Stenographisches Protokoll

642. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 2. Juli, und Freitag, 3. Juli 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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642. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 2. Juli, und Freitag, 3. Juli 1998

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 2. Juli 1998: 10.24 – 22.55 Uhr

Freitag, 3. Juli 1998: 9.01 – 14.18 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte und Schlußakte

2. Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

3. Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften

4. Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation (Bundes-Seniorengesetz)

5. Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, das Zustellgesetz, das Agrarverfahrensgesetz, das Auskunftspflichtgesetz, das Auskunftspflicht-Grundsatzgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Sicherheitspolizeigesetz, das Fremdengesetz 1997, das Handelsgesetzbuch, das Volksanwaltschaftsgesetz 1982, das Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996, das Verlautbarungsgesetz 1985 und das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert werden

6. Europäisches Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen samt Anhang

7. Bundesgesetz, mit dem das Heeresdisziplinargesetz 1994 geändert wird

8. Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die Zusammenarbeit und die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen

9. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien über die Übernahme von Personen an der Grenze

10. Protokoll auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union und von Artikel 41 Absatz 3 des Europol-Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bediensteten von Europol


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642. Sitzung / Seite 2

11. Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich;

Übereinkunft über die vorläufige Anwendung zwischen einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union des Übereinkommens auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich;

Protokoll auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung;

Erklärung zur gleichzeitigen Annahme des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich und des Protokolls betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung;

Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 2 des Protokolls auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung

12. Bundesgesetz, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird

13. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG), BGBl. I Nr. 75/1997, geändert wird

14. 1. Euro-Finanzbegleitgesetz umfassend

Bundesgesetz zur Umstellung von Bundesanleihen auf Euro (Euro-Bundesanleihenumstellungsgesetz);

Bundesgesetz zur Umstellung von Anleihen privater Emittenten auf Euro (Euro-Anleihenumstellungsgesetz);

Bundesgesetz, mit dem im Steuerrecht begleitende Maßnahmen für die Einführung des Euro getroffen werden;

Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Bankwesengesetz, das Bausparkassengesetz, das Börsegesetz 1989, das Wertpapieraufsichtsgesetz, das Pensionskassengesetz und das Bundesgesetz, mit dem finanzielle Beziehungen zwischen dem Bund und der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft geregelt werden, geändert werden

15. Bundesgesetz über die Übertragung von Bundesbeteiligungen in das Eigentum der ÖIAG

16. Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz und das Pfandbriefgesetz geändert werden

17. Bundesgesetz, mit dem das Garantiegesetz 1977 geändert wird

18. Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird

19. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschafts- und Schenkungssteuern

20. Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 – WKG)

21. Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird


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22. Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend ein Förderungsprogramm zur Sicherung ausreichender Berufsausbildungsmöglichkeiten (Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz) erlassen wird

23. Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1998)

24. Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird

25. Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz geändert wird

26. Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1984 und das Krankenanstaltengesetz geändert werden

27. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den kardiotechnischen Dienst (Kardiotechnikergesetz – KTG) erlassen wird und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert werden

28. Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 und die 3. StVO-Novelle geändert werden (20. StVO-Novelle)

29. Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (20. KFG-Novelle) und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden

30. Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 2/1998) geändert wird (2. Führerscheingesetznovelle)

31. Bundesgesetz über die Öffnung des Zugangs zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen (Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz – FBG)

32. Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz geändert wird

33. Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die weitere Verringerung von Schwefelemissionen samt Anlagen und Erklärung der Republik Österreich

*****

Inhalt

Bundesrat

Antrittsansprache des Präsidenten Alfred Gerstl 16

Sitzungsunterbrechungen 23 und 129

Personalien

Krankmeldung 16

Entschuldigung 16

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 23

Ausschüsse

Zuweisungen 23


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642. Sitzung / Seite 4

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(1) Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend einen Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte und Schlußakte (1211 und 1253/NR sowie 5690/BR d. B.)

(2) Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (791/A und 1255/NR sowie 5691/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Karl Wilfing 24

[Antrag, zu (1), der Bundesrat wolle dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels I des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluß des Vertrages von Amsterdam, BGBl. I Nr. 76/98, die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, zu (2), der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen]

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 25

Albrecht Konečny 28

Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof 30

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 32

Dr. Paul Tremmel 34

Erhard Meier 36

Gottfried Jaud 37

Mag. John Gudenus 38

Jürgen Weiss 40


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642. Sitzung / Seite 5

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (1), der Bundesrat wolle dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels I des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluß des Vertrages von Amsterdam, BGBl. I Nr. 76/98, die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, zu (2), der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 41

(3) Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend eine Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften (1210 und 1254/NR sowie 5692/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfram Vindl 42

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 43

Johann Payer 45

Jürgen Weiss 47

Dr. Paul Tremmel 48

Herbert Thumpser 50

Gottfried Jaud 51

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 52

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen einiger Bundesräte der ÖVP, der Bundesräte der SPÖ und einiger Bundesräte der Freiheitlichen, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der ÖVP und der Freiheitlichen 53

(4) Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation (Bundes-Seniorengesetz) (1184 und 1257/NR sowie 5693/BR d. B.)


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642. Sitzung / Seite 6

Berichterstatter: Alfred Schöls 53

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Harald Repar 54

Therese Lukasser 55

Dr. Paul Tremmel 56

Irene Crepaz 58

Franz Wolfinger 59

Mag. John Gudenus 60

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 62

(5) Beschluß des Nationalrates vom 12. Mai 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, das Zustellgesetz, das Agrarverfahrensgesetz, das Auskunftspflichtgesetz, das Auskunftspflicht-Grundsatzgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Sicherheitspolizeigesetz, das Fremdengesetz 1997, das Handelsgesetzbuch, das Volksanwaltschaftsgesetz 1982, das Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996, das Verlautbarungsgesetz 1985 und das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert werden (1167/NR sowie 5676/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfram Vindl 62

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Josef Rauchenberger 62

Dr. Günther Hummer 63

Dr. Peter Böhm 65

Mag. Harald Repar 67

Jürgen Weiss 68

Dr. Paul Tremmel 69

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 70

Entschließungsantrag der Bundesräte Jürgen Weiss, Josef Rauchenberger, Dr. Peter Böhm, Alfred Schöls und Kollegen betreffend Dokumentation derogierter Gesetzesbestimmungen 68

Annahme (E. 159) 71

(6) Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Europäisches Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen samt Anhang (1064 und 1256/NR sowie 5694/BR d. B.)

Berichterstatter: Alfred Schöls 71

(Antrag, 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Stefan Prähauser 71

Mag. Karl Wilfing 74

DDr. Franz Werner Königshofer 74

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben 75

(7) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heeresdisziplinargesetz 1994 geändert wird (1191 und 1259/NR sowie 5724 und 5720/BR d. B.)

Berichterstatter: Herbert Thumpser 76

(Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Vincenz Liechtenstein 76

Stefan Prähauser 77

Mag. John Gudenus 79

Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 79

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben 80

Gemeinsame Beratung über

(8) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die Zusammenarbeit und die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen (1052 und 1197/NR sowie 5714/BR d. B.)

(9) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien über die Übernahme von Personen an der Grenze (951 und 1195/NR sowie 5715/BR d. B.)

Berichterstatter: Peter Rodek 81

[Antrag, zu (8), der Bundesrat wolle 1. den im Artikel 9 Abs. 1 und 2 und im Artikel 3 Abs. 1 enthaltenen verfassungsändernden Bestimmungen des gegenständlichen Staatsvertrages gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, zu (9) keinen Einspruch zu erheben]

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (8), der Bundesrat wolle 1. den im Artikel 9 Abs. 1 und 2 und im Artikel 3 Abs. 1 enthaltenen verfassungsändernden Bestimmungen des gegenständlichen Staatsver


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642. Sitzung / Seite 7

trages gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, zu (9) keinen Einspruch zu erheben 81

Gemeinsame Beratung über

(10) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Protokoll auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union und von Artikel 41 Absatz 3 des Europol-Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bediensteten von Europol (894 und 1194/NR sowie 5716/BR d. B.)

(11) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich;

Übereinkunft über die vorläufige Anwendung zwischen einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union des Übereinkommens auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich;

Protokoll auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung;

Erklärung zur gleichzeitigen Annahme des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich und des Protokolls betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung;

Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 2 des Protokolls auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung (952 und 1196/NR sowie 5717/BR d. B.)

Berichterstatter: Peter Rieser 83

[Antrag, zu (10) und (11) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 83

Josef Pfeifer 84

Dr. Vincenz Liechtenstein 85

Mag. John Gudenus 87

Alfred Schöls 88

und (tatsächliche Berichtigung) 91

Ernest Windholz 89

Dr. Paul Tremmel (zur Geschäftsordnung) 91

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (10) und (11) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 94

Gemeinsame Beratung über

(12) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das


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642. Sitzung / Seite 8

weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird (1032 und 1193/NR sowie 5718/BR d. B.)

(13) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG), BGBl. I Nr. 75/1997, geändert wird (797/A und 1213/NR sowie 5719/BR d. B.)

Berichterstatter: Ing. Walter Grasberger 95

[Antrag, zu (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Mag. John Gudenus 95

Mag. Günther Leichtfried 97

Mag. Karl Wilfing 98

Dr. Paul Tremmel 99

Johanna Schicker 101

Ulrike Haunschmid 102

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 103

Engelbert Schaufler 105

DDr. Franz Werner Königshofer 106

Albrecht Konečny 106

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 107

(14) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend das

1. Euro-Finanzbegleitgesetz umfassend

Bundesgesetz zur Umstellung von Bundesanleihen auf Euro (Euro-Bundesanleihenumstellungsgesetz);

Bundesgesetz zur Umstellung von Anleihen privater Emittenten auf Euro (Euro-Anleihenumstellungsgesetz);

Bundesgesetz, mit dem im Steuerrecht begleitende Maßnahmen für die Einführung des Euro getroffen werden;

Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Bankwesengesetz, das Bausparkassengesetz, das Börsegesetz 1989, das Wertpapieraufsichtsgesetz, das Pensionskassengesetz und das Bundesgesetz, mit dem finanzielle Beziehungen zwischen dem Bund und der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft geregelt werden, geändert werden (1187 und 1241/NR sowie 5722 und 5695/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Rauchenberger 107

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Harring 108

Gottfried Jaud 110

Erhard Meier 110

DDr. Franz Werner Königshofer 112

Bundesminister Rudolf Edlinger 115

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 119


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642. Sitzung / Seite 9

Gemeinsame Beratung über

(15) Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Übertragung von Bundesbeteiligungen in das Eigentum der ÖIAG (1185 und 1242/NR sowie 5696/BR d. B.)

(16) Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz und das Pfandbriefgesetz geändert werden (1165 und 1243/NR sowie 5697/BR d. B.)

(17) Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Garantiegesetz 1977 geändert wird (768/A und 1244/NR sowie 5698/BR d. B.)

(18) Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird (710/A und 1245/NR sowie 5699/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Rauchenberger 120

[Antrag, zu (15) gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, zu (16), (17) und (18) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Peter Harring 120

Gottfried Jaud 121

Stefan Prähauser 122

Mag. Walter Scherb 124

Bundesminister Rudolf Edlinger 126

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (15) gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 127

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (16), (17) und (18) keinen Einspruch zu erheben 128

(19) Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschafts- und Schenkungssteuern (665 und 1246/NR sowie 5700/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Rauchenberger 128

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 129

Gemeinsame Beratung über

(20) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 – WKG) (1155 und 1267/NR sowie 5701/BR d. B.)


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 10

(21) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird (1154 und 1263/NR sowie 5723 und 5702/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer 129

[Antrag, zu (20) 1. den im § 68 Abs. 1 und § 150 Abs. 2 des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates enthaltenen Verfassungsbestimmungen im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben]

und Wolfgang Hager 130

[Antrag, zu (21) 1. den in Ziffer 1 § 10 Abs. 2 Ziffer 1, in Ziffer 2 § 17a Abs. 3 sowie in Ziffer 50 § 100 Abs. 8 enthaltenen Verfassungsbestimmungen im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben]


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 11

Redner:

Engelbert Weilharter 130

Dr. Kurt Kaufmann 132

Karl Drochter 134

Ernest Windholz 136

Bundesministerin Eleonora Hostasch 137 und 144

Alfred Schöls 138

Mag. Walter Scherb 140

Ulrike Haunschmid 142

Dr. Paul Tremmel 145

Ludwig Bieringer 145

Annahme der Anträge der Berichterstatter, zu (20) 1. den im § 68 Abs. 1 und § 150 Abs. 2 des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates enthaltenen Verfassungsbestimmungen im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, zu (21) 1. den in Ziffer 1 § 10 Abs. 2 Ziffer 1, in Ziffer 2 § 17a Abs. 3 sowie in Ziffer 50 § 100 Abs. 8 enthaltenen Verfassungsbestimmungen im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 145

Gemeinsame Beratung über

(22) Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 über ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend ein Förderungsprogramm zur Sicherung ausreichender Berufsausbildungsmöglichkeiten (Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz) erlassen wird (1153 und 1261/NR sowie 5703/BR d. B.)

(23) Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1998) (1262/NR sowie 5704/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfgang Hager 147

[Antrag, zu (22) und (23) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Ing. Walter Grasberger 147

Karl Drochter 149

Monika Mühlwerth 151

Horst Freiberger 153

Ulrike Haunschmid 154

Herbert Thumpser 156

Bundesministerin Eleonora Hostasch 157

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (22) und (23) keinen Einspruch zu erheben 159

Gemeinsame Beratung über

(24) Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (1105 und 1130/NR sowie 5705/BR d. B.)

(25) Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz geändert wird (1049 und 1131/NR sowie 5706/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfgang Hager 160

[Antrag, zu (24) und (25) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Andreas Eisl 160 und 165

Engelbert Schaufler 161

Johann Grillenberger 164

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (24) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 165

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (25) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP, der SPÖ und einiger Bundesräte der Freiheitlichen, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der Freiheitlichen 166

Gemeinsame Beratung über

(26) Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1984 und das Krankenanstaltengesetz geändert werden (745/A und 1269/NR sowie 5707/BR d. B.)

(27) Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den kardiotechnischen Dienst (Kardiotechnikergesetz – KTG) erlassen wird und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert werden (1166 und 1272/NR sowie 5708/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfgang Hager 166

[Antrag, zu (26) und (27) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Monika Mühlwerth 167

Therese Lukasser 167


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
642. Sitzung / Seite 12

Hedda Kainz 169

Bundesministerin Eleonora Hostasch 169

Dr. Paul Tremmel 170

einstimmige


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
642. Sitzung / Seite 13

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (26) keinen Einspruch zu erheben 171

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (27) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 171

Gemeinsame Beratung über

(28) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 und die 3. StVO-Novelle geändert werden (20. StVO-Novelle) (1225/NR sowie 5709/BR d. B.)

(29) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (20. KFG-Novelle) und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden (1226/NR sowie 5710/BR d. B.)

(30) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 2/1998) geändert wird (2. Führerscheingesetznovelle) (762/A, 694/A und 1224/NR sowie 5711/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Elisabeth Haselbach 172

[Antrag, zu (28), (29) und (30) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Engelbert Weilharter 172

Ing. Walter Grasberger 174

Erich Farthofer 175

Peter Rieser 176

Engelbert Schaufler 177

Wolfram Vindl 179

Ernest Windholz 180

Bundesminister Dr. Caspar Einem 181

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (28) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 184

einstimmige Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (29) und (30) keinen Einspruch zu erheben 184

(31) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Öffnung des Zugangs zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen (Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz – FBG) (1079 und 1239/NR sowie 5712/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Elisabeth Haselbach 184

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Thomas Ram 185

Mag. Karl Wilfing 187

Erich Farthofer 187

Bundesminister Dr. Caspar Einem 188

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 189

(32) Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz geändert wird (761/A und 1188/NR sowie 5713/BR d. B.)

Berichterstatter: Erich Farthofer 189

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

DDr. Franz Werner Königshofer 189

Ing. Peter Polleruhs 191

Josef Pfeifer 192

Bundesminister Dr. Caspar Einem 193

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 194

(33) Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die weitere Verringerung von Schwefelemissionen samt Anlagen und Erklärung der Republik Österreich (1086 und 1216/NR sowie 5721/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfgang Hager 194

(Antrag, 1. der im Artikel 11 des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates enthaltenen verfassungsändernden beziehungsweise verfassungsergänzenden Bestimmung gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. dem gegenständlichen Beschluß gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 3. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Gottfried Jaud 194

Mag. Günther Leichtfried 195

Alfred Gerstl 197

Dr. Paul Tremmel 197

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. der im Artikel 11 des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates enthaltenen verfassungsändernden beziehungsweise verfassungsergänzenden Bestimmung gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 2. dem gegenständlichen Beschluß gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, 3. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben 198


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 14

Eingebracht wurden

Antrag

Selbständiger Antrag der Bundesräte Peter Rieser, Engelbert Schaufler, Wolfram Vindl, Ing. Walter Grasberger und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (BGBl. Nr. 120/97) geändert wird (106/A-BR/98)

Anfragen

der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Haltung Israels im Nahost-Friedensprozeß (1399/J-BR/98)


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 15

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die im Zuge des Euro-Gipfels durchgeführte Euro-Werbekampagne der Bundesregierung (1400/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Pläne der österreichischen Bundesregierung bezüglich der österreichischen EU-Beiträge (1401/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Führung des Titels "Ratspräsident" (1402/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die finanziellen Zuschüsse der Bundesregierung an den ORF für die Berichterstattung während der Zeit der österreichischen EU-Präsidentschaft (1403/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die tendenzielle Bereitschaft der österreichischen Bundesregierung, die Materie "Beschäftigungspolitik" zu "vergemeinschaften" (1404/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Vergabe der "besonderen Presseförderung" (1405/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die voraussichtliche Zunahme an Insolvenzen aufgrund der durch den Euro verursachten Verschärfung des Wettbewerbs in Europa (1406/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die voraussichtlichen Einnahmen während der bevorstehenden EU-Präsidentschaft (1407/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Auftragsvergabe an die Veranstaltungsgesellschaft "Egger & Klinger" (1408/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Führung des Titels "Ratspräsident" (1409/J-BR/98)

der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend den mit der "Hopi Media" abgeschlossenen Vertrag bezüglich Photographentätigkeit während der EU-Präsidentschaft Österreichs (1410/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend durch den Euro verursachte Kosten (1411/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Europäische Transferunion (1412/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit und Soziales betreffend die in dem Medium "News" durchgeführte EU-Werbeaktion der Sozialversicherung (1413/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die Schaffung eines österreichischen Konzernrechts (1414/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Quasi-Monopol des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (1415/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Wahrung der Anrainerrechte im eisenbahnrechtlichen Verfahren (1416/J-BR/98)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen (1270/AB-BR/98 zu 1379/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Stefan Prähauser, Erhard Meier, Irene Crepaz, Mag. Günther Leichtfried, Johann Payer, Hedda Kainz und Josef Pfeifer (1271/AB-BR/98 zu 1378/J-BR/98)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Hedda Kainz und Genossen (1272/AB-BR/98 zu 1376/J-BR/98)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Franz Richau und Kollegen (1273/AB-BR/98 zu 1377/J-BR/98)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen (1274/AB-BR/98 zu 1384/J-BR/98)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen (1275/AB-BR/98 zu 1385/J-BR/98)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Ernest Windholz und Kollegen (1276/AB-BR/98 zu 1383/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch (1277/AB-BR/98 zu 1380/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Johanna Schicker und Genossen (1278/AB-BR/98 zu 1382/J-BR/98)


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 16

Beginn der Sitzung: 10.24 Uhr

Präsident Alfred Gerstl: Ich eröffne die 642. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 641. Sitzung des Bundesrates vom 4. Juni 1998 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates Johann Kraml.

Entschuldigt hat sich das Mitglied des Bundesrates Franz Richau.

Antrittsansprache des Präsidenten

10.25

Präsident Alfred Gerstl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie sehr herzlich. Vor allem begrüße ich herzlichst und in besonderer Verbundenheit Frau Landeshauptfrau von der Steiermark Waltraud Klasnic (allgemeiner Beifall) und Herrn Alt-Landeshauptmann von der Steiermark Dr. Josef Krainer. Er gewährte mir jahrzehntelang Vertrauensvorschuß. (Allgemeiner Beifall.)

Herzlich begrüße ich Herrn Landesrat Gerhard Hirschmann, und ich freue mich auch, daß der Dritte Präsident des Nationalrates Universitätsprofessor Dr. Willi Brauneder zu uns gekommen ist. (Allgemeiner Beifall.)

Ganz besonders herzlich muß ich natürlich meinen Freund Arnold Schwarzenegger begrüßen. (Allgemeiner Beifall.) Ich möchte ihm ganz besonderen Dank dafür aussprechen, daß er seine Heimat nie vergessen hat und daß er immer ein großer Werbeträger für Österreich und für die Steiermark war und hoffentlich bleiben wird. Als ich vor 20 Jahren nach Amerika kam, verwechselte man Austria noch mit Australien; heute kennt jeder Österreich. Das war nicht zuletzt ein Verdienst Arnold Schwarzeneggers. Dafür herzlichsten Dank! (Allgemeiner Beifall.)

Ich freue mich ganz besonders über die Anwesenheit einer großen Zahl weiterer in- und ausländischer Gäste.

Von ihnen gilt mein besonderer Gruß dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde für Steiermark und Kärnten, Herrn Kommerzialrat Kurt Brühl (allgemeiner Beifall), Herrn Minister der Republik Srpska Nikola Kraguly (allgemeiner Beifall), dem ehemaligen Präsidenten der Demokratischen Partei der USA für Europa, Präsidenten der ersten Beratungsgruppe der UN und ständigen Vertreter dieser Gruppe in der UN-Versammlung, Herrn Boyer Daniel (allgemeiner Beifall), dem Herrn Minister der montenegrinischen Regierung, Vukasin Maras (allgemeiner Beifall), dem Präsidenten des Bundesvereines der Widerstandskämpfer Jugoslawiens und stellvertretenden Bundesparlamentspräsidenten Jugoslawiens außer Dienst, Herrn Miloslav Bojic (allgemeiner Beifall), und meinem ganz besonderen Freund Milos Ogrizek aus Laibach, dem ehemaligen Staatssekretär von Jugoslawien. (Allgemeiner Beifall.)

Ich freue mich auch sehr, daß der Bundesobmann der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten, Herr Hofrat Dr. Jurasek (allgemeiner Beifall), der Landesobmann der sozialistischen Freiheitskämpfer Steiermark, Herr Ernst Kortschewitsch (allgemeiner Beifall), die Landesobfrau des KZ-Verbandes von der Steiermark, Frau Maria Cesar, und der Präsident des Kriegsopferverbandes Steiermark, Herr Manfred Krenn, in unserer Mitte weilen. (Allgemeiner Beifall.)

Es sind so viele Gäste und so viele Freunde anwesend, daß ich – dafür bitte ich um Entschuldigung – nicht alle Namen nennen kann. Ich darf auch alle anderen Gäste, die ich aus Zeitgründen nicht namentlich begrüßen kann, sehr herzlich begrüßen. Herzlich begrüße ich auch die Zuhörerinnen und Zuhörer der Printmedien, des Rundfunks und des Fernsehens. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse an der Arbeit des Bundesrates.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
642. Sitzung / Seite 17

Es ist mir bei dieser Gelegenheit ein ganz besonderes Bedürfnis, meinem Kollegen, Herrn Bundesrat Bieringer, den Dank für die abgelaufene Vorsitzführung auszusprechen (allgemeiner Beifall), ebenso den Dank den Vizepräsidenten, Frau Anna Elisabeth Haselbach (allgemeiner Beifall) und Herrn Jürgen Weiss (allgemeiner Beifall), sowie auch den Fraktionsvorsitzenden Herrn Albrecht Konečny und Frau Dr. Susanne Riess-Passer. (Allgemeiner Beifall.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie in der Bundesverfassung vorgesehen, wurde am 1. Juli 1998 der Vorsitz des Bundesrates dem Bundesland Steiermark überantwortet. Nun fällt die Funktionsdauer in eine Zeit, in der unsere verehrte Frau Landeshauptfrau Waltraud Klasnic Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz ist und Österreich die Ehre hat, durch Vorsitz in der Europäischen Union Impulse für weitere Zielsetzungen zu einem friedlich geeinten Europa zum Wohle seiner Bürger einzubringen.

Durch Vertrauensvorschuß meiner Gesinnungsgemeinschaft wurde ich 1996 vom Steirischen Landtag für meine dritte Funktionsperiode als Bundesrat in das Hohe Haus der Länderkammer entsendet. In der konstituierenden Landtagssitzung am 23. Jänner 1996 wurde ich in geheimer Wahl durch Mehrheitsbeschluß Erstgereihter und damit zum zweiten Mal für die Funktion des Präsidenten des Bundesrates nominiert. Dieser Vorgang hat mich damals emotional sehr berührt, da mir weder von einem meiner steirischen Vorgänger noch aus einem anderen Bundesland eine geheime Wahl für den Bundesratspräsidenten bekannt war, wobei ich selbstverständlich eine solche politische Mehrheitsbildung besonders akzeptiere und respektiere.

Ich ließ deshalb meine Lebenserfahrungen Revue passieren: insgesamt über 50 Jahre unselbständige und selbständige Erwerbstätigkeit, Jahrzehnte als Funktionär meiner Partei auf Bezirksebene Graz Jakomini, fast 40 Jahre als Kammerfunktionär der Wirtschaftskammer, davon 25 Jahre als Vorsteher eine Berufsgruppe, die besonders mit der Bevölkerung kommuniziert, aber in deren Reihen auch viele waren, die durch Schicksalsschläge wie Kriegsinvalidität oder als politische Opfer schwer heimgesucht wurden; da war es mir über wirtschaftliche Zielsetzungen hinaus vergönnt, Gräben erfolgreich zuzuschütten.

Zu nennen sind weiters 15 Jahre als Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz, ein halbes Jahrhundert in der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten, deren Landesobmann und Bundesobmann-Stellvertreter ich heute in Nachfolge des ehemaligen Vorsitzenden des Bundesrates, Regierungsrat Eduard Pumpernig, bin, und Jahrzehnte als Sportfunktionär für verschiedene Disziplinen.

Ich folgerte, wie und welche Leistung ich nun durch meine Lebenserfahrung im Rahmen des derzeit vorgegebenen Aufgabenbereiches hier im Hohen Haus zusätzlich einbringen kann, zumal ich nicht geeignet bin, in der politischen Gesinnung anderer etwas anderes als die Chance für eine nutzbringende Symbiose zu sehen.

Ich erlaubte mir deshalb, auch die Kreativität meiner Bundesratskollegen zu analysieren, zumal deren vielfältige Leistungen durch Fehlen medienwirksamer Öffentlichkeitsarbeit meist nicht beachtet werden. Auch ihre jahrelangen Bemühungen um die Stärkung unserer föderalistischen Bundesstaatlichkeit sind kaum bekannt. Intensivierung der Bürgernähe und Erhaltung regionaler Identität für eine lebenswerte Zukunft in einer demokratischen, humanistischen und ökosozialen Marktwirtschaft waren stets ihre wenig bekanntgewordene Zielsetzung. Das ist wiederum ein signifikantes Zeichen für das Fehlen einer eigenen Infrastruktur für die Bundesräte!

Die Wirksamkeit des Bundesrates in Österreich ist nicht daran zu messen, wie oft er zu schon beschlossenen Gesetzen Einspruch erhebt, zumal Konfliktsituationen durch vielfältige Vorarbeit und selbstverständlich auch durch den Koalitionspakt in der Gegenwart seltener geworden sind. Infolgedessen wird heute oft die Notwendigkeit des Bundesrates in Frage gestellt. Niemand käme jedoch auf die Idee, die Feuerwehr abzuschaffen, weil die Brandverhütung gut funktioniert.

Allerdings ist eine Reform des Bundesrates, die zu einer durchschlagskräftigeren Vertretung der Interessen der Länder führt, durch die innen- und außenpolitischen Veränderungen unaufschiebbar geworden. In sinnvoller Ergänzung zum Konsultationsmechanismus – darüber werden


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 18

wir heute noch zu beraten haben – müßte unverzüglich durch eine Bundesstaats- und Bundesratsreform das Zustimmungsrecht des Bundesrates zu Bundesgesetzen, die die Länder belasten, sowie zum Finanzausgleichgesetz und zu Grundsatzgesetzen durchgesetzt werden.

Ebenso ist ein Recht zur Stellungnahme des Bundesrates zu Gesetzesvorhaben des Bundes bis zum Zeitpunkt der Beschlußfassung durch den zuständigen Ausschuß des Nationalrates zu verwirklichen. Dem Bundesrat muß auch ein Widerspruchsrecht bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union eingeräumt werden.

In der Föderalismusdiskussion muß erreicht werden, den Bundesrat wirksam aufzuwerten und die Mitbestimmung der Länder im Bund zu stärken. Die Bundesräte sind Gestalter eines echten Föderalismus, in dem sich mehr Bürgernähe entfaltet. Diese Bürgernähe beweisen sie nicht nur durch ihren vorgegebenen Aufgabenbereich, sondern auch durch vielfältiges ehrenamtliches Wirken in verschiedenen Institutionen in ihren Bundesländern, in beispielgebender Weise für andere politische Gremien. Im Steirischen Landtag wurde daher den Bundesräten nicht nur Sitz, sondern auch Rederecht eingeräumt.

Es waren die Bundesländer, die den österreichischen Bundesstaat aus der Taufe gehoben haben. Die Realisierung der Bundesstaats- und Bundesratsreform ist der Maßstab dafür, welchen Stellenwert die Bundesregierung beziehungsweise das Parlament – und zwar beide Häuser gemeinsam – dem Föderalismus in Österreich zumißt.

Die Aufgabenaufteilung zwischen dem Bund und den Ländern muß besser erkennbar werden. Wir erwarten daher, daß der erste Teil der Bundesstaatsreform – der Entfall der mittelbaren Bundesverwaltung, die Errichtung von einheitlichen Anlagebehörden, Verfahrenskonzentration und so weiter – endlich vom Parlament beschlossen wird. Die Bundesstaatsreform muß eine Stärkung der Verfassungsautonomie der Bundesländer bringen. Eine gerechte Aufteilung der Finanzmittel sowie die Ausweitung des Zustimmungsrechtes gegenüber dem Nationalrat sind erforderlich.

Es ist zum Beispiel in der Frage der Kulturförderungsmittel des Bundes ein völlig ungerechter Aufteilungsschlüssel wirksam, der geändert werden muß. Im weiteren sollten 5 Prozent der Ertragsanteile – das sind ungefähr 4,5 Milliarden von den insgesamt 90 Milliarden Schilling – als Vorweganteil jenen Ländern zur Verfügung gestellt werden, deren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf unter dem österreichischen Durchschnitt liegt. Die Ertragsanteile nach dem jährlichen Steueraufkommen sind von 25 Prozent auf 15 Prozent zu reduzieren, um so die Verzerrungen aus dem Aufkommensprinzip auszugleichen. Es sind neue Kriterien zur Aufteilung der Ertragsanteile zu schaffen.

Der budgetpolitische Handlungsspielraum der Länder ist durch eine Verringerung des Anteils der zweckgebundenen Einnahmen der Länder zu erweitern. Die Solidarität zwischen den wirtschaftlich stärkeren und wirtschaftlich schwächeren Bundesländern ist zu verbessern, und durch finanzausgleichsrechtliche Steuerungsmaßnahmen ist die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen zu sichern.

Der Bundesstaat Österreich muß als Mitglied der Europäischen Union durch die Bundesstaats- und Bundesratsreform auf ein bürgernahes Fundament gestellt werden. Die Dezentralisierung von Kompetenzen bringt Bürgernähe!

Wir sind aber auch dazu aufgerufen, der Gefahr einer Rückentwicklung zu einem Manchester-Liberalismus, der real zu wirtschaftlichen Fehlentwicklungen – vor allem zu großer Arbeitslosigkeit – führen kann, energisch entgegenzutreten und eine Wirtschafts- und Sozialpolitik einzufordern, durch welche die Arbeitslosigkeit wirksam bekämpft werden kann.

Uns allen muß dabei aber bewußt sein, daß sich die Spielregeln durch unseren Beitritt zur Europäischen Union verändert haben. Als integrierter Teil des gesamten europäischen Binnenmarktes sind wir nicht mehr imstande, unsere Wirtschaft und Institutionen einseitig durch irgendwelche Schutzgesetze unter den Glassturz zu stellen. Wir haben uns aus guten Gründen


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 19

entschlossen, nicht den Weg in die wirtschaftliche Isolation zu gehen, sondern im Bewußtsein unserer Stärke die Chancen wahrzunehmen, die der gemeinsame Markt bietet.

Ohne Zweifel gibt es auf diesem Weg neben den Chancen auch Risken. Die Wirtschaft dieses Landes – das sind nicht nur die über 300 000 Unternehmer, sondern auch deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – muß mit Fug und Recht darauf vertrauen können, daß die Regierung unseres Staates Rahmenbedingungen schafft, die sie in die Lage versetzen, den immer härter werdenden Wettbewerb auf den europäischen und weltweiten Märkten zu bestehen.

Worauf wird es also ankommen? – Wir alle, aber besonders unsere vorwiegend im Klein- und Mittelbetriebs-Unternehmensbereich angesiedelte Wirtschaft wird damit fertigwerden müssen, daß die Probleme immer komplexer werden und immer öfter nur durch das Zusammenspiel in Netzwerken gelöst werden können, daß wie im modernen Fußball immer weniger Zeit bleibt, sich den nächsten Spielzug zu überlegen, weil es ohne rasche Entscheidung kaum mehr Erfolg gibt, und daß Qualifikation und Wissen immer mehr zu den großen Trümpfen unserer Zeit werden.

All das ist eine Folge des Wandels von der Industriegesellschaft über die Dienstleistungsgesellschaft zur Informationsgesellschaft unserer Zeit. Das bedeutet konkret, daß jede Information im Internet ab dem Moment ihrer Bereitstellung an jedem Ort der Welt gleichzeitig zu denselben Kosten verfügbar ist. Unsere Welt wird – ob wir es wahrhaben wollen oder nicht – zu einem globalen Dorf. Die Förderung regionaler kultureller Identität muß daher einen besonderen Stellenwert einnehmen, damit jene Symbiose erhalten bleibt, die für eine Weiterentwicklung von Kunst und Kultur sorgt. Diese Herausforderung gilt es zu bewältigen!

Die Dramatik dieser Situation lösen wir nur dann, wenn wir unsere Hausaufgaben machen und unserer Wirtschaft nicht durch eine überboardende Bürokratie die Luft zu Innovationen nehmen, wenn wir den Betrieben nicht durch Überreglementierung die Kraft nehmen, auf die neuen Chancen flexibel reagieren zu können, und wenn wir im Rahmen unserer EU-Verpflichtungen alle Möglichkeiten ausschöpfen, den Wirtschaftsstandort Österreich so attraktiv wie möglich zu machen.

Aufgrund der fehlenden Harmonisierung der europäischen Steuergesetzgebung zeichnen sich in naher Zukunft die Steuern als besonderer Standortfaktor im EU-Raum ab. Es ist mit massiven Änderungen in den Wirtschaftsstrukturen zu rechnen, da die Unternehmen optimieren und ihre Standortpolitik zukünftig noch mehr auf Standortvorteile ausrichten werden. Österreich muß seinen EU-Vorsitz nützen, um eine möglichst rasche Harmonisierung im Steuerrecht voranzutreiben, sonst wird EU-weit ein Wettlauf um die Ansiedelung von Wirtschaft durch Steuervorteile stattfinden.

Ich möchte nicht verschweigen, daß all dies nur zu schaffen ist, wenn wir alle diese notwendigen Veränderungen und Anpassungen nicht nur in unseren Sonntagsreden beschwören, sondern wenn wir auch allen Ernstes zu einer entsprechenden Änderung der Denkungs- und Arbeitskultur bereit sind. Je länger wir die Macht der Bürokratie durch monopolistische Institutionen vor Wettbewerb schützen, desto schmerzhafter wird uns die Realität auf den Kopf fallen. Das heißt: Nicht nur das einzelne Individuum muß sich ändern und laufend anpassen, sondern auch die Politik und die Institutionen sind gefordert, in diesen neuen Kategorien zu agieren.

In der Strukturkonservierung liegt keine Zukunftsstrategie, die dem ganzen Land nützt. Das gleiche gilt, wenn es Institutionen darauf anlegen, Machtmonopole zu bilden, anstatt die Vielfalt kleiner, leistungsfähiger und marktnaher Einheiten zu fördern. Es darf nicht um die Verhinderung, das Zu-Tode-Schützen, das Bis-zum-letzten-Reglementieren gehen, sondern es müssen vor allem die Aktions- und Reaktionsgeschwindigkeiten drastisch erhöht werden. Vergessen wir nicht: Übermorgen ist morgen schon wieder gestern!

Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Um unseren Einfluß für all diese Zielsetzungen regional wirkungsvoller umsetzen zu können, bedarf es einer Aufwertung der Länderkammer in unserem föderalistischen Staatswesen. (Allgemeiner Beifall.) Um dies zu erreichen, sind selbstverständlich zeitgemäße Reformen notwendig.


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 20

Jetzt werden ein paar fragen: Was will der Fredl? – So ist auch zu überlegen, die Länderkammer so rasch wie möglich aus dem Parlament heraus zu verlegen, um dadurch endlich eine eigene, durchschlagskräftigere Infrastruktur für den Bundesrat zu erreichen. (Allgemeiner Beifall.) Es würde dadurch auch augenscheinlicher werden, daß wir eine eigenständige Länderkammer sind.

Der Altpräsident des Bundesrates, Universitätsprofessor Dr. Herbert Schambeck, stellte dies schon vor Jahren zur Diskussion und wies darauf hin, daß sich das freiwerdende Gebäude des Niederösterreichischen Landtages in der Herrengasse dafür bestens eignen würde. Es ist aber schon vergeben. Wenn ich einen anderen Ort nennen würde, an dem es vielleicht auch möglich wäre, wäre das ein Fehler. Denn es soll ein anderer auf die Idee kommen, und zwar derjenige, der diesen Plan verwirklicht.

Auch sollte in jener Zeit, in der das jeweilige Bundesland den Präsidenten stellt, eine der Bundesratssitzungen im Landtagssitzungssaal dieses Bundeslandes stattfinden. Dazu sollte es selbst dann kommen, wenn hiefür eine verfassungsrechtliche Änderung erforderlich wäre. Nicht nur sichtbarer, sondern auch wirkungsvoller wäre dadurch unsere Arbeit als gestaltende Kraft im föderalistischen Österreich!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rückblick auf meine politische Tätigkeit, aber sicherlich auch im Rückblick auf ein Schicksal, das meine Familie erlebte, bestärkte sich auch meine Meinung, daß es sehr wertvoll ist, wenn Historiker Bücher schreiben, selbst wenn sie bei ein und demselben Thema zu verschiedenen Schlüssen kommen. Es sind aber auch Bücher wichtig, die sich mit unterschiedlichem politischen Blick mit der Vergangenheit und den Erfordernissen der Zukunft befassen. Ich lese und lerne gerne aus all diesen Büchern, doch kann ich nicht umhin, zu sagen, daß mir die folgende Erkenntnis als die wichtigste gilt: "Es ist leicht, für gestern gescheit zu sein, doch schwerer, aus dem Gestern zu lernen." (Allgemeiner Beifall.)

Denn ich sehe sie immer mehr schwinden, diese erhoffte, gelebte Toleranz und das Verständnis für diejenigen, denen das Schicksal einen anderen Weg vorgegeben hat. Gebote und Verbote, welche heute noch ausgrenzen, sind kein zielführender Weg zu einer humanistischen, freien, demokratischen Gesellschaftsordnung, die wir uns von einem vereinten Europa erhoffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diskriminierende Gesetze sind, ob gegen einzelne oder pauschal, in einem demokratischen Staatswesen nicht vorzusehen. Gesetze sind immer der Wertmesser einer Gemeinschaft und deren demokratischer Reife.

Das Überzeugen und Vorleben durch politische Repräsentanten wie auch der Einfluß einer verantwortungsbewußten Presse sind die wichtigste Stütze des demokratischen Rechtstaates.

Dieses Vorleben und Überzeugen macht uns zum Beispiel auch Dr. Otto von Habsburg, einer der ganz großen Wegbereiter zum vereinten Europa, eindrucksvoll augenscheinlich – sowie die Habsburger Österreich als Heimat in unser Bewußtsein unauslöschlich einprägten. Das sollten wir gerade im Jahr der Feier zum 80jährigen Bestehen der Republik Österreich nicht vergessen. Dies ist meine Meinung als überzeugter Demokrat und Republikaner. Daher glaube ich, daß wir uns, solange es Habsburger Gesetze in Österreich gibt, weltweit nicht überall glaubhaft als humanistische Demokratie präsentieren können. Persönlich bin ich daher für die Aufhebung der Habsburger Gesetze. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Artikel 7 des Bundes-Verfassungsgesetzes ist Auftrag zu Gleichbehandlung aller Bürger und schließt Ausgrenzungen von Menschen, Ideologien, Religionsbekenntnissen und so weiter aus. Dem Zeitgeist entsprechend fordert er uns gerade heute auf, Gesetze, welche Ausgrenzungen zulassen, auf den derzeitigen Status demokratischer Reife hin zu modifizieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Jede Ausgrenzung aus ideologischen Motiven bedeutet Schmerz und Sorge, insbesondere für jene, welche Ausgrenzung in der Vergangenheit leidvoll selbst erlebten und dagegen auch Widerstand geleistet haben. Wir müssen daher bemüht sein, für unsere Jugend das Verständnis


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 21

für Toleranz schon heute in unseren Gesetzen noch sichtbarer und damit glaubhafter zu machen.

Denn die Zukunft ist heute! Oder – wie ich einer Zeitschrift entnehmen konnte, es handelt sich dabei um einen Ausspruch Gorbatschows –: "Nichts bleibt, wie es ist. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben – oder auch die Geschichte."

Sehr geehrte Damen und Herren! Schon eingangs habe ich darauf hingewiesen, daß ich auch Sportfunktionär war. Ich habe daher, wie ich glaube, Einblick in die Wünsche und Sorgen der Jugend. Vergessen wir nicht, daß das wertvollste Gut unserer Gesellschaft unsere Jugend ist. Eine Sozietät, die sich nicht um ihre Jugend kümmert, ist der Selbstauflösung anheim gegeben. Wenn man über Probleme und Sorgen der heutigen Jugend spricht und sich darüber Gedanken macht, ist man automatisch gezwungen, sich auch mit Bildungsinhalten auseinanderzusetzen.

Was wir derzeit miterleben, ist ein gigantischer Transformationsprozeß aller zentralen kulturellen Muster. Vor allem die neuen Medien, mit denen wir alle, speziell die Jugend, zu tun haben, haben unsere Umwelt ebenso stark verändert wie die industrielle Revolution.

Dies ist auch der Hauptgrund, warum ich mich seit Jahren um die Modifikation des Medienrechtes bemühe. Die Pressefreiheit ist eine demokratische Errungenschaft und sollte aus grundsätzlichen Überlegungen weder angetastet noch eingeschränkt werden. In Anbetracht des immer stärker werdenden Einflusses der Medien auf alle relevanten gesellschaftlichen Prozesse gewinnt jedoch die Frage an Bedeutung, welcher Kontrolle dieser Einfluß zu unterziehen ist, soll die Medienmacht nicht zu Mißbrauch führen.

Es ist uns bisher nicht gelungen, die industrielle Revolution zu meistern. Denken Sie an die Frage der Atomwaffen, der Reaktoren, der Gentechnik, denken Sie an die ökologischen Katastrophen – und schon werden wir nun von einer neuen Revolution durch die Kommunikations- und Informationstechniken überrollt. Tiefgreifende Anpassungsleistungen der Menschen an diesen Wandel werden notwendig.

Deshalb müssen der Bildung und Erziehung größter Stellenwert eingeräumt werden. Bildung und Erziehung sind immer auch auf Werte und Ziele einer zukünftigen Gesellschaft gerichtet. Solange wir aber nicht wissen, wie sich diese Informationsgesellschaft von morgen entwickeln wird und wie sie aussehen wird, herrscht Unsicherheit, Orientierungslosigkeit und Desinformation.

Wir müssen Wertvorstellungen schaffen, an die wir glauben, damit auch die Jugend daran glauben kann. Wir müssen verständlich machen, warum es keine Freiheit ohne Ordnung und kein Recht ohne Verantwortung gibt!

Da derzeit die neuen Informationstechniken massiv in alle Bereiche unseres Lebens eindringen, müßten wir versuchen, diese kommende Informationsgesellschaft sozial verträglich und menschlich zu gestalten. Aufklärung über Risken und Möglichkeiten einer humanen und sozialen Technikgestaltung wären unbedingt notwendig. Es wäre eine vordringliche Aufgabe der Pädagogen, sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen durch die neuen Technologien auseinanderzusetzen, da das Schul- beziehungsweise Erziehungssystem nicht in einem Vakuum inmitten der digitalen Revolution steht.

Ich glaube, im Bereich der rasanten technologischen Entwicklungen neigen wir Menschen dazu, sogenannte Sachzwänge dafür verantwortlich zu machen, wenn wir in Passivität verharren, anstatt mitzugestalten. Bildung müßte stärker den Willen zum Mitgestalten wecken und mögliche Wege aufzeigen. Dies ist aber nur möglich, wenn die jungen Menschen sehen, daß die Entwicklung in der Gesellschaft ihnen nicht wesensfremd gegenübersteht, sondern daß sie Einfluß nehmen und mitgestalten können. Ich bin der Meinung, daß die heutige Jugend sehr wohl den Willen hat, an der Gestaltung dieser Gesellschaft mitzuarbeiten, denn das Lamentieren über die Entpolitisierung der Jugend ist meiner Meinung nach nur die halbe Wahrheit.

Mit anderen Worten will ich damit ausdrücken, daß wir unserer Jugend gegenüber eine positivere Einstellung haben sollten. Ich sage dies als ein Mensch, der sein Leben lang mit jungen


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Leuten gearbeitet und als Sportfunktionär gesehen hat, wie begeisterungsfähig, wie kooperativ, wie teamfähig und wie altruistisch unsere Jugend ist.

Bildung darf jedoch kein Privileg einiger Auserwählter sein, sondern ist ein menschliches Grundrecht, das allen Menschen zusteht. Daher ist der neue Bildungsbegriff in der Informationsgesellschaft nicht die Förderung einer Gruppe, sondern unserer gesamten Jugend. Sie muß erfahren können, daß Lernen im Kontext der Gemeinsamkeit Spaß machen kann. Lebenslanges Lernen, Flexibilität, Internationalität, Kooperation, Interaktivität und Partizipationsfähigkeit müssen die großen Schlagworte eines neuen Bildungsverständnisses sein. In diesem Zusammenhang wünsche ich mir ganz besonders ein weitaus breiteres Angebot des musischen Bereichs für Jugend und Erwachsene.

Ich bin auch davon überzeugt, daß der Stellenwert des Sports in Zukunft durch die von mir kurz beschriebenen Entwicklungen enorm zunehmen wird, da ich der Meinung bin, daß neben der körperlichen Ertüchtigung der Sport vor allem eine sozialintegrative Funktion ausübt. Auf einen Punkt gebracht bedeutet dies, daß ich der festen Meinung bin, daß es in Zukunft für unsere Jugend, aber auch für Erwachsene immer bedeutender sein wird, einen Ausgleich zwischen physischer und emotional-kognitiver Auslastung zu erreichen.

Ich gehe hier mit meinem Freund Arnold Schwarzenegger ganz konform, der in einem Aufruf an die österreichische Jugend für deren Gesundheit betont, daß das Geheimnis für Lebensfreude und Erfolg das tägliche Training des Geistes und des Körpers ist.

In meiner Wortmeldung zum Sportbericht 1995 habe ich im Hohen Haus am 6. Februar 1997 bezüglich der Sportförderungsmittel durch die öffentliche Hand die höchstmögliche Dotierung zugunsten des Schulsportbereiches gefordert, aber auch besondere Maßnahmen für die Hebung des Fitneßlevels der gesamten Bevölkerung.

Wir liegen mit unserer Sportförderung durch die öffentliche Hand pro Kopf zur Bevölkerungsanzahl durchaus im europäischen Spitzenfeld, nicht jedoch in der Effizienz der dadurch erhofften körperlichen Ertüchtigung der Jugend, wie uns Schularztberichte alarmierend aufzeigen, aber auch nicht bei Erwachsenen und ebenso nicht in Spitzenleistungen bei den meisten Sportdisziplinen.

Durch eine Reform des österreichischen Sportwesens müßte auch eine Trendwende zugunsten der Hebung des Fitneßlevels der Bevölkerung stattfinden. Hier bieten sich Hunderte von gewerblich geführten Fitneßzentren an. Deshalb sollte es jedem möglich sein, der für seine Gesundheit dadurch einen Beitrag leistet, daß er in einem Fitneßzentrum zumindest zweimal wöchentlich Ganzkörper- und Herz-Kreislauftraining betreibt, einen limitierten Betrag des dafür aufgewendeten Geldes steuerlich abzusetzen.

Denn ein Staat ist nur so gesund und stark, wie dies seine Bürger sind. Es bedarf daher auch einer Reform des Gesundheitswesens, die eine höhere Bewertung der Präventivmedizin bringt, die das Grundrecht der Bürger auf freie Arzt- und Krankenhauswahl sichert, damit Institutionen durch ungleiche Entscheidungen dieses Grundrecht nicht unterlaufen können (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP), die dem kostenaufwendigen Bürokratismus und der Entmündigung der Patienten entgegenwirkt und die die ärztliche Nahversorgung in der Stadt und auf dem Land sichert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß, daß bei uns in Österreich vieles im Aufbruch ist und daß geistige und finanzielle Aufwendungen getätigt werden, um unserer Bevölkerung eine gute Zukunft zu bescheren. Wir können uns glücklich schätzen, daß wir in einem Land leben, in dem Pluralismus nicht nur eine Forderung ist, sondern auch gelebt wird. Ich bin der Meinung, daß Pluralismus aber auch Toleranz braucht. Jede Gesellschaft ist so frei, wie sie pluralistisch und tolerant ist. Die Vielfalt der Meinungen und Interessen, Hoffnungen, Wünsche, Herkünfte, Lebensstile, Verhaltensformen, Leistungspotentiale und Handikaps sind Fundament der demokratischen Gesellschaft. Damit umgehen zu können, damit leben zu lernen, sich zu behaupten, selbstbewußt zu werden, ohne den anderen Respekt und Achtung zu versagen, ist eine unabdingbare Aufgabe der Erziehung in den Familien, aber auch durch Bildung und Schule.


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Diese Aufgabe wird die umso nötiger, wenn in einer Gesellschaft Egoismus und Intoleranz zu neuen Höhen streben – das sensible Austarieren, das praktische Einüben von Individualität und Gemeinschaft, von Geben und Nehmen, von Haben und Teilen, von Kritik und Selbstkritik, von Eigeninteressen und Konsensfähigkeit, von Überzeugung und Respekt. Wo in dieser Zeit sollen die Jungen das erleben, wenn wir es nicht vorleben und lehren?

Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich bitte Sie, in der Zeit meiner Präsidentschaft die fruchtbringende Symbiose unserer Meinungsvielfalt durch Ihre Kreativität zu bereichern und um gute zwischenmenschliche Beziehungen bemüht zu sein, damit rasch jene Akzente gesetzt werden können, welche der Jugend Hoffnung für eine lebenswerte Zukunft und allen Österreichern die Geborgenheit in unserem Vaterland geben. – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

11.05

Ich unterbreche nunmehr die Sitzung bis 15 Uhr.

(Die Sitzung wird um 11.05 Uhr unterbrochen und um 15.05 Uhr wiederaufgenommen. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe bekannt, daß neun Anfragebeantwortungen eingelangt sind, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt sind drei Beschlüsse des Nationalrates vom 28. Mai sowie 17. und 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesfinanzgesetz 1999, eine Bundesfinanzgesetz-Novelle 1998 und ein Bundesgesetz, mit dem die Ermächtigung zur Veräußerung von Anteilsrechten an der "Österreichischen Exportfonds Gesellschaft m.b.H." erteilt wird.

Diese genannten Beschlüsse unterliegen im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates. Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung der vorliegenden Beschlüsse durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind der 21. Bericht der Volksanwaltschaft, der österreichische Waldbericht 1996 und der Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft.

Diese Berichte hat der Herr Präsident dem Ausschuß für Verfassung und Föderalismus, dem Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft sowie dem Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten zur weiteren geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zugewiesen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Diese eingelangten Beschlüsse hat der Herr Präsident den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über den bereits früher eingelangten und zugewiesenen Beschluß des Nationalrates abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet. Daher sind alle diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt worden.

Behandlung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Aufgrund eines uns zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 1 und 2, 8 und 9, 10 und 11, 12 und 13, 15 bis 18, 20 und 21, 22 und 23, 24 und 25, 26 und 27 sowie 28 bis 30 der Tagesordnung unter einem abzuführen.


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Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Es ist dies nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

Ich möchte Ihnen mitteilen, daß wir übereingekommen sind, bis zu Punkt 19 zu verhandeln, dann die Sitzung zu unterbrechen und morgen die Beratungen ab Tagesordnungspunkt 20 fortzusetzen.

Es ist anzunehmen, daß wir bis zirka 23 Uhr bis zu Punkt 19 kommen werden. Aber ab Punkt 20 geht es dann morgen um 9 Uhr weiter.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend einen Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte und Schlußakte (1211 und 1253/NR sowie 5690/BR der Beilagen)

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (791/A und 1255/NR sowie 5691/BR der Beilagen)


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Wir gelangen jetzt zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte und Schlußakte und

ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 1 und 2 hat Herr Bundesrat Mag. Wilfing übernommen. Ich darf ihn um die Berichte bitten.

Berichterstatter Mag. Karl Wilfing: Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Der Bericht zu Punkt 1 der Tagesordnung des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus betreffend einen Vertrag von Amsterdam liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme daher zur Verlesung des Ausschußantrages.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, der Bundesrat wolle dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels I des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluß des Vertrages von Amsterdam, BGBI. I Nr. 76/98, die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Zu Punkt 2, zum Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird. Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich daher auf die Verlesung des Ausschußantrages.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichterstattung und die Antragstellung.

Wir gehen nun in die Debatte ein, die, wie gesagt, über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

15.10

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Seit gestern hat unsere Republik den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Unsere Bundesregierung hat das gestern auf dem Heldenplatz gefeiert, was auch richtig so ist. Nur hat die Bundesregierung gleichzeitig angekündigt, daß sie heute mit der harten Arbeit im Rahmen der Europäischen Union beginnen wird. Daß diese Arbeit auch tatsächlich diesen Charakter haben wird, dafür, so glaube ich, muß auch die große Oppositionspartei in unserem Lande in den nächsten Monaten sorgen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Sie sorgen, wir arbeiten!)

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat uns in den letzten Wochen und Monaten einige Stichworte zur europäischen Politik gegeben, an denen man als aufmerksamer Oppositionspolitiker einfach nicht kommentarlos vorbeigehen kann. Ich darf Sie an einiges in Ihrer Politik erinnern.

Da haben wir zum einen die Klage gegen unsere Brennermaut. Ich darf in Erinnerung rufen, daß vor dem Beitritt zur Europäischen Union und der dazu abgehaltenen Abstimmung der Transitvertrag vom damaligen Verkehrsminister Klima und von Landeshauptmann Weingartner als die Lösung der Transitproblematik im Bereich Tirol verkauft worden ist. In der Zwischenzeit wissen wir, daß mit diesem Transitvertrag und mit der Verkehrspolitik der EU die Problematik im Transitbereich über die Alpen erst so richtig gewachsen ist.

Ich darf Ihnen gleichzeitig ankündigen, daß es Ihnen mit der Anonymität der Sparbücher genauso ergehen wird wie mit der Brennermaut. (Bundesrat Payer: Wir haben kein Schwarzgeld!)

Meine Damen und Herren! Sie haben hinsichtlich Ihrer europäischen Politik – ich erwähne auch Positives, Herr Kollege! – auch verblüffende Änderungen hinter sich. Ich denke nur an das Thema Arbeitslosigkeit. Die 250 000 bis 300 000 Arbeitslosen in der Republik Österreich und die 18 Millionen Arbeitslosen auf europäischer Ebene haben die österreichische Bundesregierung und die Regierungen der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union dazu veranlaßt, sich dieses Themas endlich anzunehmen. Sie haben im April dieses Jahres – ich möchte sagen: mit Müh und Not – in sozialpartnerschaftlicher Abstimmung den sogenannten Nationalen Aktionsplan beschlossen, und die anderen Regierungen innerhalb der Europäischen Union haben dasselbe getan. Diese Regierungen haben sich beim letzten Gipfel in Cardiff für diese Nationalen Aktionspläne gegenseitig auf die Schultern geklopft. Zu hoffen bleibt nur, daß zumindest ein Arbeitsloser aufgrund dieser Regelungen, die da getroffen worden sind, einen Arbeitsplatz bekommen wird.

Meine Damen und Herren! Diese Aktionspläne sollen den Menschen unseres Landes vorgaukeln, daß die EU oder irgendeine Regierung quasi Arbeitsplätze verordnen kann.

Sie haben auch eine verblüffende Änderung Ihrer europäischen Politik im Bereich der Forderung nach Senkung der Mitgliedsbeiträge hinter sich. Ich darf Sie noch an die diesbezügliche Polemik gegen die freiheitliche Opposition erinnern. Als wir diese Vorschläge gebracht, als wir diese Forderungen erhoben haben, da sagten Sie noch, das seien billige populistische Aussagen von Oppositionspolitikern. Derzeit schaut das allerdings anders aus. Derzeit ist es sehr modern. Weil nationale Wahlen ins Haus stehen, ist nicht nur ein Helmut Kohl verführt, dieses Thema anzureißen, sondern auch ein Viktor Klima.


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Seltsamerweise wird auch Subsidiarität verlangt. Plötzlich entdecken Sie den Bürger der Europäischen Union, und plötzlich entdecken die Regierungen, daß man auch für die Bürgernähe hinsichtlich der Institution und ihrer Reform politisch etwas tun muß.

Meine Damen und Herren der Regierungsparteien! In all diesen Punkten kann ich Ihnen unsere Unterstützung durchaus zusagen. Aber dieser populäre Schub wird nach unserem Dafürhalten nur bis zu den Nationalratswahlen andauern, und dann werden Sie wieder in Ihre alten Fahrwasser zurückkehren.

Ein wesentlicher Bereich ist auch die Osterweiterung. Wir konnten dieses Thema hier im Bundesrat im Rahmen von dringlichen Anfragen schon diskutieren. Sie verlangen die Osterweiterung zu übereilt. Sie beachten nicht die Probleme auf dem Arbeitsmarkt in den grenznahen Gebieten, Sie beachten nicht die Probleme der kleinen und mittleren Unternehmer, und Sie verweigern das Erkennen der unkontrollierten Wanderungsbewegungen nach dem Beitritt dieser osteuropäischen Länder. Sie betreiben nach wie vor übereilt die Wirtschafts- und Währungsunion, Sie gehen in den Euro, ohne daß die Konvergenzkriterien der Staaten, die dabei mitmachen, tatsächlich und ehrlich erfüllt werden. (Bundesrat Payer: Sie haben nicht aufgepaßt!)

Meine Damen und Herren! Europäische Politik muß nach unserem Dafürhalten eine Politik für die Bürger und nicht für die EU-Institutionen sein. Die Zustimmung der Menschen unseres Landes ist wichtiger als das Schulterklopfen einiger EU-Bürokraten. Die fallweisen Kapriolen unserer Bundesregierung, meine Damen und Herren, die ich hier skizziert habe, verwandeln sich in spektakuläre Salti, wenn es um die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik geht. Das, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, ist wahrlich Ihr Meisterstück! (Bundesrat Steinbichler: Die Kapriolen der Bundesregierung sind ...!)

Ich habe ganz überrascht gelesen, daß beim Gipfel in Cardiff nicht nur der Herr Bundeskanzler, sondern auch der Herr Außenminister konkret eine schlagkräftigere Union in den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik verlangen. Ich habe diese Einigkeit innerhalb der Regierungsparteien mit Freude aufgenommen. Ich wurde jedoch wieder auf den Boden der österreichischen Realität zurückgeholt, als bald darauf ein NATO-Workshop in Österreich stattgefunden hat und sich unser Herr Außenminister richtigerweise zur Aussage verpflichtet gefühlt hat, daß in Hinkunft die Solidarität wohl vor der Neutralität kommen werde. Das hat wiederum unseren Kanzler dazu veranlaßt, ihm in die Parade zu fahren und klar zu sagen: Wenn sich die NATO verändert im Sinne einer friedenserhaltenden und friedensschaffenden Organisation ohne Nuklearwaffen, ohne diese Beistandspflicht, die uns zwingen könnte, zum Beispiel in der Türkei unsere Soldaten einzusetzen, dann sind wir jederzeit gesprächsbereit. – Originalton Viktor Klima.

Im "Kurier" vom 28. Juni wurde diese Aussage Ihres Herrn Bundeskanzlers treffend kommentiert. Peter Rabl schreibt: "In diesen 34 Worten des Viktor Klima", die ich eben zitiert habe, "steckt soviel Unlogik und Widerspruch, daß dem Satz ein Platz im Schatzkästlein der politischen Skurrilitäten sicher ist. Der NATO mitten in ihren Bemühungen um eine Befriedung des Balkans ihre friedensschaffende Wirkung abzusprechen; wenige Wochen nach den Atomtests in Indien und Pakistan den Abbau des demokratisch kontrollierten Nuklearpotentials zu verlangen; einen Beistandspakt ohne eigene Beistandspflicht zu fordern – mein Gott, Viktor! Das war ein Anfall von grenzenloser außenpolitischer Naivität oder von hemmungslosem Populismus. Ein Akt politischer Selbstverstümmelung, ausgerechnet wenige Tage vor dem Beginn der österreichischen EU-Präsidentschaft."

Meine Damen und Herren! Diesem Kommentar der unabhängigen Presse ist von seiten der Opposition nichts hinzuzufügen. (Zwischenrufe.)

Ich darf Ihnen auch mitteilen, was Ihr Koalitionspartner zur Aussage Ihres Bundeskanzlers gesagt hat. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) ÖVP-Klubobmann Andreas Khol sagte, daß er Klima überhaupt nicht mehr verstehe. Verteidigungsminister Fasslabend wies darauf hin, daß die NATO von einem linken Sozialdemokraten geführt werde und daß sich viele sozialistisch regierten Staaten Europas selbstverständlich zu ihren Verpflichtungen in Europa und zur NATO bekennen. Khol sagte, wie könne die Welt einen solchen Politiker noch ernstnehmen? –


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Ich darf Ihnen also mitteilen, daß der Klubobmann Ihres Koalitionspartners Ihren Bundeskanzler nicht mehr ernstnimmt.

Der Herr Landesverteidigungsminister hat darauf reagiert, indem er sagte: Ein NATO-Beitritt wäre im Interesse von Sicherheit und Stabilität. Wer das nicht erkennt, betreibt Realitätsverweigerung. – Ich darf Ihnen also mitteilen, daß der Verteidigungsminister dieser Regierung glaubt, daß der Regierungschef Realitätsverweigerung betreibt.

Der Klubobmann der Nationalratsfraktion hat darauf natürlich repliziert, indem er klar sagte, daß bei Neutralitätsverletzung eine Ministeranklage möglich sei.

Ich darf Ihnen also sagen, meine Damen und Herren: Ihr Koalitionspartner stellt in Aussicht, daß gegen Mitglieder Ihrer Partei in der Bundesregierung eine Ministeranklage folgen wird, wenn Sie Ihre Politik nicht ändern.

Meine Damen und Herren! Gerade in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zeigt diese Bundesregierung nach wie vor ein Bild des Jammers. Ich darf Ihnen, wie wir das schon sehr oft getan haben, neben vielen anderen Artikeln, die jetzt im Amsterdamer Vertrag erneut bekräftigt worden sind, noch einmal Artikel J.7 in Erinnerung rufen:

Darin heißt es unter (1): "Die Westeuropäische Union (WEU) ist integraler Bestandteil der Entwicklung der Union; sie eröffnet der Union den Zugang zu einer operativen Kapazität ..."

Dann heißt es weiter unten: "Die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik wird in einer von den Mitgliedstaaten als angemessen erachteten Weise durch eine rüstungspolitische Zusammenarbeit zwischen ihnen unterstützt."

Unter (2) heißt es: "Die Fragen, auf die in diesem Artikel Bezug genommen werden, schließen humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen ein."

Meine Damen und Herren! Damit bin ich bei der zweiten Vorlage, die Sie heute beschließen werden, angelangt. Mit dem Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, das wir als zweiten Tagesordnungspunkt heute behandeln, werden Sie eine Stärkung der sicherheitspolitischen Dimension der Europäischen Union beschließen. Die Union wird nunmehr, so heißt es in der Vorlage, auch in der Lage sein, die Westeuropäische Union für die Durchführung von sogenannten Petersberg-Aufgaben – das sind humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen – in Anspruch zu nehmen. Mit dieser Änderung ist klargestellt, daß Österreich nicht nur an Maßnahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik auf der Grundlage des Maastricht Vertrages teilnehmen kann, sondern auch im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik handlungsfähig bleibt.

Meine Damen und Herren! Wenn Sie heute dieses Bundesverfassungsgesetz beschließen werden, dann heben Sie damit gleichzeitig das Bundesverfassungsgesetz über die Neutralität Österreichs auf. (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es!) Sie können nicht beides haben: Sie können nicht heiß und kalt haben, Sie können nicht ein bißchen tot oder ein bißchen schwanger sein. Und kommen Sie in Ihrer Argumentation nicht mit der Antwort, daß es bei all diesen Maßnahmen eine konstruktive Enthaltung gäbe! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Der Charakter der immerwährenden Neutralität ist eben der, daß es keine Alternative geben kann. Ein Staat, der immerwährend neutral ist, darf sich nicht darüber unterhalten können, ob er neutral ist oder nicht, sondern ist es immerwährend! Das heißt also, daß auch die konstruktive Enthaltung, die wir haben, ein Beweis dafür ist, daß wir in einem allfälligen Konfliktfall die Wahlmöglichkeit für uns herausnehmen, und wer die Wahlmöglichkeit im Konfliktfall hat, der ist nicht mehr immerwährend neutral; das kann Ihnen ein Völkerrechtsstudent im ersten Semester erklären. (Ruf bei der ÖVP: Warum machen es dann Sie?)


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Meine Damen und Herren! Sie beugen und biegen in diesem Fall die Verfassung, wie es Ihnen beliebt. – Das ist der Vorwurf von seiten der Opposition!

Daß wir die Neutralität kritisch sehen, daß wir zu den Petersberg-Aufgaben positiv stehen, wissen Sie, deshalb fordern wir Sie auf: Machen Sie eine offene, ehrliche Politik in der Frage der Neutralität, führen Sie eine Volksabstimmung über die Abschaffung der Neutralität und den Beitritt zur NATO durch! Es ist höchste Zeit, daß Sie das endlich tun! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir werden Ihnen in dieser Debatte heute klarmachen, daß Sie mit dem Amsterdamer Vertrag einen unzureichenden und in weiten Bereichen falsche Voraussetzungen schaffenden Vertrag unterzeichnen werden. Um die Europäische Union nämlich tatsächlich auf eine größere Mitgliederzahl einzustellen, wäre eine echte Reform der Entscheidungsprozesse, ein Ausbau der parlamentarischen Kontrollrechte und eine vollständige Neuorientierung der Agrar- und Strukturpolitik notwendig gewesen. All diese Bereiche werden im zu ratifizierenden Vertrag nur andeutungsweise berührt. Wir Freiheitlichen werden deshalb nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konečny. – Bitte.

15.25

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, daß ich irgendwie das Gefühl habe, im falschen Witz zu sein. Wir beraten heute den Amsterdamer Vertrag und werden ihn beschließen, und ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, daß es sich dabei im Verständnis der FPÖ um eine wehrpolitische Angelegenheit handelt. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Auch!) Richtig! Auweh! Das würde ich auch sagen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Daß Sie seit neuestem unter Hörfehlern leiden, ist mir neu!) Es war Herr Kollege Bösch, der den Amsterdamer Vertrag in dieser Form abgehandelt hat.

