioniert, da nun unrechtmäßig ins EU-Ausland verbrachte nationale Kulturgüter zurückgefordert werden können, allerdings muß in Zukunft jeder Käufer und jede Käuferin, die oder der im EU-Ausland ein Kulturgut erworben hat, befürchten, daß dieses vom Ursprungsland zurückgefordert wird – die Gutgläubigkeit ist damit wirklich in Frage gestellt. Zwar wird der finanzielle Schaden, wenn die Sorgfaltspflicht nicht verletzt wurde, beglichen, nicht jedoch der ideelle Wert, doch ich glaube, gerade im Kunst- und Kulturbereich geht es ja genau darum. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich halte diese Integration der EU-Richtlinie für eine Aufweichung des § 367 ABGB, des Grundsatzes des guten Glaubens. Das heißt, mit der Umsetzung dieser Richtlinie, die durchaus ihre Vorteile hat, wird massiv in unser Zivilrecht eingegriffen und die sich daraus ergebenden Rechtsstreitigkeiten sind momentan noch in keinster Weise vorhersehbar oder absehbar.

Wir hielten es für wesentlich zweckmäßiger, mit einer möglichen Umsetzung der Richtlinie so lange zu warten, bis der Europäische Gerichtshof die Klage der Kommission gegen Deutschland bearbeitet und entschieden hat. Dann sollten wir uns noch einmal dieser Diskussion stellen und vorab eine wirklich ernsthafte Debatte in allen Bereichen dieses Hauses – im Nationalrat, im Kulturausschuß – über dieses Ausfuhrverbotsgesetz führen.

Für kurze Zeit, meine Damen und Herren, hat es wirklich so ausgesehen, als ob endlich Bewegung in den Kunst- und Kulturbereich käme, als ob wir über die veralteten Strukturen hinwegsehen könnten, als ob hier neuer Schwung hineinkäme, seien es nun die Bundestheater, die Bundesmuseen, oder sei es, daß nun eben diese verschiedenen Stiftungsmodelle und die Vergabe von Projektförderungen transparenter und effektiver gestaltet würden. Leider hatten wir eben nur diesen Eindruck. Es ist nur zu Teillösungen gekommen, die wir zwar durchaus sehr schätzen, wir warten allerdings mit unserer Zustimmung zu diesen Vorlagen so lange, bis es zu einer Gesamtlösung, zu einer kompletten Lösung kommt.

Aus den soeben angeführten Gründen werden wir dieser Vorlage unsere Zustimmung nicht erteilen. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Ludwig. – Bitte.

10.34

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Der vorliegende Kulturbericht 1996 ist nach dem Bericht 1995, der die Jahre 1991 bis 1995 umfaßte, der zweite, und er ist, wie ich meine, ein sehr gut gelungener Bericht, weil er die verschiedensten Einrichtungen des Ressortverbandes des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten im Originalton vorstellt, das heißt, so wie sich die Institutionen selbst sehen, wie sie sich selbst vorstellen wollen und ohne eine Filterung durch das Ministerium. Ich halte das für sehr positiv. Durch die unterschiedliche Schwerpunktsetzung wirkt dieser Bericht zwar manchmal uneinheitlich, dafür kann man aber die zum Teil


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sehr verschiedenartige Selbsteinschätzung und Selbstbetrachtung der Bundesmuseen, der Österreichischen Nationalbibliothek, der Österreichischen Phonothek oder auch des Bundesdenkmalamtes herauslesen. Dadurch ist der Bericht auch sehr viel bunter geworden, als wenn er in einem einheitlichen Stil abgefaßt worden wäre.

In diesem Bericht sind Institutionen vorgestellt, die sich durch sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen voneinander abheben, eines allerdings gemeinsam haben. Sehr viele engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mithelfen und mit dazu beitragen, daß das Image Österreichs als Kulturnation hochgehalten und immer wieder auch durch neue Akzente bereichert wird.

Eine weitere Anerkennung Österreichs als Kulturnation hat sich durch die Aufnahme der Altstadt von Salzburg und des Schlosses Schönbrunn in die Weltkulturerbliste gezeigt – ein, wie ich meine, weiteres Indiz dafür, daß auch auf internationaler Ebene die Tätigkeit unserer Einrichtungen, wie beispielsweise auch jene des Bundesdenkmalamtes, durchaus gewürdigt werden.

Es kann bei der Diskussion des Kulturberichtes 1996 aber nicht nur um die Vergangenheit gehen, obwohl 1996 auch schon lange her ist, sondern vor allem um die Zukunft. Hier bietet sich mit der österreichischen EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr des heurigen Jahres eine gute Möglichkeit, auf die kulturellen Leistungen unseres Landes hinzuweisen. Ich bin überzeugt davon, daß gerade jene Einrichtungen, die im Kulturbericht 1996 so lebhaft und bunt präsentiert werden, auch während der EU-Präsidentschaft im heurigen Jahr eine große Rolle spielen werden.

Der leider kranke, aber, wie ich meine, in Österreich gut behandelte und betreute tschechische Präsident Havel hat nach seinem ersten Besuch in Brüssel gemeint, es würden dort sehr interessante Reden gehalten, die aber vor allem den Verstand ansprechen und nicht das Herz. Wahrscheinlich hat er nicht so unrecht, und ich glaube auch, daß die Europäische Union gut beraten ist, sich nicht nur als eine Wirtschafts- und Währungsunion zu sehen und zu einer Sozialunion zu werden, wie gerade wir als Sozialdemokraten das immer wieder verlangen, sondern sich auch als eine Einheit zu sehen, die große Betonung auf Kultur legt, und zwar nicht auf eine monolithische europäische Kultur, sondern auf eine Vielfalt und auf eine Gemeinschaft verschiedenster Kulturnationen, die ihre eigenständigen Kulturbestandteile einbringen und dadurch dazu beitragen, daß Europa zu einem bunten Kulturerdteil wird.

Die Beschäftigung mit der Vergangenheit kann für diese Kultureinrichtungen, die im Kulturbericht ausgewiesen sind, nicht alleiniger Auftrag sein. Das Ansprechen neuer Zielgruppen, besonders der Jugend, muß im Vordergrund stehen. Ich bin daher sehr erfreut, daß Ansätze dafür im Kulturbericht zu finden sind. Besonders die Bundesmuseen haben ja den Auftrag, durch Neugestaltung ihrer Bestände den Unterhaltungsanspruch potentieller Besucherinnen und Besucher anzusprechen und diesem Geschmack entgegenzukommen.

Vor einigen Tagen hat zum Beispiel die Brueghel-Ausstellung im Kunsthistorischen Museum ihre Pforten geschlossen. Sie war ein ganz großartiger Erfolg, und zwar auch ein Erfolg hinsichtlich der Zahl der Besucherinnen und Besucher. Dieser Erfolg hat gezeigt, daß bereits hier in unseren Museen vorhandene Bestände, ergänzt durch Bestände aus dem Ausland, durch andere Sammlungen, zusammengefaßt zu einer eigenen Werkschau, neue Zielgruppen aus dem Ausland, aber auch aus dem Inland anzusprechen vermögen. Ich halte das für einen sehr guten und richtigen Schritt.

Ein Wermutstropfen dabei war nur, daß man die Gelegenheit verabsäumt hat, auch einen Katalog aufzulegen, um diese Ausstellung auch wissenschaftlich auszuwerten. Das wäre sicherlich eine gute Gelegenheit gewesen. Es hat zwar Kataloge gegeben, aber keinen dezidierten Katalog für diese Ausstellung, der die wissenschaftliche Auswertung der Gesamtausstellung zum Inhalt hat. Ich bedauere das, aber vielleicht kann das auch nachgeholt werden. Es war eine einmalige Leistung, die hier in Wien vollbracht wurde.

Menschen zu motivieren, ins Museum zu gehen, ist eine ganz wichtige Aufgabe. Hier sind vor allem auch die Instrumente der Museumspädagogik anzusprechen und auszubauen. Das Neu


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gierigmachen von Kindern und Jugendlichen auf Museen, auf Ausstellungen muß schon in der Schule erfolgen, denn man kann nicht früh genug beginnen, sich mit den kulturellen Einrichtungen unseres Landes auseinanderzusetzen.

Deshalb sollte man überlegen, den Zugang zu den Museen für Schülerinnen und Schüler auch über neue Medien zu eröffnen. Es war ein richtiger Schritt, Frau Bundesministerin, daß die Schulen an das Internet angebunden wurden. Ich halte das für die Zukunft für sehr bedeutend, und ich glaube, daß der Einsatz dieser neuen Medien im Museumsbereich und durch die Verknüpfung mit den schulischen Einrichtungen bei den Jugendlichen neue Interessen wecken können.

Eine Einrichtung, auf die ich als Wiener ganz besonders stolz bin – aber natürlich nicht nur als Wiener, sondern auch als Abgeordneter, der für bundesweite Interessen zu sorgen hat –, ist die Einrichtung des Museumsquartiers, ein Projekt, das über lange Jahre immer wieder revidiert, erweitert, korrigiert wurde, aber jetzt letzten Endes doch vor der Umsetzung steht, ein Projekt, das die Ministerien gemeinsam mit der Stadt Wien verfolgen. Ich bin überzeugt davon, daß die verschiedensten Einrichtungen, die im Museumsquartier beheimatet sind, wie zum Beispiel das Museum moderner Kunst, die Stiftung Ludwig – leider nicht mit mir verwandt –, das Leopold-Museum, das Kunst- und Veranstaltungszentrum, das Naturhistorische Museum, Abteilung Ökologie, das Kindermuseum und das Architekturzentrum, neue Zielgruppen der Stadt ansprechen, aber auch im touristischen Bereich neue Akzente für unsere Stadt, für uns Land setzen können. Die provisorisch zugelassenen Einrichtungen im jetzigen Museumsquartier – zum Beispiel Kunstraum Wien oder auch das Depotzentrum für zeitgenössische Kommunikation – haben ja gezeigt, daß es eine sehr starke Nachfrage auch in diesem Bereich der modernen Kunst gibt.

Das Museumsquartier als größter Museumsneubau der Republik sollte sich vor allem der kulturellen Vielfalt widmen und eine starke Gegenwartsorientierung aufweisen. Im Bericht sehe ich einige Hinweise auf diese vielfältige Kulturform, die man sich vorstellt. Ich hoffe, Frau Bundesministerin, daß Sie darauf achten, daß das dann auch in der Umsetzung so sein wird.

Als Aufgaben der Museen ist im Gesetz festgelegt, daß die Museen sich vor allem um das Sammeln, Bewahren, Erschließen, Forschen und Ausstellen kümmern sollen. Die Durchführung der Aufgaben muß auch überprüft werden. Ich teile Ihre Einschätzung, Frau Bundesministerin, daß man auch eine Evaluierung dieser Aufgaben vornehmen soll, und wir sind ja übereingekommen, daß man bei der Evaluierung der Forschung beginnt. Ich halte das für wichtig, man sollte die Evaluierung allerdings nicht nur an quantitativen Kriterien messen – zum Beispiel an Besucherzahlen –, sondern auch an qualitativen Herausforderungen. Aber ich gehe davon aus, daß Sie diese meine Einschätzung teilen.

Bewährt hat sich meiner Einschätzung nach auch die Teilrechtsfähigkeit, die vor allem im Bereich der Bundesmuseen eingerichtet wurde. Der Bericht zeigt ganz deutlich, daß die Einnahmen durch die Teilrechtsfähigkeit sehr stark zugenommen haben. Es ist – da muß ich meiner Vorrednerin ein wenig widersprechen –, glaube ich, sehr schwierig, ausländische Modelle für Österreich 1  :  1 zu übernehmen, weil wir in Österreich erfreulicherweise eine sehr starke Verpflichtung der öffentlichen Hand im Kulturbereich haben. Das ist beispielsweise in den Niederlanden nicht in diesem Ausmaß gegeben. Deshalb sind verschiedenste Formen, die sich in etwa den Niederlanden bewähren können, auf uns, wie ich meine, nicht 1 :  1 übertragbar. Trotzdem sollte man natürlich alle auch international erprobten Modelle prüfen und bei Umsetzbarkeit versuchen, sie auf Österreich zu übertragen, wenn es sinnvoll ist.

Frau Bundesministerin! Ich wollte Sie noch fragen, inwieweit aus Ihrer Sicht diese Teilrechtsfähigkeit für die Bundesmuseen zu einer Vollrechtsfähigkeit ausgebaut, erweitert werden kann und wie aus Ihrer Sicht die weitere Entwicklung in diesem Bereich vonstatten gehen wird, das heißt, inwieweit die Teilrechtsfähigkeit auf die Vollrechtsfähigkeit ausgeweitet wird.

In aller Kürze noch zum 1. Tagesordnungspunkt, dem Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der EG verbrachten Kulturgütern. Mit dieser Richtlinie wird es für Mitgliedstaaten der


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Europäischen Union die Möglichkeit geben, Kulturgüter, die widerrechtlich in ein anderes EU-Land verbracht wurden, zurückzufordern. Voraussetzung ist, daß dieses Kulturgut im geschädigten Staat als nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert eingestuft wurde, wobei allerdings nur solches nationales Kulturgut in Frage kommt, welches auf der Liste des Anhanges der Richtlinie aufscheint.

Ich meine, der vorliegende Entwurf ist ein sehr verantwortungsvoller Schritt, ein Schritt, der auch mit Augenmaß umgesetzt wurde. Meine Fraktion und ich teilen nicht die Einschätzung, daß die Übernahme dieser EU-Richtlinie österreichisches Zivilrecht grundsätzlich in Frage stellt, auch wenn es natürlich da und dort Adaptionen wird geben müssen, denn Kulturschutz greift, wie beispielsweise auch Denkmalschutz, auch in Eigentumsrechte ein. Das ist völlig unbestritten. Für diese Eingriffe müssen meines Erachtens klare Regeln aufgestellt werden, und es muß ein übergeordnetes – zum Beispiel nationales – Interesse erkennbar sein.

Diese Kriterien sind meiner Meinung nach in dem vorliegenden Entwurf erfüllt. Deshalb wird die sozialdemokratische Fraktion gegen diese Vorlage keinen Einspruch erheben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Liechtenstein. )

10.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

10.46

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte, liebe Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Kulturbericht 1996 übermittelt uns das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten einen lebendigen und anschaulichen Bericht über die Aktivitäten der ihm unterstehenden Institutionen.

Diese sind: die Bundesmuseen, das Bundesdenkmalamt, die Österreichische Nationalbibliothek, die Österreichische Phonothek und die Hofmusikkapelle. Ihre Aufgaben umfassen insbesondere das Sammeln durch planmäßigen Ausbau bereits bestehender Sammlungen, das Bewahren durch Prüfung vorhandener Objekte, durch Restaurierung und Sicherung und schließlich die wissenschaftliche Bearbeitung der vorhandenen Objekte, deren Bestimmung und Katalogisierung durch Forschungsarbeit sowie deren Präsentation gegenüber dem Publikum durch Ausstellungen und andere Veranstaltungen. – Etliches davon ist ja heute hier schon von Vorrednern erwähnt worden.

Der Bericht vermittelt uns zugleich einen weiteren, meines Erachtens entscheidenden Eindruck, nämlich den, daß sich alle diese Institutionen in ihren ursprünglichen Zielsetzungen, die von der Idee der öffentlichen, systematisch geordneten Bildungsarbeit getragen sind, nicht erschöpfen dürfen, sondern vor der neuen und zusätzlichen Aufgabe stehen, aktuelle Bezüge zur Gegenwart herzustellen und durch Sonderausstellungen, audiovisuelle Medien, Führungen, Diskussionen, Seminare und Kurse Querverbindungen zwischen ihren Beständen und den Strukturveränderungen und Entwicklungstrends der heutigen Zeit aufzuzeigen.

Das Museum herkömmlicher Prägung hat geschichtliche Erfahrung zum Ziel. Neuere Museumskonzepte zielen hingegen auf unmittelbares Erleben und Erlebnishaftigkeit ab. Einerseits soll das kulturelle Erbe und ein Reflexionsanspruch gegenüber der Kultur und ihrer Geschichte bewahrt werden, andererseits gilt es aber auch, einen legitimen Unterhaltungsanspruch durch das Erleben – Edutainment – zu befriedigen. So leisten diese Institutionen darüber hinaus auch einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz künstlerischer und anderer geistiger Leistungen, die über die konformistische Vergangenheit hinausgehen.

Dabei ist stets zu bedenken, daß es keine Gegenwart und Zukunft ohne Vergangenheit geben kann und daß wir die Vergangenheit anders als aus dem Bezug zur Gegenwart nicht erfahren können. Wien und Österreich waren immer Zentren Mitteleuropas.


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Mit Interesse habe ich dem Bericht entnommen, welch wesentliche Erweiterung des Aktionsradius der behandelten Kulturinstitutionen der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union mit sich gebracht hat. Die Gemeinschaft unternahm ja bekanntlich in den letzten Jahren Aktivitäten auf dem Kultursektor, was sich unter anderem auch in der Schaffung eines eigenen Kulturartikels, nämlich des Artikels 128 des Maastricht-Vertrages, in der novellierten Fassung des Vertrages von Amsterdam, niederschlug. Es wird jedoch bedeutender Anstrengungen bedürfen, um der Kultur im Kreis der vielfältigen anderen Politikbereiche der Gemeinschaft einen ihr gebührenden Stellenwert inklusive einer einigermaßen entsprechenden finanziellen Dotierung der Förderungsprogramme einzuräumen.

Gerade im zweiten Halbjahr 1998, in dem bekanntlich Österreich den Vorsitz in der Europäischen Union einnimmt, werden die im Bericht dargestellten Institutionen in vielfältiger Weise im In- und Ausland als Botschafter österreichischer Kultur fungieren. Österreich war in der Vergangenheit öfters Zentrum europäischer Politik und europäischer Kultur, und gerade das merkt man im kulturellen Bereich hier in Wien sehr stark.

Mit Genugtuung nahmen wir von der erfreulichen Entwicklung der Errichtung des Museumsquartiers Kenntnis, und es ist hier der richtige Ort und Zeitpunkt, der lieben Frau Bundesministerin Gehrer für ihre unermüdlichen Bemühungen um diesen ersten großen, repräsentativen Museumsbau unserer Republik zu danken und für die Realisierungsphase des von ihr so nachhaltig beeinflußten Museumskonzepts bestes Gelingen und viel Erfolg zu wünschen. Dies weist auch in eine positive Zukunft, und ich hoffe, daß alles bestens gelingt.

Gleiches gilt auch für die Reform der Bundesmuseen, die in unabhängige wissenschaftliche Anstalten umgewandelt werden sollen, wodurch sowohl ein höherer Effizienzgrad als auch – durch Wegfall überflüssiger staatlicher Vorschriften sowie die Delegation von Entscheidungen – die Stärkung der Autonomie bewirkt werden sollen. Die Bundesmuseen sollen zu selbständigen Bundesanstalten mit eigener Rechtsfähigkeit umgestaltet werden, wobei sowohl Gebäude als auch Objekt im staatlichen Eigentum verbleiben.

Egal, ob es sich um detailliert dargestellte Probleme des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, um die verantwortungsvolle Tätigkeit der Nationalbibliothek als Gedächtnis der Nation, um die Entwicklung der Phonothek zu einer echten Mediathek, um glanzvolle Konzerte der Hofmusikkapelle, um die Fortsetzung des baulichen Entwicklungsprogramms der Institutionen, insbesondere der Albertina und des Technischen Museums, handelt, der Bericht informiert umfassend und instruktiv über die vielfältigen Aktivitäten und das reiche Innenleben der darin dargestellten Institutionen und gibt zudem dem Staatsbürger das beruhigende Gefühl, daß mit seinem Steuerschilling verantwortungsvoll und umsichtig umgegangen wird.

Meine Fraktion erteilt dem Bericht daher sehr gerne ihre anerkennende Zustimmung. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

10.53

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Wir behandeln heute unter anderem auch die Rückgabe von unrechtmäßig aus einem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachtem Kulturgut. Dieses Gesetzesvorhaben hat einige Vorläufer. Als einen davon kann man das Beutekunstgesetz oder die Diskussion über die Beutekunst bezeichnen, über russische Beutekunst, deutsche Beutekunst, Beutekunst in Polen, in der Ukraine, in der Schweiz, in Österreich, Italien, sozusagen überall, wo im Laufe des Zweiten Weltkriegs Kulturgüter rechtswidrig hin und her transferiert worden sind.

Die Haager Landkriegsordnung von 1907 ist der erste Vorläufer. Sie verbietet die Beschlagnahme von Kunstwerken. Sie bezeichnet die Beschlagnahme eigentlich als Raub. Das ist eine sehr deutliche Aussage. Es folgte 1954 eine UNESCO-Konvention zum Schutz von Kulturgütern bei


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bewaffneten Konflikten. Sie verbietet ausdrücklich die Zurückhaltung solcher Kulturgüter für Reparationszwecke. Aber der Kunstraub und die unrechtmäßige, hoheitsmäßige Verbringung von Kulturgütern hat in Europa schon historische Tradition. Seit Ende des dritten Jahrhunderts vor Christi plünderten – oder ließen plündern – römische Feldherren in Süditalien, in Griechenland und im hellenistischen Orient. Kunstgüter galten als Machtsymbol des militärischen Erfolgs und der politischen Herrschaft.

Das gute oder vielmehr schlechte Beispiel wurde 1204 anläßlich des vierten Kreuzzuges, geleitet vom venezianischen Dogen Enrico Dandolo, fortgesetzt. Er plünderte Byzanz rücksichtslos und umfassend aus. Und auch in der Renaissance gehörte es zum guten Stil vornehmer Häuser, sich mittels Kriegshelden des illegalen Handels oder des indirekten Raubes an Kunstgütern zu bedienen, um so ihre Paläste ausgestalten zu können.

Im letzten beziehungsweise Ende des vorletzten Jahrhunderts war General Napoleon einer derjenigen, der eigentlich dazu Anlaß gibt, dieses Gesetz, welches Sie heute hier beschließen wollen, besonders zu beachten. Er plünderte den Kirchenstaat nachhaltig, ließ sich das aber im nachhinein durch einen Vertrag, nämlich den von Tolentino, 1792 legalisieren. Anschließend, 1802, machte sich Pius VII. an die Rekonstruierung seiner Sammlungen, und er erließ als nachweislich erstes Staatsoberhaupt ein Ausfuhrverbot für Kunst und die Anzeigepflicht des Besitzes der Kunst. Dies könnte man eigentlich als Vorbild des heutigen Gesetzgebungswerkes bezeichnen.

Betrüblich ist, daß hier in Österreich österreichische Staatsbürger, welche während der Kriegszeit Österreich verlassen mußten, welche vertrieben wurden, noch oft um die Rückgabe ihrer Kulturgüter kämpfen müssen. Es sind nicht wenige. Es sind nicht nur jene, die vertrieben wurden, es wurden auch österreichische respektive deutsche Staatsbürger nach dem Krieg um ihren Besitz gebracht; vielfach, meint man, unbekannten Aufenthaltes, unbekannten Lagerortes. Die Vermutung geht dahin, daß manches Ministerium sich mit dem einen oder anderen schönen Schreibtisch, mit einer Vielzahl von Bildern und Gemälden schmückt, daß das eine oder andere Museum herkunftsmäßig nicht ganz klar deklarierbare Kulturgüter in seinem Besitzstand hat.

Ich meine daher, dieses Gesetz, welches Sie heute hier beschließen wollen, muß Anlaß geben, auch innerösterreichisch einmal die Klarheit herzustellen, die die nach dem Krieg besonders benachteiligten Bevölkerungsgruppen verdienen, denen eigentlich anläßlich der Wiedererrichtung der Republik gute Sitte und guter Anstand prophezeit und versprochen wurden. Diese gute Sitte und dieser Anstand werden gegenüber diesen Österreichern nicht eingehalten. Es wird in die Abwesenheit, in das Nichtauffinden dieser Kunstschätze noch immer etwas hineingeheimnißt, was nicht notwendig ist.

Was uns aber unter anderem zur Ablehnung dieses Gesetzes nötigt, ist, daß es ein rückwirkendes Gesetz ist. Es bezieht sich auf eine EWG-Vorgabe aus dem Jahr 1992, welche eben eine Rückgabe bis 31. Dezember 1992 vorsieht. Warum bis zu dem Zeitpunkt? Warum lehnt man dieses Gesetz nicht ab? – Das geht nicht. Warum macht man es nicht ab dem Zeitpunkt des Gesetzes, wie wir es hier in Österreich üblicherweise haben? – Das ist der eine Punkt, warum wir es ablehnen.

Der zweite Punkt betrifft § 11 Abs. 2. Er unterscheidet zwischen privatem und öffentlichem Kulturgut. Wir haben von den Vorrednern gehört, daß Österreich viel Kulturgut hat, und wir alle wissen, daß dieses Kulturgut sicherlich zum Großteil in öffentlichen Sammlungen ist. Aber nicht minder befindet sich dieses Kulturgut auch in privaten Sammlungen, in privaten Haushalten, und es ist nicht einzusehen, warum die Verjährung bei privatem Kulturgut kraft dieses Gesetzes 30 Jahre betragen darf und soll, aber bei öffentlichen 75 Jahre, Frau Bundesministerin! Wie kommt man dazu, einer Privatperson die Möglichkeiten der öffentlichen Hand, die ohnedies die bessere Position hat, ihren Rechtsanspruch darzustellen und international zu dokumentieren, nicht zu bieten? Sollte nicht die Republik auch den Schutz über die privaten Kultur- und Kunstsammlungen übernehmen, sodaß diese auch nach 30 Jahren noch zurückgeholt werden können, und nicht nur die öffentlichen Kunstsammlungen? – Dies zu diesem Bericht.


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Nun zum Kulturbericht, Frau Bundesministerin! Er wurde als ein sehr übersichtlicher, als ein sehr gut gemachter Kulturbericht bezeichnet. 2 000 Exemplare dieses Buches wurden hergestellt, jedes Exemplar kostet rund 235 S, so viel, wie ein gutes, ein fast sehr gutes Kulturbuch/Kunstbuch bei Wolfrum kosten kann. Ich möchte damit sagen, daß jemand, der diesen Kulturbericht bei sich hat, einen Wertgegenstand in seiner Hand oder auf seinem Schreibtisch hat und ihn nicht leichtfertig dort ablegen sollte, wo man oft DIN A4-Zettel hinlegt.

Frau Bundesministerin! Es mangelt aber in diesem Kulturbericht an Wesentlichem, und zwar: Bei aller Aufschlüsselung betreffend Bau- und Renovierungsvorhaben fehlen vorgesehene Fertigstellungstermine. Ich weiß schon, aus budgetärer Sicht ist nicht mit Garantie zu sagen, dieses oder jenes Museum wird am 31. 12. fertig werden. Aber man muß doch irgendeine Vision haben, wann es fertig werden soll, und dann kann man eine solche Frist wiederum verlängern. Aber es gibt überhaupt keine Vorstellung, gerade bezüglich der Albertina: Wann wird die Albertina fertig? Wann wird das Technische Museum fertig? Wann werden andere nötige Verbesserungsvorhaben, von denen insbesondere der österreichische Fremdenverkehr profitiert, fertig? – Solche Termine fehlen.

Weiters fällt mir auf, daß gerade bei diesem Bericht zur Kultur – ich meinte bereits, daß die schönen Gebäude, die schönen Bilder, die Skulpturen, das ganze Kulturleben besonders wertvoll sind – die Personalausgaben als höchster Posten aufscheinen. Ich gebe schon zu, Fachleute sind nötig, aber die Relation Personalausgaben – Bauvorhaben – Investitionsvorhaben ist einfach derart eklatant, daß ich nicht umhin kann zu sagen, das ist ein Punkt, warum wir diesen Bericht ablehnen müssen.

Es fehlt mir auch eine Anregung beim Denkmalschutz. Wir alle wissen, daß Denkmalschutz bei Privaten nur dann steuerlich wirksam wird, wenn das betreffende Objekt eine Zeitlang zugleich quasi ein öffentliches Museum ist. Nun ist es nicht so, daß jedes schön hergerichtete alte Haus am Land oder in der Stadt öffentliche Schaustellungen beherbergen kann. Es ist doch so, daß solche gut hergerichteten Häuser, gut hergerichtete Gebäude, und was weiß ich nicht noch alles, zum Reiz der österreichischen Landschaft beitragen und dazu, den Fremdenverkehr zu fördern, also dazu aneifern, hierherzukommen, weil es schön ist.

Aber das sind Privatausgaben, für deren Tätigung keinerlei steuerlicher Anreiz besteht. Nur die Liebe des Privaten zum eigenen Objekt, für das er oft bis an sein Existenzminimum geht, führt dazu, daß manche Dinge renoviert werden, leider Gottes aber manche Dinge daher auch nicht renoviert werden können. Hier wäre eine Anregung von seiten Ihres Ministeriums, Frau Ministerin, notwendig, um Privatinvestitionen in privates Kulturgut steuerlich absetzbar zu machen. – Dies sind unsere Gründe zur Ablehnung.

Weiters meine ich, daß es im nächsten Jahr – oder heuer – besser wäre, wenn wir den Kulturbericht schon früher bekämen. – Aber das ist mein Vorwurf an unser Präsidium. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Schöls: Wenn er früher vorgelegt worden wäre, hätten Sie ihn auch abgelehnt!)

11.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. – Bitte.

11.05

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, daß der Kulturbericht und das Gesetz, das heute hier zur Kenntnis genommen wird, Anlaß zu einer intensiven Kulturdiskussion sind.

Ich möchte doch betonen, daß der Kulturbericht im Jänner vorgelegt worden ist, daß wir das erste Ministerium waren, das einen Kulturbericht vorgelegt hat, und daß wir damit auch den Auftrag, den uns der Nationalrat gegeben hat, erfüllt haben.


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Zum Kulturbericht selbst möchte ich feststellen, daß er der Anregung des Kulturausschusses gefolgt ist. Der erste Kulturbericht hat eine Darstellung aller Museen in Koordination durch das Ministerium gebracht. Daraufhin ist angeregt worden, jedes einzelne Haus sich selbst darstellen zu lassen. Dieser Anregung sind wir gefolgt. Die neuerliche Anregung aus dem Kulturausschuß hat uns beauftragt, im nächsten Kulturbericht für jedes einzelne Haus Zukunftsvisionen darzustellen und aufzuzeigen, wohin sich Kultur entwickeln soll. Wir werden nicht einen generellen Museumsplan vorlegen, sondern gemeinsame Zielsetzungen, die alle Museen zu beachten haben und in deren Rahmen dann jedes einzelne Museum seine Schwerpunktsetzung kundgibt.

Zur Diskussion um die Entwicklung der Museen ist zu sagen, daß ich Herrn Kollegen Liechtenstein zustimmen möchte, wenn er sagt, wir müssen das Interesse des Publikums auch durch neuzeitliche Gestaltungen und neuzeitliche Anbieterformen besonders wecken. Ich glaube, es ist wichtig, klarzustellen, daß ein Museum nicht an seiner Besucherzahl als einzigem Qualitätskriterium gemessen werden kann. Es ist anderseits aber auch nicht verboten, viele Besucher zu haben, und es ist auch kein Negativkriterium, viele Besucher zu haben. Das heißt, ein Museum muß seinem gesetzlichen Auftrag, zu sammeln, zu forschen, zu bewahren, aufzubereiten, nachkommen können: Das muß der Staat garantieren. Darüber hinaus dürfen aber offensive Direktoren mit offensiven Kuratoren interessante Angebote machen, die die Menschen ins Museum bringen, die die Museumsangebote nach neuen Kriterien erarbeiten, die nach dem Motto "weniger ist mehr" exemplarisch ausstellen und denen, die wirklich wissenschaftlich ausstellen wollen, dann noch die wissenschaftlichen Mittel zur Verfügung stellen.

Wir sehen, daß gerade spezielle Ausstellungen, wie die Brueghel-Ausstellung, ein großes Publikumsinteresse hervorrufen. Die Brueghel-Bilder des Kunsthistorischen Museums sind tagtäglich in der Gesamtsammlung zu besichtigen. In dieser neuen Zusammenstellung aber, mit Bildern, die die Söhne gemalt haben, die dieselben Motive wiederverarbeitet haben, mit der Gesamtdarstellung dieses künstlerischen Werkes, hat dies eine ganz neue Aufmerksamkeit erregt und völlig neue Besucherschichten aus dem In- und Ausland angesprochen.

Besonders freut es mich auch, daß wir bereits in den vergangenen Jahren in der Museumsdidaktik, im Ansprechen der Jugend sehr große Schwerpunkte gesetzt haben und daß auch Aussteller wie zum Beispiel das Kunstforum diese Museumsdidaktik, das Ansprechen der Jugend, in ihre Programme aufnehmen.

Es gibt speziell ausgebildete Führer und Führerinnen, die mit Volksschulen arbeiten können, die mit Hauptschulen arbeiten, die mit älteren Schülern und Schülerinnen arbeiten, wobei man spezielles Wissen vermittelt, aber nicht durch eine Fülle von Wissen die Jugendlichen erschlägt, wobei etwa nur mit einem Bild gearbeitet wird. Eine ganz neuartige Idee ist es – das finde ich sehr begrüßenswert –, daß man bei Bildern zeitgenössischer Kunst auch einmal den jeweiligen Künstler ins Museum bittet und ihn mit der Jugend in Kontakt bringt. Ich glaube, das sind Erlebniswerte für die Jugend, durch die sie später auch den Museen, dem Ausstellungswesen aufgeschlossener sind.

Zum Bereich Weiterentwicklung der Museen möchte ich folgendes feststellen: Wenn in Holland das Stiftungsmodell gut ist, dann ist vielleicht in Österreich ein anderes Modell besser. Die Stiftungsordnungen für Holland und Österreich sind unterschiedlich. In Holland hat man das Stiftungsmodell vor allem deshalb gewählt, weil es im Vermögenssteuerbereich Vergünstigungen gebracht hat. In Österreich müßte man bei einer Stiftung das gesamte Vermögen der Museen in die Stiftung einbringen. Eine Stiftung ohne Vermögen ist keine Stiftung, sie ist einfach nichts.

Das heißt, wir müßten sowohl die Bundesschatzkammer als auch das Kunsthistorische Museum, das Naturhistorische Museum, das Obere Belvedere, das Untere Belvedere bewerten, als Vermögen in die Stiftung einbringen und, meine Damen und Herren, auch versichern. – Derzeit trägt der Staat die Haftung. Wir können keine Versicherungen für unser Zepter, unsere Krone abschließen. Das ist völlig unmöglich.

Das heißt also, das österreichische Stiftungsmodell und das holländische Stiftungsmodell unterscheiden sich grundsätzlich. Was für Österreich angepaßt ist, ist das Modell der wissenschaft


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lichen Anstalten. Ich war übrigens in Holland, habe zwei, drei Museen besichtigt und kann Ihnen garantieren, daß die derzeitigen Direktoren auch nicht zu 100 Prozent glücklich sind, weil es wahrscheinlich kein Modell gibt, das zu 100 Prozent alle Wünsche erfüllt. Gerade die Museen in Holland leiden enorm darunter, daß manche Museen nur 30 bis 40 Prozent ihres Budgets vom Staat erhalten. Das ist also ein ganz extremer Einschnitt, der in Österreich völlig undenkbar wäre. Völlig undenkbar!

Es gab nun diese Diskussion, die Museen in Ges.m.b.H.s umzugestalten, wogegen sich die Direktoren und die Mitarbeiter mit Recht, wie ich sagen muß, gewehrt haben, denn eine Ges.m.b.H. hat immer den wirtschaftlichen Aspekt, auf Gewinn ausgerichtet zu sein. Ich weiß schon, daß es auch Ges.m.b.H.s im Nonprofit-Bereich gibt. Aber das Modell der wissenschaftlichen Anstalt garantiert eine echte Weiterentwicklung zu einer Selbständigkeit, zu einer Vollrechtsfähigkeit, zu einer eigenen Rechtspersönlichkeit, wobei aber betont wird, daß der Auftrag der Museen nicht in erster Linie im Hereinbringen von Geld gesehen wird, wenngleich dies nicht verboten ist – ich sage es noch einmal, dies ist nichts Schlechtes –, sondern in erster Linie im staatlichen Auftrag des Bewahrens, des Forschens, des Erhaltens, des Ausstellens, des öffentlich Zugänglich-Machens.

Ich glaube also, daß dieser Weg der wissenschaftlichen Anstalten ein guter Weg ist. Er wird nicht alle Wünsche erfüllen, es wird wieder Diskussionen geben, was dadurch eventuell nicht berücksichtigt werden kann. Ich meine aber auch, daß es ein guter Weg ist, Kuratorien an den wissenschaftlichen Anstalten zu bilden, die für das Budget, für die Kontrolle verantwortlich sind, die einen Vorschlag für einen Direktor erstellen können, falls man einen neuen Geschäftsführer bestellen muß. Wir werden keine Holding darüber bilden. Ich meine, solange ich dafür verantwortlich bin, daß 1 Milliarde an Steuergeldern verantwortlich ausgegeben wird, so lange wird die Sektion IV des Unterrichtsministeriums mit den bewährten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen diese Holding darstellen und dafür sorgen, daß die Geldmittel in die richtigen Häuser fließen und die richtigen Schwerpunkte gesetzt werden. Ich meine auch, daß es bei diesen nicht unbeträchtlichen Steuermitteln auch weiterhin meine Aufgabe ist, aus qualifiziert erstellten Vorschlägen einen Direktor auszuwählen.

Diese Weiterentwicklung der Museen wird diese Woche in einen ersten Gesetzentwurf gegossen, und wir werden diesen Gesetzentwurf sobald wie möglich in Begutachtung schicken, damit dieses Gesetz dann auch gemeinsam mit dem Bundesmuseengesetz beschlossen werden kann.

Die wichtigste Frage, meine Damen und Herren, ist dabei wie immer die Frage der Finanzen. Der Staat muß weiterhin seiner Verpflichtung nachkommen und die Grundsubvention, die Grundausstattung, die Entwicklung der Museen sichern. Das ist doch der Punkt, den wir derzeit mit dem Finanzministerium verhandeln. Es muß gesichert sein, daß die Museen auch in Zukunft auf einer soliden finanziellen Basis ihren staatlichen Auftrag erfüllen können.

Zum Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie der EWG aus dem Jahre 1993, das heute beschlossen wird, ist zu sagen, daß sicher viele Bedenken richtig sind, die hier angesprochen wurden, daß wir aber in einer eingehenden Diskussion auch weitere Verbesserungen vorgeschlagen haben, durch die eine finanzielle Entschädigung für jene möglich sein soll, die nach einem in gutem Glauben getätigten Erwerb dann trotzdem das Kulturgut wieder zurückgeben müssen.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie aber auch zu sehen, daß es uns aufgrund dieses Gesetz möglich wird, aus etlichen Raubgrabungen stammende Dinge, die sich im Ausland befinden, wieder zurückzufordern, und zwar auf der Basis eines Rechtsanspruchs. Das war bisher nicht möglich, und ich glaube, das ist – bei allen Bedenken, die man in manche Richtungen haben mag – auch ein Fortschritt.

Ich danke Ihnen jedenfalls sehr herzlich für diese konstruktive Diskussion. Man sieht daran, daß Kultur ein wichtiger Bestandteil der Politik ist und auch ein wichtiger Bestandteil der Politik bleiben muß. (Beifall bei der ÖVP.)

11.15


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Grillenberger. – Bitte.

11.15

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesministerinnen! Meine Damen und Herren! Über die Kunst und Kultur wurde schon immer viel diskutiert, und es gibt immer unterschiedliche Meinungen. Dies zeigt auch die heutige Diskussion. Selbst unter den Kulturschaffenden gibt es Meinungsverschiedenheiten. Die Worte der Frau Ministerin kann ich nur alle unterstreichen, und darauf, daß wir unser Kulturgut – denn der österreichische Staat besitzt sehr viele Kulturgüter – auch dementsprechend erhalten und präsentieren, sind wir ganz besonders stolz.

Wenn wir über den Kulturbericht debattieren, der Ihnen vorliegt und der heute schon sehr oft angesprochen wurde, so kann die Ausführungen meiner Vorredner, die ihn aufgrund des materiellen Wertes dieser Exemplare quasi als Kunstwerk ansehen, nur unterstreichen. Dieser Bericht zeigt die kulturellen Tätigkeiten eines Jahres auf, und er ist auch sehr föderal, denn er geht in seinem Querschnitt auch entsprechend auf die Bundesländer ein. Es sind auch punktuelle, finanzielle Investitionen auf unsere Bundesländer aufgeteilt. Man kann nur immer wieder sagen, Kultur ist ein Gut, das uns finanziell etwas wert sein muß und auch in Zukunft etwas bringen wird.

Meine Damen und Herren! Nun zu dem Bericht über die Umsetzung der EU-Richtlinie 93/7/EWG: Mit dieser Richtlinie soll sichergestellt werden, daß die Kulturgüter, die aufgrund der jeweiligen nationalen Gesetze widerrechtlich von einem EU-Staat in einen anderen gebracht wurden und als nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert eingestuft werden, von jedem Mitgliedstaat zurückgefordert werden können. Ich glaube, das ist sehr wichtig, und das wurde von der Frau Ministerin auch ausdrücklich betont. Man kann es zeitgeschichtlich sicherlich zurückverfolgen und andere Querverbindungen herstellen. Aber ich glaube, daß der ersuchende Mitgliedstaat auch auf die Rückgabe geklagt werden kann, das ist eine sehr gute Sache. Man muß aber auch auf die Privatsphäre achten.

Bei der Diskussion über die Kulturgüter kann es sich auch um nationales Kulturgut, um kirchliche Einrichtungen und so weiter handeln. Ich glaube, in den Bestimmungen ist auch taxativ aufgelistet, unter welche Kategorie welches Kulturgut fällt. Über den Rückgabeanspruch ersuchender Mitgliedstaaten soll in einem Außerstreitverfahren verhandelt werden. Ich glaube, das ist auch eine sehr gute Bestimmung.

Meine Fraktion wird beiden Punkten die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Pühringer. – Bitte.

11.18

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich beziehe mich in meiner Wortmeldung auf die Richtlinie des Rates vom 15. März 1993, welche die Rückgabe von Kulturgut behandelt, das unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates in einen anderen verbracht wurde. Es sind von den Vorrednern schon einiges aus dem Inhalt und die Bedenken, die geäußert wurden, aufgezeigt worden. Ich möchte aber die wichtigsten Inhalte noch einmal erörtern und zusammenfassen, um die Bedeutung dieses Gesetzes bewußt zu machen.

Mit dieser Richtlinie ist die gesetzliche Basis geschaffen worden, die es den EU-Mitgliedstaaten ermöglicht, Kulturgüter, die aufgrund der jeweiligen nationalen Gesetze widerrechtlich in einen anderen Mitgliedsstaat verbracht worden sind und die der geschädigte Staat schon vor oder aber auch erst nach der Verbringung als nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert eingestuft hat, von jedem anderen Mitgliedsstaat der EU, in den es verbracht wurde, zurückzufordern. Es kommt dabei nur solches Kulturgut in Frage, das


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unter eine der Kategorien fällt, die im Anhang der Richtlinien aufgezählt sind, oder Kulturgut, das aus öffentlichen oder kirchlichen Sammlungen stammt.

Durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, genauer gesagt eigentlich bereits durch den Beitritt zum EWR, ist Österreich die Verpflichtung eingegangen, diese Richtlinie in unserem österreichischen Gesetz umzusetzen, und das geschieht nun mit dem vorliegenden Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie.

Die Richtlinie ist schon von fast allen EU-Staaten umgesetzt worden. In der Kritik – so ist es vor allem im Nationalrat aufgezeigt worden – wurde immer wieder angeführt, daß noch nicht alle EU-Staaten dieser Verpflichtung zur Umsetzung nachgekommen sind. Es wird Italien angeführt. Dort wird aber dieses Umsetzungsgesetz derzeit im Parlament eingebracht oder ist sogar schon beschlossen worden. Angeblich ist es bisher nicht daran gescheitert, daß sich Italien gegen die Richtlinie gesträubt hat, sondern daß es vor der Einbringung oder vor der Beschlußfassung immer wieder zu einer Regierungsumbildung gekommen ist.

Auch Deutschland wird als Ausnahme angeführt. Es ist bekannt, daß sich Deutschland seinerzeit im Rahmen der Annahme der Richtlinie der Stimme enthalten hat. Aber dazu muß angemerkt werden, daß Deutschland in der Zwischenzeit von der Kommission der EU schon diesbezüglich geklagt worden ist, und gerechterweise muß man ebenso anführen, daß auch Österreich wegen der späten Umsetzung von der Kommission schon zweimal gemahnt worden ist.

Durch das vorliegende Umsetzungsgesetz kann nun ein ersuchender Mitgliedstaat auf Rückgabe eines widerrechtlich aus seinem Hoheitsgebiet ausgeführten Kulturgutes klagen. Eine Entschädigung muß nur dann bezahlt werden, wenn der neue Eigentümer beziehungsweise der neue Besitzer ausreichend Sorgfalt beim Erwerb angewendet hat. Der ersuchte Mitgliedstaat ist verpflichtet, bei der Suche, bei der Sicherung und bei der Rückgabe des Kulturgutes entsprechende Hilfestellung zu leisten.

Die zentralen Stellen, die für die Abwicklung in Österreich zuständig sind, sind das Bundesdenkmalamt und das Archivamt. Das sind auch jene Einrichtungen, die für die Wahrnehmung der österreichischen Interessen an der Rückgabe zu sorgen haben.

Es ist schon mehrmals angeklungen, und auch dem Bericht ist es zu entnehmen, daß die Richtlinie gewisse Probleme für das österreichische Zivilrecht mit sich bringt, weil nach § 367 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches ein gutgläubiger Kauf bei einem – hier heißt es so – befugten Gewerbsmann oder bei einer öffentlichen Versteigerung auf jeden Fall Eigentum bringt. Diese gesetzliche Bestimmung verliert aber faktisch insofern ihre Wirksamkeit, als dann dieses Kulturgut trotz des gutgläubigen Erwerbs zurückgegeben werden müßte.

Andererseits – das ist der Punkt, der für unsere Zustimmung ausschlaggebend ist – bringt die Richtlinie den außerordentlichen Vorteil, daß es nun erstmals möglich sein wird – die Frau Bundesministerin hat das auch besonders betont –, wichtiges Kulturgut, das widerrechtlich aus Österreich ausgeführt wurde, mit Hilfe der anderen EU-Staaten, die dazu verpflichtet sind, wieder nach Österreich zurückzubringen. Insbesondere seitens des Denkmalschutzes wird diese gesetzliche Möglichkeit besonders begrüßt.

Meine Fraktion wird daher gegen dieses Gesetz keinen Einwand erheben. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.24

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ram. – Bitte.

11.24

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Ministerin! Ich möchte in meiner Wortmeldung auf den Kulturbericht des Jahres 1996 eingehen und mich mit der Gestaltung desselben auseinandersetzen.


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Der Kulturbericht 1996 fällt auf den ersten Blick als sehr aufwendig gestaltet ins Auge. Es wurde anscheinend versucht, den Betrachter durch eine Vielzahl von farbigen Bildern auf Glanzpapier zu beeindrucken. Dieser Bericht ähnelt somit eher einem üblicherweise teuer zu erwerbenden Ausstellungskatalog als einer Informationsschrift über kulturelle Angelegenheiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es erscheint mir fraglich, ob dieser Kulturbericht, der an zahlreiche Personen gratis verteilt wird, so aufwendig gestaltet sein muß. Bei genauer Betrachtung erkennt man nämlich, daß es vielleicht besser gewesen wäre, mehr auf den Inhalt als auf die Gestaltung des Werkes einzugehen. In wesentlichen Teilen mangelt es diesem Bericht nämlich an Transparenz.

So möchte ich als Beispiel kurz erwähnen, daß sich die Subventionszahlung an die Stiftung Leopold, die mit 77,8 Millionen Schilling 80 Prozent der Gesamtsubventionen beträgt, in der Rubrik "Sonstiges" befindet und nicht exakt deklariert aufscheint.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch, daß die Kosten für den Betrieb der Stiftung Leopold und die getätigten Neuankäufe in Höhe von 25 Millionen Schilling nicht erwähnt werden.