Ich glaube, wer immer sich mit diesem Thema beschäftigt, sollte den Amsterdamer Vertrag studieren, sollte sich mit dem Projekt der Europäischen Union befassen und sich dann – von mir aus durchaus kritisch – mit der schrittweisen Entwicklung der Europäischen Union auseinandersetzen, die mit Sicherheit über ihre gesamte Bestandsdauer hin eine positive war und im Zuge welcher der Vertrag von Amsterdam, der uns veranlaßt hat, auch eine Änderung des Bundes-Verfassungsgesetz zu beschließen, einen neuen Schritt in einem großen Projekt des europäischen Verständnisses, der europäischen Humanität, aber auch der europäischen Prosperität darstellt. Das ist der Grund, warum wir diesen Vertrag von Amsterdam bejahen und warum wir natürlich diesen Vorlagen zustimmen werden.

Ich gebe ehrlich zu, daß das Projekt der Europäischen Union in seinem Kern sehr stark ökonomisch war. Die Verschiebung der politischen Gewichte, aber auch die gewonnene Erfahrung haben dazu geführt, daß es sich weiterentwickelt hat. Und wenn es ein Friedensprojekt ist – was es sicher ist –, dann ist es zunächst einmal ein Friedensprojekt zwischen den gegenwärtigen Mitgliedstaaten, von denen einige so lange historische Rechnungen miteinander haben, daß die Tatsache, daß diese Rechnungen ganz offensichtlich wirkungsvoll abgeschlossen und saldiert wurden, allein schon ein historisches Verdienst für diesen Kontinent ist.

Wir Sozialdemokraten, die wir heute in der glücklichen Situation sind, der Entwicklung der Europäischen Union in der großen Mehrheit der Mitgliedstaaten prägend unseren Stempel aufzudrücken, haben mit dazu beigetragen, daß sich diese Union – das kommt im Amsterdamer Vertrag sehr deutlich zum Ausdruck; wenn Sie auch die diesbezüglichen Kapitel gelesen hätten, dann wüßten Sie das – in einem zunehmenden Maße auch als ein Projekt der sozialen Verantwortung versteht, was unter den heutigen Bedingungen bedeutet, daß sie auch ein Projekt der Sicherung der Beschäftigung auf diesem Kontinent ist.

Man kann sicherlich die Schwerpunkte unterschiedlich setzen, was man für besonders wichtig hält, aber für uns steht außer Zweifel: Besonders wichtig in diesem Vertrag von Amsterdam ist


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das Beschäftigungskapitel, um dessen Aufnahme in den Vertrag wir gerungen haben. Es schafft natürlich nicht per se, weil wir diesen Vertrag unterzeichnen, Arbeitsplätze, aber jeder Grundsatz einer Gemeinschaft – auch die Grundsätze unserer Bundesverfassung – ist zunächst einmal nicht unmittelbar exekutierbar, sondern ist ein Appell, zu handeln, und zwar an jene, die zu handeln berufen sind. Soweit es um die österreichische Bundesregierung mit ihrem Nationalen Aktionsplan für die Beschäftigung geht, sofern es um viele andere Regierungen geht – viele davon sind sozialdemokratisch geprägt –, die Pläne zum Thema Beschäftigung vorgelegt haben, die sehr ambitioniert sind, haben die zum Handeln Verpflichteten diesen Appell auch verstanden.

Es müssen natürlich auch die Strukturen der Europäischen Union weiterentwickelt werden. Die Europäische Union, die als eine kleine Gruppe von europäischen Staaten entstanden ist, die in einem ihrer vielen Erweiterungsschritte auch Österreich miteinbezogen hat und mit uns heute 15 Mitglieder umfaßt, wird naturnotwendig weiter wachsen.

Aber es ist, wie Sie wissen – auch das ist festgelegt –, vor jedem Erweiterungsschritt die Klärung wichtiger institutioneller Fragen in der Union eine Bedingung, weil eine Union, die aus sechs Mitgliedern entstanden ist und ihre Struktur bei ihrer Ausweitung auf 15 Mitglieder nicht wesentlich verändert hat, nicht mit einer beliebigen Mitgliederzahl funktionieren kann.

All dies ist nicht, wie Sie gesagt haben, vergessen worden, sondern Bestandteil des Amsterdamer Vertrages, und all dies wird gerade jetzt in der Europäischen Union diskutiert. Die Europäische Union befindet sich in einem dynamischen Prozeß, in dem sie sich an die neuen Bedingungen anpaßt und neuen Aufgaben stellt.

Der Vertrag von Amsterdam ist wahrlich nicht der Schlußstrich unter die Entwicklung der Europäischen Union, sondern er ist ein wichtiger und bedeutsamer Teilschritt – einer, den ich vorbehaltlos bejahen kann. In manchen Bereichen führt er zu Klärungen, in manchen Bereichen – auch in dem von Ihnen angeschnittenen Sicherheitsbereich – gibt er eine Indikation an. In welcher Art und Weise diese Indikation ausgefüllt und mit Leben erfüllt wird, ist der politischen Entwicklung in den und zwischen den Mitgliedstaaten vorbehalten.

Die Europäische Union ist kein Projekt, das ein Selbstläufer ist, sie ist kein Projekt, das nur in Brüssel weiterentwickelt wird, sondern sie ist aus guten Gründen ein Projekt, das sich im vielfachen Dialog zwischen den Mitgliedstaaten und ihren gemeinsamen Einrichtungen entwickeln muß.

Das Einsagen von der vierten Galerie herunter, Herr Kollege Bösch, hat diese Bundesregierung wahrlich nicht notwendig. Die Frage der österreichischen Beitragszahlungen ist von uns von allem Anfang an releviert worden. Aber gerade dann, wenn es Strukturveränderungen gibt, wenn es systematische Veränderungen gibt, ist diese Meinung zur Geltung zu bringen. Daß einem beitretenden Mitglied gewissermaßen ein Rabatt gewährt wird, kann nicht der Sinn unseres Vorstoßes sein. Daß wir ein System entwickeln, in dem die Beiträge der Nettozahler in einem Ausmaß limitiert werden, das auch für die Nettobeitragszahler vernünftig ist, ist eine systematische Lösung, die wir anstreben. Wenn wir nämlich die Europäische Union weiterentwickeln, dann werden wir zweifelsfrei auf vielen Gebieten – auch dort, wo es nicht um Unionsrecht geht, sondern um zwischenstaatliche Maßnahmen, und zwar um jene, die Staaten in ihrer nationalen Souveränität gemeinschaftlich beschließen – zu Vereinheitlichungsschritten kommen müssen.

Österreich hat in den jüngsten Diskussionen nicht nur das angeschnitten, was Sie hier zu zitieren beliebt haben, sondern auch andere genauso wichtige und vielleicht auch wichtigere Fragen, wie etwa die Frage der Harmonisierung von Steuersystemen. Sprechen wir es doch offen aus: Es kann nicht die Weisheit europäischer Politik sein, daß 14 Mitgliedstaaten ernsthaft etwa darüber nachdenken – und vorläufig Modelle dazu gefunden haben –, Kapitalerträge zu besteuern, und der 15. Mitgliedstaat einen Teil seines Volkseinkommens daraus bezieht, daß er das eben nicht macht und in den anderen Mitgliedstaaten dafür auch noch kräftig Werbung betreibt.


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Das ist natürlich eine offene Wunde. Sie ist anzugehen, aber sie läßt sich nicht mit einem Federstrich lösen.

Herr Kollege! Solidarität ist keineswegs ausschließlich ein militärischer Begriff. Ganz im Gegenteil: Solidarität ist ein zutiefst zwischenmenschlicher Begriff, weshalb die soziale Dimension, die ökonomische Dimension, die Gleichheitsdimension in allen Bereichen der Union für uns im Vordergrund stehen.

Wir alle haben – jeder einzelne für sich und in verschiedenen Gremien – immer wieder beklagt, wie wenig außenpolitische Gemeinsamkeit die Europäische Union zustande bringt. Auch in dieser Hinsicht bringt der Vertrag von Amsterdam eine neue Stufe, vielleicht nicht die endgültige Lösung, aber die Schaffung einer entsprechenden Koordinierungseinrichtung, nämlich von Mister oder Misses GASP, die Schaffung eines Generalsekretärs für diese Fragen und die Absichtserklärung, die außenpolitische Koordinierung zu verstärken und somit wirklich zu einer gemeinsamen Außenpolitik zu kommen, sind schon viel wert.

Es ist von einer guten Symbolik, daß der österreichische Bundesrat heute, am zweiten Tag der österreichischen EU-Präsidentschaft, dem Amsterdamer Vertrag zustimmt, der einen weiteren Entwicklungsschritt möglich machen wird. Die österreichische Bundesregierung hat mit ihrer konkreten Absichtserklärung für dieses halbe Jahr deutlich gemacht, wiewenig der Vertrag von Amsterdam eine Endstufe ist, wieviel Neues und wie viele neue Ideen wir als Vorsitzland in die Entwicklung dieser Union einzubringen bereit sind. Wir hoffen und ersuchen unsere Partner, daß wir dabei Resonanz finden.

Aber eines ist klar: Die Ernsthaftigkeit des europäischen Projektes ist wohl von jenen zu vertreten, die es bejahen, und nicht von jenen, die es von vornherein abgelehnt haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Mautner Markhof. – Bitte.

15.36

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Mit der Ratifizierung des Vertrags von Amsterdam, der am 2. Oktober 1997 von allen EU-Mitgliedern unterzeichnet worden ist, wird eine weitere Etappe der Europäischen Integration absolviert, denn mit diesem Vertrag, mit dem das Primärrecht der Europäischen Union geändert wird, werden bedeutende Weichen gestellt, etwa die verstärkte Zusammenarbeit auf den Gebieten Inneres, Sicherheit und Justiz, die Weiterentwicklung in den Bereichen Umwelt, Konsumentenschutz, Soziales oder die Ausweitung des Mitentscheidungsrechtes des Europäischen Parlaments, um nur einige zu nennen.

Nicht zuletzt befassen wir uns heute mit der Änderung des Artikels 23f der Bundesverfassung, der die Mitwirkung Österreichs an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik – kurz GASP genannt – und Mitbestimmungsrechte des österreichischen Parlaments festschreibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den Eckpunkten des Amsterdamer Vertrages zählt zweifellos die Stärkung des EU-Parlaments, wobei auch die Institutionenreform angesprochen worden ist. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang bemerken, daß ich es begrüße, wenn man sich für die Diskussion dieser Bereiche ausreichend Zeit nimmt und nicht überstürzt handelt, denn eine Reform der EU-Institutionen gehört nach meinem Dafürhalten zu den wichtigsten Themen überhaupt, mit denen sich die EU zu befassen hat – nicht nur angesichts der anstehenden EU-Erweiterungen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf das Subsidiaritätsprinzip zu sprechen kommen, das nicht nur in Amsterdam zur Maxime gemacht wurde, sondern auch auf dem jüngsten EU-Gipfel in Cardiff wurde wieder betont, daß dem Subsidiaritätsprinzip besonderes Gewicht zu geben ist. Auch bei der Konferenz "Österreich und die EU-Präsidentschaft", die Anfang Juni im Chatham House in London stattfand, organisiert von der Österreichischen Botschaft in London und dem


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Royal Institut of International Affairs sowie der Keele University, waren Subsidiarität und Bürgernähe zentrales Thema.

Sowohl unser Außenminister Schüssel als auch der britische Außenminister Cook bekannten sich in ihren Einleitungsreferaten zu diesem Prinzip, wonach die Aufgaben zunächst auf der jeweils bürgernächsten Ebene gelöst werden sollten und nur jene Aufgaben auf höherer Ebene geregelt werden sollten, für die eine solche Behandlung notwendig ist.

Es freut mich besonders, daß dieses Prinzip zuletzt in Cardiff mit dem Titel "Bürgernähe" langsam verständlich gemacht wurde, zumal es sich bei der von mir erwähnten Konferenz in London einmal mehr zeigte, daß es im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsprinzip und vor allem mit dem Begriff Föderalismus noch immer krasse Mißverständnisse gibt.

Bei der Konferenz in London, bei der ich die Ehre hatte, dem Arbeitskreis über Regionalismus und Bürgerbeteiligung vorzusitzen, konnte ich dies selbst feststellen. Wir haben uns dort sehr bemüht – vor allem bei unseren britischen Freunden –, gewisse Mißverständnisse auszuräumen, denn man darf nicht vergessen, daß das Wort "federal" bei einem Briten Assoziationen weckt, die eher in Richtung – Sie werden es nicht glauben! – "Brüsseler Zentralmacht" gehen. Und wie wir alle wissen, ist es nicht leicht, einmal festgefahrene Meinungen zu ändern.

Meine Damen und Herren! Bekennen wir uns doch dazu, im Sinne der Subsidiarität die Aufgaben so zu erfüllen, daß es zur Zufriedenheit der direkt betroffenen Bürger geschieht.

Das heißt, daß Probleme auf jener Ebene zu erörtern sind, die in bezug auf die Aufgabenstellung die sinnvollste ist. Das reicht von der kommunalen über die regionale, die nationale Ebene bis zur EU-Ebene, wie heute bereits angedeutet wurde.

Nebenbei gesagt: Es ist dies genau das Prinzip der Verwaltung in den USA. Schon während meines Studienaufenthaltes im Staate Maine nach dem Zweiten Weltkrieg konnte ich hautnah miterleben, wie ein Fahrplan ausgestaltet ist, der regelt, was Aufgaben der Gemeinden, der Bezirke, einzelner Bundesstaaten und was föderale Aufgaben sind.

Dies, meine Damen und Herren, wird besonders unterstützt durch das Zwei-Kammern-System, im House of Representatives einerseits, das die Bevölkerung vertritt, und im Senat andererseits, in dem alle Bundesstaaten gleichberechtigt ihre Anliegen zu vertreten haben.

Mir ist völlig klar, daß die EU derzeit eine Einrichtung sui generis und kein Bundesstaat ist. An dieser Stelle möchte ich jedoch betonen, daß wir meiner Ansicht nach zu gegebener Zeit definieren müssen, was wir, die EU, eigentlich sind beziehungsweise was wir sein wollen. Diesbezüglich mutige Äußerungen der Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner haben mich echt aufhorchen lassen. Winston Churchill hat 1946 in seiner legendären Rede an der ETH in Zürich von den Vereinigten Staaten Europas gesprochen. Dafür, meine Damen und Herren, ist sicherlich die Zeit noch nicht reif, aber ich meine, daß Erfahrungen, die man in puncto Institutionen in Staaten wie der Schweiz oder den USA gemacht hat, durchaus Gegenstand intensiver Betrachtungen sein könnten.

Beim Stichwort Schweiz möchte ich noch folgendes festhalten: An diesem Beispiel sieht man, wie ein Zusammenleben verschiedener Kulturkreise innerhalb von Staatsgrenzen funktionieren kann und daß eine einheitliche Sprache keineswegs Bedingung dafür ist.

Meine Damen und Herren! Als begeisterter Europäer wünsche ich mir ein derartiges Zusammenleben auch innerhalb der EU. Damit meine ich die Wahrung der verschiedenen kulturellen Identitäten, die letztlich den Reiz Europas ausmachen, bei einem gleichzeitigen Zusammengehörigkeitsgefühl, nicht zuletzt, was die Lösung anstehender Probleme betrifft.

Damit möchte ich schon zum Ende meiner Ausführungen kommen. Die Ratifizierung des Vertrages von Amsterdam ist zweifellos ein sehr wesentlicher Schritt zum europäischen Einigungswerk, das Frieden und Wohlstand auf unserem Kontinent zum Ziel hat. In diesem Sinne wird


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meine Fraktion und werde ich dem vorliegenden Gesetz gerne die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Staatssekretär. – Bitte.

15.42

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Das nunmehr zu beschließende Bundes-Verfassungsgesetz über den Abschluß des Vertrages von Amsterdam ist eine Vorlage, die eine sehr lange Geschichte hinter sich hat. Das österreichische Parlament war bei der Entwicklung der einzelnen Positionen sehr weitgehend eingebunden, und zwar mit den uns eigenen Mechanismen. Es ist zu einer sehr klaren Position der österreichischen Regierung gekommen, die unter einer möglichst weiten Einbindung des Parlaments stattgefunden hat.

Wenn wir die Ergebnisse dieses Vertrages mit jenen Möglichkeiten, die wir Österreicher gerne in diesem Vertrag enthalten gesehen hätten, vergleichen, stellt sich heraus, daß wir mit sehr vielen unserer Forderungen durchgedrungen sind – nicht mit allen, aber 85 Prozent unserer Vorstellungen finden sich im Vertrag wieder.

Die besondere Beschlußfassung und der rechtstechnische Akt lehnen sich an frühere Rechtssetzungsakte im Bereich der Europäischen Union an. Es ist dies ein Verfahren, das wahrscheinlich auch für die zukünftigen Anpassungen in diesem Bereich zu wählen sein wird, um die Rechtskontinuität zu wahren.

Österreich hat sich mit diesen ambitionierten Zielen eine sehr hohe Latte gesetzt, hat aber auch gleichzeitig darauf geschaut, daß es realistische Ziele bleiben. Es wurden diese Ziele so formuliert, daß, wie bereits ausgeführt, ein Großteil dieser Ziele auch tatsächlich in den Vertrag aufgenommen wurde.

Ich glaube, einer der größten Erfolge der österreichischen Verhandlungstätigkeit war die Aufnahme des Beschäftigungskapitels in den Vertrag. Es war dies nämlich eine Initiative von Schweden und Österreich, die anfangs auf nicht sehr breite Zustimmung gestoßen ist. Im Zuge des Diskussionsprozesses aber war eine breite Willensbildung dahin gehend möglich, und nunmehr ist Beschäftigung eines der Hauptthemen in der Europäischen Union. Ein Grund dafür, daß dies der Fall ist, ist die Vehemenz, mit der wir dieses Beschäftigungskapitel gefordert haben.

Ich darf nur ganz kurz darauf verweisen, was in diesen Vertrag Eingang gefunden hat, nämlich: der Abschluß des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und die Verabschiedung der Entschließung über Wachstum und Beschäftigung, der Beschluß, einen Beschäftigungsgipfel im Laufe der Luxemburgischen Präsidentschaft abzuhalten, ein eigener Beschäftigungstitel in den EU-Vertrag, und das Ziel der Vollbeschäftigung fand Aufnahme in die Schlußfolgerungen des Europäischen Rates.

In ihrer Gesamtheit bilden diese Maßnahmen eine Grundlage für beschäftigungspolitische Impulse. Sie haben in der Zwischenzeit auch eine Erweiterung erfahren, und es wurden aufgrund der Richtlinien von Luxemburg die Nationalen Beschäftigungspläne ermittelt.

Ich glaube, daß die Vehemenz, mit der sich Österreich für die Beschäftigung auf europäischer Ebene eingesetzt hat, ganz wesentlich dafür war, daß das Thema Beschäftigung nunmehr auch auf europäischer Ebene behandelt wird, ja nicht nur behandelt, sondern auch mit konkreten Maßnahmen ausgestattet wird. Es sind in Luxemburg ganz konkrete Richtlinien beschlossen worden. Teile dieser Richtlinien werden derzeit schon verwirklicht, darunter auch der Nationale Beschäftigungsplan. Dieser Nationale Beschäftigungsplan wurde Mitte April dieses Jahres von allen Ländern der Europäischen Union übersandt, und in diesen Beschäftigungsplänen sind dann auch konkrete Maßnahmen dahin gehend enthalten, wie man dem Problem der Beschäftigung in Europa zu Leibe rücken will.


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Ich glaube, daß diese Maßnahmen, die darin angeführt sind, die auf nationaler Ebene durchgeführt werden, ein sehr wichtiges Instrument sind, um dem Beschäftigungsproblem auf europäischer Ebene entgegenzutreten. (Beifall des Bundesrates Meier. )

Ich glaube, eine Pönalisierung bei etwaigem Nichteinhalten dieser Maßnahmen ist nicht so wichtig, sondern wichtig ist, daß die öffentliche Aufmerksamkeit auf diese Nationalen Beschäftigungspläne, die sich jede Regierung selbst setzt, gelenkt wird, daß am Ende eines Jahres eine Evaluierung dieser Pläne stattfindet und die Öffentlichkeit darüber befindet, ob eine tatsächliche Anstrengung unternommen wurde, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Damit kommt jede Regierung unter jenen öffentlichen Druck, der mehr als jede andere Maßnahme gewährleistet, daß sie auch tatsächlich die gesetzten Ziele beziehungsweise die entsprechenden Maßnahmen zu verwirklichen versucht. In diesem Sinne, so glaube ich, sind von diesem Amsterdamer Vertrag für dieses Kapitel sehr viele Impulse ausgegangen, sehr viele konkrete Maßnahmen vorgeschlagen worden, um dem Beschäftigungsproblem Herr zu werden.

Ich möchte auch darauf verweisen, daß auch im Bereich Umwelt erfolgreiche Schritte gesetzt werden. Es besteht nunmehr die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen erhöhte Standards nicht nur beizubehalten, sondern zu einem späteren Zeitpunkt auch einzuführen. Diese Möglichkeit ist vor allem auch für Österreich sehr wichtig, weil wir unsere höheren Standards beibehalten wollen.

Die ökologischen Zielbestimmungen und Berücksichtigungspflichten sind auch in der Modifikation des Artikels 100a EG-Vertrag enthalten. Im Bereich Inneres und Justiz konnten ganz wesentliche Fortschritte in bezug auf Bürgernähe und Reformen erzielt werden. Im freien Personenverkehr und beim Abbau der Binnengrenzkontrollen im Unionsrahmen kommen auch flankierende Maßnahmen hinzu, sodaß in diesem Zusammenhang auch andere Fragen gelöst werden.

Es gibt einen neuen Titel im EG-Vertrag: Freier Personenverkehr, Asylrecht und Einwanderung. Damit ist ebenfalls ein Handlungspotential geschaffen worden, das nur mehr umgesetzt werden muß. Ich glaube, daß diese sensiblen Materien ganz wesentlich in diesem Vertrag behandelt werden.

Es gibt auch noch in der dritten Säule Materien, die konkrete Zielsetzungen und Verbesserungen für bestimmte Instrumentarien vorsehen. Vor allem soll Europol innerhalb von fünf Jahren mit operativen Kompetenzen ausgestattet werden, um damit auch ein ganz wesentliches Bedürfnis der europäischen Bürger zu befriedigen, nämlich das Sicherheitsbedürfnisse. Diesbezüglich wird in diesem Vertrag ein ganz wesentlicher Fortschritt deutlich.

Es wird auch der Schengen-Besitzstand ab Inkrafttreten des Vertrages in den Rahmen der Europäischen Union integriert. Das bedeutet die Vermeidung von Doppelgleisigkeiten und eine Stärkung und Erhöhung der Effizienz.

Nun eine kurze Antwort zu den hier gestellten Fragen hinsichtlich Artikel 23f B-VG. Es ist bei weitem nicht so, daß damit die Neutralität abgeschafft wird. Es ist dies ein Artikel, der ein dreifaches Ziel verfolgt: erstens die Erfüllung der Verpflichtung aus dem Vertrag von Amsterdam. Dabei handelt es sich nicht nur um europäische Interessen, sondern auch um Interessen der eigenen Sicherheit, und schließlich kann Österreich im Einzelfall alle Handlungsoptionen wahrnehmen, die es will – in jedem Fall. Damit ist auch die immerwährende Neutralität gewährleistet. Es kann immer von Österreich entschieden werden, ob es daran teilnehmen will, und zwar entweder dadurch, daß es einer Maßnahme nicht zustimmt – damit würden wir unser Vetorecht wahrnehmen, und es käme kein gemeinsamer Beschluß für eine derartige Maßnahme zustande –, oder daß es zustimmt, aber es kann auch durch konstruktive Enthaltungen nicht teilnehmen.

Das heißt also, wir treten weder einem Militärbündnis noch der WEU und schon gar nicht der NATO bei. Das muß man hier dezidiert festhalten. Wir sind damit nicht in einem kollektiven Verteidigungs- oder Militärbündnis eingebunden, sondern ganz im Gegenteil: Wie bereits angeklungen ist es ein ganz wesentlicher Teil der Neuerungen des Amsterdamer Vertrages, daß sich die


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Europäische Union als politische Organisation nunmehr mit diesem Aufgabenspektrum auseinanderzusetzen hat. Daher wird dieses Spektrum der Petersberg Aufgaben nicht nur unter rein militärischen Gesichtspunkten gesehen, sondern auch unter einem politischen Gesichtspunkt. Das heißt, in jedem Fall, bei all diesen Maßnahmen hat Österreich die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob es teilnimmt oder diese Maßnahmen überhaupt mitbestimmt.

Es bleibt noch die Frage nach der Entsendung von österreichischen Staatsbürgern zu solchen Aktionen. Die Novellierung des Artikels 23 B-VG stellt sicher, daß die erst kürzlich eingeführte und bewährte Verfahrensform des KSE-BVG aufrecht bleibt. Sollte also – was aus heutiger Sicht eigentlich nicht zu erwarten ist – bereits im Rahmen eines EU-Grundsatzbeschlusses über eine Petersberg Aufgabe vorgesehen sein, daß etwa alle Mitgliedstaaten daran auch aktiv teilnehmen, so wird der österreichische Vertreter in der EU nur unter dem Vorbehalt zustimmen können, daß das Verfahren des KSE-BVG in Österreich auch tatsächlich zu einem positiven Abschluß kommt. Das heißt, der österreichische Vertreter muß bereits auf europäischer Ebene klarstellen, daß es für die Entsendung österreichischer Staatsbürger noch ein eigenes Verfahren in Österreich gibt und eines zusätzlichen Schrittes bedarf, damit diese Entsendung auch tatsächlich stattfinden kann. Den Rechten des Parlaments ist damit nicht vorgegriffen, weil der österreichische Vertreter auf europäischer Ebene bereits klarstellt, daß er dieses Verfahren einhalten muß.

Im wesentlichen bleibt die von Österreich gewählte Form der Neutralität aufrecht. Wir haben in jedem Fall die Entscheidungsbefugnis bei den österreichischen Behörden, und wir können entscheiden, ob wir daran teilnehmen, und wir können entscheiden, ob ein derartiger Beschluß zustande kommt. Das bedeutet, daß die Neutralität in jeder Weise so bleibt, wie sie ist. Wir haben auch in der Vergangenheit selbst entschieden, ob wir an gewissen Maßnahmen teilnehmen, und das wird auch in Zukunft so sein. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

15.55

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist völlig unbestritten, daß auch wir in der Europäischen Union ein Friedensprojekt sehen. Aber es ist ebenso unbestritten, daß wir es uns nicht nehmen lassen – auch wenn wir oberlehrerhaft darauf hingewiesen werden –, wann und ob und wie wir Opposition ausüben.

Wir haben seinerzeit schon gesagt, es sind gewisse Hausaufgaben zu erfüllen, damit Österreich europa- und EU-reif wird. Ein Großteil dieser Hausaufgaben – ich werde darauf zu sprechen kommen – ist noch nicht erfüllt worden.

Herr Staatssekretär! Sie haben in Ihren Ausführungen dargelegt, daß es eine sehr ambitionierte Latte gibt, die realistisch angefaßt werden muß, und haben die Beschäftigungsinitiative genannt, die Österreich mit Schweden gestartet hat. Sie haben auch den Beschäftigungstitel erwähnt, der in diesen Vertrag hineingekommen ist. Und Sie haben auch gemeint – ich hoffe, Sie haben es selbst bemerkt, als Sie es gesagt haben –, daß es uns nach wie vor freisteht, unsere höheren Umweltstandards zu behalten.

Diesen Satz muß man sich auf der Zunge zergehen lassen. Selbstverständlich wollen wir diese Umweltstandards erhalten! Was wir wollten und was wir auch unter Erfüllung der Hausaufgaben verstanden haben, ist, daß diese Umweltstandards langsam auch von den anderen angenommen werden. Nicht umsonst gelten heute die drei Güter: klares, reines Wasser zum Trinken, klare Luft zum Atmen und eine unvergiftete Erde, in der wir unsere Früchte anbauen, als die wertvollsten Güter. Wir haben das aus Verantwortung für die heutige Generation, vor allem aber auch für unsere Kinder verlangt, und wir fordern – das steht leider Gottes nicht im Vertrag von Amsterdam –, daß diese Umweltstandards, die unsere Heimat, unsere Umwelt und Europa und seine Menschen sichern, ebenfalls darin enthalten sein sollen.


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Sie haben die Justiz genannt, Sie haben die innere Sicherheit genannt. Ich möchte es nicht gerade als Blasphemie bezeichnen, aber wenn man bedenkt, daß die organisierte Kriminalität ein Drittel der Verbrechensrate in Österreich ausmacht beziehungsweise das Drittel schon überschritten hat, wird deutlich, daß bisher diesbezüglich von Ihrer Seite nur Ankündigungen erfolgten, daß aber diese Aufgaben noch lange nicht erfüllt sind. Wir als Opposition werden dafür sorgen, daß diese Aufgaben erfüllt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Wenn Ihnen die innerparteilichen Probleme dafür Zeit geben, Herr Kollege!) O ja, die haben wir! Stefan, die haben wir, die nehmen wir uns. Auch das werden wir lösen, und ihr werdet an der Schärfe unserer Argumentation merken, daß wir wieder soweit sind. (Bundesrat Konečny: Daran merkt man es ja, daß Sie es nicht gelöst haben!) Herr Kollege Konečny! Jetzt habt ihr einmal die Freude, ein bißchen auf uns hinzuweisen. Wir haben immer die Freude gehabt, aber wir haben es uns dann geschenkt, darauf hinzuweisen, weil Sie beinahe wöchentlich ein Problem haben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: So?)

Ich möchte noch auf die Neutralität zu sprechen kommen, aber nicht darauf, was uns in diesem Zusammenhang unterstellt wird, sondern darauf, was wir unter "neutral" verstehen – wenn man diese noch haben will. Wir sind für die Abschaffung der Neutralität, das sage ich sehr deutlich. Aber derzeit heißt es im gültigen Verfassungsgesetz: Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten.

Ich erspare es mir, weil das Licht schon blinkt, hier Weiteres auszuführen, sondern verweise nur darauf, was maßgebliche Verfassungs- und Staatsrechtler zu diesem Bereich gesagt haben, unter anderem Günther Winkler, Universität Graz: Die Neutralität ist durch den EU-Beitritt und die dazugehörigen Gesetze aufgehoben. – Urteil Günther Winkler. Man müsse aufhören, die Neutralität als heilige Kuh zu sehen, die nicht geschlachtet werden darf. Winklers Conclusio: Auch für einen NATO-Beitritt stellt die Neutralität daher kein Hindernis dar. – Nämlich so, wie sie derzeit gehandhabt beziehungsweise nicht gehandhabt wird.

Auch andere Verfassungsrechtler sind dieser Meinung, so Heinz Mayer von der Universität Wien, Waldemar Hummer von der Universität Innsbruck, Theodor Öhlinger von der Universität Wien und Manfred Rotter von der Universität Linz.

Meine Damen und Herren! Daraus ist zu ersehen – das halten uns die anderen vor, und das stört auch uns Freiheitliche daran besonders –, daß wir versuchen, uns irgendwie durchzuschmuggeln oder hineinzuschmuggeln. Wir sollten aber bitte ehrlich sein! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!)

Beheben wir die Neutralität, und bekennen wir uns zu Europa! Aber tun wir nicht das, was der Vorsitzende des WEU-Verteidigungsausschusses, Stoffelen, sehr treffend gesagt hat: Das kommt mir so vor, wie wenn man eine Mutter mit sieben Kindern als Jungfrau bezeichnet. – So agieren wir! Aber das ist nicht richtig gegenüber dem Bürger, und das ist auch nicht richtig gegenüber unseren Partnern in der EU. Seien wir ehrlich! Seien wir auch in anderen Bereichen ehrlich!

Ich halte fest: Persönlich bekenne ich mich auch zu Europa. Aber die Ziele, die im Maastricht-Abkommen und im Amsterdamer Vertrag festgehalten sind, sind nicht erreicht worden, weder die Verringerung des Demokratie-Defizits noch die Verbesserung der äußeren und der inneren Sicherheit. Dazu erwähne ich nur – vielleicht werden wir uns auch darüber noch hinwegschmuggeln –, daß Österreich mit 0,8 Prozent nach Luxemburg den geringsten Anteil am Etat für das Wehrbudget ausgibt. Das sollten wir bleiben lassen!

Sehr maßgeblich hängt die Verwirklichung Europas auch davon ab, ob wir glaubwürdig sind. Ich bin mit meiner Fraktion der Ansicht, daß das Vorgehen bei diesen beiden Vertragswerken und bei diesem Verfassungsgesetz nicht glaubwürdig war. Deswegen können wir auch nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.02


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meier. – Bitte.

16.02

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte in meinem heutigen Beitrag zum Vertrag von Amsterdam an dem anschließen, was ich hier im Bundesrat bereits am 4. Juni ausgeführt habe.

Bei dieser Vertragsänderung geht es um eine Weiterentwicklung und Vertiefung innerhalb der Europäischen Union. Für die einen entwickelt sich die EU zu rasch; sie greife zu sehr in die nationalen Angelegenheiten ein. Für die anderen geht es zu langsam, wenn Forderungen erhoben werden, daß die EU da oder dort – wie zum Beispiel in der Außenpolitik – schon gemeinsame Aktionen hätte durchführen müssen.

Ich denke, daß aber der Zeitpunkt endgültig vorbei ist, zu dem es ein grundsätzliches Nein zur Europäischen Union und damit eine stetig wiederholte Kritik an der Europäischen Integration geben könnte. Es geht nun darum, auf möglichst breiter Basis die EU weiterzuentwickeln, um das Bewußtsein, daß wir eine gemeinsame europäische Familie sind, zu stärken.

Im Vertrag von Amsterdam wird noch stärker unterstrichen, daß die Grundsätze Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie Rechtsstaatlichkeit fundamentale Punkte der Europäischen Union sind und daß die Achtung dieser Grundsätze die unbedingte Voraussetzung für jeden weiteren, neuen Beitritt zur Europäischen Union ist.

Ich bin letztes Mal auch schon auf die Themen Freier Personenverkehr, Einwanderung und Visa eingegangen, ebenso auf die Einbeziehung der Schengen-Zusammenarbeit in die EU und auf die Reform der Dritten Säule. Ich wollte diese Punkte nur noch anführen, weil sie in diesen Vertragsänderungen betont gehören.

Es hat sich nun nach längerer Diskussion auch stärker durchgesetzt, daß die wichtige Frage der Beschäftigungspolitik durch zusätzliche Impulse auf der europäischen Ebene unterstützt wird und damit die schwerwiegende Arbeitslosigkeit in Europa gemildert werden kann. Herr Staatssekretär Dr. Wittmann ist darauf schon eingegangen, und ich schließe mich diesen Ausführungen an. Dadurch sollen die Aktivitäten der Union in allen ihren Einflußbereichen stärker an den beschäftigungspolitischen Zielen orientiert werden.

Zur Sozialpolitik möchte ich anführen, daß durch den Wechsel in der britischen Politik das seinerzeitige Opting-out beendet wird, sodaß das Maastrichter Sozialabkommen durch entsprechende Bestimmung des europäischen Gemeinschaftsverfahrens nunmehr als Gemeinschaftspolitik für sämtliche Mitgliedstaaten gilt. Es wird eine Rechtsgrundlage zur verstärkten Bekämpfung sozialer Ausgrenzung geschaffen, und auch die Bestimmungen über die Gleichbehandlung von Frauen und Männern werden gestärkt.

Eines längeren Beitrags bedürfte nun das Thema der künftigen Außen- und Sicherheitspolitik. Ich denke, wir sollten uns in Österreich auf die bestehende österreichische und europäische Gesetzeslage stützen. Ohne gegen Diskussionen zu sein oder gar die Meinungsfreiheit zu beschränken, sollten wir in Österreich die derzeitige Gesetzeslage einfach anerkennen, sehr geehrte Damen und Herren! Dem stehen die im Vertrag von Amsterdam getroffenen Regelungen nicht entgegen, wenn auch der Europäische Rat bei gemeinsamem Interesse der Mitgliedstaaten gemeinsame Strategien festlegen kann, um damit verstärkt zu einer gemeinsamen Außenpolitik zu gelangen. Dennoch bedeutet eine Beschlußfassung mit qualifizierter Mehrheit in diesen Bereichen nicht, daß die EU, auch was Österreich betrifft, in die bei uns bestehende gesetzliche Lage und unsere Außenpolitik – auch im Hinblick auf die Neutralität – eingreift.

Denn die Einstimmigkeitsregel bleibt bei allen grundlegenden politischen Entscheidungen und im gesamten militärischen Bereich weiterhin aufrecht. Die Flexibilität besteht darin, daß Staaten bei einer konstruktiven Stimmenthaltung nicht verpflichtet sind, an der Umsetzung dieser Be


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schlüsse teilzunehmen. Es heißt weiters, daß jene Mitgliedstaaten, die sich bei Entscheidungen konstruktiv enthalten – so steht das dort –, nicht zur Finanzierung der betreffenden militärischen Aktion zu verpflichten sind.

Für Österreich ist klar, daß wir uns bereit erklären, an humanitären Aufgaben und Rettungseinsätzen, an friedenserhaltenden und -schaffenden Maßnahmen mitzuwirken. Dies haben wir durch viele Beispiele bereits bewiesen. Die Mitwirkung Österreichs hängt dabei noch immer von uns selbst ab, wobei ich die doppelte Freiwilligkeit nochmals unterstreichen möchte, nämlich erstens die Freiwilligkeit Österreichs zur Teilnahme an diesen Aktionen und zweitens die Freiwilligkeit des einzelnen – also des einzelnen Soldaten –, sich für eine solche Aktion zu melden.

Es wird nun die Aufgabe sein, innerhalb der Organe der Union die institutionelle Reform weiterzuentwickeln, damit gerade auch im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union eine organisatorische Form gefunden wird, die den neuen Aufgaben gerecht wird. Derzeit beginnen die Beitrittsverhandlungen insofern, als die Rechtsbestände der Beitrittswerber mit dem Acquis Communautaire der EU verglichen werden. In der Unterschiedlichkeit dieser Rechtsbestände liegt der Grund dafür, daß die Beitritte nicht von heute auf morgen erfolgen können, sondern zuvor wesentliche Adaptierungsmaßnahmen in den Beitrittsländern notwendig sind. Dies hat sicherlich längere Übergangsfristen zur Folge, damit eine entsprechende Harmonisierung erreicht wird.

Ich denke, daß allein schon aus diesen Gründen die Angst vor einer allzu raschen Öffnung mit einem Übergang, der entsprechende Probleme mit sich bringt, nicht in der Form zu befürchten ist, daß die Erweiterung der EU nicht zu bewerkstelligen wäre. Ich glaube, daß damit der Vertrag von Amsterdam, der nach Meinung der einen zuviel und nach Ansicht der anderen zuwenig enthält, eine weitere Station auf dem Wege der Weiterentwicklung der Europäischen Union ist. Wir sollten diesen Schritt – bei aller Notwendigkeit der weiteren Diskussionen – setzen und zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.08

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jaud. – Bitte.

16.08

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Haltung der SPÖ in der Diskussion über NATO und Neutralität ist aus meiner Sicht einfach jämmerlich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Man könnte diese Haltung kurz so beschreiben: Die SPÖ liebt die Neutralität, die ÖVP liebt die NATO, der Wähler liebt die Neutralität und lehnt die NATO ab, die SPÖ gewinnt die Wahlen – und aus! (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Freiberger: Bravo!) Ich sehe in dieser Diskussion über NATO und Neutralität eine direkte Parallele zur Wählertäuschung und zum Wählerfang bei den Nationalratswahlen 1995. (Bundesrat Eisl: Und ‘99!) Vor den Nationalratswahlen hat die SPÖ dem Wähler noch das Blaue vom Himmel herunter versprochen, nach der Nationalratswahl war dann alles anders. (Bundesrätin Crepaz: Ihr braucht jetzt schon eine Ausrede!) Auch das Versprechen aus dem Brief des damaligen SPÖ-Bundeskanzlers konnte nicht eingehalten werden.

Für eine Regierung und einen Bundeskanzler ist eine solche Wählertäuschung gerade in Zeiten der EU-Präsidentschaft durch Österreich ein unwürdiges Schauspiel. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich behaupte, daß die SPÖ trotz besseren Wissens nur aus rein wahltaktischen Überlegungen die Annäherung Österreichs zur NATO ablehnt.

Wir sind Vollmitglied der Europäischen Union und werden demnächst eine gemeinsame europäische Währung haben. Es ist nur logisch und selbstverständlich, daß wir uns auch an der gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik beteiligen. Ich möchte nicht in einem Staat der Trittbrettfahrer und Duckmäuser leben!


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Wenn wir das Ansehen Österreichs weiterhin aufrechterhalten wollen, dann müssen wir uns auch zur Gemeinsamkeit in der Sicherheitspolitik in Europa bekennen. Die SPÖ weiß ganz genau, daß die Neutralität der alten Prägung kein Ersatz für die neue Sicherheitsgarantie innerhalb Europas ist. Es gibt keine Alternative zur gemeinsamen Sicherheitspolitik aller Staaten Europas. Österreich ist ganz – und nicht nur halb – EU-Mitglied.

Wir von der ÖVP freuen uns deshalb darüber, daß mit dem Amsterdamer Vertrag ein weiterer Schritt in Richtung Verdichtung der Integration und in Richtung Absicherung des Friedens in Europa getan wird. Wir geben deshalb diesem Vertrag gerne die Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

16.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Mag. Gudenus. – Bitte.

16.12

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wenn wir jetzt durch Wien gehen oder fahren, schlägt das Herz höher. Überall blaue Flaggen! Es ist etwas Schönes, wenn Blau in Wien geflaggt ist. Das muß uns ja erfreuen, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ja, wir sind aus patriotischen Gründen selbstverständlich gehalten, eine blaue Beflaggung für etwas Positives zu halten. Denn wenn wir Freiheitliche einmal die Möglichkeit hätten, die Geschicke dieses Staates zu bestimmen, dann, so meine ich, würden wir das eine oder andere vielleicht doch anders machen. (Bundesrat Thumpser: Das wird es nur nicht geben! – Ruf bei der SPÖ: Eine gefährliche Drohung!)

Die psychologisch ungeschickte Art und Weise, unseren Nachbarn in den Staaten des ehemaligen Kommunismus zu signalisieren, daß sie hierher kommen sollen und hier in der Europäischen Union willkommen sind, halte ich schlichtweg für taktlos. Denjenigen, von denen man nicht bloß unter der Bank, sondern ganz offen sagt, daß es bis zur Mitgliedschaft noch zehn Jahre oder vielleicht auch länger dauern wird, zugleich zu sagen, daß sie eigentlich fast schon ein Teil der EU seien, halte ich für ungeschickt. Deswegen haben wir auch manche, ja alle diese Verträge abgelehnt. Europa ist ein geographischer Begriff, der für uns existent ist. Dafür brauchen wir nicht zu kämpfen, wir alle sind Europäer.

Wir haben in der EU auch schon das Europa der zwei Geschwindigkeiten: Ein Teil der Staaten sind Partner des Schengen-Vertrages, ein anderer Teil nicht. Daher vertreten wir die Meinung, es wäre gegenüber europäischen Staaten, die derzeit nicht Mitglieder der EU sind, zweckmäßig, ihnen ganz offen zu sagen: Es besteht eine konditionierte Möglichkeit mit abgestimmten Rechten und Pflichten. Diesen Staaten aber die vier Freiheiten auf einmal anzubieten und ihnen dann zu sagen, daß sie eigentlich noch nicht soweit sind und weitere zehn oder 15 Jahre draußen bleiben müssen: So kann man mit Völkern, die eben die Freiheit errungen haben, nicht umgehen. Das ist taktlos. Wir meinen, daß sich in dieser Hinsicht etwas zu ändern hätte.

Ich erachte es als für uns Freiheitliche sehr angenehm, daß jetzt einige gewichtige Staatschefs – wie Kohl und Chirac oder auch der frühere Ministerpräsident Juppé – von einer Renationalisierung der Europäischen Union sprechen. Jawohl, das wäre gelebte Subsidiarität! Das sind Worte, die wir verstehen und gutheißen. Jedoch fehlt mir noch der Glaube.

Die Karawane zieht immer schneller weiter. Einmal war sie in Rom, dann in Luxemburg, in Schengen, in Maastricht, in Edinburgh, in Kopenhagen, in Essen – jawohl, auch in Essen –, in Madrid, in Turin, in Dublin, in Amsterdam, wiederum in Luxemburg, in London, Cardiff, Wien, Melk, Innsbruck, Bad Tatzmannsdorf. (Bundesrat Pfeifer: Nicht so schnell, bitte!) Das ist ja eine ungeheuerliche Beschleunigung der europäischen Einigungsbestrebungen! Da kommt man schon gar nicht mehr nach. An jedem dieser Orte soll etwas Bedeutendes gemacht werden. Irgendein Komma wird schon dabei sein, das man dann beachten muß. (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. ) Herr Kollege, du sagst es!


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Ich freue mich daher über die Rede, die Herr Bundesrat Mautner Markhof gehalten hat, denn sie enthält optimistische, freundliche und sehr gute Überlegungen. Staatssekretär Wittmann ist für Beschäftigung und für Beschäftigungspolitik eingetreten. Herr Staatssekretär! Sprechen Sie sich für niedrigere Steuern aus, denn unter dieser Bedingung kommt es fast von selbst zu mehr Beschäftigung. Treten Sie für eine Steuersenkung ein, dann funktioniert das! Aber nicht so, daß man wieder hintenherum hört, daß neuerlich die Gebühren angehoben und die Steuern erhöht werden, und dann soll es auf einmal mehr Beschäftigung geben. (Bundesrat Payer: Höchststeuersatz! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das funktioniert nicht, Herr Staatssekretär! (Staatssekretär Dr. Wittmann: Das funktioniert wirklich nicht!)

Den Beamten, die diese Monsterkonferenz hier in Österreich vorbereitet haben, gilt meine persönliche Hochachtung. Die Beamten, die diese sechs Monate durchhalten müssen, verdienen sechs Monate Sonderurlaub; ich wäre durchaus dafür, das zu beschließen. Aber der Inhalt dieser Konferenzen verdient unsere Kritik.

Schauen Sie auf die jungen ÖVP-Bauern, die mit Heufudern vor dem Parlament auftreten, weil sie sich um ihre Zukunft sorgen! Das ist in diesen Konferenzorten nicht besprochen worden. Die Sorgen österreichischer Bauern, österreichischer Bürger und österreichischer Patrioten, werden auf der Walstatt eines herumkursierenden Konferenzzirkus geopfert, und die Hoffnungen dieser Österreicher werden enttäuscht. Machen Sie diesen Menschen Hoffnung, Herr Staatssekretär! Nicht, indem Sie sagen: Wir machen ohnehin Konferenzen in Bad Tatzmannsdorf, in Melk und in Wien. (Bundesrat Payer: Aber Bad Tatzmannsdorf ist schön!) Ja, brillant ist Bad Tatzmannsdorf! Aber müssen wir denn überall dort österreichische Interessen zu Grabe tragen?

Meine Damen und Herren! Wie der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft feststellt – wir Freiheitliche haben das auch schon festgestellt –, wird jetzt die EU-Wasserrahmenrichtlinie ausgearbeitet. Danach könnten künftig wasserreiche Länder veranlaßt werden, an wasserärmere etwas aus ihren Reserven abzugeben. So wäre es dann denkbar, daß österreichisches Wasser nach Spanien abgepumpt wird. (Bundesrat Payer: Das ist so was wie die Schildläuse! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das ist es, was wir für unsere Bevölkerung verhindern wollen. Wir wollen nicht, daß wir aufgrund höherer Orders aus Brüssel und Straßburg österreichisches Wasser – österreichische Qualitätsware par excellence – abgeben müssen. Nicht abgeben dürfen, weil es für uns ein Geschäft wird, sondern abgeben müssen, weil die anderen nicht wirtschaften können! Damit werden Wasserverschwender an österreichische und deutsche Wasserreserven angekoppelt, und das nennt sich dann "Liberalisierung". Meine Damen und Herren! Diese Liberalisierung lehnen wir entschieden ab! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das gilt auch für das Herumreisen des Herrn Außenministers. Durch 14 Hauptstädte hat er eine "Tour des Capitales" unternommen, heißt es. Überall hat er Turnpatschen ausgeteilt. Ich finde das rührend: Der Herr Minister in Turnpatscherln geht zu den Herren Kollegen und gibt ihnen auch Turnpatscherln, dann laufen sie durch ganz Österreich. Sie laufen in Patscherln von einem Konferenzort zum anderen. Dieses Herumjoggen für eine Konferenz finde ich schlichtweg lächerlich! Hätte er Mozartkugeln ausgeteilt – jawohl, da wäre etwas drinnen! Aber in den Turnpatschen stecken bald nur noch Schweißfüße drinnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Bundesparteiobmann Jörg Haider hat ja diese ganze Veranstaltung als "Jausentourismus" und "Verschleuderung von Steuergeldern" bezeichnet. (Bundesrat Schöls: Er hat schon öfter die Unwahrheit gesagt! Da kommt es auf eine auch nicht mehr an!)  – Ist nicht so schlimm, nicht wahr?

3000 Journalisten und 6000 Diplomaten werden akkreditiert sein. Sie können sich vorstellen, was dabei herauskommt, wenn eine solche Menge von Leuten durch Österreich befördert werden muß. Es ist daher wahrscheinlich schon alleine aufgrund dieser großen Personenanzahl notwendig, in Österreich neun bis zehn Konferenzorte festzulegen. Wie das dann koordiniert werden soll, weiß ich jedoch nicht.


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In einem Artikel In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" wird über diese Art von Konferenzen geschrieben, und er wird mit der Frage geschlossen: Wird das Werk den Meister loben?

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen loben es nicht, wir werden diese beiden Vorhaben ablehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster ist Herr Bundesrat Weiss zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.21

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Wenn man dem Vertrag von Amsterdam kritisch gegenüberstehen will, wird man ihn als schlechten Kompromiß diffamieren. Wenn man ihm positiv gegenübersteht, wird man sagen: Jawohl, er ist ein Kompromiß von verschiedenen Erwartungen, die an ihn geknüpft waren, aber er ist ohne Zweifel ein Fortschritt.

Die Europäische Union ist geradezu die zur Institution gewordene Verbindung von Visionen mit der Kunst des Möglichen; und es gehört auch zu der heute eingeforderten Ehrlichkeit, von der Europäischen Union nicht die Kunst des Unmöglichen verlangen zu wollen. Natürlich sind im Rahmen dieses Kompromisses auch nicht alle Erwartungen der Bundesländer erfüllt worden, wenngleich der Ausschuß der Regionen und das Subsidiaritätsprinzip nun einen höheren Stellenwert als bisher einnehmen.

Dieser Stellenwert wird auch daran sichtbar, daß zum Thema Subsidiarität sogar über Betreiben großer Mitgliedstaaten der EU ein Sondergipfel in Aussicht genommen wurde.

Ich möchte nun kurz skizzieren, welche Anliegen der Länder offengeblieben sind – sozusagen als Saldovortrag für die weiteren Bemühungen:

Da ist zuerst das Klagerecht des Ausschusses der Regionen sowie von Gliedstaaten beim Europäischen Gerichtshof, wobei durchaus bemerkenswert ist, daß das Gericht erster Instanz mit einer bemerkenswerten Entscheidung vom April dieses Jahres eine aktive Klagslegitimation der flämischen Region Belgiens anerkannt hat. Das ist durchaus ein Meilenstein in der Rechtsprechung dieses Gerichts.

Das zweite ist eine Einbindung des Ausschusses der Regionen in eine Art Vorabkontrolle hinsichtlich der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips in der Rechtsetzung der EU.

Das dritte: das Recht des Ausschusses der Regionen zu Gesetzesinitiativen – um das vereinfacht zu sagen – und zu einem Mitentscheidungsrecht in regionalen Kernfragen.

Das vierte: eine klare Zuständigkeitsabgrenzung für die EU anstelle von sehr offen formulierten Zielen, die von der EU häufig als Grundlage dafür genommen werden, Zuständigkeiten an sich zu ziehen, die besser bei den Nationalstaaten oder Regionen aufgehoben wären.

Das fünfte: die Einbeziehung der Landtage in die Zusammenarbeit des Europäischen Parlaments mit den Parlamenten der Mitgliedstaaten. Das Protokoll des Vertrages über die Rolle der einzelstaatlichen Parlamente spricht zwar von Parlamenten der Mitgliedstaaten – solche sind die Landtage als Gesetzgebungsorgane ohne Zweifel auch –, in der Praxis werden darunter aber vom Europäischen Parlament offenbar nur die Parlamente der Nationalstaaten verstanden. Die Landtage sind auf den Umweg über die Bundesregierung zur Landesregierung angewiesen und damit bei Informationen und Stellungnahmen allein schon durch den entstandenen Zeitverlust in einem gewaltigen Nachteil.

Auch innerstaatlich sind aus Sicht der Länder noch einige Aufgaben, die in diesem Fall vom Bund zu erfüllen wären, offen:

Die erste betrifft die Nachbesserung des aus dem Jahre 1992 stammenden Länderbeteiligungsverfahrens; immerhin wurde in dem aus dem selben Jahr stammenden Paktum von Perchtolds


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dorf den Ländern ausdrücklich versprochen, daß es nach Maßgabe der Entwicklungen der Europäischen Union zu einer Nachbesserung des Länderbeteiligungsverfahrens kommen werde. Sie ist auch notwendig, denn die praktischen Erfahrungen zeigen, daß das Bundeskanzleramt und das Außenministerium sehr wohl sehr kooperativ mit den Ländern zusammenarbeiten, daß es aber in einzelnen Ressorts durchaus noch Probleme bei der rechtzeitigen Weitergabe von Informationen und bei der Beteiligung an Verhandlungsdelegationen gibt.

Als nächsten offenen Punkt möchte ich anführen, daß der im Jahre 1994 mit dem damaligen Bundesverfassungsgesetz eingeführte Bindungsvorrang des Nationalrates in Länderangelegenheiten durch einen Vorrang der Länder umgewandelt werden sollte.

Der wichtigste offene Punkt innerstaatlicher Umsetzung ist allerdings jener des in der EU geforderten Subsidiaritätsprinzips. Herr Bundeskanzler Klima hat in der Ausgabe der Zeitschrift "Die Zeit" vom 10. Juni folgendes erwähnt: Wir müssen insgesamt viel stärker nach dem Prinzip der Subsidiarität verfahren.

Herr Vizekanzler Schüssel hat in der "Kleinen Zeitung" vom 28. Juni festgehalten, daß der Nationalstaat für die kleinen Probleme zu groß sei. Gewinner von Verschiebungen sollten vor allem die Regionen, in Österreich die Länder sein.

Leider ist keine Rede davon, daß die Zusage des Bundeskanzlers – Beschluß der Bundesstaatsreform noch vor diesem Sommer – eingehalten würde. Das soll hier kritisch angemerkt sein.

Ich möchte mich dafür bedanken, daß mit einem im Nationalratsausschuß eingebrachten Abänderungsantrag im Artikel 23f eine Klarstellung in der Weise erfolgt ist, daß EU-Beschlüsse betreffend gemeinsame Verteidigung sowie Integration in die WEU nicht nur der Zustimmung des Nationalrates, sondern auch – das war im Antrag nicht enthalten –- jener des Bundesrates bedürfen.

Abschließend eine Bemerkung zur Kritik an der Osterweiterung, die hier vor allem von Mitgliedern der freiheitlichen Fraktion geäußert wurde: Es wurde schon dargelegt, daß die Osterweiterung natürlich nicht von heute auf morgen erfolgen kann, vor allem kann sie nicht unter den Rahmenbedingungen von heute erfolgen. Da werden noch viele Voraussetzungen zu klären und zu schaffen sein. Aber – und damit komme ich zum Schluß – ich möchte Ihnen doch etwas zum Nachdenken geben, was der ehemalige freiheitliche Bundesrat und frühere Vordenker – jetzt eher Nachdenker – der FPÖ, Andreas Mölzer, kürzlich in der von früheren freiheitlichen Mandataren herausgegebenen Zeitschrift "Genius" geschrieben hat – ich zitiere wörtlich –:

Aus kleinlicher Heimattümelei und geistiger Kleinstaaterei die Osterweiterung mit Hinweis auf die zu erwartenden Kosten und Schwierigkeiten abzulehnen, widerspricht – so Andreas Mölzer wörtlich – der historischen Logik und wahrhaft europäischer Moral. – Zitatende.

In diesem Punkt ist Andreas Mölzer nichts hinzuzufügen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgen wird.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend einen Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union,


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der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte und Schlußakte.

Der gegenständliche Beschluß bedarf gemäß Artikel I des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluß des Vertrages von Amsterdam vom 10. Juni 1998, BGBl. I Nr. 76/1998, der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels I des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluß des Vertrages von Amsterdam vom 10. Juni 1998, BGBl. I Nr. 76/1998, die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels I des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluß des Vertrages von Amsterdam, BGBl. I Nr. 76/1998, die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird.

Der vorliegende Beschluß bedarf im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Ich stelle daher zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG, die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend eine Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften (1210 und 1254/NR sowie 5692/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung: Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften.

Ich darf Herrn Bundesrat Vindl um die Berichterstattung bitten.

Berichterstatter Wolfram Vindl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich stelle fest, der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, und daher beschränke ich mich auf die Verlesung des Beschlußantrages:


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Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht und die Antragstellung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

16.32

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Wir konnten zum Thema Konsultationsmechanismus hier im Bundesrat schon mehrere Male Stellung beziehen. Sie wissen auch, daß der Vorarlberger Landtag den ersten Entwurf betreffend den Konsultationsmechanismus einstimmig angenommen hat, und ich nehme an, er wird dies auch bei der endgültigen Vorlage tun. Wenn es deshalb zur Abstimmung kommt, werde ich als Bundesrat des Landes Vorarlberg auch als einziger meiner Fraktion der heutigen Vorlage aus Respekt vor diesem eindeutigen Votum zustimmen, was mich aber nicht davon abhalten soll, inhaltlich an der heute von Ihnen zu beschließenden Vorlage Kritik zu üben.

Meine Damen und Herren! Der Hauptpunkt meiner Kritik an diesem jetzt eingerichteten Konsultationsmechanismus, der mich im Grunde genommen als Mitglied dieser parlamentarischen Kammer, als Bundesrat, am meisten ärgert, ist jener, daß dieser Konsultationsmechanismus nicht im Bundesrat eingerichtet wird, in einem – ja im einzigen! – verfassungsmäßig legitimierten Organ, das eigentlich die Interessen der Länder gegenüber dem Bund vertreten sollte. Das, meine Damen und Herren, ist nach meiner Auffassung schlicht und einfach unverzeihlich.

Das neue Gremium Konsultationsmechanismus wurde nach regierungskoalitionären Verhandlungen nunmehr eingerichtet, obgleich man ein verfassungsmäßig legitimes Organ gehabt hätte. Wir haben nämlich nicht nur den Bundesrat, der die Interessen der Länder auf Bundesebene zu vertreten hat, sondern wir haben auch – ich habe darauf ebenfalls schon Bezug genommen – im Finanzverfassungsgesetz von 1948 im § 9 den Ständigen Ausschuß zwischen National- und Bundesrat, der sich der Finanzfragen – freilich dort festgelegt im Sinne der Richtung vom Bund auf die Länder – annehmen soll, festgeschrieben. Durch all diese Funktionen, die man jetzt im Konsultationsmechanismus eingerichtet hat, hätte dieser verfassungsmäßig vorgesehene und festgeschriebene Ausschuß endlich aufgewertet werden können. Eine versäumte Gelegenheit ist hier zu beklagen, meine Damen und Herren, die für mich als Bundesrat, der diese Kammer aufgewertet sehen möchte, eigentlich unverzeihlich ist.

Meine Damen und Herren! Es ist unbestritten, daß die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern in unserer Republik neu geordnet werden müssen und daß insbesondere auch die Aushöhlung des in Österreich ohnedies schwach entwickelten bundesstaatlichen Prinzips gestoppt werden muß. Die zentralistischen Tendenzen haben sich nach dem Beitritt zur Europäischen Union durch die Kompetenzverlagerung zu vielen Unionsorganen hin verstärkt – entgegen allen Beteuerungen vor dem Beitritt zur Europäischen Union. Daß es hier noch Lücken gibt, wurde in der vorhergehenden Debatte zum Vertrag von Amsterdam nicht nur von Sprechern meiner Fraktion dargelegt.

Die Regionalparlamente werden in einen zunehmenden Legitimationsnotstand kommen; im Rahmen der Europäischen Union ist das Parlament der Republik Österreich und damit auch der Bundesrat ein Regionalparlament. Dieser neuerliche massive Kompetenzverlust verstärkt eine Entwicklung, die das bundesstaatliche Prinzip der Bundesverfassung erneut aushöhlt und eigentlich eine schleichende Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellt.

Meine Damen und Herren! Es ist nicht zu bezweifeln, daß Österreich jetzt schon ein schwach ausgebildeter Bundesstaat ist, da der Bund ein erhebliches Übergewicht an Kompetenzen aufweist und der Einfluß des Bundesrates auf die Bundesgesetzgebung – wir erleben es hier Sitzung für Sitzung – leider Gottes sehr gering ist und auch die wenigen Kompetenzen, die wir haben, nicht immer in der Art und Weise wahrgenommen werden, wie es wünschenswert wäre.


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Im Perchtoldsdorfer Übereinkommen – das wurde heute schon zitiert; das muß ich nicht näher erläutern – wurde deshalb nicht nur eine Reform des Bundesstaates, sondern auch eine Aufwertung des Bundesrates paktiert. Es wurde dort festgeschrieben, daß der Bundesrat zu seiner eigenen Reform Vorschläge machen wird. Aber, meine Damen und Herren, wo sind diese Vorschläge? – Es wäre eigentlich unsere Aufgabe gewesen, hier klare Vorstellungen zu entwickeln und sie auch in den parlamentarischen Debattenprozeß einzuleiten.

Im Zuge der parlamentarischen Beratungen – wir haben das hier im Bundesrat auch schon erlebt – stellte sich diese erste Bundesstaatsreform als eher föderalismusfeindlich dar, weshalb es damals keine Zustimmung von den Ländern gab. Die Regierungsvorlage mußte damals zurückgezogen werden.

Die Debatte um eine Bundesstaatsreform ist aber anscheinend derzeit zu einem gänzlichen Stillstand gekommen, denn die Debatte auf parlamentarischer Ebene – ich denke, daß früher oder später auch der Bundesrat seine Position zu einer Bundesstaatsreform wird darlegen müssen –, die öffentliche Debatte ist nicht feststellbar.

Um eine weitere Aushöhlung des bundesstaatlichen Prinzips der Bundesverfassung zu verhindern, sollten daher nach Auffassung der Freiheitlichen die Beratungen über diese Bundesstaatsreform auf der Grundlage der zwischen Bund und Ländern bereits vereinbarten Grundsätze auf Regierungsebene möglichst rasch wiederaufgenommen werden. Ziel der Beratungen muß eine Stärkung der Länderrechte sein.

Ein wesentlicher Aspekt bei der Gestaltung des Bundesstaates ist natürlich die Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften. Das diskutieren wir ja heute auch mit dem Konsultationsmechanismus. Rechtsetzende Akte einer Gebietskörperschaft bewirken oftmals für andere erhebliche finanzielle Belastungen, ohne daß sich diese dagegen erfolgreich zur Wehr setzen können.

Eine Regelung, die die finanziellen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu ordnet und für diesen Fall auch Vorkehrungen trifft, liegt doch im Interesse der Verwirklichung des bundesstaatlichen Prinzips. Wir wollen das auch durchaus anerkennen, zumal es fast ausschließlich rechtsetzende Akte des Bundes sind, deren finanzielle Auswirkungen auf die anderen Gebietskörperschaften Gegenstand weitläufiger Debatten sind.

Meine Damen und Herren! Diese Koordinierung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist aber im Verfassungsorgan Bundesrat einzurichten. Dafür sind wir Bundesräte da, und dafür sieht die Bundesverfassung dieses parlamentarische Organ, dem Sie alle angehören, eigentlich auch vor. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Natürlich müßte der Bundesrat, um diese Aufgaben wahrnehmen zu können, reformiert werden. Das ist von unserer Seite aus keine Frage. Wir haben auch schon die entsprechenden Anträge gestellt. Wir Freiheitlichen – aber nicht nur wir Freiheitlichen, sondern auch andere Fraktionen in diesem Hohen Hause hier – haben Anträge zur Reform des Bundesrates eingebracht. Im Perchtoldsdorfer Abkommen – ich habe schon darauf hingewiesen – wurde auch angeregt, daß der Bundesrat reformiert werden sollte, und von seiten des Bundesrates, nehme ich an, gab es damals die Zustimmung dazu und auch die Aussicht, daß der Bundesrat zu seiner eigenen Reform eigene Vorschläge erarbeiten werde.

Wir Freiheitlichen haben schon Vorschläge gemacht. Wir haben verlangt, daß die österreichische Länderkammer ein verbindliches Vetorecht gegenüber dem Nationalrat bekommen sollte. Bei einer allfälligen Pattstellung der beiden Kammern sollte ein Vermittlungsausschuß das letzte Wort haben. Die Zahl der Bundesräte könnte verringert werden. Es müßte eine Regelung beschlossen werden, daß die Bundesräte mit den Absichten ihrer Landtage in irgendeiner Weise verschränkt werden können. Ob man das mit einer Bindung an die Beschlüsse der Landtage macht oder wie auch immer, sei dahingestellt; darüber könnte man ja debattieren.

Wir haben weiters vorgeschlagen, daß der Landeshauptmann kraft seines Amtes im Bundesrat sein sollte. Wir haben vorgeschlagen, daß die Landeshauptleutekonferenz, die Landtagspräsi


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dentenkonferenz und auch die Präsidenten von Städte- und Gemeindebund – warum nicht, meine Damen und Herren? – in diesem föderalistischen Gremium ihre Auffassung im Rahmen der Bundesgesetzgebung dokumentieren können sollen. Wir haben vorgeschlagen, daß die finanziellen Interessen durch den bereits bestehenden gemeinsamen Finanzausschuß – ich habe ihn schon erläutert – geregelt werden sollen.

Meine Damen und Herren! Ich darf zusammenfassen: Wir Freiheitlichen wollen, daß dieser Konsultationsmechanismus im Bundesrat eingerichtet wird. Wir wollen auch, daß der Bundesrat reformiert wird, und wir wollen, daß endlich hier bei uns im Bundesrat auch im dafür zuständigen Ausschuß für Verfassung und Föderalismus – der Vorsitzende ist im Plenum, ich darf ihn ersuchen, das auch zu tun – endlich die zahlreichen Anträge, die vorliegen, behandelt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Payer. – Bitte.

16.42

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist eine Notwendigkeit, daß ich als Erstredner meiner Fraktion ein wenig auch auf die Vorgeschichte und Entstehungsgeschichte dieses Konsultationsmechanismus eingehe. Gleichzeitig erkläre ich aber auch sehr freimütig und dezidiert, daß ich dem Erstvorschlag, besser gesagt, dem Vorschlag, der am Beginn der Diskussion über diesen Mechanismus vorlag und der die Gesetzgebung erfaßt und beinahe unmöglich gemacht hätte, meine persönliche Zustimmung verweigert hätte. Dem heute vorliegenden Gesetz, das ich als eine Spitzenleistung in der Gesetzgebung bezeichne, stimmen meine Fraktion und auch ich persönlich gerne zu.

Zur Untermauerung dieser Aussage zitiere ich aus dem Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus, in dem es heißt:

"Ausgangspunkt der Überlegung war, daß die Autonomie der Gesetzgebung aufrecht bleiben muß und daß der Vollziehung in den vorgesehenen Konsultationsgremien nur Empfehlungsbefugnisse eingeräumt werden können. Durch den Konsultationsmechanismus soll daher keine Möglichkeit zur Verhinderung eines Gesetzesvorhabens geschaffen werden; es werden vielmehr die derzeitigen finanzverfassungsgesetzlichen Kostentragungsregeln ... anzupassen sein."

Durch den heute zu beschließenden Konsultationsmechanismus wird daher keine Möglichkeit zur Verhinderung eines Gesetzesvorhabens geschaffen, jedoch die Verpflichtung zur Konsultation, die Verpflichtung zum Miteinander-Reden innerhalb der Gebietskörperschaften zwingend vorgeschrieben.

In Richtung freiheitlicher Opposition möchte ich die Feststellung treffen, daß mit der heutigen Beschlußfassung ein weiterer Punkt des Koalitionsübereinkommens zwischen SPÖ und ÖVP positiv erledigt wird. Trotz dieser immer wiederkehrenden Unkenrufe beweist unsere Koalition große Handlungskompetenz. (Bundesrat Dr. Harring: Das gehört nicht hierher! Das ist eine Bundesratsdebatte!) Hören Sie mir nur gut zu, vielleicht können Sie auch etwas in Ihre Partei mitnehmen.

Alle Gebietskörperschaften werden auf die gleiche Stufe gestellt. Das ist ein historischer Tag für die Gemeinden und für die Städte. Das ist der Beginn einer neuer Partnerschaft zwischen den Gebietskörperschaften, einer Partnerschaft, die nach den Grundsätzen der Effizienz, der Bürgernähe und einer sinnvolleren und zeitgemäßeren Aufgabenteilung arbeiten wird.

Gerade diejenigen, die sich immer wieder für einen verstärkten Föderalismus einsetzen (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Dazu kommt es ja nicht!), müßten sich über diesen Mechanismus, den wir heute beschließen, freuen. Er ist sicher nicht föderalismusfeindlich, es kommt ganz einfach zu einer Stärkung der Länderrechte, es kommt zu einer Stärkung der Gemeinden. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. )


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Nun aber zu dieser angekündigten Vorgeschichte. Das System der Kostentragung nach der österreichischen Finanzverfassung wurde in den letzten Jahren von den Ländern und von den Gemeinden zunehmend als unbefriedigend empfunden. Beide Gebietskörperschaften klagten über rechtsetzende Maßnahmen des Bundes, die finanzielle Folgewirkungen in ihren Budgets hätten. Die Gemeinden verwiesen zusätzlich noch auf die Belastungen durch die Länder.

Auch im Bundesrat haben wir immer Klagen darüber geführt. Ich erinnere Sie nur an das Bäderhygienegesetz, aufgrund dessen meine kleine Gemeinde mit 1 000 Einwohnern, in der wir mit großen finanziellen Anstrengungen ein Bad gebaut haben, auf einmal 250 000 S mehr bezahlen mußte, um eben diesem Gesetz Genüge zu tun. (Bundesrat Dr. Tremmel: Glauben Sie, Herr Kollege, daß das jetzt durch den Konsultationsmechanismus geändert wird?) Ich glaube schon. Man muß auf jeden Fall vorher miteinander reden.

Durch den EU-Beitritt – und das ist der zweite Punkt, den ich anschneiden möchte – und die angestrebte Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion stand auch der Bund vor einer ganz neuen Situation. Nicht nur Länder und Gemeinden, sondern auch der Bund war mit etwas Neuem konfrontiert. Die Einhaltung der Maastricht-Kriterien mußte von der Bundesregierung verantwortet werden, innerstaatlich war ein nicht unwesentlicher Teil der öffentlichen Finanzen durch die Zuständigkeit der Länder und Gemeinden der Einflußnahme des Bundes jedoch entzogen. Die Bundesregierung strebte daher eine verbesserte Koordination der Finanzausgleichspartner in diesem Bereich an.

Das Zusammentreffen dieser beiden Interessen – der Interessen der Länder und Gemeinden und der Interessen des Bundes – führte nach wirklich langen Verhandlungen zur Formulierung der heute zu beschließenden Konsultationsvereinbarung und in weiterer Folge zum Österreichischen Stabilitätspakt.

Mit der Kurzbezeichnung "Konsultationsmechanismus" wird ein ganzes Paket an Rechtsnormen bezeichnet, die inhaltlich miteinander verknüpft sind. Es ist dies das Bundesverfassungsgesetz über die Ermächtigung des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes, es ist dies die Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über den Konsultationsmechanismus und den zukünftigen Stabilitätspakt, es ist dies die Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden betreffend die Koordination der Haushaltsführung – eben der Österreichische Stabilitätspakt –, es ist dies die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, derzeit bekanntgemacht im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung unter dem Titel "Richtlinien für die Ermittlung und Darstellung der finanziellen Auswirkungen neuer rechtsetzender Maßnahmen", es ist dies die Umsetzung der Konsultationsvereinbarung und des Österreichischen Stabilitätspaktes in Verfassung oder einfaches Recht.

Meine Damen und Herren! Artikel 15a B-VG sieht vor, daß nur Bund und Länder untereinander Vereinbarungen schließen können. Für den Abschluß der Konsultationsvereinbarung und des Österreichischen Stabilitätspaktes mußte daher eine bundesverfassungsrechtliche Grundlage geschaffen werden, da hier Bund, Länder, Städtebund und Gemeindebund die Vertragspartner sind.

Wichtig dabei ist: Vermögensrechtliche Ansprüche der Gemeinden aus der Konsultationsvereinbarung und aus dem Stabilitätspakt können auch durch den Gemeindebund oder durch den Städtebund beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden. Von Bedeutung scheint auch, daß im angeführten Ermächtigungsgesetz bundesverfassungsrechtlich vorgesehen ist, daß die Landtage die Konsultationsvereinbarung und den Österreichischen Stabilitätspakt mit einfacher Mehrheit genehmigen können.

Die Konsultationsvereinbarung enthält verschiedene Verpflichtungen der Vertragspartner. Es sind dies die Informationsverpflichtung, die Kostenberechnungsverpflichtung, die Verhandlungsverpflichtung und die Ausgabenersatzverpflichtung.

Es gibt natürlich, wie bei jeder Verpflichtung, auch Ausnahmen, und die halte ich für wichtig.


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Vollständig ausgenommen sind zwingende Umsetzungen von Gemeinschaftsrecht, ausgenommen sind Normen, welche die Gebietskörperschaften als Träger von Privatrechten so wie jeden anderen Rechtsträger treffen, ausgenommen sind das Bundesfinanzausgleichsrecht und davon abgeleitete landesgesetzliche Regelungen und das Abgabenrecht allgemein.

Ausgenommen von der Information, von der Kostenberechnung und von Verhandlungen sind auch Maßnahmen – und das halte ich für wichtig – gesetzgebender Körperschaften. Ausgenommen sind also Initiativanträge von Abgeordneten im Nationalrat, im Landtag, ausgenommen sind Gesetzesanträge eines Ausschusses, ausgenommen sind Volksbegehrensanträge, ausgenommen sind Gesetzesanträge des Bundesrates. Hier besteht nur die Ausgabenersatzverpflichtung. Diese ist natürlich vorgesehen.

Meine Damen und Herren! Ausnahmen nur von der Ausgabenersatzverpflichtung bestehen für Normen mit geringen finanziellen Folgewirkungen, das heißt unterhalb bestimmter jährlicher Schwellgrenzen. Diese Schwellgrenzen liegen bei Bundesvorhaben bei einer Höhe von 16,468 Millionen Schilling – also sehr, sehr niedrig –, bei meinem Bundesland, dem Burgenland, macht das 0,451 Millionen Schilling aus.

Die Informationsverpflichtung halte ich für eine Grundlage dieses Gesetzes. Sinn dieser Verpflichtung ist es, die Partner rechtzeitig von neuen Rechtsvorhaben in Kenntnis zu setzen. Hier ist dezidiert festgelegt, daß Entwürfe, Gesetze und Verordnungen mindestens vier Wochen, Regierungsbeschlüsse über Gesetzesanträge mindestens eine Woche zur Verfügung gestellt werden müssen. Während dieser Zeit können die Partner das Verlangen nach Konsultationsverhandlungen stellen.

Meine Damen und Herren! Der Österreichische Stabilitätspakt, der ebenfalls dazugehört, wird verschiedene Elemente enthalten, so etwa die gemeinsame Haushaltskoordinierung und die mittelfristige Ausrichtung der Haushaltsführung. Die Erstellung eines Stabilitätsprogrammes ist ein weiterer Kernpunkt, der in dieses Gesetz hereinspielt.

Zu meiner Schlußbemerkung: Bis zum Inkrafttreten aller Rechtsnormen, die beim Themenkreis Konsultationsmechanismus und Österreichischer Stabilitätspakt miteinander verwoben sind, bedarf es noch einiger Anstrengungen. Nicht zuletzt wird es nötig sein, gehörige Anstrengungen im Bereich der Ausbildung und Schulung zu setzen, um sicherzustellen, daß die neuen Regeln auch allen Bediensteten bekannt sind und von ihnen auch gehandhabt werden können. Aber auch dann wird es nötig sein, insbesondere auf politischer Ebene sehr viel Vernunft und Kompromißbereitschaft bei den Gesprächen und Verhandlungen zu zeigen.

Die Geschichte des österreichischen Finanzausgleichs – harte Verhandlungen, aber einvernehmliche Lösungen – stimmt mich auch für den Konsultationsmechanismus und den Österreichischen Stabilitätspakt optimistisch. Daher wird meine Fraktion gegen diesen Gesetzesvorschlag keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Weiss. – Bitte. (Bundesrat Dr. Tremmel: 5 Minuten!) Für Erstredner haben wir 10 Minuten vereinbart.

16.55

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wenn man das wirklich Neue an dieser Artikel 15a-Vereinbarung herausarbeiten wollte, wäre es wahrscheinlich zweckmäßiger, von einem Kostentragungsmechanismus zu sprechen, denn in das System des Finanzverfassungsgesetzes wird der Grundsatz eingeführt: Wer anschafft, zahlt. Das ist ein Grundsatz, der in hohem Maße bundesstaats- und länderfreundlich ist. – Das möchte ich zu den Anmerkungen des Kollegen Bösch sagen.

Das, was unter dem Begriff "Konsultationsmechanismus" sichtbar gemacht wird, ist eigentlich gar nicht so neu. Es gab bisher schon das Begutachtungsverfahren, es gab bisher schon eine Kostendarlegungspflicht im Bundeshaushaltsgesetz, es gab bisher schon eine Verhandlungs


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pflicht nach dem Finanzausgleichsgesetz. Das ist alles nichts Neues. Was außer den Kostentragungsregeln noch neu ist, ist, daß diese Instrumente besser gefaßt werden, daß sie schärfer sind, etwa durch die Erlassung von Richtlinien, auf die Kollege Payer schon eingegangen ist. Diese Instrumente werden also dem Kostentragungsgrundsatz besser dienlich gemacht.

Um ein hartnäckiges Mißverständnis auszuräumen, scheint es mir auch wichtig zu sein, klarzustellen, daß dieser Kostentragungs- und Konsultationsmechanismus nicht in das Gesetzgebungsverfahren eingepflanzt wird, sondern daß er dem Gesetzgebungsverfahren vorgelagert ist. Dieser Mechanismus trifft keine Entscheidungen, sondern er bereitet Entscheidungsgrundlagen für die parlamentarischen Organe auf Bundes- und Landesebene vor. Er arbeitet ihnen zu, macht transparenter, welche Folgewirkungen mit gutgemeinten Vorhaben verbunden sind, und bringt eine faire Regelung für jene, die die Kosten tragen sollten.

Aus dieser Zuarbeit zu den Entscheidungsträgern wird ja auch schon deutlich, daß es wahrscheinlich in der Praxis gar nicht zweckmäßig wäre, parlamentarische Organe mit dieser Aufgabe zu betrauen, denn dies setzt eine präzise Abschätzung der Auswirkungen auf die Vollziehung voraus, dies setzt eine präzise Kenntnis der damit verbundenen Kosten voraus, und wer soll all diese Voraussetzungen besser erfüllen als jene, die das in der Praxis tun müssen, nämlich die Regierungen und die ihnen unterstellten Mitarbeiter im öffentlichen Dienst?

Unsere Aufgabe als Parlamentarier ist es dann, aus diesen Informationen, aus diesen Verhandlungsständen über das Für und Wider die richtigen Schlußfolgerungen zu ziehen, und diese bleiben in jedem Fall bei uns, sei es Nationalrat, Bundesrat oder einzelner Landtag.

Daher ist es wahrscheinlich für die Sache gar nicht so hilfreich, Kritik daran zu üben, daß der Bundesrat im Rahmen der Entscheidungsvorbereitung nicht vorkommt. In seinen Zuständigkeiten bleibt er völlig unbeschnitten – das ist gar keine Frage –, die Entscheidungsfähigkeit des Bundesrates ist in keiner Weise berührt. Es ist lediglich die Frage zu klären, ob er nicht auch zusätzlich diese Aufgabe wahrnehmen sollte. Ich glaube, einem parlamentarischen Organ würde – ohne uns selbst nahetreten zu wollen – weitgehend die nötige Kenntnis, die nötige Qualifikation und wohl auch die nötige Zeit für diese schwierige Materie von Vollziehungsaufgaben fehlen.

Aber ich nenne noch einen zweiten Gesichtspunkt, auf den Kollege Bösch unbewußt aufmerksam gemacht hat: Beim Konsultationsmechanismus handelt es sich um ein Vorhaben, das von den Ländern und Gemeinden einheitlich und nachdrücklich seit langer Zeit gefordert wird. Wenn nun – allerdings nicht in der Dimension der Mehrheit, aber jedenfalls auf seiten der freiheitlichen Abgeordneten – gesagt wird: Diese Länderforderung soll so nicht erfüllt werden!, dann wird den Ländern ein gutes Argument geliefert, zu sagen: Das ist das beste Beispiel dafür, daß die Vertretung von Länderinteressen beim Bundesrat nicht in den besten Händen ist!

Ich respektiere, daß die Länder diese Vereinbarung, die sie gemeinsam mit den Gemeinden mühsam erarbeitet haben, wollen. Und wir tun nichts anderes, als die Landtage in die Lage zu versetzen, einer Vereinbarung, die wir von der Bundesseite her für unbedenklich halten, die Zustimmung zu geben oder auch nicht. Darin besteht die Entscheidungsfähigkeit und die politische Verantwortung der Landtage. Würden wir unsererseits als Organ der Länder in der Bundesgesetzgebung sagen: Wir lehnen ab, daß sich die Landtage damit überhaupt beschäftigen können, dann würden wir, wie ich meine, den Ländern einen schlechten Dienst erweisen. Daher ist es für uns naheliegend, daß wir dieser Vereinbarung mit Rücksicht auf die von den Ländern geltend gemachten Interessen und Anliegen zustimmen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.02

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet: Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

17.02

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Sehr geschätzte Vorredner! Herr Kollege Payer! Sie haben von


Bundesrat
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einem historischen Tag gesprochen: Dies mag vielleicht für gewisse Institutionen der Exekutive zutreffen, aber für die Parlamentarier ist die Beschlußfassung dieses Konsultationsmechanismus bestimmt kein historischer Tag, und zwar deshalb nicht, weil sie daran zuwenig mitgewirkt haben, sondern weil sie in diesem Verfassungsgesetz überhaupt nicht aufscheinen.

Wenn Kollege Weiss sagt – und ich unterstelle ihm sonst wirkliches Bemühen und vor allem Sachkenntnis – , daß es in der Praxis nicht zweckmäßig ist, Parlamentarier zu befassen, wobei dann über die Genauigkeit gesprochen wurde, dann möchte ich mich dagegen verwahren! In Anbetracht der Flut von Dingen, die heute auf uns hier niederprasselt, sollten wir es uns sehr wohl angelegen sein lassen, daß das zusammengefaßte Gremium, der Bundesrat als Länderkammer, über den wichtigsten Kernpunkt, nämlich über die finanziellen Bereiche, bei welchen es um erhebliche Finanzmittel von 175 Milliarden geht, letztlich mitbefinden kann.

Kollege Bösch hat richtigerweise gesagt, das es im Bereich des Bundesrates eine entsprechende Einrichtung geben müßte: Es gibt, das haben wir x-mal schon gesagt, im Finanzverfassungsgesetz eine verfassungsmäßige Lex specialis. In § 9 ist dieser Konsultationsmechanismus mit finanziellen Folgewirksamkeiten – allerdings nur für Landesgesetze in Richtung Bund – bereits eingerichtet. Daher hätte man nun sagen können: Das machen wir jetzt auch für Bundesgesetze in Richtung Land. Denn dafür gäbe es bereits das fertige verfassungsmäßige Instrument. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Nun wird hingegen etwas parlamentarisch äußerst Bedenkliches gemacht: Derjenige, der Gesetze vollziehen sollte, nämlich die Exekutive, kann vorher sagen: Wir werden uns das Gesetz so herrichten, wie wir es brauchen, und die tumben Parlamentarier schalten wir aus! – Ich komme dann auch noch auf die Vorgeschichte zu sprechen. – Auf diese Weise wird das in Form einer Kusch-Aktion abgesegnet und die Leute haben zu schweigen. So gelingt es, letztendlich das zu schaffen, was man sich vorher angeschafft hat. – So kann man doch nicht vorgehen! Einen solchen Umgang mit der Demokratie und mit der Verfassung sollten wir hier im Bundesrat ablehnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Vorgeschichte wurde schon angesprochen: Ich kann mich erinnern, wie sich Kollege Payer erregt hat, als ich hier vom Ermächtigungsgesetz gesprochen habe. – Allerdings weiß ich, daß ich nicht so wirksam bin, daß der Gesetzgeber bei der verfassungsmäßigen Festlegung diesen Begriff aufgrund meiner Anregung übernommen hat. Aber immerhin ist er nun einmal darin enthalten! (Bundesrat Payer: Mir gefällt dieser Ausdruck auch in diesem Gesetz nicht!)

Ich weiß nicht, woran Sie, historisch gesehen, gedacht haben. Aber das ist Ihr Kaffee! Ich habe mir dabei verschiedene Gesetze vorgestellt, etwa das Kriegswirtschafts-Ermächtigungsgesetz aus dem Jahr 1917! Vielleicht haben wir verschiedene historische Ansätze, das kann schon sein! (Bundesrat Pfeifer: Ja, das stimmt!)

Noch etwas zur Vorgeschichte, bevor das Lichtlein voll zu blinken beginnt: Es heißt immer, daß die Freiheitlichen immer kritisieren. Allerdings hat ein ganz kompetenter Mann, nämlich der Präsident des Nationalrates, gesagt, daß es nicht angehe, daß sich die Landesregierungen mit der Bundesregierung Dinge ausmachen, die Verfassungsänderungen erfordern, und diese Änderungen vom Parlament danach schlicht vollzogen werden müssen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das hat er wörtlich so gesagt!

Und Herr Schilcher, der ehemalige Landtagspräsident der Steiermark, hat in Anbetracht der kritischen Äußerungen, die jüngst getroffen wurden, die im VP-Klub herrschende Stimmung wiedergegeben: "Die Reaktion der Parteiführung darauf sei wieder einmal ,Kusch!’ gewesen." Und dann der Schlußsatz: "Das ist es, wieso Haider so reiche Ernte einfährt!"

Das war ein Teil dieser Vorgeschichte, meine Damen und Herren. Aber es geht hier nicht um politische Hin- und Herwerfereien. Diese schätze ich gar nicht, und ich achte die Haltung, die etwa Kollege Jaud in Tirol oder Frau Präsidentin Haselbach eingenommen haben. Dieser Konsultationsmechanismus ist so entstanden, wie er nicht hätte entstehen sollen. Und die Länder verhalten sich dementsprechend – leider Gottes, das muß ich auch sagen! –, indem sie die Bundesräte – zumindest teilweise – nicht ganz ernst nehmen, denn sonst hätte man den Bundesrä


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ten in den einzelnen Landtagen schon längst ein Rede- und Mitwirkungsrecht gegeben! Daran, meine Damen und Herren, können wir die Wirksamkeit einer Bundesstaats- und Bundesratsreform messen, und wir sollten sie auch daran messen, wie dieser Konsultationsmechanismus zustande gekommen ist!

Das Procedere ist schlecht und verfassungsmäßig äußerst bedenklich, weil in diesem Zusammenhang nicht nur der Bundesrat, sondern die Bundesverfassung diskriminiert wurde! Wir wurden auf ein Nebengleis der Demokratie gestellt. Es liegt an Ihnen, ob Sie sich das bieten lassen wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.08


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 51

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächster Redner ist Herr Bundesrat Thumpser. – Ich erteile ihm das Wort.

17.08

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Im Zusammenhang mit diesem vor uns liegenden Konsultationsmechanismus wurde meiner Meinung nach eine wesentliche Entscheidung darüber getroffen, wie sich die Beziehungen der einzelnen Gebietskörperschaften in Zukunft zueinander gestalten werden. Ausschlaggebend ist nicht nur die Beziehung des Bundes zu den Ländern und umgekehrt, sondern auch das Verhältnis zu den Gemeinden. Es wird von Bedeutung sein, wie sich dieses Verhältnis der Gebietskörperschaften zueinander gestaltet, und zwar auch hinsichtlich jener Maßnahmen, die budgetrelevant sind, auch im Hinblick auf die Haushaltsdisziplin.

Dieser Konsultationsmechanismus ist die Verrechtlichung des Prinzips "Wer anschafft, zahlt": Wenn in Zukunft kostenträchtige Maßnahmen anhängig werden, besteht die Verpflichtung, über diese Kostentragung zu verhandeln. Und die wesentlichen Elemente – das wurde schon einige Male erwähnt, dennoch möchte ich es wiederholen – sind: Das verpflichtende Begutachtungsverfahren, die verpflichtende Darstellung der finanziellen Auswirkungen, die Verhandlungspflicht und nicht zuletzt die Frage der Sanktionen nach dem vorher erwähnten Motto "Wer anschafft, zahlt".

Ich selbst bin Bürgermeister – und der Herr Staatssekretär hat auch einige Zeit dieses Amt bekleidet – und war mit eben dieser Thematik in den letzten Jahren einige Male konfrontiert, sowohl im negativen als auch im positiven Sinn. Die Auswirkung war jedoch die gleiche: Die Budgetansätze mußten zum Teil um wesentliche Beträge geändert werden.

Bei dieser vor uns liegenden Regelung geht es auch um die Stärkung einer effizienten Budget- und Finanzpolitik in allen Gebietskörperschaften. Diese Regelung bringt nicht, wie hier vielfach gesagt wurde, einen Stopp von Regelungen oder Gesetzen mit sich, sondern es wird dadurch die Finanzierung geregelt, denn ein wesentliches Ziel dieses Konsultationsmechanismus ist die Information der betroffenen Gebietskörperschaften und keinesfalls die Verhinderung von Gesetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Nagelprobe für diesen Konsultationsmechanismus muß in der Praxis erfolgen, und bei dieser Praxis können wir uns auf keine Erfahrungen stützen: Denn Österreich ist weltweit der einzige Staat, der diesen Mechanismus im Verfassungsrecht hat. Es gibt zwar ähnliche Modelle, nämlich sogenannte Gentlemen’s Agreements in Dänemark und in Schweden. In der Form, in der wir ihn – so hoffe ich zumindest – heute beschließen werden, ist er jedoch weltweit einzigartig. Und die Praxis wird zeigen, wie zwischen den Gebietskörperschaften, zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, in Zukunft verhandelt werden wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend meine ich, daß mit diesem Konsultationsmechanismus ein weiterer wichtiger Schritt zur Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften getan wird. Deshalb werden wir diesem Konsultationsmechanismus in dieser Form die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.12


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 52

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächster Redner ist Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile ihm das Wort.

17.12

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Wer dem Konsultationsmechanismus seine Zustimmung gibt, der macht sich nach meiner Auffassung mit schuldig an der Demontage des Bundesrates! (Beifall und Bravorufe bei den Freiheitlichen.)

Wie heißt ein Sprichwort? – Nur die dümmsten Kälber ... – Ich nehme an, Sie kennen das Sprichwort! Deshalb meine Warnung: Wehret den Anfängen!

Meine vier Ablehnungsgründe für den Konsultationsmechanismus sind folgende:

Erstens: Der Konsultationsmechanismus ist unvereinbar mit unserem parlamentarischen System. Die Exekutive erhält Aufgaben, die laut Verfassung der Legislative vorbehalten sind.

Zweitens: Der Konsultationsmechanismus schwächt den Bundesrat. Aufgaben, nämlich die Vertretung der Länderinteressen im Parlament, für die der Bundesrat laut Verfassung vorgesehen ist, werden vom Konsultationsmechanismus übernommen.

Drittens – und ich glaube, daß das sehr bedeutend ist und die Länder das gar nicht wirklich beachten –: Jede Schwächung des Bundesrates bedeutet eine Schwächung der Ländereinflüsse im Parlament. Der Bundesrat hat die einzige verfassungsmäßige Möglichkeit, Länderinteressen im Parlament durchzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Viertens bedeutet dieser Konsultationsmechanismus eine wesentliche Vermehrung von Beamten, besonders auf Länderebene, im Städtebund und im Gemeindebund.

Meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich glaube, daß diese Gründe bedeutend genug sind, daß man die Gesetzesvorlage betreffend Konsultationsmechanismus ablehnt. In Zukunft müssen alle Gesetze – und Sie wissen, wie viele Seiten im Jahr das sind! – von allen neun Bundesländern, vom Städtebund und vom Gemeindebund genauestens kontrolliert und betreffend offene oder versteckte – und in dieser Hinsicht sind Ministerien besonders findig – Belastungen für Länder, Städte und Gemeinden überprüft werden. Und das erfordert viele, viele neue Beamte. Denn wenn einmal etwas übersehen wurde, dann kann die Bundesregierung mit Recht darauf pochen, daß der Konsultationsmechanismus nicht angerufen wurde. Zu den bisherigen Gremien Landeshauptleutekonferenz, Landesamtsdirektorenkonferenz, Landesfinanzdirektorenkonferenz sowie zu den vielen Fachtagungen kommen jetzt noch die vielen Gremien des Konsultationsmechanismus dazu. Es gab bisher schon viele Konsultationsgremien, und die kindischen Sandkastenspiele zwischen Bund und Ländern, Ländern und Gemeinden, Länder und Städtebund nach dem Motto "Gibst du mir ein Zuckerl, gebe ich dir ein Stück Schokolade" werden somit lustig weiter vermehrt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! All dies geht letztlich aber auf Kosten der Arbeitnehmer. Denn die Beamten bezahlen ihre Gehälter nicht selbst, sondern diese müssen von der Wirtschaft in den Betrieben und von den dort Beschäftigten erarbeitet werden. Deshalb ist dieser Konsultationsmechanismus auch ein sehr arbeitsplatzfeindliches Gesetz. Meine Damen und Herren! Ein Beamter mehr bedeutet zehn verlorene Arbeitsplätze in der Wirtschaft! Da nützt das ganze Arbeitsplatzsicherungskonzept der Bundesregierung nichts, wenn auf der anderen Seite durch eine Belastung der Wirtschaft Arbeitsplätze verlorengehen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das soll sich auch Staatssekretär Wittmann genau anhören!)

Wie wir heute gehört haben, steht auch die Bundesstaatsreform auf sehr, sehr wackeligen Beinen. Früher hieß es immer: Bundesstaatsreform und Konsultationsmechanismus müssen unbedingt in einem beschlossen werden. – Davon ist heute keine Rede mehr! Ich kann deshalb diesem Gesetz meine Zustimmung nicht geben und bitte Sie, meine Damen und Herren, diesem Beispiel zu folgen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.17

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Staatssekretär Dr. Peter Wittmann hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

17.17

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe keinerlei wissenschaftliche Erklärungen dafür, wieso ein Arbeitsplatz eines Beamter zehn Arbeitsplätze in der Wirtschaft kosten soll! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ein solches Rechenbeispiel habe ich noch nie gehört, und ich möchte dazu sagen: Grundsätzlich wird in dieser Republik von den Beamten gute Arbeit geleistet. Glauben Sie mir: Es würde vieles in dieser Republik nicht so funktionieren, wenn der Beamtenapparat nicht so gut funktionierte! (Beifall bei Bundesräten der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Mir ist aus der vorangegangenen Wortmeldung auch nicht ganz klar geworden, wieso der Konsultationsmechanismus arbeitsplatzfeindlich sein sollte. Meine Damen und Herren! Ich appelliere an die Länderkammer: Ich glaube, es ist sehr wohl im Interesse der Länder, daß sie erfahren, wenn der Bund ein Gesetz erläßt, was es kostet und welche Auswirkungen es für die Länder hat! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es ist sehr wohl sehr wichtig für die Gemeinden zu wissen, welche Auswirkungen ein Gesetz auf Bundesebene und auf Landesebene auf deren Budgets hat. (Beifall des Bundesrates Payer. )

Eine bessere Sicherheit für die Kostentransparenz als jene, die man durch dieses Gesetz geschaffen hat, wird für die Länder aber auch für die Gemeinden und Städte wohl kaum erreichbar sein. Wir sind – und jetzt spreche ich noch als ehemaliges Mitglied des Städtebundes und Verhandler des Konsultationsmechanismus, also von einer ganz anderen Seite, nämlich von der sogenannten Basis her – davon ausgegangen, daß dieser Konsultationsmechanismus ein gleichseitiges Dreieck sein muß, in dem alle drei Gebietskörperschaften mit derartigen Rechten ausgestattet werden, daß nicht eine Gebietskörperschaft zu Lasten der anderen Gesetze erlassen kann. Und das ist, wie ich meine, ein riesiger Fortschritt einerseits für den Vollzug der Gesetze, andererseits für den Bürger, der dann weiß, mit welchen Gesetzen er konfrontiert wird, aber auch für die Gemeinden oder auch die Länder, die dann wissen, wie sie diese Gesetze umsetzen sollen.

Ich darf Ihnen mitteilen, daß wir als Gentleman’s Agreement mit den Ländern bereits jetzt einen Konsultationsmechanismus gepflogen haben, damit sie uns aufmerksam machen konnten, wenn eine Landesverwaltung oder eine Landesregierung belastet wurde. Das wird seit etwa einem Jahr schon so gehandhabt, und ich darf Ihnen versichern, es hat nicht zu einer Vermehrung der Beamtenschaft geführt, es hat nicht zu negativen Auswirkungen geführt, weder bei der Gesetzgebung noch bei der Vollziehung der Gesetze.

Ich kann mich nur den Worten des Präsidenten Weiss anschließen: Dieser Konsultationsmechanismus ist eine Möglichkeit, in der Vorbereitungsphase zu erfahren, was ein Gesetz auf welcher Ebene des Gesetzes kostet. Er ermöglicht eine genaue Zuteilung der Kosten, die auf die einzelnen Gebietskörperschaften entfallen. Er bietet auch die Möglichkeit, ein Gesetz nicht zustande kommen zu lassen, wenn derjenige, der ein Gesetz will, den anderen damit belastet. Ich glaube, das ist eine sehr wesentliche Stärkung des Föderalismus, das ist eine sehr wesentliche Stärkung der Kostentransparenz und Effizienz in dieser Republik auf allen Ebenen. Das ist eine Stärkung der Gemeinden genauso wie eine Stärkung der Länder gegenüber dem Bund und eine Stärkung der Gemeinden gegenüber den Ländern, weil sie Vollzugsakte auch tatsächlich mit ihrem Budget in Einklang bringen können.

Ich gehe davon aus, daß dieser Konsultationsmechanismus auch einer der wesentlichen Punkte sein wird, um den Stabilitätspakt, den man abschließen will und muß, auch zu gewährleisten, sodaß Sparmaßnahmen auf der einen Seite nicht zu Mehrausgaben auf der anderen Seite führen und umgekehrt.


Bundesrat
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Ich glaube, das ist eine herzeigbare Regelung, das ist eine Regelung, die von allen Ebenen getragen wird und die eine Lastenverschiebung unter den Gebietskörperschaften hintanhält. Ich glaube, das ist sehr wohl eine Errungenschaft, und das ist eine Möglichkeit, dieses Land auch weiterhin auf jenem guten Kurs der Wirtschaft zu halten, auf dem es sich derzeit befindet.

Diese von Ihnen angestellten Rechnungen kann ich nicht nachvollziehen, es tut mir leid. Ich habe sie auch nirgendwo gelesen und bin auch nicht bereit, diese als Grundlage einer Gesetzesentscheidung in meine Rede aufzunehmen.

Ich glaube, daß dieses Gesetz ein gutes Gesetz im Sinne der Länder ist, und appelliere daher an Sie, den entsprechenden Beschluß zu fassen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation (Bundes-Seniorengesetz) (1184 und 1257/NR sowie 5693/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung: Bundes-Seniorengesetz.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Alfred Schöls übernommen. – Bitte.

Berichterstatter Alfred Schöls: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation bringen.

Da der Ausschußbericht vorliegt, darf ich auf die Verlesung des Berichtes verzichten.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Herr Präsident! Ich darf bitten, die Debatte zu eröffnen und daran anschließend die Abstimmung durchzuführen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bedanke mich für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Harald Repar. Ich erteile es ihm.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
642. Sitzung / Seite 54

17.25

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute das Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation, kurz Bundes-Seniorengesetz, diskutieren, befassen wir uns mit einer Bevölkerungsgruppe, die rund 1,7 Millionen Menschen umfaßt. Aufgrund der demographischen Entwicklung wird diese Bevölkerungsgruppe in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter rasch anwachsen. Derzeit sind rund 20 Prozent der 8 Millionen Österreicher und Österreicherinnen über 60 Jahre alt, im Jahr 2030 wird dann schon rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung der Gruppe der Senioren zuzuordnen sein.

Ich glaube, es ist die Pflicht der Politik, sich der Gruppe der Senioren ganz besonders anzunehmen, nicht nur deshalb, weil es sich dabei um eine sehr große und ständig weiterwachsende Gruppe handelt, sondern auch, weil diese Menschen während ihres langen Arbeitslebens sehr viel für unser Land geleistet und sie daher ein Anrecht auf einen abgesicherten Lebensabend haben.

Gleichermaßen sind von seiten der Politik Voraussetzungen zu schaffen, damit die Senioren ihre ganz spezifischen Interessen auch in die allgemeine politische Diskussion einbringen können. Aus diesem Grund ist das nunmehr vorliegende Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation aus Sicht der Sozialdemokratie zu begrüßen.

Grundsätzlich wurde intensiv daran gearbeitet, die besonderen Wünsche und Anliegen der älteren Generation umfassend zu berücksichtigen. Die Politik hat meiner Ansicht nach auch die Aufgabe, legistische Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Schlagwort vom Generationenkonflikt erst gar nicht zu einer realen Gefahr für unsere Gesellschaft werden lassen. Die demographische Entwicklung stellt uns vor die schwierige Aufgabe, einen langfristig tragbaren Kompromiß zu finden zwischen den berechtigten Forderungen der Senioren nach einem abgesicherten Lebensabend und einem adäquaten Anteil am Wohlstand auf der einen Seite und der Belastbarkeit der jüngeren Generation andererseits. Hier sind wir, meine Damen und Herren, gefordert, auf Basis eines Generationenvertrages einen langfristig tragbaren und finanzierbaren Kompromiß zu finden.

Mit dem vorliegenden Bundes-Seniorengesetz wird der Bundes-Seniorenbeirat auf eine gesetzliche Ebene gehoben. Damit wird diese seit langem bewährte Einrichtung, die Interessenvertretung der Senioren, einen besonderen Status erhalten. Dies sehe ich als positive Absicherung der Seniorenvertretung, wobei die direkte Ansiedelung beim Bundeskanzleramt einen unmittelbaren Einfluß der Seniorenvertreter garantiert. Wichtig ist auch die genaue Festlegung der inneren Organisation dieses Beirates.

Andererseits wird die allgemeine und besondere Förderung der Senioren im Gesetz definiert. Dabei läuft diese Förderung richtigerweise über die Seniorenorganisationen, die – und das sollte man hier auch einmal besonders unterstreichen – eine wichtige und sehr hervorragende Funktion in unserer Gesellschaft innehaben. Gewährt wird diese allgemeine Seniorenförderung für die Information, die Beratung und die Betreuung der Senioren. Umfragen haben ergeben, daß es genau diese Bereiche sind, die sich Senioren als Angebot wünschen. Im Detail wünschen Sie sich Informationen, professionelle Beratung, Freizeitangebote, Lebenshilfe, Bildungsangebote sowie Sport- und Diskussionsveranstaltungen.

Ich glaube, daß die bestehenden Seniorenorganisationen diese Aufgaben ausgezeichnet erfüllen und daher mit Recht in ihrem Wirken seitens der öffentlichen Hand unterstützt werden. Dabei ist es für mich selbstverständlich, daß die allgemeine Förderung nach Stärke und Leistungsfähigkeit der jeweiligen Organisation aufgeteilt wird, denn je mehr eine Seniorenorganisation leistet, desto mehr Mitglieder wird sie haben, und desto mehr Unterstützung verdient sie auch.

Im Rahmen einer flexiblen Förderung erachte ich auch die Möglichkeit einer besonderen Förderung von seniorenspezifischen Projekten auf Antrag durch den Bundeskanzler für wichtig. Auch im Seniorenbereich gibt es ausgezeichnete Projektideen, die die gleiche Unterstützung verdienen wie in anderen Bereichen.


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Mit dem vorliegenden Gesetz sehe ich die politische Aufgabe verwirklicht, Senioren als gleichberechtigte Interessenpartner in der laufenden politischen Diskussion zu verankern. Durch die gesetzliche Basis dieser Verankerung wird der großen Gruppe der Senioren auch der gebührende Stellenwert eingeräumt. Damit wird auch gewährleistet, daß die Seniorenvertreter der Politik immer wieder die zweifellos vorhandenen Probleme und Defizite in ihrem Bereich vor Augen halten können. Diese Probleme dürfen nämlich nicht unter den Tisch der Wohlstandsgesellschaft fallen, auch wenn wir bei den Pensionen eine mehr als vorzeigbare Entwicklung haben.

Wenn wir das Jahr 1984 hernehmen und als Basis 100 annehmen, dann stiegen die Verbraucherpreise seitdem auf 140 Prozent, die Pensionen jedoch auf 150 und die Ausgleichszulagen auf 185 Prozent. Diese Resultate sind auch im internationalen Vergleich wirklich herzeigbar.

Dennoch wird die Politik weiterhin die kritische Stimme der Seniorenorganisationen und Seniorenvertreter berücksichtigen müssen – und sicherlich auch berücksichtigen.

Mit dem Bundes-Seniorengesetz schaffen wir die notwendige legistische Basis, um die Interessenvertretung der Senioren und die Seniorenförderung langfristig und sinnvoll abzusichern. Aus diesem Grund werden wir, meine Damen und Herren, von seiten der Sozialdemokratie diesem Gesetzesvorschlag die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.31

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Therese Lukasser das Wort. – Bitte.

17.31

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Wir werden immer früher alt. Der Stellenmarkt im Anzeigenteil der Zeitungen macht uns das täglich und unerbittlich klar. "Verstärken Sie unser junges, dynamisches Team" heißt es da. Gesucht werden ein Verkaufsleiter, ein Marketingassistent, ein Pharmareferent oder auch ein Parteisekretär.

Man gewinnt den Eindruck, daß Jungsein an sich bereits genügend Qualifikation ist. Der übertriebene Jugendkult – ein Phänomen der Konsumgesellschaft – verhindert fast jede Möglichkeit, das Alter positiv zu sehen. Ich begrüße daher die heute zu beschließende Vorlage, die die Bezeichnung "Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation" trägt. Meine Fraktion wird gerne die Zustimmung erteilen.

Mag. Repar hat die Ziele des Gesetzentwurfes schon erläutert, auch von den demographischen Zahlen hat er schon geredet, ich kann mir das daher ersparen und mich etwas kürzer halten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Am 16. Dezember 1991 nahm die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Resolution 46/91 an, in der die Grundsätze der Vereinten Nationen für die älteren Menschen niedergelegt sind, um – wie es dort wörtlich heißt – die Jahre, die dem Leben hinzugefügt wurden, mit Leben zu erfüllen. Die Regierungen wurden ermuntert, diese Grundsätze, wo immer möglich, in ihre nationalen Programme aufzunehmen. Und 1999 wurde bekanntlich zum Internationalen Jahr der älteren Menschen ausgerufen.

Zur Vorbereitung und Begleitung dieses Jahres wurde mit Zustimmung des Ministerrats im Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie ein österreichisches Nationalkomitee eingerichtet, das unter dem Vorsitz von Bundesminister Dr. Bartenstein steht. In Arbeitskreisen, die sich in den vergangenen Wochen konstituiert haben, werden inhaltliche Fragestellungen zu diesen UNO-Grundsätzen erarbeitet, die da heißen: Unabhängigkeit, Teilhabe, Versorgung, Selbstverwirklichung, Menschenwürde.

Ich möchte nur einige herausgreifen, und zwar gleich den ersten Grundsatz: Unabhängigkeit – klingt für uns einfach und selbstverständlich. Nicht selbstverständlich ist er in vielen Mitgliedslän


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dern der UNO, wenn es heißt, die älteren Menschen sollen Zugang zu Lebensmitteln, Wasser, Unterbringung, Bekleidung und Gesundheitsversorgung haben.

Ein weiterer Grundsatz ist die Teilhabe. Ein Altersrat einer Schweizer Gemeinde hat gesagt: Wir wollen keine Macht, aber wir dulden keine Ohnmacht! – Die älteren Menschen sollen in der Gesellschaft integriert bleiben, sich aktiv an der Formulierung und Umsetzung politischer Konzepte, die ihr Wohl und Wehe unmittelbar betreffen, beteiligen und ihr Wissen und ihr Können mit den jüngeren Generationen teilen.

Zum Grundsatz Versorgung. Das sind für uns auch mehr oder weniger Selbstverständlichkeiten: Gesundheitsversorgung, Zugang zu den juristischen Diensten, Zugang zur stationären Pflege und so weiter. Da möchte ich mich kurz halten.

Zum Grundsatz der Selbstverwirklichung. Die älteren Menschen sollten in der Lage sein, die Möglichkeiten zur vollen Entfaltung ihres Produktivpotentials auszuschöpfen und Zugang zu den Bildungs-, Freizeit- sowie den kulturellen und geistigen Angeboten der Gesellschaft haben. Ich glaube, das ist in unseren Ländern ohnedies der Fall.

Und schließlich zum Grundsatz der Menschenwürde. Die älteren Menschen sollten in der Lage sein, in Würde und Geborgenheit zu leben und von Ausbeutung und körperlichem oder geistigem Mißbrauch bewahrt zu bleiben.

Zusammenfassend möchte ich eine Formulierung des Pastoraltheologen Zulehner zitieren: Wir stehen an einer historischen Wegkreuzung zwischen einer zukunftsarmen Entsorgungsgesellschaft und einer zukunftsoffenen Solidargesellschaft. Gelingt es, den vorhandenen Wunsch der Menschen nach belastbarer Solidarität zu leben, lassen sich auch demokratische Mehrheiten für eine solidarische Politik finden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrat Dr. Tremmel zieht sich sein Sakko an.)

17.37

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis für die kleine Verzögerung. Ich möchte mich courtoisiegerecht gekleidet Ihnen gegenüber geben, was vor allem mein Kollege Gudenus immer wünscht.

Durch die Entwicklung der Altersstruktur – wir haben es schon gehört – der Bevölkerung in Österreich kommen den Fragen, die die älteren Generationen betreffen, immer größere Bedeutung zu. Es wurde bereits dargelegt, daß der Anteil der Seniorinnen und der Senioren immer größer wird. Im Jahr 2010 werden 40 Prozent der Menschen – Frauen ab 55, Männer ab 60 – in diesem Altersbereich angesiedelt sein. Es gebührt daher – und das bezweckt dieses Gesetz – natürlich auch der Dank den einzelnen Seniorenorganisationen dafür, daß sie sich, bevor es eine entsprechende gesetzliche Vorsorge gegeben hat, mit diesem Problem und vor allem mit den Menschen befaßt haben. Institutionalisiert wird das durch diese Vorlage, die derzeit in Behandlung steht.

Damit ist auch sichergestellt, daß etwa ein Bundeskanzler nicht mehr an die Senioren schreiben muß und entsprechende Haftungen für die (Bundesrätin Schicker: Also, Herr Kollege!)  – na ist ja geschehen, oder ist das nicht geschehen, Frau Kollegin Schicker? – Auszahlung der Pensionen übernehmen muß. – Ich glaube, er hat sogar zweimal geschrieben.

Aber nicht allein das ist der Grund. Wir unterlassen es derzeit leider, daß hier ein Wissens-, Lebens- und Erfahrungspotential genützt wird ... (Bundesrat Konečny: Wenn Sie das tun, ist das Ihr Problem! Wir tun das nicht!) – Herr Kollege Konečny! Sie haben immer die Möglichkeit eines Zwischenrufs, aber Sie müssen sich konzentrieren. (Bundesrat Konečny: Diese Möglichkeit habe ich gerade genützt!) Entweder lesen Sie Ihre Zeitung oder Sie hören zu. Sie werden gleich hören, warum. Und Sie tun es leider Gottes auch, und ich werde Ihnen einige Beispiele


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bringen. (Bundesrat Konečny: Ich höre immer zu, sonst könnte ich keinen Zwischenruf machen!)

Unter anderem schreibt der Geschäftsführer des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, Dr. Alois Schützenhöfer: Ein Leben ohne Führerschein ist für Senioren sinnvoll. – Was soll das eigentlich? Wenn man sich die Unfallstatistik anschaut, sieht man, daß der Anteil bei den 16- bis 25jährigen 38 Prozent beträgt, bei den Senioren hingegen nur 5,2 Prozent.

Ich glaube, solche Vorschläge – es ist vorhin gerade ein Zwischenruf von Herrn Kollegen Konečny gemacht worden – sind nicht sehr sinnvoll und führen zur Diskriminierung und Ausgrenzung einer Generation, die nicht nur dieses Land aufgebaut hat, sondern die erhebliche Erfahrungswerte hat und diese nach wie vor einbringen könnte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was sollen diese wenig Sinn gebenden Bestimmungen, wonach jemand, der in Pension ist, nicht mehr arbeiten darf? Warum gewährt man jemandem nicht die Pension und erlaubt es ihm trotzdem, arbeiten zu gehen? Das, was jemand an Pension erhält, hat er sich während seiner Lebensarbeitszeit erworben. Wenn jemand zusätzlich arbeitet, dann muß er ohnehin Abgaben zahlen und unter anderem auch in die Pensionskasse einzahlen. So eine Regelung fehlt! Warum ist das bis jetzt nicht passiert?, frage ich.

Ich möchte heute hier nicht nur den legislativen Bereich anschneiden, sondern auch den Bereich der Wirtschaft, der versucht, der Jugend oder sonst jemandem gerecht zu werden, seniorengerecht ist er eigentlich noch nicht. Es geht nicht nur um die Ermittlung der Konsumgewohnheiten in einem Supermarkt. Wie ist das mit der Erreichbarkeit der Waren? Wie ist das mit den Aufschriften? Wie ist das mit dem Vorhandensein von Kleinpackungen? Wie ist es mit dem Schlangestehen bei der Kasse? Wie ist es mit der mangelnden Beratung? Wie ist es mit der leider auch eingetretenen Kontaktarmut? – Man hat in vielen Fällen die älteren Mitbürger auf ein zwar manchmal sehr bequemes, aber trotzdem Abstellgleis des Lebens gestellt. – Das wäre etwa ein Appell, der an die Wirtschaft zu richten wäre.

Es ist nach wie vor darauf zu achten, daß die Sicherung des Generationenvertrages auch durch eine entsprechende Pensionsreform, wo das ein bißchen kleiner wird, erfolgt. Die Rechte der Pensionisten sind grundsätzlich im Zusammenhang mit den Rechten der Erwerbsgeneration zu sichern. Es darf nicht zu einer weiteren Verunsicherung der österreichischen Bevölkerung und auch der Pensionisten durch immer wieder erfolgende Eingriffe in das Pensionssystem kommen, bis das Vertrauen der Bevölkerung endgültig geschwunden ist. Auch eine Aufgabe, die die Bundesregierung erfüllen könnte.

Ein Beitrag der österreichischen Pensionisten zur Budgetkonsolidierung – weil hier gefragt wurde – erfolgte 1996 dadurch, daß die Reallohnerhöhung bei den Pensionen lediglich 1,7 Prozent betrug. 1997 hatten sie einen Einkommensverlust – dies trotz der von mir vorhin ausgesprochenen sogenannten Pensionsgarantie, die vom ehemaligen Bundeskanzler abgegeben worden war – von rund 2 Prozent. Das kann es doch nicht sein. Alte Menschen sollten sich auf etwas verlassen können, und es sollte eine entsprechende Vertrauensbasis gegeben sein, die allerdings auch inkludieren müßte, daß das entsprechende Einkommen, die entsprechenden Pensionen gesichert sind.

Wir Freiheitlichen werden dieser Regierungsvorlage die Zustimmung geben und meinen, daß es zu einer raschen Umsetzung des Drei-Säulen-Modells kommen sollte, das nicht allein Ergebnis unseres Denkprozesses ist. In einer großen Kommune – ich habe seinerzeit darüber berichtet –, nämlich in Graz, ist dieses bereits umgesetzt worden: also staatliche Basis, betriebliche Vorsorge und private Eigenvorsorge. Da könnte der Staat ein bißchen mithelfen und eingreifen.

Dieses Förderungspaket für die betriebliche und private Vorsorge ist also durchzusetzen. Es wäre vom Sozialministerium ein Gesamtkonzept zu erarbeiten, im Rahmen dessen verbindlich festgestellt werden sollte, daß dieses auf Basis des Drei-Säulen-Modells zu entwickeln ist. Es ist eine Aktivierung des bestehenden Reformpotentials vorzunehmen. Ich erwähne die 28 Sozialversicherungsträger, wo man zusammenfassend tätig sein und somit entsprechende Einsparungen erreichen könnte, die allen und damit auch der älteren Generation wieder zugute kommen


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könnten. Keine weiteren indirekten und versteckten Pensionskürzungen, wie ich sie vorhin ausgeführt habe. Die bisherige Praxis der Bundesregierung, durch versteckte oder indirekte und zumeist einseitige Belastung der Senioren die Pensionen weiter de facto netto zu kürzen, ist bis zur Erstellung des reformierten Pensionssystems unzulässig. Dies gilt besonders für den Gleichheitsgrundsatz, der in der Bundesverfassung festgelegt ist, zuwiderlaufende Belastungen, wie die Erhöhung der Krankenkassengebühren – auch hier passiert – nur für Senioren und Pensionisten. Auch das ist zu unterlassen.

Unter diesem Prätext werden wir dieser Vorlage zustimmen und keinen Einspruch erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.46

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Irene Crepaz. Ich erteile ihr das Wort.

17.46

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es leben in der EU zirka 70 Millionen Menschen im Alter von über 60 Jahren. Das macht zirka ein Fünftel der Gesamtbevölkerung aus. Im Jahr 2020 wird der Anteil bei ungefähr 25 Prozent, also bei einem Viertel, liegen. Innerhalb dieser Kategorie nimmt der Anteil der Hochbetagten, also der über 80jährigen, noch viel stärker zu.

Wenn die europäische Bevölkerung immer älter wird, so hat das natürlich Folgen für das Funktionieren unserer Gesellschaft. In der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer und der Arbeitnehmerinnen ist das Recht des älteren Menschen auf einen angemessenen sozialen Schutz und auf ausreichende Leistungen bei Krankheit festgeschrieben. Dieses Recht ist leider nicht einklagbar.

Was kann die Politik tun? Die Hauptbereiche der Politik für ältere Menschen, also die soziale Sicherung, die Bereitstellung altersgemäßer Wohnmöglichkeiten und die allgemeine Integration älterer Menschen in das gesellschaftliche Leben, liegen nicht im Kompetenzbereich der Europäischen Union, sondern die Mitgliedstaaten sind für eine funktionierende Altenpolitik verantwortlich und zuständig.

Vor diesem Hintergrund ist die Einrichtung des Bundesseniorenbeirates ein Schritt in die richtige Richtung. Der Dialog zwischen politischen Entscheidungsträgern und Vertretern der Seniorenorganisationen stellt für diese Gruppe eine Möglichkeit dar, aus ihrem politischen Schattendasein herauszutreten. Die Pensionistenvereinigungen haben es leider bisher verabsäumt beziehungsweise es wurde ihnen keine geeignete Möglichkeit eingeräumt, sich in unserem Land gestalterisch zu betätigen. Es haftet ihnen das Bild von Gruppierungen an, die sich hauptsächlich um die Organisation der Freizeit älterer Menschen kümmern.

Wie eingangs erwähnt, dauert der sogenannte Lebensabend immer länger. Ich meine, daß man in Ausflügen und Kartenspielen allein nicht die Erfüllung findet. Es ist für uns alle wichtig, daß wir unseren Platz und unsere Aufgabe in der Gesellschaft übernehmen. Welche Fragen stehen an? Welche Aufgaben sind zu lösen? Wie kann der Diskriminierung von älteren Arbeitnehmern angesichts der derzeit angespannten Situation des Arbeitsmarktes entgegengewirkt werden? Wie soll das Zusammenleben und Zusammenwirken der Generationen in Zukunft aussehen? Wie kann die finanzielle Sicherheit älterer Menschen gewährleistet werden? Welche sozialen, wirtschaftlichen, gesundheitspolitischen und kulturellen Maßnahmen sollen in der Seniorenpolitik langfristig getroffen werden? Wie kann die ältere und die jüngere Generation bei der Schaffung eines Gleichgewichts zwischen Tradition und Innovation in der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung zusammenwirken?

Der Seniorenbeirat kann durch aktives Gestalten dazu beitragen, daß die Senioren in Zukunft als ernstzunehmendes und wichtiges Mitglied der Gesellschaft angesehen werden und nicht wie bisher oft als Belastung. Auch das österreichische Nationalkomitee, das im Vorfeld des Internationalen Jahres des älteren Menschen 1999 eingesetzt wurde, wird sich mit den Anliegen einer aktiven Seniorenpolitik und einem längerfristigen seniorenpolitischen Programm beschäftigen.


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Deshalb ist es für die Akteure in diesem Bereich umso wichtiger, einen ausgezeichneten Informationsfluß untereinander sicherzustellen. Für die Betroffenen ist es unabdingbar, in Solidarität miteinander mit einer Stimme zu sprechen, sich in der Politik Gehör zu verschaffen, Lobbying zu betreiben und den Anliegen dieses wichtigen Teiles der Bevölkerung zu angemessener Beachtung zu verhelfen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.50

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Franz Wolfinger das Wort.

17.50

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Hohes Haus! Der Nationalrat hat am 18. Juni dieses Jahres ein Bundesgesetz über die Förderung von Anliegen der älteren Generation beschlossen. Dieses Bundes-Seniorengesetz kann als historischer Meilenstein für die künftige Seniorenpolitik in Österreich bezeichnet werden. Es wurde damit eine überparteiliche Interessenvertretung der älteren Generation endlich auch gesetzlich verankert.

Durch die Entwicklung der Altersstruktur der Bevölkerung Österreichs kommt – wie heute schon gesagt wurde – jenen Problemen, die die ältere Generation betreffen, immer größere Bedeutung zu. Laut Österreichischem Statistischem Zentralamt, Jahrbuch 1997, ist folgende Entwicklung bei der älteren Generation festzustellen: Im Jahre 1951 betrug die Gesamtzahl der Bevölkerung Österreichs 6 933 905 Personen. Bis zum Jahr 1991 erhöhte sich diese Zahl auf 7 795 786. Die Zahl der Frauen, die älter als 55 Jahre sind, und die der Männer, die älter als 60 Jahre sind, betrug damals 1 786 696. Seit der letzten Volkszählung im Jahr 1991 erhöhte sich diese Zahl auf 1 859 516.

Sieht man sich die Zahlen seit dem Jahre 1991 an, so kann man feststellen, daß sich der Trend der Überalterung in Österreich auf jeden Fall weiter fortsetzt. Das heißt, daß bis zum Jahr 2030 die Zahl der über 60jährigen von derzeit zirka 1,7 Millionen auf zirka 2,8 Millionen Personen anwachsen wird. Waren im Jahr 1900 nur 7 Prozent, also weniger als ein Zwölftel, der Bevölkerung über 60 Jahre und nicht einmal ein Prozent über 75 Jahre alt, so hat sich dieses Bild in den letzten Jahren wesentlich geändert. In Zukunft wird wohl das Wort "Alterspyramide" nur noch unter Anführungszeichen verwendet werden. Vielmehr wird man dann von einem "Altersrechteck" sprechen müssen. In weniger als 35 Jahren wird ein Drittel aller Einwohner Österreichs über 60 Jahre alt sein, nämlich zirka 2,8 Millionen, darunter fast eine Million über 75 Jahre, nur noch ein Achtel wird jünger als 15 Jahre sein.

Das Älterwerden der Bevölkerung hat mehrere Ursachen, die in keinem Zusammenhang miteinander stehen, sich aber gegenseitig verstärken. Die erste Ursache liegt auf der Hand: Es ist die steigende Lebenserwartung. Derzeit beträgt sie in Österreich bei Männern durchschnittlich 74 Jahre und bei Frauen bereits 80 Jahre. In jedem Jahrzehnt steigt die Lebenserwartung um zirka drei Jahre an.

Die zweite Ursache ist die geringe Kinderzahl pro Familie. Im Jahre 1995 betrug sie durchschnittlich 1,4 Kinder; in Vorarlberg waren es immerhin noch 1,7 Kinder.

Die dritte Ursache ist die zu erwartende beziehungsweise von uns gewollte Einwanderungsbeschränkung. Die Einwanderung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus dem Ausland bremst bekanntlich die Alterung der Gesamtbevölkerung. Das politische Ziel, in den nächsten Jahren möglichst wenige Personen zuwandern zu lassen, beraubt uns leider dieser Bremse. Es besteht sogar die Absicht, etliche hier lebende Ausländer wieder in ihre Heimat zurückzuschicken.

Der Alterungsprozeß betrifft alle Regionen Österreichs, wobei ein Ost-West-Gefälle deutlich erkennbar ist. Im Westen Österreichs, also in Vorarlberg, Tirol und Salzburg, sind eine höhere Lebenserwartung, über dem Durchschnitt liegende Kinderzahlen und mehr Zu- als Abwanderung zu verzeichnen. Ganz anders ist die Situation in Kärnten, in der Steiermark und im Burgenland. In diesen Bundesländern liegen sowohl die Lebenserwartung als auch die Familiengröße


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unter dem österreichischen Durchschnitt. Zugleich dominiert die Abwanderung. Die Folge ist eine schrumpfende Bevölkerungszahl.

Ein Vergleich zwischen Wien und Vorarlberg: Die Bundeshauptstadt Wien hatte im ganzen 20. Jahrhundert den größten Anteil an älteren Menschen. Das war hauptsächlich durch sehr niedrige Kinderzahlen und starke Abwanderung junger Erwachsener bedingt. Wien hat auch schon jenen Altersschub hinter sich, der dem Rest Österreichs leider noch bevorsteht. Im Gegensatz dazu hat Vorarlberg die jüngste Bevölkerung Österreichs. Dafür sorgten in der Vergangenheit die hohen Kinderzahlen und die Zuwanderung aus dem In- und Ausland. Diese relativ günstige Ausgangslage wird nun zum Problem. In den nächsten zwei Dekaden hat Vorarlberg von allen Bundesländern altersmäßig die am raschest wachsende Bevölkerung.

Was bedeuten all diese Veränderungen für unsere Gesellschaft? – Üblicherweise bewirken demographische Veränderungen eine Revolution auf leisen Sohlen, weil sich mit gleichem Tempo die Relation zwischen den Erwerbstätigen und den Pensionisten verschlechtert. 1977 finanzierten noch 1 000 Erwerbstätige 511 Pensionisten, heute sind es 620. Die Zahl der 80jährigen wird sich verfünffachen. Derzeit gibt es in Österreich 274 000 Personen über 80 Jahre, in absehbarer Zeit werden es 1,4 Millionen Menschen sein. Diese hohe Zahl von alten Menschen wird einen enormen Bedarf an Pflegepersonal verursachen. Es ist vorauszusehen, daß die Gesundheitskosten explodieren werden.

Es wurde festgestellt, daß sich lediglich eine Minderheit der Gesamtbevölkerung Sorgen um das persönliche Älterwerden macht. Tatsache ist aber auch, daß 80 Prozent der Österreicher befürchten, künftig Pensionskürzungen hinnehmen zu müssen. Viele jüngere Menschen befürchten, daß die Finanzierungsprobleme ausschließlich zu Lasten der jüngeren Generation gelöst werden könnten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies ist nur ein kurzer Überblick über die Problematik, die uns in den nächsten Jahren bevorstehen wird. Aus meiner Sicht ist es daher sehr zu begrüßen, daß nun die älteren Bürger Österreichs, die zusammen mehr als ein Drittel aller Wähler ausmachen, erstmals auch gesetzlich dokumentiert ein Mitspracherecht erhalten. Bei uns in Oberösterreich gibt es ein Sprichwort: Wenn ein Bauer seinen Hof übergibt, dann gibt es die vier M, die heißen: mitarbeiten, mitessen, mitzahlen und Maul halten. Ich glaube, mit dem Bundes-Seniorengesetz ist das Maulhalten beendet, denn die Seniorenorganisationen erhalten damit ein Mitspracherecht eingeräumt.

Ich glaube, daß von den Seniorenorganisationen – wie dies heute von meinen Vorrednern bereits gesagt wurde –, ganz gleich, welcher politischen Richtung sie angehören, großartige Arbeit bei der Betreuung der älteren Mitbürger geleistet wurde. Dies erfolgt in vielen Formen: in Form von Ausflügen, Haus- und Krankenbesuchen, Rechtsberatung und vielem mehr. Ich begrüße daher die Einführung dieses Bundes-Seniorengesetzes, denn damit wird den Anliegen der älteren Generation in berechtigter Form Rechnung getragen. (Präsident Gerstl übernimmt den Vorsitz.)

Ich bedanke mich bei all jenen, die dazu beigetragen haben, daß dieses Bundes-Seniorengesetz beschlossen wurde, und ich bin mir sicher, daß viele tausend Seniorinnen und Senioren dies mit großer Freude aufnehmen werden. Die ÖVP wird diesem Gesetz sicher gerne ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP. )

17.58

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

17.58

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! – Jetzt habe ich die Unterlage vergessen, aber es macht nichts. – Die hervorragenden Vorredner und die noch bedeutsameren Inhalte der Reden meiner Vorredner verleiten mich dazu, von meinem Konzept abzugehen. Es liegt ohnedies dort drüben. (Allgemeine Heiterkeit. – Bundes


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rätin Schicker: Ich dachte, Sie haben es vergessen! – Bundesrat Konečny: Was stimmt jetzt: die erste oder die zweite Version?) Herr Kollege, lassen Sie nur!

Ich möchte trotzdem ein paar Punkte anführen, von denen ich meine, daß sie hier noch nicht gesagt worden sind. Ich halte es für betrüblich, daß man Senioren oft nur mit bestimmten Vorstellungen in Verbindung bringt, was hier, wie ich weiß, nicht geschehen ist: Sie stehen beim Greißler und freuen sich, daß sie dort noch einen Ansprechpartner finden, oder sie stehen in der Kolonne im Supermarkt, sofern sie das wollen, oder sie sitzen in der Arztpraxis herum. Das geht an der Wirklichkeit vorbei, auch wenn man vielleicht beim Einkaufen oder beim Arzt manchmal diesen Eindruck bekommt.

Die Mehrzahl der Senioren – ich beziehe mich jetzt auf einen Artikel beziehungsweise einen Vortrag von Professor Bruckmann, der einst im Hohen Haus ein Kollege von uns war – sind Personen, die rüstig ins Pensionsalter gegangen sind und nicht krankheits- und altersgeschwächt Unterhaltung suchen. Wir haben eine Veränderung der Generationen zur Kenntnis nehmen müssen. Es ist falsch, von drei Generationen zu sprechen. Wir haben heutzutage gelebte vier Generationen. Das spricht für unseren Sozialstaat, das spricht für die Leistungen des Sozialstaates, und das spricht für all jene, die diesen Sozialstaat mitaufgebaut haben.

So müssen wir eben feststellen, daß es Senioren gibt, die in diesem Land sehr wohl auch noch durch ihre persönliche Leistung zur Wertschöpfung beitragen. Aber wir wissen auch, daß es Senioren gibt, die diese Wertschöpfung, diese geschaffenen Werte nützen, ja nützen müssen. Und diese zwei Gruppierungen von Senioren müssen wir heutzutage besonders beachten. Wir sollen jene, die an der Wertschöpfung teilnehmen können, ermuntern, an dieser weiterhin teilzunehmen, und wir sollten sie nicht durch eine restriktive Gesetzgebung an ihrer Entfaltung hindern. Sie sind nicht nur noch Babysitter für die vereinzelten Babys, die in den Familien vorhanden sind. Es sind tatkräftige, unternehmungslustige Leute, die oft von jungen Leuten dadurch zu unterscheiden sind, daß sie wissen, was sie wollen, und wissen, wohin sie wollen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich kann deshalb recht leicht darüber sprechen, weil ich vor knapp zehn Tagen – oder schon 14 Tage – zum freiheitlichen Wiener Seniorenobmann gewählt worden bin. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Rauchenberger: Dann wird es ja Zeit zum Aufhören!) Ich weiß daher, welche Gruppen von Senioren es gibt. Wir haben in dieser unserer Vereinigung Senioren, die wir niemals sehen oder fast nie sehen werden. Es sind jene, die ihre Wohnung nicht mehr verlassen können. Aber wir haben eine andere Gruppe von Senioren, die tüchtig, fleißig, unternehmungslustig und reisefreudig ist und alle angebotenen Projekte annimmt. Diese Senioren sind natürlich am leichtesten zu betreuen. Am schwierigsten sind die "unsichtbaren" Senioren, also die Gruppe derer, von der wir wissen, daß sie wohl vorhanden ist, aber nicht mehr uns gegenüber in Erscheinung treten kann. Und ich glaube, diese Gruppe – das ist die vierte Generation – bedarf unserer Zuwendung.

Noch etwas: Erinnern Sie sich an das vor rund 30 bis 35 Jahren gelebte Ideal der Jugendeuphorie, das es auch in der Politik gegeben hat: Denken wir an einen Staatssekretär Neisser, an einen Mock als Staatssekretär oder an einen Finanzminister Androsch – insbesondere Androsch. (Heiterkeit.) Diese Jugendlichen haben viel dazu beigetragen, daß wir eine ungeheure Staatsverschuldung akkumuliert haben. Die alten Herren, die alten Damen hätten in ihrer Verantwortung um das Gemeinwohl sicherlich nicht so leichtsinnig gewirkt und gearbeitet wie die Jungen damals. Inzwischen sind sie gereift. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich rufe Sie alle auf: Sagen Sie Ihrem Freundeskreis, der sich zu den Senioren rechnet: Bleibt aktiv! Macht mit, auch in der Politik! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.05

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


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Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Mai 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, das Zustellgesetz, das Agrarverfahrensgesetz, das Auskunftspflichtgesetz, das Auskunftspflicht-Grundsatzgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Sicherheitspolizeigesetz, das Fremdengesetz 1997, das Handelsgesetzbuch, das Volksanwaltschaftsgesetz 1982, das Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996, das Verlautbarungsgesetz 1985 und das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert werden (1167/NR sowie 5676/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zu Punkt 5 der Tagesordnung:

ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, das Zustellgesetz, das Agrarverfahrensgesetz, das Auskunftspflichtgesetz, das Auskunftspflicht-Grundsatzgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Sicherheitspolizeigesetz, das Fremdengesetz 1997, das Handelsgesetzbuch, das Volksanwaltschaftsgesetz 1982, das Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 1996, das Verlautbarungsgesetz 1985 und das Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wolfram Vindl übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Wolfram Vindl: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Beschluß liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich daher auf die Verlesung des Beschlußantrages.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. – Bitte.