Im Vorwort verweist das Ministerium stolz auf den Wegfall der Filterung in der Darstellung der einzelnen Institutionen. Hier sei erwähnt, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß solch eine objektive Darstellung oft nicht mehr gegeben ist.

Das Erfreulichste am Kulturbericht 1996 ist sicherlich, wie schon mehrfach erwähnt, der Besucherzuwachs im Bereich der Bundesmuseen, der vor allem auf die erfolgreiche Monet-Ausstellung zurückzuführen ist. Doch diese Steigerung hat kaum Auswirkungen auf die Einnahmen. Diese stiegen zwar von 62 auf 66 Millionen, gleichzeitig schnellten jedoch die Ausgaben von 811 auf 858 Millionen Schilling in die Höhe.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Besonders kraß ist der Unterschied zwischen Ausgaben und Einnahmen in der Nationalbibliothek. Hier standen 1996 Einnahmen in der Höhe von 16 Millionen Ausgaben in der Höhe von 220 Millionen Schilling gegenüber. Über den hohen Anteil an Personalkosten hat uns Kollege Gudenus schon aufgeklärt. Meine Damen und Herren! Man sollte sich für die Zukunft den Kopf darüber zerbrechen, daß der hohe Anteil der Personalkosten reduziert wird.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch kurz auf ein meine Heimatregion betreffendes Projekt eingehen, nämlich die Nationalpark-Akademie des Naturhistorischen Museums in Petronell. Auf Seite 40 des Berichtes erfährt man über die Wichtigkeit dieser Akademie für die Entwicklung des Nationalparks Donau-Auen. Man setzt sich bei diesem Bericht das Ziel, Stadtmenschen für die Wildnis zu begeistern und die sogenannten Auführer in energiepolitischen Debatten zu schulen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre meiner Meinung nach wünschenswert, würde man bezüglich dieses Projektes mehr den Kontakt mit der betroffenen Bevölkerung suchen und nicht diese Nationalpark-Akademie, die von den Anrainergemeinden quasi als Fremdkörper gesehen wird, in den Vordergrund stellen. Meine Damen und Herren! Man wird geeignete Maßnahmen setzen müssen, um das Verhältnis zwischen Nationalpark-Akademie und der betroffenen Bevölkerung zu verbessern.

Zusammenfassend darf ich sagen, daß bei Gestaltung des nächsten Berichtes weniger auf das Aussehen, auf die optische Gestaltung und mehr auf den Inhalt Rücksicht genommen und der nächste Bericht, wie schon mehrmals erwähnt, zeitgerechter vorgelegt werden sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Hummer. – Bitte.

11.29

Bundesrat Dr. Günther Hummer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren!


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Der vorliegende Gesetzesbeschluß des Nationalrates beinhaltet ein sogenanntes Umsetzungsgesetz, also ein Gesetz, mit dem eine Richtlinie des Rates der Europäischen Union in innerstaatliches Recht umgesetzt werden soll. Denn die Richtlinien der Europäischen Union sind – zum Unterschied von den Verordnungen der EU – nicht unmittelbar anwendbares Recht, sondern bedürfen der Transformation, der Umwandlung in innerstaatliches Recht.

Das in Beratung stehende Gesetz hat zum Gegenstand die Rückgabe von nationalem Kulturgut, das widerrechtlich von Österreich in einen anderen EU-Staat – oder umgekehrt – verbracht wurde. Der Staat, aus dessen Hoheitsbereich das Kulturgut verbracht wurde – der suchende Mitgliedstaat –, kann in einem zivilgerichtlichen Verfahren beim zuständigen Gericht des ersuchten Staates die Rückgabe des Kulturgutes verlangen und exekutieren lassen.

Um die Umsetzung der Richtlinie zu bewerkstelligen, sind eine Reihe rechtlicher Hürden zu nehmen. Denn das EU-Recht verwendet eine rechtliche Terminologie, die von der österreichischen abweicht und auf diese nur schwer abzustimmen ist. Mit dieser Problematik setzen sich die Erläuterungen zur Regierungsvorlage sowie auch der Bericht des Kulturausschusses des Nationalrates recht eingehend und fachkundig auseinander. Danach kann von einem nationalen Kulturgut, das den Schutz des Gesetzes erfahren soll, nur dann die Rede sein, wenn es vom ersuchenden Staat wegen seines künstlerischen, geschichtlichen, archäologischen oder sonstigen kulturellen Wertes als solches eingestuft wurde oder als integrierter Teil einer öffentlichen Sammlung im Bestandsverzeichnis eines Museums, eines Archivs oder des erhaltungswürdigen Bestandes einer Bibliothek angeführt ist.

Als unrechtmäßig verbrachte Kulturgüter gelten diejenigen, die den nationalen Bestimmungen zum Schutz nationaler Kulturgüter widersprechen oder im Widerspruch zu der entsprechenden Verordnung der EU verbracht worden sind. Als österreichisches Gesetz kommt das Ausfuhrverbotsgesetz für Kulturgut in der Fassung des BGBl. 391/1986 in Betracht. Subsidiär wird wohl auch der Begriff der Widerrechtlichkeit heranzuziehen sein, wie er im Schadenersatzrecht – namentlich im § 1293 ABGB – verwendet wird. Das Ersuchen auf Rückgabe ist auf die materielle Rückkehr des Kulturgutes in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates gerichtet. Dieser Anspruch ist nicht identisch mit dem zivilrechtlich legitimierten, auf Wiederherstellung des vor dem rechtswidrigen Eingriff bestanden habenden Rechtszustandes gerichteten Anspruch.

In Österreich sind für die Geltendmachung von Rückgabeansprüchen die für bürgerliche Rechtssachen zuständigen Landesgerichte zuständig. Das dabei anzuwendende Verfahren ist grundsätzlich nicht das der ZPO, sondern das Verfahren für Außerstreitsachen. Der Grund hiefür besteht darin, daß die ZPO auf ein Zwei-Parteien-Verfahren zugeschnitten ist, während das außerstreitige Verfahren für die Abwicklung eines Mehrparteien-Verfahrens Raum bietet. In einem Rückgabeverfahren kommt außer dem ersuchenden Staat und demjenigen, der die Rückgabe des nationalen Kulturgutes wegen seiner rechtlichen Macht und seiner faktischen Möglichkeiten zu bewerkstelligen vermag, als dritte Partei des Verfahrens auch der ersuchte Staat in Betracht.

Die Pflicht zur Rückgabe setzt selbstverständlich kein Verschulden des Belangten voraus. Auch muß das gesetzte Unrecht keineswegs beim Belangten liegen oder von ihm gesetzt worden sein. Der in Anspruch genommene Eigentümer, Besitzer oder Inhaber muß dem Rückgabebegehren dann entsprechen, wenn er dazu rechtlich und faktisch in der Lage ist. Das in Beratung stehende Gesetz spricht zwar nur von der tatsächlichen Sachherrschaft über das Kulturgut, aber diese inkludiert wohl auch die rechtliche Möglichkeit.

Eher dunkel geblieben ist § 15 Abs. 1 des geplanten Gesetzes, wonach im Falle eines gestohlenen Kulturgutes ein Herausgabeanspruch des Eigentümers dem Rückgabeanspruch des ersuchenden Mitgliedstaates vorgeht. Denn auch der Eigentümer darf ein nationales Kulturgut nur dann in einen anderen Mitgliedstaat der EU verbringen, wenn dies den betreffenden nationalen und EU-Bestimmungen nicht widerspricht. § 15 Abs. 1 ist daher wohl mit folgendem Zusatz zu lesen: ... sofern dadurch die Rückgabe im Sinne des § 2 Abs. 5 dieses Gesetzes nicht vereitelt wird. – Andernfalls würde sich das Gesetz selbst in Frage stellen.


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Kern des Gesetzes ist aber die Verpflichtung des ersuchten Staates, auf schriftliches Ersuchen Nachforschungen nach einem verbrachten Kulturgut sowie seinem Besitzer und Inhaber vorzunehmen. Diese Verpflichtung besteht aber nur dann, wenn der suchende Staat seinen Wunsch so detailliert darlegt und insbesondere Angaben über den vermuteten Ort beifügt, daß dem ersuchten Staat die Nachforschungen füglich zugemutet werden können.

Eine weitere Verpflichtung besteht vor allem darin, die Auffindung nationalen Kulturgutes dem betroffenen Staat mitzuteilen. Ferner ist dem ersuchten Staat die Rolle eines Vermittlers zwischen ersuchendem Mitgliedstaat einerseits sowie Eigentümer, Besitzer oder Inhaber andererseits zugedacht. Diese Pflichten haben in Österreich grundsätzlich das Bundesdenkmalamt oder das Archivamt wahrzunehmen.

Im Falle der Rückbringung unrechtmäßig verbrachten Kulturgutes hat der an der widerrechtlichen Ausfuhr Schuldtragende jene Kosten zu erstatten, die der Republik Österreich nach Maßgabe dieses Gesetzes erwachsen sind. Für diese Schadenersatz- und Rückgriffsansprüche steht der Rechtsweg offen. Als solche Kosten, die der Republik erwachsen können, ist auch die Entschädigung zu verstehen, die dem Eigentümer oder dem Besitzer des Kulturgutes unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles für die Rückgabe zu leisten ist. Eine solche Entschädigung wird allerdings nur dann zu leisten sein, wenn die materielle Rückkehr des Kulturgutes in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaates ohne Enteignung oder enteignungsgleiche Maßnahmen nicht zu bewerkstelligen ist.

Der Gesetzesbeschluß des Nationalrates fordert ferner als Voraussetzung für die Leistung einer Entschädigung, daß der Eigentümer oder Besitzer beim Erwerb des Kulturgutes nicht mit der "erforderlichen Sorgfalt" vorgegangen ist. Diese Bestimmung des § 13 Abs. 1 des Gesetzentwurfes steht in einem Spannungsverhältnis zu § 367 ABGB, der den redlichen Besitz einer beweglichen Sache vor der Eigentumsklage schützt, wenn der Besitzer beweist, daß er diese Sache in einer öffentlichen Versteigerung, von einem befugten Gewerbsmann oder von einem Vertrauensmann des Vormannes erworben hat.

Der dem österreichischen Zivilrecht als Terminus technicus nicht geläufige Begriff der "erforderlichen Sorgfalt" hat den Kulturausschuß des Nationalrates – gewissermaßen vorsichtshalber – veranlaßt, mehrheitlich eine Ausschußfeststellung anzunehmen, in der folgendes festgehalten wird: Dieser Begriff der erforderlichen Sorgfalt wird in aller Regel so auszulegen sein, daß der Maßstab, der hier zugrunde gelegt werden sollte, von den zumutbaren Kenntnissen des Durchschnittskäufers und nicht von jenen des berufsmäßigen Kunstsachverständigen ausgehen sollte. Diese großzügige Auslegung ist auch deshalb geboten, da es nach § 12 Abs. 1 zu einer rückwirkenden Anwendung dieses Begriffes kommen kann. Eine strenge Auslegung des Begriffes würde einen unangebracht schweren Eingriff in die Eigentumsrechte darstellen. – Soweit die Ausschußfeststellung.

Es steht außer Zweifel, daß Ausschußfeststellungen nur insoweit zur Interpretation herangezogen werden dürfen, als deren Intention aus dem Text des Gesetzes selbst erkennbar ist. § 13 eröffnet aber in keiner Weise ein Indiz für die Interpretation, daß die erforderliche Sorgfalt einen anderen Gehalt haben könnte als die gewöhnliche Sorgfalt des § 1297 ABGB. Darin ist von einem solchen Grade des Fleißes und der Aufmerksamkeit die Rede, welche bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann. Ein Hinweis darauf, wonach im Entwurf die besondere Sorgfalt des § 1299 ABGB – also die Sorgfalt des Sachverständigen – gemeint sein könnte, findet sich im Entwurfstext nicht. Die Ausschußfeststellung ist aus dieser Sicht vielleicht überflüssig, sie steht aber im Gleichklang mit dem geplanten Gesetzestext.

Insgesamt gesehen scheint der vorliegende Beschluß des Nationalrates gelungen zu sein, wenngleich die Kompliziertheit der Materie sicherlich einmal Anlaß zu Auslegungsschwierigkeiten geben könnte. Ich beantrage deshalb namens meiner Fraktion, gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.40


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640. Sitzung / Seite 49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

11.40

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit dem vorliegenden Gesetzesvorhaben soll die Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern umgesetzt werden. Meine Fraktion hegt gegen diese Regelung schwere Bedenken.

Gewiß ist vorweg in formeller Hinsicht einzuräumen – das wurde schon mehrfach betont –, daß Österreich durch seinen Beitritt zur EU verpflichtet worden ist, diese Richtlinie durch Einbau in die österreichische Rechtsordnung umzusetzen. Das muß uns aber dennoch nicht dazu veranlassen, sie allzu unkritisch zu übernehmen. Dagegen hat sich im Nationalrat etwa auch der Kultursprecher der SPÖ, Abgeordneter Dr. Cap, entschieden ausgesprochen. Zudem verweise ich darauf – auch das wurde heute bereits gesagt –, daß immerhin Deutschland, Italien und Luxemburg die Implementierung dieser Richtlinie bisher verweigert haben. Das gleichfalls schon erwähnte Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet hat, wird den Europäischen Gerichtshof in dieser Hinsicht zu grundsätzlichen Aussagen veranlassen müssen. – Aber lassen wir das Procedere der Umsetzungsproblematik beiseite.

Auch in der Sache selbst verkenne ich durchaus nicht das grundsätzlich zu bejahende Anliegen, daß jeder Staat Kulturgüter, die entgegen den nationalen Schutzgesetzen widerrechtlich in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden sind, von diesem zurückfordern kann; handelt es sich dabei doch um nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert. So gewiß der Schutz von Kulturgut solchen Ranges für Österreich selbst höchst bedeutsam ist, müssen wir das gleiche naturgemäß den anderen Mitgliedstaaten der EU zubilligen. Insofern gilt der Kantische kategorische Imperativ selbstverständlich auch im Kulturgüterverkehr.

Nach meiner Überzeugung schießen aber die EU-Richtlinie und das ihr allzu gehorsam folgende österreichische Gesetz weit über das berechtigte Anliegen hinaus; und daran setzt meine Kritik an. Vor allem läßt die Regelung jede ausgewogene Vermittlung der gegenläufigen Interessen im Zielkonflikt zwischen dem überindividuellen Kulturgüterschutz einerseits und dem individuellen Schutz des gutgläubigen Eigentumserwerbs andererseits vermissen. Dieser grundsätzliche Einwand wird auch im Bericht des Kulturausschusses des Nationalrates verschämt angesprochen, und zwar folgendermaßen: "Die Richtlinie birgt Probleme vor allem für das österreichische Zivilrecht."

In der Tat: Sie ist ein schwerer Einbruch in das unserem ABGB zugrundeliegende Prinzip des Eigentumerwerbs kraft guten Glaubens auch vom nicht berechtigten Veräußerer. Im Sinne des altdeutschen Grundsatzes "Hand wahre Hand" ist das ABGB zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit, also aus überzeugenden rechtspolitischen Motiven, vom römisch-rechtlichen Prinzip der absoluten Vindikation durch den ursprünglichen Eigentümer bewußt abgegangen. Gemäß § 367 ABGB – auch dieser wurde heute schon zitiert – wird der redliche Erwerber stets Eigentümer, wenn ihm die verkaufte Sache von einem hierzu befugten Gewerbsmann oder von demjenigen Gewährsmann, dem der ursprüngliche Eigentümer sie anvertraut hat, übertragen worden ist, oder wenn sie der Erwerber im Zuge einer öffentlichen Versteigerung erstanden hat. Im wesentlichen gilt dasselbe nach § 366 des Handelsgesetzbuches für den Handelskauf.

Diese für den rechtsgeschäftlichen Verkehr – nicht zuletzt im Kunsthandel – geradezu fundamentalen Bestimmungen unseres Zivilrechts werden durch das vorliegende Sondergesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie massiv ausgehöhlt. Mit Recht hat daher auch die Wirtschaftskammer Österreich in ihrer Stellungnahme erhebliche Bedenken angemeldet. Sie betont zunächst ebenfalls, daß der Gedanke des Schutzes des Verbleibs von nationalen Kulturgütern in jenen


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Mitgliedstaaten, zu deren kulturellem Erbe sie zählen, an sich verstanden und grundsätzlich begrüßt wird; sie schließt daran jedoch die Befürchtung, daß es zu Handelshemmnissen beziehungsweise zu nicht dem Ziel der Richtlinie entsprechenden Beschränkungen des freien Warenverkehrs kommen könnte. Denn es ist vorgesehen, daß der ersuchende Mitgliedstaat, aus dem das Kulturgut stammt, den ersuchten Mitgliedstaat – das ist derjenige, in den es verbracht worden ist – auf Rückgabe klagen kann. Eine Entschädigung hat er nur insoweit zu bezahlen, als der neue Eigentümer oder Besitzer beim Erwerb ausreichende Sorgfalt angewendet hat.

Wenn Frau Bundesministerin Gehrer meint, daß der Begriff "ausreichende Sorgfalt" mit dem überkommenen österreichischen Begriff des guten Glaubens vergleichbar sei, geht sie zwar insofern nicht fehl; sie übersieht dabei allerdings, daß dem gutgläubigen Erwerber nach unserem Recht sein Eigentumsrecht erhalten bleibt, wogegen der sorgfältige Erwerber von Kulturgut nach dem neuen Gesetz günstigstenfalls eine Entschädigung dafür erlangt, daß ihm das an sich rechtmäßig erworbene Eigentum an dem von ihm bezahlten Kaufgegenstand wieder entzogen wird.

Der Eingriff in das verfassungsgesetzlich geschützte Eigentumsrecht wird durch § 9 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 Z 2 sogar in untragbarer Weise verschärft. Danach wird nämlich die Geltendmachung von Rückgabeforderungen für alle Kulturgüter eröffnet, die nach dem 31. Dezember 1992 nach Österreich verbracht worden sind. Damals war Österreich aber bekanntlich noch längst nicht Mitglied der EU, sodaß ausschließlich die österreichischen Ein- und Ausfuhrbestimmungen sowie das österreichische Zivilrecht Gültigkeit hatten. Der ohnehin massive Eingriff in bestehende Eigentumsrechte wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf daher sogar rückwirkend angeordnet, also nach einem rechtlichen Regime, das zum Erwerbszeitpunkt nicht gegolten hat und auf das sich der Erwerber überhaupt nicht einstellen konnte. Diese gravierende Verletzung von Verhaltenserwartungen und rechtmäßig erworbenen Positionen ist rechtsstaatlich nicht mehr vertretbar und nach meiner Überzeugung überdies eklatant verfassungswidrig.

Aus ähnlichen Erwägungen ist auch die in Richtlinie und Gesetz vorgesehene Möglichkeit strikt abzulehnen, daß ein Mitgliedstaat ein verbrachtes Objekt auch nachträglich, also noch im nachhinein, als nationales Kulturgut einstufen kann. Problematisch ist ferner das Fehlen einer Definition dessen, was als "angemessene Entschädigung" anzusehen ist. Sie müßte die Kosten für den Erwerb, das heißt den Ankaufspreis samt Nebenspesen, sowie für die zwischenzeitliche Erhaltung umfassen.

Aus dem gegebenen Anlaß des leidigen Streites um die in den USA beschlagnahmten Schiele-Bilder wäre es nicht zuletzt angebracht gewesen, den Ausstellungsverkehr als hauptsächlichen Anwendungsfall des Kulturgütertransports sachgerecht in die Regelung einzubeziehen oder – wenn das geplant war – ihn ausdrücklich davon auszunehmen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Aus alldem können Sie ersehen, daß das gegenständliche Gesetzesvorhaben in mehrfacher Hinsicht nicht ausreichend durchdacht und in Teilbereichen meines Erachtens außerdem verfassungswidrig ist. Deshalb werden wir dieser Vorlage unsere Zustimmung versagen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Diese Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den vorliegenden Beschluß des Nationalrates und über den Kulturbericht 1996. Diese beiden Abstimmungen erfolgen getrennt.


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Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 26. März 1998 betreffend ein Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Kulturbericht 1996 der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz – GTG), BGBl. Nr. 510/1994, geändert wird (1112/NR sowie 5663 und 5667/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Es ist dies ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden – Gentechnikgesetz –, geändert wird.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Kainz übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Hedda Kainz: Meine Damen und Herren! Der von der Frau Präsidentin angesprochene Gesetzesbeschluß liegt Ihnen als Bericht des Ausschusses für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz schriftlich vor. Ich darf mich daher auf die Antragstellung beschränken.

Der Ausschuß für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 28. April 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke der Berichterstatterin.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Scherb. – Bitte.

11.51

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Bundesminister! Mit Hilfe der Gentechnik ist es möglich, die Erbinformationen nicht nur der höheren Lebewesen – das heißt, der Pflanzen und Tiere –, sondern auch der Mikroorganismen gezielt zu verändern. Wie jede Technik bietet die Gentechnologie Chancen und Risken sowie Pro- und Kontra-Argumente. Diese möchte ich im folgenden kurz einander gegenüberstellen.


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Oft wird zugunsten der Gentechnologie argumentiert, daß auch in der Natur – im Zuge der Evolution – Gentechnik zur Anwendung kommt, daß Änderungen der Genkonstellationen durch konventionelle Züchtung sehr kostspielig und langwierig sind und daß die Methoden der konventionellen Züchtung durch Chemikalien und Bestrahlung wesentlich brutaler als die Gentechnologie sind.

Dem steht allerdings gegenüber, daß bisher jeder Nachweis dafür fehlt, daß die Gentechnologie besonders in der Landwirtschaft ökologisch unbedenklich, wirtschaftlich nachhaltig und sozialethisch verantwortbar ist. Der Nachhaltigkeit wird – international gesehen – viel zuwenig Bedeutung zugemessen, sonst würden wir heute nicht vornehmlich auf fossile Energieträger und Rohstoffe setzen, sondern alle Möglichkeiten der Nutzung nachwachsender, organischer Rohstoffe ausbauen und vorantreiben. Eine nachhaltige Landwirtschaft erfordert hohe Biodiversität, damit sie ein Maximum an natürlichen Synergismen nutzen und einen hohen Grad an Stabilität des Ökosystems aufrechterhalten kann.

Was derzeit an gentechnisch veränderten Pflanzen angeboten wird, läuft diesem Leitbild allerdings diametral entgegen. Es handelt sich vor allem um herbizidresistente Pflanzen, die auf die industrielle Landbewirtschaftung zugeschnitten sind. Diese Art der Landnutzung – die industrielle Landnutzung – überträgt industrielle Erfolgsstrategien auf den der Natur nächsten Bereich und kommt dadurch mit den Grundanforderungen der Ökologie in Konflikt. Lean production und die Ausschaltung aller externen Störfaktoren sind in der Industrie sinnvoll und notwendig, führen jedoch in der Landwirtschaft zu reduzierter Biodiversität und damit zur Erosion der genetischen Basis sowie zu geringerer Stabilität unseres Ökosystems. Daher ist die industrielle Landwirtschaft nicht jene Art der Landbewirtschaftung, die wir als zukunftsträchtig ansehen. Die Erhaltung der Biodiversität im Boden, in Flora und Fauna sowie in der Landschaft sollte Vorrang haben, da vielfältige genetische Information unser Zukunftspotential darstellt.

Ein weiterer negativer Aspekt der Gentechnik besteht darin, daß die exakte Positionierung der Transgene nicht möglich ist. Dadurch ist der Einbau der Gene nicht exakt kontrollierbar.

Andererseits kann die Gentechnik für das Design von Abwehrstrategien für Mensch, Tier und Pflanze gegen attackierende Schadstofforganismen oder gegen schädliche Umwelteinflüsse eingesetzt werden. Eine Erhöhung der Weltproduktion an Lebensmitteln und damit eine Verringerung des Hungerproblems kann durch die Gentechnologie ebenfalls erreicht werden. Schwer abbaubare Agrochemikalien könnten eingespart werden.

Es besteht jedoch die Gefahr, daß das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird und die Möglichkeiten der Gentechnologie in der Landwirtschaft zu intensiv genutzt werden. Die intensive industrielle Landwirtschaft hat neben den bereits geschilderten negativen Aspekten weiters zur Folge, daß die Landwirte beim Saatgutkauf von multinationalen Konzernen, die über die Patentrechte für Gene beziehungsweise Genkonstellationen verfügen, abhängig gemacht werden.

Die Vorteile von Herbizid- oder Insektenresistenz könnten – insbesondere bei unsachgemäßer Handhabung – nur von kurzer Dauer sein, weil Unkraut und Insekten gegen Bekämpfungsmittel resistent werden. Weiters muß beachtet werden, daß auch herbizidresistente Pflanzen Giftstoffe aufnehmen, die sich später in den Lebensmitteln wiederfinden.

Trotz dieser vielen negativen Aspekte sehe ich die Gentechnologie als eine Zukunftstechnologie, mit der vorsichtig und verantwortungsbewußt umgegangen werden muß. Einen solchen verantwortungsbewußten Umgang mit der Landwirtschaft und der Gentechnologie kann ich in der EU derzeit allerdings nicht erkennen. Insbesondere bei Betrachtung des Inhalts der Agenda 2000 sieht man, daß sich die Landwirtschaftspolitik der EU voll und ganz in Richtung intensiver industrieller Landnutzung bewegt.

Leider hat Österreich nur einen sehr eingeschränkten Gestaltungsspielraum. Durch den EU-Beitritt haben wir nicht nur zum Euro, sondern auch zur industriellen Landwirtschaft ja gesagt, das aber wurde im Zuge der unsachlichen, rein positiv gefärbten Beitrittsdebatte von Anfang bis Mitte der neunziger Jahre verschwiegen. Da in einem Wirtschaftsraum ohne Grenzen keine Handelshemmnisse aufgebaut werden dürfen, kann Österreich bestenfalls eine Verzögerung im


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Prozeß der Industrialisierung der Landwirtschaft erreichen, wird sich aber im Endeffekt den Mehrheitsentscheidungen der EU beugen müssen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Die Schweizer müssen das nicht tun.

Das österreichische Importverbot für Genmais zeigt deutlich, wie stark die österreichischen Möglichkeiten eingeschränkt worden sind. Um das Importverbot aufrechtzuerhalten, müßten wir in der nächsten Sitzung des Rates der Umweltminister dessen einstimmige Entscheidung gegen den Vorschlag der Kommission erwirken. Das aber ist unmöglich. Daher sollte die Regierung den Österreichern nicht durch geschickt aufgebaute Schaukämpfe – wie im Fall des Genmais-Verbotes – den falschen Eindruck vermitteln, daß sie damit etwas bewirken könnte. Der Zug in Richtung industrielle Landwirtschaft ist längst abgefahren. Die Diskussion, die wir hier im Bundesrat und insgesamt im Parlament führen, kann nichts bewirken, da über diese Thematik auf Ebene der EU entschieden wird beziehungsweise längst entschieden wurde. Die Regierung sollte dies den Österreichern endlich einmal ehrlich sagen und nicht durch Scheindebatten einen falschen Eindruck vermitteln.

Was die Lebensmittel betrifft, kann den Österreichern auch klar gesagt werden, daß bei vielen Produkten beziehungsweise Hilfsstoffen die Gentechnologie schon Einzug gehalten hat. Das sehe ich nicht unbedingt negativ, da die Gentechnik in diesem Bereich – ähnlich wie in der Medizin – auch viele Vorteile aufzuweisen hat. Die meisten Enzympräparate, die heute mit gentechnischen Methoden hergestellt werden, sind längst auf dem Markt eingeführt. Zum Beispiel wird das Enzym Chymosin zur Dicklegung der Milch bei der Käseherstellung eingesetzt. Dieses gentechnisch erzeugte Enzym hat zugegebenermaßen viele Vorteile gegenüber dem aus Kälbermägen erzeugten Labferment. In England bewirbt eine Handelskette einen Cheddar-Käse mit der Aussage, daß er mit Hilfe der Gentechnik hergestellt und deshalb frei von tierischem Labferment sei. Der Hintergrund dieser Werbung ist selbstverständlich der BSE-Skandal in England, bei dessen Verlauf sich gezeigt hat, welche Gefahren die industrielle Landwirtschaft birgt.

In der Medizin sind die vielen positiven Aspekte der Gentechnologie unbestritten, wenngleich auch in diesem Bereich die Grenzen völlig klar aufgezeigt werden müssen. Viele Vitamine, die auch in der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden, werden heute mit gentechnischen Methoden erfolgreich hergestellt. Die Gentechnik ist in der Medizin allgegenwärtig. Deshalb sehe ich bei der Lebensmittelproduktion kein Problem, wenn zum Beispiel gentechnisch erzeugte Enzyme als Hilfsstoffe verwendet werden, da wir uns andererseits mit gentechnisch erzeugten Impfstoffen impfen lassen.

Es soll nur nicht dem Konsumenten der Eindruck vermittelt werden, als könne er ein Leben führen, ohne mit der Gentechnologie in Berührung zu kommen.

Die österreichische Kodexkommission hat in ihrer Plenarsitzung vom 15. April 1998 die Definition der Gentechnikfreiheit beschlossen. Gentechnikfreiheit bedeutet demnach, daß Gentechnik bei der Herstellung der Produkte praktisch keine Rolle gespielt haben darf. Diese gentechnikfreien Produkte werden – ähnlich wie die Bio-Produkte – reine Nischenprodukte sein und können für die Versorgung der Gesamtbevölkerung mit Lebensmitteln keine bedeutende Rolle spielen. Dies sollte den Österreichern auch von seiten der Regierung gesagt werden. Wir werden unseren Markt auch nie gegen gentechnisch veränderte und mit Hilfe der Gentechnik erzeugte Produkte abschotten können, denn dazu müßten wir aus der EU austreten.

Ich möchte nochmals zusammenfassend sagen, daß die Gentechnik viele positive Potentiale und Einsatzgebiete hat, daß gerade in der Landwirtschaft die Gefahr der Einseitigkeit und der zu intensiven Nutzung besteht und daß in der EU leider die Befürworter der industriellen Landwirtschaft die Mehrheit verkörpern. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Wichtig wäre die EU-weite Erarbeitung von Leitvorstellungen, denen die Gentechnologie dienen soll. Hier könnte Österreich die Rolle einer treibenden Kraft spielen, die ich bisher aber vermisse. Wenn die Gentechnik dann in diesen Grenzen eingesetzt wird, ist es sicherlich positiv. Österreich müßte darauf drängen, daß die EU-weite Definition der Grenzen schleunigst erfolgt, anstatt in Österreich Scheindebatten zu führen.


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Abschließend möchte ich darauf hinweisen, daß es demokratiepolitisch äußerst problematisch ist, daß nur deswegen, weil ein Unterausschuß von einem Oppositionspolitiker geführt wird, der nicht ins Konzept paßt, im Parlament ein Sonderausschuß gebildet wird, mit dessen Vorsitzführung ein Abgeordneter von einer der beiden Koalitionsparteien betraut wird. Der Gesundheitsausschuß des Nationalrates ist absichtlich ausgeschaltet worden.

Auf die Probleme, die sich aus den Haftungsregelungen dieses Gesetzes ergeben, wird mein Kollege, Professor Böhm, näher eingehen. Wir stimmen diesem Gesetz nicht zu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.03

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Peter Rieser. – Bitte.

12.03

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Es ist schwer verständlich, wenn es wieder einmal jemand aus der Industrie wie mein Kollege vorhin mit Verunsicherung versucht hat, wo wir doch alle gemeinsam wissen, wie weit die Gentechnologie heute ist. Ich bin mir sicher, daß auch Sie in Ihrem Betrieb ohne diese Produkte, die teilweise auch exportiert werden, nicht auskommen. (Bundesrat Mag. Scherb: Das habe ich ja gesagt!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute aber über die Gentechnik und über das neue Gentechnikgesetz diskutieren, kommt man nicht darüber hinweg, daß man auch die 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher erwähnt, welche dieses Gentechnik-Volksbegehren unterschrieben haben. Die Forderungen möchte ich nicht wiederholen, weil ich der Meinung bin, daß sie sicherlich allen Mandataren in diesem Haus hinlänglich bekannt sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einführung neuer Technologien ist bei den Menschen häufig mit Erwartungen und auch mit Ängsten verknüpft. Das gilt im besonderen für die Gentechnik. Wir müssen diese Ängste ernst nehmen und dazu beitragen, sie auch abzubauen. Das Schlechteste, was man in dieser Situation tun könnte, wäre, den Verbrauchern Informationen vorzuenthalten und sie im Ungewissen zu lassen. Dies würde die Angst nur vergrößern. Es gibt in der Gentechnik nichts zu verbergen! Notwendig ist die Aufklärung und nicht die Verunsicherung!

Die Gentechnik ist wie jede andere Technologie weder gut noch böse. Entscheidend ist, was die Menschen daraus machen. Auf die Gentechnik von vornherein zu verzichten, wäre ebenso verantwortungslos, als alles zu machen, was man damit machen kann. Aber nicht nur bei der Anwendung neuer Technologien muß es eine Abschätzung von möglichen Risken geben, sondern auch bei der Nichtanwendung muß man die Augen offen halten.

Die Gentechnik zählt neben der Mikroelektronik zu den wichtigsten Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Die Akzeptanz der Gentechnik im Bereich der Medizin hat bei der Bevölkerung in den letzten Jahren enorm zugenommen. Sie ist heute in diesem Bereich wesentlich höher als in der Nahrungsmittelerzeugung.

Mit dem neuen Gentechnikgesetz werden in Österreich, Herr Kollege Scherb, die weltweit strengsten Haftungsbestimmungen eingeführt – die weltweit strengsten Haftungsbestimmungen! (Bundesrat Dr. Tremmel: Gilt das auch für die USA?) Nicht der Geschädigte, sondern der Betreiber, der Produzent, lieber Herr Kollege Tremmel, hat den Nachweis zu erbringen, und zwar bei uns in Österreich. Ich sage dies deshalb, weil Kollege Scherb vorhin gemeint hat, daß wir im nationalen Parlament eigentlich nichts ändern können, weil natürlich von außen sehr viel nach Österreich kommt. Aber wir haben die strengsten Haftungsbestimmungen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wenn sich die American Food Company auch daran hält, dann wäre ich froh!)

Herr Kollege Tremmel! Ich werde auch noch kurz darauf zu sprechen kommen, was die Kennzeichnung betrifft. Jedenfalls haben wir in Österreich das Modell gefunden, daß der Produzent nachweisen muß, daß, wenn jemand zu Schaden kommt, er aufgrund seiner Tätigkeit diesen Schaden nicht ausgelöst hat, und nicht der Geschädigte die Schuld des Produzenten.


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Darüber hinaus wurde die Forderung nach einer umfassenden Parteienstellung im Genehmigungsverfahren berücksichtigt. § 39a räumt folgenden Personen Parteienstellung ein: dem Antragsteller, dem Grundbesitzer, dem Nachbarn, der Gemeinde, der Nachbargemeinde, wenn das Grundstück an der Gemeindegrenze liegt, dem jeweiligen Land und natürlich den zuständigen Ministerien.

Eine umfassende Kennzeichnungsregelung auf EU-Ebene – darin pflichte ich Ihnen völlig bei – ist notwendig. Eine rein österreichische Kennzeichnung wäre auf dem Binnenmarkt nicht sinnvoll, sondern wäre eine Wettbewerbsverzerrung. Wir müssen den Erzeugern und Herstellern klare Vorgaben für die Kennzeichnung von gentechnikfreien Produkten geben, ohne dabei die Gentechnik zu diskriminieren, damit auch der Konsument frei entscheiden kann. Es soll einen freien Wettbewerb geben, und wenn er gentechnikfreie Produkte kaufen will, dann soll er diese Produkte natürlich auch als solche erkennen können.

Verantwortliche Anwendung der Gentechnologie heißt meiner Meinung nach, Gefahren zu erkennen, Risiken einzugrenzen und Vorkehrungen gegen jeglichen Mißbrauch zu treffen.

Das Ziel des Einsatzes der Gentechnologie in der Landwirtschaft ist die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und der Wettbewerbsfähigkeit. Wir dürfen in diesem Zusammenhang nicht nur an uns denken. Österreich darf sich nicht von der Wissenschaft, von der Forschung abkoppeln und die Genforscher damit zwingen, ihre Tätigkeit in das Ausland zu verlagern. So geschehen im Jahre 1997 im Waldviertel, wo man einen Versuch mit diesen berühmten Kartoffeln starten wollte, die nicht für die Nahrungsmittelindustrie vorgesehen gewesen sind, sondern für die Erzeugung von Klebstoff. Es ist allen bekannt, daß dieser Versuch gegenwärtig in unserem Nachbarland Bayern läuft.

Derzeit, meine sehr verehrten Damen und Herren, leiden über 800 Millionen Menschen an Unterernährung. 14 Prozent der Weltbevölkerung hungert. Und die Menschheit wächst weiter: Sie wird von gegenwärtig 5,7 Milliarden Menschen auf über 7 Milliarden Menschen im Jahr 2010 anwachsen – so jedenfalls eine Prognose. Die Welternährungsorganisation FAO geht deshalb davon aus, daß die Agrarproduktion bis zum Jahre 2010 um 60 Prozent steigen muß. Auf der Erde kommt nur ein Zehntel der Landfläche für eine umweltverträgliche Landwirtschaft in Frage, und die zur Nahrungsproduktion nutzbare Fläche wird nicht größer. Aus diesem Grund bin ich davon überzeugt, daß niemand auf eine moderne und intensive Landwirtschaft verzichten kann. Wenn wir den weltweiten Wettlauf zwischen Pflug und Klapperstorch gewinnen wollen, müssen wir mehr tun als nur unsere Pflicht.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einen weiteren Aspekt aufgreifen, der auch für uns einen hohen Stellenwert besitzt, nämlich den Umweltschutz. Denn mit Hilfe der Gentechnik können langfristig – so lassen es einige Forschungsergebnisse erwarten – mehr Nahrungsmittel mit weniger Dünge- und Pflanzenschutzmittel, also gewissermaßen mit mehr Umweltschutz, produziert werden. Gibt es irgendeinen Grund, diese Entwicklung zu verhindern? – Für mich lautet die Antwort nein, denn die Gentechnologie bietet uns auch ökologische Chancen.

Hohes Haus! Ich habe vor einiger Zeit eine große landwirtschaftliche Versuchsanstalt im Osten besucht und dabei Gelegenheit gehabt, mich mit der Gentechnologie auseinanderzusetzen. Hiebei hat der Umweltschutz als Forschungsziel die erste Priorität, das bedeutet keinen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Die Klimaverträglichkeit hat Priorität zwei. 30 neue Apfelsorten mit ausgezeichnetem, fruchtigem Geschmack, Marillen- und Weinkulturen, die Temperaturunterschiede von 100 Grad Celsius – minus 50 Grad, plus 50 Grad – ohne Frost- und Trockenschäden vertragen, sind das Ergebnis.

Es ist in diesem Zusammenhang auch erwähnenswert, daß diese Pflanzen angebaut werden, die Entwicklungen aber natürlich genau beobachtet und geprüft werden, bevor man in diesem Land im Osten die endgültige Freisetzung zuläßt.

Die Gentechnik bietet bisher ungeahnte Chancen, die wir nutzen sollten. Sie birgt natürlich auch Gefahren – große Gefahren! – in sich, vor denen wir unsere "Mitgeschöpfe" und auch uns selbst


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schützen müssen. Schließlich gibt es auch ethische Grenzen, die wir nicht überschreiten dürfen, nämlich dort, wo Menschenrechte und Persönlichkeitsrechte berührt werden.

An dieser Stelle sei auch ein klares Nein zur Anwendung der Gentechnologie an den Menschen und auch an den Tieren ausgesprochen. Wir müssen erklären und aufklären. Wir müssen verdeutlichen, daß der Einsatz der Gentechnik von kritischen Wissenschaftern unter großen gesetzlichen Auflagen und unter scharfer Kontrolle erfolgt. Wir sollten nicht so tun, als seien wir die einzigen, die die Gentechnik hinterfragen und ihre Risken abschätzen. Die Diskussion läuft international auf Hochtouren, oftmals schon sehr viel länger als bei uns. Deshalb wird die Fraktion der Österreichischen Volkspartei diesem Gesetz auch die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

12.15

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Günther Leichtfried das Wort. – Bitte.

12.15

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Es ist schon phantastisch, auf dem Gehsteig einer stark belebten Straße stehenzubleiben, um die vielen Menschen zu betrachten, die an einem vobeigehen – oder besser gesagt: vorbeihasten –: Jeder ist anders, und es gibt eine ungeheure Vielfalt, die wohl schon jedem von uns bewußt geworden ist, wenn er seine Umgebung mit offenen Augen wahrgenommen hat.

Aber was ist schon die Vielfalt des menschlichen Aussehens gegen die Natur überhaupt – von den kleinsten Einzellern angefangen bis hinauf zu den höchstorganisierten Lebewesen? – All diese Vielfalt ist in einer unscheinbaren, bis vor wenigen Jahrzehnten noch sehr geheimnisvollen Substanz gespeichert, die wir als DNA bezeichnen. Sie ist der Träger der Erbinformation und der Formenspeicher des Lebens.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wen wundert es da, daß die Vielfalt und die Wirkungsweise dieser Substanz und auch die Veränderungsmöglichkeiten, die in ihr liegen, näher untersucht und näher erforscht werden und daß die natürliche Neugierde der Wissenschafter auch hier voll zum Tragen kommt?

Gentechnologie beherrscht seit etwa zwei Jahrzehnten die wissenschaftliche und auch die politische Diskussion. Diese Technologie kann aber, wie jeder Zweig einer Wissenschaft – das ist heute schon mehrmals betont worden –, nur dann zum Vorteil der Menschen beitragen, wenn sie von einer Verantwortung für den Mitmenschen getragen wird, sowohl für die Mitmenschen von heute als auch für jene der Zukunft. Da der Mensch die Umwelt nicht beliebig manipulieren, sondern nur harmonisch mit ihr leben kann, trägt er auch die Verantwortung für diese Welt und die Zukunft als Ganzes.

In dieser Verantwortung – das glaube ich, feststellen zu können – liegen meiner Meinung nach auch die beabsichtigten Veränderungen des Gentechnikgesetzes. Heinz Gradwohl, der Landwirtschaftssprecher der Sozialdemokraten, hat in einem Artikel in der Parlamentsbeilage der "Wiener Zeitung" gemeint: Die Chancen der Gentechnologie soll man nützen, die Risken ausschließen. – Dem kann ich mich voll anschließen, wenn uns tatsächlich bewußt ist, in welchen Bereichen unsere Chancen und in welchen die besonderen Risken liegen.

Über 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher haben das Gentechnik-Volksbegehren unterschrieben. Die Forderungen dieses Volksbegehrens – ich möchte sie trotzdem nochmals wiederholen, obwohl sie allen bekannt sind – richteten sich gegen den Einsatz gentechnischer Methoden im Lebensmittelbereich, gegen die Patentierbarkeit des Lebens und gegen die Freisetzung genmanipulierter Organismen. Sie richteten sich aber nicht gegen die Gentechnik als solche. Diese wird auch von den meisten Menschen in Österreich nicht abgelehnt – wissend, daß viele Bereiche, wie der Bereich der Medizin, der Entwicklung der Medikamente, der Forschungsbereich und andere mehr, für den Menschen von großer Bedeutung sind und in Zukunft


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noch mehr an Bedeutung gewinnen werden. Auch ich persönlich habe unter dieser Erwartungshaltung dieses Volksbegehren mit unterzeichnet.

Die Gentechnik ist also eine Technologie, die sowohl beträchtlichen Nutzen als auch Risken für Umwelt und Menschen bedeuten kann. Vor den Risken haben die Menschen Angst, und dies haben sie durch ihre Unterschrift dokumentiert.

Es war daher notwendig, ein neues, verbessertes gesetzliches Rahmengerüst zu konstruieren, das die Menschen in die Lage versetzt, vorhandene Chancen zu nützen und die Risken zu minimieren. Eine wichtige Forderung der sozialdemokratischen Fraktion war es daher, einen Interessenausgleich zwischen der Bevölkerung auf der einen Seite und der Wissenschaft und Wirtschaft auf der anderen Seite zu erreichen, um den Menschen Sicherheit ganz allgemein und Rechtssicherheit im besonderen zu geben. Dies kann man durch eine Vielzahl von Maßnahmen erreichen, und zwar durch mehr Information, durch mehr Transparenz, durch mehr Mitwirkungsmöglichkeit, durch verbesserte Haftungsregelungen und durch umfassende Kennzeichnung.

Das generelle Produktionsverbot ist aufgrund der fehlenden EU-Konformität und wegen des starken internationalen Warenverkehrs nicht umsetzbar. Eine wesentliche Bedeutung kommt daher der Kennzeichnung zu. Diese muß umfassend und lückenlos sein. Mit der Gentechnik-Kennzeichnungsverordnung vom 27. Februar 1998 und mit der Zusatzstoff-Kennzeichnungsverordnung zur Ergänzung der Novel-Food-Verordnung, welche im Entwurf vorliegt und bei der das Begutachtungsverfahren bereits abgeschlossen ist, befinden wird uns aber meiner Meinung nach auf dem richtigen Weg.

Nun ist aber die EU am Zug. Ich glaube, daß der eingeschlagene Weg der umfassenden Kennzeichnung der einzig richtige ist. Denn wie könnte man sonst in einem freien Markt, in dem Lebensmittel aus der ganzen Welt in den Regalen unserer Läden stehen, diesem Problem begegnen? – Nur durch eine lückenlose Kennzeichnung können wir die Menschen vor dem Griff zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln bewahren.

Wir müssen aber auch den Druck auf die EU vergrößern und die Zeit unserer bevorstehenden Präsidentschaft dazu nützen, um in diesem Bereich europaweit etwas weiterzubringen. Das im Juli 1997 beschlossene Grundsatzpapier zur umfassenden Kennzeichnung, das noch in den entsprechenden Richtlinien und Verordnungen Eingang finden muß, sollte so schnell wie möglich umgesetzt werden.

Der zweite wesentliche Punkt des Volksbegehrens war: keine Freisetzung für genmanipulierte Lebewesen. Ein absolutes Freisetzungsverbot ist ebenfalls aufgrund fehlender EU-Konformität nicht möglich. Denkbar wäre allerdings – ich glaube, da bin ich mit meiner Fraktion eins; ich würde das wirklich sehr begrüßen –, regionale Verbote und Beschränkungen von Freisetzung und Aussaat gentechnisch veränderter Lebewesen in ökologisch sensiblen Gebieten zu erlassen. (Bundesrat Schaufler: Das ist eine Illusion!) Das glaube ich nicht, Herr Kollege! Ich glaube, daß das im Rahmen von Naturschutzlandesgesetzen geht. (Bundesrat Schaufler: Da müssen Sie die Bienen auch einsperren! Das ist ein Widerspruch!) – Okay. Meine Meinung ist eine andere.

Es hat aber bereits viele wichtige Neuerungen gegeben, die eine qualitative Verbesserung gebracht haben. Dies haben wir auch von meinem Vorredner gehört. Es handelt sich dabei um qualitative Verbesserungen, wobei zu sagen ist, daß kein Land in Europa – in Europa; ich betone dies deshalb, weil es zuerst eine Diskussion bezüglich Amerika gegeben hat – etwas Vergleichbares aufzuweisen hat. Viele dieser Verbesserungen konnten in diese Novellierung aufgenommen werden, wie etwa die Erweiterung der Parteienstellung, über die ausführlich diskutiert worden ist. Oder – das halte ich für besonders wichtig –: die Beweiserleichterung, die Auskunftspflicht der Betreiber und eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung.