18.07

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus von Kollegen Vindl ist nur beschlußmäßig inhaltlich zur Kenntnis gebracht worden. Er liegt aber allgemein vor und bringt zum Ausdruck, daß es sich bei der vorliegenden Novelle um eine grundlegende Modernisierung der geltenden Verwaltungsverfahrensgesetze handelt. Im besonderen bringen diese umfangreichen und für die Praxis sehr bedeutsamen Änderungen einerseits eine Verfahrensbeschleunigung und andererseits die leichtere Bewältigung von Massenverfahren mit sich. Sie sind allein deshalb schon sehr zu begrüßen.

Die damit verbundenen Änderungen sind aber auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sehr sinnvoll. Sie werden sicher mit mir einer Meinung sein, wenn ich behaupte, daß durch diese Verwaltungsreform der Wirtschaftsstandort Österreich bedeutend an Attraktivität gewinnen wird. Denken Sie an die vielen neuen Arbeitsplätze, an die Unternehmensgründungen – diese werden


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in Zukunft leichter möglich sein – und an die zahlreichen zusätzlichen Beschäftigten in unserem Land, die das Ergebnis dieser Gesetzesänderung sein werden.

Mit dieser Novelle ist ein großes Stück Verwaltungsreform gelungen. Das Instrument Verwaltung kann dadurch besser bedient werden, und es wird weniger ein Hindernis als vielmehr Antrieb und Motor sein. Die Verfahren werden künftig vereinfacht, beschleunigt und vor allem auch verbilligt. So wird zum Beispiel die Verfahrensweise bei Großverfahren mit mehr als 100 Beteiligten reformiert, ohne dabei den Rechtsschutz des Bürgers außer acht zu lassen. Erstmals kann auch der momentane Stand der Technik – aus dem administrativen und kommunikativen Bereich einer modernen Büroorganisation von heute nicht mehr wegzudenken – offensiv im Verwaltungsverfahrensablauf genützt werden. Maßnahmen zur Verfahrenskonzentration und Maßnahmen zur verbesserten Verfahrensplanung für kompaktere Abläufe werden durch diese Neuregelung miterfaßt.

Besonders hervorheben möchte ich auch, daß mit diesen Maßnahmen eine völlig neue Gestaltung der Verhältnisse Bürger und Behörde oder Behörde und Parteien, Behörde und Betroffene, Behörde und Antragsteller, Behörde und Anrainer oder Behörde und Nachbarn möglich sein wird. Dies ist meiner Einschätzung nach überhaupt das entscheidende Element dieser Änderung.

Das neue Verhältnis im Verwaltungsverfahren wird fair sein, aber trotzdem klare Grenzen setzen. Die Behörde wird aufgrund der neuen allgemeinen verfahrensgesetzlichen Bestimmungen rechtzeitig umfassend beraten, sie wird beteiligen, sie wird hören, und sie wird begutachten. Der Bürger wird somit einen zusätzlichen und verbesserten Zugang zum Recht haben. Irgendwann aber – dies wird durch dieses Gesetz nunmehr früher als bisher beziehungsweise überhaupt erst jetzt möglich sein – wird eine Entscheidung fallen und fallen müssen.

Ursprünglich vom ÖVP-Abgeordneten Kopf und Kollegen, im besonderen von der Wirtschaftskammer als Initiativantrag eingebracht, hätte sein damaliger Inhalt lediglich den Unternehmungen Vorteile, den Bürgern jedoch massive Beeinträchtigungen gebracht. Der darauffolgende SPÖ-Entwurf hat dann die Dinge erfreulicherweise ins richtige Lot gebracht, wodurch schließlich inhaltlich sehr ausführliche Debatten auf parlamentarischer Ebene folgten.

Mein Dank gilt daher jenen Mandataren und Klubbediensteten – egal welcher Fraktion –, die vielfach über ihren eigenen Schatten sprangen. Er gilt ebenso den vielen Ministerialbeamten und Wissenschaftern, die es verstanden haben, mit dem vorliegenden Entwurf eine neue Zeit im österreichischen Verwaltungsverfahren einzuleiten. Meine Fraktion wird daher der gegenständlichen Vorlage gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.11

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Günther Hummer. Ich erteile es ihm.

18.11

Bundesrat Dr. Günther Hummer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Das Herz der umfassenden vorliegenden Regelung, die insbesondere eine große Novelle zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz – dem AVG – bringt, sind die Bestimmungen über Großverfahren und die Neuregelung der sogenannten Präklusionsfolgen.

Was Großverfahren betrifft, so wird im vorliegenden Gesetzesbeschluß nicht von Kriterien des geplanten Vorhabens ausgegangen, sondern vielmehr von der Anzahl der voraussichtlich an einem Verfahren Beteiligten.

Wenn an einer Verwaltungssache – allenfalls einer verbundenen Verwaltungssache – voraussichtlich mehr als 100 Personen beteiligt sind, so kommen, sofern sich die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen dazu bestimmt findet, die Bestimmungen über Großverfahren zur Anwendung. Schon die Formulierung des neuen § 44a auf Vergehen läßt keinen Zweifel daran, daß es die Behörde nach Überlegungen der Zweckmäßigkeit bei der Anwendung der bisherigen Be


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stimmungen des AVG belassen kann oder daß sie die Bestimmungen über Großverfahren anwendet, wenn dies der Sache und den Interessen der Beteiligten dienlich erscheint.

Die Bestimmungen über Großverfahren eröffnen die Möglichkeit, das erstinstanzliche Verfahren im Wege eines Ediktes durchzuführen. Ein solches Edikt hat einer Reihe von Formvorschriften zu entsprechen, zu denen insbesondere eine ausreichende Beschreibung des projektierten Vorhabens zählt.

Ferner hat das Edikt eine sechswöchige Frist zu eröffnen, innerhalb derer die Parteien schriftlich Einwendungen erheben können. Ferner ist auf die Präklusionsfolgen des § 44b Abs. 1 AVG zu verweisen, wonach Personen ihre Stellung als Partei dann verlieren, wenn sie nicht binnen der sechswöchigen Frist rechtzeitig bei der Behörde schriftliche Einwendungen erheben.

Das Edikt ist im redaktionellen Teil zweier im Bundesland weit verbreiteter Tageszeitungen und im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" zu verlautbaren. Die Kundmachung ist in der Zeit vom 15. Juli bis 25. August und vom 24. Dezember bis 6. Jänner, also in den Ferienwochen, nicht zulässig. Im übrigen kann die Behörde jede geeignete Form der Kundmachung zusätzlich wählen.

Auch der Materiengesetzgeber kann zusätzliche Erfordernisse, wenigstens für die Kundmachung einer mündlichen Verhandlung, vorsehen. Ferner kann die Behörde eine öffentliche Erörterung des Vorhabens durchführen. Hierüber ist allerdings keine Niederschrift zu erstellen. Es ist demnach davon auszugehen, daß im Zuge einer öffentlichen Erörterung Einwendungen nur dann erhoben werden können, wenn sie in schriftlicher Form dem zuständigen Vertreter der Behörde übergeben werden. Inhalt der öffentlichen Erörterung sind sozusagen nur der Disput und der Dialog sowie allenfalls eine sachverständige Erläuterung des Vorhabens.

Eine Kundmachung durch Edikt ermächtigt die Behörde, auch Schriftstücke durch Edikt zuzustellen. Durch ein zulässiges Ediktalverfahren kann das vermieden werden, was die Verwaltungsrechtswissenschaft die Rechtsfigur des übergangenen Nachbarn nennt. Ist die Behörde gehalten, wie dies nach geltendem Recht der Fall ist, alle bekannten Beteiligten persönlich zu laden, so bleibt – wie die Praxis zeigt – auch bei größter Sorgfalt der Behörde das Risiko, daß eine Partei nicht geladen werden kann, etwa weil ihre Betroffenheit ein Projekt betreffend beziehungsweise ihre Existenz der Behörde nicht bekannt ist und allenfalls auch gar nicht bekannt sein kann.

Dieses Risiko trägt letztlich jeder Beteiligte, der nie mit absoluter Gewißheit weiß, ob der ihm zugekommene Bescheid auch tatsächlich rechtskräftig ist, denn eine übergangene Partei kann sozusagen auf Knopfdruck selbst nach Jahren oder Jahrzehnten, wie dies schon der Fall war, ein vermeintlich rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren wieder aufrollen. Gegenüber dem Übergangenen konnte der Bescheid formell nie in Rechtskraft erwachsen, und demnach ist er, ohne daß dies aktenkundig wäre, auch nie in materieller Rechtskraft erwachsen.

Diese Lücken der Rechtskraft zu schließen ist gewiß ein rechtspolitisches Anliegen. Alle Beteiligten haben letztlich ein Anrecht darauf zu wissen, ob nun eine Sache endgültig abgeschlossen ist oder nicht. Der Preis dafür ist aber relativ hoch, denn immer noch bleibt die persönliche Zustellung von Erledigungen der Idealzustand. Aber da ist eben abzuwägen: Rechtskraft einerseits – persönliche Zustellung andererseits.

Ein stets komplizierter werdendes Rechtsleben tendiert dazu, Beschleunigung und Rechtssicherheit im Massenverfahren höher zu bewerten als die lückenlose Information der Beteiligten, zumal sie oft praktisch – wie eben dargelegt – gar nicht möglich ist.

Eine sehr weitgehende Änderung erfährt ein zweites Institut, das in der Verwaltungsrechtswissenschaft die Präklusion genannt wird. § 42 Abs. 1 AVG in der geltenden Fassung umschreibt sie so:

Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung bekanntgemacht, so hat dies zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Ver


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handlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht wurden, keine Berücksichtigung finden und angenommen wird, daß die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, zustimmen.

Die Annahme, daß eine Partei als zustimmend angesehen wird, läßt aber nach geltendem Recht keineswegs die Parteistellung des Präkludierten untergehen. Es sind ihm ungeachtet dessen nach geltendem Recht schriftliche Erledigungen weiterhin zuzustellen. Er kann auch Rechtsmittel erheben, soweit er sich dabei nicht auf Behauptungen stützt, die vor oder während der Verhandlung vorzubringen gewesen wären. Aber etwa in einer Berufung unrichtige rechtliche Beurteilung oder Aktenwidrigkeit geltend zu machen bleibt dem Präkludierten nach geltendem Recht unbenommen.

Nicht so der vorliegende Gesetzesbeschluß des Nationalrates: Demnach verliert eine Partei ihre Stellung als Partei, wenn sie nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben hat. Dies bedeutet, daß die präkludierte Partei für das betreffende Verfahren in keiner Weise mehr existent ist. Sie ist sozusagen für dieses Verfahren untergegangen, nicht mehr vorhanden.

Ein der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgebildeter Rechtsbehelf soll dabei Härten vermeiden helfen. Das moderne Wirtschaftsleben erfordert eben erhöhte Aufmerksamkeit. Es muß uns allen als Bürger dieses Landes bewußt sein, daß die persönliche Zustellung, an die wir uns so gewöhnt haben, in Zukunft in vielen Fällen nicht mehr stattfinden kann.

Nicht unproblematisch ist ferner – darauf wird noch durch einen entsprechenden Entschließungsantrag eingegangen – die pauschale Derogation des § 82 Abs. 7 AVG, wie sie im Artikel 1 Z 47 des Entwurfes angeordnet wird.

Im übrigen ist der Gesetzesbeschluß des Nationalrates zu begrüßen, weil er zu einer Beschleunigung und zu einer Vereinfachung und damit zu einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreichs führt.

Ich darf in diesem Sinne namens meiner Fraktion beantragen, gegen den vorliegenden Gesetzesbeschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. (Beifall bei der ÖVP.)

18.21

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile es ihm.

18.21

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß ich mit den Vorrednern weitgehend übereinstimme. Bei dem vorliegenden Gesetzesvorhaben handelt es sich zweifellos um eine grundlegende Novellierung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes. Mit Fug und Recht kann einmal von einer echten Reform gesprochen werden, im Gegensatz zu gewissen Pensions- und Steuer"reformen". Warum handelt es sich um eine echte Reform? – Die Anpassung an die Bedürfnisse einer zeitgemäßen Verwaltung wird zweifellos zu einer erheblichen Erleichterung und Beschleunigung der Verfahren beitragen. Das kommt nicht nur der Effizienz der Erledigung der behördlichen Aufgaben, sondern ebensosehr dem Rechtsschutz des Bürgers zugute. – Also eine Verwaltungsreform im besten Sinne des Wortes.

Im einzelnen wird dies insbesondere durch die Straffung der mündlichen Verhandlung und ihre Entlastung von überflüssigen Formalismen erreicht. Begrüßenswert ist vor allem, daß im Gegensatz zum bisher geltenden Recht hinkünftig nicht nur formelle, sondern auch inhaltliche Mängel noch während des Verfahrens behoben werden können. Die Sachanträge können auch noch im Berufungsverfahren geändert werden. Wie viele entbehrliche Aufhebungen von Bescheiden, Neudurchführungen fehlerhafter Verfahren und unzweckmäßige Doppelverfahren dadurch vermieden werden können, versteht sich wohl von selbst.


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Die Neuregelung nimmt aber – wie heute bereits erwähnt wurde – auch die Parteien selbst in Pflicht. Die Lehre aus negativen Erfahrungen der Praxis mit verfahrensverzögernden Strategien ziehend, wurden die bislang unzureichenden Präklusionsvorschriften ausgebaut. Sie sollen die Parteien stärker dazu motivieren, ihre Einwendungen in der Sache frühzeitig zu erheben, weil sie sonst – auch das wurde schon erwähnt – den Verlust der Parteistellung und damit endgültig den Ausschluß ihres Vorbringens riskieren.

Nicht zuletzt fördern die neuen Bestimmungen den Einsatz technischer Hilfsmittel im Verfahren. Auch das dient der Beschleunigung des Procedere und à la longue zugleich auch der Kostensenkung. Einem drängenden Anliegen der Praxis ist schließlich mit jenen Sonderregeln entsprochen worden – auch sie wurden schon angesprochen –, die es in Zukunft ermöglichen, daß selbst Großverfahren – das sind solche mit voraussichtlich über 100 Beteiligten – mit vertretbarem Zeit-, Arbeits- und Sachaufwand abgewickelt werden können.

Wie Ihnen allen bekannt ist, meine Damen und Herren, haben bis heute insbesondere die Verfahren zur Genehmigung von Betriebsanlagen allzu lange gedauert. Das hat zweifellos dem vielberufenen Wirtschaftsstandort Österreich oft schwer geschadet. Dabei sehe ich von dem im Bericht erwähnten Detailproblem ab – auch das wurde schon von meinem Vorredner erwähnt –, daß das Übergehen auch nur einer einzigen Partei, was sich bei Massenverfahren mit einer unüberschaubaren Anzahl von Beteiligten oft kaum vermeiden läßt, zu weitreichenden rechtlichen Konsequenzen führt. Auch dieses Problem ist künftig entschärft. Dabei ist anzuerkennen, daß sich die Neuregelung durchaus nicht einseitig an den wirtschaftlichen Interessen der Betreiber orientiert. Vielmehr ist ein ausgewogener Ausgleich geglückt, bei dem auch die legitimen Parteienrechte und Anhörungsrechte der vom Verfahrensgegenstand Betroffenen gewahrt bleiben. Mit anderen Worten sind die Rechte der Anrainer und die Interessen des Umweltschutzes nicht der gesteigerten Effizienz des Verfahrens zum Opfer gefallen.

Für den Zugang des Bürgers zum Recht höchst erfreulich ist die neu geschaffene Möglichkeit, die aktuellen Gesetzestexte über das Datensystem RIS kostenlos abzufragen. Wenngleich dies nicht auch für Landesgesetze und für Gerichtsentscheidungen vorgesehen ist, so darf daraus nicht etwa der Umkehrschluß gezogen werden, daß das nicht beabsichtigt ist. Es war nur aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht möglich, eine solch umfassende Regelung mit diesem Bundesgesetz zu treffen.

Mit dem Stichwort Kompetenzrecht ist freilich der einzige, allerdings gravierende Schönheitsfehler dieser Gesetzesvorlage angesprochen. Mit der auch schon erwähnten Derogationsvorschrift des § 82 Abs. 7, die entgegenstehende Verfahrensregelungen in anderen Gesetzen, also auch in solchen, die in die Kompetenz der Länder fallen, außer Kraft setzt, wird offensichtlich nicht nur in die Rechte der Länder eingegriffen. Das Land Niederösterreich und das Land Kärnten haben das aufgezeigt und dagegen Einspruch erhoben. Vielmehr ist auch nicht ausreichend geklärt, welche Gesetzesbestimmungen im einzelnen mit 1. 1. 1999 außer Kraft treten sollen. Das ist für die Rechtssicherheit unerträglich.

Sollte der heute eingebrachte Entschließungsantrag nicht beschlossen werden, könnte auch meine Fraktion diesem Gesetz nicht zustimmen. Ich bin aber davon überzeugt, daß sich das kritisierte Defizit in der geplanten Vorgangsweise durchaus beheben läßt. Und in diesem Fall werden wir der Vorlage gerne zustimmen.

Lassen Sie mich zuletzt abschließend noch ein Wort des Lobes für oft unbedankte Arbeiten im Hohen Haus aussprechen. Wenn wir hier und heute die Reform des Verwaltungsverfahrensrechts als höchst gelungenes Gesetzeswerk würdigen, noch dazu ein im Parlament erstelltes Werk, darf nicht in Vergessenheit geraten, daß zwei Beamte des Hauses – einer aus dem Klub der SPÖ und einer aus dem der FPÖ – wesentlichen Anteil an der Textierung hatten. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)


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18.27


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Präsident Alfred Gerstl:
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Harald Repar. Ich erteile es ihm.

18.27

Bundesrat Mag. Harald Repar (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bürgernähe muß eines der Hauptziele politischen Handelns sein. Wir diskutieren heute die Änderung zahlreicher Gesetze aus dem Bereich der Verwaltung, und ich glaube, daß wir mit diesen Gesetzesnovellen dem Ziel der Bürgernähe doch sehr nahegerückt sind.

Die Begriffe Verwaltungsverfahrensgesetz, Verwaltungsstrafgesetz, Auskunftspflichtgesetz oder Verwaltungsgerichtshofgesetz mögen für die Mehrheit der Bürger doch wohl sehr fremd und sperrig klingen. Umso wichtiger ist es, diese Gesetze für die Bürger und ihren Umgang mit Behörden einer dementsprechenden Regelung und Formulierung zuzuführen.

Zielsetzung der vorliegenden Gesetzesnovelle ist es, die Verwaltungsverfahren nicht nur zu vereinfachen, sondern auch zu verkürzen. Immer wieder ist die Kritik zu hören, daß Verwaltungsverfahren viel zu lange dauern würden. Das wurde heute auch schon angesprochen. Die Ursachen dafür sind meiner Meinung nach sehr vielfältig. Es ist jedoch erfreulich, daß es nunmehr gelungen ist, eine Gesetzesänderung zu formulieren, die quer durch alle Parteien – wie wir es heute gehört haben – auf hohe Zustimmung stößt.

Es ist meiner Meinung nach auch gelungen, durch die Vereinfachung von Verfahren die Verfahrensdauer deutlich zu verkürzen. Damit ist sowohl dem Bürger als auch der betroffenen Behörde geholfen. Nicht zu vergessen sind die enormen Vorteile – das wurde auch vorhin angesprochen – für den Wirtschaftsstandort Österreich. Je kürzer und einfacher die Verfahren sind, desto eher wird es uns auch gelingen, notwendige Unternehmensneugründungen zu forcieren und internationales Kapital nach Österreich zu ziehen.

Worum geht es nun schwerpunktmäßig bei den vorliegenden Gesetzesnovellen? – Eine wichtige Erleichterung für den Bürger sehe ich in der Neuregelung, daß nunmehr bei der Antragstellung an die Behörde nicht nur formelle, sondern auch inhaltliche Mängel während des Verfahrens korrigiert werden können und Anträge auch im Berufungsverfahren noch zu ändern sind. Damit wurde eine gewisse Flexibilität geschaffen, die dem Antragsteller entgegenkommt und ihn in die Lage versetzt, auch während des Verfahrens neue Fakten und Überlegungen in seinen Antrag einfließen zu lassen.

Dem Bedürfnis der Informationspflicht gegenüber der Öffentlichkeit wird nunmehr dadurch Rechnung getragen, daß bei Großverfahren – also bei Verfahren mit über 100 Beteiligten – eine Kundmachung des Antrages in zwei Tageszeitungen und gleichzeitig im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" erfolgt. Besonders hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang, daß dadurch auch gleichzeitig der Zugang zu den Verfahrensdetails über die modernste Kommunikationsschiene, nämlich das Internet, möglich ist. Damit wird einer breiten Öffentlichkeit der informelle Zugang zu wichtigen Großverfahren eingeräumt, damit wird die Basis für eine bürgernähere Verwaltung gelegt, da die Information über Verfahren geradezu eine Voraussetzung für Bürgernähe ist.

Mit den zwei Schwerpunkten der Gesetzesnovelle – einfachere Verfahren und mehr Information der Öffentlichkeit – ist es gelungen, auch in einem juristisch komplexen Bereich mehr Bürgernähe einfließen zu lassen. Es ist die ständige Aufgabe der Politik, also von uns, sowohl Gesetze als auch Verwaltungsabläufe zu keinem undurchschaubaren Selbstzweck werden zu lassen, sondern immer unter dem Blickpunkt der Bürgernähe weiterzuentwickeln. Dies ist mit den vorliegenden Novellen zweifellos gelungen, wenn auch der Prozeß der Verfahrensvereinfachung nun keinesfalls als für immer abgeschlossen betrachtet werden darf.

Meinen Appell für mehr Bürgernähe im allgemeinen und insbesondere im legislativen Bereich möchte ich mit der Aufforderung schließen, der vorliegenden Gesetzesnovelle zuzustimmen. Sie bringt zahlreiche Vereinfachungen und Verbesserungen mit sich und ist damit ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Bürgernähe. Mit der heutigen Zustimmung sollten wir auch die Basis dafür legen, in Hinkunft der Zielvorgabe Bürgernähe noch mehr Bedeutung beizumessen als bisher. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.31

Präsident Alfred Gerstl: Nächster Redner ist Herr Vizepräsident Jürgen Weiss. – Bitte.

18.31

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heute zu beratende Änderung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes ist der seit längerer Zeit größte Schritt zur Vereinfachung von Verwaltungsverfahren. Daß der Gesetzesbeschluß im Nationalrat einstimmig gefaßt wurde, sagt wohl auch etwas über die Qualität und die vorangegangene gründliche Beratung aus. Die Fehlentwicklung zu langwierigen und komplizierten Verfahren lag – jetzt einmal abgesehen von früher in dieser Form gar nicht bekannten Massenverfahren – nicht so sehr am AVG selbst als an dessen Zurückdrängung durch materienspezifische Regelungen. Dem allgemein gültigen Verwaltungsverfahrensgesetz als einem der wenigen Jahrzehnte überdauernden Gesetze wird mit der heutigen Novelle sozusagen sein angestammter Platz als Dach über den Materiengesetzen wieder zurückgegeben, und das halte ich für einen ganz wesentlichen Fortschritt.

Damit im Zusammenhang steht auch die Derogationsbestimmung, auf die schon mehrfach eingegangen wurde, die natürlich von dem Ziel geleitet ist, diese unterschiedlichen Ausprägungen in den Materiengesetzen zurückdrängen zu helfen. Es mag nun dahin gestellt sein, ob die Kritik der Länder Niederösterreich und Kärnten, es handle sich um einen Eingriff in Länderzuständigkeiten, berechtigt ist oder nicht, denn man kann auch die Meinung vertreten, das sei in der Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Bundes miteingeschlossen. Es ist jedenfalls von den Auswirkungen her von den Ländern durchaus vertretbar und im Interesse der Sache in gewisser Weise auch geboten.

Etwas anderes sind – darauf hat Herr Professor Böhm zuletzt hingewiesen – die Auswirkungen auf die Rechtssicherheit und die Klarheit des Rechtsbestandes. Da ist die Derogationsbestimmung in dieser Form ohne Zweifel problematisch, und daher bin ich dankbar, daß es in Zusammenarbeit aller hier vertretenen Fraktionen gelungen ist, einen Entschließungsantrag zu formulieren, den ich hiemit einbringen möchte.

Entschließungsantrag

der Bundesräte Jürgen Weiss, Josef Rauchenberger, Dr. Peter Böhm, Alfred Schöls und Kollegen

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, eine öffentliche – allenfalls auch im Internet – zugängliche Dokumentation zu erstellen, welche abweichenden Verfahrensvorschriften in den Verwaltungsvorschriften durch die neuen Bestimmungen des AVG aufgrund des § 82 Abs. 7 AVG derogiert werden. In Zusammenarbeit mit den Ländern sollen auch die durch § 82 Abs. 7 AVG aufgehobenen Bestimmungen in die Verwaltungsvorschriften der Länder aufgenommen werden.

Die Bundesregierung wird weiters ersucht, zu prüfen, inwieweit eine Präzisierung der Derogationsbestimmung des § 82 Abs. 7 in diesem Sinne im Wege einer Verordnung gemäß Artikel 18 Abs. 2 B-VG möglich ist und gegebenenfalls eine solche Verordnung zu erlassen.

Die Bundesregierung wird weiters ersucht, in Regierungsvorlagen, die Gesetze betreffen, die durch § 82 Abs. 7 derogierte abweichende Verfahrensvorschriften enthalten, deren ausdrückliche Aufhebung vorzuschlagen.

******

Soweit der eingebrachte Antrag.

Es wäre in der Tat den Rechtsunterworfenen schwer zumutbar gewesen, an Stelle der Behörde Vermutungen darüber anzustellen, welche Bestimmungen nun in Kraft sind. Das ist eine Auf


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gabe, die, so glaube ich, der Gesetzgeber – subsidiär auch die Regierung – gegenüber dem Bürger zu erfüllen hat.

Ich möchte abschließend noch kurz darauf eingehen, daß das AVG naturgemäß nicht alle offenen Anliegen an Verwaltungsverfahren befriedigen konnte. Ich verweise darauf, daß die Länder seit längerer Zeit einhellig eine Änderung des § 21 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz fordern, wonach nicht nur Organe der öffentlichen Aufsicht, beispielsweise Gendarmeriebeamte, sondern auch sonstige amtliche Organe von der Erstattung einer Anzeige absehen können, wenn nach den gegebenen geltenden Voraussetzungen damit zu rechnen ist, daß ohnedies kein Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt wird. Diese Ermächtigungen haben derzeit beispielsweise Polizisten, die darüber entscheiden können, ob sie eine Anzeige machen oder nicht. Ein Beamter der Bezirkshauptmannschaft muß auf jeden Fall ein Verfahren einleiten, auch wenn absehbar ist, daß es wegen Geringfügigkeit gar nicht weitergeführt wird. Damit kann in der Praxis ein ganz beachtlicher Verwaltungsaufwand verbunden sein.

Zweitens: Die bargeldlose Bezahlung, nämlich mit Kreditkarte oder Bankomatkarte, sollte nicht nur bei Organmandaten oder bei Autobahnvignetten möglich sein, sondern auch bei der Erstattung von Verwaltungsgebühren. Es ist nicht einzusehen, daß diese völlig veraltete Systematik mit Stempelmarken noch immer weitergeführt wird. Die Erfahrungen mit der Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer in Form von Stempelmarken zeigen, daß es möglich und ein sinnvoller Beitrag für die Bevölkerung ist.

Drittens: Es wird jetzt die Möglichkeit eröffnet, daß man auch automationsunterstützt, im elektronischen Datenverkehr Anbringen an die Behörde einbringen kann. Daraus folgt nahtlos die Notwendigkeit einer rechtlichen Regelung des Signaturwesens, die europaweit in Arbeit ist. Ich möchte nur anmerken, daß da ein Handlungsbedarf bestehen wird. Schließlich wäre auch noch zu prüfen, auch aufgrund der Kritik der Volksanwaltschaft, ob das sogenannte vereinfachte Verfahren der Gewerbeordnung tatsächlich zur Vereinfachung beiträgt. In der Praxis ist eher das Gegenteil festzustellen. Außerdem wären eine verfassungsrechtliche Grundlage für eine flexible Verfahrenskonzentration und ein einheitliches Anlagenverfahren notwendig.

Bei der Verfahrensbeschleunigung gibt es in allen Bundesländern in den letzten Jahren große Fortschritte. Ich bringe nur ein Beispiel aus meinem eigenen Bundesland. Dort konnte die Durchschnittsdauer von gewerberechtlichen Anlagenverfahren von 139 Tagen im Jahre 1994 auf inzwischen 97 Tage im Jahre 1996 reduziert werden. Für Standortentscheidungen im internationalen Wettbewerb ist allerdings nicht nur die Schnelligkeit der Verwaltungsverfahren maßgeblich, sondern auch – das wird in Österreich, weil wir es gewohnt sind, häufig unterschätzt – die Rechtssicherheit, die ein Investor haben kann, wenn er sich um die Umsetzung einer Investitionsentscheidung bemüht. Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz wird mit der heute zu beschließenden Änderung einen wichtigen Beitrag dazu leisten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Dr. Böhm. )

18.38

Präsident Alfred Gerstl: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. – Bitte.

18.39

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich im Vorspann Herrn Präsidenten Gerstl Dank dafür ausspreche, daß er heute in dieser Form die Präsidentschaft übernommen hat, welche die Wertigkeit des Bundesrates auch der Öffentlichkeit in besonderer Weise hervorstreicht. Dafür, Herr Präsident, herzlichen Dank! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Entschließungsantrag, Herr Vizepräsident Weiss: Dieser Entschließungsantrag, der inhaltlich unsere Zustimmung findet, ist ein Dreiparteienantrag, den auch Herr Dr. Böhm unterzeichnet hat. Ich würde nur bitten, daß auch er als Unterzeichner genannt wird.

Meine Damen und Herren! Ganz kurz: Die Reformbedürftigkeit der Verwaltungsgesetze, die in diesem Betreff angeführt sind, ist unbestritten. Ich möchte daher ein wenig den Grund beleuchten, warum es dazu gekommen ist. Es ist nicht nur dazu gekommen, weil der Gesetzgeber dies


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bezüglich saumselig ist, sondern weil auch ein Teil der Bundesstaats- und Bundesratsreform leider noch nicht vollzogen ist.

Das wird sich vielleicht weniger auf die Verwaltungskonzentration beziehen. Aber ich nenne einen Bereich, der an dieser Stelle sicherlich auch mitbehandelt werden müßte und auch, so glaube ich, in den Debattenbeiträgen angesprochen worden ist: Es ist dies die Einrichtung der Landesverwaltungsgerichte, die natürlich eine sinnvolle Ergänzung darstellen und deren Einrichtung auch das Ergebnis einer entsprechenden Novellierung sein muß.

Neben der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit müßte natürlich auch die Frage – weil dies eine Basisregelung ist – nach der Übernahme der mittelbaren Bundesverwaltung geregelt werden, die erhebliche Kosten verursacht. Ich weiß, daß daran gedacht ist, 280 Millionen Schilling zur Verfügung zu stellen.

All diese Dinge, die der Entschließungsantrag teilweise beinhaltet, hätten bei dieser Novellierung bedacht werden müssen. Es ist deswegen auch eine unvollständige Reform – und zwar nicht deswegen, weil die Tätigen den einen oder anderen Punkt vergessen hätten, sondern weil gewisse Materien noch nicht geregelt wurden, nämlich die Bundesstaatsreform.

Herr Präsident Weiss hat in seinen Ausführungen auch davon gesprochen, daß das Bürgerservice – etwa durch eine Abschaffung der Stempelmarken – verbessert werden sollte. Ich komme auch auf eine Idee – ich stehe durchaus nicht an, diese auch in die Tat umzusetzen –, und zwar daß die Bundesregierung einen Amtshelfer mit einem Ministerialentwurf zum Bürgerservice schickt, durch dessen Tätigkeit den Parteien eine Hilfestellung gewährt wird, wenn sie Anträge einbringen. Das ist eine ausgezeichnete Idee.

Bürgerservice rund um die Uhr durch Informationen seitens der Ämter: Man könnte einen Tonbanddienst einrichten, etwa die Indexauskunft. Wir haben das vor kurzem gemacht. Ein breiterer Zugang des Bürgers zu den Verwaltungsbereichen, die der Bürger nach wie vor sehr anonymisiert sieht, würde durch den Amtshelfer ermöglicht. All das wäre noch notwendig und würde letztlich zu einer Entlastung der Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen von sogenannten Routineaufgaben führen.

Sehen wir das auch als innere Notwendigkeit für diesen Entschließungsantrag und zu dieser Novellierung und hoffen wir, daß es – so wie von mir angedeutet – zu dieser Bundesstaatsreform kommt und die Verwaltungsgesetze anschließend noch verbessert werden! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.43

Präsident Alfred Gerstl: Der von den Bundesräten Weiss, Rauchenberger, Dr. Böhm und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Dokumentation derogierter Gesetzesbestimmungen ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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Es liegt ein Antrag der Bundesräte Weiss, Rauchenberger, Dr. Böhm und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Dokumentation derogierter Gesetzesbestimmungen vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Dokumentation ist daher angenommen. (E. 159)

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Europäisches Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen samt Anhang (1064 und 1256/NR sowie 5694/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen zum 6. Punkt der Tagesordnung: ein Europäisches Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen samt Anhang.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Alfred Schöls übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Alfred Schöls: Herr Präsident! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni betreffend ein Europäisches Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen.

Da der Ausschußbericht schriftlich vorliegt, darf ich mich auf die Verlesung des Beschlusses konzentrieren und Ihnen mitteilen, daß der Ausschuß mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag stellt,

1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf bitten, die Debatte fortzusetzen und die Abstimmung durchzuführen.

Präsident Alfred Gerstl: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile es ihm.

18.46

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich möchte zum Europäischen Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen Stellung nehmen. Die Mitgliedstaaten des Europarates und die anderen Vertragsstaaten des Europäischen Kulturabkommens, die dieses Übereinkommen unterzeichnen, tun dies in der Erwägung, daß es das Ziel des Europarates ist, eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern herbeizuführen, um die Ideale und Grundsätze, die ihr gemeinsames Erbe sind, zu wahren und zu fördern,

in der Erwägung, daß die Würde und der gleiche Wert jedes Menschen Grundbestandteile dieser Grundsätze darstellen und daß die Freiheit der Meinungsäußerung und Information, wie sie in Artikel 10 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist, einer der wesentlichen Grundsätze einer demokratischen Gesellschaft und eine der Grundvoraussetzungen für einen Fortschritt und für die Entwicklung jedes Menschen ist,


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in Bekräftigung ihres Bekenntnisses zu den Grundsätzen des freien Flusses von Information und Ideen und der Unabhängigkeit der Rundfunkveranstalter, die eine unerläßliche Grundlage für ihre Rundfunkpolitik darstellen,

in Bestätigung der Bedeutung des Rundfunks für die kulturelle Entwicklung und die freie Meinungsbildung unter Bedingungen, die Pluralismus und Chancengleichheit für alle demokratischen Gruppen und politischen Parteien gewährleisten,

in der Überzeugung, daß die ständige Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie dazu beitragen sollte, das Recht zu fördern – ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen, Informationen und Ideen, aus welcher Quelle sie auch stammen mögen –, zu äußern, zu beschaffen, zu empfangen und zu übermitteln,

in dem Wunsch, der Öffentlichkeit eine immer größere Auswahl an Programmen zur Verfügung zu stellen, dabei das europäische Erbe zu mehren und das audiovisuelle Schaffen in Europa zu entwickeln,

sowie in dem Entschluß, dieses kulturelle Ziel durch das Bemühen um die Steigerung der Produktion und der Verbreitung qualitativ hochwertiger Sendungen zu erreichen und dadurch den Erwartungen der Öffentlichkeit auf dem Gebiet der Politik, der Bildung und der Kultur Rechnung zu tragen.

Dieses Übereinkommen befaßt sich mit den Programmen, die verbreitet werden. Es verfolgt den Zweck, zwischen den Vertragsparteien die grenzüberschreitende Verbreitung und die Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen zu erleichtern. Dieses Übereinkommen gilt für jedes Programm, das durch Rechtsträger oder mittels technischer Einrichtungen im Hoheitsbereich einer Vertragspartei über Kabel, über terrestrische Sender oder über Satelliten verbreitet oder weiterverbreitet wird und das direkt oder indirekt in einer oder mehreren anderen Vertragsparteien empfangen werden kann.

Die Vertragsparteien sichern die freie Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit in Übereinstimmung mit Artikel 10 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Sie gewährleisten die Freiheit des Empfangs und schränken die Weiterverbreitung von Programmen, die den Bestimmungen dieses Übereinkommens entsprechen, in ihrem Hoheitsgebiet nicht ein.

Jede sendende Vertragspartei sorgt durch geeignete Mittel und durch ihre zuständigen Stellen dafür, daß alle Programme, die durch Rechtsträger oder mittels technischer Einrichtungen in ihrem Hoheitsbereich im Sinne des Artikels 3 verbreitet werden, den Bestimmungen dieses Übereinkommens entsprechen.

Alle Sendungen eines Programms müssen im Hinblick auf ihre Aufmachung und ihren Inhalt die Menschenwürde und die Grundrechte anderer achten, insbesondere dürfen sie nicht unsittlich sein und namentlich keine Pornographie enthalten, Gewalt nicht unangemessen herausstellen und nicht geeignet sein, zum Rassenhaß aufzustacheln.

Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Das sind Punkte, die natürlich unterschiedlich gesehen werden können. Ich erinnere zum Beispiel an die USA, den größten Produzenten von Pornographiefilmen, der gleichzeitig einer der selbsternannten moralischen Wächter der Sittlichkeit ist.

Ich glaube, daß diese Heuchelei nicht dazu angetan ist, als Vorbild zu gelten. Wir sind an dieser Stelle dazu aufgerufen, selbst Normen zu setzen, uns an diese zu halten und für Europa eigene Maßstäbe zu setzen. Wenn man solche Gesetze beschließt, sollte man meiner Ansicht nach nicht vergessen, daß es auch andere Produzenten gibt, die nicht über das Fernsehen Filme verbreiten. Ich denke an CD-Rom Hersteller auf EDV-Basis, die auch Filme produzieren, die, wenn sie schon im Fernsehen nicht gesendet werden, anderwärtig gestaltet werden können.


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Alle Sendungen eines Programms, die geeignet erscheinen, die körperliche, geistig-seelische oder sittliche Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu beeinträchtigen, dürfen nicht verbreitet werden, wenn anzunehmen ist, daß sie aufgrund der Sendezeit von Kindern oder Jugendlichen gesehen werden. Der Rundfunkveranstalter sorgt dafür, daß Nachrichtensendungen die Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen und die freie Meinungsbildung fördern.

Ich gehe davon aus, daß die Nachrichtenberichterstattung parteipolitisch unterschiedlich gesehen werden kann. Aber hier sollte jeder für sich Maß nehmen, eine objektive Berichterstattung tolerieren und nicht in jeder Berichterstattung feindliche Stellungnahmen gegen den jeweils anderen Standpunkt sehen, denn es ist dies aus verschiedenen parteipolitischen Brillen zu begutachten.

Ich glaube aber auch, daß nicht nur Gewalt im Fernsehen – für mich zählt auch das Kino dazu –, sondern auch im Rahmen des Freizeitvergnügens mit Videospielen und ähnlichem mehr unsere Kinder beeinflußt. Auch hier gilt es, vermehrt Aufmerksamkeit zu üben und möglichen Gefahrenquellen einen entsprechenden Riegel vorzuschieben. Gewalt beginnt nicht zuletzt oft auch schon in den Kinderzimmern, wird dann auf dem Schulhof fortgesetzt und auf den Sportplätzen bis hin zu der Entwicklung fortgeführt –  wenn man in Europa die Fußballweltmeisterschaft beobachtet –, daß in den Städten randaliert wird.

Diese Dinge sollten wir im Interesse der Jugend und der Zukunft dieser jungen Menschen besonders sorgsam beobachten und versuchen, jede Entwicklung zur Gewalt im Keim zu ersticken.

Auch bei der Werbung muß man dies mit Aufmerksamkeit weiterverfolgen. Es heißt ganz klar im Gesetz: Werbung muß lauter und ehrlich sein. Werbung darf nicht irreführen und den Interessen der Verbraucher nicht schaden. Werbung, die sich an Kinder richtet oder Kinder einsetzt, muß alles vermeiden, was deren Interessen schaden könnte, und muß deren besondere Beeindruckbarkeit berücksichtigen.

Meine Damen und Herren! Die Eltern sind als erste aufgerufen, dafür zu sorgen, daß Werbung, die "meistens ehrlich" ist, die "meistens niemand beeinflußt", tatsächlich "nicht" in der Lage sein kann, Begehrlichkeiten bei unseren Kindern zu wecken, die dann nicht zu stillen sind. Aber wir sollten auch davor die Augen nicht verschließen, daß Kinder, wenn sie zu Hause ihre Wünsche nicht erfüllt bekommen und nicht ein entsprechend gefestigtes Zuhause haben, auch auf die Idee kommen können, ein Objekt der Begierde anderwärtig zu beschaffen. Da stehen wir vor einer Aufgabe, die wir auch als Eltern oft nicht genug wahrnehmen. Da sollte man auch versuchen, nachzudenken, richtungsweisend überlegen und entsprechende Maßnahmen setzen.

Man kann nicht aufgrund von Gesetzen, die beschlossen werden, davon ausgehen, daß mit der Erziehung unserer Kinder alles zum Besten steht. Wir selbst sind aufgerufen, die Erziehung unserer Kinder selbst in die Hand zu nehmen. Gesetze können nur Rahmenbedingungen schaffen.

Ich glaube, das Übereinkommen trifft ausschließlich für grenzüberschreitende Fernsehprogramme Regelungen. Im Unterschied zur Richtlinie Fernsehen ohne Grenzen werden reine Inlandsfälle von diesem nicht erfaßt. Gleichgültig ist, ob die Grenzüberschreitung gezielt oder aufgrund unvermeidlicher Überstrahlung erfolgt und durch welche technischen Mittel die Verbreitung und Weiterverbreitung erfolgt. In den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen insbesondere auch solche Programme, deren Erstausstrahlung zwar nicht im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei erfolgt, die aber in Österreich empfangen und weiterverbreitet werden und erst aufgrund dieses Vorgangs in einer oder mehreren Vertragsparteien empfangen werden können.

Hoher Bundesrat! Europa rückt durch diese Gesetzesmaßnahme wieder ein Stück näher zusammen. Für die SPÖ-Fraktion ist das ein guter Grund, diese Gesetzesinitiative durch Nichtbeeinspruchung zu unterstützen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 74

18.55

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing. Ich erteile ihm dieses.

18.55

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Bundesrat Prähauser ist schon sehr ausführlich auf das Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen eingegangen, sodaß ich darauf verzichte, im einzelnen auf die Inhalte einzugehen.

Es ist so, daß sehr vieles von dem gemeinsam Geregelten durch unsere Rundfunkgesetze, Mediengesetze und Pornographiegesetze ohnehin schon geregelt ist und wir die Problematik zwar jetzt gemeinsam angehen, aber gar keine sofortigen dringlichen Handlungsanleitungen haben. Ich möchte nur zwei Punkte herausgreifen:

Zum einen – damit stimme ich ebenfalls überein – ist es wichtig, den Jugendschutz in dem Übereinkommen zu betrachten – aber nicht, indem wir Zensur walten lassen, sondern es muß zum Teil auch von den Medien, die eine Verantwortung haben, Selbstkontrolle ausgeübt werden. Diese müssen sich im heutigen Zeitalter auch selbst kontrollieren und selbst entsprechende Maßstäbe an sich anlegen.

Zum zweiten können auch ein V-Chip, Violence-Chip, über den heute in Amerika diskutiert wird, oder ein Decoder keine Lösung sein. Wie ich heute in einer Tageszeitung gelesen habe, gibt es jetzt auch schon in Deutschland einen Decoder zu kaufen, und anscheinend sind die deutschen Privatsender bereit, ihre Filme so zu codieren, daß es bei Gewalt- und Sexszenen mit diesem Decoder zu einem Bild- und Tonausfall kommen würde.

Doch würde dies wahrscheinlich in der Praxis gar nicht so funktionieren, weil zumeist die Eltern technisch unbegabter sind als die Kinder und die Kinder sehr rasch das Gerät so codieren würden, daß es in ihrer Entscheidungskraft liegt, was gesendet werden kann und was nicht.

Weiters halte ich es auch für richtig, daß in diesem Übereinkommen eine Quotenregelung festgelegt wird, und zwar dahin gehend, daß der Hauptanteil der Sendezeit europäisch gestaltet werden sollte. Wir haben zwar heute vormittag schon eine Amerikanisierung unserer Bundesratssitzung erlebt, aber ich glaube, daß es trotzdem richtig ist, im Kommunikationsbereich darauf zu achten, daß unsere Identität gewahrt wird und nicht irgendwelche "Filmmaschinen" – sei es nun Hollywood- oder eine andere "Filmmaschine" – wirksam werden und unsere Fernsehzeiten in überaus großem Ausmaß beanspruchen.

Der Grund, warum ich mich aber heute zu Wort gemeldet habe, ist folgender: Unser Verkehrsminister ist heute leider nicht da. Es ist mir nämlich primär darum gegangen – da wir heute vom grenzüberschreitenden Fernsehen reden –, ihn zu bitten, das grenzüberschreitende Radio zu ermöglichen. Ich möchte es trotzdem tun, wobei wir dies in schriftlicher Form – er hat einen Brief von uns erhalten – ohnehin schon getan haben. Wir sind dabei, im Weinviertel ein dreisprachiges Radio aufzubauen, und können mit diesem Lokalradio deshalb nicht starten, weil die Frequenzen zwischen Tschechien, der Slowakei und Österreich noch nicht geregelt sind. Mir liegt daran, sehr rasch zu einer Lösung kommen, damit ein Lokalradio im nördlichen Weinviertel endlich seine Arbeit aufnehmen und in Zukunft dreisprachig fungieren kann. (Beifall bei der ÖVP.)

18.58

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile ihm dieses.

18.58

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Mitglied der Bundesregierung kann ich leider mangels physischer Präsenz nicht ansprechen. Es ist mir aber trotzdem eine Freude, daß über dieses Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen hier und heute im Bundesrat verhandelt und abgestimmt wird.

Es ist deshalb eine Freude, denn jeder kleine Schritt auf dem Weg zu mehr Medienfreiheit bedeutet in unserem rundfunkrechtlichen Steinzeittempel Österreich einen Fortschritt und ist selbstverständlich zu begrüßen. Meine Damen und Herren! Vor dem Kabel- und Satelliten-TV


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 75

war das grenzüberschreitende Fernsehen, das es schon seit Einrichtung des Fernsehens gegeben hat, das einzige Fenster in eine mediale Freiheit, in die Nachbarländer Österreichs – allerdings nur in wenigen geographisch bevorzugten Gebieten wie zum Beispiel in Vorarlberg, Salzburg oder Oberösterreich, wo man das Schweizer oder Deutsche Fernsehen empfangen konnte.

Alle anderen österreichischen Gebiete waren auf das Radio und auf den Kurzwellempfang reduziert, wenn sie dem staatlichen Monopolrundfunk ORF ausweichen wollten.

Wie lange, mühsam und zäh dieser Weg zu einer Rundfunkfreiheit ist, wissen wir alle, und man muß sich nur den zeitlichen Fahrplan dieses Übereinkommens anschauen. Zuerst hat Österreich dieses Übereinkommen am 5. Mai 1989 unterzeichnet. Dann ist dieses Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten am 1. Mai 1993 in Kraft getreten, und heute findet die endgültige Ratifizierung durch das österreichische Parlament statt. Der Nationalrat hat dem am 18. Juni zugestimmt, und der Bundesrat wird heute, am 2. Juli, beschließen, keinen Einspruch dagegen zu erheben.

Dieses Übereinkommen betrifft das terrestrische Fernsehen und hat einige besondere Zielsetzungen. Sie wurden schon genannt, aber das wesentliche Ziel darf ich noch einmal beschreiben. "Ziel dieses Übereinkommens ist die Stärkung des freien Flusses von Informationen und Ideen zur Förderung der grenzüberschreitenden Verbreitung von Fernsehprogrammen auf Grundlage einer Reihe gemeinsam vereinbarter Grundstandards." Diese Grundnormen werden auch im Abkommen beschrieben. Es geht dabei um die Bereiche Schutz bestimmter individueller Rechte, Verantwortlichkeit des Rundfunkveranstalters für die Einhaltung von Programmnormen, es geht um die Werbung und um das Sponsoring.

Meines Erachtens handelt es sich dabei um eine Form von Gummiparagraphen, deren Vollstreckung und Vollziehung in Zukunft nicht so einfach sein werden und den jeweiligen Behörden überlassen bleiben.

Meine Damen und Herren! Deshalb geht unsere Hoffnung letztendlich dahin, daß die Mitgliedstaaten diesbezüglich nicht auf bürokratische Schikanen setzen, sondern daß sie Medienfreiheit und damit auch Meinungsfreiheit in diesem Bereich gewähren lassen. Aus diesem Grunde wird die freiheitliche Fraktion diesem Europäischen Übereinkommen auch hier im Bundesrat ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.03

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ich bitte weiters jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzes zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


Bundesrat
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7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heeresdisziplinargesetz 1994 geändert wird (1191 und 1259/NR sowie 5724 und 5720/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zu Punkt 7 der Tagesordnung: ein Bundesgesetz, mit dem das Heeresdisziplinargesetz 1994 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Herbert Thumpser übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Herbert Thumpser: Verehrter Herr Präsident! Ich bringe den Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heeresdisziplinargesetz 1994 geändert wird. Der Bericht liegt schriftlich vor, und ich verzichte daher auf die Verlesung.

Ich bringe Ihnen den Beschluß zur Kenntnis: Der Landesverteidigungsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben. – Ich bitte, die Debatte darüber abzuhalten.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. Ich erteile ihm dieses.

19.05

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Novellierung sind drei Ziele wesentlich. Das erste ist die Effizienzsteigerung bei den Verfahren, das zweite ist eine Kostensenkung, also auch ein sehr wesentlicher Punkt, und das dritte ist eine stärkere Rechtssicherheit für den Beschuldigten und darüber hinaus eine einheitliche Spruchpraxis durch die geringere Zahl an Disziplinarkommissionen. Auch können die Beschuldigten gegen die Einleitung eines Verfahrens berufen. Weiters gibt es beim Friedenseinsatz und bei Naturkatastrophen keine Haft- und Arreststrafen mehr. Es gibt eine ganze Reihe solcher Punkte.

Es ist also eine Novellierung, die einfach der jetzigen Zeit angepaßt ist und dem Realitätssinn entspricht.

Lassen Sie mich daher gerade zum jetzigen Zeitpunkt – EU-Präsidentschaft und so weiter – einige die Landesverteidigung betreffende Sachen erwähnen und auch über das Europäische hinausgehen. Es gibt positiv motivierende Gründe für eine wahre Heeresdisziplin, nämlich in einem schlagkräftigen Heer, in einem geeinten Europa, und daher gibt es von unserer Seite ein Ja zur NATO und ein Ja zum Bundesheer. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Österreich muß ein verläßlicher und bündnistreuer Partner bei der Übernahme von Verantwortung für Frieden und Freiheit sein und bleiben und raschest der NATO beitreten. Das zeigt dem einzelnen die Realität, das Positive und die Sinnhaftigkeit der Einheit und der Disziplin. So ist auch heute die Teilnahme des Bundesheeres an Friedenseinsätzen in Europa wichtig. Die Soldaten des Bundesheeres leisten hervorragende Friedensdienste. Österreich darf sich auch in Zukunft seiner Verantwortung in Europa nicht entziehen.

Zur NATO als Garant für Freiheit, Frieden und Sicherheit in Europa gibt es keine Alternative. Das muß auch die Bundesregierung als Ganzes so sehen. Wir brauchen die NATO! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Die NATO ist eine Wertegemeinschaft, ein Verteidigungsbündnis und eine Allianz für Stabilität und Krisenbewältigung. Die Westeuropäische Union ist der europäische Pfeiler der NATO und der verteidigungspolitische Arm der EU. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik stärkt die Position der EU in der internationalen Politik. Dies muß man gerade heute hier in Wien sagen.


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Europa braucht sicherheitsmäßig ein gleichgewichtiges Bündnis zwischen Europa und Amerika. Die Vereinigten Staaten müssen auch in Europa weiterhin eine präsente sicherheitspolitische Kraft bleiben. Wir Europäer müssen die enge Freundschaft mit Amerika bewahren und auf weiteren Gebieten wie Handel, Wirtschaft und Wissenschaft tatkräftig ausbauen. Dieses freie Europa motiviert auch die Leute und zeigt ihnen eine Sinnhaftigkeit in der Verteidigung und in der Disziplin.

Wir Österreicher brauchen die allgemeine Wehrpflicht. Wir wollen gut ausgebildete und gut motivierte Soldaten. Das Bundesheer ist die Armee der Demokratie. Wir müssen auch in Zukunft dem Bundesheer die notwendigen Mittel bereitstellen, wir brauchen ein mit modernsten Geräten ausgerüstetes Bundesheer. Dafür brauchen wir eine gemeinsame europäische Rüstungskooperation mit einem technisch starken Österreich als verläßlichem Partner – und das in der NATO und in einem europäischen Sicherheitssystem. Dazu gehört auch ein zeitgemäßes Heeresdisziplinargesetz. Meine Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

19.09

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile ihm dieses.

19.09

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Herr Kollege Liechtenstein hat in Ansätzen angerissen, worum es bei diesem Gesetz geht. Er hat dann allerdings einen Ausflug in die Weltpolitik gemacht, indem er in diesem Haus die NATO-Forderung erhoben hat. (Bundesrat Eisl: Das steht aber nicht in der Vorlage!)

Das ist sein Privatvergnügen, das steht ihm frei, genauso wie es den Sozialdemokraten freisteht, ihre Gesichtspunkte darzulegen und etwas mehr Vorsicht walten zu lassen.

Ich kann einer Euphorie, der NATO beizutreten, vorab nichts abgewinnen. Da sind noch sehr viele Dinge zu klären. Die Neutralität, die für viele nicht mehr existiert – für mich existiert sie heute schon noch –, ist genau zu durchleuchten in Hinblick darauf, inwieweit wir in der Lage sein werden, einem Militärbündnis beizutreten, für das ich allerdings keine Notwendigkeit sehe, im Gegenteil: Ich glaube, daß wir in der Diskussion eines vergessen, nämlich die Sorge der Tausenden von Beschäftigten beim Bundesheer, die durch die permanente Infragestellung: Heer – ja oder nein?, entsteht. Die Sozialdemokraten haben ein klares Bekenntnis zum Bundesheer abgelegt, und daran wird sich für uns nichts ändern. Das ist die einzige Garantie für die Erhaltung der Arbeitsplätze in diesem Bereich.

Ich meine, ein NATO-Beitritt würde vielleicht eher dazu beitragen, einen Personalabbau verkraften zu können, weil der Rest möglicherweise für Österreich die Verantwortung übernehmen könnte. Ich meine, darüber müssen wir noch viel miteinander diskutieren, aber vor allem die Bevölkerung zu Rate ziehen. Ich glaube, daß gewählte Mandatare am Ende beziehungsweise vor Ende einer Legislaturperiode des Nationalrates nicht mehr die Legitimation haben, darüber allein zu entscheiden.

Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich darf nun auf die Gesetzesvorlage, die wir heute diskutieren und auch beschließen wollen, noch etwas genauer eingehen. Die Novelle zum Heeresdisziplinargesetz 1994 hat – um es allgemein zu formulieren – drei Zielbereiche: zum einen Vereinfachung, Kostensenkung, Effizienzsteigerung, zum zweiten Beschleunigung von Verfahren und mehr Rechtssicherheit und zum dritten eine klare Abgrenzung zwischen Disziplinar- und Strafrecht. Es werden vorrangig organisatorische Veränderungen im Aufbau der Disziplinarorgane bewirkt. So wird es etwa künftig zu einer drastischen Reduzierung der Anzahl der Disziplinarkommissionen sowohl in erster als auch in zweiter Instanz und damit zu einer Effizienzsteigerung kommen. Es wird nur noch eine Disziplinarkommission in erster Instanz und eine in zweiter Instanz, also eine Disziplinaroberkommission, geben. Bisher hat es in der Berufungsinstanz fünf Kommissionen gegeben.


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Darüber hinaus werden die Vorsitzenden der Disziplinaroberkommission sowie deren Stellvertreter rechtskundige Beamte sein, wodurch – wie wir immer wieder gefordert haben – eine Qualitätsverbesserung der Kommissionen und mehr Professionalität in Disziplinarverfahren sichergestellt werden. Es werden damit natürlich auch generell die Bedingungen für die Bediensteten in Disziplinarverfahren verbessert.

Weiters wird durch die Neustrukturierung der Kommissionen auch die Spruchpraxis verbessert. Es wird österreichweit eine bundeseinheitliche Rechtsprechung geben. Durch eine Vielzahl von verschiedenen Maßnahmen – es wurde bereits eine erwähnt – wird die Verwaltung vereinfacht und das Verfahren gestrafft. – Umstände, die ebenfalls finanzielle Einsparungen mit sich bringen. Gleichzeitig wird damit ein weiteres Ziel dieser Gesetzesnovellierung, nämlich eine Beschleunigung der Disziplinarverfahren zu erreichen, verwirklicht.

Zum zweiten Bereich: Durch die Verkürzung der Verjährungsfristen werden die Verfahren beschleunigt und können nicht mehr von beiden Seiten endlos verschleppt werden. Fehlverhalten muß künftig spätestens innerhalb von sechs Monaten zur Anzeige gebracht werden. Die Dauer der Verfahren ist durch die Begrenzung auf drei Jahre nunmehr deutlich abgesteckt. Mündliche Verhandlungen können künftig auch in Abwesenheit des Beschuldigten stattfinden, jedoch unter einer einzigen Voraussetzung, nämlich daß dessen Anwesenheit zur Wahrheitsfindung nicht erforderlich erscheint. Der Rechtssicherheit des Beschuldigten dient dessen Möglichkeit, Berufung gegen die Einleitung eines Verfahrens und gegen Verhandlungsbeschlüsse einzulegen. Dieses ordentliche Rechtsmittel ist – das ist sehr wesentlich – an ein weisungsfreies Kollegialorgan im Bundeskanzleramt zu richten. Der Vorsitzende dieser Kommission und sein Stellvertreter sind Richter, daher ist diese Berufungsbehörde voll und ganz mit den Verfahrensgarantien gemäß Artikel 6 der Menschenrechtskonvention im Einklang.

Zur klaren Abgrenzung zwischen Disziplinar- und Strafrecht: Im Sinne der Menschenrechtskonvention wurde das Ausmaß der möglichen Haft- und Arreststrafe von 21 auf 14 Tage reduziert. Es ist ganz besonders wichtig, dabei zu betonen, daß die Haft- und Arreststrafe ausschließlich bei schweren Vergehen unter besonders schwierigen Umständen im militärischen Einsatzfall verhängt werden darf. Derartige Einsätze sind im Sinne des § 2 des Wehrgesetzes ein militärischer Einsatz im Fall der Landesverteidigung oder der Assistenzeinsatz im Dienste des Bundesministeriums für Inneres, der mit scharfer Munition erfüllt wird und daher ein gefährlicher Einsatz ist.

Ich halte fest: Es gibt keine Haft- und Arreststrafen in Friedenszeiten sowie bei einem Hilfseinsatz nach Naturkatastrophen. Auch darin sind wir vielen westeuropäischen Staaten voraus. Die Novelle 1998 zum Heeresdisziplinargesetz bringt daher für alle Beteiligten sinnvolle Verbesserungen und wird von uns die Zustimmung erhalten.

Meine Damen und Herren! Es sind auch eine Vielzahl von Maßnahmen zu nennen, die zur Verbesserung der rechtlichen Stellung der Beschuldigten führen werden, etwa die Einführung einer absoluten Strafbarkeitsverjährung nach drei Jahren ab Verfahrenseinleitung sowie die erhebliche Herabsetzung des Höchstausmaßes der freiheitsentziehenden Disziplinarstrafe im Einsatz. Die Bestimmung, daß bei Vorliegen von groben Mängeln, die beispielsweise durch eine Beschwerde offenkundig werden, die Aufhebung des Disziplinarerkenntnisses ausschließlich durch den Bundesminister für Landesverteidigung möglich ist, liegt ebenfalls im Interesse der Bediensteten.

Insgesamt wird mit diesem neuen Heeresdisziplinarrecht den Intentionen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes Rechnung getragen. Wir geben daher diesem Gesetz unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)


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19.16

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. – Bitte.

19.16

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es freut mich, daß man aus dieser Regierungsvorlage "Bundesgesetz, mit dem das Heeresdisziplinargesetz 1994 geändert wird" so viel über die NATO und die Neutralität herauslesen kann, daß man einige Sätze dazu anbringen kann, wie es auch mein Vorredner Liechtenstein gemacht hat. Das gibt mir die Möglichkeit, auch darauf einzugehen, wobei ich der Meinung bin, daß die Regierungsvorlage als solche – nicht zuletzt deshalb, weil wir Freiheitlichen aktiv daran mitgewirkt haben und einige unserer Überlegungen einbringen konnten, ja gerade auch deshalb! – besonders gut geglückt ist. Stimmt doch, Herr Kollege! Das wolltest du doch sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Bieringer: Er freut sich!)

Auch der Herr Bundesminister freut sich über die Mitwirkung der Freiheitlichen, und damit wäre eigentlich schon alles gesagt. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

Trotzdem möchte ich zu meinem Vorredner und zu dem Umstand, daß er keine Euphorie für die NATO empfindet, sagen: Eine solche habe ich auch nicht, wirklich nicht! Es ist nicht notwendig, Euphorie für diese zu empfinden. Ich glaube auch, daß die Diskussion über die NATO unter dem Druck eines gewissen "PC" steht – political correctness – und es eigentlich inopportun ist, Alternativen überhaupt zu suchen und zu finden. Da das unterlassen wurde und unterlassen wird, bleibt die NATO das, was sie ist. Sie ist auch keine neue NATO, auch wenn manche sie als solche bezeichnen: Der Vertrag ist noch immer der gleiche, auch wenn manchmal die eine oder andere Äußerung und Handlung am Vertrag vorbei gemacht wird. Sie ist das, was sie ist.

Wir Freiheitlichen sind dafür. Nur fehlt uns nicht der Mut und die Absicht – so wie euch in der ÖVP –, die Neutralität dorthin zu stellen, wo sie hingekommen ist, sie also kraft Gesetzes außer Kraft zu setzen. Wir meinen, sie muß kraft Gesetzes außer Kraft gesetzt werden. Was die Sozialdemokraten betrifft, so bin ich mir nicht so sicher, ob sie die Neutralität kraft Gesetzes außer Kraft setzen wollen oder aber sie langsam einschleifen und aufgrund von geschickten Aussagen Völkerrechtler so weit kommen wollen, daß friedenserhaltende Einsätze, die man früher auch als Angriffskrieg bezeichnet hat, sogar völkerrechtlich, neutralitätsstatutmäßig für zulässig erklärt werden können. Das wäre natürlich das Schönste, wenn die Neutralität sogar friedenserhaltende Einsätze, ist gleich Angriffskrieg, zulassen würde. Da schließe ich mich nicht an. Machen wir eine saubere Rechnung: Neutralität weg, NATO rein. Und das funktioniert.

Etwas amüsiert hat mich natürlich die Argumentation des heute vormittag hier anwesenden Andreas Khol, der vor wenigen Tagen sinngemäß gesagt hat: Da der kalte Krieg beendet ist, werden wir jetzt der NATO beitreten – so ähnlich hat er es gesagt. – Das ergibt überhaupt keinen Sinn! Wenn der kalte Krieg zu Ende ist, müßten wir sagen, dann brauchen wir nicht einmal mehr die NATO. Oder, wenn es den kalten Krieg gäbe, dann hätten wir beitreten müssen. Die Argumentation von Andreas Khol ist daher, wie so manches, das er sagt, für uns Freiheitliche nicht verständlich (Bundesrat Schöls: Das liegt aber an Ihnen, nicht an den Argumenten!) , so wie seine Position in bezug auf den Verfassungsbogen zum Teil auch unverständlich war. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Payer. )

Ich möchte abschließend nur sagen – Herr Kollege, ich sage es dir nachher auch noch, etwas leiser –: Ja zu Österreich, ja zu Europa, aber zu einem Europa, das sich seiner geographischen Grenzen bewußt ist. Ja zur NATO, nein zur Neutralität. Ja zu diesem Disziplinargesetz – das müssen wir auch sagen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.20

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich weiters Herr Bundesminister Dr. Fasslabend. Ich erteile es ihm.

19.20

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vorliegende Heeresdisziplinargesetz soll zu einer weiteren Verwaltungsvereinfachung, zu einer erhöhten Effizienz bei den Verfahren, nämlich zu einer weiteren Verrechtlichung und gleichzeitig auch zu einer Beschleunigung der Verfahren, führen. In der Debatte, auch in der Öffentlichkeit, wurde auch die Frage erhoben, ob es


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überhaupt eines eigenen Heeresdisziplinargesetzes bedürfe. Ich möchte daher ganz kurz darauf eingehen.

Die Disziplin der Soldaten ist mehr als nur eine Tradition in soldatischen Abläufen. Disziplin ist eine der wesentlichen Grundlagen für das Funktionieren, das richtige Funktionieren jeder Armee. Die Besonderheit der Umstände – die Sensibilität, die Gefährlichkeit, die besondere Verantwortung aufgrund des notwendigen Umganges mit Waffen, auch die besondere Verantwortung aufgrund der Tatsache, daß die meisten der eingesetzten Soldaten junge Staatsbürger sind, die nicht freiwillig, sondern aufgrund einer staatlichen Verpflichtung diesen Dienst leisten –, führt dazu, daß – selbstverständlich allein auf dem Grundsatz der Verantwortung aufbauend – auch die notwendige Disziplin in einer Armee vorhanden sein muß. Darüber hinaus ergibt sich diese Notwendigkeit als eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren jeglicher Armee, weil es unmöglich wäre, den gleichzeitigen Einsatz nicht nur von einigen wenigen Dutzenden, sondern von Hunderten, Tausenden, ja Zehntausenden Soldaten zu koordinieren, wenn nicht ein entsprechendes Ausmaß an Disziplin vorhanden wäre.

Das, was ich in diesem Augenblick erfreulicherweise feststellen kann, ist, daß alle Einsätze, an denen sich die österreichische Armee beteiligt – internationale Einsätze, friedenserhaltende, friedensunterstützende, aber auch Katastropheneinsätze im In- und im Ausland –, eines zeigen: daß die Disziplin der österreichischen Armee zweifellos weit überdurchschnittliches Ausmaß und überdurchschnittliche Qualität hat und daß wir stolz darauf sein können, daß unsere Armee, daß die Angehörigen des österreichischen Bundesheeres zweifelsohne zu den Armeen gehören, die weltweit zu den diszipliniertesten zählen, weil dies gleichzeitig ein Qualitätsmerkmal ist. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Ich danke Ihnen für die Unterstützung bei der Durchführung dieser Gesetzesvorlage und bedanke mich auch für die Unterstützung für das österreichische Bundesheer. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

19.24


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 81

Präsident Alfred Gerstl:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird vom Berichterstatter ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die Zusammenarbeit und die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen (1052 und 1197/NR sowie 5714/BR der Beilagen)

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien über die Übernahme von Personen an der Grenze (951 und 1195/NR sowie 5715/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 und 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die Zusammenarbeit und die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen und

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien über die Übernahme von Personen an der Grenze.

Die Berichterstattung über die Punkte 8 und 9 hat Herr Bundesrat Peter Rodek übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Peter Rodek: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich bringe die Berichte des Ausschusses für innere Angelegenheiten.

Zu Punkt 8 liegt Ihnen der Ausschußbericht schriftlich vor. Ich kann daher von einer Verlesung Abstand nehmen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Der Ausschuß für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. den im Artikel 9 Abs. 1 und 2 und im Artikel 3 Abs. 1 enthaltenen verfassungsändernden Bestimmungen des gegenständlichen Staatsvertrages gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Punkt 9 liegt der Bericht ebenfalls schriftlich vor. Auch hier kann ich von einer Verlesung Abstand nehmen. Der Ausschuß für innere Angelegenheiten stellt daher nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichterstattung und die Antragstellung.

Derzeit ist niemand zu Wort gemeldet.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, und zwar zuerst über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend einen Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik über die Zusammenarbeit und die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen. Der gegenständliche Beschluß regelt Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder, weshalb dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG bedarf.

Überdies enthält er in dessen Artikel 9 Abs. 1 und 2 und dessen Artikel 3 Abs. 1 verfassungsändernde Bestimmungen, die gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jetzt jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den im Artikel 9 Abs. 1 und 2 und im Artikel 3 Abs. 1 des vorliegenden Beschlusses enthaltenen verfassungsändernden Bestimmungen gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 82

Der Antrag, den zitierten verfassungsändernden Bestimmungen die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Ich bitte ferner jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Kroatien über die Übernahme von Personen an der Grenze.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Protokoll auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union und von Artikel 41 Absatz 3 des Europol-Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bediensteten von Europol (894 und 1194/NR sowie 5716/BR der Beilagen)

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich;

Übereinkunft über die vorläufige Anwendung zwischen einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union des Übereinkommens auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich;

Protokoll auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung;

Erklärung zur gleichzeitigen Annahme des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich und des Protokolls betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung;

Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 2 des Protokolls auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung (952 und 1196/NR sowie 5717/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.


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642. Sitzung / Seite 83

Es sind dies:

ein Protokoll auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union und von Artikel 41 Absatz 3 des Europol-Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bediensteten von Europol und

ein Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich; Übereinkunft über die vorläufige Anwendung zwischen einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union des Übereinkommens auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich; Protokoll auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung; Erklärung zur gleichzeitigen Annahme des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich und des Protokolls betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung; Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 2 des Protokolls auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung.

Die Berichterstattung über die Punkte 10 und 11 hat Herr Bundesrat Rieser übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

Berichterstatter Peter Rieser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bringe die Berichte des Ausschusses für innere Angelegenheiten.

Zu Tagesordnungspunkt 10 liegt Ihnen der Bericht schriftlich vor. Der Ausschuß für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Punkt 11: Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Der Ausschuß für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte und für die Antragstellung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

19.33

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute bei diesen beiden Tagesordnungspunkten zum einen über ein Protokoll über Vorrechte und Immunitäten der Europol. Ich darf mich bei meiner Stellungnahme auf einen Bericht darüber in den bundesdeutschen Medien stützen, damit Sie sehen, daß dieses Thema auch in den anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union heiß diskutiert war und es auch dort nicht klar war, in welcher Form diese Immunitäten der Europol-Beamten zu regeln sind.

Meine Damen und Herren! Diese neue Behörde, diese Europol, soll nämlich eine Informationszentrale sein. Sie soll Daten der nationalen Polizeien sammeln, analysieren, an die nationalen Behörden weiterleiten oder angereichert zurückgeben. Sie soll eine Computerpolizei mit Durchblick durch die kriminellen Szenen sein. Dies schließe gewiß das Handeln von Europol-Beamten auf dem Territorium der Mitgliedstaaten ein. Europol bleibt dabei aber den Weisungsbefugnissen der nationalen Behörden unterworfen. Der Amsterdamer Vertrag ebnet Europol also nicht den Weg zu autonomen Ermittlungsbefugnissen.


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642. Sitzung / Seite 84

Zum einen privilegiert nun aber das Protokoll Europol und seine Bediensteten steuerlich. Solche Bevorzugungen internationaler Organisationen lassen sich vor dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit im Sinne einer gleichen Besteuerung kaum rechtfertigen. Wirklich prekär ist dagegen, daß Europol Immunität von der Gerichtsbarkeit genießt und seine Vermögensgegenstände, Liegenschaften und Guthaben von jeder Durchsuchung, Beschlagnahme, Einziehung und sonstigen Form des Zugriffs frei sind. Auch die Archive sind dem Protokoll zufolge unverletzlich. Organe und Personal von Europol genießen Immunität von jeglicher Gerichtsbarkeit hinsichtlich der von ihnen in der Ausübung ihres Amtes vorgenommenen mündlichen und schriftlichen Äußerungen sowie Handlungen.

Meine Damen und Herren! Entscheidend für die Beurteilung dieser Immunitätsregelungen und dieses Protokolls – das ist das Seltsame dabei – muß aber sein, daß sich der Schutz dieser Immunität gerade nicht auf das wirklich kritische Tätigkeitsfeld erstreckt. Geben nämlich Organe und Personal dieser Europol Informationen weiter, die sie zu verschweigen und geheimzuhalten verpflichtet wären, so werden sie in der gleichen Weise strafrechtlich verfolgt wie andere Personen im öffentlichen Dienst.

Mustert man also unter diesen Kriterien, die ich hier genannt habe, dieses Europol-Protokoll, so macht sich in der Tat Skepsis breit, ob diese vorgesehene Immunitätsregelung tatsächlich notwendig ist.

Ich fasse zusammen: Diese Europol-Beamten werden also in den einzelnen Mitgliedsländern nicht operativ tätig werden. Diese Eurocops werden sich in Österreich aber nicht an die Gesetze zu halten haben. Sie besitzen dann eine umfassende diplomatische Immunität und können auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit nicht belangt werden.

Wir sind der Ansicht, meine Damen und Herren, daß dieser Exekutive dieselben Rechte und Möglichkeiten gegeben werden sollen, wie sie die österreichische Polizei hat. Wir halten eine diplomatische Immunität für diese neu einzurichtenden Beamten in dieser Dienststelle für überzogen. Die steuerlichen Privilegien, die damit in Zusammenhang zu bringen sind, sind völlig unverständlich. Wir werden deshalb nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster ist Herr Bundesrat Pfeifer zu Wort gemeldet. – Bitte.

19.37

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wie es der Berichterstatter bereits erwähnt hat, werden durch den vorliegenden Beschluß des Nationalrates den Organen von Europol Immunitäten und Privilegien in dem Ausmaß eingeräumt werden, das eine ungehinderte Tätigkeit von Europol ermöglicht. Europol kann aber erst tätig werden, wenn wir das Protokoll über Vorrechte und Befreiungen der Organe von Europol in Form eines dementsprechenden Beschlusses in Kraft treten lassen. Wir, die SPÖ-Fraktion, werden dem vorliegenden Antrag des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, die Zustimmung erteilen. Das gleiche gilt für den Antrag in bezug auf den Beschluß des Nationalrates betreffend ein Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrages über die EU im Zollbereich.

Zurückkommend zum Europol-Übereinkommen meinen wir, daß dieses Übereinkommen ein ganz wesentlicher Schritt ist, um der Internationalisierung der Kriminalität zu begegnen und gemeinsam zu erreichen, daß internationale Kriminalität erfolgreicher und besser als bisher bekämpft werden kann. Ziel von Europol ist es, die Zusammenarbeit zur Verhütung und zur Bekämpfung des Terrorismus, des Drogenhandels und aller anderen Formen der internationalen Kriminalität, wie etwa der Schlepperei, des Menschenhandels, der Kfz-Schieberei, der Geldwäsche und so weiter zu erreichen. Dazu sagt die FPÖ nein. Mir ist das nicht ganz klar, ich frage auch: warum wohl? – zumal auch im Nationalrat sehr ausführlich darüber diskutiert wurde und es auch die Begründung für ein Ja gegeben hat.


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Meine Damen und Herren! Genauso wichtig erscheint uns das Übereinkommen über das Zollinformationssystem. Den Zollverwaltungen werden ein gemeinsames Vorgehen und der automatische Austausch von personenbezogenen und auch anderen Daten ermöglicht. Ziel dieser Verordnung ist die Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anwendung der Zoll- und Agrarregelungen auf der Grundlage eines automatisierten Datenaustausches.

Der Zweck dieses Systems ist die Verhinderung, Ermittlung und Verfolgung schwerer Verstöße gegen einzelstaatliche Rechtsvorschriften. Es wird damit wesentlich leichter gelingen, der Wirtschaftskriminalität konzentriert entgegenzutreten.

Aber auch die berühmte Geldwäsche und der Drogenhandel werden damit entschieden besser bekämpft werden können. Alles kann man – das wissen wir – nicht erreichen. Aber die Grundvoraussetzungen dazu sollen geschaffen werden.

Hohes Haus! Wenn wir uns mit größter Kraftanstrengung um eine gesamteuropäische Sicherheit durch das System Europol bemühen, dann ist es einfach unmöglich, die Wirtschaftskriminalität da nicht einzubeziehen. Sicherheit ist nicht teilbar, Sicherheit muß den gesamten Lebensbereich umfassen. Daher wird meine Fraktion im Gegensatz zur FPÖ diesem Projekt im Sinne einer umfassenden europäischen Sicherheitspolitik natürlich gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

19.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein zu Wort gemeldet. – Bitte.

19.41

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine ungehinderte europaweite Tätigkeit muß Europol möglich sein. Ich begrüße die Einrichtung von Europol. Die Aufgaben von Europol sind im Vertrag von Amsterdam sehr klar definiert. Es geht um den Schutz der Bürger, und das ist ein höheres Gut als die Intimsphäre von Verbrechern.

Der Kampf gegen organisierte Kriminalität ist heute nur mehr auf internationaler Ebene möglich – ob bei Drogen oder Waffenhandel, bei Schleppern, Schiebern oder anderen mehr. Deshalb: Null Toleranz gegen Verbrechen! Die Sicherheit der Bürger hat Vorrang.

Wir brauchen die Stärke der inneren Sicherheit, und zwar nicht nur der inneren Sicherheit in Österreich, sondern der inneren Sicherheit europaweit. Sie steht für Recht, Sicherheit und Ordnung und ein ausgeprägtes Rechtsbewußtsein, und dies eben europaweit.

Wir müssen Verbrechen und jede Bedrohung von Demokratie, Recht und Freiheit mit voller Kraft bekämpfen. Der Schutz unserer Kinder sowie die Sicherheit im Alltag stehen dabei ebenso im Mittelpunkt wie die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Drogenhandel, politischem Extremismus und internationalem Terrorismus. Dazu brauchen wir Europol und eine europaweite Polizeieinsatzmöglichkeit. Nur wer ohne Angst um sich, seine Familie und sein Eigentum leben kann, hat Vertrauen in unsere Gemeinschaft. Deshalb müssen wir uns ohne Wenn und Aber für die berechtigten Sorgen der Menschen einsetzen. Wer Recht bricht und sich damit gegen das Gemeinwohl stellt, muß mit Konsequenzen der Verfolgung und mit Bestrafung rechnen.

Der Tendenz, Verbrechen zu verharmlosen und sie zu entkriminalisieren, müssen wir entschlossen entgegentreten. Wer zum Beispiel Ladendiebstahl oder Vandalismus als Bagatelldelikte abtun will, verwässert das Rechtsbewußtsein und schwächt die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Eigentum. Verantwortungsbewußtes Durchgreifen begegnet den Anfängen von Kriminalität und beugt einem Abgleiten ins schwere Verbrechen vor. Eine Unkultur des Wegsehens, in der Unrecht toleriert wird, darf es mit uns nicht geben. Darum müssen wir für Europol eintreten, da dies heute grenzüberschreitend notwendig ist.

Es gilt, unsere Kinder und Jugendlichen vor gemeingefährlichen Straftätern und zunehmenden Gewalteinflüssen zu schützen. Das Leben unserer Kinder hat Vorrang vor Resozialisierungs


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ansprüchen von Sexualstraftätern. Die Zurückdrängung gewaltverherrlichender Darstellungen in den Medien und im Internet muß in Angriff genommen werden. Wir müssen daher dringend auf verstärkte Selbstverpflichtungen in Europa setzen, auf eine bürgernahe und motivierte Polizei, die mit modernster Ausstattung effektiv arbeiten kann, auf den Einsatz modernster technischer Mittel, die die akustische und optische Überwachung von Gangsterwohnungen ermöglichen, auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität durch den Einsatz von Nachrichtendiensten und auf internationale Zusammenarbeit, wie sie bei Europol gegeben ist.

Wir brauchen mehr Handlungsspielraum für verdeckte Ermittler, einen Datenschutz, der die Strafverfolgungsbehörden nicht behindert und nicht als Täterschutz wirkt, den Aufbau einer zentralen Gendatei zur Verfolgung von Straftätern, die schnelle Aburteilung, das heißt, effektive Verfahren durch die Möglichkeit von Verfahrensbeschleunigung und Hauptverhandlungshaft, eine deutliche Entlastung der Gerichte und Verkürzung der Rechtswege, die Klarstellung, daß die Möglichkeit, Haftstrafen von einem bis zu zwei Jahren zur Bewährung auszusetzen, nicht automatisch zum Regelfall werden darf, einen Führerscheinentzug als Strafe, auch wenn kein Straßenverkehrsdelikt vorliegt, eine Ausweitung der Kronzeugenregelung bei Delikten der organisierten Kriminalität, um den Schutz von Opfern und Zeugen auszubauen.

Österreich hat im Kampf gegen das Verbrechen ohne Zweifel wichtige Erfolge erzielt. Dies gehört aber leider noch verstärkt. Wir müssen den Extremismus bekämpfen. Wir müssen jeden Extremismus – von rechts und links – mit allen rechtsstaatlichen Mitteln und aller gebotenen Härte bekämpfen. Wir müssen mit allen Mitteln verhindern, daß ausländische Extremisten die Konflikte ihrer Heimatländer auf unserem Boden austragen.

Die garantierte freie Religionsausübung darf nicht als Deckmantel zur Bekämpfung unserer freien Demokratie mißbraucht werden. Sekten gefährden unsere Gesellschaft. Wir müssen unsere Bürger, vor allem die Kinder und Jugendlichen, vor Sekten und Psychogruppen schützen.

Wir haben den Kampf gegen Drogenbanden entschlossen fortzusetzen, und das grenzüberschreitend. Wir müssen Drogen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen. Unsere Kinder müssen vor Abhängigkeit und Elend beschützt werden. Wir setzen auf die bewährten Säulen der Drogenpolitik: Einschränkung der Nachfrage durch Vorbeugung, Hilfe für Abhängige und vehemente Bekämpfung der Dealerkriminalität. Nur der Einsatz modernster technischer Mittel gegen solche skrupellose Verbrecher bringt uns weiter. Die Drogenmafia ist Staatsfeind! Zum Schutze unserer Kinder müssen wir die Freigabe angeblich weicher Drogen wie Haschisch oder Marihuana entschieden ablehnen. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Durch Legalisierung wird Drogenmißbrauch verharmlost, die Hemmschwelle sinkt. Letztlich würde die Zahl der Abhängigen zunehmen. Drogenabhängige brauchen Hilfe. Wir müssen Entzugsprogramme, Therapieangebote und Nachversorgung weiter ausbauen. Eine staatliche Abgabe von harten Drogen et cetera in sogenannten Fixerstuben gibt es Gott sei Dank in Österreich nicht, den Verkauf in Apotheken oder auf einem freien Markt darf es nicht geben. Deshalb ist klar: Mit uns darf es keine Verharmlosung der Drogengefahr geben. (Bundesrat Dr. Tremmel: Sehr gut!)

Illegale Einwanderung ist konsequent zu verhindern. Illegale Einwanderung und organisierte Schlepperbanden bedrohen Demokratie und Rechtsstaat. Wir brauchen dagegen eine gesamteuropäische Strategie, die eine wirksame Sicherung der Außengrenzen nicht nur verbal, sondern tatsächlich gewährleistet. Die Behörden der EU-Staaten müssen verstärkt zusammenarbeiten, um den menschenverachtenden Handel mit der Armut konsequent zu bekämpfen. Um gegen illegale Einwanderung und organisierte Schlepperbanden wirkungsvoll vorgehen zu können, müssen wir diese Form der organisierten Kriminalität mit allen notwendigen Mitteln bekämpfen.

Wir müssen die Asylpolitik natürlich konsequent fortsetzen. Die Volkspartei bekennt sich zur Aufnahme politisch Verfolgter und zur Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention. Politisch Verfolgte finden weiterhin Zuflucht in Österreich – der Zustrom von Wirtschaftsflüchtlingen muß aber deutlich eingeschränkt werden.


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Zur Ausländerkriminalität: Wichtig ist eine klare Linie. Wer sein Gastrecht mißbraucht, muß das Land verlassen. Die Ausländerkriminalität muß entschieden bekämpft werden (Beifall bei den Freiheitlichen), um die Akzeptanz und Integration der in Österreich lebenden unbescholtenen Ausländer nicht zu gefährden. Nur durch eine konsequente Politik sichern wir auch in Zukunft ein friedliches und freundschaftliches Zusammenleben von Österreichern und Ausländern in unserem geeinten, freien und demokratischen Europa.

Wir brauchen nicht nur den Euro, sondern wir brauchen auch die europäische Sicherheitspolitik, und wir brauchen im Bereich der Sicherheitspolitik auch Europol. Meine Partei wird deshalb zustimmen. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

19.51

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte.

19.51

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Steht Europol über dem österreichischen Recht? Haben Europol und deren Angehörige mehr Rechte als die österreichische Exekutive?

Ja zur Nulltoleranz, sehr geehrter Herr Vorredner, lieber Dr. Liechtenstein, aber auch ja zur Bekämpfung der internationalen Kriminalität. Ich meine jedoch: Läßt sich das durchführen von Polizisten, die außerhalb des Rechts stehen, die einer Immunität unterliegen, die nicht nur eine diplomatische Immunität ist, sondern eine, die sie auch vor Strafverfolgung bei in Ausübung des Dienstes oder neben dem Dienst begangenen Verbrechen schützt? Wird Europol vielleicht zu einer Art Geheimpolizei, die keinen Richter mehr zu fürchten hat? – Das ist eine Frage, die in einer deutschen Zeitung gestellt worden ist, und ich nehme an, der Herr Bundesminister kennt diese Fragestellung.

Rainer Voss, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, stellt fest: Es ist rechtstaatswidrig, Europol-Polizisten, die im Amt eine Straftat begangen haben, vor der strafrechtlichen Verfolgung zu schützen. – Wenn das der Fall ist, dann müssen wir uns dagegen wehren dürfen und kein Gesetz beschließen, welches den Schutz einzelner privilegierter Verbrechen vielleicht sogar vorsieht. Wir können doch nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben und die Verbrecher, die internationale Kriminalität mit kriminell gewordenen Polizisten, die Europol heißen, bekämpfen.

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 21. 1. 1998 stellt fest, daß mehrere Sachverständige Bedenken gegen die geplante Immunität der Bediensteten bei Europol äußern. Auch der deutsche Innenminister Kanther, der Kollege von Herrn Minister Schlögl, hat wiederholt darauf hingewiesen, daß die deutsche Bundesregierung die Gewährung von Immunität nicht für notwendig halte, sich aber dem Wunsch der Europol-Partnerstaaten habe beugen müssen.

Ich halte diese Feststellung, so sie der deutsche Bundesminister getroffen hat, für bedenklich. Sie bestätigt meine Überlegungen zu Mitgliedschaft und Tätigkeit in der EU dahin gehend, daß wir eigentlich ein Vorzugsschülerdasein fristen. Die anderen drängen uns, etwas zu machen, und wir machen halt mit, weil es die anderen ohnehin schon alle gemacht haben.

Man muß doch aber auch nein sagen können! Gewisse Dinge sind notwendig, wie du richtigerweise gesagt hast, aber diese Privilegien gehen über das notwendige Maß hinaus. Gut, wenn sie mit der Familie da sind, dann sollen sie auch gewisse Möglichkeiten haben, aber das ist nicht das heutige Thema. Es geht um eine Immunität, die Kriminalität schützt, die im Rahmen des Dienstes für den Dienst, aber vielleicht auch außerhalb des Dienstes stattgefunden hat. Das kann doch nicht die Aufgabe sein.

Es gibt ein Buch, das der ehemalige deutsche Polizeipräsident Professor Dr. Hans Lisken und Polizeioberrat Reinhard Mokros geschrieben haben, in dem sie die Immunität der Europol-Beamten stark kritisieren. Sie führen das deutlich aus: Während sich Artikel 41 der Konvention so liest, als ob es nur um eine diplomatische Exemtion von staatlicher Gerichtsbarkeit am Ort


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des Behördensitzes geht, nehmen die Regierungen den Auftrag in Artikel 41, das Nähere in einem Protokoll zu regeln, zur Grundlage, der Protokollvereinbarung allen Europol-Bediensteten europaweit totale Immunität für jegliches polizeiliches Handeln zuzusichern.

Herr Bundesminister! Das kann doch nicht die Absicht gewesen sein. Gesetzt den Fall, daß das, was ich sage, falsch oder nicht ganz richtig ist, gehe ich davon aus, daß Sie vielleicht darauf Bezug nehmen. Aber wenn das so ist, wie ich es gesagt habe, wenn es stimmt (Bundesrat Drochter: Fragezeichen!)  – ich sage wenn, es muß nicht sein; der Herr Bundesminister wird es dann vielleicht bestätigen –, dann müßten wir alle doch sagen, diesem Gesetz können wir nicht die Zustimmung geben. Wir wollen keine Exekutive, die sich eigentlich fast nur durch das Amtskappel – geistig gesehen, sie tragen keines – von der Kriminalität unterscheidet und, um zu Recht zu kommen, Unrecht setzt. Das kann nicht die Absicht sein!

Ich meine daher, daß dieses Gesetz heute von uns nicht beschlossen werden sollte, weil zuviel der Unwägbarkeiten darin enthalten sind. So gut und so notwendig das, was du sagtest, auch ist – wir wollen die internationale Kriminalität nicht, wir wollen die Jugend schützen, wir wollen die Kinder schützen, wir wollen dieses und jenes nicht, wir wollen in einem sicheren Staat leben –, so muß doch gesagt werden, daß wir nicht in einem sicheren Staat leben können, wenn jene, die ihn sicher machen sollen, sich im Grunde genommen nur durch ein geistiges Amtskappel von Verbrechern unterscheiden können  – nicht tun. Das hoffe ich doch. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schöls. – Bitte.

19.57

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Die Kollegen Liechtenstein und Gudenus haben es leicht, wenn sie nacheinander sprechen, aber ich habe dann immer die technischen Probleme mit dem Rednerpult! (Heiterkeit.)

Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Johann Wolfgang von Goethe wird nachgesagt, daß er einmal die Formulierung gefunden hat: Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden, und es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.

Hohes Haus! In diesem Sinne bin ich froh, daß der seinerzeitige Vizekanzler und Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Dr. Alois Mock nach diesem Grundsatz gelebt hat, daß meine Partei, die Österreichische Volkspartei, diesen Grundsatz gehuldigt hat und wir zäh genug sind, um auch die Zögerer in der Sozialdemokratischen Partei zu überzeugen, daß es notwendig ist, Mitglied in der Europäischen Gemeinschaft zu sein.

Durch unsere Zähigkeit und durch unsere Härte haben wir mit dem gestrigen Tag nicht nur den vielen Funktionären, Mandatsträgern und Regierungskollegen der Österreichischen Volkspartei Freude bereiten können, indem wir jetzt die EU-Präsidentschaft innehaben und als Österreicher die Verantwortung für Europa haben, sondern wir haben unter anderem auch Kollegen Gudenus Freude bereiten können: Er freut sich darüber, daß ganz Österreich blau beflaggt ist. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist richtig!)

Ich darf Ihnen sagen: Die Europafahne kann nichts dafür, daß Ihre Parteifarbe blau ist, denn sonst hätten wir unter Umständen ans Umfärben denken müssen. (Bundesrat Konečny: Ihre Parteifarbe ist ja ganz ausgewaschen!) – Das zur Ihrer Freude darüber, daß Sie meinen, die blauen Fahnen in Österreich lassen an die FPÖ denken. (Bundesrat Eisl: Herr Kollege! Sie tragen heute ja einen europablauen Anzug!)

Hohes Haus! Meine sehr geschätzen Kolleginnen und Kollegen! Ich habe schon gesagt, wir sind dank der Zähigkeit der Österreichischen Volkspartei, die den Regierungspartner davon überzeugen konnte, daß es notwendig ist, in dieser Europäischen Gemeinschaft Mitglied zu sein, nunmehr in der glücklichen Lage, daß wir auch innerstaatlich verschiedenste Voraussetzungen


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schaffen müssen, damit Österreich in der Europäischen Gemeinschaft die gleichen Rechtsvoraussetzungen hat. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wir wollen etwas über Europol hören!) Das gilt für die Sozialpolitik. Das gilt für die Wirtschaftspolitik. Das gilt nach meinem Dafürhalten natürlich auch für die Verteidigungspolitik.

Heute unterhalten wir uns über die Rahmenbedingungen für die innere Sicherheit in den EU-Mitgliedstaaten. Kollege Liechtenstein hat unter anderem schon ausgeführt, daß es mit diesem Übereinkommen darum geht, europaweit die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Drogenkriminalität, der Menschenhandel, der Menschenschmuggel, Geldwäsche und all die Dinge, mit denen wir uns nicht identifizieren und die einen Rechtsstaat in Frage stellen, europaweit abgehandelt werden können.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Sie haben einmal plakatiert: "Wien darf nicht Chicago werden!". Herr Dr. Tremmel, weil Sie meinen Zuspruch zur Aussage des Kollegen Liechtenstein, was die Bekämpfung der Ausländerkriminalität betrifft, eingemahnt haben: Ich bin natürlich auch dafür, daß in Österreich die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß die kriminellen Ausländer tatsächlich gezwungen werden, sich nach unseren Spielregeln zu verhalten. Aber ich bin dagegen, daß generell jeder, der nicht österreichischer Staatsbürger ist und sich in Österreich aufhält, als Krimineller hingestellt wird.

Bei diesem Übereinkommen geht es nicht darum, daß für irgendwelche Psychopaten Privilegien geschaffen werden, sondern darum, sinnvolle Mechanismen zu schaffen. Ich würde empfehlen, nicht aus deutschen Zeitungen und aus deutschen Büchern zu zitieren, sondern die Regierungsvorlage und die Ausschußberichte betreffend dieses Abkommen zu lesen. Darin ist eindeutig definiert, wie die Immunität zu verstehen ist. Das ist eindeutig nachlesbar und auch nachvollziehbar.

Sie, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, schüren wieder nur Ängste. Es hat Kollege Gudenus hier gesagt, nur das Amtskappel unterscheide sie. Das ist eine Unterstellung gegenüber diesen Beamten. Das kann man so nicht im Raum stehen lassen. Dem ist nicht so, sondern genau das Gegenteil ist der Fall. Die Immunität wird nämlich in solchen Situationen aufgehoben.

Im übrigen würde ich euch bitten, wenn ihr die Gründung der FGÖ tatsächlich ernst nehmt – was mir kein Anliegen ist –, und wenn ihr tatsächlich daran interessiert seid, den Kollegen Kleindienst bei seiner Arbeit, speziell im Bereich der Exekutive, zu unterstützen – was mir auch kein Anliegen ist –, nicht auf der einen Seite dazu beizutragen, daß Kollege Kleindienst jeden Bürger auffordert, Geld auf die hohe Kante zu legen, damit ein Polizeistaat eingerichtet werden kann, und auf der anderen Seite, wenn gesetzliche Voraussetzungen geschaffen werden, daß internationale Fahndungsmethoden eingeführt werden, das Gegenteil zu verlangen. (Rufe bei den Freiheitlichen: Es geht um Privilegien!)

Die Österreichische Volkspartei wird dieser Vorlage zustimmen, weil damit die Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es ermöglichen, dieses Haus Europa ein Stück weiter zu bauen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.04

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Windholz. – Bitte.

20.04

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine effizientere, eine bessere Betrugsbekämpfung im Zollbereich halte ich grundsätzlich für äußerst positiv und für dringend angebracht. Die Schaffung eines Zollinformationssystems halte ich jedoch für entbehrlich, denn es gibt bereits das Schengener Informationssystem. Ich darf nun auf das Schengener Informationssystem näher eingehen.


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Beim Übereinkommen von Schengen heißt es im Artikel 92 Abs. 1: Durch das Schengener Informationssystem werden Ausschreibungen, die der Suche nach Personen und Sachen dienen, den durch die Vertragsparteien bezeichneten Behörden für die nach Maßgabe des nationalen Rechts durchgeführten Grenzkontrollen, sonstigen polizeilichen Kontrollen und zollrechtlichen Überprüfungen im Land – also zollrechtlichen Überprüfungen im Inland! – zum Abruf im automatisierten Verfahren bereitgehalten.

Weiters: Artikel 99 Abs. 4 SIS bestimmt: Aufgrund der verdeckten Registrierung können anläßlich von Grenzkontrollen und sonstigen polizeilichen und zollrechtlichen Überprüfungen – zollrechtlichen Überprüfungen! – im Binnenland die nachstehenden Informationen ganz oder teilweise eingeholt und der ausschreibenden Stelle übermittelt werden.

Artikel 101 Abs. 1 normiert weiters: Zugriff auf die im Schengener Informationssystem gespeicherten Daten mit dem Recht, diese unmittelbar abzurufen, erhalten ausschließlich Stellen, die zuständig sind für Grenzkontrollen, sonstige polizeiliche und zollrechtliche Überprüfungen im Inland – zollrechtliche Überprüfungen im Inland! – sowie deren Koordinierung.

Die Umsetzung im nationalen Recht finden wir wieder in der Fahndungs- und Informationsvorschrift, Herr Bundesminister; 1997 vom Bundesministerium für Inneres erlassen.

Dort jedoch hat man diese Zollkontrollen vergessen. Lediglich dort, wo der Zoll als Grenzkontrollorgan einschreitet, ist der Zugriff zum SIS möglich. § 27 Abs. 9 müßte nach meinem Dafürhalten abgeändert werden, für die Zollorgane bei deren Amtshandlungen erweitert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Einführung des Zollinformationssystems sind unmittelbar Kosten verbunden. In der Regierungsvorlage steht: Aufwendungen und Kosten, die in Verbindung mit dem Betrieb und der Benutzung der Zollinformation entstehen, sind von den Mitgliedstaaten zu tragen. Weiters wird darauf hingewiesen, daß es zu einem wesentlichen Personalmehraufwand kommen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat sich Kollege Jaud mit den Kosten für einen zusätzlichen Beamten auseinandergesetzt, und ich muß sagen: Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen, es seien dies vermeidbare Kosten, und es wäre richtiger und zweckmäßiger, das Schengener Informationssystem für die Zollorgane zur Gänze zu nützen. Man könnte sicherlich sinnvoll Ausgaben einsparen, und dadurch könnte man eine effiziente Arbeit der Exekutive sicherstellen.

Die Exekutive ist ausgesprochen wichtig im Kampf gegen die stärker werdende Kriminalität, und es ist für den österreichischen Staatsbürger unerheblich, ob es ein Zollorgan oder ein Grenzgendarm ist, der kontrolliert. Ich darf darauf verweisen, daß vor kurzem ein Bus von mutmaßlichen Mitgliedern der Russenmafia überfallen wurde. Die Täter wurden am Grenzübergang von Zollorganen gestellt. Dem einzelnen Bürger ist es sicherlich völlig egal, von wem der Täter gestellt wird.

Wir werden also diesem Zollinformationssystem deshalb nicht zustimmen, weil dadurch Kosten anfallen, die vermeidbar sind.

Ich darf zum Abschluß noch auf Kollegen Schöls eingehen, der sich um die "Freie Exekutivgewerkschaft Österreichs" Sorgen macht. Gewerkschaftskollege Schöls – auch ich bin ein Gewerkschaftler! –, nimm zur Kenntnis, daß es auch in diesem Bereich kein Monopol mehr gibt. Ich darf Ihnen sagen, wofür Josef Kleindienst, wofür die "Freie Exekutivgewerkschaft Österreichs" eingetreten ist, und zwar: Für alle Außendienst- und Basisbeamte im Exekutivdienst übernimmt die Freie Exekutive ab sofort den aktiven Ehrenschutz. Da der Dienstgeber seiner Schutz- und Fürsorgepflicht in keinster Weise nachkommt, werden alle Verbrecher und alle Straftäter, die die Exekutive ungerechtfertigt einer gerichtlich strafbaren Handlung bezichtigen, auf Verleumdung, Unterlassung, Ehrenbeleidigung, Schadenersatz geklagt.

Ich empfehle Ihnen, besuchen Sie einmal das Wachzimmer Karlsplatz. Dort verrichten zirka 40 Beamte Dienst. Dort kommen rund zehn Beschwerden monatlich ein. Immer wieder behaup


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ten wegen Drogendelikten Vorbestrafte Mißhandlungen ausgesetzt gewesen zu sein. Ich weiß selbst aus meiner eigenen Berufserfahrung, wie schnell so etwas geht. Es kommt dann vor, daß jemand zwei Jahre länger auf eine Dienstüberstellung warten muß, daß jemand aufgrund eines ausgesprochenen Vorwurfes keinen Dienst in der bisherigen Form mehr verrichten darf und versetzt wird. Er hat dann weiter zu fahren, oder es werden Überstunden gesperrt et cetera.

Die "Freie Exekutivgewerkschaft Österreichs", Gewerkschaftskollege Schöls, wird sich um diese Beamten – im Gegensatz zu eurer Gewerkschaft – kümmern! Wir wissen, daß wir richtig liegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jene, die dieses System nützen, verursachen in Wahrheit enorme Anwaltskosten für die betroffenen Kollegen. Wir kümmern uns darum, wir werden diesen Kollegen helfen. Wir stehen auf der Seite der Exekutive, nicht auf der Seite der Verbrecher oder sonstiger Subjekte! (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Schöls zeigt auf.)

20.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wortmeldung oder tatsächliche Berichtigung? (Bundesrat Schöls: Tatsächliche Berichtigung!) Tatsächliche Berichtigung. – Bitte.

20.11

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich) (tatsächliche Berichtigung): Kollege Windholz behauptete durch seine Aussage, die Gewerkschaft öffentlicher Dienst stehe auf der Seite der Verbrecher. Ich weise das zurück und berichtige, daß wir auf der Seite der Gewerkschaftsmitglieder stehen, der ehrlichen und der anständigen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Dr. Tremmel: Zur Geschäftsordnung!)

20.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte.

20.12

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Meine Wortmeldung bezieht sich auf die Geschäftsordnung, und ich bitte, im Protokoll genau feststellen zu lassen, was hier wirklich vorgefallen ist, denn sonst wird eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung jeweils zur Polemik genützt, und das ist einzustellen, das geht an und für sich nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Ungeheuerlich!)

20.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesminister Mag. Karl Schlögl. – Bitte.

20.12

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will auf die letzten Debattenbeiträge nicht allzusehr eingehen, aber muß schon eines sagen: Es ist natürlich immer ein Problem, wenn Exekutivbeamte in Ausübung ihres Dienstes verdächtigt werden, daß sie in irgendeiner Form Übergriffe gemacht haben. Die österreichische Exekutive hat im vergangenen Jahr einige Millionen an konkreten Amtshandlungen durchgeführt – das ist eine gigantische Zahl –, und es hat im vergangenen Jahr zirka 330 konkrete Anzeigen wegen angeblicher oder mutmaßlicher oder tatsächlicher Übergriffe gegeben.

All diese Übergriffe sind von den zuständigen Behörden beziehungsweise von der Disziplinarkommission sehr genau geprüft worden. Es hat im Zeitraum von 1997 bis heute noch keine Verurteilung gegeben. Das soll nicht heißen, daß tatsächlich keine Übergriffe erfolgt sind, aber es haben die Übergriffe entweder tatsächlich nicht stattgefunden oder die Übergriffe konnten nicht nachgewiesen werden. Es ist bei Vorliegen unterschiedlicher Aussagen sehr schwierig, immer eine richtige Entscheidung zu treffen. Man sieht das immer durch zwei Brillen: Die eine Brille ist die, daß man, wenn es so viele Anzeigen gibt, schwer glauben kann, daß alle Vorwürfe unberechtigt sind. Andererseits ist es allzuoft der Fall, daß gewisse Dinge sehr überzogen dargestellt werden.


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642. Sitzung / Seite 92

Ich denke da an folgendes Beispiel: Es wird ein Diplomat in der U-Bahn angehalten, seinen Ausweis vorzuzeigen, und er weigert sich, dieser Aufforderung nachzukommen. Er wird dann auf das Wachzimmer mitgenommen, und bei der Perlustration findet man dann seinen Diplomatenausweis. Man fragt sich da schon, wieso dieser Mann so reagiert. Wenn er nämlich den Diplomatenausweis hergezeigt hätte, dann hätten die Polizeiorgane in keiner Weise weitere Reaktionen gesetzt und dann wäre es auch nicht zur Vorführung vor dem Polizeiwachzimmer gekommen. Diese Handlung ist aber Anlaß gewesen, daß Amnesty International dies als Menschenrechtsübergriff österreichischer Exekutivorgane in ihrem letzten Bericht veröffentlicht hat. Ich wollte damit nur zeigen, wie schwierig es ist, das zu beurteilen.

Ich möchte hier noch einmal klar und eindeutig betonen, daß es meine Aufgabe als Innenminister ist, hinter den Beamtinnen und Beamten zu stehen, die oft unter sehr schwierigen Umständen, oft unter Einsatz ihres eigenen Lebens im Interesse der Sicherheit unseres Landes, aber auch im Interesse des Lebens von vielen Menschen eingreifen. Ich möchte aber genauso sagen: Überall dort, wo der berechtigte Verdacht besteht, daß es Übergriffe gegeben hat, muß mit der notwendigen Härte und Konsequenz auch eingegriffen werden, denn das Entscheidenste und Wichtigste ist, daß es ein Vertrauensverhältnis zwischen Bevölkerung und Exekutive gibt, und das kann nur dann gesichert werden, wenn allfällige einzelne Übergriffe entschieden und deutlich und klar abgelehnt werden und auch entsprechend konsequent dagegen aufgetreten wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum zweiten Punkt: Ich unterscheide zwischen der Einrichtung von Europol und der Frage der Immunitäten. Ich habe heute aus den Zeilen herausgehört, daß sich alle drei hier im Bundesrat vertretenen Parteien im Prinzip zu Europol bekennen und Europol auch unterstützen. Ich glaube, daß Europol wichtig und notwendig ist, weil, wie bereits Bundesrat Pfeifer gesagt hat, die Antwort auf die Internationalisierung der Kriminalität nur die Internationalisierung der Polizeiarbeit sein kann.

Europol ist kein Organ, das operative Tätigkeiten ausübt, das in Österreich oder in den anderen EU-Mitgliedstaaten im operationellen Bereich tätig wird, sondern Europol ist eine Zentralstelle für den polizeilichen Informationsaustausch und für die Verbrechensanalyse. Ich glaube, daß es sehr wichtig und notwendig ist, daß es diese Servicefunktion gibt. Europol soll nicht die Aufgabe haben, ein europäisches FBI zu sein, sondern Europol soll die Aufgabe haben, eine Servicefunktion auszuüben.

Ich bin sehr glücklich, daß es uns gelingt, mit 1. Oktober Europol tatsächlich ins Leben zu rufen. Es wird in Den Haag in einem festlichen und feierlichen Akt Europol am 1. Oktober durch die österreichische EU-Präsidentschaft quasi eröffnet werden.

Anders verhält es sich mit der Frage der Immunitäten. Da wohnen zwei Seelen in meiner Brust: Die eine Seele ist, daß ich einfach nicht einsehe, wieso gerade die Europol-Beamten anders behandelt werden als alle anderen EU-Beamten. Die EU-Beamten, die Interpol-Beamten, die Beamten von UNIDO und die Beamten von anderen internationalen Organisationen haben alle dieselben Privilegien und Immunitäten. Ich glaube, daß sie dann, wenn sie diese haben, auch die Europol-Beamten haben sollten. (Beifall bei der SPÖ.)

Hinzu kommt noch folgendes, was auch sehr wichtig ist: daß nur dann, wenn das Protokoll über Immunitäten von allen EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet wird, auch das Europol-Abkommen tatsächlich ratifiziert werden kann. Das hat der Herr Innenminister, Kollege Kanter, so auch gemeint, und so sehe ich das auch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der anderen Seite verstehe ich die Kritik, die von der Opposition kommt, die lautet: Wozu brauchen wir diese Immunitäten? Ich sage klar: Ich werde mich im Rahmen unserer EU-Präsidentschaft dafür einsetzen, daß alle Immunitäten von EU-Beamten abgeschafft werden, weil ich nicht einsehe, daß man diese Immunitäten wirklich braucht. (Demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich glaube, daß für die Handlungen der EU-Beamten die Immunität in dieser Form nicht notwendig ist. Aber wenn das der Fall ist, dann bin ich der Meinung, daß dies für alle Beamten gilt und nicht nur für die Europol-Beamten.


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Genauso bin ich der Meinung – und ich habe das bereits in der Debatte im Hauptausschuß den politischen Parteien gegenüber gesagt –, daß Europol vom Europäischen Gerichtshof und auch vom Europäischen Parlament kontrolliert werden muß. Wir werden versuchen, dieses unser Anliegen im Rahmen unserer EU-Präsidentschaft durchzubringen. Ob wir dabei Erfolg haben werden, kann ich Ihnen nicht versichern, aber ich kann Ihnen versichern, daß wir alles unternehmen werden, um das durchzusetzen, und daß wir uns bemühen werden, möglichst viele Bündnispartner dafür zu gewinnen.

Ich fühle mich bemüßigt, neben dem, was hier heute gesagt worden ist, noch zu zwei anderen Dingen Stellung zu nehmen, die mir sehr wichtig erscheinen, und zwar zu zwei Dingen, die Herr Bundesrat Liechtenstein hier erwähnt hat, und zwar zur Frage der Ausländerkriminalität und zur Frage der Drogen. Was die Drogen betrifft, bin ich im wesentlichen Ihrer Meinung; das möchte ich klar sagen. Ich glaube nicht, daß es richtig wäre, würden leichte Drogen freigegeben werden. Ich glaube, daß dadurch der Einstieg in schwere Drogen viel leichter würde (allgemeiner Beifall) und das zum Anstieg des Drogenmißbrauchs in unserem Land führen würde. Man sieht diese Entwicklung in jenen Staaten, wo leichte Drogen freigegeben worden sind.

Jeder von uns, der Raucher ist, weiß, daß dann, wenn er einmal mit einer leichten Zigarette angefangen hat, die Gefahr viel größer ist, daß er auf eine schwere umsteigt, als dann, wenn er Nichtraucher ist. Deshalb teile ich diese Meinung.

Ich glaube, die Aufgabe der österreichischen Drogenpolitik muß auf drei Säulen beruhen:

Erste Säule: Die beste Bekämpfung ist die Prävention. Wir müssen alles tun, um vorbeugend zu erreichen, daß vor allem Kinder und Jugendliche nicht drogenabhängig werden.

Eine zweite sehr, sehr wichtige Maßnahme ist: Menschen, die drogenabhängig sind, sollen nicht kriminalisiert werden, sondern es soll ihnen geholfen werden. Das heißt also: medizinische Betreuung, soziale Betreuung.

Und das dritte, was für mich entscheidend ist: Es ist hart und konsequent gegen jede Form des Drogenhandels vorzugehen, vor allem gegenüber dem internationalen Drogenhandel.

Das zweite Thema ist die Ausländerkriminalität: Es hat heute im "Standard" einen Artikel gegeben, in dem ich wegen meiner Äußerungen sehr scharf kritisiert worden bin. Ich möchte es aber noch einmal hier im Bundesratsplenum sehr klar sagen: Man muß zwischen der Ausländerkriminalität, also zwischen den Menschen, die in Österreich leben, hier eine gültige Aufenthaltsbewilligung haben, also ausländische Mitbürger sind, und der Fremdenkriminalität, die über unsere Grenzen kommt, unterscheiden. Die Ausländerkriminalität ist im Vergleich zur Inländerkriminalität eigentlich geringer und ist nicht das große Problem. Das große Problem ist die Fremdenkriminalität, die wir über unsere Grenze hinweg bekommen.

Im Jahr 1989 waren 9 Prozent aller Straftäter, die es in Österreich gegeben hat, Fremde, die kurzfristig über unsere Grenze gekommen sind. Das waren aber nur die aufgeklärten Delikte. Bei den unaufgeklärten Delikten können wir ja nicht wissen, ob der Täter ein Inländer oder ein Fremder war.

1997 ist diese Zahl auf 21 Prozent gestiegen, also von allen Straftätern waren 21 Prozent Fremde. Bei den schweren Verbrechen waren es sogar über 30 Prozent. Ich glaube, allein diese Zahl zeigt, was die Öffnung der Grenzen auch an Negativem bewirkt hat. Die Öffnung der Grenzen zum Osten hat viel Positives bewirkt, hat uns aber gerade im Sicherheitsbereich sehr, sehr viele neue und zusätzliche Probleme geschaffen. Deshalb glaube ich, daß es notwendig und wichtig ist, daß wir unsere Grenze schützen, daß wir grenzüberschreitend versuchen, Kriminalität zu verhindern, und darum halte ich es auch für so notwendig und wichtig, daß wir nicht nur bei der Einreise kontrollieren, Kollege Windholz, sondern auch bei der Ausreise. Dieser Zollbeamte in Kittsee hat sich ja sehr, sehr gut verhalten, weil er – obwohl die Fahndung erst relativ spät eingeleitet worden ist, weil die beiden Busfahrer aus mir unverständlichen Gründen sehr lange


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damit gewartet haben, das anzuzeigen –, als dann die Fahndung eingeleitet worden ist, sofort die Gendarmerie verständigt hat und die Verhaftung erfolgen konnte.

Darum ist das Geld, das wir für den Grenzsicherheitsdienst ausgeben, glaube ich, eine wichtige und richtige Ausgabe.

In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren, danke ich Ihnen für Ihre prinzipielle Zustimmung zu Europol und bitte ich Sie, unter den Prämissen, die ich genannt habe, auch dem Immunitätenprotokoll zuzustimmen, im Bewußtsein, daß wir gemeinsam darauf schauen sollten, Immunitäten für Beamte im EU-Bereich und in anderen internationalen Organen überhaupt abzuschaffen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.23

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? (Ruf: Nein!) – Danke.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Protokoll aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union und von Artikel 41 Abs. 3 des Europol-Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bediensteten von Europol.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich; Übereinkunft über die vorläufige Anwendung zwischen einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union des Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union, über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich; Protokoll aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung; Erklärung zur gleichzeitigen Annahme des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich und des Protokolls betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung; Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 2 des Protokolls aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über den Einsatz der Informationstechnologie im Zollbereich durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird (1032 und 1193/NR sowie 5718/BR der Beilagen)

13. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG), BGBl. I Nr. 75/1997, geändert wird (797/A und 1213/NR sowie 5719/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 12 und 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte gleichfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 12 und 13 hat Herr Bundesrat Grasberger übernommen. – Bitte.

Berichterstatter Ing. Walter Grasberger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Beide Berichte des Ausschusses für Innere Angelegenheiten liegen in schriftlicher Form vor, und ich darf mit Ihrem Einverständnis von einer Verlesung beider Berichte Abstand nehmen.

Der Ausschuß für Innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlagen am 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen beide Beschlüsse des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht aus dem Ausschuß und die Antragstellung, in beiden Fällen keinen Einspruch zu erheben.

Wir gehen nun in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte.

20.28

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn wir hier über das Thema der zu integrierenden Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina sowie über das ihnen weiter zu sichernde Aufenthaltsrecht sprechen, sollten wir doch zuerst einmal der österreichischen Bevölkerung unseren Dank dafür aussprechen, daß es im großen und ganzen gut gelungen ist, 93 000 Bosnier hier unterzubringen, zu verpflegen und in einem gewissen Maß sogar zu integrieren. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

In diesem Zusammenhang vielleicht einige Vergleichszahlen: In der Bundesrepublik Deutschland wurden 340 000 Bosnier in ähnlicher Weise aufgenommen, in der Schweiz 65 000, in Schweden sind 40 000 gelandet, 25 000 in den Niederlanden.

Es soll jedoch, so meine ich und meinen wir, die gute Aufnahme hier im Land nicht als eine Offerte, hierbleiben zu dürfen, mißverstanden werden. Sie sind kriegsbedingt aus ihrer Heimat


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geflohen, so wie viele in den vierziger Jahren kriegsbedingt und umständehalber aus ihrer Heimat geflohen sind und sich dann, als wieder ein gewisses Maß an Normalität eingetreten ist, dem Aufbau ihrer Heimat verschrieben haben.

Natürlich ist es schön, wenn man sagt: Ich betreibe den Aufbau meiner Heimat von außen! Das ist natürlich für manch einen bequemer, als – und das soll keineswegs beschönigt werden – in eine noch immer unwirtliche Umgebung, die einst seine Heimat war, bevor er sie verließ, oder in deren Nachbarschaft zurückzukehren. Die Situation in Bosnien ist nicht so einfach, das sei klar festgestellt.

Von diesen 93 000, die sich nach Österreich begeben haben, heißt es, wurden etwa 65 000 integriert. Sie haben Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitsbewilligung. Nun sind sie hier und haben daher einen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung eingebracht, bekamen aber keine, weil die Quoten bereits erschöpft waren.

Um welche Zahlen handelt es sich denn eigentlich? – 12 000 sind weitergereist, 10 000 bis 11 000 sind nach Bosnien zurückgekehrt. Denen gebührt wirklich die große unsichtbare Medaille. Das ist Mut, das heißt Begeisterung, am Aufbau des eigenen Landes wieder teilzunehmen. Von den 65 000 besitzen schon etwa 10 000 bis 15 000 – wie schnell das ging! – die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie sind seit dem Jahr 1992 hier und besitzen jetzt, nach sechs Jahren, schon die österreichische Staatsbürgerschaft; 10 Prozent, also rund 10 000 Personen.

Wie das so schnell geht? – Anscheinend geht es. Sie sind aber doch wohl nicht alle Fußballer oder Universitätsprofessoren, bei denen man die Staatsbürgerschaft nur bei der Aufnahme im Klub oder in einer Universität verleiht.

5 300 waren es am 31.04.1998, die in einer Bund-Länder-Aktion noch mit einer finanziellen Unterstützung bedacht wurden, und etwa 3 000 bis 4 000 werden wahrscheinlich quotenfrei integriert.

Die Frage ist – für mich eigentlich nicht, aber sie stellt sich doch –: Sollen wir dem Gesetz zustimmen? Die anderen sind ja hier schon integriert. – Wollen wir das wirklich? Haben wir nicht genügend Österreicher, die ohne Arbeit sind, die keine Wohnung haben? Können wir es uns leisten, Ausländer deshalb, weil bei uns sicherlich die bequemeren und sozialrechtlich besseren Verhältnisse herrschen als in ihrer Heimat, bei uns aufzunehmen? (Bundesrätin Schicker: Ja, wir können es uns leisten, Herr Kollege!)

Sie meinen, ja. Das steht Ihnen auch frei. Ich versuche jetzt, mein eigener Schiedsrichter zu sein. Ich finde das edel, was Sie sagen, aber ich muß andererseits auch sagen, Frau Kollegin, daß man diesen Menschen, ohne unedel handeln zu wollen, ohne unchristlich handeln zu wollen, nahelegen soll und ihnen sagen muß: Kehrt heim, arbeitet und baut wieder auf, die Republik Österreich und andere Staaten helfen euch dabei! Sie werden ja nicht gewissermaßen aus dem Land befördert mit den Worten: Jetzt habt ihr genug bei uns gearbeitet und auch unser Sozialsystem genutzt, jetzt müßt ihr alleine weitermachen! Das stimmt ja nicht.

Jene, die nach Hause gehen, bekommen entweder direkt oder indirekt Hilfen, und das ist gut so. Und aus diesem Grund, weil eben Hilfen geleistet werden für diese Personen, die nicht vor die Tür gesetzt werden wie ein ungeliebtes Kind, für diese Personen, die weiterhin unsere Hilfe haben sollen, sollen sie wieder in ihre Heimat zurück und dort diese Hilfe erhalten, aber nicht mehr bei uns, denn wir haben sehr viele Bürger, echte Österreicher, und, wie wir auch hören, schon rund 10 000 Neu-Österreicher, die wir ohnehin sozial und wirtschaftlich und in jeder Beziehung betreuen.

Wir meinen, es muß möglich sein, ohne es zu Härtefällen kommen zu lassen, diesem Gesetz nicht zuzustimmen, und diese Personen – mit allen möglichen Unterstützungen – aufzufordern, in ihrer Heimat den Aufbau fortzusetzen, dort, wo vorzeitig Heimgekehrte die Arbeit bereits begonnen haben, um dieses Staatswesen, welches wir ja als Republik anerkannt haben, weiter aufzubauen. Ich halte es auch deshalb für wichtig, weil es nicht angeht, die Tüchtigen und Fleißigen dieses Landes, die bei uns Unterkunft gesucht haben, von dem Land, wo sie eigentlich


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Aufbauarbeit leisten und wirtschaftlich Impulse geben sollen, abzuziehen. Sie sollen zu Hause wirtschaftliche Leistungen erbringen und nicht bei uns, die wir ohnehin schon ein gutes Maß an wirtschaftlichem Wohlstand erreicht haben.

Aus diesem Grunde werden wir dieses Gesetz ablehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Leichtfried. – Bitte.

20.35

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich kurz mit Ihnen über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts für bosnische Flüchtlinge unterhalten.

Ich möchte vorweg feststellen, ich freue mich, daß es zu einer gesetzlichen Regelung kommt, mit der das Aufenthaltsrecht der Flüchtlinge aus Bosnien neu geregelt wird. Viele Ängste und Unsicherheiten, das Bangen, ob es eine Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung geben wird oder nicht, werden dadurch beseitigt. Und ich stimme mit Ihnen überein, Herr Bundesrat Gudenus, und man sollte das nochmals ganz deutlich in diesem Hohen Haus sagen: Österreich hat sich gegenüber den bosnischen Flüchtlingen höchst anständig verhalten! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Es wurde in den letzten sieben Jahren sowohl von staatlicher als auch von privater Seite enorm viel geleistet, sowohl durch naturelle Unterstützung als auch im Bereich der humanitären Betreuung. Meine Damen und Herren! Trotzdem blieben bei vielen, vor allem bei den Alten und Kranken, bei den Flüchtlingen, die aus der Republik Srbska kommen, nicht nur die Spuren der Gewalt tief drinnen in ihrer Seele, sondern immer auch die Unsicherheit: Was wird in Zukunft mit den Flüchtlingen passieren? Werden sie wieder zurückgeschickt oder können sie mit einer längerfristigen Aufenthaltsgenehmigung rechnen?

Meine Damen und Herren! Bei der Frage des Aufenthaltsrechts der Bosnier geht es um eine humanitäre Frage, und ich glaube feststellen zu können, gerade wir Österreicher haben immer bewiesen – und dies auch in Zeiten, in denen es uns wirtschaftlich nicht so gut ging wie heute –, daß wir von Humanität nicht nur sprechen, sondern diese auch leben.

Bei dieser Gesetzesänderung geht es nun darum, Vertriebenen den weiteren Aufenthalt in Österreich zu sichern. Auch aus einem persönlichen Erleben heraus möchte ich diese Regelung ganz besonders begrüßen. Ich habe am 20. Dezember 1992 einen Zettel, der in einem Supermarkt meiner Heimatstadt Wieselburg angeschlagen war, gelesen, der ungefähr so gelautet hat: Herbergssuche: Junges bosnisches Ehepaar sucht Unterkunft. – Meine Familie hat sich kurz beraten und damals entschlossen, dieses bosnische Ehepaar aus der Republik Srbska bei uns aufzunehmen (Beifall bei der SPÖ) , Quartier und Lebensunterhalt zu geben und vor allem, meine Damen und Herren, in der Folge persönlich zu betreuen. Denn neben der materiellen Unterstützung war vor allem die seelische Betreuung notwendig, da die Spuren der Gewalt sowohl physisch als psychisch deutlich erkennbar waren. Heute ist dieses Ehepaar voll integriert und mit unserem Land in tiefer Dankbarkeit verbunden.

Vielen wurde in diesem Land in ähnlicher Art und Weise geholfen. Durch dieses Ehepaar habe ich auch viele weitere Bosnier kennengelernt, viele sehr Alte und Kranke, viele, die gerne auch gearbeitet hätten, denen aber auch mit noch so großer Unterstützung keine Arbeit vermittelt werden konnte, da die gesetzliche Lage dies nicht zugelassen hat.

In Niederösterreich – die Österreich-Zahlen sind bereits genannt worden, ich kann es mir daher ersparen, diese zu nennen – waren im Jahr 1993 in etwa 7 200 Flüchtlinge in Bundesbetreuung. Heute sind es noch in etwa 1 200, die sich in Bundesbetreuung befinden.

Die einmalige Unterstützungsaktion läuft nun mit 31. Juli 1998 aus. Es bedarf daher einer neuen Lösung. Die vorliegenden Gesetze beziehungsweise Abänderungsanträge könnten eine solche Lösung bringen.


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Aufgrund dieser neuen Regelung werden all jene Vertriebenen, die in Österreich Arbeit und Unterkunft gefunden haben, zusammen mit ihren Angehörigen ein zeitlich unbegrenztes Aufenthaltsrecht bekommen. Kranke, Alte, Waisen und schwer traumatisierte Personen, denen eine Rückkehr nicht zumutbar ist, werden durch dieses Gesetz ebenfalls ein bleibendes Aufenthaltsrecht erhalten.

Ich möchte hier aber auch noch einmal die Probleme jener Menschen, die aus der Republik Srpska kommen, zur Sprache bringen. Nicht alle von ihnen haben in Österreich Arbeit erhalten. Eine Rückkehr in ihr Heimatland zum gegenwärtigen Zeitpunkt, Herr Bundesrat Gudenus, ist aber nicht möglich. Es bedarf daher noch entsprechender Hilfeleistungen, und zwar hier in Österreich, neben den bestehenden Reintegrationsprojekten, um diesen Menschen zu helfen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist uns gemeinsam gelungen, den vielen Flüchtlingen, die in unserem Lande Sicherheit gesucht haben, diese auch zu geben. Bund und Länder haben dabei vernünftig zusammengearbeitet, und dafür möchte ich mich im Namen der sozialdemokratischen Fraktion ganz herzlich bedanken. Hilfe, Unterstützung, Integration und Reintegration sind wichtig und unumgänglich; sie können aber die vorhandenen seelischen Wunden nur schwer oder nie heilen.

Die sozialdemokratische Fraktion wird daher diesem Gesetzentwurf und den Abänderungsanträgen die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Wilfing. – Bitte.

20.42

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Plenum des Bundesrates! Wir haben in Poysdorf, das leider durch die Explosion einer Briefbombe "berühmt" geworden ist, sehr früh damit begonnen, für die Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina eigene Programme auszuarbeiten. Diese Programme sind vor allem mit einem Namen verbunden. Die Trägerin dieses Namens ist jene Frau, die sich schon früher als Fürsorgerin immer für die Armen in unserem Lande eingesetzt und das heute österreichweit bekannte "Hilfswerk" an und für sich gegründet hat. Dieses Modell des Hilfswerkes gab es zum ersten Mal in unserer Heimatgemeinde Poysdorf, und diese Frau hat sich später – nach dem Jahre 1992 – auch für die Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina eingesetzt. Ihr Name ist Maria Loley. Maria Loley – das möchte ich hier auch sagen – hat am 17. Juni, überreicht durch Bürgermeister Michael Häupl, verliehen von Bundespräsident Dr. Thomas Klestil, für diese Arbeit die Goldene Verdienstmedaille der Republik Österreich erhalten, wofür ich ihr von dieser Stelle aus herzlichst gratulieren möchte. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Maria Loley hat diese Arbeit deshalb geleistet, weil sie immer für jene dasein wollte, die ihre Hilfe brauchen. Herr Gudenus, in Ihrer Rede waren zwei oder drei – ob bewußt oder unbewußt, weiß ich nicht – Unwahrheiten enthalten. Die eine ist – das möchte ich schon klar ansprechen –, daß Flüchtlinge, die aus einem KZ in Srebrenica, in Jajce oder woandersher kommen, daß Flüchtlinge, die eventuell vergewaltigt wurden und nach Österreich fliehen, nicht in unser Land kommen, um es sich hier bequem zu machen, sondern weil sie Schutz und Hilfe suchen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid: Das hat er auch gesagt!)

Es ist auch klar zu sagen, daß – da müssen wir der österreichischen Bevölkerung sehr wohl für all ihre Leistungen danken, die vollbracht wurden; da müssen wir uns auch bei allen Landes- und Bundesstellen bedanken, weil ich als Vorstandsmitglied des Vereines "Bewegung Mitmensch" selbst weiß, daß hier alle behördlichen Stellen ebenfalls hervorragende Hilfe geleistet haben – ich froh darüber bin, daß die Zahlen einmal so genannt wurden, wie sie der Wahrheit entsprechen; sonst wurden immer wieder Phantasiezahlen genannt. Es ist richtig, es sind zirka 90 000 Flüchtlinge nach Österreich gekommen. Es ist weiters richtig, daß zirka 60 000 davon integriert werden konnten, was ja auch beweist, welch hervorragende Arbeit hier in Österreich geleistet wurde. Es ist auch richtig, daß zirka 10 000 weitergereist sind, und zwar primär in die


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USA. Und es ist richtig – das ist auch mehr als begrüßenswert –, daß zirka 10 000 Flüchtlinge in ihre Heimat gegangen sind, und wir heute noch zirka 5 000 in Bundes- und Landesbetreuung in Österreich haben.

Warum sind noch 5 000 in Bundes- und Landesbetreuung? – Primär, weil der größte Teil von ihnen – fast 4 000 – aus der Republik Srpska kommt, weil die Bosnier ihre Heimat verloren haben, da sich die Serben deren Dörfer, Häuser und Besitz angeeignet haben. Diese Menschen wären bei Gott nicht willkommen, kehrten sie heute in die serbisch dominierten Teile der Republik Srpska zurück. Da liegt das Problem!

Die Poysdorfer haben verschiedenste Rückkehraktionen gefördert. Ich war selbst bei drei Transporten dabei, als wir hinuntergefahren sind, um uns die Bedingungen vor Ort anzusehen, um herauszufinden, wie wir konkret helfen können. In manche Gemeinden der Republik Srpska hat man uns nicht einmal hineingelassen, und ich kann daher verstehen, daß keiner der Flüchtlinge dorthin zurückkehren möchte. Diese Menschen – das ist heute schon angesprochen worden –, zum Beispiel auch traumatisierte Kleinkinder, mehr oder weniger dorthin abzuschieben, kann doch wirklich nicht im Sinne eines christlichen-humanitären Landes sein. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich bin daher sehr froh darüber und auch sehr dankbar dafür, daß sich eine Mehrheit in diesem Haus dafür finden wird, daß das Aufenthaltsrecht für die jetzt noch in Bundesbetreuung befindlichen Flüchtlinge weiterhin gesichert ist. Eines kann ich Ihnen auch sagen: Das ist im Interesse fast aller Österreicher. Die Wirtschaftsbetriebe allein im Grenzbezirk Poysdorf sind in vielen Bereichen sehr dankbar dafür, daß sich diese fleißigen Leute bei uns integriert haben und wertvolle Mitarbeiter unserer Gesellschaft geworden sind.

Damit komme ich gleich zum zweiten Punkt, der ebenfalls sehr wichtig ist, nämlich zu den Fremdengesetzen. Ich bin sehr dankbar dafür, daß man auch hier Vereinfachungen durchführt, zum Beispiel bei der Beschäftigung von Saisonarbeitskräften. Es gibt heutzutage die Situation – auch da arbeiten sehr viele bosnische Flüchtlinge mit –, daß gerade im Bereich der Landwirtschaft saisonal die Arbeit, die auf einem Bauernhof anfällt, nicht mehr geleistet werden kann, wenn zumeist nur noch ein oder zwei Menschen dort arbeiten. Faktum ist auch, daß es kaum Österreicherinnen und Österreicher gibt, die zu einem so geringen Kollektivlohn und auch nur saisonal bedingt, bereit wären, da zu helfen. Ich brauche nur an die Obstbaumschulen, an die Weinbaubetriebe und an die Gemüsebetriebe in meiner Heimatregion zu denken: Gäbe es nicht die Möglichkeit, hiefür saisonal Arbeitskräfte aus dem Ausland zu finden, könnten die anfallenden Arbeiten dort nicht mehr geleistet und die Höfe nicht mehr bewirtschaftet werden.

Ich bin dankbar dafür, daß es durch die Änderung des Fremdengesetzes auch Erleichterungen geben wird, damit die Landwirtschaft, die Hilfe, die sie braucht, auch findet, damit der Arbeit dementsprechend nachgekommen werden kann.

Meine Fraktion wird diesen beiden Gesetzentwürfen daher die Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

20.47

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Herren Vorredner! Einer Vorlage nicht die Zustimmung zu geben beziehungsweise hier Einspruch zu erheben, fällt uns in manchen Bereichen – auch in diesem Fall – nicht besonders leicht beziehungsweise besonders schwer, weil der menschliche Aspekt, der Aspekt des Helfenwollens (Zwischenruf des Bundesrates Schaufler )  – einen Moment! – in Frage gestellt werden könnte.


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Ich möchte hier nicht eigene Erfahrungen schildern, aber ich kenne auch eine Familie aus meinem nahen Umfeld, die seit mehr als 20 Jahren dafür sorgt, daß Fremde integriert werden. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Einen Moment, Herr Kollege, einen Moment!

Was wir Freiheitlichen an dieser Vorlage bemängeln – nicht deren humanitärer Charakter –, ist, daß es natürlich auch andere Bereiche gibt, denen man mit gleichen Bestimmungen entgegenkommen müßte. Ich erwähne etwa die Kurden, die in der Türkei nicht einmal das Recht haben, sich "Kurden" zu nennen. Sie heißen "Bergtürken" beziehungsweise müssen sich "Bergtürken" nennen. Ihre Dörfer werden mit Napalm vernichtet, sie und ihre Familien werden vertrieben. Da wurde – leider Gottes! –, aus welchen Gründen auch immer, keine Sonderregelung gefunden.

Es gibt auch noch andere Bereiche: Ich erwähne in diesem Zusammenhang die Altösterreicher in Rumänien, die versucht haben, nach Österreich auszureisen. Bei dieser Gruppe wurde es eigentlich verabsäumt, zu helfen, obwohl, von allen applaudiert und akklamiert, gesagt wurde: Ja, für diese Menschen müßten wir ebenso sorgen. – Es gibt also andere Bereiche, die wir hier behandeln und mitbehandeln sollten. Die Frage der Gleichbehandlung – ich weiß, das ist ein notwendiger Akt, der gesetzt werden soll – sehen wir Freiheitlichen anders, und ich sage, andere Probleme hätten es sich ebenso verdient, gelöst zu werden. Das ist die eine Seite, die ich hier erwähnen möchte.

Die andere Seite ist jene, meine Damen und Herren, daß die Österreicherinnen und Österreicher – es gibt beinahe 1 Million, die unterhalb der Armutsgrenze leben – ebenso ein Anrecht darauf haben, gleichbehandelt zu werden. Es gibt auch bedauerliche Fälle unter der heimischen Bevölkerung, bei denen geholfen werden müßte.

Ich möchte noch einen Bereich erwähnen, weil da manchmal der Eindruck entstehen könnte, die österreichische Bevölkerung wolle nicht helfen oder hat nicht geholfen. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges sind 2,5 Millionen Menschen in den Staat Österreich integriert worden. Kein anderer Staat der Welt kann eine prozentmäßige Integration in dem Ausmaß, wie sie Österreich durchgeführt hat, aufweisen. Das sollte man auch bedenken! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein letztes möchte ich noch anmerken, ich habe das bereits mehrere Male hier moniert – auch bei Ihnen, sehr geehrter Herr Minister –, wobei ich feststellen möchte, daß Ihre Vorlagen immer äußerst prüfenswert und durchaus äußerst genau sind, aber es gibt eben Gründe, die ich auch vorhin ausgeführt habe, aufgrund derer man nicht immer zustimmen kann.