Zusammenfassend kann festgestellt werden: Seitens meiner Partei hätte man sich sicherlich in mehreren Punkten die eine oder andere Verschärfung vorstellen können. Die heutige Gesetzesänderung stellt daher einen Kompromiß dar, aber einen Kompromiß, der für den Bürger mehr Sicherheit, mehr Transparenz und mehr Mitwirkung bringt. Eine Zustimmung zur vorliegenden


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Gesetzesänderung bringt uns daher auf den richtigen Weg. Aus diesem Grund ist eine Ablehnung gegenüber den Bewohnern unseres Landes unverantwortlich.

Es darf aber in dieser Diskussion noch lange kein Ende geben. Vielmehr müssen wir uns ständig der Für und Wider der Gentechnik bewußt sein und entsprechende Maßnahmen setzen, die notwendig sind, um die Risken weiter zu minimieren. In diesem Sinne stimmen meine Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion und ich zwar nicht himmelhoch jauchzend, aber doch hocherhobenen Hauptes zu und erheben gegen die vorgelegte Gesetzesänderung keinen Einspruch. (Beifall bei der SPÖ.)

12.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Peter Böhm das Wort. – Bitte.

12.24

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Aus der Vielfalt der Probleme, die mit dem gegenständlichen Bundesgesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes verbunden sind, greife ich lediglich einen zentralen Kritikpunkt heraus, und zwar die Haftungsfrage. Im Bericht und Antrag des Besonderen Ausschusses zur Vorberatung des Gentechnik-Volksbegehrens wird nicht zuletzt hervorgehoben, daß der Entschließungsantrag umfassende Haftungsregelungen im Sinne einer Gefährdungshaftung vorsehe. In der Tat war es einer der ganz wenigen Punkte, über die im Besonderen Ausschuß Einvernehmen herrschte, nämlich daß die rasche Einführung solcher Haftungsbestimmungen eine politische Notwendigkeit darstellt. Ohne Zweifel hätte der ursprünglich vom Bundesminister für Justiz vorgelegte Diskussionsentwurf eine zeitgemäße und vorbildliche Neuregelung der Haftungsfrage im Rahmen des Gentechnikgesetzes geboten – dies vor allem deshalb, weil darin erstmals eine Schadenersatzpflicht auch für Umweltbeeinträchtigungen vorgesehen war.

Als dem Besonderen Ausschuß zugezogener Rechtsexperte habe ich diesem Entwurf des Bundesministeriums für Justiz denn auch ausdrücklich gute Qualität bescheinigt. Daher stehe ich auch hier und heute nicht an zu sagen, es war ein großer Wurf. Ebenso ist anzuerkennen, daß wichtige Teile der einschlägigen Spezialdebatte bereits in den Begutachtungsentwurf des Justizministeriums Eingang gefunden hatten, wie im Bericht zutreffend vermerkt wird. Leider ist es nicht bei dieser Fassung des Gesetzentwurfes vom 20. Jänner 1998 geblieben.

Ganz offensichtlich haben die Koalitionsparteien auch hier den vehementen Einwänden interessierter Wirtschaftskreise und deren Lobbyisten, die gegen zentrale Punkte der Neuregelung Sturm liefen, weitgehend nachgegeben; denn der am 31. März 1998 vorgelegte § 27-Antrag der Regierungsparteien sieht eine Haftung für Umweltbeeinträchtigungen – die sogenannten Ökoschäden – nur noch dann vor, wenn sie mit einem Schaden an einer körperlichen Sache verbunden sind. Mit anderen Worten: Die Haftung bei "bloßen" Umweltschäden – also bei Veränderungen in Ökosystemen als solchen – greift nicht mehr ein. Das heißt, freilebende Tiere und Pflanzen wie auch die intakte Natur bleiben insoweit schutzlos.

Ferner wurde die Bestimmung, daß die Ersatzpflicht auch den entgangenen Gewinn umfaßt, wieder eliminiert. Darin ist meines Erachtens ein wesentlicher Rückschritt gegenüber der geltenden Rechtsprechung zu sehen, die schon heute in allen Fällen der Gefährdungshaftung, die sie sogar auf ungeregelte Risikofälle per analogiam anwendet, im Wege einer Ausweitung des Begriffs des positiven Schadens auch den entgangenen Gewinn zuerkennt.

Höchst problematisch erscheint mir auch die Einschränkung des Kostenersatzes beziehungsweise Kostenvorschusses auf die volle Wiederherstellung des vorigen Zustandes der Umwelt. Gelingt sie dem Geschädigten nämlich nicht – das heißt: nicht in vollem Ausmaß –, so wird das Kostenrisiko zur Gänze auf ihn überwälzt.

Ersatzlos gestrichen wurde schließlich der Anspruch des Geschädigten, vom Betreiber die Unterlassung des unerlaubten, die Umwelt beeinträchtigenden Verhaltens zu verlangen. Die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde zur Erteilung entsprechender Aufträge oder Auflagen bietet


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meines Erachtens dafür keinen angemessenen Ausgleich; hat doch der Betroffene – anders als bei der Anrufung eines Gerichtes mit Unterlassungsklage – kein subjektives Recht auf das Einschreiten der Behörde. Zudem erscheint mir der unabhängige Richter als die zweifellos höhere Rechtsschutzgarantie für den Bürger als die Verwaltungsbehörde, die sich gegenüber wirtschaftlichen und politischen Sachzwängen, Interessen und Einflußnahmen stets als weniger resistent erweist.

Nicht zuletzt hätte die Deckungsvorsorge nach dem Entwurf bereits bei Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen der Sicherheitsstufe 2 in großem Maßstab oder der Stufe 3 in kleinem Maßstab eingreifen sollen. Auch dies wurde im Koalitionsantrag auf Arbeiten der Sicherheitsstufe 3 in großem Maßstab zurückgenommen.

An weiteren Bedenken seien nur noch zwei genannt, und zwar jenes hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung der Haftung bis zum faktischen Inverkehrbringen und jenes bezüglich des ungeklärten Haftungsrisikos für Landwirte, die sich zur Teilnahme an Freisetzungsprojekten oder zur Verwendung gentechnisch veränderter Produkte bewegen lassen.

Schließlich wurde eine ganz wesentliche neue Regelung, nämlich die im Produkthaftungsgesetz vorgesehene Erstreckung der Haftung auch auf das sogenannte "Entwicklungsrisiko" gentechnisch veränderter Organismen – unter Verweis auf eine zu erwartende neue EU-Richtlinie, das heißt im Klartext: auf unabsehbare Zeit – zurückgestellt.

Zusammenfassend ist daher mit Bedauern festzustellen, daß die Koalitionsparteien nahezu alle jene Regelungen, die einen entscheidenden Fortschritt bedeutet hätten – damit meine ich vor allem die Einbeziehung des Ökosystems in den Schutzbereich des Haftungsrechtes –, bewußt preisgegeben haben. Eine solche Neuordnung der Gentechnikhaftung kann man sich insofern ersparen, als sie zum Teil sogar hinter den gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung auf dem Gebiet der Gefährdungshaftung zurückfällt. Schon gar nicht trägt sie den Forderungen im seinerzeitigen Enquete-Bericht Rechnung.

Allein schon im Hinblick auf den dargelegten Rückschritt im Bereich des Gentechnik-Haftungsrechtes noch im Verlaufe des Gesetzgebungsprozesses muß ich daher meiner Fraktion empfehlen, dieser Vorlage ihre Zustimmung zu versagen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.31

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger. Ich erteile ihm das Wort.

12.31

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Das Gentechnik-Volksbegehren hat zu einer sehr intensiven öffentlichen Auseinandersetzung mit einer neuen Technik, der Biotechnologie, geführt, und die Bereitschaft der Bevölkerung – das ist heute auch schon in Zahlen ausgedrückt worden –, mit ihrer Unterschrift zu dokumentieren, daß der Gesetzgeber Sorge dafür zu tragen hat, daß Menschen durch eine neue Technologie nicht zu Schaden kommen, war sehr groß.

Sicherlich sind aber – davon bin ich fest überzeugt – neben den wissenschaftlichen Fakten auch Urängste des Menschen angesprochen und – vor allem über die Medien – kommuniziert worden. Ein Künstler aus meiner näheren Heimat hat diese Urangst meiner Meinung nach sehr deutlich und ausdrucksstark dargestellt. Er malte ein Bild mit dem Titel "Genmanipulation". Auf diesem Bild wird ein Tiermonster dargestellt, halb Huhn und halb Fuchs. Der Fuchskopf dieses Untieres faßt gerade nach dem anderen Körperteil, nämlich dem Huhn. Er möchte sozusagen seinen eigenen Körperteil auffressen, er frißt de facto sich selbst auf. Ich habe das als sehr ausdrucksstark empfunden. Es ist eine Urangst, die im Menschen schlummert, daß durch die Genmanipulation, durch die Gentechnik – diesen Ausdruck habe ich lieber als das Wort "Genmanipulation" – Gefahren drohen, die einen auch persönlich betreffen könnten.


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Für eine sehr große Aufregung hat im Vorjahr ein Auspflanzversuch im Raum Tulln in Niederösterreich gesorgt, bei dem gentechnisch verändertes Erdäpfelsaatgut – ich sage bewußt "Erdäpfel" und nenne nicht den deutschen Ausdruck "Kartoffel" (Bundesrätin Haunschmid: Sehr gut!)  –, österreichisches Erdäpfelsaatgut im Feldversuch angebaut worden ist. (Rufe: Chips! Pommes frites!)  – Pommes frites kenne ich natürlich auch von meinen vier Kindern, keine Frage. Aber ich liebe, wie gesagt, den Ausdruck "Erdäpfel" und vermeide bewußt den Ausdruck "Kartoffel".

Nach einer sehr heftigen medialen Diskussion, die nach diesem Auspflanzversuch stattgefunden hat, wurde dann verfügt, daß dieses Feld geräumt werden mußte. Die Erdäpfelknollen mußten also wieder herausgenommen werden. (Bundesrat Dr. Tremmel: In dieser Region ist der gebräuchliche Ausdruck "Erdäpfel"!)  – Da stimme ich Ihnen zu.

Wo stehen wir heute in der Gentechnikdebatte? – Wenn wir die Diskussion in dieser Gentechnikdebatte verfolgen, dann erkennen wir – das ist heute auch schon zum Ausdruck gekommen, und ich möchte es noch unterstreichen –, daß die Gentechnik im medizinischen Bereich überhaupt nicht mehr wegzudenken ist. Sie zu negieren, hieße, bewußt wieder ins medizinische Mittelalter zurückzufallen.

Als Beispiel – ich nenne dieses Unternehmen bewußt – möchte ich hier die Firma Biochemie Kundl in Tirol erwähnen, ein High-Tech-Unternehmen, das österreichweit 1 900 Menschen Beschäftigung bietet. Dieses High-Tech-Unternehmen exportiert 96 Prozent seines Umsatzes und kann letztlich nur auf der Grundlage dieser neuen Technik produzieren. Auch wenn Antibiotika dort nach wie vor aus natürlich vorkommenden Pilzen hergestellt werden, so wird doch in einigen Jahren durch gentechnologisch veränderte Pilzstämme wesentlich günstiger und besser produziert werden können. Das ist ein Fortschritt, den niemand hier in diesem Hause – davon bin ich überzeugt – bewußt verhindern möchte.

Daneben werden in diesem Unternehmen, das ich beispielhaft angeführt habe, auch Arzneimittel produziert, die nur mit Anwendung der Gentechnik erzeugt werden können, die also auf natürlichem Wege in dieser Form nicht produziert werden könnten. Solche Medikamente leisten beispielsweise in der Krebstherapie ausgezeichnete Dienste. Im medizinischen Bereich ist die Gentechnik also an der Tagesordnung.

Etwas, was heute noch nicht sehr klar formuliert worden ist, möchte ich besonders betonen und sehr deutlich sagen: Vergessen wir nicht, daß die Gentechnik auch Arbeit schafft! – Ich wiederhole: Gentechnik schafft auch Arbeit! Vergessen wir das nicht!

Viel diffiziler – diesem Themenbereich wurde heute schon sehr große Aufmerksamkeit geschenkt – ist der Einsatz der Gentechnik in der Lebensmittelproduktion. Es gibt sowohl bei den Produzenten, bei den Erzeugern, als auch bei den Konsumenten Gruppen, die der Auffassung sind, daß die diesbezüglichen gentechnischen Möglichkeiten in Österreich nicht genutzt, ja daß sie vom Gesetzgeber verhindert werden sollten.

Bei den Produzenten ist eine Gruppe, die so denkt, jene der Biobauern. Bei den Konsumenten gibt es ebenfalls eine Gruppe, die aufgrund der verschiedensten Ängste und auch zum Teil berechtigter Bedenken Sorge haben, daß dadurch unter Umständen Gefahr für Leib und Leben droht.

Wenn wir als Gesetzgeber den Einsatz von gentechnisch veränderten Lebensmitteln oder Lebensmittelbestandteilen verhindern wollten, müßten wir in Österreich zwar sicherlich nicht verhungern, das ist keine Frage. Wir würden uns aber, wie ich meine, der Chancen begeben, die im kontrollierten Einsatz dieser Technik – im kontrollierten Einsatz dieser Technik – liegen.

In Österreich ist insofern Vorsorge getroffen worden, als nach wie vor kein gentechnisch behandeltes Saatgut bezogen werden kann. Ein Vorredner meinte, es könne bezogen werden. Es kann aber tatsächlich vom Gesetz her kein gentechnisch behandeltes Saatgut in Österreich auf den Markt kommen. Die Sortenliste, die amtlich aufliegt und öffentlich einsehbar ist, enthält derzeit keinerlei Sorte, die gentechnisch verändert oder behandelt worden wäre.


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Bewußt verweise ich auf die Tatsache, daß in den USA ab zirka 1986 und in einigen EU-Staaten ab den neunziger Jahren ein solch restriktives Verhalten über Bord geworfen wurde. Natürlich birgt der Einsatz von Gentechnik in der Lebensmittelproduktion und im Konsum dieser Lebensmittel Gefahren in sich. Diese wurden heute schon einige Male erwähnt. Übersehen wir aber bitte nicht die Chancen einer neuen Technologie auf dem Weltmarkt, da ab der Jahrtausendwende – Agrarkommissär Fischler hat das kürzlich im Zuge der Agenda 2000-Diskussion erwähnt – ein deutliches Ansteigen des Lebensmittelverbrauches auf dem Weltmarkt gegeben sein wird.

Ich komme zum Schluß. Es läßt sich in diesem Hause sehr leicht über die Gefahren von gentechnisch veränderten Lebensmitteln akademisch philosophieren. Mit vollem Magen läßt sich sehr leicht über diese Thematik diskutieren! Wir sollten uns aber immer vor Augen halten, daß nach wie vor zwei Drittel der Menschheit Hunger leiden. Auch diesen Aspekt möchte ich hier einbringen, denn auch dieses Argument hat bei der Fraktion der Österreichischen Volkspartei dazu geführt, daß wir europaweit für eine Verfeinerung der Kennzeichnungspflicht bei Lebensmitteln eintreten. Letztlich soll und muß der Konsument wissen, was in dem Lebensmittel, das er kauft, enthalten ist. Aber die Gentechnologie generell abzulehnen, wäre Maschinenstürmerei, und dafür sind wir nicht zu haben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.40

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Harald Repar das Wort. – Bitte.

12.41

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute hier über die geplante Novelle zum Gentechnikgesetz debattieren, so behandeln wir damit die vielleicht sensibelste und gleichzeitig am schwersten abschätzbarste Materie der Gegenwart. Es gibt nur wenige wissenschaftliche und wirtschaftliche Bereiche, in denen die Meinungen derart kontroversiell aufeinanderprallen wie im Falle der Gentechnik.

Sowohl für die Bürger unseres Landes als auch für uns als Mandatare ist es sehr schwer, eindeutige Urteile zu fällen und Meinungen zu bilden, wenn es um das Freisetzen von gentechnisch veränderten Organismen oder um die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geht. Völlig zu Recht dominieren dabei die Ängste vor menschlichen Eingriffen, deren Folgen kaum abzuschätzen sind und deren Nutzen nicht immer klar auf der Hand liegt. Umso wichtiger ist es nun für die Legislative unseres Landes, sich dieser Materie anzunehmen und Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Gentechnologie zu erarbeiten.

Dabei müssen meiner Meinung nach zwei Ansprüche erfüllt werden. Erstens müssen wir die mit der Gentechnologie verbundenen Gefahren und die damit zusammenhängenden Ängste der Menschen sehr ernst nehmen.

Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die SPÖ-Kärnten bereits vor drei Jahren im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament in Kärnten eine Unterschriftenaktion eingeleitet hat. Innerhalb kürzester Zeit konnten wir dabei 30 000 Unterschriften sammeln und weitergeben. Wir haben uns damals für eine ehrliche Konsumenteninformation mittels einer umfassenden Kennzeichnungspflicht bei genmanipulierten Lebensmitteln ausgesprochen, und ich kann Ihnen berichten, daß ich noch nie eine derart einhellige Zustimmung erlebt habe, und zwar bei allen öffentlichen Veranstaltungen, bei allen Unterschriftenaktionen. Fast ausnahmslos haben die Menschen ihre großen Befürchtungen im Zusammenhang mit der Gentechnik ausgedrückt und sich gegen genmanipulierte Lebensmittel ausgesprochen. Diese enorme Verunsicherung muß auf allen Ebenen ernstgenommen werden. Dafür treten wir Kärntner Sozialdemokraten ein.

Zweitens sollten wir aber auch nicht den Fehler begehen – das wurde heute schon angesprochen –, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Was meine ich damit? – Ich bin gegen eine Pauschalverteufelung der Gentechnologie und gegen eine diskussionslose Ablehnung aller Entwicklungen im Bereich der Gentechnik. Vielmehr sollten wir Rahmenbedingungen schaffen, die


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eine möglichst streng kontrollierte Entwicklung der Gentechnik auch in Österreich zulassen. Schließlich existieren Studien – das wurde vorhin von meinem Vorredner angesprochen –, welche die Gentechnik als Zukunftsindustrie mit einem hohen Wachstums- und Arbeitskräftepotential definieren. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf eine Prognos-Studie verweisen, welche für Deutschland in nächster Zukunft 20 000 Arbeitsplätze mit einer möglichen Vervier- bis Verfünffachung innerhalb von weiteren vier Jahren vorsieht.

Wenn auch Prognosen bezüglich der künftigen Entwicklung der Gentechnik und insbesondere ihrer Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sehr schwierig sind, so wird doch allgemein angenommen, daß die Gentechnik heute dort steht, wo die Mikroelektronik in den fünfziger Jahren stand. Möglicherweise wird es also auch in der Gentechnik zu einer derart dynamischen und rasanten Entwicklung wie in der Mikroelektronik kommen. Dieser Möglichkeit – ich betone: Möglichkeit – sollten wir uns in Österreich nicht generell und ein für allemal verschließen.

Ich denke, daß die nun vorliegende Novelle zum Gentechnikgesetz diesen beiden von mir kurz skizzierten Ansprüchen doch weitgehend genügt, wobei natürlich allen klar sein muß, daß die Schaffung von sinnvollen Rahmenbedingungen für eine noch in den Kinderschuhen steckende Zukunftstechnologie eine enorm schwierige Gratwanderung darstellt. Österreich betritt mit seinen Regelungen bezüglich der Gentechnik absolutes Neuland, da es derzeit noch nichts Vergleichbares in Europa gibt.

Ich finde es äußerst positiv, daß wir uns als eines der ersten Länder mit dieser schwierigen Materie auseinandersetzen und nach sinnvollen Regulativen suchen. Dabei muß uns natürlich auch klar sein, daß es keine für alle Zeit gültigen Regelungen für eine Materie geben kann, der eine rasante und extrem dynamische Entwicklung prophezeit wird.

Mit unserem aktuellen Bundesgesetz über die Gentechnik ist meiner Ansicht nach der notwendige und äußerst schwierige Konsens zwischen den berechtigten Ängsten der Bürger einerseits und den optimistischen Prognosen von Wirtschaft und Wissenschaft andererseits gelungen, weshalb ich auch empfehle, dieser Gesetzesvorlage die Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.45

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus das Wort. – Bitte.

12.45

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir geben, wie bekannt, diesem Bericht und diesem Antrag nicht unsere Zustimmung.

Nirgendwo ist die Grenze zwischen Befürwortern und Nichtbefürwortern, die Grenze zwischen Rationalität und Irrationalität so klar wie bei diesem Thema – bei allem, was die Gentechnik anlangt.

Die Frage ist nur, ob man den Befürwortern zu Recht Rationalität unterstellt, während man den Nichtbefürwortern nachsagt, sie seien irrational. Vielleicht ist es genau umgekehrt! Vielleicht sind die Befürworter irrational, und die Nichtbefürworter neigen mehr dem rationalem Denken zu, als wir annehmen.

Von den Befürwortern wird argumentiert, daß die Gegner der Gentechnik immer neue Maßnahmen ergreifen, um solche Gesetze zu verhindern, um solche Techniken nicht Realität werden zu lassen. Sie meinen vorwurfsvoll, daß im Schutze eines politischen und medialen Sperrfeuers der Fortschritt behindert und der Handel und die Erzeugung von gentechnischen Produkten verhindert würden.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Welch ein Fortschritt ist das aber, über dessen Auswirkungen nur Optimisten mit gutem Gewissen und klaren Sinnen sagen können: Ja, wir wollen ihn!? – Wir als Parlamentarier sollen wohl jeder für sich selbst einen natür


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lichen Optimismus hegen, aber wir dürfen doch nicht diesen unseren persönlichen Optimismus, den wir gegenüber bestimmten Dingen haben mögen, so nach dem Motto: "Nächstes Wochenende ist es schön! Ich fliege dort und dort hin!", auf eine noch nicht erprobte, noch nicht ausgereifte Technik ausdehnen, die wir der gesamten Bevölkerung zumuten! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Da heißt es doch auf die Bremse zu steigen, behutsam zu sein, nachzudenken und nicht etwas überhapps durchziehen zu wollen.

Es stimmt: Es gibt jahrzehntelang erprobte und klinisch angewandte Mittel der Diagnostik, zum Beispiel in der Proteinanalyse, sowie die international akzeptierten Methoden der Gentherapie. All das gibt es. Aber es gibt auch den Vorwurf der Anlaßgesetzgebung. Es stimmt auch, daß trotz Tausender gentechnischer Versuche auf der ganzen Welt nirgends Schäden aufgetreten oder zumindest nicht bekannt geworden sind. Man sollte freilich nicht ausschließen, daß vielleicht Schäden aufgetreten sind, aber jene, die an der Gentechnik interessiert sind – es scheint immer mehr, als ob es dabei um ein Geschäft ginge –, sind sicherlich nicht daran interessiert, daß Schäden bekannt werden.

Auch wenn 20 Jahre lang keine Schäden in der Gentechnik oder durch die Gentechnik aufgetreten sind, müssen wir fragen: Wer gibt uns die Zuversicht und den Hochmut, eine millionenjahrelange Schöpfung, die natürlich ständig Mutationen hervorgebracht hat, mit 20 Jahren Gentechnik zu vergleichen, und zu sagen: 20 Jahre Vergleichszeitraum sind ausreichend, der Eingriff des Menschen hält, da passiert nichts Problematisches!? – Ich halte es für einen Hochmut der Schöpfung, dem Schöpfungsakt gegenüber, 20 Jahre mit dem Zeitraum der Erbgeschichte gleichsetzen zu wollen, so nach dem Motto: Es ist bisher nichts geschehen, daher wird auch weiterhin nichts geschehen.

Das sind Gründe, warum wir uns überlegen müssen, ob wir dafür oder dagegen sind. Wir Freiheitlichen stellen uns auf die Seite jener, die meinen: Gehen wir es vorsichtig an! Das Geschäft mag später kommen.

Es stimmt, daß durch die Gentechnik manche Pflanzen resistent gegen Schädlinge werden, es stimmt, daß andere Pflanzen nährstoffreicher und wieder andere besser verwertbar werden. Wir wissen, dadurch brauchen zum Beispiel weniger Pestizide eingesetzt zu werden, oder es wird weniger Energie verbraucht. Möglicherweise braucht man vielleicht auch in einzelnen Bereichen weniger Wasser.

Wer aber garantiert, wer aber kann ausschließen, daß diese manipulierten Lebewesen in Zukunft zu folgenschweren Fehlschlägen und ökologischen Katastrophen mutieren, meine Damen und Herren? – Wenn Sie diese Garantie übernehmen, dann sind Sie meines Erachtens Helden, dann sind Sie Hellseher. Ich möchte Ihnen kein nachlässiges Verhalten unterstellen, verehrte Kollegen und Kolleginnen! Aber wer von Ihnen kann die Garantie übernehmen? – Wir sitzen doch nicht nur fünf Jahre oder länger da, und dann ist die Sache geschehen, und man geht nach Hause. Man muß doch zu Hause seinen Freunden und seiner Familie erklären können, daß man nicht nur ein "Schönwetterpolitiker" gewesen ist, einer, der nicht nur das Gute in einer Absicht gesehen hat!

Dabei will ich gar nicht unterstellen, daß eine schlechte Absicht damit verbunden ist. Aber das Schlechte ist, daß wir nicht wissen, was sich daraus entwickeln kann! (Bundesrat Ing. Polleruhs: Bei der Eisenbahn hat man dieselbe Meinung vertreten!) Herr Kollege! Besonders ökologische Risiken sind realistisch und bedenkenswert, denn die Verbreitung von Resistenzgenen im Ökosystem ist ein ernstzunehmendes Risiko.

Man kann natürlich sagen – das sagen wiederum die Optimisten –, auch die Anreicherung von Tierfutter mit enormen Konzentrationen von Antibiotika birgt ein großes Risiko in sich. Das stimmt sogar. Aber man darf doch nicht das eine Risiko, welches wir schon kennen, gegen ein noch unbekanntes Risiko eintauschen, von dem nur Optimisten und Zukunftseuphoriker behaupten können, daß es keine Gefahr in sich birgt! Wir dürfen doch nicht sagen: Gleichen wir den einen Schaden durch einen anderen Schaden aus! – So dürfen wir das doch nicht machen, wir sind doch nicht an der Warenbörse!


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Wie gehen wir mit den Risiken um? – Das ist die Frage, die an uns gestellt wird. Natürlich wäre uns am liebsten, diese Gefahren bannen zu können. Ich bin überzeugt davon, die Befürworter sind ohnehin der Meinung, daß die Gefahren gebannt sind, aber wir sind der Meinung, daß die Gefahren nicht gebannt sind. Natürlich wäre es schön, diese Gefahren zu minimieren, auch das wäre gut, aber mir ist die Minimierung zu wenig. Bei anderen Dingen verlangt man, daß überhaupt kein Schaden auftritt.

Ich halte überhaupt die gesamte Haftungsfrage für verwegen, meine Damen und Herren! Wer haftet für die Zukunft? Kann eine Firma für eine außer Kontrolle geratene Gensache haften? – Da gibt es keine Haftung, meine Damen und Herren, denn wenn dieser Geist aus der Flasche einmal ausgekommen ist, dann ist er draußen! Und wenn der Zauberlehrling alleine im Raum ist, dann bringt er die Besen eben nicht mehr zurück in die Ecke, sondern die Besen tanzen wie wild herum, meine Damen und Herren! Das müssen wir zur Kenntnis nehmen!

Lesen Sie schöne deutsche Gedichte wie den "Zauberlehrling", oder lesen Sie "Der Geist aus der Flasche"! Sie werden erkennen, was da alles los ist. (Bundesrat Schöls: Warum müssen es unbedingt deutsche Gedichte sein? Warum betonen Sie das so?! – Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)  – Das ist ein sehr sinnvoller Einwurf. Ich bin überzeugt, wir könnten auch englische lesen, nur kenne ich sie nicht. Aber der Einwurf ist prima.

Wir fordern, daß zuerst die Ursachen, die solche Risken hervorrufen könnten, und ihre Konsequenzen mit allen Mitteln zu erforschen sind. Erst dann können Richtlinien, wie mit den Risiken umzugehen ist, formuliert und herausgegeben werden. Aber über diese Risiken, meine Damen und Herren, steht in der Vorlage nichts. Man tut so, als ob dieses Gesetz risikolos wäre beziehungsweise durch Haftungsfragen risikolos gemacht werden kann.

Frau Bundesministerin! Ich ersuche Sie: Beschränken Sie sich doch nicht auf Haftungen! Sie wissen doch genauso gut wie wir, daß diese Haftungen im Endeffekt nichts bringen. Wen wollen Sie denn haftbar machen, wenn das Ganze außer Kontrolle gerät, wenn es nicht mehr in den Griff zu bringen ist? – Das ist wie bei einer Staumauer, die birst. Wen machen Sie denn haftbar, wenn es dann Leichen gibt? – Es ist sehr interessant, daß auch Kollege Repar von Gefahren gesprochen hat. Aber er hat auch auf die Arbeitsplätze hingewiesen, die diese Technik bringt.

Meine Damen und Herren! Wissen Sie, daß eine Seuche ungeheuer viele Arbeitsplätze für Totengräber bringt? – Das möchte ich Ihnen einmal gesagt haben. Nehmen Sie die Gefahren ernst, statt zu sagen: Wir haben die Technik im Griff!

Kollege Rieser hat von der Haftung gesprochen. Herr Kollege Rieser! Welche Haftung sind Sie für diese Technik zu übernehmen bereit? – Das funktioniert doch nicht.

Herr Kollege Grasberger sieht in der Gentechnik tolle Chancen. Ich freue mich über Chancen. Jeder soll seine Chance haben, aber nicht zu Lasten der Allgemeinheit! Wir brauchen diese Gentechnik in ihrem derzeitigen Entwicklungszustand noch nicht!

Dann gibt es auch immer wieder Leute, die als Argument anführen: Im Ausland wird es doch auch gemacht! – Wenn im Ausland Leute Risiken übernehmen, die sie nicht tragen können, dann ist das ihre Sache. Aber warum müssen wir das gleiche machen? – Schließen wir uns doch nicht diesen Risiken an!

Es ist so, wie es Bert Brecht gesagt hat – ich glaube, so handeln Sie –: "Erst kommt das Fressen, und dann kommt die Moral!" – Handeln Sie umgekehrt: Erst die Moral und dann das Geschäft! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. – Bitte.

12.57

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Minister! Vor mir liegt dieser Gesetzent


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wurf, vor mir liegt aber auch der Initiativantrag des Landes Oberösterreich. Ich möchte die Gentechnik-Problematik aus der Sicht des Tourismus und aus der Sicht der Mutter sehen. Ich spreche auch von dem oft zitierten Feinkostladen Österreich, der nicht nur für unsere Branche, für die Tourismuswerbung, von großer Bedeutung ist, sondern dessen Erhaltung uns auch vor dem Beitritt zur EU versprochen wurde und der die Existenzgrundlage für viele Bauern und Unternehmer war.

Nicht nur ein wichtiger Aspekt in den ländlichen Regionen, sondern der wichtigste Teil der Tourismuswerbung überhaupt ist neben Kultur, Landschaft und Gastfreundschaft unser heimisches Produkt und sein Weg vom Bauern bis zum Wirt und zum Gast, vom Erzeuger zum Konsumenten. Wir sprechen von einem "Bioladen Österreich", vom biologischen Erdapfel, wenn Sie so wollen, und vom Rind auf Österreichs Almen – alles Dinge, die nicht genmanipuliert werden. Es sollte daher eine verpflichtende Forderung aller Bauern sein, ihre Produkte klar definieren zu können.

Wir wissen, daß man genmanipulierte Pflanzen, die als Grundlage für die Lebensmittelerzeugung dienen, zwar positiv hinsichtlich ihrer Resistenz gegen Schädlinge, Krankheiten sowie besseren Zuwachs beurteilt. Aber auf längere Sicht, meine Damen und Herren, fehlen der Wissenschaft noch ausreichende Daten über die Folgeerscheinungen für die Nahrungsaufnahme des Menschen innerhalb der gesamten Nahrungskette und deren eventuell negative Veränderungen über einen längeren Zeitraum hinweg, da es darüber noch keine grundlegenden Erfahrungswerte gibt.

Ich sehe das als multinationale Konzernpolitik. Ich nenne Ihnen dazu ein Beispiel: In Indien gab es über 1 000 Reissorten, jetzt sind es vielleicht nur noch ein Dutzend, und die Reisbauern müssen ihren Anpflanzungsvorrat aus Lagerhäusern internationaler Konzerne beziehen. Abgesehen davon, daß ihre Selbständigkeit eingeschränkt wird, wird auch die nationale Wirtschaft gefährdet. Denken wir bitte an unsere Saatbaugenossenschaften!

Weiters sind natürliche Genveränderungen, die laufend vorkommen, noch nicht erforscht. Dies gilt grundsätzlich für genveränderte Lebensmittel. Es ist noch nicht bekannt, welche Langzeitwirkungen zum Beispiel durch Umwelteinflüsse zu erwarten sind. Die Durchschnittsbevölkerung kann diese nicht erfassen und die Folgen abschätzen, daher sind die Wissenschaft und ihre Fachkräfte gefordert, intensive Forschungen und Beratungen vorzunehmen. Diese Arbeiten müssen gefördert und gesetzlich verankert werden.

Meine Damen und Herren! Die Bevölkerung, die Bauern und Wirte machen sich angesichts der Entwicklung vor allem im Lebensmittel- und Ernährungsbereich ernste Sorgen. Eine klare Kennzeichnung und Kontrollbestimmungen sind eine Pflicht – im Dienste der Gesundheit unserer Bevölkerung und unserer Gäste. Österreich sollte eine Vorreiterrolle in puncto Kennzeichnung, Freisetzung und Patentierung gentechnisch veränderter Organismen einnehmen, obwohl die Bundesregierung mit dem Abschluß des EU-Vertrages eine Einengung des nationalen Spielraumes bewußt in Kauf genommen hat – ohne Wenn und Aber zur EU.

Frau Ministerin! Sie selbst plädieren für die Kennzeichnungsverordnung genmanipulierter Zusatzstoffe. Wir werden diese nicht erreichen, weil die EU sonst den Handel gefährdet sieht.

Mir liegen der Initiativantrag des Landes Oberösterreich sowie weitere Zusatzanträge vor, in denen die Bundesregierung, der Nationalrat, aber vor allem die Landesvertretung, der Bundesrat, aufgefordert werden, die unverzügliche Schaffung einer Kennzeichnung und Kontrolle zum Schutze der Bevölkerung, zur Unterstützung von gentechnikfrei produzierenden Bauern und Lebensmittelverarbeitern zu fordern.

Ich habe schon gestern in der Ausschußsitzung vergeblich gehofft, daß mich die oberösterreichischen Kollegen hiebei unterstützen werden, und ich frage mich, was wohl in den Köpfen der Bauern vorgeht, wenn sie von diesem "ohne Wenn und Aber" ihrer eigenen Kollegen erfahren. Im Sinne der Wirtskollegen, im Sinne des Miteinanders von Bauern, Wirten und heimischen Produkten bleibt eines für mich und meine Fraktion weiterhin klar: kein Essen aus dem Genlabor!


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Ein Tourismus-Werbespruch wäre meiner Meinung nach folgender: Österreich ist nicht nur schön, Österreich bietet Ihnen auch einen unbedenklichen, gesunden Aufenthalt!

Meine Damen und Herren! Wehren Sie sich daher gegen diese Gesetzesvorlage, die nicht dem Gentechnik-Volksbegehren entspricht, wobei man nicht abschätzen kann, inwieweit die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung gefährdet ist, und die für Touristen aus dem Ausland bestimmt ein schlechtes Zeichen setzt! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.04

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Leopold Steinbichler. – Bitte.

13.04

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mir einen Vergleich der Gentechnik-Diskussion mit der Diskussion betreffend Osterweiterung nicht verkneifen: Es wird da diskutiert, als lebten wir im Schlaraffenland, als wären wir bei den sieben Zwergen, unbeeinflußt von den Fortschritten der letzten Jahrzehnte, sozusagen unberührt in einem Knabberhaus.

Ich meine, da bietet sich ein völlig anderes Bild, und ich bin mir sehr wohl der Verantwortung gegenüber den 1,1 Millionen Unterzeichnern des Gentechnik-Volksbegehrens bewußt. Ich bin mir weiters sehr wohl dessen bewußt, daß man in einem Zeitalter, in dem nicht davor zurückgeschreckt wird, sogar mit verseuchten Blutkonserven Handel zu treiben, sehr vorsichtig und gezielt in der Diskussion vorgehen muß. Aber ich bin überzeugt davon, daß man einer Sache den besten Dienst erweist, wenn man die Diskussion darüber offen und ehrlich führt.

Wenn man sich die Lebensmittel, wenn man sich die Produkte, die derzeit auf dem Markt angeboten werden, ansieht, so möchte ich wissen – vielleicht kann die Frau Ministerin in Ihren Ausführungen diesbezüglich einiges klarstellen –, wie viele Produkte noch unberührt von Zusatzstoffen sind, die mit Gentechnik bearbeitet wurden. Es ist höchst an der Zeit, Ehrlichkeit an den Tag zu legen, und es ist es notwendig, uns da selbst kein Scheinbild vorzumachen.

Frau Kollegin Haunschmid! Es darf doch nicht passieren, daß aus dieser Diskussion vielleicht noch eine für den Tourismus schädliche Diskussion wird. Es kommen nämlich Menschen aus Ländern zu uns nach Österreich, in denen Gentechnik kein Thema mehr ist. Ich meine, es darf nicht so sein, daß wir uns hier ein Bild vormachen, das es so nicht gibt. Deshalb ist es notwendig und wichtig, die Diskussion offen und ehrlich anzugehen und vor allem die Sorgen der Menschen ernstzunehmen.

Ich möchte jetzt nichts wiederholen, was schon Vorredner von mir gesagt haben, nämlich daß man sehr wohl gegen Gentechnik bei Mensch und Tier ist. Im medizinischen Bereich und im Umweltbereich jedoch, wo die Gentechnik tatsächlich Vorteile bringt, sollte man sich der Diskussion nicht verschließen. Wir von der ÖVP werden deshalb der vorliegenden Novelle zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.06

Vizepräsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin Mag. Barbara Prammer hat sich zu Wort gemeldet. – Bitte.

13.06

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Bundesräte! Ich habe gestern gemeinsam mit meiner Ministerkollegin Hostasch und meinem Ministerkollegen Farnleitner auf dem Gelände der Wiener Messe eine Ausstellung eröffnet beziehungsweise eine Pressekonferenz abgehalten, und zwar mit dem Thema "Gentechnik – Pro und Contra". Anläßlich dieser Pressekonferenz habe ich gesagt, daß ich es sehr bedauere, daß diese Ausstellung und viele andere Aktivitäten mindestens fünf Jahre zu spät kommen, wenngleich sie auch jetzt noch sehr wichtig sind.


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Ich möchte auch begründen, warum ich das gesagt habe. Es gibt einen losen Zusammenschluß von Wissenschaftern verschiedenster Disziplinen. Diese Gruppe nennt sich "Gentechnik und Wir", und diese Wissenschafterinnen und Wissenschafter haben die Initiative ergriffen. Sie selbst bezeichnen sich als – unter Anführungszeichen – "kritische" Wissenschafter, was bei dieser Ausstellung gleich zu einer hitzigen Diskussion mit Journalisten geführt hat. Diese Wissenschafterinnen und Wissenschafter wollen im Rahmen dieser Ausstellung – ich werbe somit gleich für diese Ausstellung – alle, egal, ob nun Befürworter, Gegner, Informierte oder Uninformierte, zur Diskussion einladen, und sie haben es tatsächlich zustande gebracht, alle genannten Gruppen weitgehend miteinzubeziehen. Das heißt, die Initiatorinnen und Initiatoren des Volksbegehrens sind genauso bei den Veranstaltungen, auch bei den ursprünglichen Auswertungen und Bewertungen der Ausstellung dabei wie jene, die sich eindeutig der Gentechnik als Zukunftstechnologie verschrieben haben.

Ich meine, genau diese Ausstellung und viele andere Aktivitäten und Initiativen sind notwendig, um herauszufinden, wie man sich mit einer neuen Technologie – ich möchte das gar nicht nur auf die Gentechnik beschränken; ich meine, das gilt prinzipiell – auseinanderzusetzen hat.

Ich behaupte nämlich auch, daß neue Technologien nur dann – das bitte unter Anführungszeichen – "akzeptiert" werden und insoferne auch "sicher" sind, wenn die Bevölkerung diese auch mittragen kann. Ich meine, daß es im Interesse aller ist – egal, ob es nun die Landwirtschaft, die Lebensmittelindustrie, die Bevölkerung, die Konsumentinnen und Konsumenten sind –, tatsächlich mit einer offenen Diskussion zu beginnen beziehungsweise in eine solche einzusteigen, denn es gibt nicht die Gentechnologie. Es gibt schlichtweg die Gentechnologie. Das heißt, man kann es sich nicht aussuchen. Es ist nicht zulässig, zu differenzieren und zu sagen: Gentechnik in der Medizin: alles eitel Wonne!, aber: Gentechnik in der Landwirtschaft: alles schlecht!

Man muß sich fragen, um welchen ganz konkreten Anlaßfall, um welches ganz konkrete Produkt es geht. Dann geht es darum, das jeweilige Produkt auch ganz genau zu bewerten – wissenschaftlich auch dahin gehend zu bewerten, was Umwelteinflüsse betrifft. Ich behaupte, auch dahin gehend zu bewerten, was ökonomische Beeinflussungen betrifft.

Vor diesem Hintergrund glaube ich, daß Sie heute hier einem Gesetzentwurf die Zustimmung – hoffentlich! – erteilen werden, der einen enorm großen Schritt in diese Richtung darstellt. Mein Kollege, Bundesminister Dr. Michalek, wird sicherlich noch etwas zum Haftungsrecht sagen, und deshalb möchte ich dieses Thema jetzt aussparen. Ich möchte dazu nur ganz kurz sagen, daß ich davon überzeugt bin, daß diese Haftungsbestimmungen sozusagen die beste Prävention sind. Kein seriöses Unternehmen wird sich diesbezüglich auf ein Risiko einlassen, wenn es sich dessen bewußt ist, daß da eben entsprechende Haftungsbestimmungen dahinterstehen. Aber wir haben auf europäischer Ebene noch einiges zu tun, auch was das Haftungsrecht betrifft. Auch dazu wird sicherlich Bundesminister Michalek noch einiges sagen.

Ich bin sehr froh darüber, gerade vor Ihnen, vor den Vertreterinnen und Vertretern der Bundesländer, sagen zu können, daß etwas Wichtiges im Rahmen dieses Gesetzes gelungen ist, was aber gar nicht so einfach war, nämlich eine echte Parteienstellung der Bundesländer, wofür ich sehr gekämpft habe. Ich möchte auch ganz kurz begründen, warum mir das so wichtig war, warum ich bis zum Schluß – was diesen Punkt betrifft – so hartnäckig war: weil ich weiß, daß die Bundesländer – ich hatte selbst einmal ähnliche Kompetenzen im Bundesland Oberösterreich – eigene Kompetenzen haben – etwa das Naturschutzrecht, klarerweise auch das Raumordnungsrecht – und es gerade von diesen Rechtsmaterien her geradezu logisch ist, daß Bundesländer automatisch Interesse daran haben, was in ihrem eigenen Bundesland geschieht.

Es ist nicht zufriedenstellend – ich denke es mir zumindest; ich war auch einmal Mitglied eines Landtages beziehungsweise einer Landesregierung –, sich ausschließlich in Resolutionen, Entschließungs- oder Initiativanträgen zu ergehen, selbst aber keine Kompetenz zu haben. In Zukunft werden die Bundesländer eben diese Kompetenz haben, und sie werden sich bei jedem einzelnen Fall, bei jedem einzelnen Verfahren, bei dem es um einen Freisetzungsantrag geht, überlegen müssen, ob sie sich nun dafür oder dagegen entscheiden. Es wird immer eine Frage


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sein, wie die Unterlagen zu bewerten sind. Was meinen Bereich betrifft, kann ich jedenfalls garantieren, daß Informationen auf breitester Basis zur Verfügung gestellt werden, daß aber umgekehrt natürlich auch mit in Erwägung zu ziehen ist, was es wirtschaftlich, auch landwirtschaftlich bedeutet, diese oder jene Frage so oder so zu entscheiden.

Ich meine auch, daß es eine ganz wichtige und wesentliche Angelegenheit ist, daß die Bundesländer – ich habe diesbezüglich den Landeshauptleuten eine Studie, die ich in Auftrag gegeben habe, zur Verfügung gestellt – im Rahmen ihrer Naturschutzkompetenz selbst die Frage beantworten können, ob sie dazu auch das jeweilige Landesnaturschutzrecht heranziehen, um unter Umständen in Fragen der Gentechnik geeignete eigene Antworten geben zu können. Auch da, so denke ich, wird diese Studie eine Hilfestellung für die jeweiligen Bundesländer darstellen, eben auch in Erwägung dessen, was gemacht werden kann, wo es für Österreich Rechtsfreiräume auf nationaler Ebene gibt. Einige Bundesländer haben bereits darauf reagiert. Darüber hinaus meine ich, daß es auch sinnvoll sein kann, zumindest was spezielle Gentechnikprodukte betrifft, klarzulegen, wo etwas hinpaßt beziehungsweise nicht.

Ich komme noch einmal zurück auf die gestrige Ausstellungseröffnung beziehungsweise auf die Pressekonferenz, bei der einer der Wissenschafter gesagt hat, daß es ganz wichtig ist, die jeweiligen Produkte sozusagen nicht losgelöst aus dem Labor heraus zu betrachten, sondern sie immer in Einklang damit zu bringen, wo und wofür sie eingesetzt werden sollen. Das ist natürlich ganz wichtig in bezug auf Lebensmittel, in bezug auf die Landwirtschaft. Es wird auch von der Seite der Wissenschaft her eindeutig so bewertet, daß es schon einen Unterschied macht, ob ein und dasselbe Produkt im Norden oder Süden Europas zur Anwendung kommt oder nicht. Das heißt also, es ist ganz wesentlich, den Wissenschaftern auch unter diesem Gesichtspunkt zuzuhören, und es ist vor allen Dingen auch wichtig, ihre Anregungen ernst zu nehmen.

Nochmals auf diese Ausstellung zurückkommend: Es ist und war mir wichtig, daß es möglich sein muß, darüber einen Dialog zu führen. In diesem Zusammenhang habe ich stets an die Wirtschaft und an die Wissenschaft appelliert, und ich bin froh darüber, daß diesem Appell nachgekommen wird. Die Wirtschaft kann nicht sozusagen hinter den Fabrikstüren verschwinden und auch nicht die Wissenschaft in ihrem Turm, sondern es ist notwendig, daß beide gemeinsam in einen Dialog mit der Bevölkerung eintreten. Die Politik hat dazu die nötigen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen, und genau das tun wir auch.

Die von mir angesprochene Ausstellung wird ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanziert. Wir haben Wert darauf gelegt, keinen einzigen privaten Schilling dort hineinzustecken, um nicht in den Geruch zu kommen, die Wirtschaft könnte daran Interesse haben oder würde hinter dieser Ausstellung stecken. Nahezu alle Ministerien zahlen mit, und darüber bin ich auch froh. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an zusätzlichen Aktivitäten einzelner Ministerkolleginnen und -kollegen, Aktivitäten natürlich auch in meinem Bereich, weil ich weiß, wie wichtig Informationen darüber in nächster Zeit sein werden.

Auf europäischer Ebene – das ist heute hier schon mehrmals gesagt worden – ist die Kennzeichnung der wesentliche Schritt, der noch aussteht. Wir in Österreich haben diesbezüglich auf nationaler Ebene alles umgesetzt – im Gegensatz zu anderen EU-Mitgliedstaaten, die noch nicht so weit sind. Wir haben alle nationalen Verordnungen erlassen. Der Diskussionsprozeß schreitet bei uns auch weiter voran, nämlich was die Durchführungsbestimmungen der verschiedenen EU-Richtlinien beziehungsweise -Verordnungen betrifft. Ich dränge auch sehr stark darauf, und ich versuche, unter den anderen Mitgliedstaaten Bündnispartnerinnen und Bündnispartner zu gewinnen, und zwar aus einem einfachen Grund: Das liegt nicht nur im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch im Interesse der Wirtschaft, die ganz dringend darauf wartet, Kennzeichnungsbestimmungen zu erhalten. Die zu installierenden Kennzeichnungssysteme sind nicht gerade billig, und das wird schlußendlich auch an die KonsumentInnen weitergegeben werden.