Das, was mir immer hinsichtlich der Fremdengesetze und auch in anderen Bereichen abgegangen ist, ist, daß die Mitwirkung der Bevölkerung angesprochen werden sollte, auch in Form legistischer Akte. Es sollte etwa die Aufenthaltsbewilligung für die Flüchtlinge, wie es seinerzeit der Fall war, mit der Gemeinde und mit der Gemeindebevölkerung abgesprochen werden. Das wäre der erste Schritt zur Integration. Es ist heute manchmal so – hören Sie sich draußen um! –, daß die Menschen sagen: Da wird uns irgend jemand hergesetzt. – Zu 90 Prozent bemühen sich diese Menschen wirklich und helfen mit, daß die Flüchtlinge integriert werden können. Aber nicht alle, die integriert werden oder eine Integration anstreben, sind auch integrierungswürdig. Es gibt viele Fälle, bei denen die örtliche Bevölkerung sagt: Nein, das ist uns eigentlich zuviel, wenn jemand unten in Jugoslawien und auch in Österreich eine Wohnung hat und dann sagt: Eigentlich geht es mir hier besser, meine Heimat muß eben noch ein bißchen warten, bis ich komme. (Bundesrätin Schicker: Das sind aber nicht diese bosnischen Flüchtlinge, von denen wir heute hier sprechen!)

Wenn unsere ältere Generation nach dem Zweiten Weltkrieg so gedacht hätte, dann hätte unser Land niemals wiederaufgebaut werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich würde mir wünschen, sehr geehrter Herr Minister, daß es auch zu einer Gleichbehandlung in anderen Bereichen kommt. Österreich kann nur in einem beschränkten Rahmen Flüchtlinge aufnehmen. Ich habe bereits die Kurden erwähnt, ein Volk, das jahrhundertelang von vielen Seiten gequält wurde, bei dem sich die menschliche Zuwendung jedoch in Grenzen gehalten hat. Auch da wären entsprechende gesetzliche Regelungen notwendig. Es wäre weiters Hilfe für jene Österreicher notwendig, die – ohne oder mit Verschulden – unter der Armutsgrenze leben.


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Es wäre notwendig, daß hier die Mithilfe der Bevölkerung auch legistisch – so, wie ich es kurz angedeutet habe – in ein Gesetz Eingang fände. Dann könnten wir Freiheitlichen einer solchen Vorlage zustimmen, aber unter diesen Voraussetzungen können wir nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Schaufler: Das ist die Scheinheiligkeit ...!)

20.54

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Schicker. – Bitte.

20.54

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte mir meinen Debattenbeitrag eigentlich ersparen können, denn mein Kollege Leichtfried und auch Kollege Wilfing haben die Problematik der bosnischen Flüchtlinge hautnah an Sie herangebracht. Ich glaube, jeder, der gut zugehört hat, kann jetzt verstehen, wie es den einzelnen Flüchtlingen aufgrund der persönlichen Beispiele, die Sie hier geschildert bekommen haben, ergangen ist. Die beiden KoIlegen aus Niederösterreich, Leichtfried und Wilfing, konnten sich von der Situation der Flüchtlinge ein Bild machen.

Es gab ja in der Steiermark ähnliche Beispiele, und ich werde auch einige davon hier heute anführen. Ich kann mich nur nicht halten – muß ich ganz ehrlich sagen –, was die Argumentation, die von seiten der FPÖ gekommen ist, betrifft. Lieber Kollege Tremmel, das war eine laue Suppe von Argumenten, eine dünne Suppe! Sie haben versucht, irgendwie eine Gratwanderung zu machen, um nicht als unmenschlich abgestempelt zu werden. Sie haben das aber nicht zusammengebracht. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Sie sind für mich in dieser Sache unglaubwürdig! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Bundesrat Gudenus ist ebenfalls unglaubwürdig. Sie haben wohl keine Ahnung, was diesen Flüchtlingen widerfahren ist. Ich habe in meinem Bezirk, in meiner Stadt – ich sage: in meiner Bezirksstadt – Leoben viele Jahre lang ein Flüchtlingsheim mitbetreut. Ich werde Ihnen dann einige Beispiele nennen, wie es meinen Kollegen und mir dabei ergangen ist.

Zuerst noch ein paar grundsätzliche Dinge, die uns in der Steiermark auch betreffen. Ich habe hier vorhin die Zahlen aus Niederösterreich gehört. Wir in der Steiermark haben zum Stichtag 1. Juli 1998 noch 634 De-facto-Flüchtlinge in Bundesbetreuung, 140 davon sind als arbeitsuchend gemeldet und konnten bis jetzt auch nicht integriert werden. Sie stammen ebenfalls aus der Republik Srpska und können aus vielerlei Gründen, lieber Herr Bundesrat Gudenus, nicht zurückkehren. Wenn ich Ihnen hier alle aufzählen würde, würden Sie es nicht glauben. Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Erfahrungswerte hernehmen – wahrscheinlich aus der Zeitung oder sonst irgendwoher. Diese Leute können nicht zurückkehren! (Bundesrätin Haunschmid: Es können viele zurück!)

Es sind zum Teil rückkehrwillige Männer und Familien in ihre Heimat zurückgegangen, die vom Bund und vom UNHCR mit Materialien, mit Geldmitteln unterstützt wurden. Wissen Sie, was ihnen widerfahren ist? – Sie sind für 14 Tage hinuntergegangen, hatten die notwendigen Materialien, um ihre zerstörten Wohnungen oder Häuser aufzubauen, mußten aber nach zwei Wochen wieder heraufkommen, weil sie kein Geld mehr hatten, um sich zu verpflegen. Sie sind nach einer Woche wiederum hinuntergefahren und mußten feststellen, daß die ganzen Materialien gestohlen worden waren. – Könnt ihr euch das vorstellen – wie soll ich sagen –, wie diese Menschen von ihren Landsleuten denken, wenn sie wieder heraufkommen? Diese fragen sich dann: Bitte schön, wenn es uns jetzt wieder so geht, was sollen wir denn machen?

Lieber Herr Bundesrat Gudenus, so schaut es aus! Sie müssen sich einmal in solch eine Situation versetzen. Dann können Sie nicht so leichtfertig darüber hinwegreden. Sie plaudern – möchte ich wirklich sagen – leichtfertig über solche Schicksale hinweg. Da möchte ich Sie schon ersuchen, sich ein bißchen zusammenzunehmen und sich in die Situation dieser Menschen hineinzuversetzen!

Oder es heißt zum Beispiel: Diese Flüchtlinge wollen nicht arbeiten oder können keine Arbeit annehmen. Ich meine, es wurde vieles versucht, diesen Leuten Arbeit zu geben. Es läuft aber


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folgendermaßen ab: Es gibt ja auch Richtlinien – und ich glaube, diese sind hier schon einmal angesprochen worden. Es gibt diese Ersatzkraftrichtlinie, wonach die Mitarbeiter des AMS natürlich zuerst darauf schauen müssen, ob ein Inländer oder ein Ausländer, der Arbeitslosenunterstützung bekommt und schon länger auf Arbeitsuche ist, eine Stelle annehmen kann. Bei der Stellenvergabe muß zuerst auf diese Gesichtspunkte geachtet werden. Bleibt jemand übrig, ist es auch noch nicht sicher, ob er die Stelle tatsächlich bekommt.

Herr Bundesminister, ich habe so einen Fall erst vor kurzem erlebt, wobei ein bosnischer Flüchtling in einem Forstbetrieb arbeiten wollte, dem wirklich keine Leute zur Verfügung standen. Dieser Flüchtling hat im März um eine Arbeitsbewilligung angesucht; die Antwort lautete: nein. Er hat im April angesucht; wiederum: nein. Im Juni gab es noch immer keine Leute für die Arbeiten – aus welchen Gründen auch immer –, dann ist er plötzlich zum Zug gekommen, durfte bis Oktober arbeiten, konnte sich jedoch für diese paar Monate kein Recht auf Arbeitslosenentgelt erwerben und war dann wieder auf Null gestellt. Er ist auch aus der Bundesbetreuung herausgefallen, obwohl er Familie hat. Das sind Schicksale, die mich bewegen!

Darum, Herr Bundesminister, eine Bitte an dich: Sorge doch dafür, daß auch jene, die teilzeitbeschäftigt oder saisonal beschäftigt sind und die die Frist nicht einhalten können, nachher wieder in die Bundesbetreuung aufgenommen werden, und zwar bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem sie wieder eine Arbeit haben! Der jetzige Zeitraum ist sehr kurz. Innerhalb von 27 Tagen müßten sie wieder eine Arbeit haben. Das geht aber nicht von heute auf morgen. Vielleicht wäre es möglich, während dieser Übergangsfrist auch eine Lösung für diese Leute zu finden.

Frau Präsidentin! Ich bin bald fertig! Es liegt mir aber am Herzen, einige Beispiele zu nennen, damit auch Herr Kollege Gudenus das versteht. (Bundesrat Farthofer: Wir verzeihen es!) Es gibt einen Betriebswirt, Akademiker, der schon seit Jahren gerne arbeiten möchte. Aufgrund der bestehenden Richtlinien hat er jedoch keine Chance gehabt. Ein Installationsunternehmen wollte diesen Betriebswirt als Dolmetscher beschäftigen, weil es auch Fuß in den südlichen Ländern fassen wollte. Dieser Unternehmer wollte den Betriebswirt teilzeitbeschäftigt als Dolmetscher anstellen und mit ihm Slowenien, Kroatien und Bosnien bereisen. Mit dieser Teilzeitlösung konnte der Betriebswirt jedoch seine Familie nicht ernähren, und daher hat er sich bereit erklärt, eine zweite Teilzeitbeschäftigung bei diesem Installationsunternehmen als Hilfsarbeiter anzunehmen. Er hätte jede Arbeit angenommen. Das war nach den Richtlinien des AMS aber nicht möglich, weil wir als Hilfskräfte ohnedies Inländer haben. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Man muß diese Problematik auch kennen, denn all das ist nicht so einfach! Deshalb appelliere ich noch einmal an die Bundesrätinnen und Bundesräte der FPÖ, von dieser Gratwanderung, die Sie heute hier am Rednerpult betrieben haben, abzugehen. Denn irgendwo im Hintergrund fühle ich, daß Sie auch menschliche Gefühle haben und einerseits auch dafür sind, diesen Leuten zu helfen. Ich ersuche Sie daher von dieser Stelle aus, diesem Beschluß zuzustimmen! Meine anderen Unterlagen lasse ich jetzt weg, denn ich habe meine Zeit überzogen – Danke, Herr Präsident. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

21.02

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte sehr. Ich erteile Frau Bundesrätin Haunschmid das Wort.

21.02

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Minister! Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das jetzt nicht so im Raum stehen lassen.

Frau Kollegin Schicker! Ich möchte keinen meiner beiden Kroaten in meinem Hause als Arbeiter und als Mitbürger missen. Seit 1971 beschäftige ich Fremdarbeiter im Sägewerk und in der Gastronomie, und ich beschäftige sie nicht nur, sondern sie leben in unserem Haus und werden von uns durchgehend betreut.


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Frau Kollegin Schicker! Herr Kollege Leichtfried! Auch ich habe mit meiner Familie in Pettenbach Jahre hindurch bosnische Flüchtlinge verpflegt und betreut. Auch ich bin eine von jenen, die voll und ganz Schutz und Hilfe gewährt, wenn es notwendig ist. (Zwischenruf des Bundesrates Rauchenberger. ) Nein, sicherlich nicht! Warum? Das ist überhaupt nicht wahr!

Ich möchte Ihnen zwei Beispiele nennen.

1971 ist ein junger Bursch mit 14 Jahren zu uns gekommen und hat zuerst einmal zwei Jahre bei uns gelebt. Sein Vater war bei uns Fremdarbeiter in der Säge. Dann hat er seinen Wehrdienst in der Heimat geleistet. Er war also zuerst als Kind bei uns, und dann hat er bei uns die Kellnerlehre begonnen.

Wir können auch bei uns im Haus die Ungleichbehandlung bei Ausländern feststellen, und darum ersuche ich Sie, Herr Minister, da Abhilfe zu schaffen!

Ich nenne Ihnen noch ein Beispiel: Wir haben bei uns eine Saisonbeschäftigte. Deren Mann ist seit 18 Jahren in Österreich, ist hier integriert und arbeitet hier. Er hat für eine österreichische Firma voll gearbeitet. Er hat dann unten geheiratet, und seine Frau wollte herauf. Sie muß jedoch alle paar Wochen wieder hinunter. Sie kennen dieses Problem ganz genau! Ich habe gekämpft. Sie kann keine Kinder bekommen. Sie hat unten kein Zuhause. Sie möchte hier arbeiten. Ich habe sie aber immer wieder nur mit Ach und Krach für diese sechs Monate der Saisonbeschäftigung bekommen. Und sie weiß heute, daß sie, obwohl sie hier ihr Zuhause hat, im Herbst praktisch wieder abgeschoben wird. – In diesem Zusammenhang besteht Ungleichbehandlung, nur weil sie kein Flüchtling ist! Ich glaube, das muß abgeschafft werden! Das kann ich auf keinen Fall akzeptieren.

Wenn ich mich diesbezüglich erkundige, dann antwortet man mir beim AMS ausdrücklich: Beschäftigen Sie doch einen Flüchtling! Warum nehmen Sie nicht einen Flüchtling! Den bekommen Sie sofort und den können Sie auch behalten! – Es geht doch nicht an, daß eine Frau, die schon zwei Saisonen bei mir im Haus arbeitet, von einer Minute auf die andere abgeschoben wird! Das ist eklatante Ungleichbehandlung, und das wissen Sie ganz genau! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn heute bosnische Flüchtlinge vom AMS zum Arbeiten geschickt werden, dann kommen sie – wie es mir x-mal passiert ist –, oft in Begleitung eines Dolmetschers, bei der Tür herein und sagen: Bitte bestätigen Sie mir, daß ich erst in zwei Monaten in Ihrem Betrieb benötigt werde, denn ich möchte vorher noch den Führerschein machen! (Zwischenruf der Bundesrätin Schicker. ) Was würden Sie dazu sagen? Solche Leute haben bei uns in Österreich doch keinen Platz! Die sollen zurückgehen und beim Aufbau ihres Landes mitwirken! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Leute, die bereits hier sind, haben jedoch das Recht, hierzubleiben und auch integriert zu werden! Alle, die sich ... (Zwischenruf des Bundesrates Rauchenberger. ) Hiebei handelt es sich um Ungleichbehandlung. Das möchte ich Ihnen sagen. Es wäre richtig, wenn die Leute, die keine Flüchtlinge sind, sondern hier arbeiten, sich bemühen, ihren Ehepartner hier haben und sich integrieren wollen, auch das Recht bekommen, hierzubleiben! Darum möchte ich Sie ersuchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Bundesminister Mag. Karl Schlögl hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

21.07

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Ich möchte die Diskussion nicht allzu sehr verlängern, denn die Wortmeldungen vor allem von Frau Bundesrätin Schicker und von den Herren Bundesräten Leichtfried und Wilfing waren sehr prägnant und gut und haben bereits den Kern des Problems getroffen.


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Frau Bundesrätin Haunschmid! Auf Ihre Ausführungen muß ich allerdings replizieren: Sie sprechen von Ungleichgewichtung und Ungerechtigkeit, was für mich völlig unverständlich ist und was wahrscheinlich auch von Ihren Parteifreunden in dieser Form nicht akzeptiert werden kann. Denn Sie wollen den ungezügelten Zuzug nach Österreich, und dieser ist nicht möglich, um es klar zu sagen! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesrätin Haunschmid hat gesagt, daß es hier einen Mann gibt, der bereits seit 18 Jahren hier lebt, und dessen Frau immer auf sechs Monate pro Jahr nach Österreich kommt. Wenn sie will, könnte sie allerdings um Familiennachzug ansuchen! Es kann mir niemand sagen, daß sie innerhalb der genannten 18 Jahre nicht bereits die Möglichkeit gehabt hätte, hier in Österreich eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung zu bekommen. Eine solche Darstellung weise ich entschieden zurück! Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich diese Frau wirklich ernsthaft bemüht hat!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch etwas ganz klar sagen. Wir haben derzeit zirka 748 000 ausländische Mitbürger in Österreich. Das ist der höchste Ausländeranteil innerhalb der Europäischen Union, wenn ich von Luxemburg absehe, aber Luxemburg ist ein kleines Land mit 400 000 Einwohnern. Sogar Deutschland und alle anderen Staaten haben weniger ausländische Mitbürger als Österreich. 1986 waren es noch zirka 350 000. Das heißt, daß sich diese Zahl innerhalb von 13 Jahren mehr als verdoppelt hat. Dazu haben nicht nur die bosnischen Kriegsflüchtlinge, sondern auch sehr viele andere beigetragen. So sind etwa auch sehr viele Türken und Kurden nach Österreich gekommen. Wir hatten pro Jahr rund 7 000 bis 10 000 Asylwerber – bis 1989 waren es mehr, seit 1989 sind es weniger, weil alle politischen Verfolgungsgründe im Osten Europas weggefallen sind – , und wir haben sehr vielen Menschen Zuflucht und Hilfe gegeben.

Frau Bundesrat! Derzeit besteht folgende Situation. Von den knapp 750 000 ausländischen Mitbürgern, die in Österreich sind und eine legale Aufenthaltsbewilligung haben, haben mehr als 80 000 eine Aufenthaltsbewilligung und können unbefristet dableiben, jedoch keine Arbeitsbewilligung und damit keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Von diesen 80 000 sind an die 60 000 im arbeitsfähigen Alter, also zwischen dem 15. und dem 60. Lebensjahr, und weitere, die derzeit noch jünger sind, kommen langsam nach.

Das heißt also: Die Politik muß dafür sorgen, daß zuerst die Menschen, die in Österreich sind und eine Aufenthaltsbewilligung haben, eine Beschäftigung haben, und erst dann kann sie einen Neuzuzug gestatten. Sie können das als Trendumkehr in der Politik bezeichnen, die in den letzten Jahren eingesetzt hat, daß wir jetzt darauf Wert legen, zuerst die Menschen, die schon da sind, bestmöglich zu integrieren. Dazu zählen auch die Kriegsflüchtlinge, die nicht zu jenen 80 000 gehören. Und erst dann, wenn diese Menschen integriert sind und den Zugang zum Arbeitsmarkt haben, dürfen neue zuziehen. Darum haben wir die Zuwanderungsquote so herabgesetzt. Sie betrug jedes Jahr mehr als 20 000 oder 30 000, im heurigen Jahr beträgt sie nicht einmal mehr 10 000. Die Zahl der Zuwanderung von normalen Erwerbstätigen – wenn ich den Ausdruck verwenden darf – beträgt de facto null. Wir erlauben im wesentlichen nur noch Zuwanderungen im Zuge der Familienzusammenführung.

Zu dem Fall, den Sie, Frau Bundesrat Haunschmid, geschildert haben: Diese Frau hat ohne Zweifel die Möglichkeit, über die Familienzusammenführung nach Österreich zu kommen und hierzubleiben. Sie muß halt bei der oberösterreichischen Landesregierung darum ansuchen, dann wird sie in ein, zwei, drei Jahren – es gibt selbstverständlich eine gewisse Wartezeit – die Möglichkeit haben, zuzuwandern. – Ich glaube, das dies nicht eine Politik mit ideologischen Scheuklappen, sondern eine vernünftige und rationelle Politik ist.

Darüber hinaus gibt es sogenannte Saisonarbeitskräfte, die in bestimmten Betrieben, nämlich in landwirtschaftlichen oder gastgewerblichen Betrieben, arbeiten, in welchen sie für einen bestimmten Zeitraum eingesetzt werden, zum Beispiel als Erntearbeiter. Diesbezüglich haben wir gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer und der Wirtschaftskammer eine Regelung getroffen, die akzeptiert wird und die dazu dient, daß Menschen hier innerhalb eines kurzen Zeitraums – auf zwei, drei oder vier Monate – arbeiten können. In der Regel sind das Menschen, die


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ohnehin schon seit vielen Jahren immer wieder kommen und in dieser Saisonarbeit schon heimisch sind. Ich halte das für richtig und gut. Das bedeutet kein Abgehen von der generellen Linie.

Zu den bosnischen Kriegsflüchtlingen möchte ich noch etwas sagen, und ich hoffe, es mißversteht mich niemand, wenn ich das sage: Gerade die bosnischen Kriegsflüchtlinge zeichnen sich durch eine hohe Arbeitsbereitschaft aus. Es gibt kaum Mitglieder eines Volkes oder einer Nation, die nach Österreich gekommen sind und sich so schnell integriert haben wie die bosnischen Kriegsflüchtlinge. – Natürlich gibt es in jeder Gruppe Menschen, die nicht arbeiten wollen, davon gibt es auch unter den Österreichern manche. (Bundesrat Dr Böhm: Sehr viele!) Es kann auch vorkommen, daß ein österreichischer Arbeitsloser zu Ihnen kommt und sagt: Geben Sie mir den Stempel, ich will nicht arbeiten. – In diesem Zusammenhang sollte man offen und ehrlich sein!

Mit heutigem Tag befinden sich noch 4 600 Menschen in der Bundesbetreuung, und von den 4 600 sind 4 000 – wie schon erwähnt wurde – Menschen, die aus der Republik Srpska kommen. Ich war dort, und diejenigen von Ihnen, die auch dort waren, wissen: Es ist natürlich richtig, daß wir alles dafür tun müssen, daß wir möglichst viele Menschen zurückbringen, weil das im Interesse des Landes und der Menschen liegt. Aber die, die zurückkehren, haben es auch nicht leicht, selbst wenn ihnen von uns ein Haus aufgebaut wird und sie eine Überbrückungshilfe bekommen. Denn die Arbeitslosigkeit in der muslimischen Föderation beträgt fast 70 Prozent! Das heißt, wenn jemand dort hinkommt, bekommt er nicht als erster einen Arbeitsplatz. Da gibt es eine klare Hackordnung. Und Sie wissen, daß außerdem jeder, der zurückkehrt, mit scheelen Augen angesehen wird, weil er geflüchtet ist und nicht sozusagen gestanden ist, aus welchen Gründen auch immer. (Bundesrat Eisl: Auch diejenigen, die zu Hause geblieben sind und alles mitgemacht haben, bekommen nichts! So muß man das auch sehen!) Richtig, Herr Bundesrat! Und darum versucht Österreich im Gegensatz zu anderen Nationen, nicht nur die Flüchtlinge zu fördern, sondern auch in deren Heimat Projekte durchzuführen, die gar nicht so schlecht ankommen, wobei es gescheit von uns war – wenn ich das so sagen darf – , daß wir diese Projekte nicht als Staat gestartet haben, sondern daß diese von Organisationen vor Ort durchgeführt werden, von der Volkshilfe über die Caritas et cetera. Das hat sich sehr bewährt, und darum glaube ich, daß wir recht stolz auf das sein können, was wir geleistet haben. Ich glaube, daß diese Politik richtig war. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

21.15


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642. Sitzung / Seite 106

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile es ihm.

21.15

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Verehrte Damen! Geschätzte Herren! Ich bin zutiefst erschüttert, nachdem ich mir die Reden der Freiheitlichen angehört habe. (Bundesrat Eisl: Man sieht es dir an!) Ich bin zutiefst erschüttert von der kurzen Rede des Herrn Bundesrates Gudenus, wobei ich ihm noch zubillige, daß er aufgrund seiner militärischen Ausbildung und der Offizierslaufbahn, die er hinter sich hat, ein bißchen härter formuliert. Nicht verstehen kann ich jedoch, daß Ihre Vertreterinnen weiblichen Geschlechts im Unwissen, was sie sagen, noch härter formulieren. Denn sie haben vor Ort nicht gesehen, daß es sehr wohl Kriegsflüchtlinge gibt, die keine wie immer geartete Chance haben, an ihren ehemaligen Wohnort oder auch nur in dessen Umgebung zurückzukehren. – Ich würde Ihnen empfehlen, sich das anzusehen: Städte sind vernichtet, es ist kein einziger Wohnraum vorhanden, es besteht keine Möglichkeit zur Arbeit, und selbst die Tätigkeit in der Land- und Forstwirtschaft kann nicht aufgenommen werden, weil die Felder vermint sind; selbst die Kinder könnten daher nicht im Grünen spielen.

Wenn Ihre Frau Bundesrätin Haunschmid Wirtschaftsflüchtlinge mit Kriegsflüchtlingen gleichstellt und aus Jahren zitiert, als es noch gar keinen Krieg gegeben hat, dann zeichnen Sie von Ihrem Überblick in diesen Bereichen in unserer Nachbarschaft und von sich selbst ein Bild! Ich bin zutiefst erschüttert! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.17


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642. Sitzung / Seite 107

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Wird noch eine Wortmeldung gewünscht? – Bitte sehr, Herr Bundesrat Dr. Königshofer.

21.17

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend zu dieser sehr emotional geführten Diskussion noch einen Bosnier zu Wort kommen lassen: Der bosnische Staatspräsident Izetbegovic hat vor rund einem Jahr im Stadion von Schalke in Gelsenkirchen vor etwa 20 000 Bosniern eine Rede gehalten. Er hat diese Rede mit der dringenden Bitte an alle Landsleute in Europa abgeschlossen, doch zurückzukommen und beim Aufbau ihrer Heimat mitzuarbeiten.

Das diene zu Ihrer Kenntnis, dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine weitere Wortmeldung gewünscht? – Herr Bundesrat Konečny. Bitte sehr.

21.18

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, was diese Wortmeldung jetzt besagen sollte, aber ich muß es ja nicht wissen, der Redner wird es vielleicht erklären können.

Ich glaube, daß wir in Wirklichkeit an dem Punkt anknüpfen müssen, den der Herr Bundesminister in seinen Ausführungen berührt hat. Sie können mir glauben: Ich kenne die Situation in diesem Land jetzt besser, als ich es eigentlich vorhatte. Die Wahrheit ist, daß die Heimkehr von Flüchtlingen, die Sie so vollmundig einfordern und die auch in der bosnischen Politik – und der sehr geschätzte bosnische Staatspräsident ist auch ein Politiker – durchaus als wechselseitige Sprengmine eingesetzt wird, etwas unendlich Problembehaftetes ist. Und weil ich die Situation kenne, habe ich nicht die Absicht, Herr Kollege Königshofer, mit Ihnen zu polemisieren. Ich kann nur jeden von denen, die das leichtfertig so aussprechen, einladen ... (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. ) Herr Kollege! Lassen Sie mich reden! Ich habe Sie auch reden lassen! Wenn Sie sich aufregen wollen, dann tun Sie es! Wir können aber auch dann sachlich über Dinge reden, wenn Sie sie nicht verstehen.

Ich glaube, daß es notwendig ist, daß sich jeder, der die vollmundige Forderung nach Rückkehr der Flüchtlinge ausspricht, einmal von den Verhältnissen im Land ein Bild macht. Wenn Flüchtlinge als Angehörige einer Ethnizität in ihren Heimatort zurückkehren – und darum geht es vor allem –, werden sie dort oft neuerlich vertrieben, bedrängt und in Einzelfällen getötet. Ich kann aus Erfahrung und Kenntnis sagen, daß das jeder der drei Nationalitäten widerfahren ist und daß das auch jede ausgeübt hat. Es gibt ein Drvar – für diejenigen, die sich mit den Dingen nicht wirklich beschäftigen: in Drvar sind Serben ermordet worden –, aber es gibt nicht nur ein Drvar.

So bin ich durch einen Ort gefahren, in dem in diesem Fall heimgekehrte Kroaten in der Krypta der an sich zerbombten Kirche eine Messe gefeiert hatten. Sie wurden nicht umgebracht, das ist immerhin ein relativer Fortschritt, aber sie wurden 72 Stunden nicht aus der Kirche herausgelassen, weil sich davor die Reste der Bürgerkriegswut austobten, und sie mußten von der SFOR herausgeholt werden.

Daher bitte ich Sie, Sprüche wie "Die sollen doch heimgehen und ihre Heimat aufbauen!" nicht so leichtfertig auszusprechen, wenn Sie die Verhältnisse nicht kennen. Wenn Sie da unten ein paar Wochen im Rahmen von Projekten gearbeitet haben und das immer noch so leichtfertig sagen, dann würde mich das selbst bei Ihnen, Herr Kollege Königshofer, sehr überraschen! (Beifall bei der SPÖ.)

21.20

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird noch eine weitere Wortmeldung gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Es ist dies ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem integrierten Vertriebenen aus Bosnien und Herzegowina das weitere Aufenthaltsrecht gesichert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG, BGBl. I Nr. 75/1997), geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

14. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend das 1. Euro-Finanzbegleitgesetz umfassend Bundesgesetz zur Umstellung von Bundesanleihen auf Euro (Euro-Bundesanleihenumstellungsgesetz); Bundesgesetz zur Umstellung von Anleihen privater Emittenten auf Euro (Euro-Anleihenumstellungsgesetz); Bundesgesetz, mit dem im Steuerrecht begleitende Maßnahmen für die Einführung des Euro getroffen werden; Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Bankwesengesetz, das Bausparkassengesetz, das Börsegesetz 1989, das Wertpapieraufsichtsgesetz, das Pensionskassengesetz und das Bundesgesetz, mit dem finanzielle Beziehungen zwischen dem Bund und der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft geregelt werden, geändert werden (1187 und 1241/NR sowie 5722 und 5695/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung: 1. Euro-Finanzbegleitgesetz umfassend Bundesgesetz zur Umstellung von Bundesanleihen auf Euro (Euro-Bundesanleihenumstellungsgesetz); Bundesgesetz zur Umstellung von Anleihen privater Emittenten auf Euro (Euro-Anleihenumstellungsgesetz); Bundesgesetz, mit dem im Steuerrecht begleitende Maßnahmen für die Einführung des Euro getroffen werden; Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Bankwesengesetz, das Bausparkassengesetz, das Börsegesetz 1989, das Wertpapieraufsichtsgesetz, das Pensionskassengesetz und das Bundesgesetz, mit dem finanzielle Beziehungen zwischen dem Bund und der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft geregelt werden, geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Josef Rauchenberger übernommen. – Bitte.

Berichterstatter Josef Rauchenberger: Herr Bundesminister! Da die im Artikel 1 § 2 und § 7 Abs. 2 enthaltenen Verfassungsbestimmungen im Euro-Finanzbegleitgesetz die Zuständigkeit


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der Länder in Gesetzgebung oder Vollziehung nicht einschränken, bedürfen sie nicht der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage vom 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zum Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. Ich erteile es ihm.

21.25

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kehren jetzt zu einem emotional sicherlich wesentlich weniger besetztem Thema zurück. Ich glaube aber, daß es die Österreicherinnen und Österreicher dennoch sehr interessiert, welche Bewandtnis es mit dieser Euro-Einführung hat.

Wenn ich mir die "Parlamentskorrespondenz" vom 9. Juni ansehe, dann kann ich lesen, daß die für den Start der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Jänner 1999 notwendigen legistischen Maßnahmen in einem Gesetzentwurf unter dem Titel "Euro-Finanzbegleitgesetz" enthalten sind. – Man könnte also meinen, daß die Einführung des Euro begleitenden Maßnahmen heute hier diskutiert und auch beschlossen werden, also jene Dinge, die die Österreicherinnen und Österreicher tatsächlich bewegen, Fragen wie etwa: Wann soll ich meine Buchhaltung am besten umstellen? Was mache ich mit meiner EDV? Wann brauche ich mehrere Kassen? Was muß ich beim Verkauf meiner Produkte berücksichtigen? Welche Wettbewerbsnachteile bringt die Euro-Umstellung für mich als Unternehmer? Wann ist der günstigste Zeitpunkt, das zu tun? Kann jemand aus einem Mietvertrag oder Pachtvertrag nur deshalb aussteigen, weil die Bemessungsgrundlage zunächst in Schilling bewertet wurde und jetzt auf Euro umgestellt werden muß? Ist das ein wesentlicher Gesichtspunkt? Ist die Umstellung für den Verbraucher aufkommensneutral? Was geschieht mit Fremdwährungskrediten? Und so weiter.

Man könnte meinen, daß es um diese Fragen geht, wenn man hier liest, daß die für den Start der dritten Stufe notwendigen legistischen Maßnahmen in diesem Gesetz enthalten sind. – All diese Themen sind jedoch nicht im Euro-Finanzbegleitgesetz enthalten, sondern dieser Problemkreis oder die meisten Probleme werden im 1. Euro-Justizbegleitgesetz geregelt. Dieses wurde erst gestern im Finanzausschuß des Nationalrates behandelt und kommt dann irgendwann einmal hierher.

Ich frage den Herrn Bundesminister und die Regierung insgesamt: Kann man solche komplexen Materien, die ursächlich wirklich zusammengehören, nicht übersichtlicher regeln? Oder steckt hinter dieser Zersplitterung irgendein System, damit man dann mehr Bewegungsfreiheit in der Argumentation hat und sagen kann: Sie reden ja von etwas völlig Falschem, das kommt erst in den Bundesrat! oder: Das haben wir schon lange beschlossen! Oder ist der Grund für diese Zersplitterung nur der, daß das Arbeitstempo in den Bundesministerien so unterschiedlich ist? – Darauf hätte ich gerne eine Antwort!

Dennoch müssen wir uns heute mit dem Euro-Finanzbegleitgesetz beschäftigen. Und in diesem Zusammenhang mache ich Sie auf die Einleitung aufmerksam, die mir sehr zu denken gibt. In der Einleitung steht, daß eine Änderung der davon betroffenen nationalen Rechtsvorschriften durch nationales Recht im allgemeinen überhaupt nicht notwendig ist und auch nicht notwendig wäre, weil die Verordnungen des Rates über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro unmittelbar die erforderlichen Änderungen im nationalen Recht der Mitgliedstaaten herbeiführen.

Das heißt: Wir bräuchten darüber gar nicht zu reden, denn was die EU beschließt, gilt automatisch auch für Österreich. – In Anbetracht dessen dürfen Sie uns nicht böse sein, wenn wir


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immer wieder sagen, daß unser währungspolitischer Handlungsspielraum wirklich nur darin besteht, zu entscheiden, wie die Rückseite der Euro-Münzen gestaltet werden soll. Denn alles übrige wird offensichtlich weitestgehend in Brüssel erledigt.

In der Einleitung ist weiters zu lesen – und das möchte ich betonen, denn das halten wir für sinnvoll – , daß im Interesse der Rechtssicherheit eine Anpassung der heute in Rede stehenden Gesetze notwendig ist.

Wenn man auf die einzelnen Materien eingeht, so fällt auf, daß beim Euro-Bundesanleihenumstellungsgesetz die österreichische Bundesfinanzierungsagentur ermächtigt wird, auf Rechnung des Bundes Anleihen auf die in diesem Gesetz genannte Weise von Schilling auf Euro umzustellen. – Das ist im Prinzip logisch. In diesem Zusammenhang stellen wir die Frage, ob, abgesehen von den Rundungsdifferenzen, Kosten auch für den Bund entstehen und wie hoch diese Kosten sind, denn das konnte uns bisher niemand beantworten.

Schwerwiegender ist, glaube ich, die Bestimmung gemäß § 2 des Euro-Finanzbegleitgesetzes, in welcher ein Verbot der Bildung von Rücklagen ausgesprochen wird. Herr Bundesminister für Finanzen! Warum ist das wirklich so? Denn es widerspricht eigentlich den Bilanzierungsvorschriften des österreichischen Rechtes, daß ein Unternehmer, der weiß, welche Kosten durch die Euro-Umstellung auf ihn zukommen, dafür in einem guten Geschäftsjahr keine Rückstellung bilden und diese steuerlich geltend machen kann. Hiebei kann es sich doch nicht um eine Weisung der Europäischen Kommission handeln! Ich bin davon überzeugt, daß die Nichtmöglichkeit, Rückstellungen zu bilden, die Betriebe schwächt und letztlich auch Arbeitsplätze gefährdet.

Zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes fällt uns auf, daß im Anschluß an § 3 folgender Satz angefügt wird: "Dies können insbesondere die Vermittlung von Bausparverträgen, von Leasingverträgen, von Investmentfondsanteilen und die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der automatischen Datenverarbeitung, aber auch der Vertrieb von Kreditkarten sein."

Das bedeutet, daß in Hinkunft Mitarbeiter der österreichischen Versicherungen im Außendienst – das sind heute ungefähr 2 000, und bald werden es 4 000 sein – eine neue Vertriebsschiene bekommen. Sie können nämlich in Hinkunft auch Investmentzertifikate verkaufen.

Ich frage mich, wo da die Konsumentenschützer bleiben, denn Europa ist für diese Fonds noch ein sehr aufnahmefähiger Markt. In Amerika ist dieser Markt sicherlich weitestgehend erschöpft – schon wegen der vielen Pensionsfonds –, sodaß man sich jetzt sehr stark auf Österreich konzentriert. – Bitte, Herr Kollege. (Bundesrat Steinbichler: ... auch schon diese Fonds!) Nein, das konnten sie bisher nicht.

Herr Kollege! Wissen Sie, was uns stört? – Die Versicherungsmitarbeiter unterliegen nicht der Wertpapieraufsicht. (Bundesminister Edlinger: O ja!) Der Bundesminister für Finanzen wird sicherlich bestätigen, daß ein sehr großer Unterschied besteht – das haben wir hier vor nicht so langer Zeit beschlossen –, ob jemand der Wertpapieraufsicht unterliegt oder nicht. Wenn das zutrifft, gibt es bestimmte Formvorschriften. Ich halte es für notwendig, daß man im Interesse des Schutzes der Anleger, im Interesse des Schutzes der vielen Sparer in Österreich sehr vorsichtig und sehr sorgfältig vorgeht.

Es ist sonst nicht einzusehen, daß ein ordentlicher Anlageberater mit jedem Kunden, der zu ihm kommt, ein Anlegerprofil im Sinne des § 13 Wertpapieraufsichtsgesetz erstellen muß. Danach muß er sich über die finanziellen Erfahrungen erkundigen, die der Kunde mit Anlageformen hat, auch über dessen Risikobereitschaft und dessen Anlageverhalten. Der Kunde kann erklären: Ich bin nicht bereit, die verlangten Informationen zu geben, daher ist eine meinem Bedarf entsprechende Beratung nicht möglich. Er kann dann weiters sagen: Ich lehne die Beratung grundsätzlich ab und tätige die Veranlagung auf eigene Verantwortung.

Es macht einen großen Unterschied aus, daß konzessionierte Banken und Vermögensberater solche Anlegerprofile erstellen und den Kunden auf das Risiko hinweisen. Nicht von ungefähr gibt es auf diesem Gebiet so häufig Verluste. Ich wundere mich, daß die Damen und Herren, die


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sich mit Konsumentenschutz beschäftigen, in diesem Fall nicht bemerken, daß es Schwierigkeiten geben könnte.

Ich frage den Herrn Bundesminister: Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen, die Beschränkungen des Handels von Investmentzertifikaten völlig zu beseitigen und diesen Bereich entsprechend aufzumachen? – Ich frage zusätzlich: Was hat das eigentlich mit der Euro-Einführung zu tun? Warum fügt man im 1. Euro-Finanzbegleitgesetz eine Bestimmung ein, mit der man eine neue Vertriebsschiene aufmacht? Auf wen geht es zurück, daß das geschehen ist?

Wir Freiheitliche können so unausgegorenen Vorlagen nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Reder ist Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile ihm das Wort.

21.33

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Den Ministern Schüssel und Ditz ist es zu verdanken, daß wir heute dieses Euro-Finanzbegleitgesetz beschließen können, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hätte Minister Schüssel 1995 das von der SPÖ vorgelegte Budget nicht abgelehnt, sondern wäre es im Nationalrat beschlossen worden, dann könnten wir die Konvergenzkriterien, die für die Teilnahme am Euro nötig sind, heute mit Sicherheit nicht erfüllen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Payer: Das sind alte Parteiredner!)

Selbstverständlich war es für die ÖVP 1995 nicht leicht oder nicht ganz einfach, durch die Ablehnung des Budgets Neuwahlen herbeizuführen. (Bundesrat Freiberger: Das war schon einfach! Aber nicht das Ergebnis!) Aber in ihrer Verantwortung für Österreich blieb der ÖVP kein anderer Weg übrig! Erst eine Änderung der Finanzpolitik in die Richtung, die von der ÖVP vorgeschlagen wurde, brachte für Österreich die Möglichkeit, sich in die Reihe jener Länder zu stellen, die ab 1999 den Euro einführen werden. Aufgrund dieser mutigen Vorwärtsstrategie von Schüssel und Co. war Österreich das erste Land, das die Konvergenzkriterien erfüllen konnte.

Das Euro-Finanzbegleitgesetz ist deshalb wesentlich mehr als nur ein EU-Anpassungsgesetz. Es ist vielmehr das Ergebnis der konsequenten Arbeit der österreichischen Bundesregierung (Bundesrat Payer: "Bundesregierung"! Das erste Mal!) , mit entscheidenden Kriterien, die von der ÖVP grundgelegt wurden, wodurch uns die Teilnahme an der Europäischen Währungsunion ermöglicht wird. (Bundesrat Payer: Herr Kollege Jaud! Sie werden sich nicht mehr ändern! Ich habe die Hoffnung aufgegeben!) Ich bemühe mich immer, es so darzulegen, wie es aus meiner Sicht aussieht.

Gestern hat die Europäische Zentralbank ihre Arbeit aufgenommen. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Am 1. Jänner 1999 werden die Umtauschkurse für das Buchgeld endgültig festgesetzt. Wir von der ÖVP geben aus den genannten Gründen diesem Finanzbegleitgesetz gerne unsere Zustimmung. (Beifall bei der ÖVP.)

21.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Erhard Meier das Wort.

21.36

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Es hätte mich gewundert, wenn Herr Bundesrat Jaud seine Rede nicht wieder in dieser Weise begonnen hätte. Herr Kollege Jaud! Du hast aber selbst geschmunzelt und gelächelt, ebenso deine Fraktion, sodaß das nicht so ernst zu nehmen ist. (Bundesrat Jaud: Das hat mit Wahrheitsgehalt nichts zu tun! Wir freuen uns darüber, daß es zu diesem Ergebnis gekommen ist!)


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Ich möchte folgendes hinzufügen: Es gibt eine Koalition, die sich in vielen Verhandlungen zu einem Ergebnis durchgerungen hat, daher kann man es meiner Ansicht nach nicht so formulieren. (Bundesrat Eisl: Keinen Vaterschaftsstreit!) Ich könnte dem entgegnen, daß es immer sozialdemokratische Finanzminister waren, die auch sehr wesentlich dazu beigetragen haben. Lassen wir also diese koalitionären Eifersüchteleien! Wir beide Fraktionen haben es miteinander beschlossen und haben es gemeinsam zu tragen, auch die unpopulären Maßnahmen, die zweifellos damit zusammenhängen.

Zu Herrn Dr. Harring möchte ich, obwohl ich kein ausgesprochener Fachmann bin, folgendes sagen: Man kann allein durch die Umwechslung und Umbenennung von Schilling in Euro nicht aus bestehenden Verträgen aussteigen. (Bundesrat Dr. Harring: Nein, das kommt erst! Mit dem nächsten Gesetz kommt das!) An diesem rechtlichen Grundsatz ändert sich nichts.

Eines ist richtig: daß Verordnungen in der Europäischen Union innerhalb ihrer Kompetenzen aus der Ersten Säule auf nationales Recht durchschlagen und hier nicht mehr gesondert beschlossen werden müssen. Wo das aber trotzdem – sozusagen in doppelter Weise – geschieht und ein österreichisches Gesetz daraus entsteht, ist das eigentlich eine Interpretation der Pflicht der Verordnung der Europäischen Union, die in der Ersten Säule enthalten ist.

Wir stehen eigentlich vor zwei Daten: Für die Bevölkerung ist wahrscheinlich erst der 1. Jänner 2002 der wichtige Kernpunkt, weil dann das Geld in der Brieftasche umgetauscht wird. Tatsächlich ist es aber so, daß schon mit 1. Jänner 1999 der Euro eingeführt wird und der Schilling eigentlich nur noch eine Denomination des Euro ist. (Bundesrat Dr. Harring: Das stimmt nicht!) Das gilt auch für die anderen Währungen. Die Umwechslung erfolgt danach – auch wenn die nationalen Währungen in der Praxis noch bestehen – im täglichen Leben wiederum immer über den Euro. (Bundesrat Dr. Harring: Jeder Unternehmer kann einen Zeitpunkt wählen, zu dem er umstellt! Auch danach!)

Ja, das ist richtig. Aber ab 1. Jänner 1999 ist das grundsätzlich schon möglich. Die Wirtschaft, die im internationalen Bereich tätig ist, wird es wahrscheinlich schon dann tun. Es wird sich daraus für gewisse Teile der Wirtschaft, die davon abhängig sind, eine Notwendigkeit ergeben, es ebenfalls schon zu diesem Zeitpunkt zu tun. Dazu besteht selbstverständlich nicht die Pflicht, aber de facto haben wir den Beginn der dritten Phase der Währungsunion schon mit 1. Jänner 1999 zu verzeichnen.

Es ist richtig, daß wir versuchen sollten, alle gesetzlichen Regelungen, die noch getroffen werden müssen, rechtzeitig zu treffen. Dieses Euro-Finanzbegleitgesetz ist erst der Beginn. Es sollten vor den genannten Terminen alle gesetzlichen Grundlagen, welche die Wirtschaft, die Öffentlichkeit, das Bankwesen, den internationalen Zahlungsverkehr und letzten Endes auch den einzelnen Bürger betreffen, rechtzeitig vorbereitet werden.

Es ist mir sicherlich bewußt, daß diese Umstellung für die Wirtschaft, für viele Betriebe, für die Banken und für das Versicherungswesen, für alle die Gruppierungen, die in diesem Gesetz angeführt werden, wegen der großen inhaltlichen Schwierigkeiten Ausbildungsmaßnahmen notwendig macht. Diese Änderungen der Grundlagen müssen rechtzeitig in Angriff genommen werden.

Die Gesetze, die zu diesem Zweck jetzt geändert werden müssen, werden in den Unterlagen aufgezählt: Einkommensteuergesetz, Umsatzsteuergesetz, Zollrechts-Durchführungsgesetz, Versicherungsaufsichtsgesetz, Bankwesengesetz, Bausparkassengesetz, Börsegesetz, Wertpapieraufsichtsgesetz und Pensionskassengesetz. Es ist zweifellos richtig, daß nicht nur die den Euro betreffenden Gesetzesstellen – auch wenn das sehr viele sind, und darin geht es oft nur um nominelle Änderungen – geändert worden sind, sondern auch andere Änderungen im Zuge dieser Gesetze sogleich durchgeführt werden.

Das vorliegende Gesetz soll dazu beitragen, die Rechtsunsicherheiten zu beseitigen und in den einzelnen Gesetzen und Sparten die Umstellungsmodalitäten zu regeln, sodaß diese Schwierigkeiten in der Wirtschaft zu überwinden sind. Ich denke, daß man alle Möglichkeiten der Information schaffen sollte, damit auch den einzelnen Sparten geholfen wird. Für jede ein


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zelne Sparte ist es kompliziert, und das Interesse richtet sich darauf, insbesondere die jeweilige Sparte zu bewältigen.

Herr Minister! Ich schlage Ihnen und allen anderen Ministerien, die notwendige Änderungen hierher ins Hohe Haus bringen müssen, vor, diese Arbeiten zu erledigen. Der Euro ist nicht aufzuhalten. Er hat mit den Amsterdamer Verträgen nichts zu tun, sondern da geht es um einen Bestandteil des Maastricht-Vertrages. Diesem haben wir bereits zugestimmt, und jetzt geht es um die praktischen Auswirkungen.

Ich möchte auch empfehlen, aus den zweifellos auftretenden Schwierigkeiten nicht jenes Kapital zu schlagen, das Menschen zusätzlich verunsichert. Wir können abwägen, welche Vor- und Nachteile es in einer solchen Phase gibt. Da ist nicht alles der Himmel auf Erden, aber auch nicht das Gegenteil.

Ich denke, daß im großen und ganzen, im Weltmaßstab gesehen, die Vereinheitlichung der Wirtschaft im europäischen Raum – dazu gehört letzten Endes auch das Geld, die gemeinsame Währung Euro – für uns à la longue Vorteile bringen muß. Da wir uns zur EU bekennen – auch zu allen Notwendigkeiten, die Wirtschaft und die Beschäftigungslage zu verbessern –, ist der Euro nur ein Anhängsel dieser Wirtschaft, und meiner Ansicht nach eine notwendige Folge. Wichtig ist, daß die wirtschaftlichen Aufgaben bewältigt werden, dann wird auch währungsmäßig kein Problem bestehen. Diese Zuversicht und diese Hoffnung haben wir!

In diesem Sinne wird die sozialdemokratische Fraktion des Bundesrates diesem Gesetz selbstverständlich zustimmen und keinen Einspruch beantragen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

21.43

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile ihm das Wort.

21.43

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Im Frühjahr 1994 haben die Österreicher mit 66prozentiger Mehrheit für den Beitritt zur Europäischen Union gestimmt. Damals haben im Vertrauen auf die Propaganda der österreichischen Bundesregierung – zum Beispiel: "Lieber gemeinsam als einsam" – viele Befürworter mit ihrem Ja auch für die EU als soziale Schutzgemeinschaft gestimmt.

Meine Damen und Herren! Diese Erwartungen der Bürger, die sich damals mit überwältigender Mehrheit für den Beitritt ausgesprochen haben, sind heute völlig enttäuscht worden. Heute kommt es zum Abbau von sozialen Standards: Man spricht vom Zehnstundentag, von Sonntagsarbeit, von Nachtarbeit et cetera. Es gibt einen rasanten Anstieg der Arbeitslosigkeit. Dieser Anstieg hat sehr viele Gründe, und es würde zu lange dauern, sie hier alle aufzuzählen.

Am 1. Juli 1998 hat Österreich nun den Vorsitz im Rat – die sogenannte EU-Präsidentschaft – übernommen. Gleichzeitig erfolgte an diesem 1. Juli der Start der Europäischen Zentralbank; sie wird künftig für die neue europäische Währung, den Euro, zuständig sein. Am Vorabend der Gründung der EZB hat Bundeskanzler Mag. Klima in Frankfurt vor deren Vertretern und Repräsentanten eine Rede gehalten. Daraus möchte ich einen kleinen Passus zitieren, der gestern in der Zeitung "Täglich Alles" abgedruckt war. (Lebhafte Heiterkeit bei der SPÖ.)

Sie können ja sagen: Das hat Klima nicht gesagt. Aber ich weise Sie trotzdem darauf hin, was Klima gesagt hat; Sie können sich danach mit seiner Aussage identifizieren oder nicht. Hören Sie es sich zuerst einmal an – ich zitiere –: Mit derselben Unterstützung der Bevölkerung, mit der wir das Projekt gemeinsame Währung erreicht haben, werden wir auch die Arbeitslosigkeit bekämpfen. – Ende des Zitats; Aussage Klima. Bitte, Sie können sagen, das hat er nicht gesagt. Auf jeden Fall steht es da, und zum Beleg kann man sich das Protokoll kommen lassen.

Es geht mir aber um etwas anderes, meine Damen und Herren! Am gleichen Tag ist in der Zeitung "Die Presse" ein offener Brief des österreichischen Duty Free Verbandes erschienen,


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den ich Ihnen auch nicht vorenthalten möchte. Ich zitiere daraus: "Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Mag. Klima, sehr geehrte Damen und Herren der österreichischen Bundesregierung! In genau einem Jahr sollen nach dem Willen der Europäischen Kommission die Duty Free Geschäfte für immer geschlossen werden. Die seinerzeitige Begründung für die Abschaffung ist nie Realität geworden: Europa ist heute von einem einheitlichen Steuersystem weiter entfernt denn je. Sie wissen, daß diese Abschaffung nur Nachteile bringt. Europaweit werden bis zu 140 000 Jobs vernichtet."

Meine Damen und Herren! Wenn man sich den alten Bibelspruch vergegenwärtigt, der da heißt: "Nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten sollt ihr sie erkennen!", dann sprechen diese beiden Zitate Bände. Denn damit ist die europäische Politik in Sachen Arbeitslosigkeit und Arbeitsbeschaffung demaskiert. Auf der einen Seite gibt es nämlich immer wieder diese wohlwollenden Sonntagsreden, wie sie auch Herr Mag. Klima in Frankfurt gehalten hat. Es gibt diverse Erklärungen, es gibt Resolutionen nach langwierigen Konferenzen. Aber auf der anderen Seite sieht man die tatsächliche Politik der EU, die alle Ankündigungen, Millionen Arbeitsplätze zu schaffen, Lügen straft.

Meine Damen und Herren! Mit dem Euro spielt es sich ähnlich ab. Auch da gibt es wieder Versprechungen, daß der Euro zumindest mittel- bis langfristig in der Lage sein wird, Arbeitsplätze zu schaffen. Eines steht aber auf alle Fälle fest: daß der Euro kurzfristig in der europäischen Bankenlandschaft Hunderttausende Arbeitsplätze vernichten wird. Denn wo werden die vielen Mitarbeiter aus den Wechselstuben in Österreich, in Deutschland, in den Niederlanden, in Belgien oder in Spanien unterkommen? – Diese Mitarbeiter wird man nicht mehr brauchen. Diese Arbeitsplätze gibt es dann nicht mehr. (Bundesrat Payer: Das ist jetzt die primitivste Argumentation, die ich je gehört habe!)

Ja, ich weiß, das ist alles primitiv, Herr Payer! (Bundesrat Meier: Es gibt ja auch weniger Eisenbahner! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich sage Ihnen: Ihre Politik in diese Richtung ist primitiv. Das werden Sie dann Zehntausenden Arbeitslosen erklären müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber jetzt zu dem vorliegenden Gesetz – auch wenn hier die Lampe blinkt. Herr Kollege Harring hat schon auf das Rückstellungsverbot in Artikel 3 Abs. 2 hingewiesen. Dieses Verbot ist mir völlig unverständlich. Denn damit geht man gegen ein altes buchhalterisches und Bilanzierungsgebot vor, das sogenannte imparitätische Realisationsprinzip, wonach man Gewinne erst dann realisieren darf, wenn sie entstanden sind, hingegen Verluste oder entstehende Kosten schon vorher realisieren muß. (Bundesrat Schöls: Dieses Prinzip hat der Rosenstingl nicht beachtet!)

Das ist eine sehr unqualifizierte Äußerung, Herr Kollege! Da sieht man, daß Sie die Dinge nicht verstehen. Vielleicht hat sie Rosenstingl besser als Sie verstanden, denn sonst wäre das Finanzamt schon früher draufgekommen. (Bundesrat Schöls: Rosenstingl war Finanzexperte und Steuerberater!)

Auf jeden Fall ist diese Regelung ein Verstoß gegen das genannte Buchhaltungsprinzip, und mir ist nicht klar, warum man das den Betrieben zumutet und warum man ihnen nicht zugesteht, entsprechende Rückstellungen zu bilden für die Kosten, die immerhin in einiger Höhe entstehen werden.

Jetzt zu den Artikeln 1 und 2: Darin geht es direkt um die Umstellung von Anleihen. Anleihen werden dort folgendermaßen definiert: Anleihen im Sinne des Bundesgesetzes sind Teilschuldverschreibungen des Bundes, und andererseits bei Privaten Teilschuldverschreibungen, Kassenobligationen, Wandelschuldverschreibungen, Pfandbriefe, Kommunalschuldverschreibungen et cetera.

In diesem Gesetz wird lediglich eine dürre Vorgangsweise skizziert: wie die Umstellung rechnerisch und technisch erfolgen soll. Aber ich habe noch nie etwas gehört oder auch in Kommentaren dazu gelesen, welche materiellen Folgewirkungen hinter dieser Umstellung stehen könnten.


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Ich werde Ihnen jetzt kurz erläutern, was passieren wird, wenn man in den elf Euro-Staaten die Anleihen von heute auf morgen von der Landeswährung auf den Euro umstellt. (Bundesrat Payer: Aus dem Traumbuch!) Wir leben in Österreich in einem Niedrigzinsland, wie auch Deutschland oder Holland dies sind. Daher sind auch unsere Anleihen relativ niedrig verzinst, im Gegensatz zu den südeuropäischen Ländern Italien, Portugal oder Spanien. Dort gibt es wesentlich höher verzinsliche Anleihen. Wenn jetzt alle diese Länder ihre Anleihen von der Landeswährung auf Euro umstellen, dann wird es in Europa einerseits Euro-Anleihen geben, die niedrig verzinst sind – nämlich unsere –, und andererseits diejenigen, die höher verzinst sind. (Bundesrat Rauchenberger: Im Ausschuß hat Ihnen das der Kollege erklärt!)

Das war keine Erklärung, Herr Kollege! Ich möchte das hier sagen: Das war überhaupt keine Erklärung! Und ich möchte dazu ein Wort des Herrn Ministers hören. – Auf jeden Fall wird es dazu kommen, daß die niedrig verzinsten Anleihen im Kurs rutschen werden, damit die Renditen gleichbleiben. (Bundesrat Rauchenberger: Kein Verständnis!) Darauf hätte ich gerne eine Antwort von Ihnen.

Denn die Leidtragenden dieser Entwicklung werden in zweiter Linie – erst in zweiter Linie, meine Damen und Herren! – die österreichischen Sparer und Anleger sein, die Kursverluste bei ihren Wertpapieren hinnehmen müssen. In erster Linie werden selbstverständlich die österreichischen Banken die Leidtragenden sein. Denn man muß wissen, daß die Banken als Emissionsgaranten diejenigen Anleihenvolumina, die nicht am Markt plaziert werden können, selbst kaufen und als sogenannte titrierte Kredite in ihren Bilanzen führen.

Das ist eine erhebliche Position in den Bilanzen der österreichischen Banken. Um das zu belegen, habe ich mir gestern die Bilanz der Creditanstalt-Bankverein besorgt. Auf Seite 64 sieht man in der Konzernbilanz eine Position unter Punkt 5: Schuldverschreibungen und andere von öffentlichen Emittenten rund 14,7 Milliarden Schilling, von anderen Emittenten 86 Milliarden, in Summe rund 100 Milliarden Schilling. Das sind die Anleihen der CA, der Oberbank, der Bank für Kärnten und Steiermark sowie der Bank für Tirol und Vorarlberg.

100 Milliarden Schilling haben diese Banken auf der Aktivseite ihrer Bilanz stehen. Unter der Annahme, daß es aufgrund der Umstellung auf Euro zu einem Kursverlust von nur 5 Prozent kommt (Heiterkeit bei der SPÖ)  – das hat es schon gegeben! –, muß diese Bankengruppe dann eine Wertberichtigung von rund 5 Milliarden Schilling vornehmen. Diese 5 Milliarden Schilling können Sie dann in Euro umrechnen; Sie werden jetzt ohnehin die Euro-Rechner ausgeben. Schicken Sie diese insbesondere den Bankdirektoren, dann können sie ihre Wertberichtigungen umrechnen!

Man muß bedenken, daß das nur einer der großen Bankenbereiche in Österreich ist. Der Mutterkonzern der CA, der Bank-Austria-Bereich, ist ähnlich groß. Weiters gibt es den Volksbanken-Bereich, den Raiffeisen-Bereich oder den Sparkassen-Bereich. Rechnen Sie den Bedarf an Wertberichtigungen hoch: Das wird auf 20 bis 30 Milliarden Schilling hinauslaufen! Da müssen sich die Banken einmal fragen, wie sie mit den Umstellungskosten, den Wertberichtigungskosten und den künftigen Einnahmenausfällen – weil ihnen das ganze Geschäft aus den Wechselstuben- und Währungsgeschäften verlorengeht – zu Rande kommen. (Bundesrat Rauchenberger: Was wirklich kommt, das hat sogar Dr. Harring verstanden!)

Herr Minister! Darum ginge es jetzt in einer Aufklärungsaktion, in einer Informationskampagne der Bundesregierung. (Bundesrat Rauchenberger  – in Richtung Bundesrat Dr. Harring –: Das ist sogar Ihnen zuviel! – Weitere Zwischenrufe.) Darüber sollten Sie die Bevölkerung aufklären! Denn genau die Wertberichtigungen, die bei uns erforderlich werden, werden in Südeuropa zu außerordentlichen Erträgen führen. Deshalb können Sie in diesem Bereich dann nachrechnen, wie groß die Vermögensverschiebung von Mittel- nach Südeuropa sein wird.

Herr Bundesminister! Deshalb erwarte ich mir von Ihnen und von Ihrer staatlichen Informationskampagne Aufklärung über diese Bereiche! Es ist uns zuwenig, wenn Sie einfach ein Gesetz herausgeben und sagen: So müssen Sie rechnen, damit Sie vom Schilling zum Euro kom-men, und das in die Bilanz hineinschreiben. Klären Sie die Bevölkerung, klären Sie die Betriebe


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über Folgewirkungen dieser Umstellung auf! (Bundesrat Meier: Aber diese Wertberichtigungen sind doch nur eine Annahme!)

Schauen Sie: Sie brauchen nur mit einem Wertpapieranalysten darüber zu reden, wie es in der Vergangenheit war. (Bundesrat Prähauser: Sie hätten den Rosenstingl beraten sollen!) Es ist ein Grundprinzip, daß eine Anleihe, die niedrig verzinst ist, im Kurs selbstverständlich niedriger als eine höher verzinste liegt. Herr Kollege! Was werden denn Sie kaufen, wenn ich Ihnen folgende Alternativen anbiete (Bundesrat Pfeifer: Von Ihnen gar nichts!) : Hier ist eine Euro-Anleihe, die mit 5,5 Prozent verzinst wird, und da gebe ich Ihnen eine, die 9 Prozent an Zinsen erbringt. Da werden auch Sie sagen: Ich nehme lieber die Anleihe mit 9 Prozent, die bringt mir mehr! Diejenige mit 5 Prozent werden Sie nur dann kaufen, wenn der Kurs entsprechend niedrig ist. – Ich habe versucht, Ihnen das jetzt kurz und einfach zu erklären.

Herr Minister! Solange derartige Fragen ... (Bundesrat Schöls  – in Beantwortung eines Zurufs –: Mentil hat er geheißen!) Sie können als Fachmann gleich nach mir reden. – Herr Minister! Solange diese Dinge nicht aufgeklärt sind, solange die Bevölkerung und auch die Betriebe darüber nicht informiert sind, werden wir einem solchen Gesetz unsere Zustimmung nicht geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.56

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. (Bundesminister Edlinger gibt ein Handzeichen.)

Herr Bundesminister, ich erteile Ihnen das Wort. – Bitte.

21.56

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht alle Dinge wiederholen, die im Finanzausschuß, im Plenum und auch in der Öffentlichkeit diskutiert worden sind, aber doch einige Bemerkungen der Diskussion und den Argumenten, die hier vorgebracht worden sind, hinzufügen.

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß der Anlaß für das Gesetz – danach hat einer der Redner gefragt – der Beginn der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion ist. Das wird, so nehme ich an, niemanden sonderlich überraschen.

Die Frage, die Herr Bundesrat Harring gestellt hat – warum man das eigentlich tun muß –, hat er selbst beantwortet: Es ist nötig, um die Rechtssicherheit in unserem Lande zu gewährleisten. Zum Gegenstand dieses Gesetzes – damit beantworte ich die Frage, warum nicht alle für die Wirtschafts- und Währungsunion sowie den gemeinsamen Wirtschaftsraum notwendigen gesetzlichen Bestimmungen gleichzeitig herauskommen –: Dieses Gesetz setzt nur jene legistischen Maßnahmen um, die im Zuständigkeitsbereich des Finanzministeriums liegen.

Darüber hinaus möchte ich Ihnen für den Fall, daß Sie vielleicht in zwei oder drei Jahren unter Berufung auf die heutige Diskussion meinen, man hätte seitens des Finanzministeriums etwas vergessen, langfristig ankündigen, daß alle sonstigen Rechtsanpassungen zur Euro-Umstellung, die erst ab dem 1. Jänner 2002 – wenn die Währung auch physisch vorhanden sein wird – erforderlich sein werden, dem Parlament, also selbstverständlich auch dem Bundesrat, zu guter Zeit und zeitgerecht vorgelegt werden. – Soviel zur Einleitung, damit klargestellt ist, aus welchen Gründen dieses Gesetz hier und heute beschlossen wird.

Ich erachte es durchaus für reizvoll, gerade am 2. Juli, also einen Tag, nachdem Österreich die Präsidentschaft in der Europäischen Union übernommen hat, hier in Ansätzen eine grundsätzliche Debatte zu führen. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich manche innerösterreichische Diskussionen verfolge und das Selbstbewußtsein sehe, mit dem manche Argumente gegen die Europäische Union und den Euro vorgetragen werden, offensichtlich vor dem Hintergrund des Bewußtseins, daß man im alleinigen Besitz der Wahrheit ist und elf europäische Länder – deren Regierungen, Währungsexperten und Fachleute – offensichtlich einer falschen, irregeleiteten Überzeugung anheimgefallen sind.


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Elf Mitgliedstaaten erfüllen die Voraussetzungen für die Wirtschafts- und Währungsunion, elf Mitgliedsstaaten werden mit 1. Jänner 1999 die gemeinsame Währung einführen. Die gemeinsame Währung wird der gemeinsamen Kraft, die dieser europäische Wirtschaftsraum auch zu entwickeln imstande ist, entsprechenden Schub geben.

Es wurden mit einer Reihe von Rechenbeispielen irgendwelche Pappsoldaten aufgebaut. Mich beeindruckt das nicht besonders! Ich erinnere daran, daß etwa zum Zeitpunkt eines etwas mißglückten Volksbegehrens zum Euro, das unser Land im Frühjahr erlebt hat, ein kleines Büchlein erschienen ist, in welchem mit dem Brustton der Überzeugung behauptet wurde, daß sich selbst zwischen dem 1. 1. 1999 und dem 1. 1. 2002 die Wechselkursparität zwischen dem Schilling und dem Euro verändern wird. Es wurde hochgerechnet, um wie viele Milliarden es sich dabei handelt, und danach hat man den Schluß gezogen, daß das österreichische Volk durch die Währungsumstellung nach 1999 bis zum Jahr 2002 200 Milliarden verlieren wird, obwohl natürlich jeder, der die Struktur der Europäischen Union kennt und gar nicht weitblickend sein muß, feststellen kann, daß es selbstverständlich mit Inkrafttreten der entsprechenden Beschlüsse vom Maiwochenende 1998 zu einer Vereinbarung fixer Wechselkurse kommen muß, um spekulative Attacken gegen die eine oder andere Währung in den noch verbleibenden Monaten zu verhindern.

Daher kann ich auch jetzt Ihre Rechnung, sehr geschätzter Herr Bundesrat Königshofer, ganz sicher nicht nachvollziehen, die Sie mit nieder- und hochverzinsten Anleihen angestellt haben und mit welcher sie bestimmte Szenarien entwickelt und gleich messerscharf eine Zahl hergestellt haben. Es würde mich nicht wundern, wenn im nächsten Flugblatt diese Zahl bereits als Faktum im Zuge der neuen Argumentationslinie gegenüber denjenigen in der österreichischen Bevölkerung, die die Vorteile der WWU ganz einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen , aufscheint.

Nun möchte ich Ihnen noch etwas sagen – ich habe das schon mehrfach in der Öffentlichkeit gesagt –: Ich persönlich bin der Meinung, daß der Euro weder einen einzigen Arbeitsplatz schafft noch einen einzigen Arbeitsplatz kostet. Der Euro ist nämlich kein Wundermittel, sondern er ist ganz schlicht und ergreifend ein Zahlungsmittel. Er schafft neue Voraussetzungen dafür, daß der gemeinsame Wirtschafts- und Währungsraum von inneren Irritationen, die den einzelnen nationalen Volkswirtschaften bisher schwerstens geschadet haben, künftighin verschont bleibt.