Was die Zusatzstoffkennzeichnungsverordnung betrifft, so kann ich sagen, ich bin nicht so pessimistisch wie manch andere, auch wenn ich nicht weiß, wie das auf europäischer Ebene


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ausgehen wird. Das Interesse innerhalb der Europäischen Kommission ist da sehr groß, ebenso innerhalb anderer Mitgliedstaaten.

Österreich ist, was die Gentechnik betrifft, sozusagen mit einer gewissen "Exotenposition" angetreten. Ich meine, wir waren aber mit unserer Position Vorreiterinnen und Vorreiter – nicht mit einer Ablehnung, sondern mit einer transparenten und offensiven Auseinandersetzung in dieser Thematik. Es ist kein Zufall, daß jetzt eine neue Richtlinie, die Novelle der Richtlinie 90/220, auf europäischer Ebene diskutiert wird, wobei es darum gehen wird, in Zukunft bei Genehmigungsverfahren auf europäischer Ebene grundsätzlich Fristen einzuräumen, das heißt, sozusagen nicht auf alle Zeit und in alle Zukunft zu bewilligen, sondern sich nach einer bestimmten Zeit anzuschauen, wie das jeweilige Produkt bei Anwendung funktioniert oder eben nicht funktioniert hat.

Wesentlich ist, daß in Zukunft ein Monitoring vorgesehen sein wird. Das ist übrigens etwas, was in den Vereinigten Staaten selbstverständlich ist, ebenso wie ein enorm großes Haftungsrecht. Das mag auch gerade deswegen etwas sein, was gerade in der "Neuen Welt" mit so großer Vorsicht angegangen wird.

Ein meiner Ansicht nach sehr wichtiges Thema möchte ich jetzt noch anschneiden, ein Thema, das auch von sehr vielen Bundesrätinnen und Bundesräten angesprochen wurde: Der Hunger in der Welt wird sich, so glaube ich, durch die Anwendung der Gentechnologie nicht beseitigen lassen. Diesen Hunger gäbe es nicht, wenn alle miteinander, auch dieses Wirtschaftssystem, dagegen ankämpfen würden. Es wird um ökonomische, um politische Entscheidungen gehen, diesen schrecklichen Mißstand zu beseitigen. Diesbezüglich können und dürfen wir uns nicht allein auf wissenschaftliche Methoden verlassen.

Die Debatte in Österreich ist ganz sicherlich keine Scheindebatte, und dabei geht es auch keineswegs – gegen diesen manchmal geäußerten Vorwurf verwahre ich mich immer entschieden – um Technik- oder Technologiefeindlichkeit.

Ich sage abschließend noch einmal, was ich bereits am Anfang meiner Ausführungen hier gesagt habe: Nur bei einer Akzeptanz der Bevölkerung sind Technologien – egal, wie sie heißen und auf welcher Basis sie entwickelt werden – Zukunfts technologien. Nur auf der Basis von Information und Transparenz gewinnen derartige Technologien an Seriosität und vor allen Dingen auch an Vertrauen in die Zukunft.

Ich meine also: Man sollte diesbezüglich keine grundsätzlich ablehnende Haltung an den Tag legen, selbstverständlich auch keine Freibriefe ausstellen, sondern differenziert an diese Thematik herangehen, von Fall zu Fall entscheiden – und vor allen Dingen die selbstbewußte Art und Position Österreichs in der Europäischen Union so fortsetzen, wie wir das auch schon bisher getan haben. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.20

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weiters hat sich Herr Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

13.20

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sozusagen mein Part in dieser Diskussion ist der zivilrechtliche Teil dieses Gesetzesvorhabens, der sich mit der Haftung für Arbeiten mit GVOs beziehungsweise deren Freisetzung befaßt. Auch wenn sich bekanntgewordene Gentechnikschäden in Grenzen halten, rechtfertigt das besondere Risikopotential auch ein besonderes Haftungsregime – im Interesse möglicher Geschädigter. Dieses Haftungsregime sind wir von drei Fragen aus angegangen: Wie weit sollen Haftungsansprüche gehen? Wie stehen die Chancen, gesetzlich festgelegte Ansprüche auch gerichtlich zugesprochen zu erhalten? Und, wenn das gelungen ist, wie können die Chancen auf tatsächliche Befriedigung zugesprochener Ansprüche verbessert werden?

Meine Damen und Herren! Auch ich sowie die Mitarbeiter des Justizministeriums teilen die heute schon vorgetragene Meinung, daß die letztlich gefundenen, durchaus als streng zu be


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zeichnenden Haftungsregelungen europaweit jedem Vergleich standhalten, daß sie insbesondere auch über das deutsche Gentechnikgesetz hinausgehen. Die vorgesehene Gefährdungshaftung ist – um es zusammenzufassen – verschuldensunabhängig, der Höhe nach unbegrenzt, erfaßt nicht nur den Störfall, sondern auch den Normalbetrieb, umfaßt nicht nur traditionelle Personen- und Sachschäden, sondern auch Umweltbeeinträchtigungen – im zivilrechtlichen Bereich allerdings nur insoweit, als diese Umweltschäden zugleich einen Sachschaden an der betreffenden Liegenschaft darstellen. Die betroffenen Eigentümer werden die Kosten der Sanierung einer Umweltbeeinträchtigung selbst dann ersetzt erhalten, wenn diese den Wert der Liegenschaft übersteigen. Daß diese Kosten auch vorschußweise geltend gemacht werden können, möchte ich hervorheben, ebenso, daß die Gelder nur widmungsgemäß verwendet werden können, es daher nicht im Belieben des Geschädigten liegt, was er mit einem Ersatzbetrag macht, sondern zum Schutze der Umwelt ein solcher Ersatzbeitrag zur Wiederherstellung des früheren Zustandes zu verwenden ist.

Daß über sogenannte reine Ökoschäden nicht durch die Gerichte geurteilt werden soll, hat durchaus auch gute Gründe, die im Begutachtungsverfahren vor allem von der Lehre geltend gemacht wurden, aber auch den Vorteil, daß die hinsichtlich der Sanierung zuständige Verwaltungsbehörde in aller Regel in fachlich-sachlicher Hinsicht besser geeignet ist. Das hat schließlich auch den Vorteil, daß das im Zivilprozeß für den Geschädigten gegebene Kostenrisiko wegfällt. – Ich gehe jedenfalls davon aus, daß die Behörde den ihr durch dieses Gesetz gegebenen Auftrag erfüllen wird.

Daß im Gesetz – entgegen unserem Entwurf – vom "entgangenen Gewinn" nicht mehr gesprochen wird, ist richtig, aber gerade Ihre Argumentation, Herr Professor Böhm, kann man auch umkehren: Sie weisen darauf hin, daß schon heute in der Rechtsprechung im Bereiche der Gefährdungshaftung – ohne daß das in den betroffenen Gesetzen vorgesehen ist – die Tatsache eines entgangenen Gewinnes Berücksichtigung findet, daß das im Wege der sehr weiten Auslegung des positiven Schadens vergütet wird. Dazu kann ich nur sagen: Warum soll es die Rechtsprechung nicht in diesem Fall auch tun? – Im Gegenteil, man gefährdet diese weitgehende Rechtsprechung in anderen Bereichen, wenn jetzt plötzlich der Gesetzgeber sagt: Wenn ein entgangener Gewinn vergütet werden soll, dann muß man es ausdrücklich sagen. – Vielleicht könnten da Rückschlüsse auf die übrigen Gefährdungshaftungsbereiche gezogen werden.

Ich meine überhaupt, daß die Frage des entgangenen Gewinnes im Hinblick auf die Rechtsprechung etwas überschätzt wird. Ich bin der Ansicht, daß dieser Punkt nicht allzu große praktische Bedeutung hat.

Die Anspruchsgeltendmachung wird durch die vorgesehenen Beweiserleichterungen, die dem Betroffenen viel weiter entgegenkommen, vor allem in der Kausalitätsvermutung, als das beim deutschen Gentechnikgesetz der Fall ist, und durch die Auskunftspflicht des Betreibers erleichtert. Damit wird in besonderem Maße dem gerade im Bereich der Gentechnik virulenten kompensatorischen Rechtsschutzbedürfnis des Geschädigten Rechnung getragen.

Schließlich wird durch die Verpflichtung zur Deckungsvorsorge die Chance der Geschädigten, auch tatsächlich Ersatz zu erhalten, sichergestellt. Wenn für bestimmte Tätigkeiten eine – auch Genehmigungsvoraussetzung darstellende – Mindesthaftpflichtversicherung gefordert wird, so heißt das nicht, daß im übrigen keine Deckungsvorsorge stattzufinden hat. Das wird auch gravierende haftungsrechtliche Folgen für die diese Deckungsvorsorge allenfalls unterlassenden Akteure nach sich ziehen.

Meine Damen und Herren! Auch uns ist natürlich bewußt, daß die besonderen Haftpflichtbestimmungen des Gentechnikgesetzes, die sich nur auf die Arbeiten mit und die Freisetzung von GVOs beziehen, unvollständig sind. Wir haben bereits im Begutachtungsentwurf darauf hingewiesen, daß sich das Risikopotential der Gentechnik im nachfolgenden Inverkehrbringen gentechnisch hergestellter oder veränderter Produkte fortsetzt und daß daher den spezifischen Bedürfnissen der Bevölkerung – vor allem in diesem Bereich – durch entsprechende haftungs


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rechtliche Bestimmungen entsprochen werden muß. Da kommt ja schon jetzt das Produkthaftungsgesetz zur Anwendung. Es ist nicht so, daß für in Verkehr gebrachte GVO-Produkte nach geltendem Recht keine strengen Haftungsregelungen bestünden. Wir meinen aber, daß diese Rechtslage verbesserungsbedürftig ist. Daher soll es auch zu Änderungen des Produkthaftungsgesetzes kommen.

Der Grund dafür, daß dies nicht sofort in einem geschieht, wie wir das im Begutachtungsentwurf vorgesehen haben, liegt nicht in unserem Unwillen, sondern im Europarecht, da für die von uns beabsichtigten und vom Ministerrat bereits zur Kenntnis genommenen Änderungen im Produkthaftungsgesetz ein spezielles Notifizierungsverfahren einzuhalten ist: Konkret ist die Kommission davon zu verständigen, daß Änderungen im Bereiche des sogenannten Entwicklungsrisikos geplant sind. Wir haben – das darf ich Ihnen berichten – dieses Notifizierungsverfahren durch einen entsprechenden Brief nach Brüssel bereits in Gang gesetzt.

Meine Damen und Herren! Auch wenn die nunmehr vorliegenden Bestimmungen im Zusammenhang mit der Gentechnikhaftung in einigen – wie ich aber glaube, sagen zu können, wenigen  – Bereichen hinter dem Begutachtungsentwurf des Bundesministeriums für Justiz zurückbleiben, sehe ich keinen Grund, diese abzulehnen.

Im Gegenteil: Auch die nun vorgesehene Gentechnikhaftung trägt in dem vom Gentechnikgesetz geregelten Anwendungsbereich der Entwicklung und Erprobung von GVO den Sorgen und Ängsten der Bevölkerung, wie sie sich nicht zuletzt im Gentechnik-Volksbegehren manifestiert haben, Rechnung. Sie vermeidet es, die Gentechnik in Österreich sozusagen im Umweg über überzogene und unangemessene Haftungsrisken de facto zu verhindern, sie ist aber durchaus, wenn man so sagen will, geschädigtenfreundlich, indem sie aufgrund ihrer Haftungsumfangsregelung, der Kausalitätsvermutung, der Auskunftspflichten, der Vorsorgedeckung et cetera et cetera die Erleichterung eines Schadensausgleiches sicherstellt und damit auch die ihr zugedachte Präventivfunktion entfalten wird.

Ich glaube daher insgesamt, daß sich die Arbeiten des Bundesministeriums für Justiz und des Ausschusses sehr gelohnt haben. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Dr. Böhm. )

13.31

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1998 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (1114/NR sowie 5664 und 5668/BR der Beilagen)


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5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird (1115/NR sowie 5669/BR der Beilagen)

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 und das Eltern-Karenzurlaubsgesetz geändert werden (1116/NR sowie 5670/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 4 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies: ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 und das Eltern-Karenzurlaubsgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 4 bis 6 hat Frau Bundesrätin Irene Crepaz übernommen. Ich bitte sie um die Berichterstattung.

Berichterstatterin Irene Crepaz: Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich muß mich für meine Stimme entschuldigen. – Alle drei Anträge liegen schriftlich vor, Sie können sie lesen. Der Ausschuß für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 28. April 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, zu Punkt 4 und 5 keinen Einspruch zu erheben. Zu Punkt 6 stellt der Ausschuß mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

13.34

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Sie jetzt hinausgegangen sind, Frau Ministerin, habe ich schon befürchtet, daß Sie uns bei einer solch wichtigen Debatte verlassen, aber ich sehe, Sie sind jetzt wieder da. (Bundesministerin Mag. Prammer: Menschliches Bedürfnis!)

Wir haben heute Gesetze vor uns liegen, deren Grundlage die Gleichbehandlung von Männern und Frauen ist. Angesichts dessen komme ich leider nicht umhin, einmal mehr anzumerken, daß vieles von dem, was uns jetzt in homöopathischen Dosen vorliegt, längst hätte getan werden können. Ich muß Sie immer wieder daran erinnern, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, daß die SPÖ seit nunmehr 28 Jahren an der Regierung ist und daß ihr seit über zehn Jahren die ÖVP zur Seite steht, aber im Sinne der Frauen hinsichtlich ihrer Gleichstellung ist nicht sehr viel weitergegangen. (Bundesrätin Schicker: Wissen Sie, was in dieser Zeit, in diesen 28 Jahren erreicht worden ist?)

Erst ein Frauen-Volksbegehren mit einer Unterschriftenanzahl von über 600 000 hatte etwas Bewegung in diese Sache gebracht, aber, wie gesagt, auch nur sehr wenig. Da sich zuerst SPÖ und ÖVP im Nationalrat gegenseitig mit Entschließungsanträgen eingedeckt haben, ist nicht sehr viel dabei herausgekommen. Man braucht es sich nur anzuschauen: Die Neufassung des


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Artikels 7 Bundes-Verfassungsgesetz beinhaltet nichts anderes, als ohnehin schon da war, nämlich die Gleichheit von Männern und Frauen. Die nunmehrige Neufassung schreibt vor, daß sich Bund, Länder und Gemeinden zur tatsächlichen Gleichstellung von Männern und Frauen bekennen. Das ist sehr schön, aber das gab es vorher auch, und das kann nicht das Gelbe vom Ei sein, das ist eine Selbstverständlichkeit. Es hätte sich vorher niemand gefunden, der das abgelehnt hätte. (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Wenn das alles ist, dann ist es nicht sehr viel.

Es geht dann weiter mit dem Arbeitsverfassungsgesetz, in dem auch Absichtserklärungen, gegen die ich überhaupt nichts habe, festgeschrieben sind, aber es bleibt im wesentlichen bei Absichtserklärungen. Natürlich ist in diesem Antrag einiges enthalten, was richtig und gut ist, das will ich gar nicht verschweigen, aber auch vieles, das es schon gibt. Ich nehme nur einige Bereiche heraus. In dem Antrag steht beispielsweise, wie eine Betriebsvereinbarung ausschauen könnte und daß ein Ziel die Erhöhung des Frauenanteils auf einen bestimmten – das ist offengelassen – Prozentsatz wäre. Das gibt es bereits. Seit Jahren wird davon gesprochen, daß man den Prozentsatz der Frauen erhöhen muß. Geschlechtsneutrale Formulierung gibt es bereits. Die ausdrückliche Einladung an Frauen, sich zu bewerben, gibt es bereits. Auch die bevorzugte Einstellung von Frauen in Funktionsebenen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, gibt es seit Inkrafttreten des Gleichbehandlungsgesetzes natürlich auch. (Bundesrätin Schicker: In der Privatwirtschaft auch?) – Das Gleichbehandlungsgesetz gilt wohl für alle und nicht nur für eine gewisse Sparte, so würde ich einmal meinen. Die sexuelle Belästigung gilt sowohl für den öffentlichen als auch für den privaten Dienst.

Sehr geschätzte Damen und Herren von der SPÖ! Daß in diesem Bereich wirklich noch nicht viel passiert ist, zeigt Ihr Parteiprogramm. Darin steht nämlich: Frauen werden Entwicklungschancen verwehrt – individuelle, soziale, wirtschaftliche und politische Chancen. Sie geben es selbst zu, daß dem so ist und daß noch sehr viel getan werden muß. Das Recht auf Arbeit steht auch in Ihrem Parteiprogramm. Lesen Sie es bitte nach! (Bundesrätin Kainz: Wir kennen unser Parteiprogramm!)

Das Recht auf Arbeit ist für viele Frauen totes Recht. (Bundesrätin Schicker: Das habe ich nie bestritten!) – Ich muß Sie aber trotzdem daran erinnern, daß es Ihnen innerhalb von 28 Jahren nicht gelungen ist, daß eine solche Formulierung nicht mehr notwendig ist, daß es nicht mehr nötig ist, solche Sachen in ein Parteiprogramm zu schreiben. (Bundesrätin Kainz: Sie verwechseln die legistische Ebene und die Durchführung!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! Ich will Ihnen allen gar nicht unterstellen, daß Sie sich nicht bemühen, ich glaube auch, daß Ihnen die Sache der Frauen ein echtes Anliegen ist, ich behaupte nicht, daß dem nicht so ist, aber wenn Sie es schon in den eigenen Reihen nicht durchsetzen können, dann frage ich Sie, wie Sie dann bitte für die Frauen draußen Großartiges erreichen wollen. (Bundesrätin Schicker: Sie können uns unterstützen! Wir haben aber nichts gesehen von den FPÖ-Frauen!) – Mache ich gerne.

Mir ist auch klar, daß nicht allein Gesetze dazu führen werden, daß sich dies ändert, mir ist klar, daß auch ein gesellschaftlicher Umdenkprozeß stattfinden muß (Zwischenruf des Bundesrates Schöls ), aber das Gesetz allein wird keinen Umdenkprozeß einleiten. – Herr Kollege! Ich hoffe, Sie können mir soweit folgen.

Sie sagen auch, daß die Frauenförderung im Sinne einer aktiven Gleichstellungspolitik bedeutet, klare, gesetzlich verankerte Bedingungen zu schaffen, die Frauen einen gleichberechtigten Zugang und Aufstieg im Beruf ermöglichen.

Zur Demonstration, wie ernst das dann von der eigenen Partei genommen wird, muß ich folgendes aufgreifen: Kurz vor dem Ausscheiden des Herrn Bundesministers Scholten sollte der Posten zur Leitung der Abteilung I/A/8, Bibliotheken für Universitäten und Kunsthochschulen, des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr neu besetzt werden. Dieser Posten wurde öffentlich ausgeschrieben, und es haben sich insgesamt acht Bewerber gemeldet.


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Eine Ausschreibungskommission, besetzt mit vier Männern, hat dann Sitzungen abgehalten, wobei Herr Dr. Peter Seitz und Frau Dr. Brandstötter als für die ausgeschriebene Funktion insgesamt in hohem Maße geeignet erachtet wurden.

Und jetzt passiert es: In dem zusammenfassenden Ergebnis dieser Ausschreibungskommission wurde festgestellt, daß die beiden genannten Bewerber zwar gleich qualifiziert seien, daß aber damit keine Gleichwertigkeit der Kandidaten gegeben sei, sondern lediglich die Einordnung in ein Kalkül mit entsprechender Bandbreite, an deren oberen Ende interessanterweise Dr. Seitz zu finden ist und am unteren Ende Frau Dr. Brandstötter. (Präsident Bieringer übernimmt den Vorsitz.)

Dann tritt die Gleichbehandlungskommission auf den Plan, die mit diesem Fall betraut wurde, und kommt in ihrem Gutachten zu der Feststellung, daß die Auswahlentscheidung zur Bestellung der Leiterin der Abteilung I/A/8 im Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr schwere Mängel aufweise und nicht nachvollziehbar sei. – Vielleicht sollte man am Rande noch bemerken, daß Herr Dr. Peter Seitz ein Schwager vom Wiener Bürgermeister Dr. Häupl ist. Ich wage nicht zu behaupten, ob das jetzt ausschlaggebend war! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist etwas anderes! – Bundesrätin Haselbach: Für mich ist nicht nachvollziehbar, woher Sie die Unterlagen haben!)

In ihrem Gutachten merkt die Gleichbehandlungskommission noch an, daß das Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung für die vorgenommene Reihung im Gutachten der Ausschreibungskommission den Schluß zulasse, daß offenbar sachfremde Erwägungen für die Entscheidung des Bundesministers maßgebend waren, und sieht das als eine fragwürdige Punktevergabe an. – Soviel zu den Forderungen: Förderung der Frauen, wenn es um leitende Funktionen geht. Da sieht man, wie ernst Sie es meinen!

Meine Damen und Herren! Damit Sie beweisen können, wie ernst Sie es tatsächlich meinen, bringen wir einen Entschließungsantrag betreffend Verbesserung des Rechtsschutzes im Ausschreibungsverfahren ein. (Bundesrätin Haselbach: Dazu gehört auch, daß das nicht an die Öffentlichkeit gezerrt wird, was Sie hier haben!) Unserer Meinung nach sollten die Frauen Parteienstellung haben und nicht mit einer Art kleinen Schadenszahlung abgefunden werden. Ich darf Ihnen diesen Antrag zur Kenntnis bringen, der da lautet (Bundesrat Richau: Frau Kollegin! Woher haben Sie die Unterlage?):

Entschließungsantrag

der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen betreffend Verbesserung des Rechtsschutzes im Ausschreibungsverfahren

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich den Entwurf einer Novelle zum Ausschreibungsgesetz 1989 vorzulegen, der allen Bewerberinnen und Bewerbern um ausgeschriebene Funktionen und Arbeitsplätze im Sinne des Abschnittes II des Ausschreibungsgesetzes 1989 eine Parteistellung sowie das Recht, gegen Funktionsbetrauungen Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung zu erheben, einräumt.

Diese Regelung soll auch für alle anderen vergleichbaren Funktionen und Arbeitsplätze im Bundesdienst gelten."

*****

Jetzt liegt es an Ihnen, klarzulegen, wie ernst Sie all das meinen! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Richau: Frau Kollegin! Woher haben Sie die Unterlage?)

13.44


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Präsident Ludwig Bieringer:
Der von den Bundesräten Monika Mühlwerth und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Verbesserung des Rechtsschutzes im Ausschreibungsverfahren ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Aloisia Fischer. – Bitte.

13.44

Bundesrätin Aloisia Fischer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Lebenssituation der Frauen hat sich gegenüber früher stark verändert und läßt sich nicht mehr in ein Schema pressen. Es hilft aber nicht, dieses Thema aggressiv zu diskutieren, wie es leider manches Mal passiert. Es hat sich sehr wohl – meine Vorrednerin ist nicht mehr im Raum –, seit sich Frauen verstärkt zu Wort melden, einiges geändert.

Das Frauen-Volksbegehren hat die Frauenanliegen wieder verstärkt in die Diskussion gerückt. Mit den heutigen Beschlüssen werden weitere Schritte in die richtige Richtung gesetzt. Der Gleichheitsgrundsatz steht seit Anfang in unserer Bundesverfassung, die Umsetzung dazu auf einem anderen Blatt. Gleichbehandlung, Gleichstellung lassen sich nicht verordnen, das wissen wir aus dem täglichen Leben. Gleichberechtigung, Partnerschaft müssen gelebt, gelehrt (Bundesrat DDr. Königshofer: Und gelernt!) und gelernt werden.

Die vorliegende Änderung des Artikels 7 Abs. 2 und 3 der Bundesverfassung halte ich, trotz vorsichtiger Formulierung, als eine Hervorhebung im positiven Sinn der Frauenanliegen. Es ist gut, diese im gewichtigsten Gesetzeswerk verankert zu wissen. Die vorliegende Änderung des Arbeitsverfassungsgesetzes bezüglich Frauenförderung auf betrieblicher Ebene wird durch die Einfügung eines § 92b fixiert, welcher aussagt, daß der Betriebsinhaber verpflichtet ist, im Rahmen der Beratung nach § 92 Maßnahmen zur Frauenförderung mit dem Betriebsrat zu bearbeiten. Auch ein Vorschlagsrecht des Betriebsrates wird normiert.

Ebenfalls auf betrieblicher Ebene besser berücksichtigt werden sollen Familienpflichten von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Ich denke, daß es auch positiv ist, Betriebe hervorzuheben, die wichtige und positive Schritte für Arbeitnehmerinnen setzen. Diese Betriebe auch in der Öffentlichkeit hervorzuheben, auch durch Förderungen zu unterstützen, ist für mich sinnvoller, als Betriebe, die dies nicht tun, zu bestrafen.

Durch die Änderung des Mutterschutzgesetzes 1979 sowie des Eltern-Karenzurlaubsgesetzes soll Männern und Frauen die Möglichkeit gegeben werden, neben ihrem karenzierten Dienstverhältnis eine geringfügige Beschäftigung auszuüben. Es sind dies beides Vorlagen, die durch das praktische Leben diktiert wurden. Es waren Korrekturen, die im Interesse der Familien genutzt und positiv gesehen werden können. Frauen wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie wollen Chancengleichheit. Bei allen Forderungen für die Frauen muß aber auch die Balance zwischen dem Schutz, zwischen der Verbesserung für die Frauen und den Hürden, die womöglich durch Regelungen gegen sie aufgebaut werden, gehalten werden. Wo immer Frauenrechte stark verankert sind, ist auch nicht selten eine gewisse Reserviertheit den Frauen gegenüber zu bemerken.

Es gibt aber noch einen Aspekt: Frauen sollen zwischen Berufsleben, zwischen Karriere oder der Möglichkeit, ob sie zu Hause bleiben oder Beruf und Familie verbinden wollen, wählen können. In der Fragestunde wurden von Frau Bundesministerin Gehrer der Wert der flexiblen Lebensplanung, der Wert der Haus- und Familienarbeit, der Betreuung der Kinder durch Vater und Mutter angesprochen.

Ihre Aussage, sehr geehrte Frau Bundesministerin, im Plenum des Nationalrates: Wenn Frauen sich dafür entscheiden, zu Hause zu bleiben, müssen sie sich der Tragweite ihres Entschlusses bewußt sein!, verstehe ich nicht. Ich denke, so kann es doch nicht sein, daß Familienarbeit, Kinderbetreuung nur dann einen Wert haben, wenn sie außer Haus, außerhalb der Familie stattfinden. Denn genauso könnte man umgekehrt sagen: Frauen, die in den Beruf einsteigen, müssen sich bewußt sein, daß sie womöglich unterschiedliche Anforderungen, rechtliche Absicherungen zu tragen haben.


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Wir haben daher genauso die Aufgabe, Frauen, die sich für die Familienarbeit, für die Kindererziehung entscheiden, abzusichern. Kindererziehungszeiten werden seit einiger Zeit auch pensionsbegründend berechnet. Die Bemessungsgrundlage wird nach 1. 1. 2000 auf den Ausgleichszulagenrichtsatz angehoben. Auch in diesem Bereich müßte sowohl die zeitliche als auch die finanzielle Bemessung ausgebaut werden, damit unsere Mütter, die zu Hause bleiben, die sich dafür entscheiden, Kinder in der Familie zu erziehen, also für die Kinderbetreuung zu Hause zu bleiben, besser abgesichert sind. Kinder waren früher ein Segen, heute habe ich manches Mal den Eindruck, sie sind hemmend und belastend. Ich hoffe aber, daß dem nicht so ist! (Beifall bei der ÖVP.)

13.50

Präsident Ludwig Bieringer: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Johanna Schicker. – Bitte.

13.50

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich wollte eigentlich gerne vorweg Frau Kollegin Mühlwerth einiges auf ihre – ich möchte fast so sagen – groben Angriffe auf die große Koalition ÖVP/SPÖ antworten. Ich glaube, Kollegin Mühlwerth hat vergessen oder nicht nachgelesen – sie ist erst seit kurzem in der Politik –, was seit dem Jahr 1970 in der Frauen- und Familienpolitik weitergegangen ist – unabhängig von SPÖ und ÖVP. Es ist vieles passiert! Ich möchte sie diesbezüglich gerne aufklären, wenn sie dazu bereit ist! – Aber das Übliche in der FPÖ ist – das ist sehr oft der Fall, zwar nicht bei allen, aber doch –, daß hier Wortmeldungen abgegeben, Behauptungen in den Raum gestellt werden, und dann verlassen die Redner den Saal.

Das ist eine Unfairneß! (Bundesrat Dr. Bösch: Das passiert aber leider Gottes auch bei der SPÖ, Frau Kollegin! – Bundesrat Dr. Harring: Viel stärker als bei uns!) Ich bemühe mich zumindest, wenn ich zu einem Tagesordnungspunkt spreche, mir auch die anderen Kolleginnen und Kollegen der anderen Parteien anzuhören, um darauf auch antworten zu können. Aber nur herauszugehen und dann den Raum zu verlassen, das finde ich gegenüber allen anderen unfair, aber bitte. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) – Ich werde heute noch Gelegenheit haben, diese meine Ausführungen Frau Kollegin Mühlwerth weiterzugeben.

Werte Damen und Herren! Wenn wir heute diese drei von der Frau Berichterstatterin vorgetragenen Gesetzesänderungen behandeln und letztendlich über das Frauen-Volksbegehren debattieren, so muß ich leider sagen, daß ich mir persönlich – das kann ich aber auch für meine Fraktion behaupten – auch eine weiterreichende Lösung gewünscht beziehungsweise erwartet hätte. Daß dem nicht so ist und warum dem nicht so ist, wissen wir in der Zwischenzeit. Dieses vorliegende Ergebnis ist, auf den Punkt gebracht, der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die im Nationalrat vertretenen Parteien einigen konnten. Das ist sehr schade, weil damit eine große Chance für die Frauen nicht genutzt wurde, die uns alle einen großen Schritt weiterbringen hätte können.

Wenn ich mir vorstelle, daß fast genau vor einem Jahr rund 650 000 Frauen aus allen politischen Bereichen und darüber hinaus dieses Frauen-Volksbegehren unterzeichnet – das finde ich auch richtig, denn Frauen-Forderungen sollen kein Mascherl haben – und damit bekundet haben, daß sie die darin aufgestellten Forderungen unterstützen, so muß ich heute feststellen, daß sich viele Frauen fragen werden, wie denn ihre politische Vertretung im Hohen Haus aussieht – noch dazu, wenn man dann am Fernsehschirm verfolgen kann – es tut mir für die BR-Kolleginnen der ÖVP wirklich leid, weil ich sie kenne, schätze und weiß, daß sie, wenn sie hier am Rednerpult stehen, auch immer für Frauenanliegen eintreten –, wie die ÖVP-Kollegin Rosemarie Bauer von ihrem Klubobmann einen Blumenstrauß dafür überreicht bekommt, weil sie für die Frauen so viel verhindert hat und hart geblieben ist – das muß man bei diesen Verhandlungen annehmen. Und das ist meiner Meinung nach eine Verhöhnung aller Frauen! (Beifall bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Bitte erklären Sie mir, wofür Kollegin Bauer einen Blumenstrauß bekommen hat. Das möchte ich wirklich wissen! (Bundesrat Ing. Polleruhs: Weil sie an diesem Tag Geburtstag gehabt hat!)


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Wir von der SPÖ sind immer zu unseren Forderungen gestanden und werden sie auch nachhaltig verfolgen und immer wieder erneut einbringen, wie zum Beispiel das Recht auf Teilzeitarbeit der Eltern bis zum Schuleintritt des oder der Kinder mit einem Rückkehrrecht auf einen Vollzeitarbeitsplatz – eine familienpolitische Maßnahme, die doch von allen gutgeheißen werden müßte.

Ich kann Ihnen dazu ein Beispiel aus eigener Erfahrung sagen: Auch ich bin vor vielen Jahren, so kann ich schon sagen, vor die Alternative gestellt worden, nach der Geburt meines Sohnes entweder ganztägig weiterzuarbeiten oder aufzuhören, weil damals die Bereitschaft nicht gegeben war, Teilzeitarbeit anzubieten. Meine Kollegin, die mir nachgefolgt ist, hat nach eineinhalb Jahren auch ein Baby bekommen und ist vor der gleichen Entscheidung wie ich vorher gestanden. Mein Chef hätte dann eine dritte neue Kraft aufnehmen müssen, um uns beide zu ersetzen. Damals konnten wir ihn überreden, unseren Arbeitsplatz auf zwei Teilzeitarbeitsplätze aufzuteilen, und es ist gutgegangen. Das war natürlich damals rechtlich insofern nicht abgesichert, weil es nur – jetzt hätte ich beinahe Freizügigkeit gesagt – aufgrund einer Großzügigkeit meines Chefs zustande kam, aber es geht. Es geht, wenn man will und wenn die Bereitschaft vorhanden ist.

Wie gesagt: Wir werden weiterhin auf diesem Recht der Teilzeitarbeit beharren und auch eigene Anträge dazu einbringen.

Wir werden weiters von unserem Wunsch auf Verlängerung der Behaltefrist der Frauen von vier auf 26 Wochen nach deren Rückkehr von der Karenz auch nicht abgehen. – Das Wort Urlaub, Frau Bundesministerin, möchte ich in diesem Zusammenhang weglassen, denn ich glaube, wir sind uns darüber einig, daß es wirklich unpassend ist, von einem Karenzurlaub zu sprechen. Vielleicht sollte bei Gelegenheit diese Formulierung einer anderen Formulierung weichen, sehr geehrte Frau Bundesministerin!

Es soll eine Garantie geben, daß Frauen, die wieder in den Beruf zurück wollen, ihren Job ein halbes Jahr behalten können, weil dadurch der Wiedereinstieg leichter zu schaffen ist und auch die finanzielle Absicherung erleichtert wird.

Wir werden, wie gesagt, weiterhin darum kämpfen, daß durch diese und weitere Maßnahmen für die Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert wird beziehungsweise dann erst gegeben ist – meine Vorrednerin, Kollegin Fischer, hat das bereits erwähnt.

Einiges konnte aber bereits verwirklicht werden, und das muß hier auch positiv hervorgestrichen werden. Bereits unter Ihrer Vorgängerin, sehr geehrte Frau Bundesministerin, konnten die ersten 600 Millionen Schilling – erhöht durch die Beiträge von Land und Gemeinden auf insgesamt 1,2 Milliarden Schilling – für zusätzliche Kinderbetreuungseinrichtungen ausverhandelt werden, und die letzte Tranche haben Sie, wie ich gelesen habe, vor kurzem freigegeben. Dafür danken wir Ihnen sehr, denn dadurch können rund 18 000 neue Kinderbetreuungsplätze geschaffen werden. Weitere 600 Millionen Schilling – wieder durch Länder und Gemeinden auf 1,2 Milliarden Schilling aufgestockt – sind für die folgenden Jahre 1999 und 2000 vorgesehen. Das ist doch ein Erfolg, zu dem wir alle stehen können und stehen müssen.

Auch das Berufsbild der Tagesmütter wird durch eine Aktion unserer Frau Bundesministerin Prammer neu erstellt, damit alle beschäftigten Tagesmütter und auch -väter – es gibt auch solche – sozial- und pensionsrechtlich abgesichert werden und nicht, wie vielerorts üblich, als Quasi-Nachbarschaftshilfe unversichert arbeiten müssen.

Ich selbst habe vor sechs Jahren ein solches Tagesmütter-Projekt in meinem Bezirk initiiert, und wir beschäftigen dort derzeit 42 Tagesmütter, die über 100 Kinder berufstätiger Eltern bestens betreuen. Diese sind rechtlich voll abgesichert, denn eine andere Lösung beziehungsweise Form der Anstellung wäre für mich nicht in Frage gekommen, um ein solches Projekt auf die Beine zu stellen.

Schwierigkeiten bereiten uns zum jetzigen Zeitpunkt die restriktiven Maßnahmen seitens des AMS. Ich weiß, Sie sind dafür nicht zuständig, Frau Ministerin, aber ich darf trotzdem die Bitte an


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Sie richten, Ihre Möglichkeiten auszuschöpfen und darauf einzuwirken, damit die Sicherstellung der bisher gewährten Zuschüsse seitens des AMS gewährleistet bleibt.

Von den geplanten Kürzungen sind vor allem Frauenprojekte, wie die bereits erwähnten Tagesmütter-Projekte, betroffen. Auch die Dauer der Kinderbetreuungsbeihilfen, so hörte ich vor einigen Tagen vom Leiter unseres steiermärkischen Arbeitsmarktservice, wird von drei Jahren auf ein Jahr verkürzt. – Ein untragbarer Zustand für viele Frauen, überhaupt eine Beschäftigung annehmen zu können, wenn sie aufgrund ihres oft geringen Einkommens dann die vollen Kinderbetreuungsbeiträge für einen Platz bezahlen müssen.

Es ist mir schon klar, daß das AMS ursächlich auch für die Kinderbetreuung nicht zuständig ist, sondern die Länder und Gemeinden, aber nachdem gerade die Kinderbetreuungsfrage das größte Problem für die Frauen beim Wiedereinstieg ins Berufsleben ist, kann sich das AMS meines Erachtens von dieser Verantwortung doch nicht so leicht verabschieden. Ich darf Sie nochmals ersuchen, sehr geehrte Frau Bundesministerin, diesbezüglich auch Ihrerseits Druck zu machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Zusammenfassend kann ich sagen: Das Frauen-Volksbegehren hat sicher eine Aufbruchsstimmung erzeugt. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden nicht lockerlassen, diese unsere berechtigten Forderungen weiterzuverfolgen. Die heutige Beschlußfassung über die vorliegenden Gesetzesänderungen ist, wie bereits gesagt, der kleinste gemeinsame Nenner, der erreicht werden konnte. Wir stimmen diesen Gesetzesänderungen natürlich gerne zu. (Beifall bei der SPÖ.)

13.59

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher. Ich erteile ihr dieses.

13.59

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vieles wurde heute bereits zum Thema Frauen-Volksbegehren und zu den zu unternehmenden Schritten, bei denen wir Frauen uns auch überparteilich doch relativ einig sind, gesagt. Aber wir müssen natürlich kritisieren, daß leider sehr wenig dabei herausgekommen ist, daß sich beide Regierungsparteien nicht viele Verdienste darum gemacht haben und sich die Frauen in den eigenen Parteien leider nicht durchsetzen konnten.

Ich möchte auf das Mutterschutzgesetz und auf die Änderung des Eltern-Karenzurlaubsgeldgesetzes eingehen, da ich glaube, daß das die einzigen Änderungen in dieser Gesetzesvorlage sind, die den Frauen ein bißchen weiterhelfen – allerdings nur ein kleines Stückchen.

Es ist wiederum nur ein kleiner Schritt. Wir würden uns freuen, wenn es einmal große Schritte geben würde, wenn die Aufbruchstimmung, von der wir gesprochen haben, auch tatsächlich vorhanden wäre. Immerhin sind 51 Prozent der österreichischen Bevölkerung Frauen, und ich glaube, wir würden es verdienen, daß es einmal diese großen Schritte gibt.

Die Frauen wollen nach der Karenzzeit wieder in das Berufsleben zurückkehren, und es bieten sich dafür große Chancen. Die heutige Änderung bringt allerdings mit sich, daß sie 16 Tage lang innerhalb des Mutterschutzes kurzfristig die Geringfügigkeitsgrenze – und zwar wiederum nur monetär – überschreiten dürfen. Warum denn wieder nur kurzfristig? Warum nimmt man nicht die gesamte Karenzurlaubszeit von eineinhalb Jahren und teilt die Zeit, in der die Frau mehr gearbeitet hat, auf die ganzen eineinhalb Jahre auf? – Das wäre vernünftig. Das würde den Frauen die Chance geben, in den Betrieben, in die sie wieder zurückkehren wollen, zum Beispiel eine dreiwöchige Urlaubsvertretung zu machen oder, wenn jemand ausgefallen ist, eine Krankenvertretung zu übernehmen. All das geht aber nicht und funktioniert nicht, weil das nur bis zu 16 Tagen begrenzt möglich ist.


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Aufgrund der nicht vorhandenen Möglichkeiten, die den Frauen Verbesserungen bringen könnten, werden wir von der freiheitlichen Fraktion diesen Vorlagen nicht zustimmen. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.02

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Alfred Schöls. Ich erteile ihm dieses.

14.02

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, es ist nicht symptomatisch dafür, daß wir, wenn es um die Frauen geht, in der zweiten Kammer des Parlaments so tun, als ob es nur eine Angelegenheit der Frauen wäre (Beifall bei den Bundesrätinnen der SPÖ und der ÖVP) und wir sozusagen den Damen die Wiese zum Spielen überlassen würden. Ich habe mich aus voller Überzeugung, als leidenschaftlicher Mann und als engagierter Gewerkschafter zu Wort gemeldet, weil ich meine – jenen, die schmunzeln und meinen, es gehe nicht umgekehrt, sei gesagt, auch das kann manchmal der Fall sein –, daß die Anliegen der Frau und das Thema der Gleichbehandlung uns allen ein Anliegen sein muß. Das ist das eine, das ich anmerken wollte.

Das zweite, das ich anmerken möchte, ist etwas symptomatisch. Wir diskutieren im Bundesrat über Probleme, die die Überschrift Frauenprobleme haben. Auf der einen Seite heißt es: Frauen an die Front. – Die Koalitionsparteien nominieren ihre Kolleginnen als Rednerinnen, und sowohl die Rednerinnen der Sozialdemokraten als auch der Österreichischen Volkspartei finden es der Mühe wert, daß sie, wenn zu diesem Thema gesprochen wird, auch im Plenarsaal anwesend sind.

Ich habe mir die Mühe gemacht – nicht, weil ich das überbewerten möchte, sondern weil es symptomatisch ist –, seit 13.35 Uhr, seit dem Zeitpunkt, seit dem wir zu diesem Thema diskutie-ren, die Fraktion der Freiheitlichen Partei, die auch einige weibliche Bundesräte hat, zu beobachten. Ich muß feststellen – das Verhalten der Kollegin Mühlwerth wurde schon angesprochen –, Kollegin Mühlwerth ist unmittelbar nach ihrer Wortmeldung aus dem Plenarsaal gegangen. Um 13.47 Uhr ist Kollegin Ramsbacher und um 13.50 Uhr Frau Kollegin Riess-Passer in den Plenarsaal gekommen. Das heißt, es hat sechs Minuten gegeben, in denen es die weiblichen Bundesräte der Freiheitlichen nicht einmal der Mühe wert gefunden haben, bei diesem Thema wenigstens anwesend zu sein. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Haben wir dir gefehlt? – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Bösch.  – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Zwei Frauen von der ÖVP! Wo sind die anderen?) – Aber diese sind wenigstens die ganze Zeit bei dieser Debatte anwesend. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Habt ihr nicht mehr als zwei? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Aber soweit nur ein Punkt dazu, den ich auch erwähnen wollte, weil man diese Dinge manchmal überbewertet.

Nun aber zur Sache selbst: Frau Kollegin Mühlwerth hat gemeint, und auch Frau Kollegin Ramsbacher hat gesagt, das, was wir heute zur Beschlußfassung vorliegen haben, sei zu wenig, und daher lehne die Freiheitliche Partei diese Entwürfe ab.

Ich würde meinen, wir sind noch lange nicht am Ziel, wenn es um die Frage der Gleichberechtigung der Geschlechter und wenn es um die Frage der Chancengleichheit geht. Aber wir sollten keine Gelegenheit auslassen, in dieser Angelegenheit Fortschritte zu erzielen, und dem alten chinesischen Sprichwort folgen, das lautet: "Auch eine lange Reise beginnt mit dem ersten Schritt." – Den ersten Schritt haben wir schon früher gesetzt, aber wir sollten uns jetzt der Mühe unterziehen, in vielen kleinen Schritten der Sache zu dienen. So gesehen sind diese heutigen drei Vorlagen, die wir zu beschließen haben, ein weiterer wichtiger Schritt.

Im öffentlichen Dienst, wenn ich das sagen darf, haben wir, was die Gleichbehandlungsfrage betrifft, in vielen Bereichen schon sehr viel getan. Ich darf hinzufügen, es ist noch immer zu wenig, das ist keine Frage, und es muß noch mehr getan werden. Wir sind noch nicht am Ende.


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Aber ich darf darauf verweisen, daß es im Land Niederösterreich eine Gleichbehandlungsbeauftragte gibt. In den Gemeinden und im Landesdienst gibt es bei den Dienstposten einen Frauenanteil von 40 Prozent. Aufgrund des Schemas des öffentlichen Dienstes ist Gott sei Dank die finanzielle Ungleichbehandlung von Mann und Frau nicht gegeben. Ich bedauere sehr, daß das in vielen Bereichen der Privatwirtschaft leider noch immer der Fall ist, daß schlicht und einfach des Geschlechtes wegen die Kolleginnen schlechter bezahlt werden. Da haben wir als Gewerkschafter noch sehr viel zu tun.

Vielleicht kann die FGÖ, wenn sie Lorbeeren ernten möchte, beginnen, sich einzubringen und das eine oder andere zu tun, damit es tatsächlich zu einer fairen Entlohnung der weiblichen Beschäftigten kommt. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Besser als der ÖGB werden wir es machen, das ist keine Kunst!) Wir haben im öffentlichen Dienst Gott sei Dank diese Situation nicht, aber trotzdem muß man es probieren und zeigen und nicht nur verbal ankündigen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Der ÖGB versucht es schon seit 50 Jahren erfolglos!) – Nein, Frau Kollegin! So schlecht schaut die Situation auch wieder nicht aus, wie Sie es gerne hätten, damit Sie noch bessere Startchancen hätten. Über die Effizienz der freien Gewerkschafter können wir vielleicht das nächste Mal reden. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Gerne!)

Zum Thema selbst: Wir haben in Niederösterreich diese Gleichbehandlungsbeauftragte seit etwas mehr als einem Jahr eingesetzt. Wir haben über Auftrag des Landeshauptmannes auch versucht, ein Signal zu setzen, und haben frauen- und familienfreundliche Betriebe prämiert. Diese Prämierung hat erst vor wenigen Monaten stattgefunden, um ein Zeichen zu setzen, wie notwendig es ist, daß der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt werden darf, um zu zeigen, daß es nicht darum geht, eine automatische Bevorzugung der Kolleginnen zu erreichen, sondern daß Förderungsmaßnahmen geschaffen werden, die den Menschen, den Frauen die Chance geben, daß sie gleichbehandelt werden.

Mir tut es leid, daß die Selbstunterwerfung bei den freiheitlichen Mandataren schon so weit geht. Ich frage mich, was Frau Kollegin Mühlwerth ihren weiblichen Wählerinnen sagt, wenn sie hier gegen eine Maßnahme stimmen muß, weil anscheinend die Angst seit der Generalklausel, die gestern erteilt wurde, noch größer geworden ist. Es bliebe die Frage offen, nachdem der Herr Parteivorsitzende sagt, es seien entweder Kinder oder Zwergerl, ob die weiblichen Bundesräte als Kinder oder als Zwergerl den Auftrag ihres Parteivorsitzenden erfüllt haben. (Bundesrat Konečny: Da hat er aber nicht an den Kollegen Gudenus gedacht!) Die Angst ist anscheinend sehr groß, und es wird dieser Angst auch alles unterworfen, und das bedaure ich.

Liebe Frau Kollegin Riess-Passer! Ich kann es mir nicht verkneifen, zu sagen, was mir ein Journalist gesagt hat. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Bitte sag alles, was du sagen möchtest!) Nachdem Sie von Ihren Fraktionskameraden aufgrund der Salzburger "Säuberungsaktion" so liebevoll als Königskobra bezeichnet wurden (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ich habe meine Giftzähne heute zu Hause gelassen!) , wünscht er sich nicht, daß Sie bei einem Machtwechsel in der Freiheitlichen Partei aufgrund der Bezeichnung Königskobra bei Eva Maria Klinger landen und unter "Wer will mich?" angeboten werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Aber du wünschst dir das schon!)

14.11

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich erteile dieses.

14.11

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die Haltung der Frau Mühlwerth – jetzt kommt sie gerade herein, ich kann ihr also meine Aussagen persönlich übermitteln –und ihre heutigen Aussagen, die in der Zeit, in der ich Sie zumindest hier in diesem Haus erlebt habe und erlebe, für die Haltung der FPÖ symptomatisch sind, erinnern mich sehr an die Zeit, als meine Tochter die Milch verweigert hat. Sie wollte ihre Milch nicht trinken, weil das Glas nicht voll genug war. Nur war meine Tochter damals drei Jahre alt. Die F ist doch einige Jahre älter. Ich glaube, sie nähert sich schön langsam auch dem Alter einer Altpartei. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: 40 Jahre!) – Eben, nur in


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solch einem Alter sollte man eigentlich schon Erfahrungen gemacht haben, und deshalb würde ich mir eine andere Haltung erwarten. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) – So gesehen erübrigt sich für mich die Frage bezüglich Zwergerl oder Kind.

Es tut mir jetzt fast leid, Herr Kollege Schöls, doch auch den Becher in Ihre Richtung – nicht in Ihre persönliche, aber doch in Richtung Ihrer Partei – weiterreichen zu müssen. Herr Kollege Himmer war sehr empört, als ich anläßlich des Sozialberichtes von einer bürgerlichen Partei und der konservativen Haltung in der Frage der Familienpolitik gesprochen habe. – Ich glaube, die Diskussionen der letzten Tage haben mir recht gegeben.

Wenn heute von Kollegin Schicker der Blumenstrauß an Frau Kollegin Bauer im Nationalrat erwähnt wurde, dann möchte ich hinzufügen, das würde ich noch als eine Geste, die vielleicht eine andere Bedeutung hat, gelten lassen. Nur für ihre Aussagen im Nationalrat, daß man einen wesentlichen Teil der Debatte im Zusammenhang mit dem Volksbegehren wieder im Rahmen von Frauentagen behandeln sollte, meine Damen und Herren, fehlt mir allerdings das Verständnis.

Wir haben – Frau Kollegin Schicker hat darauf hingewiesen – es heute mit einigen Punkten zu tun, die im Frauen-Volksbegehren enthalten waren. Wir haben dies als kleinsten gemeinsamen Nenner zu empfinden. Ich bin aber darüber enttäuscht, daß der gemeinsame Nenner so klein geworden ist.

Wir hatten ein Frauen-Volksbegehren mit einer Reihe von Forderungen vorliegen. Viele haben dieses Frauen-Volksbegehren unterstützt, auch Frau Bundesministerin Prammer hat es unterstützt. Ich muß sagen, ich bewundere heute noch ihren Mut, diese Unterschrift geleistet zu haben, nämlich auch im Bewußtsein, daß sie bei der Umsetzung dieser Dinge sehr schnell an Grenzen stoßen und dann aber an der Umsetzung gemessen werden wird. Dieser Mut nötigt mir heute noch Hochachtung ab, denn der kleinste gemeinsame Nenner – ich hoffe zumindest, daß wir erste Schritte und nicht das Ergebnis der Forderungen vom Frauen-Volksbegehren zu beraten haben – beweist das.

Meine Damen und Herren! Wenn Frau Kollegin Fischer von Wahlfreiheit gesprochen hat, dann muß ich mich schon fragen, wo in vielen Fällen die Wahlfreiheit für Frauen liegt. – Zwischen der Arbeitslosigkeit und keinen Kinderbetreuungseinrichtungen? – Ich sehe das nicht als Wahlfreiheit.

Die Erfolge werden in jenen Bereichen herausgestrichen, in denen die ÖVP federführend diese Dinge zu bestimmen hat. Diesbezüglich kann ich nur das oberösterreichische Beispiel präsentieren: Herr Landesrat Hiesl läßt sich für die guten Teilzeitmöglichkeiten im Bereich des Landes Oberösterreich feiern. – Wenn man allerdings das Landesvertrags-Beschäftigtengesetz hinterfragt, dann stellt man fest, daß dieser Erfolg auch nicht so groß ist, wie er dargestellt wird. Dieses Gesetz gilt nämlich für Teilzeitbeschäftigte nur unter ganz bestimmten einschränkenden Bedingungen.

Es stimmt, daß wir dabei sind, eine Reihe von Forderungen so umzusetzen, daß sie zum Erfolg führen werden. Die gesetzliche Gleichstellung – das habe ich zum wiederholten Male auch von diesem Pult aus gesagt – ist weitgehend vorhanden. Jetzt geht es darum, sich auch zu dieser legistischen, manchmal eben unverbindlichen, weil nicht exekutierbaren, weil nicht mit Sanktionen versehenen Änderung zu bekennen und diese auch umzusetzen. Jetzt heißt es, Farbe zu bekennen. Jetzt geht es um die Durchführungsbestimmungen, die auch in gesetzliche Bestimmungen zu fassen sind.

Ich glaube, daß wir Frauen uns über weltanschauliche Grenzen hinweg verständigen müssen, um gemeinsam unsere Anliegen zu formulieren, und wir sollten auch den Mut haben, diese gemeinsam durchzusetzen. Ich gebe zu, daß das für die Kolleginnen der ÖVP ungleich schwieriger ist als für uns von der SPÖ, denn ich glaube, daß wir durchaus den Anspruch erheben können, daß die bis jetzt vorhandenen Erfolge auf die Initiativen der SPÖ-Frauen zurückzuführen sind. Ich glaube, Sie kennen diese Erfolge, auf die ich mich beziehe. Es ist nicht immer alles perfekt,


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und es ist nicht immer dem Rechnung getragen worden, was wir als Zielvorstellung gerne gehabt hätten.

Die Ansätze sind aber Schritte, die den Boden für weitere Vorgangsweisen legen. Ich möchte nur ganz sporadisch auf einige Punkte hinweisen: Pensionsreform, soziale Absicherung für alle. Wir wollen eine eigene Absicherung für alle Frauen – unabhängig davon, in welcher Lebenssituation sie sich befinden. Aber das ist ein umfangreiches Paket, das ausführlicher Diskussionen betreffend Machbarkeit bedarf.

Wir konnten mehr Schutz für Frauen erreichen. Die Kinderbetreuungseinrichtungen sind heute bereits erwähnt worden. Auch im Zusammenhang mit Betriebsgründungen sind Frauen aufgrund von Forderungen der SPÖ und dem Erreichen dieser Regelungen unterstützt worden. Natürlich ist die Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz ein Ansatz und nicht bereits das Endergebnis. Wir sind aber nicht vermessen – vor allem in dieser politischen Landschaft –, unsere Forderungen so anzulegen, daß wir all das sofort erreichen, was wir als Zielvorstellung sehen. So gesehen sind eben heute drei zugegebenermaßen nicht sehr große Erfolge Gegenstand unserer Beschlußfassung. Nur zu sagen, wir stimmen ihnen nicht zu, weil wir mehr wollen, das halte ich für vermessen und ehrlich gesagt auch nicht für sehr klug und ernstzunehmend. Ich glaube, wir sollten uns über die Haltung meiner kleinen Tochter, ein volles Glas Milch haben zu wollen und nicht das halbe auch als einen Schritt zur Sättigung zu sehen, ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) – Das volle oder das halbe Glas – das läßt Interpretation zu, Herr Kollege Tremmel! Einigen wir uns auf ein Drittel dieses Glases.

Diese Gesetze sind Schritte in eine Richtung, die absolut notwendig sind und denen noch viele Schritte folgen werden müssen. Meine Damen und Herren! Es wird aber nicht so gehen, daß wir es nur einer Partei überlassen, diese Forderungen zu formulieren. Dort, wo die Unterstützung der Frauen, nämlich in den Einzelgesprächen, vorhanden ist, wissen wir, daß die Anliegen richtig vertreten und von allen getragen werden, nur das muß sich dann auch in der politischen Willensentscheidung manifestieren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.20

Präsident Ludwig Bieringer: Nächste Wortmeldung: Herr Bundesrat Professor Dr. Peter Böhm. Ich erteile ihm das Wort.

14.20

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte ausschließlich zu Tagesordnungspunkt 4 kritisch Stellung nehmen. Die vorliegende, vom Nationalrat bereits mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossene Ergänzung der Bundesverfassung, im besonderen des grundlegenden Artikels 7 über den Gleichheitssatz, durch ein programmatisches Bekenntnis zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau erscheint recht problematisch.

Meine Damen und Herren, insbesondere meine verehrten Kolleginnen! Verstehen Sie mich dabei bitte nicht falsch! Als jemand, der sich in seiner eigenen Berufslaufbahn in der Hochschulpolitik an der eigenen Universität und an der eigenen Fakultät stets mit Nachdruck für die Kolleginnen auf allen Karrierestufen eingesetzt und nicht zuletzt deshalb selbst Laufbahnnachteile erfahren hat, teile ich uneingeschränkt das dahinterstehende gesellschaftspolitische Ziel. Ich verkenne daher nicht die gute Absicht, die sich damit verbindet. Das vermag indes an den grundsätzlichen verfassungstheoretischen und -politischen Bedenken gegen das konkrete Vorhaben nichts zu ändern.

Welche sind das nun im einzelnen? – Lassen Sie mich zunächst mit dem formellen Gesichtspunkt meines Unbehagens beginnen: Ich halte sehr wenig von "Bekenntnissen" und von Proklamationen in der Bundesverfassung! Gewiß ist es ein legitimes Anliegen, in einer Verfassungsurkunde auch allgemeine Staatsziele zu formulieren. Bei nicht auf grundlegende Staatsaufgaben bezogenen normativen Vorgaben, wenngleich gesellschaftspolitisch angestrebten Ergebnissen, ist das freilich schon viel fragwürdiger. Um rein symbolische Gesetzgebung sollte es uns hiebei nämlich nicht zu tun sein.


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Dennoch halte ich auch dazu fest: Ich habe es lange vor der Ausübung einer politischen Funktion – rein vom Standpunkt eines Rechtslehrers aus – entschieden verteidigt, als der Verfassungsgesetzgeber den "umfassenden Umweltschutz" zur Staatsaufgabe erhoben hat. Damals bin ich durchaus nicht der scharfen Kritik des renommierten Staatsrechtlers Professor Robert Walter beigetreten, der darin lediglich ein völlig inhaltsleeres Programm ohne jegliche normative Relevanz erblicken wollte. Das erklärte sich aus seiner methodischen Position; ist Professor Walter doch als gegenwärtig führender Vertreter der Reinen Rechtslehre im Anschluß an Hans Kelsen einem formalen Gesetzespositivismus verhaftet.

In eigenen rechtstheoretischen Beiträgen bin ich dieser Richtung der Jurisprudenz stets mit Nachdruck entgegengetreten. Aber weshalb erwähne ich das im vorliegenden Zusammenhang? – Anders als beim Umweltschutz, der auf ein heute klar umschreibbares Rechtsgut abstellt, bleibt in bezug auf die faktische Gleichstellung der Geschlechter durchaus offen, was das damit konkret geschützte Rechtsgut Grundrecht sein soll. Denn der normative Anspruch, das Gebot zur Gleichbehandlung von Mann und Frau, war ohnehin im Artikel 7 B-VG von Anfang an verankert.

Im Blick auf die allerdings unleugbare Diskrepanz von rechtlicher Verbürgung und gesellschaftlicher Wirklichkeit geht es beim aktuellen Vorhaben offensichtlich um einen politischen Impuls mit Signalwirkung. Ein sozial erwünschtes Ergebnis, das nur über entsprechende Entwicklungsprozesse erzielbar ist, kann und soll aber meines Erachtens nicht in den Rang einer grundrechtlichen Garantie erhoben werden, die ja einklagbar sein müßte! Denn eben das wäre – ohne jede Abwertung des höchst berechtigten sozialpolitischen Anliegens – eine Reduktion der fundamentalen Bedeutung des Gleichheitssatzes als eines tragenden Prinzips unserer verfassungsrechtlichen Ordnung.

Ich kann mich daher des Eindrucks nicht erwehren, daß die geplante Ergänzung des Artikels 7 B-VG in Wahrheit primär dazu dienen soll, alle bisher auf der Stufe einfacher Gesetze oder gar bloßer Verordnungen vorgesehenen "Frauenquoten" – ich rede nicht von Frauenförderungsprogrammen, denn diese wären auch heute problemlos mit Artikel 7 B-VG alter Fassung vereinbar, sondern von echten Frauenquoten – verfassungsrechtlich – und zwar auch gegenüber dem Verfassungsgerichtshof – abzusichern. Trifft aber dieser Befund zu, so müssen sich dann sämtliche allzu starren Quotenregelungen daraufhin befragen lassen, ob sie mit dem vorrangigen grundrechtlichen Gesichtspunkt vereinbar sind, daß niemand allein unter Bezugnahme auf sein Geschlecht begünstigt oder benachteiligt werden darf.

Anerkennt man, daß sich darin der zentrale Gehalt des Gleichheitssatzes gerade auch im Verhältnis der Geschlechter manifestiert, so stellt sich die sensible Frage, ob das vorliegende Verfassungsgesetz nicht eben in diesen Kernbereich eingreift. Daran knüpft sich freilich die weitere, nicht minder heikle Frage, ob die formale Legitimation eines neuen Verfassungsgesetzes als der Lex posterior und eventuell auch der Lex specialis die Verletzung des Kerngehalts eines selbst verfassungsgesetzlich verbürgten allgemeinen Grundrechts, hier des Gleichheitssatzes, auch substantiell rechtfertigt.

Ist jedoch der Gleichheitssatz in seinem klassischen Verständnis – als elementares Gerechtigkeitsgebot des demokratischen Rechtsstaats – ein Baugesetz unserer Verfassung, so wirft dieses Vorhaben die Grundfrage auf, ob dessen substantielle Veränderung durch ein völlig neuartiges Verständnis, das dann gewiß auch die Zulässigkeit der sogenannten "positiven Diskriminierung" einschließt, nicht auf eine Gesamtänderung der Bundesverfassung hinausläuft. (Unruhe im Saal.)

Präsident Ludwig Bieringer: Herr Bundesrat! Ich darf ganz kurz um Gehör bitten: Es ist ein dermaßen starker Geräuschpegel hier, daß man den Redner fast nicht versteht. Ich würde bitten, der Fairneß halber dem Redner gegenüber, Einzelgespräche einzustellen. – Bitte, Herr Bundesrat, Sie sind wieder am Wort.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (fortsetzend): Ich wiederhole meinen letzten Satz: Ist jedoch der Gleichheitssatz in seinem klassischen Verständnis ein Baugesetz unserer Bundesverfassung,


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so wirft dieses Vorhaben die Grundfrage auf, ob dessen substantielle Veränderung durch ein völlig neuartiges Verständnis, das dann gewiß auch die Zulässigkeit der sogenannten "positiven Diskriminierung" einschließt, nicht auf eine Gesamtänderung der Bundesverfassung hinausläuft; müßte eine solche doch zuvor einer obligatorischen Volksabstimmung unterzogen werden!

Da diese nicht nur rechtstheoretische, sondern auch verfassungspolitische Grundsatzfrage nicht ausreichend geklärt erscheint, muß ich dieser Vorlage meine Zustimmung versagen. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.27

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Frau Bundesministerin.

14.27

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zu den drei vorliegenden Gesetzesmaterien machen. Ich habe jetzt nicht mehr mit so großer Verblüffung Herrn Bundesrat Professor Böhm zugehört, weil ich ohnedies heute in der Früh schon eine renommierte Tageszeitung gelesen habe. Dabei habe ich schon beim ersten Lesen mit großer Verwunderung festgestellt, daß wir offensichtlich doch nicht so falsch gelegen sind, diesen, wie es gesagt wurde, auch kleinen Schritt in Richtung Bundesverfassung zu gehen, wenngleich mir auch der größere lieber gewesen wäre.

Denn wenn es tatsächlich solch ein Schritt ist, der Professoren motiviert, zu hinterfragen, ob nicht doch eine Volksabstimmung gemacht werden müßte, um ihn überhaupt setzen zu können, dann ist es ganz sicher nicht so, wie von Vertreterinnen und Vertretern von Parteien gesagt wird, nämlich daß gar nichts an Veränderung stattfindet. Allein diese wissenschaftliche Auseinandersetzung zeigt mir, daß es trotzdem sehr gut und notwendig war, diesen Schritt zu setzen, wenngleich ich mir zusätzliche noch vorstellen hätte können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte gerne auf die Veränderung zum Arbeits-Verfassungsgesetz und auf die Frauenförderpläne eingehen, weil darauf Bezug genommen wurde. Es ist absolut keine Selbstverständlichkeit, Frauenförderpläne in diesem Staate zu haben. Derzeit existieren fünf Betriebe, die Derartiges haben, Frau Bundesrätin, obwohl sich diese Möglichkeit schon seit dem Jahr 1993 im Gesetzeszustand befindet. Bislang war die Gewerkschaft – das muß man auch sagen – in keiner sehr starken Lage, und bislang konnte sich die Gewerkschaft auch etwas zurückziehen und darauf berufen, in dieser rechtlichen Auseinandersetzung keine wirklich starken Trümpfe in der Hand zu haben – ganz konkret die Betriebsräte.

In Zukunft wird es gerade auch an den Gewerkschaften liegen, Herr Bundesrat Schöls, das aktiv aufzunehmen, was der Gesetzgeber in Zukunft gerade den Betriebsrätinnen und Betriebsräten an Neuem ermöglicht, nämlich die Auseinandersetzung mit Frauenförderplänen, die in Zukunft direkt und unmittelbar auch mit dem Arbeitgeber diskutiert werden müssen  – in Zukunft diskutiert werden müssen.

Ich habe voriges Jahr im Rahmen des Frauen-Volksbegehrens die Frage der Frauenförderung und der Frauenförderpläne gerade im Zusammenhang mit der öffentlichen Auftragsvergabe aufgegriffen, obwohl immer gesagt wurde, wie unmöglich all das sei. Heute sehen wir ein gutes Stück weiter, und wir wissen, daß es da durchaus Chancen und Möglichkeiten gibt und auch in der nächsten Zeit geben wird; ich brauche mich diesbezüglich nicht zu wiederholen.

Ich habe voriges Jahr eine sehr umfassende Veranstaltung zum Thema öffentliche Auftragsvergabe und Frauenförderung abgehalten, mit dem Endergebnis, daß viele Unternehmen, viele Betriebe bei mir im Büro angerufen und gefragt haben: Können wir genauere Unterlagen haben? Wie komme ich zu einem Frauenförderplan, was müßte ein Frauenförderplan tatsächlich zum Inhalt haben? – Das war für mich erst recht eine Motivation dafür, das aufzugreifen, sodaß jetzt in den Erläuternden Bemerkungen klargestellt wird beziehungsweise Ansätze dazu geliefert werden, was Frauenförderpläne tatsächlich beinhalten sollten.


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Auch das wird ein wesentliches Hilfsmittel sein, und ich erwarte mir ganz einfach, daß jetzt viele Menschen, viele Frauen, viele Männer, in ihren jeweiligen Betriebsstätten, an ihren Arbeitsplätzen die Möglichkeiten, die jetzt geboten werden, aufgreifen, um die Frauenförderung aktiv voranzutreiben.

Es wurde auch die Bewerbung beziehungsweise die Belohnung oder die Auszeichnung von frauen- und familienfreundlichen Betrieben angeschnitten: Ich würde mir wünschen, daß das Wort "familienfreundlich" gestrichen wird. Familienfreundlich, behaupte ich jetzt einmal, ist ein Betrieb dann, wenn er zunächst einmal frauenfreundlich ist.

Wichtig im Zusammenhang mit dem inhaltlichen Ausrichten ist, Rollen aufzubrechen und nicht einzuzementieren. Das heißt, daß es natürlich schon darum geht, im Rahmen der Familienfreundlichkeit und schlußendlich auch der Frauenfreundlichkeit Frauenförderpläne entsprechend auszugestalten und auch Männer zu motivieren, auf Teilzeit zu gehen, vielleicht auch in Karenzurlaub, wie es noch immer heißt, zu gehen, und vieles andere mehr.

Das sind meiner Meinung nach Herausforderungen auch der neuen Partnerschaften, die auch eine Qualität von neuen Partnerschaften sein können. Diese Herausforderungen werden vor allem die jungen Menschen aufgreifen, davon bin ich überzeugt.

Ich denke auch, daß es wichtig ist, nicht zu polarisieren: Hausfrau hier – berufstätig da. Es ist ganz einfach ein Faktum, daß junge Frauen sagen: Ich lerne doch nicht so lange, ich gehe doch nicht so lange in die Schule, um dann alles an den Nagel zu hängen. Wenn es Rahmenbedingungen gäbe und die Wirtschaft mittun würde, Frauen den Boden unter den Füßen nicht wegzuziehen, dann wäre ich sofort mit Ihnen. Tatsache ist aber, daß die Wirtschaft dies nicht tut und daß die beste Wiedereinstiegsmaßnahme nicht das aufholen kann, was die junge Frau durch längere Unterbrechung an Möglichkeiten verliert.

Das wissen die jungen Frauen, und das muß ihnen vor allen Dingen auch gesagt werden. Ich bin immer die erste, die vor allem auch die Wirtschaft in die Verantwortung nimmt, weil nicht alles die Politik und nicht alles Gesetze regeln können.

Ich denke auch, daß es wichtig ist, die Frage nach dem Recht auf Teilzeit, auch wenn es jetzt einmal abgehakt ist, zu diskutieren. Gerade wenn Kinder klein sind, ist das von größter Bedeutung. Es ist heute eine Selbstverständlichkeit, daß jeder Arbeitnehmer, jede Arbeitnehmerin ein Urlaubsrecht hat. Deswegen geht auch nicht jede Arbeitnehmerin oder jeder Arbeitnehmer dreimal im Jahr zum Arbeitsgericht, um zu ihrem beziehungsweise seinem Urlaubsanspruch zu kommen. Aber alleine das Vorhandensein dieses Rechtsanspruches bewirkt, daß es klar ist, daß da organisatorische Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerrechte auch zu ermöglichen.

Gerade in diese Richtung muß auch das Recht auf Teilzeit gesehen werden. Ich glaube auch, daß es inkonsequent ist, auf der einen Seite zwar Teilzeitkarenzurlaub zu haben, also das Beihilfensystem, aber umgekehrt nicht die rechtliche Möglichkeit, dies auch in Anspruch zu nehmen.

Ich freue mich sehr, daß ich da von oberösterreichischer Seite einen Bündnispartner zur Seite gestellt bekommen habe. Ich habe mit großer Freude eine Presseaussendung aufgenommen, die mir vom Herrn Landesrat Hiesl in Oberösterreich übermittelt wurde, der mich inklusive Bundesregierung und alle anderen auffordert, das Recht auf Teilzeit doch endlich umzusetzen.

Ich denke also dieser eine Endpunkt ist ein neuer Start und soll auch als neuer Start verstanden werden. Ich bin überzeugt davon, daß das auch im Sinne der Frauen gelingen kann.

Lassen Sie mich auch noch zum Thema Kinderbetreuungseinrichtungen ein paar Worte sagen, weil es hier angeschnitten wurde, auch wenn es nicht in Gesetzesform vorliegt: Ich bin sehr froh darüber, daß diese ersten 600 Millionen Schilling, dupliziert auf 1,2 Milliarden, vergangenen Freitag vergeben werden konnten. Ich gehe davon aus – und mit mir Kollege Bartenstein –, daß


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wir bis Jahresende fast 19 000 Kinderbetreuungsplätze mehr haben werden, da das Abrufen der Mittel vom Finanzministerium sehr zügig vorangeht.

Ich freue mich auch sehr darüber, daß wir nächstes Jahr wieder eine derartige Tranche zur Verfügung haben werden. Der Nationalrat hat da eine Schwerpunktsetzung auf unter Dreijährige und über Sechsjährige festgelegt, weil wir wissen, daß wir in diesem Bereich die größten Lücken haben.

Ich mache es gerne, und Kollege Bartenstein macht es auch gerne – wir alle machen es gerne, aber das soll nicht bewirken, daß die Länder und die Gemeinden aus ihrer Verantwortung enthoben werden. Es soll ein Kick sein, es soll eine Unterstützung sein, es soll zum Nachdenken und zum Initiativwerden anregen, aber nicht dazu, sich auszuruhen.

Aus diesem Grund ist es wichtig, alle verantwortlichen Politikerinnen und Politiker der jeweiligen Bundesländer auch immer wieder damit zu konfrontieren, daß Kinderbetreuung nun einmal Ländersache ist und daß es dazu auch einen Finanzausgleich gibt. Sie müssen nicht immer nur auf 600 Millionen Schilling warten, sie können die Finanzausgleichsgelder auch jedes Jahr in Empfang nehmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.37

Präsident Ludwig Bieringer: Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Professor Dr. Böhm.

14.37

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Ich sehe mich zwar nicht zu einer Richtig-, wohl aber zu einer Klarstellung veranlaßt, weil ich mich in Ihrer Beantwortung etwas mißverstanden und fehlinterpretiert gefühlt habe.

Ich hoffte, doch deutlich gemacht zu haben – vielleicht ist es nicht klar genug herausgekommen –, daß ich persönlich auch mit der tatsächlichen, das heißt realen Gleichstellung von Mann und Frau nicht das geringste Problem habe. Ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ich absolut hinter dem sozialpolitischen Anliegen stehe. Auch habe ich versucht, auf meine beruflichen Erfahrungen hinzuweisen; das nicht etwa, um mir als "edler Ritter" eine Feder auf den Hut zu stecken; wer mich und meine Biographie und meinen Umkreis kennt, würde es bestätigen.

Leider, muß ich auch sagen, haben die neuen akademischen Erfahrungen mit der Bevorzugung weiblicher Kandidaten im Zweifel manchmal sogar kontraproduktive Effekte gehabt. Ich räume aber vorweg ein, Frau Ministerin, daß Sie das geradezu als Bestätigung dafür werten könnten, daß viele Männer das noch nicht akzeptiert haben.

Ich möchte also noch einmal betonen: Ich habe mich ja ausdrücklich zu Frauenförderungsprogrammen bekannt, und ich habe mich auch nicht schlechthin gegen Frauenquoten ausgesprochen. Das wird auf die konkrete rechtliche Gestaltung dieser Frauenquote ankommen. Ich räume absolut ein, daß hier ein Nachholbedarf besteht, dem im Rahmen des sachlich Vertretbaren Rechnung zu tragen ist.

Was ich in bezug auf die Verfassung selbst gesagt habe – das mag eine akademische Frage sein im Hinblick auf das brennende sozialpolitische Anliegen –, das war nur, daß es meinem persönlichen Verständnis einer Verfassung nicht entspricht, daß man rein programmatische Klauseln und bloße Absichtserklärungen hineinschreibt, und daß es eben meiner Vorstellung nicht entspricht, wenn das dann auch nicht realisierbar ist, sobald es darauf ankommt, was bei einer echten verfassungs- oder grundrechtlichen Verbürgung zutreffen müßte.

Ich verweise insbesondere auf eines: Wir werden uns doch alle darüber einig sein, daß Österreich ein sozialer Rechtsstaat, ein Sozialstaat ist. Trotzdem, man mag das bedauern, haben wir, im Gegensatz zu anderen Ländern, keine Sozialstaatsklausel in der Verfassung. Es wird dennoch niemand daran zweifeln, daß wir ein Sozialstaat sind, das auch sein wollen, und daß dieser zu erhalten oder gegebenenfalls auszubauen ist.


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Oder: Wir haben bis heute keine sozialen Grundrechte, und niemand wird deshalb die fundamentale Bedeutung solcher Rechte in Frage stellen. Nur das meinte ich, und so, bitte, wollte ich verstanden sein. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.40


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Präsident Ludwig Bieringer:
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1998 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Mühlwerth und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Verbesserung des Rechtsschutzes im Ausschreibungsverfahren vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Verbesserung des Rechtsschutzes im Ausschreibungsverfahren ist daher abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsverfassungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 16. April 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Mutterschutzgesetz 1979 und das Eltern-Karenzurlaubsgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1998 betreffend den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Durchführung des Titels II der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates vom 21. April 1997 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen (Rindfleisch-Etikettierungsgesetz) (1102/NR sowie 5671/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: Entwurf eines Bundesgesetzes über die Durchführung des Titels II der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates vom 21. April 1997 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen (Rindfleisch-Etikettierungsgesetz).

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Uta Barbara Pühringer übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Uta Barbara Pühringer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich berichte zu Punkt 7 der Tagesordnung: Es ist dies ein Bericht des Ausschusses für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz, und es geht darin um ein Bundesgesetz über die Durchführung des Titels II der Verordnung Nr. 820/97 des Rates vom 21. April 1997, das die Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen zum Inhalt hat.

Der Bericht liegt Ihnen allen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher auf den Hinweis, daß der Ausschuß für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz nach Beratung der Vorlage am 28. April, also gestern, mit Stimmenmehrheit den Antrag stellt, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Andreas Eisl. Ich erteile ihm dieses.

14.45

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz wurde in der letzten Sitzung zurückgestellt, weil einige Länder mit diesem Gesetz nicht einverstanden waren. Wir haben inzwischen auch nicht erfahren, ob diese Länder jetzt mit dieser Vorgangsweise einverstanden sind.

Tatsache ist, daß die EU-Länder laut Verordnung des Rates vom 21. April 1997 eine Rindfleisch-Etikettierung durchzuführen haben. Die Bundesrepublik Deutschland wird dieser Verordnung voraussichtlich nicht nachkommen, da es Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und dergleichen gibt.

Mit der Durchführung dieses Gesetzes und mit der Kennzeichnung soll die AMA betraut werden. Dem Bund entstehen – so steht es im Gesetz – keine Kosten, da die Vermarkter diese Kosten selbst zu tragen haben.

Die Bauern zahlen aufgrund des EU-Beitrittes bei der AMA bereits Marketingbeiträge, Gütesiegelgebühren und jetzt auch noch Etikettierungsgebühren. Was die Kammerumlage und noch einige weiteren Auslagen angeht, bezahlen die zirka 200 landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich laut Landwirtschaftsministerium – pro Betrieb aufgeschlüsselt – bereits 26 000 S im Jahr. (Bundesrat Payer: Dann fragen Sie, was sie mehr verdienen in der Zwischenzeit! Das muß man auch fragen!) Herr Kollege! Der Wein wird nicht etikettiert. Deshalb wissen Sie als Burgenländer auch nicht, wie das abläuft. Diese Kosten bleiben dem Burgenland vorläufig erspart. Vielleicht erfindet man aber auch da noch etwas.

Wenn man schon eine Etikettierung durchführt, so sollte es unserer Meinung nach ein modernes Etikettierungssystem sein. Es gibt bereits Mikrochips, die unter der Haut implantiert werden, damit vom Geburtsdatum an bis ans Lebensende dieses Tieres der Stammbaum und die Herkunft klar ersichtlich sind. (Bundesrat Payer: Wer soll denn implantieren?) Herr Kollege! Ohrenmarken gehen oft verloren, zugegebenermaßen verschwinden sie auch manchmal absichtlich. (Bundesrat Payer: Wollen Sie die Tierärzte noch reicher machen? 300 S pro Besuch! Fragen Sie Ihre Bauern!) Die Ohrmarken müssen dann nachbeschafft werden und kosten auch wieder


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Geld. Gratis sind also auch die Ohrmarken nicht, Herr Kollege! (Bundesrat Payer: Und wer zahlt diese Chips?) – Diese bezahlt der Landwirt, genauso wie die Ohrenmarken, aber nur einmal. Aber nur einmal! (Bundesrat Payer: Ein Besuch des Tierarztes kostet mindestens 300 S!)

Diese Kennzeichnung könnten auch, so meinen wir, die Veterinärabteilungen der Bezirkshauptmannschaften oder könnte auch in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern durchgeführt werden. Meiner Meinung hat man da einfach wieder etwas gefunden, und vielleicht kann die AMA mit dieser neuen Aufgabe ein klein wenig entschuldet werden – zur Gänze sicherlich nicht. Kritisch anzumerken ist auch, daß das, obwohl im landwirtschaftlichen Betrieb etikettiert wird, das wieder in der Zentrale in Wien durchgeführt werden muß.

Die Probleme in diesem Zusammenhang sind schon vorprogrammiert. Die in der Praxis auftretenden Probleme stehen bereits vor der Tür. Daher wird meine Fraktion diesem Etikettierungsgesetz nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.49

Präsident Ludwig Bieringer: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ernst Winter. Ich erteile ihm dieses.

14.49

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Jedem hier Anwesenden sind noch allzu gut die Meldungen über die Rinderseuche BSE in Erinnerung. Diese hat in vielen Ländern und so auch in Österreich zu Kaufrückgängen bei Rindfleisch geführt. Trotz umfangreicher Schutzmaßnahmen beziehungsweise beträchtlicher finanzieller Mittel hat diese Problematik sowohl bei den Produzenten als auch bei den Konsumenten tiefe Spuren hinterlassen.

Darüber hinaus tauchen aber auch heute in diversen Pressemeldungen immer wieder warnende Hinweise hinsichtlich Antibiotika im Rindfleisch auf.

Eine wichtige Schlüsselrolle bei der Stabilisierung des Rindfleischmarktes kommt zweifellos der Stärkung des Verbrauchervertrauens in unser heimisches Rindfleisch zu. In diesem Zusammenhang ist auch die heutige Gesetzesvorlage zu sehen. Es ist dies der österreichische Beitrag zu einer EU-weiten Einführung eines umfassenden Kennzeichnungs- und Registrierungssystems für Rinder sowie eines verbrauchergerechten Etikettierungssystems für Rindfleisch. Beide Systeme sind sehr eng miteinander verknüpft und ergänzen sich.

Diese Regelung soll das Vertrauen der Verbraucher wieder stärken. Ich räume an dieser Stelle aber auch durchaus ein, daß Unternehmen der Fleischwirtschaft und des Handels mit der Umsetzung dieses Systems erhebliche Schwierigkeiten auf sich nehmen. Ähnliches gilt aber auch für die staatlichen Behörden. Dennoch möchte ich behaupten, daß es keine Alternative zu einer umfassenden, verbrauchergerechten Rindfleischetikettierung im Sinne von mehr Produktwahrheit und damit auch Produktsicherheit geben kann. Diese Regelung bringt ein Maximum an Transparenz und damit Sicherheit beim Rindfleischkauf sowohl für den Produzenten als auch für den Konsumenten.

Grundsätzlich darf ich in diesem Zusammenhang hervorheben, daß die Lebensmittelsicherheit allgemein auch in Zukunft Vorrang haben muß. Die BSE-Krise hat das Vertrauen der Konsumenten in die Lebensmittelpolitik sehr geschwächt. Um dieses Vertrauen wiederherzustellen, müssen neue Wege der Zusammenarbeit zwischen Produzenten und Verbrauchern und eine neue Gesprächsebene gefunden werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf das Grünbuch der Kommission über die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts in der EU verweisen, welches unserer Ansicht nach einen wichtigen Schritt in diese Richtung darstellt.

Durch die heute beschlossenen Bestimmungen wird also eine umfassende Kennzeichnung der Rinder von der Geburt bis zum Schlachthof und vom Bauern bis zum Markt sichergestellt. Meine


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Fraktion wird daher dem Gesetz die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.53

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Rieser. Ich erteile ihm dieses.

14.53

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Vor zwei Wochen haben wir hier das Lebensmittelgesetz und das Veterinärrechtsanpassungsgesetz beschlossen. Herr Kollege Eisl! Es war nicht nur Vorarlberg, sondern es haben natürlich auch andere Länder bereits am 1. Oktober 1997 Bedenken vorgebracht. Es handelt sich bei diesem Rindfleisch-Etikettierungsgesetz um den zweiten Teil des Rinderkennzeichnungsgesetzes, das uns auch von der Europäischen Union auferlegt wurde, damit die Bevölkerung wieder mehr Vertrauen hat – Vertrauen, das im Zuge der BSE-Krise verlorengegangen ist.

Es wurde festgehalten, daß die Zustimmung zur Betreuung der AMA zur Vollziehung des Titels II nur dann gegeben werden kann, wenn dem Landeshauptmann das Recht zukommt, alle die für die Wahrung der ihm sonst übertragenen Aufgaben erforderlichen Informationen und Daten beziehungsweise Auskünfte von der AMA unentgeltlich und auf geeignete Art zu erhalten. Den Ländern wurde von seiten der AMA und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft die Wahrung dieser Rechte zugestanden.

Wir sind also heute in der Situation, sagen zu können, daß das, was die Länder verlangt haben und wofür wir in der Länderkammer auch zuständig sind, eigentlich erfüllt worden ist.

Herr Kollege Eisl! Du hast in deiner Rede verlangt, daß die Kennzeichnung der Tiere mit zwei Marken in jedes Ohr nicht genügt, sondern daß sozusagen Mikrochips unter die Haut implantiert werden müssen. Herr Kollege Eisl! Hast du ausgerechnet, was das kosten würde? Herr Kollege Payer hat vorhin gesagt, daß für jeden Tierarztbesuch 300 S nur für die Anfahrtszeit und als Grundhonorar zu begleichen sind. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Herr Kollege Tremmel! Bei 900 000 Kälbern, die in Österreich geboren werden, würde das alleine 270 Millionen Schilling für eine Berufsgruppe ausmachen. Ich glaube, daß solche Belastungen den Bauern nicht zumutbar sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. )

Herr Kollege Tremmel! Tatsache ist, daß das Rindfleisch-Etikettierungsgesetz eine Fortsetzung des Tierkennzeichnungsgesetzes ist. Mein Kollege hat vorhin, so wie auch du, Herr Kollege Eisl, schon ausführlich die Problematik dargelegt. Das Wichtigste ist, das Vertrauen der Bevölkerung wieder zurückzugewinnen, jenes Vertrauen, das aufgrund der BSE-Krise verlorengegangen ist. Ich glaube, daß wir da auf dem richtigen Weg sind. Meine Fraktion wird dieser Novellierung beziehungsweise diesem Gesetz die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.57

Präsident Ludwig Bieringer: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin für Verbraucherschutz und Frauenangelegenheiten Frau Mag. Barbara Prammer. – Bitte.

14.57

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren! Das Wesentliche ist meines Erachtens bereits gesagt worden. Mit diesem Rindfleisch-Etikettierungsgesetz wird – das ist sehr erfreulich – eine Bestimmung, die natürlich auch in Österreich aufgrund des Inkrafttretens einer EU-Verordnung gelten wird, vorgezogen. Das heißt, wir führen freiwillig und früher ein Etikettierungssystem ein und haben daher die Verpflichtung oder vielmehr die Möglichkeit, Marktbeteiligten in vielerlei Hinsicht ein gutes Handwerkszeug in die Hand zu geben, um Vertrauen in den Markt zu garantieren. Das bedeutet: positive Signale in Richtung Verbraucherschutz, positive Signale aber auch in Richtung Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie.


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Ich denke, daß wir auch im Sinne der Wahrung und des Bedenkens von effizienten Maßnahmen gute Entscheidungen getroffen haben, was die Durchführung dieses Rindfleisch-Etikettierungsgesetzes betrifft. Ich möchte nur eines in Erinnerung rufen: Hätten wir keine Regelungen in dieser Form erarbeitet, so hätte die mittelbare Bundesverwaltung, sprich letztendlich die Bezirksverwaltungsbehörden, zur Umsetzung herangezogen werden müssen. Das wäre meiner Meinung nach eine für alle Beteiligten nicht vorstellbare und sehr schwer zu bewerkstelligende Situation gewesen.

Es ist auch im Sinne der Bundesländer gelegen, daß mit der Lösung, daß die AMA als Behörde auftritt, ein sehr brauchbares und sehr gutes Instrument garantiert werden kann. Ich glaube auch, daß durch die Ausschußfeststellung, daß natürlich die Bundesländer beziehungsweise die Landeshauptleute in Wahrung ihrer Kompetenzen von der AMA als Bundesbehörde die Informationen haben und auch abrufen können, alle Bedenken ausgeräumt werden konnten.

Ich erwarte mir, daß wir in Umsetzung dieses Gesetzes beziehungsweise auch der Verordnung auf europäischer Ebene wieder ein Stück weitergekommen sind. Es wurde hier schon von der hohen Transparenz der Produkte, die auf dem Markt sind, gesprochen, der Produkte, die in Österreich produziert werden, die in Österreich auf den Markt kommen und schlußendlich bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern landen.

Ich freue mich darüber und vertrete die Meinung, daß Österreich in diesem Punkt vorbildhaft gehandelt hat, und zwar vor allen Dingen deshalb, weil, wie ich schon sagte, wir sehr schnell gehandelt haben und vorzeitig diese Möglichkeiten allen Marktbeteiligten eröffnen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.01

Präsident Ludwig Bieringer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz geändert wird (695/A und 1145/NR sowie 5672/BR der Beilagen)

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (FHStG) geändert wird (731/A und 1146/NR sowie 5673/BR der Beilagen)

Präsident Ludwig Bieringer: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 und 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz geändert wird, sowie


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Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (FHStG) geändert wird.

Da der gewählte Berichterstatter Josef Pfeifer als verhindert gemeldet ist, wird der Ausschußvorsitzende ... (Rufe: Er ist da!) Dann ist er nicht verhindert. Er ist aber trotzdem als verhindert gemeldet. Ich bitte den Herrn Berichterstatter, über die Punkte 8 und 9 der Tagesordnung dem Plenum zu berichten.

Berichterstatter Josef Pfeifer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Zum Tagesordnungspunkt 8: Studienanfängern bis zum 30. Lebensjahr ermöglicht die Gewährung von Studienbeihilfe einen um knapp ein Semester rascheren Studienabschluß. Bei älteren Studienanfängern verkürzt die Gewährung von Studienbeihilfe die durchschnittliche Studiendauer um etwa drei Semester. Ältere Studienanfänger, die Studienbeihilfe beziehen, haben annähernd gleiche Studienerfolge zu verzeichnen wie jüngere Studienanfänger mit Studienbeihilfe.

Diese Gründe sprechen dafür, für Studierende, die erst nach längerer Berufstätigkeit ein Studium beginnen, die allgemein geltende Altersgrenze für den Bezug von Studienbeihilfe nicht, wie geplant, ab dem Studienjahr 1998/99 auf das 30. Lebensjahr abzusenken. Für Personen, die über einen längeren Zeitraum berufstätig waren und sich dadurch selbst erhalten haben, soll weiterhin eine höhere Ausbildung im zweiten Bildungsweg – je nach Dauer der Berufstätigkeit auch bis zum 35. Lebensjahr – ermöglicht werden. Neben der Berufstätigkeit sollen auch Zeiten der Pflege und Erziehung von Kindern bis zum dritten Lebensjahr berücksichtigt werden.

Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 28. April 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 9: Das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (FHStG), BGBl. Nr. 340/1993, trat am 1.10.1993 in Kraft, sodaß nunmehr auf einen vierjährigen Implementierungszeitraum zurückgeblickt werden kann. Die in diesem Zeitraum mit Anerkennung, Einrichtung und laufendem Betrieb von rund 40 Studiengängen und ca. 6 000 Studierenden gesammelten Erfahrungen zeigen zwar, daß sich die durch das FHStG eingeführten neuartigen Akkreditierungs- und Finanzierungsmechanismen bewährt haben; dennoch sind einzelne, rein administrative Korrekturen erforderlich.

Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 28. April 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte um Durchführung der Debatte.

Präsident Ludwig Bieringer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Dr. Peter Böhm. Ich erteile ihm das Wort

15.06

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Mein Debattenbeitrag beschränkt sich auf jenes Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz geändert wird. Es ist insofern zu begrüßen, als für Studierende im zweiten Bildungsweg die allgemein geltende Altersgrenze für den Bezug eines Stipendiums nicht, wie das ursprünglich geplant war, ab dem kommenden Studienjahr 1998/99 auf das 30. Lebensjahr abgesenkt wird. Vielmehr sollen Studierende, die erst nach längerer Berufstätigkeit ein Studium beginnen, Studienbeihilfe je nach Dauer der Berufstätigkeit bis zum 35. Lebensjahr beziehen können.

Meine Fraktion erkennt die damit verbundene Verbesserung durchaus an; kommt sie doch Personen zugute, die über einen längeren Zeitraum berufstätig waren und sich dadurch selbst erhalten haben. Ihnen soll auch weiterhin über eine Studienbeihilfe ein Studium bis zu einem


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Höchstalter von 35 Jahren ermöglicht werden. Anzuerkennen ist auch, daß das Gesetz künftig auch Zeiten der Pflege und Erziehung von Kindern bis zum dritten Lebensjahr berücksichtigt.

Unsere Kritik setzt bei der Frage an, weshalb es überhaupt eines Alterslimits bedarf; ist es doch nicht einzusehen, daß jemand, der studieren will, bei Vorliegen der sozialen Voraussetzungen nicht unabhängig von seinem Lebensalter ein Stipendium erhalten sollte. Befürchtet man ernsthaft die Finanzierung von Hobbystudien von Senioren beziehungsweise echten oder Frühpensionisten aus öffentlichen Mitteln, oder geht es vielmehr um eine rein volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung, die bloß danach fragt, ob der ältere Studierende den Erfolg seines Studiums auch noch in einen Beruf sozioökonomisch nutzbringend wird umsetzen können?

Fairerweise halte ich fest, daß auch der Bildungssprecher der SPÖ, Abgeordneter DDr. Niederwieser, eine Studienförderung unabhängig von einem Alterslimit grundsätzlich für überlegenswert hielt. Gleiches gilt übrigens auch für die Abgeordnete Dr. Gredler vom Liberalen Forum.

Die Mehrkosten fallen nach allen Einschätzungen nicht allzu gravierend ins Gewicht, da, wie aus einem Bericht des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr über Studienförderung und Studieneinstiegsalter zu entnehmen ist, durch die Studienbeihilfe bei Studierenden über 30 Jahren die durchschnittliche Studiendauer um drei Semester verkürzt wird. Demgegenüber ermöglicht die Gewährung eines Stipendiums Studienanfängern bis zum 30. Lebensjahr im statistischen Schnitt einen bloß knapp ein Semester rascheren Studienabschluß.

Das entscheidende Argument für den Entfall jeder Altersbegrenzung für den Bezug der Studienbeihilfe liegt meines Erachtens jedoch darin, daß es sich bei der betroffenen Personengruppe ausschließlich um Selbsterhalter handelt. Zudem paßt das nach wie vor bestehende Alterslimit wohl nicht mehr in eine Zeit, in der lebensbegleitendes Lernen, Erwachsenenbildung und berufliche Mobilität als vorrangige bildungspolitische Zielvorstellungen gelten. Aus diesen Gründen werden wir dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.09

Präsident Ludwig Bieringer: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile ihm dieses.

15.09

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Mit dem vorliegenden Studienförderungsgesetz ist das Parlament meiner Auffassung nach einen guten Mittelweg gegangen. Eine Studienförderung ohne jede Altersbegrenzung wäre meiner Meinung nach ein leichtfertiger Umgang mit Steuermitteln. Das 35. Lebensjahr scheint mir eine richtige Begrenzung zu sein.

Sehr geehrter Herr Kollege Böhm! Jeder Österreicher, der die nötigen Voraussetzungen mitbringt, kann ja ohnehin kostenlos an den österreichischen Universitäten studieren. Das Seniorenstudium ist eine tolle Freizeitbeschäftigung, natürlich auch eine persönliche Weiterbildung. Aber bei der Begründung einer Studienförderung für Pensionisten tue ich mich sehr schwer.