Ich nenne Ihnen nur ein Beispiel, das Ihnen ohnehin bekannt sein muß: Die Wechselkursschwankungen zu unserem zweitwichtigsten Handelspartner Italien haben im Jahre 1995 der österreichischen Volkswirtschaft 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gekostet. Das sind 25 Milliarden Schilling! Ich könnte jetzt Ihre Argumentationslinie weiter verfolgen, sehr geehrter Herr Bundesrat, und sagen: Gesetzt den Fall, es gibt alle drei Jahre eine Währungsirritation, dann würde die Tatsache, daß wir nicht im Euro-Verband sind, der Republik Österreich alle zehn Jahre ungefähr 100 Milliarden kosten. – Das wäre eine genauso falsche Milchmädchenrechnung wie jene, die Sie uns eben vorgeführt haben!

Ich möchte Ihnen noch etwas sagen: Ich weiß nicht, ob man es sich tatsächlich so einfach machen und sagen kann: Durch die Tatsache, daß wir dem Euro beitreten, gibt es Arbeitslosigkeit, Diskussionen über sozialpolitische Maßnahmen und ähnliches mehr. – Sehr geehrter Herr Bundesrat! Nur elf Staaten der ganzen Welt bilden die Wirtschafts- und Währungsunion! Wenn Sie heute die Arbeitslosenstatistiken in der OECD hernehmen, dann sehen Sie, wir befinden uns ziemlich an der Spitze der "Niedrig-Arbeitslosigkeits-Länder". Die Argumentation, daß innerhalb der Europäischen Union durch die Umstellung auf den Euro Arbeitslosigkeit erzeugt wird, ist ganz einfach falsch! Die Arbeitslosigkeit in Europa nimmt bedauerlicherweise nicht in dem Ausmaß ab, wie ich mir das wünschen würde, sie nimmt aber ab! Und dafür ist nicht der Euro die Ursache, sondern jene Rahmenbedingungen, die wir uns geben.

Daher ist die nächste sehr wichtige Aktivität, die wir zu setzen haben und die wir im Einvernehmen mit der Kommission und den meisten Mitgliedstaaten auch während unserer Präsidentschaft zu einem politischen Thema machen werden, die Frage der Harmonisierung des euro


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642. Sitzung / Seite 117

päischen Steuersystems. Es geht nicht darum, ein System zu entwickeln, mit welchem es zu einem Mehr an Steuer kommt, sondern es geht um die Ausschaltung von unfairem Steuerwettbewerb. Denn die Entwicklung in Europa in den vergangenen zwölf Jahren innerhalb der 15 Staaten der Europäischen Union zeigt, wie sich die Steuerbelastung des Faktors Arbeit im Vergleich zur Steuerbelastung des Faktors Kapital entwickelt hat. Das hat wiederum nichts mit der Wirtschafts- und Währungsunion zu tun, denn vor zehn Jahren hat kein Mensch von einer Wirtschafts- und Währungsunion geredet, und da hat auch kein Mensch davon geredet, ob wir der Europäischen Union jemals beitreten werden oder nicht. Laut Statistik betreffend die diesbezügliche Entwicklung zwischen 1984 und 1996 hat in allen europäischen Ländern die Steuerbelastung des Faktors Arbeit um 7 Prozent zugenommen, während im gleichen Zeitraum der Faktor Kapital steuerlich um 10 Prozent entlastet worden ist!

Wenn man weiß, daß die europäische Wirtschaft unter sehr hohen Lohnkosten leidet – ich unterstelle nicht einmal Ihnen, Herr Bundesrat, daß Sie die Zielsetzung haben, die Löhne und Gehälter in der Europäischen Union zu demolieren! –, dann muß die politische Zielsetzung darin liegen, daß wir die Löhne von Lohnnebenkosten – nämlich von jenen Belastungen, die man dem Faktor Arbeit zuordnet – befreien beziehungsweise diese minimieren. Denn das liegt im Interesse der Beschäftigung. Außerdem liegt das auch im Interesse einer weiteren, sehr wichtigen politischen Zielsetzung der Europäischen Union, die nicht zuletzt aufgrund der Initiative Österreichs in die gesamte Europäische Union Eingang gefunden hat, nämlich daß die Europäische Union nur dann bestehen wird, wenn sie den Zugang zu den Herzen der Menschen findet. Diesen Zugang wird sie nicht finden, wenn akzeptiert wird, daß es 18 Millionen Arbeitslose in der Europäischen Union gibt!

Wenn man das als gesamtpolitisches Konzept sieht, dann haben wir die Aufgabe, den Faktor Arbeit von Steuern zu entlasten und andere Faktoren als Äquivalentfinanzierung zu verwenden. Und dazu gehört eine Reihe von Maßnahmen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. )

Sehr geehrter Herr Bundesrat Königshofer! Zunächst einmal: Im Unterschied zu Ihnen habe ich die Rede von Klima bei der Europäischen Zentralbank gehört, und die Verkürzung in "täglich Alles", in welcher offenbar jedes siebente Wort willkürlich in eine Satzkonstruktion gekleidet wurde, entstammt sicherlich nicht dem Manuskript des österreichischen Bundeskanzlers. Denn das, was Sie vorgelesen haben, ergibt überhaupt keinen Sinn! Sie haben offenbar mit "täglich Alles" diskutiert, und ich fühle mich eigentlich nicht zuständig, die Partei von "täglich Alles" zu ergreifen!

Zum Thema Duty-free-Shops: Natürlich ist das ein sehr emotionelles Thema, überhaupt keine Frage. Aber Sie werden doch zugeben, daß Duty-free-Shops in einem Wirtschaftsraum, in dem es keine Grenzen und keine Zölle gibt, eigentlich nicht systemimmanent sind! Denn würde man diese als systemimmanent akzeptieren, dann hätte der Vizepräsident dieses Hauses als sehr bewußter Vorarlberger eigentlich schon längst die Einrichtung einer Duty-free-Zone zwischen Tirol und Vorarlberg verlangen müssen, um die Beschäftigung anzukurbeln! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Denn wo gibt es denn da einen Unterschied? – Es gibt keine Zoll- und Steuergrenzen zwischen Tirol und Vorarlberg, und es gibt künftighin auch keine Barrieren zwischen Österreich und Deutschland, zwischen Österreich und Luxemburg und zwischen Österreich und Dänemark! Daher sind Duty-free-Zonen nicht systemimmanent!

Allerdings verstehe ich natürlich die "Pressure Groups". Denn es geht nicht darum, irgend jemandem keine billigen Einkäufe zukommen zu lassen. Sie übersehen, daß zum Beispiel auf dem Flughafen Wien nur ein Teil – und nicht einmal der erhebliche Teil – der Verkaufsflächen Duty-free-Shops sind! Vielleicht haben Sie das noch nicht bemerkt! Denn was versteht man denn im wesentlichen unter Duty-free-Waren? – Es sind dies die gesundheitsschädlichen Zigaretten, es ist dies der gesundheitsschädliche Alkohol, und es sind dies die der Eitelkeit dienlichen Kosmetika. Das sind Duty-free-Produkte im klassischen Sinne! Alle anderen Produkte, die dort ebenfalls angeboten werden, sind keine Duty-free-Produkte.


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Darin sehe ich die Chance der Duty-free-Händler: Sie müssen ihr Warenangebot jetzt eben anders strukturieren! Denn Sie werden mir sicherlich recht geben, wenn ich sage, daß sich ein Sozialhilfeempfänger seltener auf dem Flughafen Wien aufhält als ein Direktor oder Prokurist. Die durchschnittliche Brieftasche des auf dem Flughafen wandelnden Passagiers und potentiellen Käufers ist gegenüber dem durchschnittlichen Österreicher überproportional entwickelt. Und es kommt noch etwas dazu: Diese Leute haben in der Regel wenig Zeit, auf dem Flughafen sind sie aber gezwungen, eine Stunde vor Abflug zu kommen und zu warten. – Daher ist das, was hier dargestellt wird, ein Horrorszenario!

Außerdem kenne ich keinen Menschen – ich bin Raucher und weiß, wovon ich rede – , der dann, wenn er keine billigeren Zigaretten mehr im Duty-free-Shop bekommt, nicht mehr raucht! Die Maßnahmen, die wir im vergangenen Jahr gesetzt haben, sind der klassische Beweis dafür. Ich darf Ihnen zur Kenntnis bringen, daß sich die Steuereinnahmen der Tabaksteuer im Vergleich zwischen 1996 und 1998 – 1997 kann man nicht als Vergleichsgröße nehmen, weil dieses Gesetz mitten im Jahr in Kraft gesetzt wurde – mit etwa 4 Milliarden nach oben entwickeln werden. Das ist bei einem Gesamtsteueraufkommen in der Höhe von 13 Milliarden wie im Jahr 1996 keine vernachlässigbare Quantität! Ich vertraue auf die Steuersolidarität der Raucher. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ und des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Ich vertraue darauf, daß diejenigen, die sich auf den Flughäfen aufhalten und nicht zu den sozial berücksichtigungswürdigen Fällen unseres Landes gehören, künftighin in Solidarität gegenüber dem Finanzminister weiter ihrem fröhlichen Laster frönen! – Das zu diesem Punkt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch kurz zu zwei Punkten Stellung nehmen, damit auch das gesagt ist: Ich möchte Ihnen zum Versicherungsaufsichtsgesetz mitteilen, daß ich auf die gleiche Argumentation eines Abgeordneten zum Nationalrat, der Ihnen nicht fernstehen dürfte, nämlich des Herrn Abgeordneten Firlinger, im Finanzausschuß am 9. 6. 1998 schriftlich geantwortet habe, wie es sich mit den Versicherungsgesellschaften und den Investmentfonds verhält, nämlich daß ein unmittelbarer Zusammenhang nur mit der Lebensversicherung besteht, daß kein neuer Zweig von den Versicherungen entwickelt wird und daß selbstverständlich auch die Versicherungen der Bankenaufsicht für den Fall unterliegen, daß sie im Zusammenhang mit Vertriebszweigen, die sie haben, auch Investmentfonds verkaufen dürfen. – Ich würde Ihnen empfehlen, sich diese etwas längere Ausführung vom Herrn Abgeordneten Firlinger innerfraktionell zu besorgen. (Bundesrat Dr. Harring: Unterliegen sie auch der Wertpapieraufsicht?) Sie unterliegen in diesen Fragen dem Kodex der Wertpapieraufsicht und werden auch kontrolliert, wenn sie Investmentfonds verkaufen. Das ist klar und deutlich aus den gesetzlichen Bestimmungen abzuleiten.

Letzter Punkt: die bindenden Rückstellungen. Auch das ist lang und breit diskutiert worden und wurde mehrfach auch in den zuständigen Gremien des Parlaments behandelt. Ich nenne Ihnen einige Punkte, warum wir das Verbot der bindenden Rückstellung im Zusammenhang mit der Umstellung auf den Euro so formuliert haben, wie dies der Fall ist.

Erstens befinden wir uns damit im Einklang mit unseren europäischen Partnern, die alle – außer Luxemburg, und dort bewegt man sich eben auch – dem Standpunkt der EU-Kommission gefolgt sind, wonach weder in der Handelsbilanz noch in der Steuerbilanz eine Rückstellung für die Umstellungskosten gebildet werden kann. 14 Staaten der Europäischen Union gehen so vor, und ich höre, daß auch die Luxemburger gerade dabei sind, sich dies zu überlegen.

Ich möchte aber aufgrund der Tatsache – das war ein weiteres Argument  –, daß sich in Österreich eine Diskussion im Bereich der handelsrechtlichen Bilanzierung entwickelt hat, doch auch darauf hinweisen, daß sich eine Rückstellungsbildung auch handelsrechtlich als sehr umstritten erwiesen hat, und zwar deshalb, weil der Umstellungsaufwand eigentlich der gesamten Umstellungsphase, nämlich von 1999 bis 2001, wirtschaftlich zuzuordnen ist. So wäre eine wirtschaftliche Zuordnung zum Beispiel zum Jahre 1998 völlig willkürlich.

Schließlich soll man doch auch Gutachten von Persönlichkeiten berücksichtigen, die üblicherweise – nämlich immer dann, wenn es einem in den politischen Kram paßt – zitiert werden. Ich nenne in diesem Zusammenhang das Gutachten von Herrn Professor Doralt, der sich aus guten


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juristischen und handelsrechtlichen Gründen gegen die Bildung von Rückstellungen ausspricht. – Diesen Empfehlungen der Kommission, dieser Akkordierung unserer Partner und diesem Gutachten des Wissenschafters sind wir in dieser Frage gefolgt.

Ich möchte noch eine abschließende Bemerkung machen und bitte um Ihr Verständnis: Ich möchte Herrn Bundesrat Jaud für seinen Diskussionsbeitrag einerseits ausdrücklich danken, weil er die Arbeit hinsichtlich der Budgetkonsolidierung entsprechend gewürdigt hat. Allerdings möchte ich ihm in guter Freundschaft empfehlen, sein Redemanuskript eventuell doch ein bißchen zu aktualisieren. Denn er hat von Schüssel und Co, und in einer ersten Formulierung von Schüssel und Ditz gesprochen. – Ich bin nun 18 Monate lang Finanzminister. Ich kenne einen Herrn Ditz jedoch nur als Vorstand der PTA. Daher weiß ich nicht, was Ditz mit Budgetkonsolidierung zu tun haben soll! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.15

Vizepräsident Jürgen Weiss: Werden weitere Wortmeldungen gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

15. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Übertragung von Bundesbeteiligungen in das Eigentum der ÖIAG (1185 und 1242/NR sowie 5696/BR der Beilagen)

16. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz und das Pfandbriefgesetz geändert werden (1165 und 1243/NR sowie 5697/BR der Beilagen)

17. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Garantiegesetz 1977 geändert wird (768/A und 1244/NR sowie 5698/BR der Beilagen)

18. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird (710/A und 1245/NR sowie 5699/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 15 bis 18 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Übertragung von Bundesbeteiligungen in das Eigentum der ÖIAG,

ein Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz und das Pfandbriefgesetz geändert werden,


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ein Bundesgesetz, mit dem das Garantiegesetz 1977 geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über all diese Punkte hat Herr Bundesrat Josef Rauchenberger übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Josef Rauchenberger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Zum Punkt 15, der Übertragung von Bundesbeteiligungen in das Eigentum der ÖIAG, darf ich berichten:

Artikel I des gegenständlichen Beschlusses unterliegt gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Einspruchsrecht des Bundesrates.

Der Finanzausschuß stellt daher nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben.

Zum Punkt 16, dem Hypothekenbankgesetz und dem Pfandbriefgesetz, stellt der Finanzausschuß nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Punkt 17, dem Garantiegesetz 1977, stellt der Finanzausschuß nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Letztlich stellt der Finanzausschuß auch zu Punkt 18, dem Glücksspielgesetz, nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich ersuche den Herrn Präsidenten, die Verhandlungen fortzusetzen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. Ich erteile es ihm.

22.20

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich werde versuchen, Ihnen ganz kurz unsere Vorstellungen zu den gegenständlichen Finanzgesetzen mitzuteilen, damit Sie sehen, daß sich die Freiheitlichen zu Materien, die vernünftig und ausgegoren sind, immer wieder sehr gerne positiv stellen und mitgehen.

Zunächst zum Hypothekenbankgesetz: Ich glaube, daß dieses wirklich ausgesprochen positiv ist, weil damit hinsichtlich der Hypothekenbanken in ganz Österreich eine Wettbewerbsgleichheit mit anderen Mitgliedstaaten hergestellt wird. Das ist sicherlich zu unterschreiben.

Ich frage mich lediglich, warum die Schweiz miteinbezogen wird beziehungsweise es keine unterschiedliche Stellung zur Schweiz gibt: Ist das vielleicht die Vorbereitung auf eine engere Zusammenarbeit auch auf anderen Gebieten?

Wir Freiheitlichen werden, weil diese Materie, wie gesagt, tatsächlich ausgegoren und vernünftig ist, zustimmen.

Eine offene Frage ist, wie in Hinkunft der Verkauf von Landeshypothekenanstalten in den einzelnen Bundesländern vor sich gehen wird. Denn durch diesen Gesetzesbeschluß wird offensichtlich der Wert der Hypothekenbanken insgesamt steigen, und ich meine, daß die Länder für sich entscheiden müssen, ob solche Lösungen wie jene, welche unlängst in der Steiermark


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getroffen wurde, in anderen Bundesländern auch vorgenommen werden sollen, ob auch in anderen Bundesländern sozusagen Familiensilber veräußert werden soll. Ob das gut oder schlecht ist, will ich hier nicht sagen. – Wir Freiheitlichen werden jedenfalls zustimmen.

Bei der Novelle zum Garantiegesetz 1977 verhält es sich ähnlich, weil mit der vorliegenden Novelle betreffend eine Finanzierungsgarantiegesellschaft ein weiterer Handlungsspielraum geschaffen wird. Dieses Kapitalgarantieinstrument hat sich zweifellos bewährt, es sind den klein- und mittelständischen Unternehmern in Österreich 2 Milliarden Schilling an Eigenkapital zugeflossen, und damit konnten viele mittelständische Unternehmungen in die Lage versetzt werden, auch auf internationalen Märkten zu reüssieren. Daß man jetzt noch Transparenz schafft, eine Abgrenzung der Förderungsgarantien mitverbindet und eine Vereinheitlichung durchführt, damit man zu einer Konzentration der Kräfte kommt, ist ebenfalls positiv. Ich glaube, daß man den mittelständischen Unternehmungen, beispielsweise bei Exporten nach Deutschland oder auch von Kärnten nach Oberitalien, durch Eigenkapitalzurverfügungstellung helfen kann, und daher werden wir Freiheitlichen dieser Vorlage gerne unsere Zustimmung geben.

Ähnlich verhält es sich mit dem Glücksspielgesetz, obwohl wir uns bei diesem mit der Zustimmung nicht so leichtgetan haben, Herr Präsident Gerstl hat uns heute in seiner Inaugurationsrede jedoch eindeutig davon überzeugt, daß es gut ist, sich für den Sport auszusprechen. Herr Präsident Gerstl hat gesagt, daß man den Sport nicht genug fördern kann, insbesondere den Schulsport im Hinblick auf die Volksgesundheit. – Ich glaube, daß unser neuer Herr Präsident recht hat, dem wir von hier aus herzlich zu seinem hervorragenden Referat von heute vormittag gratulieren. Es war wirklich großartig! Er hat gesagt: Für den Sport kann nicht genug getan werden. Das war in Österreich der Fall: Seit 1985 ist die Förderung aufgrund des Glücksspielgesetzes von 310 auf 400 Millionen und jetzt auf 420 Millionen gestiegen, und im nächsten Jahr werden es 440 Millionen sein. Denn seit 1985 sind die besondere Sportförderung und ein Basisbeitrag eingeführt worden. Auch ich glaube, daß das Vorhandensein von finanziellen Mitteln für den Sport, damit dessen Stellenwert in der Gesellschaft weiter verbessert werden kann, einfach notwendig ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte allerdings ein kleines Fragezeichen vor den Umstand stellen, ob es als besonderer Erfolg gefeiert werden kann, daß man 45 Jahre nach Einführung der Toto-Gesellschaft, deren Vorbild man aus England übernommen hat, immer noch das Glücksspielgesetz braucht, um den Sport zu fördern.

Offen ist auch die Frage der künftigen Untergrenze für die Sportförderung. Ich bin mir heute noch nicht klar darüber, warum unser Initiativantrag zu diesem Thema im Nationalrat abgelehnt worden ist!

Die zweite Frage ist: Was wird man nach 1999 tun, wenn diese Bestimmungen wieder ausgelaufen sind? Geht dann das Feilschen wieder los, gibt es dann wieder ein Spiel der Mächtigen? – Leider wird die Verpolitisierung erhalten bleiben! Die Sportvereine werden wahrscheinlich auch in Zukunft gezwungen sein, sich wieder mit den Mächtigen von Rot und Schwarz zu arrangieren. Hoffentlich bleiben diejenigen nicht auf der Strecke, die das nicht tun!

Trotz dieser Kritikpunkte sind wir im Interesse des Sports und der Förderung des Sports dafür, daß gegen dieses Gesetz kein Einspruch erhoben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.25

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile ihm das Wort.

22.25

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Hoher Bundesrat! Mit der Übertragung der Anteilsrechte von AUA und Flughafen an die ÖIAG werden nun allmählich die Reste der politischen Fehler, die nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht wurden, beseitigt.


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Damals glaubte man, daß der Staat alles besser könne als private Unternehmer. Nach dem Scheitern dieser sozialdemokratischen Idee zeigen sich nun die Erfolge der Privatisierung, und es hat lange genug gedauert und viel Geld gekostet! Herr Minister! Sie werden das vermutlich auch nicht mehr wissen, nachdem Sie erst 18 Monate, wie Sie gerade sagten, im Amt sind! Aber glauben Sie mir: Ihre Vorgänger mußten sehr viel Geld für diese Irridee bezahlen. Ich möchte Ihnen auch sagen, daß es im Jahre 1995 Schüssel und Ditz waren, die das Budget der Sozialdemokraten in einer nächtlichen Verhandlungsrunde abgelehnt haben, weshalb es dann Neuwahlen gab. (Bundesrätin Schicker: Das Ergebnis kennen wir ja! – Bundesrat Konečny: Mit dem verdienten Resultat!)

Aus Staatsbetrieben mit veralteter Struktur und hohen Verlusten werden durch die Privatisierung moderne, investitionsfreudige Unternehmen, die Gewinne abwerfen und international konkurrenzfähig sind. Bedauerlich ist eigentlich nur, daß solche Privatisierungen erst nach Vorliegen von wirtschaftlichen Unregelmäßigkeiten oder schweren Verlusten durchgeführt werden, statt daß man prinzipiell alle Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand entzieht! Und das Prinzip "Privat ist besser als Staat" gilt natürlich auch für Länder und Gemeinden!

Die Übertragung von AUA und Flughafen an die ÖIAG bedeutet zwar noch keine Privatisierung, die bisherigen Erfolge der ÖIAG lassen aber erwarten, daß die Anteilsrechte des Bundes von AUA und Flughafen dort bestens verwaltet werden. Deshalb gibt die ÖVP der Übertragung dieser Anteilsrechte von AUA und Flughafen an die ÖIAG gerne ihre Zustimmung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

22.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Stefan Prähauser das Wort. – Bitte.

22.28

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Es steht mir nicht zu, gescheiter zu sein als jemand, der älter ist als ich, überhaupt wenn er so klug ist, einem Bundesminister zu unterstellen, daß er nicht wisse, was vor 18 Monaten geschehen ist. Daher möchte ich nur daran erinnern, daß Österreich in der Zweiten Republik in der Aufbauphase mit dem Durchziehen der Verstaatlichung, die den Wiederaufbau erst möglich gemacht hat, sehr gut gefahren ist.

Meine Damen und Herren! Allerdings meine ich, daß wir jetzt nicht in der Vergangenheit herumgraben sollten, sondern das tun müssen, was die Zukunft von uns erfordert. Ich erinnere an die letzten Privatisierungen, etwa die Privatisierung des Semperit-Werkes: Als letztlich klar war, was der neue Eigentümer damit vorhat, war das Heulen und das Wehgeschrei groß, und Bundeskanzler Vranitzky wurde als Bittsteller nach Deutschland geschickt. – Meine Damen und Herren! Wie das ausgegangen ist, wissen wir! Wir haben also nichts davon, wenn wir uns hier mit Redebeiträgen für oder wider befetzen! Unsere Aufgabe ist es vielmehr, das Beste für unser Land im wirtschaftlichen Bereich zu tun! Ich meine, daß diese Aufgabe bei der derzeit tätigen Bundesregierung unter der Führung von Bundeskanzler Klima und Finanzminister Edlinger in besten Händen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte nun ganz kurz auf das Glücksspielmonopolgesetz eingehen. Sie haben sicherlich auch den "Standard" gelesen, in welchem eine Schlagzeile lautete: "Österreicher sind EU-weit Spitze beim Lotto-Spielen". – Ich sage das bewußt, weil ich mit der Mär aufräumen möchte, daß die Österreicher nur Lotto oder Toto spielen, um dem Sport zu helfen. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß die Österreicher nicht Lotto oder Toto spielen, weil sie den Staat sanieren oder den Sport fördern wollen, sondern weil sie – frei nach Ossy Kollmann alias Herrn Straub – alles für möglich halten, auch daß sie Millionär werden könnten.

1 830 S pro Kopf an Toto-Beiträgen der Österreicher, das ist aus der Sicht des Finanzministers und derer, die mit Geld haushalten müssen, selbstverständlich sehr begrüßenswert. Sportwetten sind da gar nicht eingeschlossen.


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SPÖ und ÖVP haben im Nationalrat den Antrag auf Novellierung des Glücksspielgesetzes eingebracht. Die heute zu beschließende Novelle zum Glücksspielgesetz legt fest, daß mittels der Einnahmen, die damit gesetzlich abgesichert werden – soweit die Lotto- und Toto-Gesellschaft entsprechende Umsätze erzielt –, eine umfassende Sportförderung erfolgen soll. (Präsident Gerstl übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Sportförderung hat historisch einen langen Background; das haben wir schon gehört. Es hatte, als die Lotto-Gesellschaft gegründet wurde – als Neugründung von verschiedenen Formen, auch "6 aus 45" und so weiter –, seit dem Jahr 1949 eine spezifische, massive Förderung des Sports gegeben. Wir schaffen nun mit der vorliegenden Novelle für zwei Jahre eine besondere Ausgangslage, indem wir die Beträge an die Umsatzerlöse der Lotto-Gesellschaft binden. Man kann jetzt schon sagen: Wenn wir das Jahr 1998 auf die Basis der Erlöse aus 1997 stellen, dann werden wir im Jahr 1998 ein Höchstausmaß von 420 Millionen Schilling erreichen. Wenn die Entwicklung der Lotto-Toto-Gesellschaft so weitergeht wie in den ersten Monaten dieses Jahres, dann wird im Jahr 1999 ein Höchstausmaß von 440 Millionen Schilling erreichbar sein. Das heißt, was im Gesetz vorgesehen ist, wird im Höchstausmaß dem Sport zur Verfügung gestellt werden.

Ich denke, alle diejenigen, die dem Sport in Österreich einen hohen Stellenwert einräumen, können aus Überzeugung dieser Novelle zustimmen.

Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, daß uns jeder Schilling, der dafür investiert wird, daß Jugendliche Betätigung haben und Erwachsene Sport betreiben können, im Gesundheitsbereich sehr viel Geld erspart. Auch wer weiß, daß Behinderte, die in der Lage sind, Sport zu betreiben, Lebensmut fassen und sich als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft fühlen, kann dies meiner Ansicht nach nur unterstützen.

Hoher Bundesrat! Eine Zeitung hat vor kurzem berichtet, daß die besondere Sportförderung des Bundes angehoben wurde. Ich möchte dazu nur einen Satz anmerken, der über eine unabhängige Zeitung in die Presse kam: Es scheint also ein Glücksgriff gewesen zu sein, diese Koppelung vorzunehmen, statt der bisherigen Erhöhung, die an den Index gebunden war.

Diese Gesetzesnovelle sagt aus, daß für das heurige Jahr mindestens 380 oder aber 420 Millionen Schilling bereitstehen werden. Wir wissen aufgrund der jetzt vorliegenden Berechnungen, daß es letztlich der höhere Betrag sein wird.

Heute haben wir schon sehr viel über die Entwicklung dieses Gesetzes gehört. Ich möchte trotzdem sagen, daß seit dem Jahr 1949 7,6 Milliarden Schilling für den Sport zur Verfügung gestellt worden sind, davon allein 2,6 Milliarden Schilling für den österreichischen Fußball. Ich behaupte, das war kein Schilling zuwenig; jeder Schilling ist zu Recht ausgegeben und gut angelegt worden.

Selbstverständlich haben einzelne Sportverbände immer etwas zuwenig Geld. Ich war selbst langjähriger Finanzreferent des Österreichischen Ringerverbandes. Auch wir haben unter akuter Geldnot gelitten, aber letztlich haben wir das, was wir erreichen konnten, den Mitteln aus der Sportförderung zu verdanken gehabt.

Ich denke aber, daß auch andere aufgerufen sein müssen, in Zukunft dafür Sorge zu tragen, daß traditionell sogenannte Randsportgruppen in den Vordergrund kommen. Dafür hat zum Beispiel das Fernsehen einen Beitrag zu leisten. Es kann nicht so sein, daß gut Befreundete – sei es vom Trialsport oder anderen – zu einer guten Zeit 20 oder 30 Minuten ins Fernsehen kommen, hingegen andere Sportarten, die keinerlei andere Möglichkeiten haben, zu Geld zu kommen, dabei vergessen werden. Das geht so weit, daß Versprechen einfach nicht eingelöst werden. Ich denke, daß man auch in dieser Hinsicht noch einiges zum Wohle der einzelnen Sportbereiche tun kann.

Meiner Meinung nach besteht allerdings weiterhin ein kleiner Wermutstropfen darin, daß diese Regelung nur für zwei Jahre gilt. Ein weiterer Wermutstropfen ist, daß nach oben hin eine


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Deckelung bei 440 Millionen Schilling eingezogen wurde. Dafür habe ich als Sportfunktionär Verständnis, da selbstverständlich auch dem Herrn Finanzminister Grenzen gezogen sind.

Ich gehe davon aus, daß die Bereitschaft, die sowohl der Bundeskanzler in seiner Eigenschaft als Sportminister als auch der Finanzminister – er muß letztlich die Mittel zur Verfügung stellen –, der Finanzstaatssekretär sowie der Sportstaatssekretär gezeigt haben, andauern wird und daß wir diese zweijährige provisorische Lösung – als solche sehen wir sie – tatsächlich vom Jahr 2000 an in eine endgültige und daher auch längerfristige Lösung werden umsetzen können. Die bisherigen Gesprächen lassen diese optimistische Haltung gerechtfertigt erscheinen.

Die SPÖ wird in diesem Sinne und in diesem Geiste zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.34

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Mag. Walter Scherb. Ich erteile es ihm.

22.34

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Beim vorliegenden Gesetzentwurf über die Übertragung von Bundesbeteiligungen in das Eigentum der ÖIAG wissen die Regierungsparteien leider wieder einmal nicht, was sie wollen.

Das zeigt auch die Debatte hier im Haus. Während einerseits Nationalratsabgeordneter Mag. Kaufmann hervorhebt, daß es sich um keine Privatisierung handelt und auch nicht darum handeln soll, sondern daß die Verwaltung von Anteilsrechten Ziel dieser Übertragung sein soll, sieht andererseits Herr Kollege Dr. Stummvoll das primäre Ziel in der Privatisierung der AUA und des Flughafens. Da ist also die Privatisierung das Ziel und nicht die Anteilsverwaltung.

Wenn der ÖIAG durch den Eigentümer so ungenaue beziehungsweise divergierende Ziele vorgegeben werden, kann dabei – auch wenn die ÖIAG so gut sein sollte, wie immer behauptet wird – nichts Gescheites herauskommen. Es ist dies wieder eine der vielen bei der Regierung sehr beliebten Wischi-Waschi-Lösungen.

Bei Privatisierungen wurde in der Vergangenheit ohnehin leider nicht sehr viel Geschick bewiesen, wie der Steyr-Verkauf zeigt. Der Vorstand einer staatsnahen Bank, in deren Eigentum sich Steyr befand, bedauerte öffentlich, daß ein zweiter Kaufinteressent vorhanden war. Nachdem es dann durch den Druck der Freiheitlichen, vor allem durch Herrn Dr. Haider, zu einer öffentlichen Diskussion in dieser Angelegenheit gekommen war, wurde das ursprüngliche Kaufangebot in dem fast schon abgeschlossenen Geschäft nochmals um 500 Millionen Schilling erhöht.

Ich hoffe, daß es nicht auch die ÖIAG bedauert, wenn bei Privatisierungen, die sie durchführt, mehrere Kaufinteressenten auftreten.

Gemäß Artikel 2 § 1 dieses Gesetzes besteht die Möglichkeit, daß die ÖIAG im Falle einer Kapitalerhöhung ihre Bezugsrechte nicht wahrnimmt. Dadurch können die Anteile des Bundes unter 50 Prozent fallen. Aber, sehr geehrter Herr Kollege Jaud: Auch wenn der Bund nur 49 Prozent der Anteile an einem Unternehmen hält und der Rest gestreut ist, handelt es sich trotzdem noch um ein verstaatlichtes Unternehmen und keineswegs um eine erfolgreiche Privatisierung.

Von seiten der SPÖ wurde der ÖVP wieder einmal Sand in die Augen gestreut, indem ihr vorgemacht wurde, mit diesem Gesetz die aus ihrer Sicht notwendige Privatisierung erreichen zu können. Das Ziel der Kollegen Stummvoll und Jaud wird leider ein frommer Wunsch bleiben, und das bedauere ich. (Ruf bei der ÖVP: Das ist Ihr Problem!) Ja, aber Ihres auch!

Laut luftfahrtgesetzlichen Vorschriften sind mehr als 50 Prozent der AUA in österreichischer Hand zu halten. Das ist im Zeitalter eines gemeinsamen Europa, in dem wir uns angeblich befinden, auf seine Sinnhaftigkeit hin zu überprüfen und kritisch zu hinterfragen. Um diese 50-Prozent-Regelung einzuhalten, sollten die Anteile an der AUA im Falle einer Kapitalerhöhung von


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einem heimischen Konsortium übernommen werden. Es würde mich interessieren, wer das sein soll und wie diese Gruppe am Verkauf der AUA-Anteile ins Ausland gehindert werden soll.

Wir sind der Meinung, daß der Staat nur Aufgaben wahrnehmen sollte, die er besser durchführen kann als ein Privater. Im Falle von AUA und Flughafen Wien ist das sicherlich nicht der Fall. Das wird durch den Bauskandal bestätigt, in den der Flughafen Wien massiv verwickelt ist.

Die Regierung sollte auch bei diesem Gesetz der ÖIAG folgende klare Ziele vorgeben: einen strategisch bedeutenden Partner für Flughafen und AUA zu finden, eventuell eine Sperrminorität zu halten und möglichst hohe Privatisierungserlöse zu erzielen.

Diese Privatisierungserlöse sollten dann nicht zum Stopfen von Löchern verwendet werden, sondern diese Mittel sind zum Beispiel als Initialzündung für eine Steuerreform zu verwenden, die eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote in Österreich zum Ziel hat. Die Steuer- und Abgabenquote steigt in Österreich unaufhörlich und erreicht jetzt fast schon 45 Prozent.

Die Holländer haben ihre Abgabenquote um fast 5 Prozent gesenkt und dadurch die inländische Nachfrage angekurbelt. Dies hatte einen Wirtschaftsaufschwung zur Folge, wodurch die Arbeitslosigkeit reduziert und in weiterer Folge das Budgetdefizit gesenkt werden konnte. Denn durch den Wirtschaftsaufschwung sind einerseits die Steuereinnahmen wieder gestiegen, und andererseits mußten weniger Mittel zum Beispiel für die Arbeitslosenunterstützung aufgewendet werden.

Mit einer solchen Initialzündung könnte eine positive Spirale nach oben ausgelöst werden. Aber wir gehen in Österreich leider den entgegengesetzten Weg, indem neue Belastungspakete die Leute demotivieren und eine Spirale nach unten auslösen. – Da uns international, besonders innerhalb Europas, immer mehr Länder vormachen, wie es gehen kann, sollten auch wir im Sinne eines Benchmarking endlich davon lernen.

Da durch dieses Gesetz – wie gesagt – keine klaren Ziele vorgegeben werden, stimmen wir diesem Gesetzesantrag nicht zu.

In bezug auf die Novelle zum Hypothekenbank- und Pfandbriefgesetz hat mein Kollege Harring schon ausgeführt, daß diese Novelle sehr positiv ist, da die österreichischen Hypothekarunternehmen selbstverständlich gleiche Chancen wie ihre EU-Konkurrenten haben müssen, um im Wettbewerb bestehen zu können.

Auch der Novelle zum Garantiegesetz stimmen wir zu, weil der damit zu schaffende Haftungsrahmen in der Höhe von 10 Milliarden Schilling zur Risikokapitalbildung verwendet wird und dadurch kleine und mittlere Unternehmen die Möglichkeit haben, ausreichend Eigenkapital zu bilden. Das ist sicherlich sinnvoller, als komplizierte Förderungen zu vergeben, die oft nur jene Betriebe bekommen, die sie ohnehin nicht brauchen. Die Betriebe, die Förderungen brauchen, können meist aufgrund der sehr strengen Förderbedingungen keine Förderungen erhalten, und wenn nach langem Hin und Her doch ein Weg gefunden wird, dann kommt die Förderung meist zu spät. Wenn ein Unternehmen eine ausreichende Eigenkapitaldecke aufweist, kann es selbstverständlich viel schneller und effizienter auftreten und agieren.

Sehr geehrter Herr Minister! Mich interessiert in diesem Zusammenhang, wer darüber entscheidet, für welche Betriebe Haftungen übernommen werden, und wie im Budget für schlagend gewordene Haftungen vorgesorgt wird. Wenn man zu stark risikoavers agiert, werden wiederum nur jene Unternehmungen in die Gunst dieser Unterstützung kommen, die sie ohnehin nicht so dringend benötigen. Man muß sicherlich auch in Kauf nehmen, daß Haftungen schlagend werden.

Dem Glücksspielgesetz stimmen wir ebenfalls zu, wenngleich wir es nicht hinnehmen wollen, daß der Mindestbetrag, der der Sportförderung zugute kommt, zunächst auf 380 Millionen und im Jahr 1999 sogar auf 360 Millionen Schilling sinken soll. Wenn es ohnehin äußerst unwahrscheinlich ist, daß diese Mindestbeträge zum Tragen kommen, könnte man gleich die bisher ausgezahlten 400 Millionen beziehungsweise 420 Millionen Schilling als Untergrenze ansetzen.


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Daß die Verwendung dieser Mittel viel effizienter sein könnte, wenn der politische Proporz zwischen Union und ASKÖ nicht vorhanden wäre, habe ich in der Debatte über den Sportbericht bereits ausgeführt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.43

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Minister.

22.43

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte ein paar Bemerkungen anfügen.

Herr Bundesrat Harring! In bezug auf das Hypothekenbankgesetz handelt es sich um einen Irrtum, wenn Sie meinen, die Schweiz sei nicht dabei. Die Schweiz ist dabei, aber sie mußte in dem Gesetz extra erwähnt werden, weil sie bekanntlich nicht Mitglied des EWR ist. Weil die Schweiz dabei sein soll, ist sie im Gesetz angeführt. Ist das damit ausgeräumt? (Bundesrat Dr. Harring: Ich habe das schon gesehen!)  – Danke.

Zweitens möchte ich zur Sportförderung folgendes sagen: Es gab darüber lange Diskussionen und Verhandlungen, auch mit den Sportverbänden. Ich möchte nur die Frage beantworten, die gestellt worden ist: Was geschieht nach dem Jahr 2000?

Es lag nicht nur im Interesse des Finanzministers, zwei Jahre lang zu beobachten, wie sich Lotto-Toto entwickelt, sondern die Sportverbände wollten dasselbe aus der umgekehrten Betrachtungsperspektive. Denn in der Tat war, als wir darüber verhandelten, nicht klar, wie sich der zusätzliche Lotto-Tag – der Mittwoch – auswirken würde. Verhandelt wurde vor dessen Einführung, und damals war die Entwicklung nicht absehbar. Es stand in Frage, ob es zu einer überproportionalen Steigerung kommen würde oder nicht.

Daher wurden die Beschlüsse nur für die Jahre 1998 und 1999 als Provisorium im Ausmaß von 3 Prozent gefaßt. Wir wissen auf beiden Seiten, in welcher Weise wir die Förderungsvolumina entwickeln wollen, und werden das Ausmaß nach den Erfahrungen der Jahre 1998 und 1999 für das Jahr 2000 nach diesem Prinzip – aber auch, um die entsprechende Förderungshöhe gewährleisten zu können – an den Erträgen anbinden und dann endgültig klären.

Drittens zur AUA und zum Flughafen: Da bestehen meiner Ansicht nach eine Reihe von Mißverständnissen, sowohl bei Herrn Bundesrat Scherb als auch bei Herrn Bundesrat Jaud. Zunächst ist zu sagen, daß der Auftrag, den die ÖIAG im Zusammenhang mit dem Flughafen und der AUA erhalten hat, eindeutig und klar definiert ist. Er besteht darin, daß sie in die Funktion einer Beteiligungsgesellschaft – also, wenn Sie so wollen, des Kernaktionärs – zu treten hat, und sie hat dezidiert keinen Auftrag, zu veräußern. Denn es ist nicht so, daß der Staat grundsätzlich in allen Bereichen wirtschaftlichen Handelns schlecht ist.

Ich möchte sagen – damit schließe ich die Antwort an Herrn Bundesrat Jaud ein –, daß gerade bei den Flughäfen und der AUA meine konzeptive Überlegung eigentlich eine darüber hinausgehende war. Sie bestand darin, auch die Bundesanteile an den Flughäfen der Bundesländer an die ÖIAG zu übertragen. Gemäß den Beschlüssen des zweiten Privatisierungskonzeptes der ÖIAG vom Februar 1997 ist zu dem gesetzlichen Auftrag der ÖIAG, Privatisierungsgesellschaft zu sein, die Aufgabe hinzugekommen, als Kernaktionär zu fungieren. Denn in der Zwischenzeit weiß man, daß es sehr gefährlich sein kann, in wesentlichen Bereichen der österreichischen Wirtschaft – vor allem dort, wo man einen Börsegang vorhat oder schon über die Bühne gebracht hat – die Funktion des Kernaktionärs faktisch auf dem Präsentierteller für feindliche Übernahmen großer Gesellschaften darzubieten, deren Interessen dort sind und deren Mittelpunkt der Lebensinteressen dort ist, wo der Sitz der Muttergesellschaft ist. Dem ist vorzubeugen.

Ich denke, wir sind uns auch darüber einig – Diskussionen darüber höre ich immer wieder –, daß etwa der Bereich Forschung und Entwicklung in Österreich unterentwickelt ist. Man vergißt aber dabei, daß im Unterschied zu allen anderen EU-Staaten – dort beträgt der Bereich der pri


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vaten Forschung ungefähr 50 Prozent und jener der öffentlichen Forschung ebenfalls 50 Prozent – in Österreich die öffentliche Forschung 60 Prozent und die private 40 Prozent ausmachen.

Man muß sich die Frage nach dem Grund dafür stellen. Sind die österreichischen Unternehmer daran nicht interessiert, oder woran liegt es sonst? – Es liegt daran, daß in Österreich überproportional viele Tochterfirmen von Unternehmungen tätig sind, deren Zentralen anderswo sitzen. Die Forschungs- und Entwicklungszentralen befinden sich aber in der Regel dort, wo auch das Hauptinteresse des Unternehmens liegt.

Daher ist es besonders wichtig, daß wir die ÖIAG schrittweise in die Funktion des österreichischen Kernaktionärs bringen, um sicherzustellen, daß österreichische Interessen in österreichischen Unternehmungen aufrechterhalten werden. Das hat nichts mit Chauvinismus zu tun, sondern dem liegt das Gebot der Zweckmäßigkeit zugrunde. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen, Herr Bundesrat! Denn ich habe mich in der Tat sehr darüber geärgert, daß es mir nicht gelungen ist, die Anteile der Flughäfen der Bundesländer ebenfalls der ÖIAG zu übertragen. Gescheitert ist dies am absoluten Widerstand der Bundesländer und der Gemeinden. Es handelt sich dabei um die Steiermark, um Salzburg, um Tirol, und es handelt sich um Klagenfurt.

Wissen Sie, warum sie abgelehnt haben? – Einfach deshalb, weil sie befürchtet haben, daß der sozialdemokratische Finanzminister verkauft. Dagegen haben die Lokalpolitiker Ihrer Partei so wie ich ein durchaus legitimes Interesse, daß die Flughäfen mehrheitlich und in bezug auf die Verfügungsgewalt im öffentlichen Eigentum bleiben. Ich hätte auch überhaupt keine Absicht gehabt, zu verkaufen, weil es wirklich keinen Sinn hat, in so wichtigen Infrastruktureinrichtungen möglicherweise so springen zu müssen, wie irgendein Privater es möchte.

Ich hoffe aber, daß die Bundesländer früher oder später die gute Arbeit, die die ÖIAG als Kernaktionär und als Shareholder leistet, akzeptieren werden, sodaß ich auch jene Forderungen, die ich immer wieder im Parlament höre, nämlich Schritte zur Verwaltungsvereinfachung zu setzen – Beteiligungsverwaltung, direkt vom Ministerium wahrgenommen, ist personalaufwendig –, einlösen kann und daß diese Zielsetzung, die von allen Parteien immer wieder an mich herangetragen wird, nicht am Widerstand der Bundesländer scheitert. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

22.50

Präsident Alfred Gerstl: Wünscht noch jemand das Wort. – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung das Wort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Übertragung der Bundesbeteiligung in das Eigentum der ÖIAG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


Bundesrat
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Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hypothekenbankgesetz und das Pfandbriefgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist einstimmig.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Garantiegesetz 1977 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist einstimmig.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist einstimmig.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

19. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschafts- und Schenkungssteuern (665 und 1246/NR sowie 5700/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zum Punkt 19 der Tagesordnung: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschafts- und Schenkungssteuern.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Josef Rauchenberger übernommen.

Berichterstatter Josef Rauchenberger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Bericht liegt schriftlich vor.

Der gegenständliche Staatsvertrag ist gesetzändernd, enthält aber keine verfassungsändernden beziehungsweise verfassungsergänzenden Bestimmungen. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.


Bundesrat
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Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ich unterbreche nun die Sitzung bis 3. Juli 1998 – das ist morgen –, 9 Uhr.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird am 2. Juli 1998 um 22.55 Uhr unterbrochen und am 3. Juli 1998 um 9.01 Uhr wiederaufgenommen. )


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 130

Präsident Alfred Gerstl:
Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

20. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 – WKG) (1155 und 1267/NR sowie 5701/BR der Beilagen)

21. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird (1154 und 1263/NR sowie 5723 und 5702/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zu den Punkten 20 und 21 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 – WKG) und

ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird.

Die Berichterstattung über Punkt 20 hat Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Mag. Harald Himmer: Hohes Haus! Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Kammer der gewerblichen Wirtschaft, Wirtschaftskammergesetz 1998.

Der Bericht des Wirtschaftsausschusses liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. den im § 68 Abs. 1 und § 150 Abs. 2 des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates enthaltenen Verfassungsbestimmungen im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Die Berichterstattung über Punkt 21 hat Herr Bundesrat Wolfgang Hager übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Wolfgang Hager: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird.

Der Bericht liegt ebenfalls schriftlich vor.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. den in Ziffer 1 § 10 Abs. 2 Z 1, in Ziffer 2 § 17a Abs. 3 sowie in Ziffer 50 § 100 Abs. 8 enthaltenen Verfassungsbestimmungen im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Danke. Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile ihm dieses.

9.05

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es ist nicht nur symptomatisch, daß beide Materien gemeinsam beraten werden, sondern es ist, wie ich meine, auch inhaltlich und ideologisch völlig klar, daß beide Materien gemeinsam abgehandelt werden. In Wahrheit sind das Wirtschaftskammergesetz einerseits und das Arbeiterkammergesetz andererseits vorweg einmal nichts anderes als der Preis der Koalitionäre, um sich in ihren Bereichen – die ÖVP im Bereich der Wirtschaft und die SPÖ im Bereich der Arbeitnehmer – die Rechtsgrundlagen für ihre Kammern zu sichern.

Meine Damen und Herren! Die vorliegende Änderung des Arbeiterkammergesetzes ist also nichts anderes als das Gegenstück und der Preis der ÖVP für das Wirtschaftskammergesetz, das nun mit zur Beratung und zur Diskussion steht.

Das ist deshalb, meine Damen und Herren, nicht unbedingt ein Ruhmesblatt der Standesvertretungen, sondern viel eher ein politischer Deal. Interessant, meine Damen und Herren, ist in diesem Zusammenhang für mich die Position des ÖAAB, der FCG, denn diese haben sich nach meinem Dafürhalten in diesen Bereichen mehr als abgemeldet. Allein die Tatsache, daß noch vor kurzer Zeit die Lohnverhandlungen für die Beamten vom Landwirtschaftsminister abgehandelt wurden, ist ein weiteres Indiz dafür.

Tatsache ist, daß in den noch SPÖ-dominierten Betrieben – ich sage bewußt: noch SPÖ-dominierten Betrieben – die Wahlzeit aufgrund dieses Gesetzes in Hinkunft ausgedehnt werden kann. Oder, anders formuliert: Es wird in den SPÖ-dominierten Betrieben so lange gewählt werden, bis es den Parteifunktionären gelingt, alle ihre Parteigänger zur Urne zu treiben und zur Urne zu bringen. – Dies, meine Damen und Herren, erregt – nach meiner Ansicht verwunderlicherweise – beim ÖAAB, bei der Fraktion Christlicher Gewerkschafter keinen Widerspruch. Das ist ein weiterer Beweis dafür, daß der ÖAAB als Arbeitnehmervertreter bereits aufgegeben hat.

Wie gesagt, die ersten Auflösungstendenzen waren bei den Lohnverhandlungen für die Beamten erkennbar.

Meine Damen und Herren! Es könnte aber auch eine andere Ursache geben. Vielleicht ist der ÖAAB dazu verpflichtet worden, zu diesem Gesetz zu schweigen – zu schweigen deshalb, weil der Wirtschaftsbund auf der anderen Seite sonst sein sogenanntes Existenzsicherungsgesetz,


Bundesrat
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das Wirtschaftskammergesetz, nicht durchgebracht hätte. Der Parteienproporz feiert aufgrund dieser Tatsache wieder fröhliche Urständ! (Zwischenruf des Bundesrates Vindl. )

Herr Kollege Vindl! Der Rechnungshof ist unverdächtig, die Landesregierungen, das Bundesministerium für Inneres und viele andere haben gegen dieses Arbeiterkammergesetz Bedenken in der Hinsicht, daß aufgrund der Gesetzesvorlage das geheime und persönliche Wahlrecht nicht immer gewährleistet sein wird.

Obwohl Unverdächtige wie der Rechnungshof, die Landesregierungen und das Bundesministerium für Inneres dies in Stellungnahmen kundgetan haben, sind Sie entschlossen, die Stellungnahmen zu ignorieren und wollen ohne Wenn und Aber dieses Arbeiterkammergesetz in der vorliegenden Form beschließen. Die Ausübung des Wahlrechtes wird per Gesetz eingeschränkt.

Meine Damen und Herren! Selbst der Hauptverband der Sozialversicherten sieht in diesem vorliegenden Entwurf Probleme, da aufgrund der Fluktuationen auf dem Arbeitsmarkt die vom Verband gelieferten Daten nicht aktuell und vollständig sein können. Die Tatsache, daß es aufgrund dieses Gesetzes bei der Ausübung des Wahlrechtes Probleme geben wird, wird sich natürlich in Hinkunft in einer "negativen Wahlbeteiligung" niederschlagen.

Die Verlagerung der Wahllokale in Betriebe bedarf in Hinkunft der Zustimmung der Betriebsinhaber. Meine Damen und Herren! Sehen Sie es doch realistisch: Sollte ein Betriebsinhaber die Zustimmung verweigern, dann muß ich sagen: Zeigen Sie mir jenen Arbeitnehmer, der aufgrund dieses Umstandes sein Wahlrecht ausüben kann. – Meine Damen und Herren! Jene Arbeitnehmerin oder jener Arbeitnehmer, die oder der es trotzdem machen wird, hat dann aufgrund dieses Gesetzes selbstverständlich die beruflichen Konsequenzen zu ertragen.

Niemand wird als Arbeitnehmer in Zeiten wie diesen, in denen eine radikale Verdrängung auf dem Arbeitsmarkt stattfindet, seine Position selbst gefährden. Meine Damen und Herren! Seien Sie sich dessen bewußt: Was helfen Arbeitnehmerrechte, wenn die Betroffenen dadurch keinen Arbeitsplatz und keine Arbeit mehr haben?

Unabhängig davon, meine Damen und Herren, ist folgendes zu sagen: Die große Gruppe der nicht registrierten arbeitslosen Arbeitnehmer hat aufgrund dieses vorliegenden Entwurfes kein Wahlrecht mehr und verliert damit ihre Vertretung. Das bedeutet wiederum, meine Damen und Herren, daß mit diesem Gesetz eine Zwei- oder Mehr-Klassen-Gesellschaft im Arbeitnehmerbereich geschaffen wird.

Sogar das Bundesministerium für Inneres hat diesbezüglich Bedenken angemeldet und kritisiert, daß bei einer strikten Auslegung der Wortinterpretationen bei den wahlrechtlichen Normen verfassungsmäßige Bedenken gegeben sind. Meine Damen und Herren! Allein die Verdreifachung der Unterstützungsunterschriften für eine Kandidatur läßt kleineren Gruppen in Hinkunft keine Chance mehr. Das erinnert mich an obsolete Staatssysteme und -formen im Osten, die im weitesten Sinne mit diesem Gesetz legitimiert werden sollen.

Ebenso wird es beim Zugang zu wahlrelevanten Daten Probleme geben. Aufgrund dieses Gesetzes wird eine parteiliche Vorgangsweise möglich sein, und schon aus diesem Grund ist der vorliegende Entwurf abzulehnen.

In Summe ist es ein Proporzgesetz – mit dem Ziel, der SPÖ den Arbeiterkammerbereich abzusichern und im Gegenzug der ÖVP die Wirtschaftskammer zu übereignen, damit Proporz und Privilegien wiederum fröhliche Urständ feiern können. Den Betroffenen, meine Damen und Herren, den fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, wird eine effiziente, engagierte Interessenvertretung vorenthalten, der Bevölkerung wird insgesamt der Glaube an den Rechtsstaat und die entsprechenden und notwendigen Einrichtungen genommen.

Für eine derartige Fehlentscheidung, für eine derartige Fehlentwicklung sind wir, die freiheitliche Fraktion, nicht zu haben. Wir werden daher die Zustimmung verweigern. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.13


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 132

Präsident Alfred Gerstl:
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile ihm dieses.

9.13

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir war natürlich klar, daß mein Vorredner ein sehr eingeengtes Blickfeld in Richtung Kammern entwickelt, und ich habe mir eigentlich von der Freiheitlichen Partei zu diesem Gesetz auch nichts anderes erwartet. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. ) – Ich werde dann noch im Detail darauf zurückkommen.

Ich werde mich naturgemäß mit dem Wirtschaftskammergesetz beschäftigen. Der vorliegende Gesetzentwurf löst das aus dem Jahr 1946 stammende Handelskammergesetz, das seit seinem Bestehen nicht weniger als elfmal novelliert wurde, ab. Mit dem neuen Wirtschaftskammergesetz ist keine Existenzsicherung des Wirtschaftsbundes geplant, sondern es soll damit eine neue und übersichtliche gesetzliche Grundlage für die Interessenvertretung der österreichischen Wirtschaft geschaffen werden.

Meine Damen und Herren! Die erfolgreiche Entwicklung unserer Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg beruht in erster Linie auf dem Fleiß der Österreicherinnen und Österreicher und der Betriebe, die risikobereit sind und waren und sich auch im Ausland präsentiert haben. Ihnen ist zu danken. Diese Entwicklung ist aber auch darauf zurückzuführen, daß in unserem Land stabile politische Verhältnisse herrschen, daß wir ein festgefügtes Kammersystem haben und daß die Sozialpartnerschaft funktioniert.

Erlauben Sie mir, einige grundsätzliche Bemerkungen zu unserem Kammersystem zu machen. Die Kammern sind in Österreich seit Jahrzehnten Bestandteil des politischen Systems, der politischen Kultur, und wir sind damit gut gefahren. Die Sozialpartnerschaft ist die große Errungenschaft der Zweiten Republik.

Von den Freiheitlichen wird immer von der Zwangsmitgliedschaft in den Kammern gesprochen. Sie haben anscheinend übersehen, daß es vor drei Jahren Urabstimmungen im Kammersystem gegeben hat. Anhand der Tatsache, daß 82,3 Prozent zugestimmt haben, ein eindeutiges Ja abgegeben haben – es wurde auch ein eindeutiges Ja zu den anderen Kammern, zur Arbeiterkammer, zur Landwirtschaftskammer abgegeben –, sieht man, welch enormen Rückhalt dieses Kammersystem hat. (Bundesrat Weilharter: Mit welcher Fragestellung?) – Sie wollen es nicht zur Kenntnis nehmen, ich weiß es. Sie wollen das Ganze ignorieren, Kollegen! (Bundesrat Dr. Böhm: Daß es überhaupt eine gibt! Nicht eine Zwangsmitgliedschaft!)

Sie sprechen von einer Zwangsmitgliedschaft, Herr Kollege! Herr Universitätsprofessor! Ich glaube, Sie wissen, wie das ist, wenn man Mitglied einer öffentlichen Körperschaft ist. Wir alle sind Österreicher, wir sind in einem Bundesland zu Hause, wir sind in einer Gemeinde zu Hause – auch überall dort sind wir Zwangsmitglieder! Ich denke, Sie können nicht solch einen Begriff heranziehen! (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist etwas anderes!) – Wir sind dort Mitglieder, ob wir wollen oder nicht! (Bundesrat Weilharter: Der Vergleich hinkt!)

Herr Kollege Böhm! Sie wissen ganz genau, daß das Kammersystem im Jahr 1849 als Ergebnis der März-Revolution, also unter dem Einfluß des Liberalismus, dem Einfluß der Französischen Revolution, geschaffen wurde. Unser damals erstes Kammergesetz hat bereits zwei wesentliche Elemente enthalten: eine obligatorische Mitgliedschaft und den Interessenausgleich.

Das erste Kammergesetz wurde vor 130 Jahren, im Jahr 1868, geschaffen, und es war damals schon die Intention des Gesetzgebers, daß er einerseits einen starken Verhandlungspartner der Wirtschaft haben wollte und daß andererseits schon damals die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen versucht haben, im Rahmen der Selbstverwaltung ihre Interessen zu organisieren, als Bollwerk und als Sprachrohr gegenüber dem Staat, um mit einer Stimme aufzutreten.


Bundesrat
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Meine Damen und Herren! Der Wegfall des Kammersystems würde also nicht weniger Bürokratie, sondern mehr Bürokratie und mehr Staat bedeuten, weil viele Aufgaben, die heute die Kammern übernommen haben, dann vom Gesetzgeber, vom Staat, ausgeübt werden müßten.

Das vorliegende Gesetz basiert auf einer seit 50 Jahren gewachsenen und letztendlich bewährten Struktur. Wir haben diese in dem Gesetz nicht verändert, sondern wir haben versucht, die Organisation dieser Kammer flexibler, anpassungsfähiger und schlanker zu machen und damit auch die Kosten zu optimieren. Damit wären die Voraussetzungen für eine moderne und schlagkräftige Interessenvertretung geschaffen, welche die Wirtschaft gerade in der heutigen Zeit, einer Zeit massiver Veränderungen, dringend braucht.

Wir haben bewußt auf die gesetzliche Mitgliedschaft gesetzt, weil wir, Kollege Weilharter, keine Trittbrettfahrer brauchen. Es kann nicht sein, daß die einen die Kollektivverträge abschließen, daß die einen die Interessen vertreten und die anderen nur mitfahren.

Wenn man sich anschaut, was die freien Verbände kosten, so kann man sagen: Das heutige Kammersystem ist bei weitem günstiger.

Wir sind auch für die Beibehaltung der einzelnen Fachorganisationen, weil sie die unmittelbarste Betreuung der Mitglieder darstellen und weil uns bewußt ist, daß wir nur dort Fachorganisationen organisieren und aufrechterhalten können, wo auch die finanzielle Bedeckung möglich ist.

Da im Ausschuß – es wird heute sicher auch noch angesprochen werden – von den Freiheitlichen immer die Diskussion um die Mehrfachmitgliedschaften angeschnitten wurde, ist zu sagen, daß das Hauptproblem eigentlich die Zuordnung ist. Wenn jemand ein Gastwirt ist, eine Taxikonzession hat oder Fleischer ist, dann stellt sich die Frage, wo ich ihn einordne. (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. ) – Kollegin! Sagen Sie mir, wo ich ihn zuordnen soll, wo der wirtschaftliche Schwerpunkt in dem Bereich ist.

Sie haben sicherlich übersehen, daß durch die Ausdehnung der Nebenrechte – das wurde auch bereits im Ausschuß erwähnt – gerade dieser Kritikpunkt weitgehend entschärft wurde.

Wir haben versucht, in der Kammer Bürokratie abzubauen. Wir haben weniger Organe; es sind die Sektionstage, die Fachverbandstage weggefallen; wir haben schlankere Ausschüsse. (Bundesrat Dr. Tremmel: Da müßte die Umlage auch billiger werden! Wird sie auch billiger?)

Das Wahlrecht wurde auch erwähnt. Herr Kollege! Ich glaube, wir haben ein sehr demokratisches Wahlrecht. Wir haben die Wahlen auf der untersten Ebene aufrechterhalten. Jedes Kammermitglied kann wählen. Nur haben wir jetzt etwas geändert: Wir haben über die Wahlen in den Sektionsleitungen, in den Fachverbänden eine Hochrechnung gemacht. (Bundesrat Weilharter: Auch das passive Wahlrecht?) – Was heißt: das passive Wahlrecht? – Wir haben das passive Wahlrecht in keiner Weise geändert. Wo haben wir es denn geändert? (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. )

Eines ist eigenartig: Sie treten sonst gegen die Ausländer auf, und auf einmal regen Sie sich auf, daß Ihrer Meinung nach die Ausländer kein passives Wahlrecht haben. Das stimmt nicht! Diese Frage ist im Ausschuß auch gestellt worden. Das passive Wahlrecht haben alle EU-Mitglieder und auch die Staatsbürger aus Ländern, gegenüber denen Gegenseitigkeit besteht.

Das heißt, wenn ein Österreicher in Amerika die Chance hat, in eine Kammer gewählt zu werden, dann hat auch ein Amerikaner in Österreich diese Möglichkeit. Diese Gegenseitigkeit ist im Gesetz verankert, daher ist die passive Wahlrechtsmöglichkeit ausreichend definiert und verankert. (Bundesrat Dr. Tremmel: Gibt es in Amerika auch eine Zwangsmitgliedschaft?)

Sie haben auch die Minderheitsrechte angeschnitten. Natürlich haben wir die Minderheitsrechte verankert, wir haben sie in den Bezirksstellen sogar ausgedehnt. In jeder Bezirksstelle sitzt künftig ein Vertreter der Minderheiten.


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Leider ist meine Redezeit schon zu Ende, denn ich wollte noch auf etwas hinweisen. Die Freiheitlichen stellen sich immer so tugendhaft dar. Ich frage Sie: Haben Sie übersehen, was in den letzten Monaten in Niederösterreich passiert ist? – Ein Großteil der Akteure der Freiheitlichen Partei kam aus dem Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. )

Sechs Mitglieder des RFW-Vorstandes sind dabei involviert, sechs Kammerräte sind involviert. Und Herr Schimanek regt sich auf, weil Herr Girschik Schwarzarbeiter beschäftigt! Dies ist sicherlich nicht akzeptabel, aber er versucht, das mit dem Fehlverhalten von Rosenstingl gleichzusetzen, welches verbrecherisch ist. Schimanek will dies mit einer Verwaltungsstrafe gleichsetzen.

Kehren Sie vor der eigenen Tür, Herr Kollege! Rosenstingl ist Kammerrat, Herr Löscher, Ihr Stellvertreter vom RFW, hat mitunterschrieben. Sie haben Presseförderungsmittel zweimal verpfändet. Herr Löscher ist zusätzlich zu einer Bank gegangen, hat die Bestätigung der Kammer vorgelegt und dafür Kredite bekommen und genommen. Das sind Ihre ehrlichen Vertreter, die "Anständigen" und "Tüchtigen", die Sie immer wieder erwähnen! Herr Kollege! Kehren Sie vor der eigenen Tür, bevor Sie anderen Ratschläge erteilen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich komme zum Schluß. Ich möchte mich vorerst einmal bei den Beamten des Ministeriums, die heute hier sitzen, bedanken. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, daß wir ein neues Kammergesetz zustande gebracht haben. Dieses Kammergesetz sichert die Autonomie der Kammern und verhindert eine Zerschlagung der Kammern, wie sie die Freiheitlichen immer wollen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Mit dieser Neufassung nicht nur des Arbeiterkammergesetzes, sondern auch des Wirtschaftskammergesetzes wird die Sozialpartnerschaft entsprechend gestärkt und abgesichert, was wir gerade heute im Zusammenhang mit dem sozialen Dialog in der EU dringend brauchen. Es kann nicht sein, daß nur die Vertreter der Großindustrie und Großbetriebe dort verhandeln, sondern wir müssen auch darauf schauen, daß die Interessen der Klein- und Mittelbetriebe in diesen sozialen Dialog eingebunden werden. Daher ist es enorm wichtig, daß die Sozialpartner ihre Kammergesetze auf eine neue Basis stellen. – Meine Fraktion wird beiden Gesetzen gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

9.25

Präsident Alfred Gerstl : Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. – Bitte.

9.25

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Daß die Kammern in Österreich als gesetzliche Interessenvertretung eine wichtige Funktion erfüllen, kann man von den Mitgliedern täglich und persönlich hören, wenn sie in den Kammern Rat suchen. In Wien waren es allein im Jahr 1997 über 92 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich in den verschiedensten Fragen an die Arbeiterkammer Wien gewandt haben. Die letzten Jahre zeigen uns auch, daß vor allem in Fragen bezüglich Arbeitsrecht und Sozialrecht vermehrt die Unterstützung der Arbeiterkammern gesucht wird.

Daß die FPÖ und im besonderen Kollege Weilharter mit den Arbeiterkammern Probleme hat, kann ich verstehen, weil ich den Eindruck habe, daß die Freiheitliche Partei seit dem Jahre 1996, seit der Mitgliederbefragung, stehend k. o. ist. Ich kann Ihnen aber aufgrund meiner Erfahrung versichern, daß es sehr viele Kammerräte auch Ihrer Partei gibt, die gerne und aktiv in den Arbeiterkammern mitarbeiten. Sie haben nur ein Problem, nämlich dort für die Politik ihres Vorsitzenden Haider Mehrheiten zu finden.

Ich möchte Ihnen auch am Rande mitteilen, daß Beamte weder Mitglieder der Wirtschaftskammer noch der Arbeiterkammer sind und daß ihre Gehaltsregelungen mit einem Gesetz hier in diesem Haus beschlossen werden. Auf Ihre kritische Anmerkung, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, daß vermehrt versucht wird, die Arbeiterkammerwahlen in den Betrieben


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durchzuführen, darf ich Ihnen sagen, daß das im beiderseitigen Interesse ist, im Interesse der Arbeitnehmer und auch im Interesse der Arbeitgeber, weil dadurch, daß die Wahlen am Betriebsstandort stattfinden, sehr viel weniger Produktionszeiten ausfallen.

Es ist auch falsch, was Sie hier behauptet haben: daß die Arbeitslosen das Wahlrecht durch diese Novellierung verlieren würden oder verloren haben. Kollege Kaufmann hat schon gesagt, daß die Arbeiterkammern und alle anderen Kammern eine sehr wichtige innenpolitische Aufgabe haben – vor allem in der Wirtschaftspolitik, in der Sozialpolitik, in der Bildungspolitik und in der Konsumentenschutzpolitik.

Ich habe es schon erwähnt, die Mitgliederbefragung hat sehr deutlich und eindeutig gezeigt – über dieses Ergebnis können sich auch die Damen und Herren von der FPÖ nicht hinwegsetzen –, daß die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr wohl wissen, welch wichtige Bedeutung die Kammern in Österreichs Wirtschafts- und Sozialpolitik für sie haben.

Beide Ergebnisse – sowohl betreffend Wirtschaftskammer als auch betreffend Arbeiterkammer – haben ein sehr überzeugendes Votum für das Weiterbestehen der Kammern gebracht. Die Arbeitnehmer haben österreichweit deutlich entschieden, daß es auch Sinn macht, neben den freiwilligen Interessenvertretungen wie dem ÖGB und seinen Gewerkschaften weiterhin eine Arbeiterkammer zu haben, und sie legen sehr großen Wert darauf, daß diese beiden in ihrem Interesse sehr eng zusammenarbeiten. Sie wollen von diesen beiden vertreten werden.