Nun zum Fachhochschul-Studiengesetz. Dieses bedarf nun nach einigen Jahren der Anwendung einer Anpassung an die Praxis. Mit Einführung der Fachhochschule ist es in Österreich endlich gelungen, einen höheren Schultyp mit praxisnaher Ausbildung einzuführen. Der Andrang an die Fachhochschulen und die guten Berufsaussichten für die Fachhochschulabgänger beweisen, wie notwendig für die Wirtschaftsentwicklung in unserem Lande die Ausbildung unserer Jugend an Fachhochschulen ist.

Leider ist es bei uns in Österreich bisher noch nicht gelungen, der Bedeutung der praktischen Ausbildung vor dem Eintritt in eine Fachhochschule eine entsprechende Anerkennung zuzuordnen. Bei der Organisation der praktischen Ausbildung sind auch die Wirtschaft und ihre Interessenvertretung, sprich Wirtschaftskammer, gefordert, entsprechend angepaßte Praxisausbildungen mit Abschlußzeugnis anzubieten.

Genauso wie die theoretische Ausbildung ist auch die praktische Ausbildung einer ungeheuer dynamischen Veränderung ausgesetzt. Viele Ausbildungen in Theorie und Praxis entsprechen


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meiner Auffassung nach nicht mehr dem, was unsere Jugend zur Bewältigung ihrer Zukunft heute benötigt. Wir werden uns in Zukunft nicht mehr damit begnügen können, einfach Anpassungen der diversen Ausbildungsgesetze vorzunehmen, sondern es wird in vielen Bereichen noch viel grundlegenderer Änderungen in der theoretischen und in der praktischen Ausbildung für unsere Jugend bedürfen. Vor allem muß den differenzierten Anforderungen der verschiedenen Berufe mehr als bisher Rechnung getragen werden.

Der Nationale Aktionsplan zur Beschäftigung in Österreich ist ein deutlicher Hinweis dafür, daß sich vieles in der Ausbildung, aber auch auf dem Arbeitsmarkt ändern muß, wenn wir den Wohlstand in unserem Staate halten wollen.

Um die Arbeitslosigkeit einzudämmen, wird auch von uns politisch Verantwortlichen der Trend hin zu einer verstärkten selbständigen Erwerbstätigkeit immer wieder beschworen. Auch der Nationale Aktionsplan zur Beschäftigung in Österreich widmet diesem Kapitel einige Zeilen. Nur ist, wie wir alle wissen, Papier geduldig. Meistens sind es nämlich nur die Söhne und Tochter von Selbständigen, die von ihren Eltern zu einer Denkungsart in Richtung selbständige Erwerbstätigkeit erzogen und dann einer entsprechenden Ausbildung zugeführt werden.

Ich stellte zum Beispiel meinem Sohn, der derzeit die vierte Klasse der Handelsakademie absolviert, die Frage: Ist in eurer Schule die Selbständigkeit im Berufsleben ein Thema? Seine Antwort lautete nach einigem Überlegen: Eigentlich wird darüber nicht gesprochen! Jede Handlung beginnt aber im Kopf. Es muß uns deshalb gelingen, die selbständige Erwerbstätigkeit in den Schulen, in den höheren Schulen, an den Universitäten und in allen Ausbildungsstätten, selbstverständlich natürlich besonders in den Fachhochschulen, zu thematisieren. So lange aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Verdienst und die Anerkennung bei einer Beschäftigung ohne persönliche Haftung größer sind als bei selbständiger Tätigkeit mit voller persönlicher Haftung, solange kann der Trend hin zur selbständigen Erwerbstätigkeit nicht allzu groß sein.

Es gilt also in allen Schultypen, im besonderen aber in den Fachhochschulen, bei der Ausbildung verstärkt Anreize zur selbständigen Erwerbstätigkeit zu geben, gleichzeitig aber auch Hindernisse auf dem Weg dorthin zu beseitigen und Belastungen wie mangelnde Anerkennung der dabei erbrachten Leistungen abzubauen.

Unsere Gesellschaft ist in einem ungeheuer dynamischen Umbruch begriffen. Unsere Verantwortung als Gesetzgeber ist es, mit dieser dynamischen Entwicklung Schritt zu halten, damit nicht nur heute, sondern auch in der Zukunft der hervorragende Wirtschaftsstandort Österreich gewahrt bleibt. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.15

Präsident Ludwig Bieringer: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach. Ich erteile ihr dieses.

15.15

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Chancen auf Bildung zu gewährleisten, ist in zweierlei Hinsicht unabdingbar notwendig: einerseits, um den Menschen die Möglichkeit zur Entfaltung all ihrer Fähigkeiten zu geben, und andererseits, um der Gesellschaft innovative Kräfte in Wissenschaft und Forschung sowie Technik zur Verfügung stellen zu können, und zwar innovative Kräfte, die für eine konkurrenzfähige Wirtschaft und für die Sicherung von Lebensqualität notwendig sind.

Um den Anforderungen einer sich immer rascher verändernden Welt auch gerecht werden zu können, bedarf es Bildung als Grundlage. Unser Bildungssystem muß durchlässig sein, damit von den Lernenden beziehungsweise Studierenden die individuellen Interessen bestmöglich verfolgt und die gebotenen Möglichkeiten im Interesse der Gesellschaft optimal genützt werden können.


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Meine Damen und Herren! Das Recht auf Bildung muß allen zustehen, unabhängig von der persönlichen sozioökonomischen Situation oder beispielsweise davon, ob aufgrund des Wohnortes ein erschwerter Zugang zu Bildungseinrichtungen besteht.

Wenn wir das Recht auf Bildung garantieren wollen, dann müssen gesellschaftliche Entwicklungen ständig beobachtet und entsprechende Regelungen als Konsequenz aus den Erkenntnissen getroffen werden.

Die beiden uns vorliegenden Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates entsprechen diesen Anforderungen.

Meine Damen und Herren! Der Rechtsanspruch auf Studienbeihilfe, natürlich unter bestimmten Bedingungen, ist in meinen Augen im Bereich der Bildungspolitik eine der großen Errungenschaften der siebziger Jahre. Der Zugang zu diesem Recht soll gerecht gestaltet sein, daher bin ich froh, daß die heute vorliegende Novelle zum Studienförderungsgesetz auf die besonderen Erfordernisse älterer Studierender Rücksicht nimmt.

Jemand, der bereits in einem Beruf gearbeitet hat, nimmt große Erschwernisse auf sich, wenn er ein Studium absolvieren will. Das muß von der Gesellschaft nach Kräften unterstützt werden. Existenzielle Sorgen dürfen nicht dazu führen, daß ein begabter Mensch sein Studienziel nicht erreichen kann.

Als Frau bin ich natürlich besonders froh darüber, daß Kindererziehungszeiten für den Anspruch auf Studienförderung in Zukunft geltend gemacht werden können.

Wenn man sich die Zahlen der Studie des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr über "Studienförderung und Studieneinstiegsalter" ansieht, dann fällt einem auf, daß im untersuchten Zeitraum die Zahl der Frauen unter 30 Jahren bei 52 bis 55 Prozent liegt, jene der Gruppe von 30 bis 35 Jahren bei 51 bis 57 Prozent. Dieser leichte weibliche Überhang gegenüber älteren männlichen Studienanfängern ist sicher auch mit allfälligen früheren Kinderbetreuungspflichten der Frauen zu erklären.

Nicht unerwähnt darf bleiben, daß sich der Studienverlauf von jenen Studierenden, denen eine Studienbeihilfe gewährt wird, günstiger gestaltet als der Studienverlauf von jenen Studierenden, die neben ihrem Beruf studieren. So verbleiben im Universitätssystem von den 30- bis 35jährigen Studierenden mit Studienbeihilfe im dritten Semester 96 Prozent, ohne Studienbeihilfe 67 Prozent, im sechsten Semester mit Studienbeihilfe 88 Prozent, ohne Beihilfe schon nur mehr 47 Prozent, und im zehnten Semester mit Studienbeihilfe sind es immerhin noch 77 Prozent, aber ohne Studienbeihilfe nur mehr 37 Prozent.

Das Interesse der Gesellschaft muß es aber sein, daß ein begonnenes Studium im Regelfall auch beendet werden kann. In Österreich sind die Drop-out-Raten zu hoch. Das ist, abgesehen von der Enttäuschung der Betroffenen – und man verzeihe mir jetzt ein durchaus scharfes Wort –, eine Vergeudung von Ressourcen. Wenn wir also davon ausgehen, daß gut Ausgebildete der Gesellschaft eines Tages mehr geben, als sie von ihr genommen haben, dann ist die Gewährung von Studienbeihilfe nur recht und billig.

Meine Damen und Herren! Bei Durchsicht der Studie ist mir aufgefallen, daß jene Gruppe der Studierenden, die aus Arbeiter-, Kleingewerbetreibenden- und Kleinbauernfamilien kommen, den größten Anteil bei den Studienanfängern zwischen 30 und 35 Jahren stellen. Das heißt, daß bei allem Bemühen um Chancengerechtigkeit viele ihre Chancen erst im Erwachsenenleben, und zwar neben oder nach ihrer Berufstätigkeit, nützen können. Das muß uns allen zu denken geben, und wir müssen alles unternehmen, um sozioökonomische Barrieren abzubauen. Die Novelle zum Studienförderungsgesetz ist daher ein Schritt in die richtige Richtung, der von der sozialdemokratischen Fraktion auch begrüßt wird.

Ich möchte im Zusammenhang mit diesen beiden Gesetzesvorlagen noch auf ein Detail der Studie hinweisen, nämlich auf die Frage der Studienwahl von Studienanfängern im Alter zwischen 30 und 35 Jahren. Es zeigt sich, daß nahezu die Hälfte, nämlich 45 Prozent, ein Studium


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der Rechtswissenschaften beziehungsweise ein sozialwissenschaftliches Studium wählen, 34 Prozent ein Studium im Bereich der Geisteswissenschaften, aber lediglich 9 Prozent ein technisch-naturwissenschaftliches Studium beginnen. Ein Medizinstudium beginnen gar nur 3 Prozent.

Wenn ich allerdings die vorgeschriebene beziehungsweise tatsächliche Studiendauer der einzelnen Studienrichtigungen in Betracht ziehe, dann verstehe ich die von den Studienanfängern getroffene Wahl schon. Sicherlich mag der Umstand eine Rolle spielen, welches Studium die besseren Berufschancen bietet. Aber mit über 30 Jahren zum Beispiel ein Technikstudium zu beginnen, das heute im Regelfall wesentlich länger als zwölf Semester dauert, bis der frühestmögliche Abschluß erreicht werden kann, ist doch sicher nicht ratsam.

Daher hoffe ich, daß viele begabte, bildungswillige Menschen, die jetzt möglichen Angebote im Fachhochschulbereich annehmen können, denn die Fachhochschulstudiengänge bieten, vereinfachend gesprochen, eine kompakte berufsorientierte Ausbildung.

Mit dem Blick auf Studiendauer und Berufschancen komme ich nun zum zweiten Gesetzesbeschluß, der uns in dieser Debatte vorliegt, nämlich zum Fachhochschul-Studiengesetz.

Die Einrichtung von Fachhochschul-Studiengängen hat sich als sinnvolle Bildungseinrichtung im Rahmen unseres Hochschulwesens erwiesen. Im vierjährigen Implementierungszeitraum hat es sich gezeigt, daß Akzeptanz vorhanden ist. Aber einzelne Ergänzungen beziehungsweise Korrekturen sind noch notwendig, wie es auch schon mein Vorredner, Kollege Jaud, erwähnt hat. Ich meine, daß es gut ist, zum Beispiel HTL-Ingenieuren Nachqualifizierungsangebote in den Fachhochschulen zu machen, damit sie keine beruflichen Nachteile durch gesamteuropäische Ausbildungserfordernisse zu befürchten haben.

Ebenso positiv ist hervorzuheben, daß der zielgruppenspezifischen Ausrichtung der Fachhochschulstudiengänge durch besondere Gestaltungsgrundsätze entsprochen werden wird, nämlich durch die Einrichtung von Fernstudien. Durch die mögliche Verbindung von Anwesenheitszeiten am und Distanzphasen zum Studienort wird in hohem Maße auf berufstätige Studierende Rücksicht genommen. Daher ist im Sinne unseres Bekenntnisses zu Chancengerechtigkeit auch die Novelle zum Fachhochschulstudiengesetz zu begrüßen.

Die sozialdemokratische Fraktion wird den beiden Anträgen, keinen Einspruch zu erheben, gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.25

Präsident Ludwig Bieringer: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. – Bitte.

15.25

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Umfassend und ausführlich hat Herr Kollege Dr. Böhm bereits zum Studienförderungsgesetz gesprochen. Gestatten Sie mir aber, daß ich dazu noch zwei Anmerkungen mache: Nicht aus populistischen Gründen waren wir beziehungsweise sind wir für die Hinaufsetzung der Altersgrenze auf 35 Jahre eingetreten, sondern deshalb, weil wir in Richtung einer Menschengruppe, einer Bevölkerungsgruppe, nämlich die der Seniorinnen und die Senioren, die im Jahre 2000 ein Drittel der Bevölkerung ausmachen wird, zeigen wollten, daß die Qualität des Lebens auch darin besteht, daß man einen Zugang zum Studium hat.

Meiner Vorrednerin, die auch zu diesem Bereich gesprochen hat, möchte ich sagen: Das hat nichts mit den Gebühren zu tun. Dieses Gesetz soll man nicht allein an der Effizienz – wie heißt das neudeutsche Wort? – des Outputs werten, sondern man sollte es auch als ein Gesetz sehen, das für die gesamte Bevölkerung, also auch für die Senioren, notwendig ist.

Zur Qualität des Lebens möchte ich noch sagen: Ich möchte nicht, daß der Eindruck entsteht, daß wir für unsere älteren Menschen zwar entsprechend sorgen, sehr gut sorgen werden, aber auf einem modernen, gut eingerichteten Abstellgleis des Lebens. Dieser Eindruck darf nicht entstehen. Das ist in einigen Reden hier herausgeklungen, aber ich möchte das – zumindest für


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meine Person und auch im Namen meiner Fraktion – insofern anders darstellen und relativieren, als ich der Meinung bin, daß alle Menschen die gleichen Chancen haben sollten. – Das war die erste Anmerkung.

Zweite Anmerkung: Die Fachhochschulen – an und für sich sehr gute Einrichtungen – scheinen auch in dieser Vorlage zu einem unübersehbaren Bereich zu verkommen. Kollege Jaud hat vorhin etwas sehr Richtiges gesagt. Er sagte nämlich – ich interpretiere es, ich kann es jetzt nicht wörtlich sagen –, "selbständig zu sein beginne im Kopf". Doch dieses Im-Kopf-Beginnen scheint mir in diesem Gesetz nur sehr wenig zum Ausdruck zu kommen, wenn ich mir vor Augen führe: 40 Studiengänge, 6 000 Studierende, im Jahre 2000 wahrscheinlich 10 000 Studierende und noch mehr Studiengänge.

Unsere Kritik daran ist, daß ein konkreter Fachhochschulstudienplan fehlt, in dem vorgesehen ist, daß man die Effizienz prüft. Es werden jetzt zwar Evaluierungen eingeführt, es wird bei der Effizienzprüfung dann heißen: Sehr gute Effizienz, weil soundso viele Abgänger!, aber die Legung einer positiven Bilanz im Hinblick auf fachliche Ausbildung, auf Qualifikation und auf Bedarf von seiten der Wirtschaft fehlt. Das ist unser erster gravierender Kritikpunkt.

Zum nächsten Punkt: Der vorliegenden Novellierung liegt auch die Absicht zugrunde, bei der Entwicklung des Fachhochschulsektors die Zugänglichkeit für berufstätige Studierende dadurch zu verbessern, daß diese Studiengänge als Fernstudium angeboten werden. Auf unsere Kritik hin hat man gesagt: Es ist ja impliziert, daß der Studierende teilweise in der Praxis und teilweise als Fernstudent tätig sein kann! und hat dann auf die modernen Kommunikationsmittel verwiesen und in Richtung Europarat, Jacques Delors, et cetera argumentiert. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Das gehört in das Gesetz hinein, denn aus der Praxis heraus kann jemand sein Wissen verfestigen, wenn er dann wieder als Fernstudent tätig ist. Das muß man, bitte, hier hineinschreiben!

Ich meine allerdings, meine Damen und Herren, daß etwas bei diesem Gesetz kaum oder überhaupt nicht vorhanden ist. Ich habe bereits am Vormittag bei einer Anfrage an Frau Bundesministerin Gehrer formuliert, daß die modernen Lehrpläne natürlich die modernen Arbeitstechniken wie EDV et cetera präferieren, altes Handwerkswissen hingegen langsam verlorengeht oder nur vereinzelt überlebt. Gerade jetzt verlangt der Arbeitsmarkt danach, daß dieses gute alte Handwerkswissen wieder verwendet wird. Rundum werden Leute gesucht, die noch spezielle Fertigkeiten beherrschen, aber in diesen neuen Bereichen wird dieses alte Handwerkswissen, werden diese alten Handwerkstechniken eigentlich kaum vermittelt. Ich bedaure das.

Ich nenne demonstrativ etwa die Schmiedekunst oder den Wagner. Letzterer ist heute wieder gesucht, denn es ist nun einmal sehr gut, wenn der Wein oder der entsprechende Hochprozentige wieder in Eichenfässern lagert, jedoch das, was kunsthandwerklich hiefür nötig ist, beherrschen nur mehr einige wenige Menschen.

Oder etwa – ich komme zu einem anderen Bereich – der Maurer, der Stukkaturmaurer: Gesucht wie die Nadel im Heuhaufen! Um so jemanden entsprechend einsetzen zu können, müßte natürlich auch der Baumeister wissen, wie so ein Stukkaturmaurer überhaupt arbeitet, er müßte wissen, wie seine Arbeitstechnik ist, um das abschätzen zu können.

Ich möchte nicht haben, und ich glaube, es ist nicht gut, daß solches Wissen verlorengeht oder zur Geheimwissenschaft wird, wie es im Mittelalter bei den Dommaurern der Fall war. Damals sind Geheimbünde entstanden, die heute noch ihr Wesen oder Unwesen treiben, allerdings schon lange nicht mehr in ihrem handwerklichen Bereich.

Verzeihen Sie mir diesen kleinen Ausflug, meine Damen und Herren, aber er ist natürlich gerechtfertigt, denn das hat man hier völlig übersehen. Abgesehen davon ist der Bedarf des Arbeitsmarktes an solchen Fachkräften besonders groß, und wir haben hier einen neuen Bereich, der darauf kaum oder überhaupt nicht Rücksicht nimmt. Ich sage deswegen "kaum",


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weil es doch die Klause Mauerbach gibt, wo Restaurateure tätig sind. Da könnte ich mir eine Verbindung mit der Fachhochschule vorstellen. Die jungen Baumeister könnten dorthin geschickt werden, um das eben ganz genau zu lernen und zu sehen, wie das vonstatten geht. Das könnte man für die einzelnen Bereiche auch regionsbezogen machen – Obersteiermark: Holz –, und mit diesen alten Techniken, die für uns wirkliche Nischen sind – wir jammern immer darüber, daß die Arbeitsplätze verlorengehen; hier hätten wir sie –, könnten wir diese Nischen füllen.

Meine Damen und Herren! Für uns – das ist eine große Mangelerscheinung – ist all dies in diesem Gesetz nicht vorhanden. Wir geben das jetzt als Anregung, vielleicht berücksichtigen Sie es bei einer nächsten Novellierung. Diesmal können wir nicht zustimmen, weil das von mir Genannte nicht berücksichtigt ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Strugl. – Bitte.

15.34

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Wir stimmen ja alle miteinander darin überein, daß wir uns in einer Wissensgesellschaft und, wenn Sie so wollen, auch in einer Wissensökonomie befinden und in einer solchen leben, weshalb wir auch Wissen als wichtigen "Rohstoff" für die Zukunft unseres Landes anerkennen. Wir verfügen über keine Bodenschätze im engeren Sinn, können auch nicht mit Billiglohnländern konkurrieren, aber die Qualifikation der Arbeitnehmer ist es, was uns einen Wettbewerbsvorsprung im Standortwettbewerb verschaffen soll.

Durch die Einführung des Fernstudiums an den Fachhochschulen können nun auch HTL-Absolventen eine Höherqualifizierung vom HTL-Ingenieur zum Euro-Ingenieur erlangen, und ich meine, das ist auch ein wichtiger Fortschritt – abgesehen davon, daß hiermit natürlich auch eine Zusage eingelöst wird. Ich begrüße ausdrücklich, daß dieser Lehrgang auch als Fernstudium eingerichtet werden soll. Wir haben in Oberösterreich an der Universität Linz seit 1992 ein Fernstudiumzentrum, wo mit 160 Studenten begonnen wurde und wo heute 700 Personen ein Fernstudium absolvieren. Die Erfahrungen sind wirklich sehr gut, auch wenn es natürlich da und dort noch Probleme gibt, gerade in den ersten Semestern.

Darum verstehe ich auch nicht, warum da und dort auch von einzelnen Oppositionspolitikern dieser Tatsache, daß man hier ein Fernstudium ermöglichen möchte, eine gewisse Zurückhaltung oder sogar Skepsis entgegengebracht wird. Ich meine nämlich, daß es sogar absolut notwendig ist, daß wir auch diese Formen des Lernens fördern. Es sind sich alle Fachleute weltweit und in Österreich darüber ... (Bundesrat Dr. Tremmel: Das hat niemand bestritten!) Im Nationalrat ist darüber auch diskutiert worden, und von Vertretern Ihrer Fraktion, etwa von Dipl.-Ing. Schöggl, wurde das dort so gesagt. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wir sind hier im Bundesrat!) Das weiß ich, daß wir im Bundesrat sind, aber ich habe mich ja nicht darauf beschränkt. Ich habe nicht gesagt, daß "ein Bundesrat" dies gesagt hat, sondern "ein Politiker der Opposition". So habe ich es gemeint.

Und darum meine ich, wir sollten ganz im Gegenteil mutig auch auf diese Lernformen zugehen, denn es geht ja auch ein bißchen darum, daß wir in diesen Bereichen Kompetenz aufbauen und daß wir auch diese technischen Möglichkeiten in die Lernprozesse integrieren, speziell dann, wenn wir daran denken, daß es eine Zielgruppe, die HTL-Ingenieure, betrifft, der man diese Beweglichkeit nicht nur zumuten, sondern vor allem zutrauen soll. Ich sage deswegen all denjenigen, die sich hier als Bedenkenträger gezeigt haben: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Ich glaube, es bleibt uns nicht erspart, auch diese neuen Wege zu beschreiten.

Es ist geplant, in Oberösterreich neben den vier anderen bestehenden Lehrgängen, die es derzeit gibt, auch einen Fachhochschul-Studiengang Mechatronik – Wirtschaft mit Fernstudienanteil zur Weiterqualifizierung von HTL-Ingenieuren einzurichten. Eines hat sich dabei besonders bewährt, nämlich – da gebe ich Dr. Tremmel durchaus recht – die enge Kooperation mit


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der Wirtschaft, etwa durch die Einbeziehung von Praxissemestern in die Lehrpläne. Es ist einfach so, daß man schnell auf die Bedürfnisse der Wirtschaft reagieren können sollte, daß die Studien praxisorientiert sein und auch schnell absolvierbar werden sollen.

Deshalb habe ich auch in diesem Punkt der Novelle eine Kritik anzubringen. Es wird ja unter anderem auch die Entscheidungsfrist für das Verfahren zur Anerkennung von Fachhochschul-Studiengängen von sechs auf neun Monate verlängert. Ursprünglich war diese Frist analog zum AVG. Jetzt soll sie aufgrund der Tatsache, daß der Fachhochschulrat eine sehr große Menge zu bewältigen hat, verlängert werden. Insofern ist es auch verständlich. Auf der anderen Seite muß man aber schon sagen, daß das für die Länder oder in besonderer Weise für die Träger der Fachhochschulen eine Erschwernis darstellt, weil natürlich die Planung dadurch erschwert wird.

Ich meine daher, daß man auch angesichts der Tatsache, daß diese Frist nun verlängert werden soll, trotzdem danach trachten sollte, die Verfahren eher zu beschleunigen und nicht zu verlangsamen.

Insgesamt wird uns diese Novelle durch diese Möglichkeit der Höhergraduierung ein Stück mehr wettbewerbsfähig machen. Und weil wir wissen, daß es auch darum geht, durch Höherqualifikation Arbeitsplätze nicht nur ins Land zu holen, sondern auch zu halten, ist diese Novelle grundsätzlich zu begrüßen.

Eine Anmerkung noch zum Studienförderungsgesetz. Ich verstehe natürlich schon auch Ihre Argumentation, wenn Sie sich an dieser Altersgrenze stoßen, und ehrlich gesagt, habe ich es gar nichts anders erwartet von der Opposition, als daß sie hier Kritik übt. Sie tun im wesentlichen das, was Sie in diesen Fällen immer machen, nämlich immer noch mehr zu fordern. Das ist ja ein gelerntes Politikmuster. Ich meine, es ist ein vertretbarer Kompromiß, eine vertretbare Regelung, die hier angestrebt wird.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich bin selbst mit Seniorenstudenten in Hörsälen gesessen und habe das als sehr angenehme Zusammenarbeit empfunden. Ich bin also wirklich nicht derjenige, der etwas dagegen hätte, im Gegenteil, ich begrüße es sehr, daß auch ältere Menschen diesen Weg wählen und an der Universität studieren wollen. Im übrigen geht es nicht darum, daß diese dann nicht mehr den Zugang zur Universität hätten, so wie Sie das hier dargestellt haben, sondern es geht schlicht um die Frage: Ist es primär eine Aufgabe des Staates, in diesem speziellen Bereich das auch finanziell zu unterstützen? Noch dazu angesichts der Tatsache, daß ja im Gegensatz zu den jungen Studenten die älteren vielfach auch über eine materielle Grundversorgung verfügen.

Ich glaube, das muß man bei dieser Forderung bedenken, und ich stelle schon die Frage, ob hier nicht das Kind mit dem Bad ausgeschüttet wird, wenn Sie sagen: Aufgrund dieser Tatsache stimmen wir jetzt nicht mit. Denn die Konsequenz wäre ja, daß es dann so bleibt, wie es ursprünglich vorgesehen war, daß nämlich die Grenze nicht bei 35, sondern bei 30 Jahren liegt. Und das ist, glaube ich, auch nicht in unser aller Sinne.

Ausdrücklich begrüße ich, daß die Kindererziehungszeiten angerechnet werden, wie es auch von der Frau Präsidentin schon gesagt wurde. Ich glaube, dies ist ein wichtiges Signal in Richtung Frauen und Mütter und deshalb umso erfreulicher.

Es wird noch zu einer weiteren Novellierung des Studienförderungsgesetzes kommen müssen, und zwar im Zusammenhang mit der Erhöhung der Familienbeihilfen, weil ja sonst einige wieder durch den Rost fallen würden. Das heißt, es müssen die Grenzen entsprechend erhöht werden.

Was meiner Meinung nach auch angestrebt werden sollte, ist eine generelle Reorganisation der Studienbeihilfe, um die Treffsicherheit der Stipendien zu verbessern. Es wird ja darüber diskutiert. Da geht es um Fragen, daß Zusatzausgaben berücksichtigt werden, daß Auslandsstudien gefördert werden, daß administrative Erleichterungen gemacht werden sollen. Ich meine, das wird noch auf uns zukommen.


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Ein Detail aus diesem Bericht des Wissenschaftsministeriums über die Studienförderung, nämlich den Vorschlag, Leistungsstipendien generell entfallen zu lassen, kann ich mir persönlich eigentlich überhaupt nicht vorstellen. Das würde dem Leistungsgedanken widersprechen. Wir sind uns ja eigentlich darüber im klaren, daß Leistungsstipendien die Leistungsbereitschaft stärken. Ich glaube daher, einen solchen Vorschlag zu machen, wäre ein völlig falsches Signal auch in Richtung der Studierenden. Ich kann mir das, wie gesagt, nicht vorstellen.

Unter dem Strich: Insgesamt stellen beide Novellen einen Beitrag zur Erhöhung der Bildungschancen und auch zur Förderung der Qualifikation der Arbeitnehmer und somit auch zu einer Stärkung unseres Wirtschaftsstandortes und unserer Wettbewerbsfähigkeit dar. Daher wird meine Fraktion den Anträgen, keinen Einspruch zu erheben, zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

15.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

15.45

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Vorredner hat kritisiert, daß sich die Opposition an der Altersgrenze stößt und daß wir deswegen dagegen seien. Dem muß ich schon entgegenhalten, Herr Kollege: Was hindert Sie daran, auch einmal unseren Vorstellungen nahezutreten? Wir haben ja den Vorschlag gemacht, keine Altersklausel vorzusehen, sondern alleine die Bedürftigkeit zählen zu lassen.

Es haben alle meine Vorredner völlig richtig erkannt, daß lebenslanges Lernen wirklich wichtig ist und die Durchlässigkeit des Bildungssystems gerade in der heutigen Zeit große Bedeutung hat. Dem schließe ich mich uneingeschränkt an, und in diesem Fall wären wir bei einer Abstimmung auch Ihre Partner. Aber richtigerweise muß man sagen, daß es schon einmal eine höhere Altersgrenze gegeben hat. Es ist einfach unzulässig und fast unfair, zu sagen: Wenn Sie jetzt diesem Gesetz nicht zustimmen, dann sind Sie für eine generelle Altersgrenze von 30 Jahren und nicht, so wie jetzt vorgesehen ... (Bundesrat Mag. Strugl: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt, das wäre die Konsequenz!) Das wäre die Konsequenz daraus, ja.

Trotzdem gab es schon einmal eine Altersgrenze von 40 Jahren, aber – und das muß man hinzufügen – aufgrund Ihrer verfehlten Budgetpolitik war es dann 1996 im Zuge der Strukturanpassung und im Rahmen des Belastungspakets nötig, auf die 30-Jahre-Grenze zurückzugehen. Ein Jahr später ist man dann draufgekommen, daß das vielleicht doch zu scharf ist, und ist für ein Jahr auf eine 35-Jahre-Regelung ausgewichen. Und jetzt sind wir wieder dort, wo wir am Anfang waren – zwar nicht ganz dort, aber auch nicht ein bißchen weiter –, und ich halte nichts davon, auf halbem Wege stehenzubleiben. Jetzt haben wir generell 30 Jahre, in bestimmten Ausnahmefällen 35 Jahre, obwohl ich durchaus anerkenne, daß Kindererziehung und Leute, die vorher schon gearbeitet haben, Kriterien sein sollen.

Was die Kosten anbelangt, muß man, wenn man sich diese Studie ansieht, die heute schon zitiert worden ist, schon auch sagen, daß 1,7 Prozent der Studienanfänger in den Bereich der 30- bis 35jährigen fallen und daß unter den Anfängern des Studienjahres 1996/97 aus diesem Personenkreis genau 31 Personen berechtigt waren, Studienbeihilfe zu beziehen. Also ich glaube, da reden wir wirklich nicht von großen Dimensionen, von einem Massenansturm auch der älteren – unter Anführungszeichen – Studienanfänger auf die Universitäten, sondern ich glaube, bei Bildung darf in der heutigen Zeit überhaupt nicht gespart werden.

Sie selbst haben ja gesagt – egal, ob jetzt von der SPÖ oder von der ÖVP –, wie wichtig es ist, zu lernen. Wenn ich mir den heutigen Arbeitsmarkt anschaue und wenn wir uns die Zahlen des letzten Sozialberichtes in Erinnerung rufen, dann wissen wir gar nicht, wie lange wir in Zukunft über das Jahr 2000 hinaus noch arbeiten werden müssen. Und wer sagt Ihnen, daß es nicht sinnvoll ist, mit 40 Jahren noch ein Kurzstudium zu beginnen. Wenn jemand dann nicht entsprechend viel verdient und wenn es ihm nicht gelingt, im Rahmen des Studiums so viel zu arbeiten, daß er sein Auskommen hat – ja was spricht denn dagegen, daß ein 40jähriger dann


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auch noch eine Studienbeihilfe beziehen kann? Denn aller Wahrscheinklichkeit nach wird er das sehr wohl noch beruflich verwerten können.

Und noch einmal: Die Zahlen sind nicht so hoch, daß wir uns jetzt fürchten müßten, daß wir uns das nicht mehr leisten können. Wir sind also nur deshalb dagegen, weil wir uns nicht immer auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner treffen wollen, sondern wir wollen einmal ein Gesetzeswerk haben, das über einen längeren Zeitraum als ein Jahr hält. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Studienförderungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge, nämlich das Fachhochschul-Studiengesetz, geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich werde die Sitzung unterbrechen, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Herr Staatssekretär hier bei uns eingetroffen ist, damit wir dann zur Behandlung der dringlichen Anfrage kommen können. (Bundesrat Dr. Böhm: Wie lange wird das ungefähr sein?) In ein paar Minuten wird es soweit sein. (Bundesrat Dr. Böhm: Eine Zigarette?) Es wird sich eine gemütliche Zigarette ausgehen, Herr Bundesrat.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 15.51 Uhr unterbrochen und um 16.06 Uhr wiederaufgenommen. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf. Man hat mir leider nicht genau zugehört. Ich habe gesagt: eine Zigarette. Manche dürften das mit einer Stange Zigaretten verwechselt haben. Aber das Quorum ist erreicht, wir können daher anfangen.


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640. Sitzung / Seite 102

Dringliche Anfrage

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Umsetzung der Maßnahmen zur Verhinderung des Postenschachers (1381/J-BR/98)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte DDr. Königshofer und Kollegen an den Herrn Bundeskanzler betreffend die Umsetzung der Maßnahmen zur Verhinderung des Postenschachers. Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat DDr. Königshofer als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort.

Ich darf Sie auch noch daran erinnern, daß wir eine zeitliche Beschränkung von 20 Minuten für Debattenbeiträge in dringlichen Anfragen haben – allerdings nicht für den Begründer. – Bitte, Herr Doktor.

16.07

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst erlaube ich mir festzustellen, daß der Herr Bundeskanzler offensichtlich kein großer Freund des Parlamentarismus mehr sein dürfte, weil er sich in letzter Zeit immer öfter durch seinen Staatssekretär Dr. Wittmann vertreten läßt. (Bundesrat Prähauser: Genau dazu hat er doch einen Staatssekretär! Genau das ist doch die Aufgabe eines Staatssekretärs!) Auch die heutige Anfrage geht an den Herrn Bundeskanzler, und die Regierungsbank ist wieder vom Herrn Staatssekretär besetzt. Wir nehmen das zur Kenntnis, meine Herren Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion, aber wir stellen es auch fest.

Beginnen möchte ich die Begründung unserer dringlichen Anfrage mit einem Zitat aus der Trilogie "Wallenstein" von Friedrich Schiller, in der es heißt: Das ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortzeugend Böses muß gebären. – Ende des Zitats. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Gudenus: Der Herr Staatssekretär liest schon nach!)

Meine Damen und Herren! Sie werden sehen, daß sich der Inhalt und der Geist dieses Zitats in sehr vielen Bereichen dieser heutigen Diskussion widerspiegeln werden. Der Bund, die Republik Österreich, hat jahrelang relativ erfolglos versucht, die CA-Anteile der Republik mehr oder weniger gut zu verkaufen. Für diese Bemühungen um den Verkauf der CA-Anteile wurden auch entsprechende Consultingfirmen eingeschaltet, und das hat den Staat wiederum einiges an Geld gekostet. (Bundesrat Meier: Die CA haben sie aber gut verkauft!) Umgekehrt könnte man in dieser Sache, Herr Kollege Meier, auch sagen, daß es der alte CA-Vorstand sehr gut verstanden hat – mit Unterstützung durch gewisse Politiker –, diesen Verkauf über Jahre hinweg sehr erfolgreich zu verhindern und damit auch die Privatisierung der CA zu verhindern. (Eine Gruppe von Zuhörern erhebt sich von der Besucherbank und verläßt den Saal. – Bundesrat Meier: Sehen Sie, die gehen schon!) Diese Aussage treffe ich hier nicht zum ersten Mal, sondern sie wurde auch von Herrn Generaldirektor Dr. Sellitsch von der Wiener Städtischen Versicherung in der Sendung "Zur Sache" vor einem Jahr so dargelegt. (Ruf bei der SPÖ: Vor einigen Jahren! So etwas Aktuelles!)

Es hat sich zum Beispiel die deutsche Allianz-Gruppe um die CA-Anteile beworben, eine sehr potente Finanzgruppe, eine der größten Versicherungen der Welt überhaupt. Die Allianz-Gruppe wurde verprellt und hat sich zurückgezogen. Beworben hat sich weiters die schweizerische Kreditanstalt, die Crédit Suisse. Auch sie hat sich nach den Erfahrungen, die sie hier in Wien machen mußte, wieder zurückgezogen. Und so ist es auch einigen anderen gegangen. Letztendlich hat die ÖVP geglaubt, daß der günstige Erwerb der CA-Bundesanteile durch ein schwarzes Konsortium Österreicher – Italiener – Deutsche nur mehr eine reine Formalsache wäre. Da hat sich die ÖVP aber in ihrem Koalitionspartner SPÖ schwer getäuscht.


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640. Sitzung / Seite 103

Die SPÖ und ihre diversen Wirtschaftsfachleute haben nämlich die Grenzen eines ehernen Proporzgesetzes überschritten und haben sich erlaubt, in den schwarzen Bankenbereich insofern einzudringen, als die Bank Austria unter Generaldirektor Randa plötzlich ein Angebot für diese CA-Stammaktien des Bundes gelegt hat – und das, obwohl Generaldirektor Randa noch einige Wochen zuvor gesagt hatte, diese Geschichte, die hier erzählt wird, wäre eher ein Aprilscherz oder eine Faschingsdienstagsgeschichte. Tatsache war aber, daß das Angebot gekommen ist. Und trotz Nachbesserungsfrist blieb die Bank Austria Bestbieter, und der Bund hat Anfang 1997 seine Anteile – unter gewissen Auflagen – an die Bank Austria verkauft. (Bundesrat Meier: Österreich zuerst!) Österreich zuerst, ja! Dafür stehen wir auch! (Bundesrat Dr. Tremmel: Wir haben alle einen Eid darauf abgelegt, auf "Österreich zuerst"!)

Es gibt an diesem Verkauf selbst grundsätzlich nichts Großes auszusetzen. Aber plötzlich ist es im Bereich der Postenbestellungen losgegangen. Ein riesiges Postenkarussell hat im obersten Bankenmanagement angefangen, sich zu drehen. Der bisherige CA-Generaldirektor Schmidt-Chiari ist aus dem Unternehmen ausgeschieden – wahrscheinlich ist er in den Ruhestand getreten –, PSK-Generaldirektor Hampel wechselte als Generaldirektor zur CA, der stellvertretende CA-Generaldirektor Kothbauer – vorher Vranitzky-Sekretär und dafür schon mit einem Vorstandsposten im damaligen ÖCI belohnt – wechselte von der CA in den PSK-Vorstand, und so gab es noch einige solche Revirements.

Das wäre alles sehr schön vonstatten gegangen, wenn es damals nicht noch einen zusätzlichen Störfaktor gegeben hätte, weil nämlich im Zuge der Regierungsumbildung ein führender SPÖ-Politiker, der entlassene und ausgeschiedene Zukunftsminister Rudolf Scholten, noch zu versorgen war. Und da lag das Problem. (Bundesrat Prähauser: Ministerposten sind keine Erbposten!) Ministerposten sind keine Erbposten, er ist entlassen worden (Bundesrat Prähauser: Nicht entlassen, sondern nicht mehr bestellt, Herr Kollege!), und daran ist auch nichts Ehrenrühriges, Herr Kollege! Jeder, der aus einer Firma oder aus einem Ministeramt entlassen wird, kann sich eine Arbeit suchen. Aber es ist in diesem System umgekehrt: Es fällt niemand nach unten, er muß nach oben fallen.

Der Wunsch des Herrn Bundeskanzlers Klima war, daß Herr Scholten in die Kontrollbank zurückkehren möge. Er hat damit auch ein ganz bestimmtes Kalkül verfolgt. Scholten sollte die Wünsche der Bundesregierung in der Kontrollbank dahin gehend umsetzen, daß die Exporte vor allem in den europäischen Osten über erleichterte Haftungsübernahmen wieder angekurbelt werden, daß also mehr Garantien übernommen werden. Das Risiko dafür trägt ohnehin der Bund, das heißt die Republik Österreich.

Scholten hatte auch ein vertragliches Anrecht, in diese Kontrollbank zurückzukehren. Allerdings war er zum Zeitpunkt seines dortigen Ausscheidens Abteilungsleiter. Aber auf diese Stufe wollte er sich nicht mehr begeben, sondern er wollte gleich in die Vorstandsetage, in die Beletage einziehen. Das Problem dabei war aber, daß es bereits zwei Vorstandsdirektoren gegeben hat, einen Herrn Dr. Attems, der schwarzen Reichshälfte zuzurechnen, und einen Dr. Praschak, der roten Reichshälfte angehörend. Und Scholten sollte genau den Platz des Dr. Praschak einnehmen. Dieser wollte aber nicht den Sessel räumen, weil der neu angebotene Posten im Bereich der Investkredit für ihn karrieremäßig nicht entsprechend attraktiv war. (Bundesrat Prähauser: Aber! – Bundesrat Meier, ironisch: 3 Millionen waren zu wenig! – Bundesrat Prähauser: Fünfeinhalb! – Bundesrat Meier: Fünfeinhalb Millionen waren zu wenig!)

Was tun? – So lautete damals im April 1997 die Frage, meine Damen und Herren! Und da kam man im Aufsichtsrat der Österreichischen Kontrollbank, natürlich nach unzähligen Interventionen von Bundeskanzler Klima, der heute nicht anwesend ist, abwärts über Bankdirektoren, allen voran der Bank Austria-Generaldirektor Randa, der übrigens auch Eigentümervertreter bei der Kontrollbank ist, zur Entscheidung, einen dritten Vorstandsposten zu schaffen, den der nunmehrige Ex-Minister Rudolf Scholten besetzen sollte, damit er adäquat in der Kontrollbank untergebracht wäre.

Wir Freiheitlichen haben schon vor einem Jahr darauf hingewiesen, daß das einzig und allein ein geschaffener Posten ist, um Ex-Minister Scholten zu versorgen, und daß ein dritter Vor


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standsposten bei der Kontrollbank absolut nicht notwendig gewesen wäre. Aber das haben Sie von den beiden Regierungsparteien immer bestritten.

Meine Damen und Herren! Dann passierte am 26. April 1997, einem Samstag, eine persönliche Tragödie. Der Österreichische Kontrollbank-Vorstandsdirektor Dr. Gerhard Praschak hat sich in seinem Dienstzimmer in der Kontrollbank erschossen – aber nicht, ohne vorher auch ein politisches Vermächtnis zu hinterlassen und dies der österreichischen Presse, vor allem auch allen Oppositionsparteien zukommen zu lassen. Ein Sittenbild der Proporz- und Parteibuchwirtschaft von SPÖ und ÖVP wurde damit sichtbar. Der Vorhang des Schweigens war damit zerrissen, und ganz Österreich konnte die Politakteure auf ihrer Proporzbühne beobachten.

Dr. Praschak war selbst ein Teil dieses Systems, das er nunmehr an den Pranger gestellt hat. Aus dem überlieferten Tagebuch des Dr. Praschak geht hervor, welchen psychischen Qualen er in den letzten Wochen vor seinem Freitod ausgesetzt war.

In Frankreich hat man gegen Ende des 18. Jahrhunderts gesagt: Die Revolution frißt ihre Kinder. – Hier war es so, daß das System eines seiner Kinder, ein letztendlich ungeliebtes und unbotmäßiges Kind, verschlungen hat.

Dr. Praschak teilt in seinem Tagebuch auch einige Telefonate, die er in dieser Personalfrage geführt hat, mit, darunter auch eines mit dem damaligen Noch-Minister Rudolf Scholten, der zu ihm folgendes gesagt haben soll – ich zitiere sinngemäß –: Wir sind hier nicht in New York oder in London. Bei uns hier zählt die Politik. – Ende des Zitats.

Er hat damit expressis verbis gesagt – das ist im Tagebuch überliefert –, daß eben in Österreich nicht die Leistung, sondern im wesentlichen die Parteipolitik zählt.

Nichtsdestotrotz: Rudolf Scholten blieb vom Freitod Dr. Praschaks weitgehend ungerührt und quartierte sich Anfang Mai 1997 in der Chefetage der Österreichischen Kontrollbank ein.

Meine Damen und Herren! Nunmehr ist rund ein Jahr vergangen, und in der Kontrollbank sitzen nach wie vor – entgegen ihrem damaligen Beschluß – nur zwei Vorstandsdirektoren: Dr. Attems, der ÖVP zuzurechnen; der andere, der SPÖ zuzurechnende, ist Dr. Rudolf Scholten. Das Ziel wurde damit offensichtlich erreicht. Aber durch diese einjährige Untätigkeit in Sachen dritter Vorstandsdirektor der ÖKB wurde folgendes bestätigt, was wir Freiheitlichen bereits vor einem Jahr, 1997, gesagt haben: Erstens, die ÖKB braucht keinen dritten Vorstandsdirektor, und zweitens, die Schaffung dieser Position dient einzig und allein zur Versorgung von Ex-Minister Rudolf Scholten.

Meine Damen und Herren! Das ist die Wahrheit, und diese Wahrheit liegt heute vor uns. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Lichte dieser Ereignisse aber, die vor allem bei Ihnen und Ihren Genossen äußerstes Unbehagen ausgelöst haben, hat Herr Bundeskanzler Klima eine neue Offensive zur Objektivierung der Postenvergabe im öffentlichen Bereich gestartet. Er hat ein Fünf-Punkte-Programm zum besten gegeben – von der Ausschreibung öffentlicher Positionen bis hin zur marktkonformen Bezahlung, was in einem marktwirtschaftlichen Gefüge ohnehin selbstverständlich sein sollte. Das diesbezügliche Gesetz wurde im Jahr 1997 beschlossen und ist erst am 1. März 1998 in Kraft getreten.

Meine Damen und Herren! Bis dahin ist aber noch eine ganze Reihe politisch motivierter Postenbesetzungen erfolgt. Ich erinnere nur an die OMV, die Österreichische Mineralölverwaltung, bei der es unbedingt sein mußte, daß der ehemalige Sekretär des Bundeskanzlers Klima, Herr Marc Hall, in den Vorstand einziehen sollte, was letztendlich auch geschehen ist – gleich gemeinsam mit einem ÖVP-Mann zur Wahrung des Proporzes und der Optik. Dazu muß man sich vorstellen, daß sich sogar die an der OMV beteiligten arabischen Scheichs lange Zeit dagegen gewehrt haben, daß diese Aufstockung des Vorstandes in der OMV überhaupt vollzogen wird.


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Oder ich erinnere an die Österreichischen Bundesbahnen: Auch hier kam es zu einer Aufstockung des Vorstandes nach schwarz-rotem Strickmuster. Und jetzt hat der Kampf um den ORF begonnen. Rot und Schwarz bringen bereits ihre Kandidaten in Position, nachdem Generalintendant Zeiler, frustriert von den österreichischen Verhältnissen, das Handtuch geworfen und das Angebot eines deutschen Privatsenders angenommen hat.

Meine Damen und Herren! Dieser parteipolitisch motivierte Kuhhandel ist aber nicht nur auf Österreich beschränkt. Diese schwarz-rote Erbsünde, die in Österreich entstanden ist, haben Sie auch nach Europa getragen. Auch die Österreich zustehenden Posten bei der EU werden nach rot-schwarzem Strickmuster besetzt. Es hat sogar schon diesbezügliche Beschwerden zuständiger EU-Behörden in Österreich gegeben.

Meine Damen und Herren! Wir finden das mehr als beschämend – beschämend nicht nur vor Europa, sondern vor allem vor unserer Jugend! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Unsere heutige dringliche Anfrage hat daher den Sinn, das erst kürzlich, nämlich am 1. März, in Kraft getretene Objektivierungsgesetz diesbezüglich zu hinterfragen. Meine Damen und Herren! Der Freitod des Kontrollbankdirektors Dr. Praschak soll nicht ganz vergeblich gewesen sein. Wir Freiheitlichen werden auf jeden Fall dafür sorgen, daß sein politisches Vermächtnis nicht ungehört in diesem Lande verhallt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.23

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich der Herr Staatssekretär zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekretär.

16.23

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich festhalten, daß ich nach Artikel 78 B-VG zur parlamentarischen Vertretung des Bundeskanzlers befugt bin. Der Herr Bundeskanzler macht daher von seinem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht zur Vertretung Gebrauch, und es ist durchaus üblich, daß sein Staatssekretär Antwort auf etwaige Fragen gibt.

Ich darf aber auch noch darauf hinweisen, daß der Bundeskanzler bei der letzten Sitzung des Bundesrates anwesend war und auch sehr lange geblieben ist, um einem sehr wichtigen Thema die entscheidende Gewichtung durch einen Vertreter der Regierung zu geben.

Zur dringlichen Anfrage möchte ich auf die Präambel und die hier teilweise wiederholten Unterstellungen beziehungsweise persönlichen Diffamierungen nicht eingehen und nicht Antwort geben. Ich werde mich ausschließlich auf die Beantwortung der Fragen beschränken.

Ich komme somit zur Beantwortung und möchte zu den Fragen 1 und 2 wie folgt antworten:

Das Stellenbesetzungsgesetz regelt die Bestellung von Mitgliedern des Leitungsorganes von Unternehmungen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen. Ausschlaggebend ist der Beteiligungsanteil der öffentlichen Hand. Konkret gilt das jedenfalls für Unternehmen, an denen der Bund allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 Prozent Eigenkapital beteiligt ist oder die der Bund allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt. Einer solchen finanziellen Beteiligung ist die Beherrschung von Unternehmungen durch andere finanzielle oder sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Maßnahmen gleichzuhalten. Die Zuständigkeit des Rechnungshofes erstreckt sich auch auf Unternehmungen jeder weiteren Stufe, bei denen diese Voraussetzungen vorliegen. – Dies ist im Artikel 126b Bundes-Verfassungsgesetz geregelt.

Vor dem Inkrafttreten des Stellenbesetzungsgesetzes war die Bestellung von Leitungsorganen von Unternehmen, an denen der Bund, Länder oder Gemeinden allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit wenigstens 50 Prozent des Grund- oder Stammkapitals beteiligt sind, mit einer vorangehenden Ausschrei


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bung vorzunehmen. Die Regelungen dazu finden sich im Ausschreibungsgesetz aus dem Jahr 1982.

Die Bestellung von Mitgliedern des Vorstandes obliegt der Verantwortung der Organe der jeweiligen Gesellschaft, bei Aktiengesellschaften konkret dem Aufsichtsrat.

Bei den in der Begründung zitierten Vorstandsbestellungen in der CA und in der Kontrollbank konnte das Ausschreibungsgesetz nicht zur Anwendung kommen, da keine Bundesbeteiligung gegeben ist.

Der Bestellung der Mitglieder des Vorstandes der PSK AG und der Mitglieder des Direktoriums der OeNB ist eine Ausschreibung nach dem Ausschreibungsgesetz vorausgegangen. Für die zukünftige Bestellung von Mitgliedern des Direktoriums der Oesterreichischen Nationalbank sieht die Novelle zum Nationalbankgesetz vor, daß der Generalrat unverbindliche Dreiervorschläge an die Bundesregierung vorlegt, wobei zuvor eine Ausschreibung stattzufinden hat.

Zur Frage 3, die sich auf die Fragen 1 und 2 bezieht: Wenn ja, wurde der Inkrafttretenszeitpunkt von den Koalitionsparteien so gewählt, daß diese Besetzungen aus deren Sicht "rechtzeitig" davor stattfinden konnten?

Diese Frage ist mit einem ausdrücklichen Nein zu beantworten.

Zu den Fragen 4, 5 und 6 möchte ich wie folgt antworten:

Da die Verantwortung für die Bestellung der Vorstandsmitglieder der Österreichischen Kontrollbank AG allein dem Aufsichtsrat der Gesellschaft obliegt, kann diese Frage nicht beantwortet werden.

Zur Frage 7, der Frage nach den Eigentümern der Österreichischen Kontrollbank:

Die Republik Österreich hat keine Anteile an der Österreichischen Kontrollbank. Eine Auskunft über die Eigentümer der Österreichischen Kontrollbank wäre daher von den zuständigen Organen der Gesellschaft einzuholen.

Zur Frage 8:

Die Bestellung von Mitgliedern des Vorstandes obliegt allein der Verantwortung des Aufsichtsrates der OMV AG. Es kann diese Frage daher nicht beantwortet werden.

Zur Frage 9: Wie erfolgt die Ausschreibung und Auswahl der obersten Direktoren bei der Österreichischen Post- und Telekom?

Bei der Post- und Telekom AG ist das Stellenbesetzungsgesetz ab 1. 3. 1998 bei der Bestellung von Mitgliedern des Leitungsorganes der Gesellschaft anzuwenden.

Zur Frage 10: Nach welchen Gesichtspunkten erfolgt die Bestellung der neuen Mitglieder des ÖBB-Vorstandes und Aufsichtsrates?

Zunächst zum Vorstand: Gemäß § 5 des Bundesgesetzes zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Bundesbahnen, Bundesbahngesetz 1992, besteht der Vorstand der ÖBB aus höchstens sechs Mitgliedern. Gemäß Abs. 3 sind die Funktionen öffentlich auszuschreiben. Mitglieder des Vorstandes sind ab dem 1. 3. 1998 nach dem Stellenbesetzungsgesetz zu bestellen.

Zum Aufsichtsrat: Die Bestellung des Aufsichtsrates erfolgt gemäß § 7 Bundesbahngesetz 1992.

Zu den Fragen 11, 12 und 13 betreffend die Vertragsschablonen darf ich wie folgt antworten:

An der Erstellung der Vertragsschablonen im Sinne des § 6 Stellenbesetzungsgesetz wird zurzeit von einer Expertengruppe gearbeitet, an der Vertreter des BKA, des Bundesministeriums für


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Finanzen, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft sowie externe Experten aus den Bereichen Personalberatung, Wirtschaftsprüfung und Gesellschaftsrecht teilnehmen. Zum Abschluß der Arbeiten sind noch externe Gutachten einzuholen und abzuwarten. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wann wird das sein?) Da ich unmittelbar damit befaßt bin, nehme ich an, daß diese in den nächsten Wochen kommen werden.

Zu den Fragen 14 und 15:

Was die Nominierung von Verfassungsrichtern betrifft, so ist darauf hinzuweisen, daß aufgrund des § 1 Abs. 2 des Verfassungsgerichtshofgesetzes die offenen Stellen des Präsidenten, des Vizepräsidenten oder eines der übrigen Mitglieder oder der Ersatzmitglieder des Verfassungsgerichtshofes im Amtsblatt zur "Wiener Zeitung" und in den für die amtlichen Kundmachungen bestimmten Landeszeitungen zur allgemeinen Bewerbung auszuschreiben sind.

Zur Nominierung von Richtern der Gerichtshöfe im Rahmen der Europäischen Union ist darauf hinzuweisen, daß der Bundesregierung dabei ein eigenständiges Ernennungsrecht nicht zukommt, da die Ernennung jeweils durch den Beschluß von EU-Institutionen erfolgt. Die Mitglieder des Rates der EU haben jedoch das Recht, im Rahmen des Rates an der Ernennung mitzuwirken. Dabei ist es bei solchen Ernennungen üblich, daß je ein von einem Mitgliedsland benanntes Mitglied berücksichtigt wird.

Die österreichische Mitwirkung an diesen Ernennungen wird durch Artikel 23c B-VG geregelt. Danach obliegt die österreichische Mitwirkung der Bundesregierung, und diese hat dabei das Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates herzustellen. Das ist auch bei der von Ihnen angesprochenen Benennung geschehen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Beantwortung.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein. Ich wiederhole – darauf habe ich schon aufmerksam gemacht –, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

16.31

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Ihre Antwort auf unsere dringliche Anfrage ist wie befürchtet, nämlich ausgesprochen dürftig ausgefallen. Sie scheinen eine Problematik zu bagatellisieren, die nach unserem Dafürhalten nicht bagatellisierungswürdig ist. Uns Freiheitlichen geht es darum, daß im Rahmen der Postenbesetzung in den öffentlichen und halböffentlichen Bereichen unserer Republik endlich eine objektive und nachvollziehbare Vorgangsweise gewählt wird.

Herr Staatssekretär! Es ist für uns verständlich, daß Ihnen unangenehm war, was mein Kollege Dr. Königshofer in der Begründung der dringlichen Anfrage gesagt hat. Sie haben deshalb auch nicht darauf geantwortet. Es ist verständlich, daß Ihnen unangenehm ist, daß in dem tragischen Fall Praschak die Bevölkerung in die Abgründe hinter dem Vorhang des realen rotweißroten Sozialismus blicken konnte. Selbstverständlich ist uns auch klar, daß Sie die Absicht hatten, diese aufgebrochene Eiterbeule möglichst schnell wieder zuzupflastern, meine Damen und Herren von der SPÖ! Die Idee aber, daß es notwendig wäre, den gesamten Organismus zu heilen, ist Ihnen nur ganz kurz gekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Das machen Sie in Salzburg!)

Ich darf Sie in diesem Zusammenhang an Ihre eigenen Aussagen erinnern, meine Damen und Herren! Mit Erlaubnis der Frau Vizepräsidentin darf ich eine APA-Meldung vom 7. Mai 1997 heranziehen, in der Sie von der SPÖ aus Ihrem Präsidium berichten. Darin heißt es: "Das SPÖ-Parteipräsidium hat ... einstimmig neue, verschärfte Richtlinien für die Auswahl von Führungskräften


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in allen vom Rechnungshof geprüften Unternehmen beschlossen. Die Initiative kam von SPÖ-Vorsitzendem Bundeskanzler Viktor Klima ... Das vom SPÖ-Präsidium beschlossene Objektivierungs-Programm sieht für Unternehmen mit bestimmendem Einfluß von Bund, Ländern oder Gemeinden und die in ihnen beschäftigten Führungskräfte folgende fünf Punkte vor: 1. Lückenlose öffentliche Ausschreibung aller Geschäftsführer und Vorstandsfunktionen. 2. Moderne leistungsorientierte Standardverträge für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder ... 3. Festlegung marktgerechter Bezüge durch die Aufsichtsräte ... 4. Namentliche Veröffentlichung der verantwortlichen Entscheidungsträger ... 5. Vollständige Offenlegung aller Einkommen von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern."

Meine Damen und Herren! Dieser Lucidum intervallum fand vor zirka einem Jahr statt, im Mai 1997, und seither – das möchte ich Ihnen deutlich sagen – hat sich nichts geändert. Ich darf Ihnen einen Ausschnitt aus einem Leitartikel der Zeitschrift "Trend" – Nummer 4 1998 – vorlesen, in der ein unabhängiger Journalist – Thomas Martinek – ein Jahr, nachdem Sie alle diese Vorschriften beschlossen haben, schreibt: "Heute gilt noch mehr als vor diesem einen Jahr: Politik und Wirtschaft sind in Österreich oft auf eine Art und Weise miteinander verbunden, bei der italienische Verhältnisse noch als sauber und fair bezeichnet werden können." – Meine Damen und Herren! Dieser Journalist trifft den Nagel auf den Kopf. Er hat damit völlig recht, wie man sieht, wenn man dieses eine Jahr Revue passieren läßt, das seit dem tragischen Tod von Gerhard Praschak vergangen ist.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Postenschacher Nummer 1 in der Creditanstalt: Generaldirektor Hampel, SPÖ, und dessen Vize Alarich Fenyves, ÖVP.

Für den Postenschacher in der ÖBB wurde die Anzahl der Vorstände extra von drei auf fünf erhöht, damit man den ehemaligen Pröll-Sekretär Gerhard Stindl, ÖVP, und parallel dazu Anton Hoser, SPÖ, unterbringen konnte.

Postenschacher in der Oesterreichischen Nationalbank: Frau Direktor Tumpel-Gugerell, SPÖ – übrigens die Gattin des Arbeiterkammer-Präsidenten –, und ihr Pendant von der ÖVP, Direktor Duchatczek.

Postenschacher Österreichische Kontrollbank: Dr. Rudolf Scholten, SPÖ, und Johannes Attems, ÖVP. Darauf ist Kollege Dr. Königshofer schon eingegangen.

Postenschacher P.S.K.: Max Kothbauer, ehemaliger Vranitzky-Sekretär, SPÖ, und Karl Stoß, ÖVP.

Postenschacher Hochleistungs-AG und Schieneninfrastrukturgesellschaft: Dipl.-Ing. Brenner, ehemaliger Klima-Sekretär, SPÖ.

Postenschacher Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten: Heinz Vogler, Ex-Arbeiterkammer-Präsident, SPÖ.

Postenschacher Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Willi Fuhrmann, mit der Qualifikation des Ex-SPÖ-Klubobmanns im Nationalrat.

Postenschacher EZB-Präsidium: Ewald Nowotny, SPÖ.

Meine Damen und Herren! Die zuletzt genannten Posten wurden ohne jede Ausschreibung vergeben! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Ist er Jurist oder nicht?)

Ich darf Sie an die Vorschriften erinnern, die Sie sich im Lichte der tragischen Ereignisse von vor einem Jahr in Ihrem SPÖ-Parteipräsidium selbst aus freien Stücken gegeben haben. Meine Damen und Herren! Wir halten es für bedauerlich, daß die SPÖ alle diese vor einem Jahr beschlossenen Dinge nicht ernst nimmt.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie führen die Öffentlichkeit gerade im Bereich der Objektivierung in der Posten- und Auftragsvergabe an der Nase herum. Aber Sie


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tun das nicht nur in der Frage der Objektivierung, die wir jetzt debattieren, sondern auch in allen anderen Bereichen Ihrer Politik. Was Sie im letzten Jahr als Reformen verkauft haben, sind nur halbherzige Kompromisse, meine Damen und Herren! Es sind halbherzige Kompromisse, die unser Land nicht in eine neue Zeit, sondern auf die Verliererstraße führen.

Ich erinnere Sie an die sogenannte Pensionsreform. "Pensionsreform" heißt für Sie: Dem kleinen Mann wird in die Tasche gegriffen, Vranitzky hat seine 350 000 S sicher, und die Pensionisten der Oesterreichischen Nationalbank bekommen weiterhin 85 Prozent ihres Letztgehaltes. – Meine Damen und Herren! "Politikergehälter" heißt für Sie, daß sich die Frühpensionisten Fischer und Kostelka Gehaltserhöhungen genehmigen – und der Bundeskanzler gleich dazu. "Finanzpolitik" heißt bei Ihnen, daß Sie ein Defizit vorweisen, das jeden Privaten in den Bankrott führen würde. Und erst die Sicherheitspolitik, meine Damen und Herren! Was Sie, die Koalitionsparteien, im Rahmen der Sicherheitspolitik, im Rahmen des Optionenberichtes der Öffentlichkeit in unserem Land geliefert haben, ist eine Schande und einer westlichen Demokratie nicht würdig! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Welche Beispiele liefern Sie dafür?)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Meier! Ihr Bundeskanzler Viktor Klima ist nicht der Macher, als den Sie ihn gerne verkaufen wollen. Viktor Klima, Ihr Bundeskanzler, ist ein Zauderer, meine Damen und Herren! Er ist ein Hinausschieber und ein Wegdiskutierer. Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Machen Sie dieses Land endlich wettbewerbsfähig! Machen Sie unsere Republik europatauglich, damit wir uns in Brüssel und Straßburg mit Ihrem Altsozialismus – insbesondere auch im Bereich der Postenvergabe – in Zukunft nicht mehr lächerlich machen, sondern daß dort unsere Interessen vertreten werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.39

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

16.39

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich halte es durchaus für legitim, daß die Opposition Postenbesetzungen im öffentlichen Bereich kritisch sieht. Wenn ich mir die einzelnen Punkte der Kritik ansehe, möchte ich gar nicht sagen, daß ich diese Kritik in bestimmten Punkten nicht teile.

Was die Diskussion beim Verkauf der Bundesanteile der Creditanstalt betrifft, möchte ich daran erinnern, daß es meine Partei war, die damals dafür gekämpft hat, daß es zu einer Privatisierung der Creditanstalt kommt, und daß die Freiheitlichen damals nicht mitgeholfen haben, den Verkauf zu verhindern. (Bundesrat Dr. Tremmel: Herr Farnleitner hat es nicht anders gewollt!) Sie waren damals sehr wohl darüber im Bilde, wie die Eigentümerstruktur in der Bank Austria aussieht, welche Machtagglomeration mit diesem Takeover erfolgt und so weiter. (Bundesrat DDr. Königshofer: Die Entscheidung hatte der Wirtschaftsminister getroffen!) Das heißt, für das Versäumnis, daß es dabei zu keiner echten Privatisierung gekommen ist, tragen Sie von den Freiheitlichen die Mitverantwortung. (Bundesrat Dr. Tremmel: Sind wir Regierungspartei oder Sie?) Gott sei Dank für diese Republik sind es natürlich wir!

Aber wenn ich mir Ihr Schwarzweißschema anschaue, mit dem Sie Zuordnungen zu einer schwarzen und einer roten Reichshälfte vornehmen, habe ich eigentlich nur den Eindruck, daß Sie es bedauern, sich selbst dabei nicht wiederzufinden. Ich halte es zum Beispiel für besonders kühn, den Raiffeisenbereich der sogenannten schwarzen Reichshälfte zuzuordnen, wenn diese Zuordnung vom freiheitlichen Bundesratsklub kommt. Da denke ich daran, daß niemand vom Bundesratsklub der ÖVP in einem Dienstverhältnis zur Raiffeisengenossenschaft steht, hingegen dem freiheitlichen Bundesratsklub mit Dr. Königshofer ein ehemaliger Raiffeisen-Mitarbeiter und mit Dr. Harring ein amtierender Raiffeisenbank-Direktor angehört. Da sagen Sie, das sei eine ÖVP-Organisation?

Darauf muß ich erwidern, daß ich Herrn Dr. Harring schon des öfteren dabei ertappt habe, daß er sich nicht an ÖVP-Beschlüsse gehalten hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der


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SPÖ. – Bundesrätin Schicker: Hört! Hört!) Wenn ich sehe, daß sich Dr. Harring als Direktor eine eigene Meinung erlaubt und sich nicht an diese Partei gebunden fühlt, dann frage ich mich, wie das für normale Raiffeisen-Mitarbeiter ist. Daher muß ich sagen, daß Sie mit zweierlei Maß messen. Aber das ist in diesem Hohen Haus nichts Neues.

Wenn Sie die Postenvergabe hier im einzelnen und Marc Hall von der OMV kritisieren, dann kann man das machen. Ich bin auch dafür, Helga Konrad zu kritisieren; das ist ebenfalls keine Frage. Aber wenn Sie jetzt beispielsweise Kritik an der Bestellung von Dr. Fuhrmann zum Richter am Menschenrechts-Gerichtshof in Straßburg üben ... (Bundesrat Dr. Böhm: Die ist besonders berechtigt! Er ist für Menschenrechte überhaupt nicht ausgewiesen!) Herr Professor! Ich weiß, daß für Sie jemand erst dann ein Experte ist, wenn er hundert Publikationen in seinem Bereich geschrieben hat. (Bundesrat Dr. Böhm: Matscher haben wir vereinbart!) Aber es gibt auch noch andere Kriterien, die etwas zählen dürfen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Dr. Böhm: Von ihm ist überhaupt nichts ausgewiesen!)

Herr Professor! Mir ist klar, daß er sich für diese Funktion nicht bei Ihnen habilitiert hat. Aber man kann genauso sagen, daß jemand, der umfassende parlamentarische Erfahrung im Justizbereich sowie Erfahrung im Umgang mit der Gesetzgebung hat, infolgedessen auch als Verfassungsrichter beurteilen kann, was seine Entscheidungen politisch bedeuten. (Bundesrat Dr. Böhm: Es gab zwei weitere Kandidaten!) Auch das ist eine Erfahrung, die man in die Bewertung einbeziehen kann. Freilich ist in letzter Konsequenz – bei aller Objektivierung – eine Personalentscheidung immer auch eine subjektive Entscheidung, die kritikfähig ist. (Bundesrat Dr. Böhm: Die zwei anderen waren besser geeignet!) Ich bin überhaupt kein Freund des Dr. Fuhrmann, aber ich sage: Wenn die Eignung verglichen wird und sich dabei zeigt, daß jemand besondere wissenschaftliche Erfahrung vorzubringen hat und jemand anderer besondere politische Erfahrung ins Treffen führen kann, dann kann man beides bewerten und zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. (Bundesrat Dr. Böhm: Cede hat beides und steht Ihnen nahe!)

Gut, Sie sind anderer Meinung! Das ist legitim, aber ich denke, daß man von jemandem mit umfassender Qualifikation nicht sagen kann, das sei jemand, der ohne irgendeine Ausbildung oder ohne irgendeine Erfahrung zu etwas kommt, und daß man ihn nicht deshalb kritisieren kann, weil er nicht Ihrer Partei angehört. (Bundesrat Dr. Böhm: Nein! Von uns war keiner auf der Liste, aber bessere Kandidaten standen darauf!) Er gehört unserer Partei auch nicht an, das füge ich nur hinzu. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ein weiterer Punkt Ihrer Anfrage betrifft die Nominierung der Verfassungsrichter. Das kann meiner Ansicht nach durchaus ein Kritikpunkt sein, dem wir uns in der Länderkammer einmal nähern könnten. Es ist zu bedenken, daß von den insgesamt 20 Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofes nur vier Mitglieder dem Einflußbereich der Länder zuzuordnen sind. Von der Bundesregierung werden sechs Mitglieder und drei Ersatzmitglieder nominiert, vom Nationalrat drei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder, der Bundesrat stellt lediglich drei Mitglieder und ein Ersatzmitglied. In dieser Hinsicht kann ich mir Vorschläge vorstellen wie zum Beispiel den, daß dieses Gremium zur Hälfte von Nationalrat und Bundesrat und zur anderen Hälfte von der Bundesregierung und den Ländern nominiert wird. Das wäre ein Vorschlag, dem man durchaus nähertreten könnte. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das sind wir ja schon!)

Hohes Haus! Dr. Bösch hat in seiner Rede gesagt, daß die Bundesregierung sowie die Koalitionsparteien dieses Land endlich europatauglich machen sollen und daß es dafür Profis braucht. Sie haben einiges an Kritik vorgebracht, Herr Dr. Bösch! Ich denke, daß wir sehr viel dazu getan haben, dieses Land europatauglich zu machen, und daß vieles von der Arbeit, die darin steckt, nötig war, um Ihre Vorurteile zu bekämpfen. Wir alle wissen, daß das Wasser noch in Österreich ist, daß die Goldreserven nicht verschwunden sind, und wer weiß, was alles im Joghurt ist. (Bundesrat Prähauser: Die Schildläuse nicht!) Wenn wir Ihre Perspektive der Europapolitik als Richtschnur für die Bundesregierung genommen hätten, dann säßen wir entwicklungspolitisch noch heute auf den Bäumen! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


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Das heißt, die Dimension anzusprechen, daß Sie oder Ihre Fraktion etwas dazu beigetragen hätten, daß Österreich europatauglich ist, obwohl Sie ständig mit Vorurteilen agieren, eigentlich ständig vor Europa und jeder globalen Betrachtung des wirtschaftlichen Gefüges warnen und immer nur die negativen Auswirkungen in den Vordergrund spielen – wohl wissend, daß wir uns dem internationalen Wettbewerb stellen müssen und gar keine andere Möglichkeit haben –, finde ich bemerkenswert, vor allem angesichts der Ausführungen, die Sie hier vorgebracht haben!

Zu dem unendlichen Thema Politikergehälter möchte ich nicht viel sagen, kann mir aber eine Anmerkung nicht ersparen. In letzter Konsequenz verdienen wir, Bundesräte und Nationalräte, diejenigen in der zweiten und in der ersten Kammer, je nach Reihungsbeliebigkeit, ja alle das gleiche. Beim Thema Leistungsgerechtigkeit muß es vermutlich auch Ungerechtigkeiten geben. Ich möchte jetzt keine Wertung vornehmen, aber der eine wird vielleicht qualifizierter als der andere sein. Das ist schon prinzipiell schwierig, und auch innerhalb Ihrer Fraktion, Herr Dr. Bösch, würde ich die Gehälter unterschiedlich ansetzen, wenn ich das zu verantworten hätte. Sie selbst wären durchaus einer von denen, die ich in der Wertschätzung höher ansetzen würde.

Sie kritisieren immer wieder die Politikergehälter, in letzter Konsequenz verdienen aber freiheitliche Mandatare das gleiche wie alle anderen Mandatare. Sie verfügen außerdem über Sozialfonds, die mitunter für andere Funktionäre aufgebraucht werden. (Bundesrat Dr. Tremmel: Habt ihr so etwas beschlossen?) Das stimmt schon, dieses Lied kennen wir bereits. Aber ich frage mich, da wir jetzt bei den Politikergehältern die Spesenabrechnung vorzunehmen haben, zum Beispiel: Rechnen Sie Ihre Spesen ab, oder ekelt Sie das an, und geben Sie es dem Staat zurück? Sie rechnen es ab? (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Wenn Sie von Graz nach Wien fahren, rechnen Sie das also ab, obwohl Sie es sehr schlimm gefunden haben, daß es diese Spesenregeln gibt. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wir haben die ganze Regelung schlimm gefunden!) Darum möchte ich die Freiheitlichen einladen: Verzichten Sie einfach auf die Abrechnungen! Verzichten Sie einfach geschlossen auf die Spesenabrechnungen, schenken Sie das Geld Ihrer geliebten Republik, das ist eine Möglichkeit! (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir schon einmal getan, und Rot und Schwarz haben es dann wieder eingesackt!)

Was Sie aber tun, ist folgendes: Sie stimmen dagegen, Sie spielen den Moralischen, und in Wirklichkeit sind Sie mitunter die ärgeren Abkassierer. Wissen Sie, warum Sie die ärgeren Abkassierer sind? – Weil Sie keine Verantwortung tragen! Sie nehmen sich beliebig Ihre Kritik heraus und werden dafür meiner Ansicht nach sehr stark überbezahlt. Sie sind aus meiner Sicht die wahren Privilegienritter in dieser Republik! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.50

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile es ihm.

16.51

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Ich möchte mir gestatten, mit zwei Zitaten zu beginnen, die jedem hier im Haus bekannt sein dürften: "Wer im Glashaus sitzt, werfe nicht mit Steinen" und "Wer frei von Schuld ist, werfe den ersten Stein". Für einen, der im Glashaus sitzt, hat Herr Kollege Bösch ein gutes Beispiel gegeben, als er die Anwesenheit des Bundeskanzlers urgierte, obwohl dieser gesetzesmäßig Entschuldigungen anführen darf. Hingegen hat zum Beispiel Ihr Parteivorsitzender – oder Parteiführer – Jörg Haider gesetzlich keine Legitimation, wenn er bei den meisten Sitzungen des Nationalrates oder bei diversen Ausschüssen einfach nicht anwesend ist. Ich denke, das sollten Sie in Zukunft möglicherweise in Klubsitzungen mitteilen, damit die Anwesenheit "dichter" werden könnte. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Wer frei von Schuld ist, werfe den ersten Stein: Auch in dieser Hinsicht hat es die FPÖ geschafft, eine neue Qualität in die Politik zu bringen. Selbstmorde parteipolitischen Zwecken anheimzustellen, das ist neu. Das bleibt der FPÖ vorbehalten. Wir wissen, daß insbesondere Österreich und Ungarn bei Suizidfällen führend sind, so tragisch das auch ist. Wir wissen außer


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dem, welche Gemütsbewegungen zu solchem Vorgehen beitragen. Pflicht, Erfolgsdruck, Verantwortung, Persönlichkeitsstruktur und Gesundheit sind Voraussetzungen, Hand an sich selbst zu legen, wenn sie defekt sind. (Bundesrat DDr. Königshofer: Praschak war nicht defekt!) Daraus zu schließen, daß der politische Druck am Arbeitsplatz schuld sei, ist mehr als kühn. Aber es bleibt der FPÖ vorbehalten, so zu argumentieren. (Bundesrat DDr. Königshofer: Das sagen nicht wir, das steht in seinem Brief drinnen!)

Abschiedsbriefe sind, wie wir wissen, manchmal von nicht nachvollziehbaren Gefühlen und nicht erreichbarem Wollen geprägt, meine Damen und Herren! Das kann nur der oder die Betreffende, die Hand an sich selbst legt, eigentlich dokumentieren.

Ich möchte daran erinnern, daß auch wir in diesem Haus schon Suizidfälle erlebt haben. Allerdings haben die ÖVP und die SPÖ daraufhin anders gehandelt. Sie haben nicht hinterfragt, warum zum Beispiel unser Kollege Gauster Hand an sich gelegt hat. Wir nehmen heute an, daß es die Pflicht war, der Erfolgsdruck, die Verantwortung oder möglicher Liebesentzug. Auch seine Auftritte in der Öffentlichkeit kurz vor seinem Tod haben wir niemals kommentiert. Wir wären nie auf die Idee gekommen, der politischen Oppositionspartei FPÖ zu unterstellen, sie wäre an diesem Schritt schuld gewesen.

Ich denke aber, daß der Druck, aufdecken zu müssen, ein Grund für diese Kurzschlußhandlung gewesen sein könnte. Aufdecken mit allen Mitteln, auch mit kriminellen Mitteln: Dazu darf ich noch einmal daran erinnern, daß man nach dem Datenklau in Salzburg öffentlich versucht hat, klar zu unterstreichen, daß die Mehrheit der Meinung sei, es gelte – egal, mit welchen Mitteln – aufzudecken. Daher sei das auch mit kriminellen Mitteln möglich, und es gelte nur, sich nicht erwischen zu lassen, weil das zu Liebesentzug führen könnte, wie es in Salzburg Ex-Landesrat Schnell zu spüren bekam. Postenschacher aufzudecken, das war sein Ziel, und es wäre ihm auch gelungen, Postenschacher aufzudecken, wenn es welchen gegeben hätte. Wir wissen, worum es in diesen Papieren tatsächlich gegangen ist. Letztlich bleibt nur eine Klage vor der Staatsanwaltschaft übrig. Wir werden das Gerichtsurteil gemeinsam erwarten können.

Ich denke aber, daß eine Partei wie die FPÖ über Postenschacher nicht reden sollte, da sie eine Partei ist, die eine Vereinbarung initiierte, die ich hier zur Erinnerung der Freunde und Kollegen von der FPÖ auszugsweise noch einmal zitieren möchte. (Bundesrat Payer: Das ist notwendig!) Es ist eine Vereinbarung, die zwischen der FPÖ Kärnten und der ÖVP Kärnten abgeschlossen wurde, aber schließlich aufgrund der Besinnung der ÖVP – dafür muß man ihr danken – nicht zustande gekommen ist. Ich möchte dazu sagen, daß dies jene 48 Stunden waren, die uns aufzeigen müßten, was es heißen würde, einen Bundeskanzler oder einen Bürgerpräsidenten der FPÖ zu haben. Aus dieser Vereinbarung möchte ich einige Punkte zitieren, die mir sehr wichtig sind.

Es heißt darin: Die FPÖ erhält den Landesschulratspräsidenten, das Vorschlagsrecht bei den Positionen Knopf und Krainer erhält die ÖVP. – Für den, der nicht weiß, was das ist: Das waren die Buchhaltungsabteilung und die Abteilung des Personalchefs.

Weiters steht darin: Die FPÖ besetzt die Position des Vorsitzenden des Kuratoriums für Wirtschaftsförderung, die FPÖ erhält den Vorsitz im Arbeitnehmerförderungsbeirat. Die Bildung der Landesholding wird umgehendst realisiert, der Vorsitz in der Landesholding verbleibt der FPÖ. (Bundesrat Meier: Postenschacher!) Der ORF-Kurator und der Intendant für das Landesstudio Kärnten werden nur einvernehmlich bestellt. – Das ist ein Instrument, das immer wieder auch dazu mißbraucht wird, es unter rote Flagge zu stellen. Ich möchte das nur anmerken.

Zur Öffentlichkeitsarbeit steht dort folgendes: Die Pressekonferenz des Landeshauptmannes – das sollte Zernatto sein – nach der Regierungssitzung wird im Einvernehmen zwischen FPÖ und ÖVP beschickt. (Bundesrat Payer: Hört! Hört!)  – Das heißt: Auch dort wurde bereits für einen Schattenmann gesorgt, damit keine falsche Information an die Öffentlichkeit gelangt.

Weiters war die gleiche Ausstattung der Büros des Landeshauptmannes und des Landeshauptmannstellvertreters vorgesehen. Zu diesem Zeitpunkt mußte man davon ausgehen, daß die SPÖ die stärkste Partei geworden wäre, wie nachher auch festzustellen war.


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Dann heißt es darin: Die Sendung des Landeshauptmanns im ORF wird neu gestaltet und steht auch dem Landeshauptmannstellvertreter der FPÖ zur Verfügung. Gleiche Höhe der Repräsentationsmittel für den Landeshauptmann und den Landeshauptmannstellvertreter war vorgesehen. – Ich frage mich, liebe FPÖ: Wo bleibt der eiserne Sparwille, den Sie immer wieder von anderen einfordern? – Dort diente er eigentlich nur dazu, sich selbst ordentlich mit Mitteln zu versorgen.

Oder: Zwischen FPÖ und ÖVP wird eine gemeinsame Vorgangsweise über Personalfragen und die Wahl der Vorsitzenden in untergeordneten Gremien vereinbart, zum Beispiel Verbände, Beiräte, Landesgesellschaften, Kelag, Hypo et cetera. (Bundesrat Drochter: Bitte aufhören!)

Meine Damen und Herren! Was glauben Sie, was das ist? – Das war ein Ansinnen übelsten Postenschachers an die ÖVP, dem sie Gott sei Dank widerstehen konnte! (In Richtung Freiheitliche:) Da nehmen gerade Sie dieses Wort in den Mund! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Dr. Tremmel: Regst du dich bei deinen Leuten auch so auf?)

Darin steht auch: Die Obmänner der Sozialhilfeverbände sind durch ÖVP- und FPÖ-Personen zu besetzen, wobei in jenen Bezirken, in denen die FPÖ stimmenstärkste Partei geworden ist, der FPÖ der Vorsitz zusteht. Dort, wo die FPÖ Stärkste ist, ist es klar, daß der Vorsitz zugeschossen wird (Bundesrat Dr. Tremmel: Im Sinn der konsensualen Verfassung!) , wo die SPÖ das ist, sollte sie ausradiert werden. Die Kärntner Tourismusgesellschaft wird organisatorisch reformiert, die FPÖ erhält eine Option auf die Neubesetzung des Vorsitzes im Aufsichtsrat. (Bundesrat Meier: Postenschacher!)

Jetzt aber kommt es: Der Landtagsdirektor wird neu bestellt, die Position steht der FPÖ zu. – Eine kühne Forderung! Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen, dazu muß man wissen, daß die angesprochenen Posten bereits mit Männern und Frauen besetzt waren. Man hat in keiner Weise mitgeteilt, was man mit ihnen macht, nur wissen wir, daß sie teilweise pragmatisiert sind. Auch dadurch würde der Apparat aufgebläht werden, um sich Macht zu verschaffen. Meine Damen und Herren! Auch über Sparsamkeit sollte die FPÖ in der nächsten Zeit nach Möglichkeit nicht mehr reden! (Bundesrat Dr. Tremmel: Du hast einen Satz vergessen! Wir hätten ausgeschrieben! Das steht bitte auch drinnen!) Herr Kollege Tremmel! Ich vergesse nichts, ich zitiere aus einem Originalpapier. (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ beziehungsweise ÖVP und Freiheitlichen. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Da heißt es weiter: Eine Verwaltungsreform wird sofort in Angriff genommen, wobei die Leitung durch Dr. Aschenbrenner, der bereits erfolgreich in der Landesregierung tätig war, wahrgenommen wird. – Ich stelle hier ein kleines Rätsel: Welcher Partei, glauben Sie, gehört dieser Mann an?

Oder: Zwischen FPÖ- und ÖVP-Vertretern wird ein Koordinationsausschuß gebildet, der alle entscheidenden Fragen die Zusammenarbeit betreffend regelt. Insbesondere dürfen keine Beschlüsse in der Landesregierung gefaßt werden, die nicht vorher im Koordinationausschuß einvernehmlich geregelt wurden. – Das heißt: Entmündigung des Landeshauptmannes!

Meine Damen und Herren! Das sind Ansinnen, die eigentlich nicht mit üblem Postenschacher umschrieben werden können, das ist wesentlich mehr: Das war der Versuch, die Verantwortung und die Macht in einem Land alleine zu übernehmen! Das sollte uns ein Beispiel dafür sein, was Österreich passieren würde, würde es in der Zukunft über Kärnten hinaus entsprechend freiheitliche gestalterische Möglichkeiten geben.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen uns nicht zu wundern. Ihr Parteichef Haider hat selbst – das ist ein Zitat von ihm – im "NEWS" vom 15. Jänner folgendes von sich gegeben: ... interne Mißstände beseitigt werden und daß Funktionäre, solche, die ich unter die Minderleister zähle, bei uns nicht länger was verloren haben. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß sich die Partei im Laufe der nächsten Monate von dem einen oder anderen Abgeordneten trennt. Wir verzichten gerne auf Leute, die schlechte Stimmung machen. Das ist echtes Versagen der Parteiaufsichtsorgane, die lieber wegschauen als Ordnung machen, während ich die FPÖ als anständigere und bessere politische Alternative in Österreich verkaufe.


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Jeder von uns weiß, daß man nur mit schönen Worten, mit Darstellungen verkaufen kann, in dem man nur jene Sachen weitervermittelt, die dem Verkauf zuträglich sind. Das Negative sei gestattet, zeitweilig zu vergessen. Solch ein ähnliches Geschäft blüht uns zurzeit, denn am 1. Mai wird die Freiheitliche Gewerkschaft gegründet. Auch da wird nur verkauft. Ich darf auch dazu zitieren, damit Sie wissen, wovon ich rede. In der heutigen "Kronen Zeitung" sagt Kleindienst folgendes: Alle Mitarbeiter der FGÖ würden ehrenamtlich arbeiten, es wird keinen politischen Funktionär im Vorstand geben, auch um sich von der FP deutlich abzugrenzen, die als stärkste Oppositionspartei der neuen ÖGB-Konkurrenz in der Gründungsphase natürlich kräftig und freudig unter die Arme gegriffen hat. Aber es gibt keine wie immer geartete Abhängigkeit. Wir sind ganz im Gegenteil für alle offen. Gerade ein Jörg Haider weiß, daß er uns mit jeglicher Einmischung nur schadet.

Meine Damen und Herren! Entweder haben Sie in der nächsten Zeit einen naiven Gewerkschaftsvorsitzenden Ihrer Couleur, oder er kennt die Äußerungen von Jörg Haider im "NEWS" vom 15. Jänner und die Vorgänge, die in Salzburg in der jüngsten Vergangenheit stattgefunden haben, nicht.

Zur Sparsamkeit und Ehrenamtlichkeit sei nur soviel gesagt, meine Damen und Herren: Sie wissen so gut wie wir alle hier, daß Ihr Kollege Gaugg aus dem Nationalrat als Vorsitzender vorgesehen wäre. Ich kann mir aber gut vorstellen, daß für eine ehrenamtliche Tätigkeit das Nationalratsmandat nicht abgegeben wird. – Soviel zur Ehrlichkeit, zur Gratisarbeit im Dienste der Bevölkerung. Meine Damen und Herren! Das glaubt von Ihnen niemand, wir glauben das auch nicht – und die Bevölkerung erst recht nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn man nach Salzburg schaut, weiß man, daß sich die FPÖ nicht geändert hat. Als eine einmalige diktatorische Vorgangsweise, eigentlich beispiellos seit 1945, kann man das Vorgehen in Salzburg bezeichnen. Wenn es auch angekündigt war, meine Damen und Herren, so glaube ich doch, daß wir die Pflicht haben, mit den Menschen anders umzugehen. Vergessen wir niemals, daß wir es in unserer Arbeit mit Menschen zu tun haben, mit Menschen mit all ihren Vorteilen und Schwächen! Der Chef berechtigt ... (Bundesrat DDr. Königshofer: Praschak hat gezeigt, wie Sie mit Menschen umgehen!) – Herr Kollege Königshofer! Sie haben die Qualität in die Politik gebracht, auf dem Rücken Toter Politik zu machen. Ich lehne das ab! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Herr Kollege Königshofer! Wer selbst im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen! Ich habe Ihnen das eingangs mitgeteilt, aber Sie haben es anscheinend nicht verstanden. Ich glaube, daß auch der Tag kommen wird, an dem es Vergangenheit sein wird, politisches Kleingeld auf diesem Niveau zu sammeln. (Bundesrat DDr. Königshofer: Ihre unverschämten Unterstellungen und die des Herrn Staatssekretärs werde ich Ihnen noch beantworten! Das ist eine Frechheit, so etwas! – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) Herr Kollege Königshofer! Es steht Ihnen frei, eine freie Willensäußerung hier kundzutun.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bitte, kurz innezuhalten.

Für den Ausdruck, der vorhin gefallen ist, erteile ich einen Ordnungsruf. – Ich bitte fortzusetzen. (Bundesrat DDr. Königshofer: Das ist eine unverschämte Unterstellung!)

Bundesrat Stefan Prähauser (fortsetzend): Der Chef berechtigt zu solchen Maßnahmen. Der Chef, der durch diktatorisches Verhalten ein Beispiel vorlebt, scheint in Ihnen das freizumachen, was wir eigentlich nicht sehen wollen. Man muß es als diktatorische Maßnahmen bezeichnen, wenn ein Funktionärskader abgesetzt wird, weil Kritik geübt wird. Maßnahmen, die zur Abberufung von Funktionären führen, weil sie Kritik geübt haben, sind abzulehnen. Es kann auch nicht so sein, daß Funktionäre gezwungen werden, wenn sie Kritik üben, zurückzutreten. Es kann auch nicht so sein, daß man gezwungen wird, sich zu entschuldigen, wenn man jemand als "Königskobra" bezeichnet, wobei ich meine, daß die Königskobra ein sehr edles Reptil ist und das Wort "Königskobra" keinesfalls eine Beleidigung ist. Ich hätte es noch eher verstanden, wenn es Natter oder Blindschleiche geheißen hätte.


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Meine Damen und Herren! Es darf auch niemand gezwungen werden, sich zu entschuldigen, wenn er von einem "Ritter der seidenen Schnur" spricht. Wenn jemand seinen Arbeitsinhalt darin sieht, als Vollzugsbeamter durch das Land zu reisen und immer dort, wo es grobe Arbeit zu erledigen gibt, sie zu tun, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn man als "Ritter der seidenen Schnur" bezeichnet wird. (Bundesrat Mag. Himmer: Er ist sicher stolz darauf!) Ich würde meinen, Kollege Rumpold müßte das eigentlich als Auszeichnung verstehen. Uns ist er noch in guter Erinnerung durch seine einmalige Gabe, hier herauszukommen und Referate mit Zetteln zu halten, die er jedes fünfte Mal verwechselt hat. Er hat die Befehlsausgabe durcheinandergebracht und sich zu Punkten zu Themen gemeldet, die gar nicht gefragt waren. Wir können all das nachlesen. Wir wissen das. (Bundesrat Dr. Tremmel: Du kennst dich da als Parteisekretär aus, ich weiß es!)

Herr Kollege Tremmel! Mir tut es weh, wenn Menschen, die eigentlich sehr viel Zeit dafür opfern, politisch tätig zu sein, dermaßen unter Druck gesetzt werden. Ich glaube, daß es niemand verdient, der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden. Und ich glaube, daß auch von uns niemand gedacht hat, daß es nach den Innsbrucker Vorgängen, als die freiheitliche Gemeinderatsriege gesäubert wurde, noch etwas draufzusetzen gibt. Wir wissen inzwischen, es gibt etwas draufzusetzen: Der Hinausschmiß der Funktionäre und das Vorgehen in Salzburg sind ein gutes Beispiel dafür.

Letztendlich haben Sie damit eines erreicht: eine Bloßstellung Ihrer Spitzenmandatare in den Medien. Dazu darf ich aus zwei heutigen Zeitungen zitieren, die auf das Gemüt der einzelnen drücken können: Und Jörg Haider zeigte Wirkung. Er nahm Karl Schnell in Gnaden wieder auf. Ein Salzburger Ex-FPler kommentierte trocken: Einen treuen Jagdhund, der einmal einen ins Wadl beißt, erschießt man auch nicht gleich. – Das ist heute im "Standard" zu lesen.

Weiters steht in den heutigen "Salzburger Nachrichten" zu lesen: Er – Schnell – sei dankbar für die Amnestie, die Jörg Haider den Salzburgern für alle Fehler gewährt habe. Dr. Haider habe Großmut bewiesen, pflichtet ihm die Pinzgauer Bezirksparteiobfrau bei.

Meine Damen und Herren! Er sollte nicht dankbar für die Amnestie sein, sondern der Amnesie dankbar sein, daß er vergessen kann, was bisher vorgefallen ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Geblieben ist ein demütiges, devotes Gejammere des nunmehr wieder neuen FP-Chefs Schnell: Jörg gab uns die Chance, vernünftig zu werden. Wir haben uns in Salzburg wie Kinder benommen. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Böhm: Das ist leider wahr!) Geblieben, meine Damen und Herren, ist durch das diktatorische Vorgehen der Bundes-FPÖ ein gebrochener Exlandesrat. Geblieben ist der erste politische Kindergärtner des wohl teuersten, mit öffentlichen Geldern finanzierten Politik-Kindergartens von Salzburg! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Denken wir daran, daß wir es mit Menschen zu tun haben! Wenn wir uns so mit unseren Freunden auseinandersetzen, dann muß man fragen: Was können dann erst unsere Feinde von uns erwarten? (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.09

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. – Bitte. (Bundesrat Mag. Gudenus kommt mit einer blauen Tasche ans Rednerpult.)

17.10

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich bietet Ihnen der Zeitpunkt die Möglichkeit, auszuloten, wie weit die Führungsschwäche in Ihren Parteiorganisationen, die Sie stets auch immer wieder beklagen, geht. Es ist nicht so, daß Sie glauben oder wissen könnten, bei uns – ich meine jetzt Ihre Parteien – sei alles klar. Ich verweise nur darauf, wie es in Kärnten zugegangen ist. Ich will aber gar keine Bundesländer und Städte nennen, sonst kommt man aus dem Fabulieren nicht heraus! (Abg. Schicker: Sie haben es schon getan!) Aber in dem Moment, in dem ein Parteiobmann die Obmannschaft ernst nimmt, weil er von seiner Gefolgschaft ernstgenommen wird, Herr Himmer (Lebhafte Aha-Rufe bei Bundesräten der SPÖ – Bundesrat Konečny:


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Gefolgschaft! Ungeheuerlich!), indem er von seiner Gefolgschaft, seinen Mitgliedern ernstgenommen ... (Bundesrat Konečny: Gefolgsmann Gudenus! – Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ und ÖVP. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Soll ich jetzt sagen: Herr Konec ny oder Herr Konetsch ny? Sie sind manchmal lächerlich! (Bundesrat Konečny: Immer im Originalton, oder haben Sie irgendwelche Vorurteile beim Aussprechen dieses Namens?) Es ist eigenartig, daß ein Mann, der so gescheit ist, oft solch fragwürdige Zwischenrufe machen kann. Aber das soll auch Ihnen zugestanden werden. (Bundesrat Konečny: Es ist erstaunlich, daß ein Mensch, der so groß ist, auf so niedrigem Niveau reden kann! – Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten der SPÖ und ÖVP.) Die Frage des Niveaus ist immer eine Frage des Standortes. Derzeit fühle ich mich höher. Aber lassen wir einmal die Gezeiten beiseite, ob Ebbe oder Flut ist, ob einer höher steht oder nicht.

Eines will ich Ihnen sagen: Ich glaube, daß jeder von Ihnen beziehungsweise Ihre Parteiobleute durchaus froh wären, einmal das gemacht zu haben, was unser Parteiobmann gemacht hat, nämlich eine Partei zur Ordnung zu rufen. (Bundesrat Meier: Nein! Nein! – Weiterer heftiger Widerspruch bei SPÖ und ÖVP.) Gut, Sie sind nicht froh. (Bundesrat Dr. Linzer: Gott soll uns abhüten! Gott soll uns abhüten! – Weitere heftige Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Ich nehme es zur Kenntnis, daß Sie das Chaos in Ihrer Partei lieber als wir haben. (Bundesrat Meier: Wir haben Demokratie, kein Chaos! – Bundesrat Payer: Ich muß mich nicht fürchten, suspendiert zu werden! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Ah so, Sie haben kein Chaos.

Aber jetzt zum Thema. Wir haben es zur Kenntnis genommen – wir müssen und wollen es zur Kenntnis nehmen –, daß Sie diese dringliche Anfrage zum Anlaß nehmen, uns wegen der Salzburger Vorkommnisse anzugreifen. Ich sage Ihnen eines ganz offen: Keiner von uns, der hier sitzt, ist darüber glücklich, denn wenn es in einer Partei momentane Führungsschwächen gibt, dann heißt das, daß die Partei als solche und damit die Republik ein bißchen angeschlagen ist. (Bundesrat Prähauser: Das zeichnet Sie nun wiederum aus!) Das haben wir in Ordnung gebracht, Salzburg ist erledigt. (Bundesrat Prähauser: Im wahrsten Sinne des Wortes! – Ruf bei der SPÖ: 700 Funktionäre sind erledigt! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Aber die Causa Praschak, meine Damen und Herren, wirkt nach, obwohl sie von Ihnen unter den Tisch gekehrt, weggeschoben wird. Man kann die Trauer über einen Toten verschiedentlich gestalten: Man kann sie privat gestalten, aber das ist nicht das Thema. Wir wissen aber, daß die Causa Praschak in der Wirtschaft und in der Öffentlichkeit ein starkes Echo hatte. Und diese Mahnung sollten wir nicht vergessen und auch in der Öffentlichkeit dem Toten unseren Respekt erweisen. (Der Redner hält ein Modell eines Denkmals sichtbar in die Höhe.)

Ein Architekt hat ein Totenmal für Praschak entworfen, welches Am Hof gegenüber der Kontrollbank aufgestellt werden sollte. (Bundesrat Meier: Gott sei Dank wird es wieder weggeräumt! – Bundesrat Pfeifer: Pietätlos! Geschmacklos!) Der Stachel, der hier nach unten weist, soll gewissermaßen symbolisch im Fleische der verfilzten österreichischen Polit-Wirtschaftsdemokratie stecken. Dieses Denkmal sollte aufgestellt werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Schauen Sie es sich gut an, es wird nachher wieder mitgenommen, wir stellen es hier nicht ewig auf. Praschak hat einen besseren Nachruf – auch von Ihnen – verdient.

Häupl ist in Wien angetreten, um eine herzliche, auf den Menschen zugehende Politik zu machen. Wie ist das mißlungen! Er ist nicht herzlicher geworden! Er versteht sein Geschäft, er macht es prima. Aber was machen die vielen Arbeitslosen? – Es gelingt ihm nicht, eine Verbesserung der Situation herbeizuführen. Sie sagen am 1. Mai, meine Damen und Herren, insbesondere jene von den Sozialdemokraten: ein Arbeitsplatz, ein Mensch. – Da war ein Arbeitsplatz, ein Mensch! Der Mensch ist weg, das ist Ihnen völlig gleichgültig! Den Arbeitsplatz haben Sie nicht einmal nachbesetzt! (Bundesrat Prähauser: Aber nicht ohne Arbeitsplatz! Er hatte einen Arbeitsplatz!) Er hatte einen Arbeitsplatz, er hatte einen gut dotierten Arbeitsplatz!

Jetzt regen Sie sich darüber auf, daß die Freiheitlichen eine Gewerkschaft gründen. Ein Österreichischer Gewerkschaftsbund, der nicht mehr die Belange der arbeitenden Österreicher wahr


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nimmt, verdient es, ersatzlos gestrichen und durch einen Freiheitlichen Gewerkschaftsbund ersetzt zu werden! Dieser hat Zukunft! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Praschak ist vor einem Jahr von uns gegangen. (Bundesrat Konečny: Von Ihnen nicht!) Er hat einen Abschiedsbrief hinterlassen, er hat Dokumente hinterlassen, und er hat ein Tagebuch hinterlassen. Das einzige, was mir bleibt, im Sinne Österreichs und der politischen Kultur auf dieses System der Ungleichgewichtigkeit hinzuweisen, ist mein Selbstmord, so hat er geschrieben. – Nun versucht man, diesem einstigen Vranitzky-Sekretär, diesem durchaus begnadeten Wirtschaftsfachmann eine labile psychische Verfassung anzudichten. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist eine Entmündigung!) Ich finde, das ist das Unverfrorenste, das es gibt: daß man jemandem, der jahrelang seinem Brötchengeber – das sind beide gewesen, sowohl die Partei als auch die Republik – gedient und ihm wahrscheinlich sehr gut gedient hat, noch einen kleinen "Klamsch" andichtet. Ich finde, das ist unverfroren von den Gruppierungen, die das machen. Das ist undankbar! – (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Payer: Wer macht das?) Man müßte doch froh sein, diese Unterlagen, die er hinterlassen hat, untersuchen zu können.

Es ist schon ein Jammer, wenn jemand wie Praschak den Ehrenkodex der Politik verletzt hat – einer Politik, der er soviel verdankt, wie es heißt. Er ist ein politisch entsandter Manager. Er wurde nie aus seiner politischen Abhängigkeit entlassen. Es ist die Unfreiheit dieser politischen Manager, die ihn zur Verzweiflung gebracht hat! Er hat es nicht überwunden, daß man nicht anerkennen wollte, daß er, der wirtschaftspolitisch so gut ist, nicht akzeptiert wird, weil er gut ist, sondern nur akzeptiert wird, weil er die Leiter über das Vranitzky-Sekretariat und das Parteibüro in diese Bank benützt hat. Das hat ihn zutiefst depressiv gestimmt, das hat ihn zutiefst verletzt, denn der Mann konnte etwas! Und nun ist er da und wird diese klebrigen Fäden nicht mehr los, an denen er sein Leben lang gehangen ist und von denen er meinte, sie kraft seiner Leistung loswerden zu können. – Auch bei Ihnen gilt die Leistung etwas, meine Kollegen von den Sozialdemokraten und der ÖVP!

Leistung soll doch etwas gelten! Leistung soll doch die Freiheit des Menschen bringen und ihn nicht noch mehr an die klebrigen Fäden einer einstmals eingegangenen Abhängigkeit ketten! Das ist so wie im finsteren Mittelalter, als jemand einmal ein Lehen bekommen hat, welches er dem guten Betragen dem Lehensherrn gegenüber zu verdanken hat, und diese Belastung nicht mehr los wird. Denn wenn er einmal nicht mehr brav ist, ist er das Lehen los. (Bundesrat Payer: Das ist geschmacklos! – Bundesrat Schöls: Sie verwechseln da etwas!) Die Bauernbefreiung im Jahr 1848 – immerhin ist das 150 Jahre her – sollte die Möglichkeit bieten, darüber nachzudenken, daß auch ein Bankangestellter das Recht hat, endlich frei zu sein und nicht immer nur am Gängelband einer Partei zu hängen. Freiheit muß das Motiv lauten! (Zwischenrufe.)

Es ist eigenartig, daß auch der ehemalige Finanzminister Lacina folgendes geschrieben hat: Im übrigen bin ich der Auffassung, daß Personalpolitik mit Menschlichkeit verknüpft werden kann. – Hören Sie das Wort "kann"? – Der Herr Finanzminister, ein Sozialdemokrat, den ich auch aufgrund seiner finanzpolitischen Kompetenz sehr achte, schreibt: Menschlichkeit kann berücksichtigt werden! – Ist das sozialdemokratische Führungspolitik? – Muß es nicht lauten: Menschlichkeit ist bei der Personalpolitik zu berücksichtigen?

Da ist doch etwas fehlgelaufen, meine Damen und Herren! Da ist die Menschlichkeit auf der Strecke geblieben – und mit ihr all jene Dinge, die im Namen dieser Abhängigkeitspolitik, dieser Lehenspolitik nicht wahrgenommen wurden. Es ist dieses Karrierekarussell, das gerade bei diesen beiden Parteien, die 50 Jahre lang mit kurzen Ausnahmen diese Republik in Erbpacht genommen haben, es ist dieses Karrierekarussell, welches manchen ehrlichen Bürger in diesem Karussell zur Verzweiflung bringt. Das decken nicht einmal die Tausender des Monatsgehalts ab. Nein, da gibt es die Würde. Und dieser Praschak hat die Würde gehabt, zu sagen: Ich kann nicht mehr!, und hat sich erschossen. Ein Mann, der ein Waffenfeind gewesen ist. Das ist kein Rambo gewesen. Das ist ein feinfühliger, zutiefst verletzter Mensch gewesen, und Sie versuchen das jetzt niederzutreten und hoffen, daß das Gras des Vergessens, die Pflastersteine des Hofs über seine Haltung und seine Lebensweise gelegt werden. (Zwischenrufe.)


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Nehmen Sie doch eines zur Kenntnis: Da wird vertuscht, und er wollte das Vertuschte aufdecken: Steuerhinterziehung hat er vorgeworfen, verdeckte Gewinnausschüttung hat er vorgeworfen, verbotene Absprachen bei der Gewinnausschüttung hat er vorgeworfen. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß wurde natürlich von Schwarz und Rot, ÖVP und SPÖ, niedergestimmt. Das ist doch ganz klar. Die 350 Milliarden Schilling für Auslandskredite, für die die Republik Österreich über die Kontrollbank haftet, sind es gewesen, die ihm wie ein Mühlstein am Hals gehangen sind, weil er gewußt hat, daß an diesen 350 Milliarden Schilling dramatisch viel menschliches Unglück und menschliche Niedrigkeiten hängen.

Das ist es, was wir Ihnen hier vorwerfen! Das möchten wir aufgedeckt haben! Sie wollen es aber nicht! Hier haben Sie es: Ein Architekt hat dieses Denkmal entworfen (hält das Modell wieder in die Höhe): Er will damit zum Ausdruck bringen, daß ein Stachel in das Fleisch dieser Filzokratie gebohrt wird, aber hier wird es wieder niedergestimmt. Es ist nicht würdig, hier über Tote so zu sprechen, aber es ist notwendig, hier diesen wirtschaftlichen Filz aufzuzeigen und endlich zu schauen, daß auch Sie dabei mitmachen. Machen Sie mit! Decken Sie ihn auf! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.22

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Peter Harring das Wort. – Bitte.

17.22

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst ganz kurz auf einen meiner Vorredner, Herrn Kollegen Mag. Himmer, eingehen, weil dieser für mich ein Symbol und ein Vertreter der Jugend ist und ich es einfach nicht verstehen kann, daß man als Vertreter der Jugend, als junger Mandatar die Zustände, die derzeit in staatsnahen und in staatlichen Betrieben, aber auch in Betrieben, auf die Länder und Gemeinden starken Einfluß haben, herrschen, verteidigt und nur teilweise beseitigen möchte.

Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was sagen Sie einem jungen Menschen, der zu Ihnen kommt, einen Job möchte und vielleicht etwas später Karriere machen möchte? Sagen Sie ihm einfach: Ohne ein Parteibuch, ohne sich zu deklarieren, haben Sie in Österreich keine Chance? – Meine Damen und Herren! Das kann doch nicht die Zukunft sein!

Herr Mag. Himmer! Nun möchte ich ein paar Anmerkungen zu meiner persönlichen Situation machen, weil du diese wieder angesprochen hast. Wir können uns gerne einmal darüber unterhalten, aber ich sage dir im Moment nur soviel: Ich bin vor 15 Jahren in der Raiffeisen-Gruppe Geschäftsleiter und Vorstandsmitglied einer autonomen, selbständigen Bank geworden, und ich bin seit 35 Jahren in der Gruppe tätig. Wenn ich damals für die Freiheitliche Partei tätig gewesen wäre, hätte ich diesen Posten nie bekommen, das darf ich dir sagen. Ich bin auch jetzt noch ständig unter Druck, obwohl wir eine autonome Bank sind und ich Vorstandsvorsitzender einer regionalen Genossenschaftsbank in Klagenfurt bin, weil ich mich zu den Freiheitlichen bekannt habe. Das ist – ich sage das immer wieder – nicht angenehm, aber ich werde die kurze Zeit, die ich hier noch tätig sein werde, damit leben. Ich halte das aus! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt sage ich dir und den Kollegen der Volkspartei noch etwas: Wenn ich an dieser Stelle als Vertreter der Raiffeisen-Gruppe das Wort zum Genossenschafts-Revisionsgesetz, zum Bausparkassengesetz oder zum Investitionsfonds-Gesetz ergreife, so nimmt es mich schon wunder, daß diese Redeausschnitte vom Klub der Volkspartei in einer Fax-Ausfertigung nach Kärnten geschickt werden und ich vom Raiffeisen-Boß in Kärnten, Obmann Thurn-Valsassina, daraufhin zu einem Mittagessen gebeten werde und mir dann beim Mittagessen die korrigierten, nach Oberlehrermanier angestrichenen Reden vorgehalten werden: Was haben Sie sich erlaubt, als Abgeordneter im Bundesrat zu erzählen?! Die Fax-Bezeichnung des Klubs der Österreichischen Volkspartei würde ich bitten, in Hinkunft ... (Bundesrat Bieringer: Nicht der Klub der ÖVP sendet das aus! Das möchte ich schon klarstellen!)  – Ich lege Ihnen das vor, Herr Kollege! (Weitere heftige Rufe und Gegenrufe zwischen Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) – Herr Präsident! Sie reden über Dinge, von denen Sie


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offensichtlich nichts wissen. Ich werde Ihnen dieses Original-Fax morgen zustellen, auf dem das steht. (Bundesrat Bieringer: Ja, zeigen Sie mir das! Ja, stellen Sie mir das zu! So ein Witz!)

Ich bitte Sie daher, nicht ständig meine persönliche Situation anzuschneiden. Das wäre bei uns nicht möglich gewesen. Ich sage Ihnen noch etwas: Es stört mich im Banken-Apparat und gerade in meiner Gruppe so sehr, daß diese Zuordnung zu Rot und Schwarz nicht auf Vorstandsmitglieder, auf leitende Angestellte zugeschnitten ist, sondern daß jeder ... (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Bieringer.  – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen. – Bundesrat Dr. Bösch, zu Bundesrat Bieringer: Ruhe! – Bundesrat Bieringer: Was heißt hier "Ruhe!"? Das hat der Präsident zu sagen, aber nicht Sie! Nehmen Sie das zur Kenntnis!)  – Herr Präsident! Was ist denn los? (Bundesrat Bieringer: Ich lasse mir doch von dem nicht "Ruhe!" vorwerfen! Das kann der Präsident machen, aber nicht er!) Herr Präsident! Wir haben schon vereinbart, daß ich Ihnen das faxe, und dann ist das geklärt. Das ist gar keine Frage! (Bundesrat Dr. Bösch, zu Bundesrat Bieringer: Stören Sie nicht die Sitzung hier! – Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! In den Banken ist es leider so, daß man auch in der mittleren Führungsebene eine Prokura einer staatsnahen Bank, sogar eine Handlungsvollmacht nur dann erhält, wenn man guten Kontakt zu den beiden Regierungsparteien hat. Und das ist – das sage ich noch einmal – für junge Menschen ausgesprochen bedauerlich.

Wenn Herr Kollege Prähauser wieder unseren Entwurf eines Arbeitsprogramms angesprochen hat ... (Bundesrat Prähauser: "Arbeitsprogramm" ist scharf! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich sage "Arbeitsprogramm". (Bundesrat Prähauser: Das ist eine Vereinbarung, der die ÖVP Gott sei Dank widerstehen konnte!) Lieber Herr Kollege Prähauser! Ich schätze Sie als sehr vernünftiges Mitglied des Bundesrates. Ich habe schon gehört, Sie bestreiten in letzter Zeit Ihre Parteisitzungen mit unserem Programmentwurf, der dort an jeden verteilt wird, weil offensichtlich ... (Bundesrat Prähauser: Es gibt kein Programm der FPÖ, das man weitergeben könnte!) – Dann sind wir offensichtlich falsch informiert.

Dieses Papier ist in Beratungen mit der Volkspartei zustande gekommen. Ich will jetzt nicht unterstellen, daß es die Volkspartei gewohnt war, solche Papiere mit den Sozialdemokraten zu vereinbaren, denn für uns war das neu ... (Bundesrat Prähauser: Es ist paraphiert!) Ja, das weiß ich. Ich räume das auch ein, meine Damen und Herren! Das war keine Meisterleistung! (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Prähauser. ) Herr Prähauser! Es war keine Meisterleistung, das sage ich Ihnen. (Beifall der Bundesräte Konečny und Prähauser. ) Aber ich sage Ihnen auch, daß es nie vorgesehen gewesen wäre, diese Posten ohne Objektivierung zu vergeben. (Zwischenruf des Bundesrates Konečny. ) Ich sage es Ihnen, es hilft nichts.

Das ist nur ein Entwurf gewesen, und ich möchte Ihnen sagen, wie das dann weitergegangen ist. Ich tue es nicht gerne, aber ich muß leider jene Dinge aufzeigen, die tatsächlich Postenschacher gewesen sind. Ich werde das am Beispiel Kärnten machen, weil Sie Kärnten hervorgehoben haben. Ich werde Ihnen dann sagen, was SPÖ und ÖVP dort tatsächlich gemacht haben. (Bundesrat Dr. Linzer: Was hat der Haider in der BH Wolfsberg gemacht?) Sie werden sich das anhören müssen. Ich sage Ihnen, was nach diesem Papier in Kärnten passiert ist. (Bundesrat Dr. Linzer: Was hat der Haider vorher alles gemacht?)

Lieber Herr Kollege! Meine Damen und Herren! Das sind Fakten und keine, wie es der Herr Staatssekretär gesagt hat, persönlichen Diffamierungen. Das sind Fakten und die Wahrheit, was da letztlich herausgekommen ist, und da kann man sich nicht so leicht auf formelle Begründungen zurückziehen, weil das nicht wahr ist.

Ich sage Ihnen, was in Kärnten passiert ist. Da gibt es Landeshauptmann Christof Zernatto, der als erstes einmal – das war bereits nach dieser Geschichte – seinen Büroleiter, Herrn Mag. Christian Raming, obwohl dieser nur Drittgereihter war, im Objektivierungsverfahren zum Verwaltungsdirektor des LKH bestellt hat. Raming hat dort einen Monatsbezug in der Höhe von 130 000 S, 15mal jährlich, und so weiter. Das war aber noch nicht genug. Herr Zernatto hat dann seinen Pressesekretär, einen gewissen Herrn Mag. Hatheyer, ebenfalls in das LKH entsandt, und zwar mit einem Jahresbezug von 1 Million Schilling. Dann hat Herr Zernatto Dr. Klaus


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Wutte, der jetzt Landtagspräsident in Kärnten ist, "so nebenbei" – ohne Objektivierung, meine Damen und Herren! – zum Geschäftsführer einer Wohnbaugenossenschaft, und zwar des Kärntner Siedlungswerkes, gemacht. Dieses Siedlungswerk erhält ständig beachtliche Förderungen von seiten des Landes. (Bundesrat Prähauser: Stimmt ja gar nicht!)

Kollege Prähauser! Interessiert es dich nicht, was in Kärnten tatsächlich passiert ist? – Das vorhin war nur ein Entwurf, aber das, was ich jetzt berichte, sind echte Fakten. Ich kann dir sagen, was in Absprache zwischen SPÖ und ÖVP tatsächlich passiert ist.

Es hat noch einen weiteren Sekretär des Herrn Zernatto gegeben, Herrn Johann Gaggl, der ohne Objektivierung und ohne Ausschreibung in der Kärntner Landesregierung zum Abteilungsleiter der Abteilung Volkskultur, Brauchtum und Heimatpflege bestellt wurde und von Herrn Landeshauptmann Zernatto persönlich eingesetzt worden ist.

Dann haben wir Freiheitlichen einmal einen kleinen Erfolg gehabt. Ein weiterer Sekretär des Landeshauptmannes, Herr Dr. Johannes Maier, hätte nämlich das Büro in Brüssel übernehmen sollen. Das ist nicht gelungen, weil wir das rechtzeitig öffentlich gemacht haben. Aber Herr Mag. Johann Scheiber, ebenfalls Sekretär bei Zernatto, wurde – wiederum ohne Ausschreibung – Leiter der Amtswirtschaftsstelle beim Amt der Kärntner Landesregierung. Natürlich hat der Herr ÖVP-Landeshauptmann all das nicht ohne Gegenleistung gemacht.

Auf seinen Vorschlag hin wurde dann Herr Siegbert Metelko, SPÖ-Vizebürgermeister außer Dienst, wieder in das ORF-Kuratorium entsandt, obwohl alle Kärntner und insbesondere auch die Freiheitlichen einen unabhängigen Experten verlangt haben. Dann ist Herr Dr. Peter Ambrozy als Landtagsabgeordneter in den Kärntner Landtag zurückgekommen. – Übrigens kann Herr Kollege Pfeifer – er ist heute hier – all das alles bestätigen. (Bundesrat Pfeifer: Daß es korrekt war!) – Ja, denn ich habe wirklich nicht vor, irgend etwas hier zu erwähnen, was nicht stimmt.

Peter Ambrozy ist also in den Landtag zurückgekehrt. Da hat er natürlich einen Versorgungsposten gebraucht. Das ist ja "logisch", weil er nicht mehr in der Regierung war. Man hat ihn sofort ohne Ausschreibung zum "EU-Hofrat" im Amt der Kärntner Landesregierung bestellt.

Da dieser Postenschacher auch in den Ländern so gut funktioniert, hat auch der SPÖ-Vorsitzende, Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Ausserwinkler, seine Sekretäre mit Spitzenpositionen versorgt. Sein stellvertretender Büroleiter, Herr Mag. Thomas Kreuzer, wurde ohne Ausschreibung, ohne Objektivierung zum Abteilungsleiter für Wirtschaft und Kultur ernannt. Der Sekretär des Herrn Landeshauptmann-Stellvertreters Ausserwinkler, Ewald Opetnik, selbstverständlich ebenfalls von der SPÖ, wurde Abteilungsleiter einer neu geschaffenen Abteilung, die sich mit der Bewerbung um die Olympischen Spiele im Jahre 2006 beschäftigt.

Der Zentralbetriebsratsobmann in Kärnten, Herr Sigi Kowatsch, SPÖ, wurde zum Direktor der landeseigenen Wohnbaugenossenschaft "Neue Heimat" bestellt. Und der SPÖ-Bürgermeister von Wolfsberg, Herr Dr. Kraxner, hat die Postenvergabe besonders elegant gelöst. Er hat zunächst einmal seiner Tochter in Wolfsberg einen A-Posten verschafft, und seinen Schwiegersohn hat er sofort zum Technischen Direktor im Landeskrankenhaus in Wolfsberg gemacht.

Zur Leiterin der Abteilung 13 der Landesregierung wurde ohne vorherige Ausschreibung die ehemalige Büroleiterin der SPÖ-Landesrätin Karin Achatz, Dr. Barbara Berger-Malle, bestellt.

Alle diese parteigeförderten Beamten, denen ich die Qualifikation in keiner Weise abspreche, die aber einfach diesen Job nur bekommen haben, weil sie politisch tätig waren, haben den Wechsel in diesen – ich nenne es jetzt einmal so – halböffentlichen Bereich nicht ohne soziale Absicherung vollzogen, denn die meisten von ihnen haben sich karenzieren lassen. Meine Damen und Herren! Derzeit sind beim Amt der Kärntner Landesregierung 156 Beamte karenziert. – Ich zähle sie Ihnen hier nicht auf. Einige davon sind auch Freunde von uns, ich möchte sie hier nicht nennen. Aber es ist immerhin bemerkenswert, daß so viele Personen politisch karenziert sind.


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Man könnte all das jetzt noch fortsetzen, ich habe noch zwei, drei Seiten hier, aber ich höre auf, weil es irgendwie unappetitlich ist. Es macht eigentlich auch keinen Spaß, das wiederzugeben. (Bundesrat Pfeifer: Wie ist das mit dem Bezirkshauptmann von Wolfsberg?)

Bezirkshauptmann von Wolfsberg ist Herr Dr. Arthur Traussnig, der sich in einem Objektivierungsverfahren durchgesetzt hat. (Bundesrat Meier: Ohne eine Prüfung! Aber andere bezichtigen! – Bundesrat Pfeifer: Schämt euch!) Nachdem er Bezirkshauptmann in Wolfsberg war, ist er dann als Parteifreier und Parteiloser – er ist nicht Mitglied der Freiheitlichen Partei, aber er ist ... (Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Er ist jedenfalls derzeit Landtagsabgeordneter der Freiheitlichen Partei, und das sehr erfolgreich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

Herr Dr. Kaufmann! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie müssen doch verstehen, daß wir das aufzählen müssen, wenn Herr Kollege Prähauser erzählt, es gebe irgendeinen Entwurf eines Vorvertrages – für 48 Stunden –, der sich ausschließlich mit dem Postenschacher beschäftigt, und das sei damals dem Objektivierungsverfahren zugeführt worden, obwohl aber tatsächlich keine einzige Bestellung danach erfolgt ist. Meine Damen und Herren! Ich hingegen habe Ihnen hier konkrete Fälle aufgezählt, die nach diesem Zeitpunkt in Zusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP tatsächlich so durchgeführt worden sind. Sie müssen uns doch zugestehen, daß wir das hier berichten, damit die Öffentlichkeit erfährt, was da wirklich gespielt wurde. Aber ich höre auf, weil es einfach keinen Spaß macht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte Ihnen wiedergeben, was Klaus Woltron dazu gesagt hat, ein ehemaliger Manager der verstaatlichten Industrie, ein Insider, der sich auskennt. Woltron hat dazu gesagt – ich zitiere –: Ein Wimpernzucken eines Parteivorsitzenden, ein Wink eines Generalsekretärs genügt, um einen Funktionär (einen linientreuen Manager) wissen zu lassen, was er zu tun hat. Das genügt. Dazu bedarf es keiner großen Worte. – Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren! Das Schlimme für uns Freiheitliche ist, daß eigentlich jeder von Ihnen, der hier im Saal sitzt, ohnehin weiß, daß es so ist, daß einfach der Proporz nach wie vor "fröhliche Urstände" feiert und daß sich im Prinzip gar nichts geändert hat. (Bundesrat Meier: Wir wissen auch, daß Sie es so machen würden! Das wissen wir auch!) Wir haben noch nicht beweisen können, daß wir es besser machen.

Da der Herr Staatssekretär links neben mir sitzt, möchte ich Ihnen folgendes sagen: Morgen tagt zum Beispiel der Budgetausschuß des Nationalrates. In dieser Sitzung wird es auch um das Thema Staatsschulden und Staatsschuldenausschuß gehen. In diesem Staatsschuldenausschuß gibt es fünf ÖVP-nahe und fünf SPÖ-nahe Mitglieder, zum Teil auch Kammerfunktionäre. Dazu kommen drei Herrschaften von den Ministerien. Insgesamt sind es also 13 Personen. Man hat versucht, zuzuordnen, und kam darauf, das Verhältnis ist 7 : 6, eine Partei hat also quasi die Mehrheit. Was hat man gemacht? – Man einigte sich sofort auf 14 Personen. Das wird morgen im Budgetausschuß beschlossen werden. Dann hat man wieder ein Verhältnis von 7 : 7, und man ist sich wieder einig. Das heißt, daß all das Gerede, wonach es keinen Proporz mehr gebe, es werde alles besser und so weiter, schlicht und einfach falsch ist. Und Sie wissen es, meine Damen und Herren!

Noch ein Wort zur EU-Anpassung, dazu, daß wir mit den EU-Regeln konform gehen sollen. Ich glaube, unsere Haltung wird in Brüssel tatsächlich belächelt. Aber nicht die schlechte sachliche Arbeit wird dort belächelt, sondern die Tatsache, daß wir uns in Österreich vom Proporz einfach nicht trennen können. Das versteht in Europa heute niemand mehr! Wir passen alle Gesetze an das an, was von Brüssel kommt, wir tun alles, was wir tun sollen, nur unseren Proporz können oder wollen wir nicht in den Griff bekommen.

Es ist lustig: Wenn man in Brüssel irgendwo hinkommt und fragt, wie das so abläuft, dann sagen alle: Es ist das Schlimmste, wenn auf der Tagesordnung ein Punkt steht, bei dem eine österreichische Delegation erwartet wird. Da muß man nämlich immer den Sitzungssaal erweitern, denn es gibt kein Land mit größeren Delegationen als Österreich, weil so viele Vertreter von allen


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möglichen Organisationen in Brüssel tätig sind (Bundesrat Prähauser: Wißbegierige Menschen!) und weil man sich anscheinend in Österreich nicht vom Proporz verabschieden kann. 

Das ist der Grund, meine Damen und Herren, warum wir heute dieses Thema in Form einer dringlichen Anfrage eingebracht haben, nämlich um das Problem wieder ins Bewußtsein zu bringen. Ich bin aber davon überzeugt, daß wir im Wege der kleinen Schritte doch einiges bewegen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.38

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort und weise auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung hin, insbesondere auf die Redezeitbeschränkung von 5 Minuten. – Bitte.

17.38

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Ich darf Herrn Kollegen Harring berichtigen. Bei dem von mir zitierten Papier handelt es sich nicht um einen Vorvertrag oder um sonst irgend etwas, sondern um eine von zwei Parteivorsitzenden unterzeichnete Vereinbarung, die sogar in einem Abs. 2 eine Paraphe eines Zusatzvertrages enthält. Richtig ist allerdings die Äußerung des Kollegen Harring, daß diese Vereinbarung ein Nonsens gewesen sei und dadurch eigentlich die Demokratie in Kärnten der große Nutznießer war.

17.39

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile ihm das Wort.

17.39

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Meine Damen und Herren des Bundesrates! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär "im neuen Gesicht"! (Staatssekretär Mag. Wittmann verläßt die Regierungsbank und macht Staatssekretär Dr. Ruttenstorfer Platz.)  – Sie machen hier einen "fliegenden Wechsel". Ich hoffe, Sie halten das aus.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einem Zitat beginnen, werde Ihnen aber erst nachher sagen, von wem es stammt. Es lautet: Das einzige, was mir noch bleibt im Sinne Österreichs und der politischen Kultur, ist es, auf dieses System der Ungleichgewichtigkeiten hinzuweisen. Mir bleibt nur mein Verzweiflungsschritt und die einzige Hoffnung, daß die Wirkung für Österreich nicht ausbleibt! – Ende des Zitats. Das ist der letzte dramatische Appell im Tagebuch von Herrn Praschak, welches er allen politischen Parteien und Verantwortlichen quasi als politisches Testament zugemittelt hat. Und die Nichtreaktion auf dieses verzweifelte politische Testament ist äußerst bedauerlich!

Lieber Stefan Prähauser! Damit beantworte ich auch die Frage, warum hier, wie du es nennst, Tote "herbeigezerrt" werden. Das war der letzte für ihn sinnvoll erscheinende Schritt: daß er alle darauf aufmerksam macht und daß wir ebenfalls alle darauf aufmerksam machen, damit diese Ungleichgewichtigkeiten, wie er sie nennt, aufgedeckt werden. Das war sein Wunsch, und diesen Wunsch sollte man akzeptieren und respektieren, umsomehr, als er wirklich seine Berechtigung hat. Bis jetzt ist es kaum oder nur kläglich gelungen, in einer emotionalen Abwehrschlacht die Vorwürfe, die wir hier dargelegt haben, zu widerlegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wurde heute viel über Koalitionsvereinbarungen, nicht abgeschlossene Koalitionsvereinbarungen, nicht in Kraft getretene Koalitionsvereinbarungen und so weiter gesprochen. (Bundesrat Prähauser: Keine Koalitionsvereinbarungen, sondern Vereinbarungen!) Ich zitiere aus dem Koalitionsübereinkommen, abgeschlossen zwischen der Sozialdemokratischen Partei und der Österreichischen Volkspartei, in Wien, am 11. März 1996. (Bundesrat Prähauser: Es gibt eine richtige Koalition, keine Proporzregierung! Das ist der Unterschied!)

Bitte merken Sie jetzt auf! Ich zitiere: Wichtige Entscheidungen werden in Bundesregierung und Parlament – Nationalrat und Bundesrat – gemeinsam erarbeitet und gemeinsam in der Öffentlichkeit vertreten. – Das ist klar. Weiters heißt es: In der Bundesregierung wird dies auf Basis


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des sich aus der Bundesverfassung ergebenden Einstimmigkeitsprinzips geschehen. – Auch noch klar. Jetzt kommt es: Die Vorbereitung der Sitzungen des Ministerrates obliegt dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler oder von ihm beauftragten Personen. Der Koordinationsausschuß wird seine Tätigkeit auch in der XX. Gesetzgebungsperiode fortsetzen. – Jetzt kommt die Stelle, wie dieser Koordinationsausschuß funktioniert: Die Zusammenarbeit der beiden Re-gierungsparteien im Parlament erfolgt nach dem Grundsatz, daß die parlamentarischen Fraktionen der Regierungsparteien beziehungsweise deren Klubobleute im Sinne einer sachlichen Kooperation parlamentarische Entscheidungen zeitgerecht aufeinander abstimmen und ein gemeinsames Wirken der Koalitionspartner im Parlament sicherstellen. – Zitatende.

Ich darf extemporieren. Was heißt das, meine Damen und Herren? – Sie bekommen die Befehle des Koordinationsausschusses über Ihre Klubobleute, und dann dürfen Sie entweder die Hände heben oder nicht. Sie haben Ihr Mandat jedenfalls auf die Seite gelegt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Schöls: Wer hat gestern im Fernsehen gesagt, daß wir Zwergerln sind, von denen er sich nicht sekkieren läßt?! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Warte einmal, wie das mit den Zwergerln ist! Paß auf, daß die Zwergerln nicht zu Riesen werden, die dann über dich drübersteigen! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Schöls. )

Bitte hör zu! Vielleicht haben sie es dir noch nicht gesagt, was da los ist und was da alles drinsteht. – Ich zitiere weiter: Dies gilt auch für Verfahrensanträge und für Anträge anderer Parlamentsfraktionen – also nicht einmal Anträge dürft ihr stellen, wenn das nicht abgesprochen wurde! – sowie für die Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte des Hauptausschusses in EU-Angelegenheiten und so weiter. – Und dann werden alle wichtigen Punkte aufgezählt. Sie haben nur einen ganz kleinen koalitionsfreien Raum! Und von Stellenbesetzungen steht in diesem koalitionsfreien Raum jedenfalls nichts. Sie haben mit diesem Koalitionspapier auch die "Packelei" festgeschrieben, und das ist das Bedauerliche! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu den Vorgängen in Salzburg, die angesprochen wurden, möchte ich sagen: Eigentlich war das genau nach dem Motto "Haltet den Dieb!" Denn was ist in Wahrheit passiert? (Bundesrat Konečny: Was?! Der Haider ist ein Dieb?! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Herr Kollege! Das interpretieren Sie vielleicht hinein. Sie sind ein hervorragender "Mißversteher"!

Was ist tatsächlich passiert, meine Damen und Herren? – Es gibt sogenannte Conduitlisten. Wissen Sie, was das heißt? – Das sind Proporzlisten, die einen Überblick über die Stellenbesetzung geben. Wenn sich jemand um eine freie Stelle beworben hat, dann ist das in einen landeseigenen Computer gespeichert worden. Das ist eigentlich unglaublich: Etwas Illegitimes wird in einem landeseigenen Computer gespeichert. (Bundesrat Prähauser: Das ist nur eine Angelegenheit des Landes Salzburg und keine Parteiangelegenheit! Ausschließlich Sache des Landes Salzburg!) Nein!

Es ist dieser Liste nicht zu entnehmen, nach welchen Stellenbesetzungsregeln die Besetzung erfolgen sollte, hingegen ist aber zu entnehmen, lieber Stefan Prähauser, daß da ein Roter und dort ein Schwarzer sitzt, oder da wiederum ein Schwarzer, aber da müßte endlich ein Roter hin. Das steht drinnen! Und ihr habt gesagt: Das geht von der Gewerkschaft und von der Personalvertretung aus. – Faktum ist, lieber Freund Stefan Prähauser, daß die objektive Vergabe von Stellen unterlaufen wurde, und der Beweis dafür wurde in einem Computer des Landes Salzburg gespeichert! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: G’flaucht ist g’flaucht!)

Möglicherweise haben wir uns nicht immer sehr geschickt verhalten, das mag schon sein. Aber da ist etwas Illegitimes passiert, und ihr sagt dazu nur: "Um Gottes Willen, der hat das dem Computer entnommen!" – Daß ihr noch die Naivität habt, so etwas zu speichern, statt es auf eine Diskette zu laden, ist freilich eine andere Geschichte. Auf das seid ihr gar nicht gekommen, aber ich möchte euch nicht noch weitere Tips geben. An und für sich ist das Ganze unglaublich! (Bundesrat Meier: Machen Sie es so?) Nein, wir machen es nicht so.

Herr Kollege Meier! Die Zwischenfrage erübrigt sich, aber ich gehe trotzdem darauf ein. Wir machen es nicht so! Wir bemühen uns, die Stellen objektiv zu besetzen. Ob es immer gelingt, weiß ich nicht. Liebe Freunde! Wenn ihr uns Vorwürfe macht, weil Jörg Haider nach Salzburg


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gefahren ist und dort die Dinge in Ordnung gebracht hat – man konnte darüber lesen, und gestern habt ihr den "Report" gesehen –, dann erinnere ich euch auch an ein paar Geschichten, die ihr gemacht habt. Die SPÖ möge sich nur etwa an die Causa Androsch erinnern, wie "der Alte" ihn von Haus und Hof – besser gesagt: nur vom Haus – abserviert hat! Oder: Bundeskanzler Vranitzky mußte mittels eines Minutentelefonates in Richtung Steiermark Herrn Flecker abservieren, oder etwa Helga Konrad in jüngster Zeit. Die Aktion "Halbe-halbe" war nicht alleine ihre Erfindung, das ist ihr eingeredet worden. Es gab noch Rettungsaktionen von Frauen in der Steiermark, als sie ihren Posten verlassen mußte. Also redet nicht von "seidenen Schlingen" und "Kopf ab"! Ihr macht das schon 20 Jahre lang! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Bei uns muß sich aber niemand dafür entschuldigen, daß es so gemacht worden ist! – Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Meier. ) Nein, so machen wir es nicht. Herr Kollege Meier! Wenn Sie so weiterfragen, helfe ich Ihnen nach.

Zu den Ausführungen des Kollegen Himmer, dessen Kritik an und für sich relativ harmlos war: Die Frage bezüglich der Raiffeisen-Angelegenheit hat Kollege Harring hier souverän beantwortet. Aber ich darf auf die konkreten Argumente eingehen, die Sie in bezug auf die EU vorgebracht haben. Sie haben das Thema Wasser angesprochen. Herr Kollege Himmer! Haben Sie den Vertrag von Amsterdam schon gelesen? – Darin ist das Einstimmigkeitsprinzip im Artikel 132 zugunsten des Mehrstimmigkeitsprinzips verändert worden. Es wurde uns versprochen, das würde nie passieren! – Jetzt ist es doch passiert. Und Sie haben das Thema Wasser erwähnt. Sie lesen also sehr ungenau. (Bundesrat Payer: Ist das so etwas wie die Schildläuse?!) Es geht dabei um die Wasserreserven Österreichs. Ich nehme an, Sie wissen noch, was Sie gesagt haben, sonst werde ich Ihnen das dann zur Verfügung stellen.

Oder: Devisenreserven. Anscheinend habt ihr nicht genau zugehört, als der Herr Finanzminister sehr verklausuliert über die 269 Milliarden Schilling an Währungsreserven der Nationalbank gesprochen hat. Er hat gesagt: Nein, man kann das noch nicht sagen, und in das Budget soll es schon gar nicht einfließen. – Und dann kam ein karger und sparsamer Satz, der lautete: Das ist zur Absicherung allfälliger Währungsspekulationen. – Im Jahr 2000 gibt es aber keinen Schilling mehr, da gibt es nur mehr den Euro. Also ist das zur Absicherung von Währungsspekulationen gegen den Euro gedacht!

Herr Kollege Himmer! Meine Zusatzfrage war dann: Wieviel zahlen denn die anderen Länder quasi als Depot zur Europäischen Zentralbank nach Frankfurt? – Darauf erhielt ich keine Antwort. Faktum ist, daß wir diesen Betrag wahrscheinlich als Depot nach Frankfurt geben werden. Und ihr nehmt das einfach so hin! Und dann wurde hier noch als lächerlich dargestellt, wie Devisenreserven abfließen, ohne daß die Leute etwas davon wissen. (Bundesrat Payer: Schauermärchen! – Bundesrat Meier: Auch die anderen Länder machen das! Sie können nicht sagen, nur Österreich macht das, die anderen Länder nicht!)

Das ist kein Schauermärchen! Lieber Kollege Payer! Sag das Bundesminister Edlinger! Er wird dann klarstellen, ob das ein Schauermärchen ist oder nicht. Er hat es hier in der Fragestunde des Finanzministers gesagt. Aber ihr habt nicht zugehört! (Bundesrat Meier: Die anderen Staaten tun das gleiche!)

Nein, die anderen Staaten machen leider Gottes nicht immer das gleiche, mit Ausnahme von Deutschland und Holland. Sagen Sie mir, Herr Kollege Meier, wieviel Frankreich dort deponiert! Sagen Sie mir, wieviel Italien gibt, sagen Sie mir, wieviel Spanien gibt, sagen Sie mir, wieviel Portugal gibt! (Bundesrat Meier: Das ist genau geregelt!) Nein, das ist nicht genau geregelt. Bitte zeigen Sie mir das! Ich wäre Ihnen sehr dankbar dafür. Es ist leider Gottes nicht geregelt.

Es wurde heute auch über die Lebensmittel gesprochen. Ihr habt heute die Gentechnik-Diskussion sehr engagiert bestritten. Es wurde über den ökologischen Standard gesprochen, den Sie, Kollege Himmer, bemängelt haben. Dabei ist doch ganz eindeutig zum Ausdruck gekommen: Wir können uns nur dann helfen, meine Damen und Herren, wenn wir uns selbst helfen und wenn wir die anderen dazu veranlassen, daß die ökologischen Standards, die wir haben, auch von den anderen übernommen werden! Sonst gibt es keine Möglichkeit, sonst werden unsere unterlaufen! Die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung ist dadurch gefährdet. Das ist ein


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Faktum. All das sind versäumte Hausaufgaben, das muß ich Ihnen sagen. Das muß Ihnen die Opposition täglich sagen. Seid doch ein bisserl lernfähig! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen. – Präsident Bieringer übernimmt den Vorsitz.)

Ihr Vorgänger, Herr Staatssekretär, hat von einer Diffamierung gesprochen, als wir das gesagt haben. Ich weiß nicht, ob es eine Diffamierung ist, daß nach wie vor – ich könnte es belegen – die Untersuchungen im Fall Praschak saumselig und beinahe überhaupt nicht durchgeführt werden. Er hat von Diffamierung gesprochen, als wir gesagt haben, dieser Posten sei nicht nach dem Stellenbesetzungsgesetz besetzt worden. Er hat gesagt, es sei eine Diffamierung, als wir gesagt haben, daß die fünf Punkte von Vranitzky – im Vergleich dazu war Kreisky noch ein Sir, er hat noch zehn Punkte gehabt! – nicht entsprechend seien.

Ich darf darauf hinweisen, meine Damen und Herren – ich weiß nicht, ob das eine Diffamierung ist; diese beiden Fälle wurden bis jetzt noch nicht genannt –, daß im September 1997 der ehemalige Klima-Sekretär Marc Hall unter erheblichen Problemen zum Vorstandsmitglied in der OMV bestellt wurde. Wie wurde er bestellt? Wurde er entsprechend des Stellenbesetzungsgesetzes bestellt? Welche Gremien wurden informiert? Können Sie mir bitte darüber Auskunft geben? – Ich weiß es nicht.

Oder: Helga Konrad. Ich will hier nicht weiter quälend tätig sein, aber ich muß Sie fragen: Wie ist es zu diesem Sondervertrag gekommen? Mit wem war er abgesprochen? Nach welchen Regelungen? War das im Dienstpostenplan ausgeschrieben? Ist das eine Diffamierung, was wir da gesagt haben? – Ich frage Sie! Geben Sie mir bitte eine Antwort darauf, meine Damen und Herren!

Vor kurzem kam ein Brief an Herrn Dr. Haider, eingegangen am 21. April 1998. Darin heißt es – ich zitiere –: Sehr geehrter Herr Dr. Haider! In der PTA bläst seit der Ausgliederung ein rauher Wind. Viele Bedienstete verlieren ihren Arbeitsplatz oder werden in den Vorruhestand geschickt. – Ganz anders bei den Funktionären der Gewerkschaft und den höheren Betriebsräten. Ohne je eine Matura gemacht zu haben, geschweige denn eine Universität von innen gesehen zu haben, werden sie mit einer Scheinprüfung zu Akademikern. Diese Regelung – siehe beiliegende Fotokopie – gilt für den Zentralausschuß, den Personalvertretungsausschuß und auch auf besondere Verfügung des Bundeskanzleramtes. Unglaublich, aber wahr! Mit freundlichen Grüßen, anonym, weil nicht anders möglich." – Zitatende. (Bundesrat Konečny: Ungeheuerlich ist das! Sorgen Sie dafür, daß die Verdächtigen bekommen, was sie verdienen!)

Herr Kollege! So ist es! Die Leute haben Angst, und manche haben solche Angst, daß sie sich erschießen, daß sie den Freitod suchen. Beseitigen Sie diese Angst endlich! Sorgen Sie dafür, daß das Klima ein bisserl freier wird, sorgen Sie dafür, daß die Menschen endlich wieder freier atmen können! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sorgen Sie dafür, daß die Verfilzung im Bankenapparat endlich für die Öffentlichkeit durchschaubar und kontrollierbar wird und für die Öffentlichkeit erkennbar ist! Sorgen Sie dafür, daß die Stellenbesetzung entsprechend unserer Bundesverfassung fair und objektiv erfolgt! Es ist doch unglaublich, meine Damen und Herren: Zwei Parteiengemeinschaften, die etwas mehr als 50 Prozent der Stimmen haben, beherrschen beinahe 100 Prozent des staatlichen Einflußbereiches! So kann es doch nicht sein! Wir haben noch immer eine konsensuale Verfassung! Oder wollen Sie diese abschaffen? – In den Landesbereichen beginnen Sie bereits damit! (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Meier: Sie wollen dabei sein!)

Es geht nicht darum, ob wir dabei sein wollen, Herr Kollege. Derjenige, der das Mandat vom Bürger hat, soll vielmehr dabei sein. Es geht nicht um das Wollen. Wenn jemand das Mandat vom Bürger hat, dann hat er die Berechtigung, dabei zu sein! Sorgen Sie dafür, sonst werden wir alle miteinander noch unglaubwürdiger. Die Wahlenthaltung beträgt bereits 40 Prozent. Unsere Fraktion legt bei Wahlen immer noch zu, aber Sie legen jedes Mal ab! (Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ.)

Aber die Tatsache, daß wir zulegen, das allein hilft uns noch nicht. Sorgen Sie für die Änderung dieser Zustände und halten Sie endlich die Verfassung ein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.56


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Präsident Ludwig Bieringer:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zehn Anfragen, 1377/J bis 1386/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 4. Juni 1998, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 2. Juni 1998, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 17.57 Uhr