Die Novellierung des Arbeiterkammergesetzes beinhaltet einen weiteren wesentlichen Aspekt. In der Mitgliederbefragung wurde von den verantwortlichen Funktionärinnen und Funktionären gesagt, daß es wichtig ist, die Arbeiterkammern näher zu den Mitgliedern zu bringen. Dieses Versprechen, das bei der Mitgliederbefragung von den Verantwortlichen gegeben wurde, wurde verwirklicht, und das zentrale Motto "Näher zum Mitglied" wurde schon bei dieser Novellierung umgesetzt.

Mit dem vorliegenden Text der Novellen wurden beim Wahlrecht für die Vollversammlungen der einzelnen Kammern sehr viele Wünsche der Mitglieder verwirklicht. Ich habe schon die Wahlen vor Ort in den Betrieben erwähnt und auch begründet. Darüber hinaus besteht weiterhin die Möglichkeit für jene wahlberechtigten Kolleginnen und Kollegen, die nicht im Betrieb wählen können, daß sie auf ihrem Gemeindeamt ihre Stimme abgeben können. Nur die Hauptwahlbehörde kann mit einem Zweidrittelmehrheitsbeschluß von der Errichtung eines Gemeindewahllokales Abstand nehmen.

Das heißt also, bei den nächsten Kammerwahlen – sie werden frühestens im Herbst 1999 und spätestens im Jahr 2000 stattfinden – wird es zum ersten Mal – für spezielle Situationen – die Möglichkeit geben, vom Briefwahlrecht Gebrauch zu machen. Ich glaube, daß diese neue Ergänzung des bestehenden Wahlrechtes dazu führen wird, daß auch jene Kolleginnen und Kollegen, die weder am Betriebsstandort noch in ihrer Gemeinde wählen können, die Möglichkeit haben, ihre Stimme abzugeben.

Die Arbeiterkammerwahlen müssen nicht mehr in allen neun Bundesländern gleichzeitig stattfinden, aber nach wie vor beträgt die Dauer der Funktionsperiode fünf Jahre. Der Fristenlauf beginnt mit der Konstituierung der Vollversammlung. Der Wahlzeitraum beginnt mit dem ersten Montag im Oktober des Wahljahres und dauert – diesen einschließend – bis zum darauffolgenden Sonntag. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vorstand jeder Länderkammer kann aber diesen Wahlzeitraum verlängern, verkürzen oder einen anderen Wahlzeitraum bestimmen. Dieser Zeitraum muß aber mindestens zwei Tage umspannen – so wie in der Vergangenheit, da war es immer Sonntag und Montag – und kann nun höchstens auf drei Wochen erstreckt werden. Auch diese Ausdehnung fand keinen Gefallen bei Kollegen Weilharter, obwohl sie es ermöglicht, vom Wahlrecht intensiver Gebrauch zu machen.

Wesentlich ist auch, daß das Wahlalter auf 15 Jahre gesenkt wurde. Das bedeutet, daß bei der nächsten Arbeiterkammerwahl auch Lehrlinge wählen können, die bisher vom aktiven Wahlrecht ausgeschlossen gewesen sind. Aber auch das Alter für das passive Wahlrecht, Kollege


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Dr. Königshofer, wurde gesenkt. Mußte man bisher 21 Jahre alt sein, um kandidieren zu können, sind jetzt nur mehr 19 Lebensjahre notwendig, um sich einer Wahl stellen zu können. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. )

Ich erwähne aber trotzdem, daß es auch einen Wermutstropfen für die Sozialdemokratie und insbesondere für die sozialdemokratischen Gewerkschafter gibt. Dieser liegt darin, daß es kein passives Wahlrecht für unsere ausländischen Kolleginnen und Kollegen gibt, die nicht aus dem EU- oder EWR-Raum zu uns kommen und seit Jahrzehnten ihre Arbeit in Österreich leisten. Aus unserer Sicht wäre es fair gewesen, wenn alle Mitglieder nicht nur hätten wählen, sondern auch kandidieren können. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Leider bestand die ÖVP darauf, daß für das passive Wahlrecht die österreichische Staatsbürgerschaft weiterhin eine Voraussetzung sei. Ich glaube nicht, daß dieser Punkt einer gerichtlichen Entscheidung in der Europäischen Union standhalten wird. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ganz wesentlich ist für uns, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei – ich weiß schon, daß Sie unruhig sind, ich sage seit zwei Jahren im Zusammenhang mit Kammern, daß ihr stehend k. o. seid –, daß es keine drei Wahlkörper, Arbeiter, Angestellte und Verkehrsbedienstete, mehr gibt; diese wurden abgeschafft. Auch das ist ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die heute zur Beschlußfassung vorliegenden Gesetzesänderungen fordern aber alle – das möchte ich hier unterstreichen – politischen Gruppierungen auf, dafür Sorge zu tragen, daß bei der nächsten Arbeiterkammerwahl Männer und Frauen gleichwertig und gleichberechtigt in den Vollversammlungen der Arbeiterkammern vertreten sind.

Wir erachten diese Novellierung als wichtigen Schritt in die richtige Richtung und haben daher als Sozialdemokraten kein Problem, die Zustimmung zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

9.36

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ernest Windholz. Ich erteile es ihm.

9.36

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Hochgeschätzter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Änderung des Arbeiterkammerwahlrechtes halte ich für äußerst bedenklich. Es ist nicht so, daß grundsätzlich alles falsch wäre. Kollege Drochter hat soeben die Zusammenlegung der drei Wahlkörper zu einem erwähnt. Das ist zum Beispiel etwas Positives. Allerdings scheint mir persönlich das, was unter dem Schlagwort "Vereinfachung" gemacht wird, nämlich das Wahlrecht von zwei Tagen auf drei Wochen auszudehnen, in keiner Weise nachvollziehbar zu sein.

Warum wohl wird man das Wahlrecht ausdehnen? Was wird uns da erwarten? Wird vielleicht in den Betrieben, in denen man sich sicher ist, daß es noch große sozialistische Mehrheiten gibt, die Möglichkeit bestehen, drei Wochen lang sein Wahlrecht auszuüben? Und in denen, in denen die Freiheitlichen bereits Fuß gefaßt haben oder es vielleicht den einen oder anderen ÖAABler gibt, wird vielleicht eine Stunde genügen, wenn möglich in der Mittagspause?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie das einen Fortschritt nennen, dann kann ich dazu nur sagen: Nein, das ist kein Fortschritt. Das ist eher ein Rückschritt.

Auch ein Blick auf die Finanzen zeigt, was mit Zwangsbeiträgen geschieht. Vorgesehen sind jährlich 100 Millionen Schilling für die Bundesarbeitskammer. 100 Millionen Schilling für einen Palast in Wien! Oder: Der ÖGB wird Zwangsbeiträge in der Größenordnung von jährlich 30 Millionen Schilling erhalten. – 30 Millionen Schilling für den ÖGB, der an einer chronischen Krankheit leidet, nämlich am Mitgliederschwund. Über 40 000 haben den ÖGB im Vorjahr verlassen.


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Sinnvoll wäre es gewesen, vier Punkte in diese Änderung mitaufzunehmen: erstens die Zusammenlegung der Wahlen in ganz Österreich auf einen Sonntag, möglichst kombiniert mit einer anderen bundesweiten Wahl; zweitens die automatische Zusendung einer Wahlkarte gleichzeitig mit der Information der in der Wählerliste aufgenommenen Wahlberechtigten, die sowohl zur persönlichen Stimmabgabe in einem Wahllokal als auch zur Briefwahl berechtigt; drittens die Einrichtung eines Wahllokals in jeder Gemeinde, in dem das Stimmrecht mit jeder Wahlkarte wahrgenommen werden kann; und viertens die Auszählung der Stimmen auf Bezirks- oder Landesebene.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für diese vier Punkte waren die Regierungsparteien nicht zu haben. Wir Freiheitliche sind für Ihre Änderungen ebenfalls nicht zu haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.40

Präsident Alfred Gerstl : Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Hostasch. – Bitte.

9.40

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Erlauben Sie mir auch – wie von einigen der Bundesräte schon formuliert – ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu den beiden Kammergesetzen, und damit auch zu dem Selbstverständnis, das wir in Österreich haben.

Wir haben neben freiwilligen Interessenvertretungen auch gesetzliche Interessenvertretungen gesetzmäßig verankert, die es uns ermöglichen, einen entsprechenden Interessenausgleich, aber auch den Schutz von kleineren und schwächeren Gruppen in unserer Gesellschaft – seien sie auf der Arbeitnehmerseite oder seien sie auf der Arbeitgeberseite – in einer aus meiner Sicht noch besseren Form zu gewährleisten und damit auch viele Probleme, die durch Veränderungen in der Technologie, in der Globalisierung, in der Gesellschaft, in der Wirtschaft insgesamt entstehen, wesentlich besser einer Lösung zuzuführen, als es Gesellschaftssysteme in anderen Staaten können.

Wir haben sehr viele Anfragen aus anderen europäischen Ländern danach, wie unser System der Sozialpartnerschaft funktioniert und wie wir es schaffen, in dieser Form Interessenausgleich zustande zu bringen. Es wird ein gewisser Respekt und auch eine Anerkennung spürbar, und es ist schon zum Ausdruck gebracht worden, daß unser System absolut auch Vorbildwirkung in sehr vielen anderen Ländern hat.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich glaube daher, wenn hier grundsätzlich in Frage gestellt wird, daß das System der Dualität zwischen freiwilligen und gesetzlichen Interessenvertretungen sinnvoll ist, dann muß man auch ehrlich dazusagen, daß man diese Form des Interessenausgleiches nicht haben will und eine Änderung unserer gesamten gesellschaftlichen Ordnung anstrebt.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Es haben sich die gesetzlichen Interessenvertretungen – ich meine damit die großen Kammern – im Jahr 1996 einer sehr anspruchsvollen Mitgliederbefragung unterzogen. Sie haben ihren Mitgliedern – dies war repräsentativ für fast alle Österreicherinnen und Österreicher – die direkte, offene Frage gestellt: "Wollen Sie, daß es weiterhin gesetzliche Interessenvertretungen im Sinne der jeweiligen Kammer gibt?" Um politisch nicht etwas in Frage zu stellen und um Gleichheit in der Kompetenz, in der Zuordnung und in der Gewichtung zustande zu bringen, wurde von beiden großen Kammern, Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer, die gleiche Fragestellung gewählt, es wurde eine fast wortidente Frage an die Mitglieder gerichtet.

Ich kann verstehen, daß alle jene, die das System der Sozialpartnerschaft, das System der Kammern in Frage stellen, die die Kammern sogar durch gesetzliche Initiativen im Hohen Haus abschaffen wollten, nicht begeistert waren, sondern im Gegenteil wahrscheinlich sehr enttäuscht gewesen sind, daß sich die Mitglieder der Kammern mit einem derart überzeugenden Votum – nicht nur von der Beteiligung, sondern auch von der Zustimmung her – zu diesem System


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bekannt haben, sich damit aber auch klar zur Zweiten Republik und ihren Grundsätzen bekannt haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Nach dieser grundsätzlichen Feststellung ein paar Bemerkungen zu einigen Ausführungen in der Debatte.

Es konnte durch den Beitrag des Herrn Bundesrates Drochter schon klargestellt werden, daß die Annahme, die von Herrn Bundesrat Weilharter getroffen wurde, daß Arbeitslose nicht wahlberechtigt seien, auf einer Fehlinformation beruht. Ich darf Sie auf § 34 Abs. 1 auf der Seite 5 der Regierungsvorlage verweisen, worin sogar dezidiert erklärt ist, wie Arbeitslose von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen können und wie die Erfassung von Arbeitslosen für die Möglichkeit einer Wahlbeteiligung vorgesehen ist.

Wenn hier von Ihnen, Herr Bundesrat Windholz, vom "Palast der Bundesarbeitskammer" gesprochen wurde, dann muß ich davon ausgehen, daß Sie diesen "Palast" noch nie gesehen haben und auch noch nicht gesehen haben, daß es gar keine Anschrift und keine Adresse "Bundesarbeitskammer für Österreich" gibt. Dieser "Palast", den Sie ansprechen, ist ein sehr zweckmäßiges Bürogebäude der Arbeiterkammer Wien, in dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich bemühen, sich für die Interessen der Wiener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, damit aber auch für die Interessen der gesamten Stadt und des Landes Wien einzusetzen, und in dem in einer sehr ökonomischen Form, in einer sehr kostengünstigen Form die Funktion der Bundesarbeitskammer in Personalunion und in Nutzung der Infrastruktur der Wiener Arbeiterkammer wahrgenommen wird. Zeigen Sie mir in manchen anderen Organisationen, die Ihnen vielleicht näherstehen, eine derartige sehr effiziente, kostengünstige Form einer Interessenvertretung und der Wahrnehmung von wichtigen Aufgaben!

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich bin überzeugt davon, wenn es gelingt, diese beiden Kammergesetze nun auch in ihrer Wahlstruktur auf eine modernere Basis zu stellen, dann entsprechen wir damit auch dem, was wir immer wieder zu erreichen versuchen: mehr Bürgernähe, mehr Mitgliedernähe, mehr Konsumentennähe. Deshalb bin ich auch überzeugt davon, daß diese gesetzliche Änderung für die Mitglieder der einzelnen Kammern wichtig für die Wahrnehmung ihrer Ansprüche und Rechte ist.

Ich bin sehr froh, daß wir in die Lage gekommen sind, diese beiden Gesetze nun auch dem Bundesrat vorlegen zu können. Über etwas bin ich allerdings nicht froh: daß es mir nicht gelungen ist – es wurde in der Debatte schon von Herrn Bundesrat Drochter darauf verwiesen –, in der Begutachtung die Frage des passiven Wahlrechtes für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Arbeiterkammermitglieder sind, auch einer Lösung zuzuführen. Ich werde mich aber weiterhin bemühen, entsprechend Stimmung zu machen und Überzeugungsarbeit zu leisten, damit wir in einer Weiterentwicklung dieser gesetzlichen Grundlage auch für diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein passives Wahlrecht im Arbeiterkammergesetz absichern können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.46

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Alfred Schöls. Ich erteile dieses.

10.46

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eigentlich erfreulich, wenn man merkt, daß sich Kollege Weilharter Sorgen um die Durchschlagskraft des ÖAAB macht. Mit seinen Ausführungen hat er signalisiert, daß ihm der ÖAAB als politische Gestaltungskraft in diesem Land anscheinend noch immer ein Anliegen ist. Und durch seine Anwesenheit während der Debatte zu diesem Gesetz unterscheidet er sich von Kollegen Windholz, der eine Pflichtübung gemacht und abgespult hat, was ihm irgendwer aufgeschrieben hat (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist bei uns nicht üblich! – Bundesrätin Ulrike Haunschmid: Das ist bei uns nicht üblich!) oder was vielleicht auch seine Gedanken sind, und dann den Plenarsaal verlassen hat.


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Bei allem Verständnis für andere Verpflichtungen, aber es geht darum, Prioritäten zu setzen. Jeder von uns hätte jetzt vielleicht die Möglichkeit, mit einem Journalisten zu sprechen oder auch aufgrund der Tatsache, daß wir zwei Tage Sitzung haben, andere eingeschobene Termine wahrzunehmen. Aber es geht, wie gesagt, um die Prioritäten, und Kollegen Weilharter zeichnet es aus, daß er als aktiver Betriebsrat tatsächlich noch immer Interesse an diesen Dingen hat.

Wenn das Interesse so weit geht, daß er sich nach wie vor für den ÖAAB interessiert, dann darf ich sagen, daß ich als ÖAAB-Funktionär froh darüber bin, daß zwei Fraktionen in der Arbeiterkammer, der ÖAAB und die sozialdemokratischen Gewerkschafter, in einer guten sozialpartnerschaftlichen – wenn ich das auf die Gewerkschaftsebene beziehen darf – Diskussion gemeinsam Lösungen gefunden haben, die dazu dienen, den Arbeitnehmern in den Betrieben für ihre gesetzliche Interessenvertretung entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Es sind sehr viele Punkte in dieser Novelle enthalten, die auf Vorschläge und Ideen des Österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbundes zurückgehen.

Der zweite Punkt, der Kollegen Weilharter anscheinend betroffen gemacht hat, war der Umstand, daß Willi Molterer als innerösterreichisch hauptsächlich für Landwirtschaftsfragen Zuständiger auch die Kompetenz aufbringt (Bundesrat Weilharter: Aufbringen mußte, Herr Kollege!), sich relativ rasch in den öffentlichen Dienst einzulesen. Das zeichnet Kollegen Molterer wirklich aus. Ich möchte an dieser Stelle aus meinem Herzen keine Mördergrube machen und einräumen, daß ich am Anfang skeptisch war, weil wir schon sehr oft negative Erfahrungen gemacht und deshalb befürchtet haben, daß jemand, wenn er sich nicht auskennt, jedoch sich der Dinge annimmt oder auch annehmen muß, nicht die Qualität aufbringt, sich relativ rasch einzulesen.

Ich sage jetzt für meine Partei: Wir haben Gott sei Dank die qualifizierten Funktionäre, sodaß Willi Molterer neben seinem Wirken in dem sehr verantwortungsvollen Bereich der Landwirtschaft zusätzlich noch in der Lage ist, sich auch in Sachen des öffentlichen Dienstes als firm zu erweisen.

Herr Kollege Weilharter! Eines sage ich Ihnen ganz ehrlich: Mir ist es lieber, der gelernte Landwirt Willi Molterer bringt sich positiv für die Anliegen der Arbeitnehmer ein, als es läßt sich einer ein sehr aufwendiges Türschild für eine Steuerberatungskanzlei – wie immer die jetzt heißen mag – drucken, und nachher kommt man drauf, daß er eigentlich nicht die Qualifikation hat und daß ihm sehr viele im blinden Vertrauen auf seine Kompetenz auf den Leim gegangen sind. Und der sitzt dann in Brasilien, und die anderen sind zu Hause und sagen: Da haben wir Pech gehabt! oder: Wir waren deppert!, oder was immer es da an Erkenntnissen gegeben hat. Daher lieber ein Willi Molterer, der ein gelernter Bauer ist und die Beamten nicht im Stich läßt, als einer, der sagt: "Ich bin ein Steuerberater", und dann kommt man drauf, daß er sich nicht auskennt! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das noch zu diesen zwei Punkten. Vielleicht erleichtern sie Ihnen das Leben, Herr Kollege Weilharter!

Zum Arbeiterkammergesetz selbst und zur Verlängerung der Wahlzeiten: Es ist nicht so, wie es gelegentlich dargestellt wird, daß damit Unfug getrieben und Wahlschwindel betrieben wird. Im Gegenteil! Wir wollen durch diese Möglichkeit in den Sprengeln selbst – und ich sage es jetzt so dezidiert, wie es an und für sich auch in verschiedenen Berichten drinsteht – die Wahlzeit nicht um jeden Preis erweitern – wobei eine halbe Stunde mehr oder weniger, wenn Schichtwechsel ist und so weiter, möglich sein soll; das soll der Sache dienen –, sondern wir wollen dadurch möglichst vielen Arbeitnehmern die Möglichkeit geben, vor Ort in den Betrieben bei fliegenden Wahlkommissionen von ihrem Arbeiterkammerwahlrecht Gebrauch zu machen, um dadurch die Arbeiterkammer als angesehenes Instrument der Sozialpartnerschaft weiter zu stärken. – Das ist das eine.

Das zweite ist, daß wir natürlich auch die Betreuungsbereiche im Kammerbereich ausgebaut haben wollen. Ich brauche nur daran zu denken, daß im Bereich des Konsumentenschutzes die Arbeiterkammer eine ganz wesentliche Funktion hat, die nicht nur den Kammerumlagepflichtigen aus dem Arbeiterkammerbereich zugute kommt, sondern auch allen anderen. Denn ich bin


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überzeugt davon, daß durch die engagierte Tätigkeit, die beispielsweise die Konsumentenschützer in der Arbeiterkammer in Niederösterreich leisten und von denen ein gewisser Herr Miksch – ich weiß nicht, welche Funktionen außer der eines FPÖ-Stadtrates in St. Pölten er noch hat – gelegentlich darauf hingewiesen wurde, welche Gefahren hier bestehen, viele vor Schaden bewahrt werden, und zwar nicht nur Arbeitnehmer, die man vor Schaden bewahrt, indem sie irgendwelche Pyramidenspiele oder sonst irgend etwas nicht annehmen, sondern da werden auch Pensionisten vor Schaden bewahrt, da werden auch Gewerbetreibende vor Schaden bewahrt, da werden Hausfrauen vor Schaden bewahrt, da werden schlechthin alle Menschen in diesem Land vor Schaden bewahrt.

Es geht darum, daß die Arbeiterkammer der Ellbogengesellschaft entgegenwirkt. Aus diesem Grund und noch dazu, weil so viele ÖAAB-Ideen darin enthalten sind, stimme ich mit Freude dieser Verordnung zu. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.54

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Walter Scherb. Ich erteile dieses.

10.54

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Es tut mir leid, daß der Wirtschaftsminister als alter Kämmerer nicht anwesend ist, aber Sie werden ihn sicherlich gut vertreten.

Sehr verehrter Herr Präsident! Sie haben in Ihrer gestrigen ausgezeichneten und inhaltsstarken Rede unter anderem hingewiesen auf notwendige Strukturveränderungen, die Regierung und Institutionen vorantreiben müssen, um in der durch den stetigen und schnellen Wandel gekennzeichneten Zeit mithalten zu können. In diesem Zusammenhang haben Sie sich gegen Struktur- und Machtkonservierung ausgesprochen und gefordert, daß die überbordende Bürokratie zurückgedrängt wird.

Das Wirtschaftskammergesetz, das uns vorliegt, entspricht diesen Forderungen und Wünschen leider überhaupt nicht, ja es steht ihnen sogar diametral entgegen. Durch dieses Wirtschaftskammergesetz kommt es zu keiner wirklichen Strukturreform, es gibt keine Änderung bei wichtigen reformbedürftigen Punkten wie zum Beispiel – ein kleiner Punkt nur – bei der Aufhebung der zwangsweisen Mehrfachmitgliedschaft (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann ), obwohl es, sehr geehrter Herr Kollege Kaufmann, 1990 von Herrn Präsidenten Maderthaner in einer Aussendung noch als vorrangiges Ziel bezeichnet worden ist, diese zwangsweise Mehrfachmitgliedschaft abzuändern.

Die Finanzierung der Wirtschaftskammer ist völlig unbefriedigend geregelt, und die Neuerungen im Wahlrecht sind demokratiepolitisch bedenklich. Die vielen Novellen – Herr Kollege Kaufmann hat darauf hingewiesen – des Wirtschaftskammergesetzes oder des Handelskammergesetzes waren in der Vergangenheit oft durch eine nicht durchgängige Linie gekennzeichnet, und das setzt sich mit dem neuen Wirtschaftskammergesetz fort. Dies zeigt sich an dem folgenden kleinen Beispiel: Bei den letzten Novellierungen wurde eine Begrenzung der Funktionsdauer auf 15 Jahre eingeführt, was seinerzeit als großer Reformschritt ausgewiesen wurde. Jetzt wird diese Grenze wieder auf 20 Jahre erhöht, was eigentlich einen Rückschritt kennzeichnet. Dieses kleine Detail ist bezeichnend für das ganze Wirtschaftskammergesetz. Es ist eher rückschrittlich sowie struktur- und machtkonservierend, und ihm fehlt jeglicher Fortschrittsgedanke.

Im § 85, Wahlausschreibung, steht folgendes: "Um einen Wahlvorschlag einbringen zu können, benötigt man bei mehr als fünf Wahlberechtigten zwei Unterschriften." Das heißt, bei sechs Wahlberechtigten – und solche Gremien gibt es in der Wirtschaftskammer zur Genüge – ist eine Unterstützung von 33 Prozent der Wahlberechtigten notwendig, um überhaupt einen Wahlvorschlag einbringen zu können. Das ist demokratiepolitisch äußerst bedenklich, da den Minderheitsfraktionen das Antreten und das Aufstellen von Listen damit massiv erschwert wird. (Bundesrat Dr. Kaufmann: Kollege, das stimmt nicht! Das ist 1990 schon geändert worden! Sie können nicht was sagen, was 1990 schon geändert wurde!)


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Demokratiepolitisch außerdem äußerst bedenklich ist, daß sich Inhaber von Einzelunternehmungen in Zukunft bei der Stimmabgabe vertreten lassen können. (Bundesrat Dr. Kaufmann: Das haben Sie woanders auch!) Aber das gleiche, geheime und persönliche Wahlrecht wird damit ad absurdum geführt.

Ein weiteres demokratiepolitisches Kuriosum enthält § 62: "Nichtanwesende können ihr Stimmrecht schriftlich einem anderen stimmberechtigten Mitglied des betreffenden Kollegialorgans übertragen." Für Beschlüsse ist ein Drittel der Stimmen der Stimmberechtigten der Anwesenden notwendig. Es gibt Fachgruppen mit fünf Mandaten, da müssen also zwei Mandate anwesend sein. Daraus folgt: Wenn nur ein Stimmrecht übertragen wird, kann ein einziger Mandatar zur Beschlußfassung ermächtigt sein. Der muß dann wahrscheinlich mit beiden Händen aufzeigen.

Es ist mir unverständlich, daß ein Gesetz, das solche Demokratiedefizite aufweist, überhaupt in den Bundesrat kommen kann und dann hier auch noch positiv beschlossen wird.

Die Zwangsmitgliedschaft ist ebenfalls undemokratisch, nicht zeitgemäß, fortschrittshemmend und international nicht üblich, sondern international eher sanktioniert. Wenn Sie, Herr Kollege Kaufmann, immer sagen, es hat im Jahr 1995 ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. ) Im Jahr 1995 hat es eine Abstimmung gegeben. Bei dieser Abstimmung wurde nicht nach der Zwangsmitgliedschaft gefragt, sondern bei der Abstimmung wurde gefragt: Wollen Sie durch eine Interessenvertretung vertreten werden? – Da haben 82 Prozent ja gesagt. Ich will auch durch Interessenvertretung vertreten werden, aber ich will mir aussuchen können, durch welche Interessenvertretung. (Bundesministerin Hostasch: Es wurde gefragt: "gesetzliche Interessenvertretung"! Gesetzlich!)

Zur internationalen Sanktionierung: Die Pflichtmitgliedschaft der Wirtschaftskammer hindert die Wirtschaftskammer, Mitglied bei der UNICE in Brüssel zu werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sicherlich! In Brüssel werden die österreichischen Unternehmer durch die Industriellenvereinigung vertreten und nicht durch die Wirtschaftskammer, weil bei der UNICE Vereinigungen mit Pflichtmitgliedschaft keinen Zugang haben.

Jetzt möchte ich auf die Finanzierungsstruktur näher eingehen. Die Finanzierung der Kammer war und ist für viele Mitglieder völlig undurchsichtig, und daß das so bleibt, ist die volle Absicht der Wirtschaftskammer. Sie will ja mit ihrem Budget in der Höhe von 8,5 Milliarden Schilling in diesem Bereich überhaupt keine Klarheit haben. Die Kammer bezahlt sogar bis zu 4 Prozent Inkassoprovision an die Finanzlandesdirektionen für das indirekte Inkasso, damit das nicht offen aufscheint. Mit diesen 4 Prozent könnte die Kammer leicht ein direktes, offenes Inkassosystem aufbauen. Bei diesem Inkassosystem würden die Mitglieder auf einer Rechnung klar sehen, was sie die Kammer kostet.

Viele Unternehmer verdrängen die Kammerkosten, weil sie wichtigere Probleme zu lösen haben und weil sie der Meinung sind, daß sie ohnehin nichts ändern können. Das weiß die Wirtschaftskammer und fördert es mit dem komplizierten Umlagensystem, sodaß niemand genau weiß – oder nur, wenn er viel Zeit investiert, um zu recherchieren –, wieviel ihn die Kammer kostet. Wir fordern daher die direkte, offene Einhebung der Kammerbeiträge und Mitgliedsbeiträge.

Von Betrieben, die international tätig sind, weiß ich, daß die Vertretungskosten der österreichischen Wirtschaftskammer einem Benchmarking-Vergleich nicht standhalten können. Unter vergleichbaren Bedingungen sind zum Beispiel in Frankreich die Vertretungskosten nicht einmal halb so hoch wie in Österreich.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie nun auf ein weiteres Kuriosum hinweisen. Wissen Sie, daß die Wirtschaftskammer, obwohl sie zu Recht immer gegen die hohen Lohnnebenkosten auftritt, sich selbst mit der Kammerumlage 2 aus Lohnnebenkosten finanziert? – An dieser schizophrenen Situation ändert sich auch mit dem neuen Wirtschaftskammergesetz nichts. 0,5 Prozent der Lohnnebenkosten werden von der Kammer selbst verursacht.


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Auch die Bürokratie wird durch das neue Kammergesetz nicht zurückgedrängt. Aus 108 Paragraphen im alten Wirtschaftskammergesetz sind im neuen Wirtschaftskammergesetz 150 geworden. Die Außenhandelsorganisation, die Kollege Kaufmann soeben erwähnt hat, war früher in einem eigenen Gesetz geregelt, wird aber jetzt im § 42 lapidar mit einem Satz geregelt, der da heißt: Zur Außenwirtschaftsförderung unterhält die Bundeskammer entsprechende Einrichtungen. – Damit wird ein Milliardenimperium geregelt! Das kann es auch nicht sein.

Bei aller Kritik an diesem Gesetz möchte ich aber erwähnen, daß in der Kammer sehr viele hilfsbereite Mitarbeiter mit hervorragenden Fachkenntnissen tätig sind, die viele Unternehmer und Unternehmungen unterstützen. Besonders in den Fachverbänden – aus persönlicher Erfahrung kenne ich den Fachverband der Nahrungs- und Genußmittelindustrie – sind gut organisierte, kompetente, hilfsbereite, fleißige Mitarbeiter im Einsatz. Von den Fachverbänden fühle ich mich – im Gegensatz zur Bundeswirtschaftskammer auf der Wiedner Hauptstraße – gut vertreten. Präsident Kaun von der Wirtschaftskammer Oberösterreich hat in diesem Bundesland sehr viel bewegt, kann sich aber mit seinen Reformvorschlägen in der Bundeswirtschaftskammer in Wien leider überhaupt nicht durchsetzen.

Aufgrund der genannten strukturellen, organisatorischen und demokratischen Defizite werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.04

Präsident Alfred Gerstl: Zum Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. Ich erteile dieses.

10.04

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Kaufmann! Sie haben völlig zu Recht vermutet, daß wir diesem Wirtschaftskammer- und dem Arbeiterkammergesetz nicht unsere Zustimmung geben können. Einerseits verbietet uns das unsere Gesinnung, andererseits kann ich das als Unternehmerin nicht.

Manchmal ist es so, als ob zwei Menschen in einem Menschen wohnen würden: der eine, der alles gut macht und den du der Außenwelt zeigst, und der andere, für den du dich schämen mußt. – Für diesen Menschen hätte sich Wirtschaftskammerpräsident Maderthaner spätestens dann schämen müssen, als er bei der immens wichtigen Abstimmung über die Getränkesteuer mit seinem Schatten, den Abgeordneten Stummvoll, das Plenum verließ, um nicht abstimmen zu müssen und die große Koalition nicht zu gefährden. Warum ist das so? – Weil ein Mensch kein Gott ist, kein Engel und schon gar kein Superwesen, doch die Erfahrung der eigenen Schwächen würde ihn verständnisvoll gegenüber seinen Mitmenschen machen. Wer aber sein Versagen niemals erkennen will, wird selbstgerecht und hart wie Stein auch seinen Mitmenschen gegenüber. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Rufe bei der ÖVP: Amen! Amen!)

So auch unser Präsident Maderthaner, der die Chance, ehrlich gegenüber seinen Unternehmern zu sein, bei der Befragung über die Kammermitgliedschaft nicht wahrgenommen hat. Die Frage wurde sehr geschickt formuliert, Frau Ministerin: Wollen Sie die Wirtschaftskammer – ja oder nein? Warum nicht ehrlich: Wollen Sie eine freiwillige Mitgliedschaft, oder wollen Sie eine Zwangsmitgliedschaft? – Dann hätten Sie ein ehrliches Ergebnis der Umfrage gehabt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und wie macht die Wirtschaftskammer weiter? (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.) Meine Damen und Herren Kollegen von der ÖVP! Gerade Sie betrifft es, weil Sie die sogenannte Wirtschaftspartei verkörpern. – Über Schwächen und Fehler bei dir selbst brauchen wir uns nicht zu wundern, aber du darfst sie auch nicht vertuschen und zu Tugenden verdrehen. Wir machen es nicht, wir Freiheitliche, Herr Kollege Kaufmann! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Lebhafte ironische Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Meier: Das ist eine kühne Behauptung!)

Lieber Herr Kollege! Du mußt damit leben lernen. Wir mußten damit leben lernen. Herr Kollege Kaufmann! Ich wünsche Ihnen, daß in den Reihen der ÖVP niemals das passiert, was bei uns


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passiert ist. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann.  – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Auch Sie können in die Menschen nicht hineinsehen! (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Steinbichler! Sie sind meiner Ansicht nach sowieso ein eigenes Problem. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Gerstl gibt das Glockenzeichen.)

Frisch und fröhlich macht die Wirtschaftskammer weiter wie bisher: ein politischer Machtausbau des Wirtschaftsbundes, wie in der Arbeiterkammer ein politischer Machtausbau des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Und dann täuschelt man ein bißchen: da ein bißchen von dem Machtausbau für den Freien Wirtschaftsverband und dort ein bißchen von dem Machtausbau für den ÖAAB.

Wir können immer wieder lesen: Das hat die Wirtschaftskammer erreicht ... (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Gerstl gibt das Glockenzeichen.) Lieber Herr Kollege! Keiner in der Wirtschaftskammer hat den Mut, einmal zuzugeben, was die Wirtschaftskammer alles nicht erreicht hat, es wird immer nur von dem gesprochen, was sie erreicht hat. Ich sehe davon ab, das wohl Versuchte, aber nicht Erreichte in puncto Wirtschaftskammerforderungen zu erwähnen, denn um wie vieles muß man wirklich kämpfen, damit es erreicht wird?

Jedoch braucht man nicht zu kämpfen, hat man dieses Muß in der Tasche, und dieses Muß ist die Zwangsmitgliedschaft, die wohl in ihrer Finanzierung einzigartig in Europa ist. (Bundesrat Schöls: Wenn man sich auflöst, wie kämpft man dann?) Hätte man nicht dieses Muß, müßte man kämpfen, bis das Gewünschte für die Mitglieder erreicht wird. Denn der ganz normale Hausverstand sagt uns: Warum anstrengen, wenn wir mit weniger nichts verlieren können? (Bundesrat Schöls: Gleich auflösen!)

Der Posten des Präsidenten ist bei uns in Oberösterreich politisch besetzt. Der Präsident ist Obmann des Wirtschaftsbundes, einer Vorfeldorganisation der ÖVP, er ist aber auch Präsident der Wirtschaftskammer. All das, was er als Kammerpräsident an politischen Äußerungen nicht unterbringen kann, veröffentlicht er als Wirtschaftsbundobmann. Da wohnen zwei Seelen in einer Brust, er ist ein sogenannter überparteilich Wirkender – Leistung vor Politik –, ein politischer Spitzenfunktionär, und die gesamte Wirtschaftskammer ist geprägt durch die Politik des Präsidenten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es widerstrebt einer freiheitlich Gesinnten, sich solchen Zwängen unterzuordnen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Lieber Herr Kollege! Ich möchte selbst entscheiden, ob ich Mitglied bleiben will oder nicht. Wenn ich zufrieden bin, dann bleibe ich Mitglied. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Präsident Gerstl gibt das Glockenzeichen.)

In der Stimmung, in der sich die Unternehmer der Klein- und Mittelbetriebe befinden, ist es unfair, die Machtbasis des Wirtschaftsbundes auszunützen. Die Wirtschaftslage kündet von einem eher schlechten Leistungszeugnis der Wirtschaftskammer. Da werden faule Kompromisse geschlossen, Herr Kollege Kaufmann! Herr Kollege Weiss hat gestern die Kompromisse positiv gesehen. Ich sehe sie mehr als negativ, wenn sie faul sind, wie das bei der letztwilligen Verfügung über die Zeltfeste der Fall war. (Bundesrat Bieringer: In einer Diktatur gibt es keine Kompromisse ...! – Bundesrat Schöls: Es geht nicht um die Zeltfeste heute, es geht um etwas anderes!) Bitte, lassen Sie mich ausreden, ich möchte Ihnen das erklären! Wie aus der Pistole geschossen werden dem Koalitionspartner geringfügige Versprechungen gemacht, und damit wird er mundtot gemacht. Das sind faule Kompromisse, das möchte ich Ihnen sagen.

Auch ich will die Kammer, auch ich weiß, daß wir ohne diese Vertretung nicht sein können, aber es muß ohne Zwang gehen. Ich weiß sehr wohl, daß viele um ihre Posten hätten zittern müssen, wenn die Wahl anders ausgegangen wäre, daß ihr Geldsackerl leer gewesen wäre, aber so geht man nicht mit der Bevölkerung und vor allem nicht mit den Unternehmern um! (Bundesrat Schöls: Wo sind die, die Sie aufgelöst haben? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)


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Präsident Alfred Gerstl:
Ich bitte, aussprechen zu lassen, damit es zu jener Symbiose kommen kann, die in der Meinungsvielfalt die Zukunft uns zeigt.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (fortsetzend): Gestern wurde die Regierungsvorlage betreffend den Konsultationsmechanismus hier beschlossen. Warum ist im Vorfeld zu diesem Gesetz nicht der Bundesrat mit einbezogen worden – Gemeinde – Land – Bundesrat – Nationalrat – Regierung? Da könnte einem ja einfallen, die Interessen seines Landes vertreten zu müssen! So aber bleibt der Bundesrat für ÖVP und SPÖ das, was er immer für sie war: eine Abstimmungsmaschine der großen Koalition.

So gingen gestern in Oberösterreich Wirte aus allen Fraktionen auf die Straße, weil sie unter dem Druck ihrer Gesamtsituation nicht anders konnten und einfach gehen mußten. Wir Freiheitliche ... (Bundesrat Schöls: Wir reden heute nicht über die Zeltfeste! Sie haben die falsche Tagesordnung!) Es geht darum, der Kollege hat es erwähnt; es geht um die Kompromisse, die von den Kammern geschlossen werden.

Wir Freiheitliche sind es, die, wenn Sie gegen Initiativanträge stimmen, die von Ihrer Fraktion im Land Oberösterreich kommen, der Bevölkerung draußen sagen, was hier herinnen wirklich passiert. (Bundesrat Schöls: Sagen Sie ihnen auch, was die Freiheitlichen bei 0,5 gemacht haben!) Ich schätze mich glücklich, lieber Herr Kollege, daß der Wirtesprecher der ÖVP in Oberösterreich meine Pressemeldung als seine herangezogen hat. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der ÖVP: Oder umgekehrt!) Weil er genau weiß, daß wir alle hier in einem Boot sitzen und alle von der SPÖ/ÖVP-Regierung verkauft worden sind.

Es ist eben so, und wir sollen damit leben. Aber wir Freiheitliche sind nicht gewillt, so zu leben! Kammerzwangsmitgliedschaft für die Arbeitnehmer, Kammerzwangsmitgliedschaft für die Unternehmer – beide Kammern schön aufgeteilt zwischen ÖVP und SPÖ. Was kann es für eine Koalition Besseres geben, was gibt es aber Schlechteres für die Betroffenen und von diesen Kammern Abhängigen? (Ruf bei der ÖVP: Warum wollen Sie dann in eine Koalition? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Gesetze, Verordnungen, die einem das Überleben schwer machen, Zwangsmitgliedsbeiträge, die exekutionsfähig sind – so wollen Sie den österreichischen Staat haben, so wollen Sie in Europa bestehen? – Traurig, daß Sie immer wieder Ihre Freiheit verkaufen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.15

Präsident Alfred Gerstl: Zum Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Hostasch.

10.15

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir kurz eine rechtliche Klarstellung, nicht zuletzt aufgrund des letzten Debattenbeitrages.

Das Kriterium einer Kammer ist die gesetzlich definierte Zugehörigkeit von Mitgliedern – das, was Sie als Zwangsmitgliedschaft bezeichnen. Wenn diese Pflichtmitgliedschaft aber nicht gegeben ist, sondern eine freiwillige Mitgliedschaft, dann ist es keine Kammer. Wer daher gegen diese gesetzliche Definition, gegen die Pflichtmitgliedschaft ist, ist für die Auflösung der Kammern. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich betrachte es daher als Widerspruch in sich, einerseits zu sagen: Ich begrüße die Leistungen der Kammern, ich nehme diese Leistungen in Anspruch, ich agiere in diesen Kammern – und andererseits für eine Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft zu sein. (Bundesrätin Haunschmid: Dann ist es eine Interessenvertretung!) Diese Auffassung ist nicht nur meine, ist nicht meine Rechtsinterpretation, sondern ist verfassungsrechtlich gedeckt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 145

10.17

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesrat Tremmel hat sich weiters zu Wort gemeldet. – Bitte.

10.17

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sie haben durchaus richtig gesetzlich interpretiert. Das ist die Meinung des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes zu diesen Gesetzesmaterien, das stimmt. Aber ich frage Sie, Frau Bundesminister, was wäre, wenn eine entsprechende Richtlinie der EU käme, die heute die Frage der Freiwilligkeit, wie sie in anderen Bereichen gegeben ist ... (Zwischenbemerkung der Bundesministerin Hostasch. )

Es gibt solche Richtlinien, Sie werden es in Kürze merken. Dann werden Sie verhalten sein, eine entsprechende Novellierung vorzunehmen, und das Unikum der gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft, wir sagen abgekürzt "Zwangsmitgliedschaft", wird dann im europäischen Bereich behoben werden, und die Praxis wird so werden, wie sie in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union derzeit schon gegeben ist. Auch in dieser Hinsicht wird sich Österreich anpassen müssen, und ich hoffe, das wird zeitgerecht geschehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.18

Präsident Alfred Gerstl: Bundesrat Bieringer hat sich noch zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.

10.18

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Haunschmid hat es geradezu herausgefordert, daß man hier Stellung nimmt. Wenn Sie sagen, daß Kompromisse (Bundesrätin Haunschmid: Diese Kompromisse!) etwas Schlechtes sind, dann sage ich Ihnen: Der faulste Kompromiß ist mir noch zehnmal lieber als ein diktatorischer Befehl nach dem Muster "Führer befiehl, wir folgen!". Das sage ich Ihnen aus voller Überzeugung! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid: Wir fühlen uns nicht angesprochen!)

Es ist mit Sicherheit nicht mein Problem, wenn Sie einen Vertrag unterschreiben müssen, damit Sie Ihr Mandat behalten können. Wir haben ein freies Mandat (Bundesrat Dr. Böhm: Wir auch!), darauf sind wir stolz, und das werden wir auch in Zukunft verteidigen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Mag. Gudenus: Das merkt man am Abstimmungsverhalten!)

Wenn ich richtig informiert bin, dann beträgt die Kammerumlage oder Ihr Zwangsmitgliedsbeitrag, wie Sie sagen, für einen Wirt im Höchstfall 5 000 S, steuerlich voll absetzfähig. (Bundesrätin Haunschmid: Es geht hier nicht um Beträge, Herr Kollege!) Ich sage Ihnen, ein Arbeitnehmer in diesem Land bezahlt Arbeiterkammerumlage und zahlt freiwillig, ungezwungen, Gewerkschaftsmitgliedsbeitrag, was jährlich mindestens soviel ausmacht wie die Kammerumlage eines Wirtes.

Ich habe noch keinen Arbeitnehmer gesehen, der gejammert hat, vielmehr sagen alle: Gott sei Dank haben wir unsere Gewerkschaft! Gott sei Dank haben wir unsere Arbeiterkammer! Und diese Institutionen werden wir verteidigen, ob es Ihnen paßt oder nicht! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.20

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft – Wirtschaftskammergesetz 1998.


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 146

Der vorliegende Beschluß enthält im § 68 Abs. 1 und im § 150 Abs. 2 Verfassungsbestimmungen, die nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den im § 68 Abs. 1 und im § 150 Abs. 2 des vorliegenden Beschlusses enthaltenen Verfassungsbestimmungen im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, den zitierten Verfassungsbestimmungen des vorliegenden Beschlusses im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeiterkammergesetz 1992 geändert wird.

Der vorliegende Beschluß enthält in Ziffer 1 § 10 Abs. 2 Z 1, in Z 2 § 17a Abs. 3 sowie in Z 50 § 100 Abs. 8 Verfassungsbestimmungen, die nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den in Ziffer 1 § 10 Abs. 2 Z 1, in Z 2 § 17a Abs. 3 sowie in Ziffer 50 § 100 Abs. 8 des vorliegenden Beschlusses enthaltenen Verfassungsbestimmungen im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, den zitierten Verfassungsbestimmungen des vorliegenden Beschlusses im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

22. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 über ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend ein Förderungsprogramm zur Sicherung ausreichender Berufs


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
642. Sitzung / Seite 147

ausbildungsmöglichkeiten (Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz) erlassen wird (1153 und 1261/NR sowie 5703/BR der Beilagen)

23. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1998) (1262/NR sowie 5704/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zu den Punkten 22 und 23 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend ein Förderungsprogramm zur Sicherung ausreichender Berufsausbildungsmöglichkeiten (Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz) erlassen wird,

und ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1998).

Die Berichterstattung über die Punkte 22 und 23 hat Herr Bundesrat Wolfgang Hager übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Wolfgang Hager: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend ein Förderungsprogramm zur Sicherung ausreichender Berufsausbildungsmöglichkeiten, Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, erlassen wird, liegt schriftlich vor.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ebenso liegt der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird, Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1998, schriftlich vor.

Auch dazu stellt der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger. Ich erteile es ihm.

10.27

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Wir haben eine sehr emotionell geführte Debatte zum Thema Arbeiterkammer- und Wirtschaftskammergesetz hinter uns. Immer, wenn Emotionen frei werden, wird auch Energie frei.

Ich würde mir persönlich sehr wünschen, daß diese Energie, die jetzt frei geworden ist, künftig verstärkt in Fragen der Jugendbeschäftigung frei wird. Denn das wird ohne Übertreibung ein "Dauerbrenner" der nächsten Zeit beziehungsweise der nächsten Jahre werden.

Gestern wurde schon einige Male angeschnitten, daß wir durch die EU-Präsidentschaft natürlich im Rampenlicht der Medien stehen. Ob wir es wollen oder nicht, es drängen sich zwangsläufig


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642. Sitzung / Seite 148

Vergleiche auf: Wo liegen wir – die Republik Österreich – als eines der Mitgliedsländer der EU besser, in welchen Bereichen liegen wir schlechter als die anderen Mitgliedstaaten?

Ein Thema, das wir jetzt unter anderem behandeln, ist das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz. Wir können ohne Übertreibung feststellen, daß wir da nicht nur besser, sondern deutlich besser als der EU-Durchschnitt liegen. Konkret wird über die Medien transportiert, daß im Durchschnitt der EU-Länder 27 Prozent der Jugendlichen keine Arbeit finden. In Österreich ist es ein Prozentsatz von nur – oder doch auch – 7 Prozent. Das ist ein Bruchteil des EU-Durchschnittes. Dennoch möchte ich festhalten, daß es für den einzelnen Jugendlichen, dem man sagen würde, in Österreich sind es nur 7 Prozent, überhaupt kein Trost ist, wenn man ihm diese Zahl nennt, sondern daß es für ihn wesentlich ist, Beschäftigung zu finden.

Seit Jahren bemühen sich die Republik Österreich wie auch die einzelnen Bundesländer, dem Schreckgespenst Jugendarbeitslosigkeit Paroli zu bieten. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die im Vorjahr stattgefundenen Aktionen einzelner Bundesländer, zusätzlich Lehrstellen anzubieten.

Das Land Niederösterreich ist dem mit 60 Lehrstellen nachgekommen. Mir ist ein Redner des Landes Oberösterreich in Erinnerung, der auch in etwa von dieser Größenordnung gesprochen hat. Ich denke, das ist einer der möglichen Ansätze – wir müssen in dieser Hinsicht kreativ sein –, zusätzlich Möglichkeiten für junge Leute zu finden. In Niederösterreich, soviel darf ich sagen, war erwartungsgemäß innerhalb relativ kurzer Zeit das Gros der Lehrstellen, die das Land angeboten hat, ausgenutzt.

Das jetzt zur Debatte stehende Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz schlägt genau in diese Kerbe. Schulabgängern der Schuljahre 1998/99 beziehungsweise der Ausbildungsjahrgänge 1998/99 und 1999/2000 sollen insgesamt 2 500 Plätze in Lehrgängen und 1 500 Plätze in Lehrlingsstiftungen angeboten werden. Es handelt sich also um ein Auffangnetz für lehrstellensuchende Jugendliche. Es beginnt mit 15. November – nebenbei bemerkt: in Niederösterreich mit 16. November, weil am 15. Leopolditag ist, unser Landesfeiertag. Das wird aber dem Erfolg dieses Gesetzes keinen Abbruch tun.

Kritisch möchte ich erwähnen, daß die Aussage des Bundeskanzlers, die starken Widerhall in den Medien gefunden hat – für jeden Lehrstellensuchenden eine Lehrstelle –, natürlich Utopie ist und Utopie bleiben wird, weil Menschen nicht wie Maschinen einsetzbar sind. Es gibt und es wird auch weiterhin Lehrstellensuchende geben, die aus verschiedensten Gründen gar keine Lehre absolvieren können. Diese in die nächstbeste Schule abzuschieben, kann auch nicht die Lösung einer kompetenten und vernünftigen Politik sein.

In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, daß ich weiß, wovon ich rede, denn ich habe im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice des Bezirkes und mit der Wirtschaftskammer als Partner sowie – natürlich braucht man ein Medium, das darüber informiert – in Zusammenarbeit mit den "Niederösterreichischen Nachrichten" versucht, im Vorfeld der zu erwartenden Problematik eine Maßnahme anzubieten, das heißt, eine Plattform zu bilden: Auf der einen Seite können Betriebe sagen, daß sie Lehrstellen haben, auf der anderen Seite wissen die Eltern – das erfahren sie auch über die Zeitung –, wohin man sich wenden kann. Ich möchte Ihnen ganz kurz die persönlichen Erfahrungen, die ich dabei machte, schildern.

Die erste Erfahrung ist eigentlich eine Binsenweisheit: Lehrstellensuche spielt sich zum überwiegenden Teil auf privater Ebene ab. Das heißt, daß die Eltern in ihrem Bekanntenkreis, in den Kreisen, in denen sie sich gesellschaftlich bewegen, versuchen – mit den Verbindungen, die sie haben –, für ihr Kind möglichst rasch eine Lehrstelle zu bekommen. Das hat mir auch der Vertreter des Arbeitsmarktservice direkt gesagt; das ist also eine Binsenweisheit.

Für gar nicht so wenige Eltern ist die Lehrstellensuche – und das war für mich neu, möchte ich sagen – nur eine Möglichkeit von mehreren. Das heißt, wenn sich der Ausbildungswunsch an einem möglichst nahen Ort – auch aus verständlichen Gründen – nicht hat erfüllen lassen, dann war immer wieder die Aussage zu hören: Dann schicken wir unseren Sohn oder unsere Tochter eben zwischendurch in eine weiterführende Schule.


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642. Sitzung / Seite 149

Eine weitere Erfahrung, die für mich als politisch Tätiger wertvoll war, war jene, daß ein nicht unerheblicher Prozentsatz der Lehrstellensuchenden recht wählerisch ist. Das heißt, sie haben ein ganz bestimmtes Ausbildungsziel im Sinn, und wenn das nicht erfüllbar ist, dann rückt man nur sehr, sehr schwer von diesem Ziel ab. – Ich verstehe das. Ich verstehe das völlig, nur erweitert dies nicht gerade den Handlungsspielraum. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Nun zu einer Personengruppe, um die es uns – glaube ich – ganz besonders gehen muß und der insbesondere mit dem Gesetz, das wir jetzt diskutieren, geholfen werden soll. Es gibt zunehmend auch in unserem Land junge Leute, die trotz intensivster Bemühungen nach der Pflichtschule keinen Einstieg in eine Lehre beziehungsweise in das Berufsleben finden und deshalb verzagt werden. Sie haben auf dem Weg des Erwachsenwerden das Gefühl – man muß sich das vorstellen! –, es ist die erste Erfahrung, die sie machen: Ich werde eigentlich nicht gebraucht, ich werde von der Gesellschaft nicht gebraucht. – Das ist nicht nur bitter, sondern zynisch und bedarf eben unter anderem dieses Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes, mit dem voraussichtlich – das ist das Ziel – 4 000 jungen Menschen in unserem Land Zukunftsängste genommen werden können. Das ist, glaube ich, auch der Kern der Überlegungen, die wir heute in dieser Debatte anstellen sollten.

Die Umsetzung in den Bundesländern obliegt der Landesprojektgruppe unter dem Vorsitz des Landeshauptmannes. Auch wenn wir in Niederösterreich in Sachen Jugendbeschäftigung recht gut liegen – wir haben eine Arbeitslosenquote bei Jugendlichen von 4,6 Prozent; der österreichische Durchschnitt liegt bei 6,1 Prozent –, wird es uns an Arbeit, davon bin ich überzeugt, auch in Niederösterreich in Zukunft nicht mangeln.

Wir werden im Herbst aus Mitteln des NAB – des Nationalen Aktionsplanes für Beschäftigung – 130 Millionen Schilling für 580 Jugendliche, die keine Lehrstelle finden, für Berufsvorbereitungslehrgänge und Lehrlingsstiftungen beanspruchen. Das wird jedenfalls ein wichtiger Baustein zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit in den Bundesländern sein.

In diesem Sinn stimmt meine Fraktion, die Fraktion der Österreichischen Volkspartei, dem vorliegenden Gesetzentwurf des Nationalrates selbstverständlich gerne zu. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.38

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Drochter. – Bitte.

10.38

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Zwei wichtige Materien liegen uns heute zur Beschlußfassung vor – es ist schon erwähnt worden –: ein Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz beziehungsweise die Novelle zum Berufsausbildungsgesetz selbst.

Beide Materien befassen sich mit wichtigen Themen der Gegenwart: der Ausbildung, den Ausbildungschancen von jungen Menschen in unserem Land.

Vorgesehen ist eine Reihe von Maßnahmen für Schulabgängerinnen und Schulabgänger, die keinen Lehrplatz finden können. Für diese sind schon – und dafür recht herzlichen Dank, Frau Bundesminister! – im nationalen Beschäftigungsprogramm Maßnahmen getroffen worden, um auch ihnen eine Ausbildungschance zu sichern.

Die Bundesregierung und die Sozialpartner – da waren vor allem auch die vorher getadelten gesetzlichen Interessenvertretungen, die Arbeiterkammern und die Gewerkschaften, sehr stark engagiert – waren bemüht, nicht nur Ratschläge zu geben, sondern waren auch bereit – und sind es heute noch –, Verantwortung zu übernehmen, damit den jungen Menschen in unserem Land ein Lehrplatz beziehungsweise ein Ausbildungsplatz zur Verfügung werden kann.


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642. Sitzung / Seite 150

Ich möchte aber auch auf eine Privatinitiative im besonderen hinweisen. Es hat derer eine Vielzahl gegeben, aber die Initiative von Ö 3 "Chance 98" hat natürlich die größte Publizität erhalten. Ö 3 hat seine Möglichkeiten für einen guten Zweck genützt, und es scheint, daß es ein zusätzliches Angebot von 1 300 Lehrstellen geben wird. Ich erwarte aber, daß es sich um zusätzliche Lehrstellen, nicht nur um ohnehin eingeplante Lehrlingsaufnahmen handelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Auffangnetz für Jugendliche ist, wie schon von meinem Vorredner erwähnt, nun geflochten. Jetzt muß es von uns, gemeinsam mit der Wirtschaft, gespannt und mit Leben und Taten erfüllt werden.

Ich gehe davon aus – und auch das hat mein Vorredner schon erwähnt –, daß die in den Bundesländern vorgesehenen Projektgruppen, die für die Lehrlingsstiftungen und für die Berufslehrgänge verantwortlich zeichnen, jetzt schon tätig werden, damit diese Angebote im Herbst bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden können.

Aber auch die Unternehmer sind aufgerufen, einen zusätzlichen Beitrag zu leisten. Auch für sie ist vieles an Erleichterungen geschaffen worden, damit sie zusätzlich junge Burschen und Mädchen als Lehrlinge aufnehmen können.

Zuletzt möchte ich die 20 000 S Freibetrag für die ersten beiden Jahre beziehungsweise den Wegfall der Arbeitgeberbeiträge zur Unfallversicherung erwähnen.

Aber auch schon Monate und Jahre davor ist sehr viel zur Erleichterung der Lehrlingsausbildung für Unternehmen geschehen. So entfallen in den ersten beiden Jahren die Krankenversicherungsbeiträge, für Lehrlinge muß kein Dienstgeberbeitrag mehr geleistet werden, die Altersgrenze im Hinblick auf Jugendschutz wurde von 19 auf 18 Jahre gesenkt. Im Handel gilt für Lehrlinge am Samstag eine Arbeitszeit bis 17 Uhr, Fenstertage können eingearbeitet werden, die Wochenendruhe wurde sehr praxisnahe geregelt. Sehr viele – sicherlich noch zu wenige – neue Lehrberufe wurden zugelassen. Um Ausbildner zu werden, müssen Unternehmer keine Prüfung mehr ablegen, es genügt die erfolgreiche Absolvierung eines Ausbildnerkurses. Den Unternehmen stehen natürlich auch die Angebote des AMS zur Verfügung. Unterstützung kann von ihnen in Anspruch genommen werden. Meistens sind das finanzielle Förderungen, wenn sie Lehrlinge ausbilden.

Ich glaube, daß von der Politik, von den Interessenvertretungen sehr viel an organisatorischer Erleichterung geschehen ist, und zwar durch gesetzliche Regelungen. Vor allem gibt es eine große und intensive finanzielle Unterstützung, und das muß uns das auch wert sein. Ich bin davon überzeugt, daß die Bundesregierung und die Sozialpartner mit den Maßnahmen, die in die Richtung gehen, Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen, einen wichtigen Schritt gesetzt und somit vor allem den Erwartungen junger Menschen, aber auch vieler Eltern entsprochen haben.

Österreich darf und will es sich nicht leisten, daß arbeitswillige, ausbildungswillige junge Menschen auf der Straße stehen. Wie schon erwähnt, sind für die Lehrlingsstiftungen und für die Berufslehrgänge Projektgruppen in den Ländern zuständig. Verantwortung zeigt nicht nur der Landeshauptmann in diesen Projektgruppen, sondern mit eingebunden sind auch die Sozialpartner, der Landesschulrat, das Arbeitsmarktservice selbst, aber auch die Leiter der Lehrlingsstellen der Wirtschaftskammer, die ja einen Überblick über ihr Bundesland haben müssen.

Für uns als Vertreter der Arbeiterkammern und Gewerkschaften war es wichtig, daß die Lehrlingsstiftungen und Berufslehrgänge rasch und einfach zugänglich sind, daß sie aber auch die entsprechende Qualität anbieten und daß diese Qualität auch gesichert ist. Wir haben auch Sorge dafür zu tragen, daß das Auffangnetz nicht zu einer Ausbildungssackgasse wird, sondern vor allem die Chance für einen neuen Start, vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt, in das bewährte und europaweit anerkannte österreichische duale Ausbildungssystem bietet.

Wichtig ist daher, daß es zu raschen Zuweisungen in die einzelnen Maßnahmen durch das AMS kommt, wenn ein Lehrstellenmangel gegeben ist, die Berufslehrgänge voll auf eine einschlägige


Bundesrat
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Lehrausbildung angerechnet werden, die Jugendlichen sozialrechtlich den Lehrlingen gleichgestellt sind und eine Ausbildungsbeihilfe bekommen.

Neu in unserem Ausbildungssystem ist, daß auch Jugendliche mit persönlichen Vermittlungshindernissen nun in eine Vorlehre gehen können, aber ebenfalls die Berufsschule besuchen können. Die Vorlehre ist bei einer anschließenden Lehrausbildung anzurechnen. Arbeits- und sozialrechtlich sind diese Jugendlichen den Lehrlingen gleichgestellt. Ich glaube, daß das ein entscheidender Schritt für jene gewesen ist, die persönliche Vermittlungshindernisse haben, die vielfältig sein und viele Ursachen haben können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur die Qualität der Vorsorge ist beachtlich, sondern auch die Quantität. Es wurde hier schon erwähnt, daß ab Herbst heurigen Jahres rund 1 500 Jugendliche zusätzlich, wenn notwendig, in Lehrlingsstiftungen untergebracht werden können und daß weiters für 2 500 Mädchen und Burschen österreichweit Vorsorge getroffen wird, damit die jungen Menschen in den Berufslehrgängen einen Start oder eine neue Chance haben.

Ich erlaube mir aber heute, auch darauf hinzuweisen, daß künftig das Platzangebot an den berufsbildenden Schulen deutlich vergrößert werden muß. So mußten allein in Wien im vergangenen Jahr über 1 000 junge Burschen und Mädchen wegen Platzmangels an den berufsbildenden Schulen abgewiesen werden.

Auch das Repetierverbot für Erstklassler – ich glaube, es ist schon weggefallen – war unzumutbar. Die bekannten pädagogischen Mängel könnten sicherlich durch eine Anhebung der pädagogischen Qualität beseitigt werden.

Ganz wichtig und entscheidend für die weitere Lebensgestaltung von Jugendlichen ohne Hauptschulabschluß ist nun die Möglichkeit, den Hauptschulabschluß bis zum 18. Lebensjahr kostenlos nachzuholen – ein sehr wichtiger Schritt vorwärts im Interesse der Jugendlichen. Wir wissen, welche Bedeutung der Hauptschulabschluß in Österreich hat. Er ist eine wesentliche Voraussetzung für eine Grundqualifizierung in unserem Land und eine wesentliche Voraussetzung dafür, überhaupt eine Lehrstelle zu bekommen.

Wir Sozialdemokraten werden daher dem vorliegenden Förderungsprogramm, dem Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, und der Novelle zum Berufsausbildungsgesetz gerne die Zustimmung geben, weil wir davon überzeugt sind, daß dadurch ein wichtiger Beitrag geleistet wird, daß für 40 000 junge Burschen und Mädchen, die wahrscheinlich ab heute die Pflichtschule verlassen und demnächst einen Ausbildungsplatz in Österreich – von Vorarlberg bis ins Burgenland – suchen werden, eine echte, eine reale Chance besteht, diesen auch zu finden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

10.48

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute über das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz. Wenn ich mir anschaue, wie viele Bundesräte von SPÖ und ÖVP noch hier im Saal sind, dann komme ich zu dem Schluß, daß die Lehrlingsausbildung für die Regierungsparteien nur von mäßigem Interesse sein kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das Gesetz beginnt ja leider gleich mit einer Ungerechtigkeit, weil etwas in dem Gesetz nicht enthalten ist. Und zwar wird im Gesetz nur von den Ausbildungsjahrgängen 1998 und 1999 gesprochen, kein Mensch sagt aber, was mit den Lehrlingen passiert, die seit 1997 keinen Ausbildungsplatz haben. Dies ist nämlich nicht geregelt, und das finde ich äußerst bedauerlich.


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 152

Obwohl wir dieser Regierungsvorlage unsere Zustimmung geben werden, muß man feststellen, daß sie kein Grund zum Jubeln ist. Es handelt sich – meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, das dürfen Sie nicht vergessen – hiebei um ein Provisorium.

Frau Ministerin! Sie können ruhig mit den Achseln zucken, es ist bedauerlicherweise trotzdem ein Provisorium, und die Gefahr, daß es eines bleibt, ist in Österreich ganz besonders groß. Denn jeder weiß, daß Provisorien in Österreich immer besonders lange halten. (Bundesministerin Hostasch: Wollen Sie es jetzt oder nicht?)

Selbstverständlich meinen auch wir: Ehe Jugendliche auf der Straße stehen, ist es besser, sie sind irgendwo untergebracht. Aber es kann doch nicht Ihr Ziel sein, die Lehrlinge irgendwo unterzubringen, anstatt sich zu bemühen, sie in ein geregeltes Lehrverhältnis zu bringen. Und genau dies tun Sie. Diese Lehrgänge und Lehrlingsstiftungen sind eben nicht einem normalen Lehrverhältnis eins zu eins gleichzusetzen. Man sieht auch schon an den Zwischenrufen, daß trotz aller Beteuerungen das duale Ausbildungssystem, das durch diese Maßnahmen gefährdet ist, eben nur ein Lippenbekenntnis ist. Weite Teile der SPÖ betrachten das duale Ausbildungssystem ohnedies mit scheelen Augen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Kainz: Das müssen Sie aber der Wirtschaft sagen!)

Weil Ihnen eine Aktion im Moment gelungen zu sein scheint, besteht für Sie überhaupt kein Grund, sich deswegen zurückzulehnen. Vielmehr müssen Sie die Ursachen des Problems bekämpfen. Sie greifen ja ohnehin schon nach jedem Strohhalm. Wenn ein Sender wie Ö 3 plötzlich damit beginnt, Lehrlinge zu vermitteln, kann das doch nicht das Nonplusultra sein! (Bundesrat Steinbichler: Trotzdem ist diese Aktion lobenswert!)

Herr Kollege Steinbichler! Speziell Sie sollten jetzt besonders gut zuhören, weil Vertreter Ihrer Fraktion ja immer betonen, daß die ÖVP die Wirtschaftspartei sei. Wenn dem so ist, sind die Vertreter Ihrer Partei, die Unternehmer, hier besonders gefordert. Also wenn Sie mir zuhören, brauchen Sie sich vielleicht nicht so aufzuregen.

Jedes Problem hat auch eine Ursache. In allen Umfragen werden von Unternehmen selbstverständlich immer wieder die Kosten, überzogene Schutzbestimmungen, bürokratische Hürden et cetera als Gründe angeführt. (Bundesrat Schöls: Darüber hat der Haberler im niederösterreichischen Landtag eh schon etwas gesagt!)

Sie dürfen auch nicht vergessen, für welche Gruppe von Menschen Sie diese Lehrgänge und Lehrlingsstiftungen machen. Ein Lehrling ist normalerweise jemand, der sich deswegen zu einer Lehre entschlossen hat, weil er praktisch arbeiten möchte. Ein Lehrling hat überhaupt – die Jugendlichen würden da sagen: "null Bock darauf" – kein Interesse daran, die Schulbank weiter und länger zu drücken, als unbedingt notwendig ist. (Zwischenrufe des Bundesrates Steinbichler. )

Herr Kollege Steinbichler! Vielleicht melden Sie sich nach meiner Rede noch zu Wort. Es steht Ihnen ja frei, nicht? – Reden kann immer nur einer, singen können wir dann gemeinsam.

Da Lehrlinge praktisch arbeiten wollen, muß es das oberste Ziel sein – auch von Ihnen, Frau Minister –, diese Lehrlinge in geregelten Lehrverhältnissen unterzubringen. Ich weiß schon, daß dies im vorliegenden Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz verankert ist, und Sie haben dies auch schon gesagt. Ich möchte ja nicht behaupten, daß Sie es nicht als das Ziel erachten, diese Jugendlichen dort unterzubringen. Selbstverständlich! Aber solange sich die Regierungsparteien nicht dazu durchringen, strukturelle Maßnahmen zu setzen, werden Sie damit keinen Erfolg haben. (Bundesrat Schöls: Kollege Molterer versteht von Beamten etwas – im Gegensatz zu Ihnen bei den Lehrlingen!)

Es kann nicht so sein, daß Sie jetzt nur eine Notmaßnahme ergreifen – auch wenn Sie den Jugendlichen vorläufig zugute kommt. Man muß natürlich dabei in Betracht ziehen, daß wir jetzt den EU-Ratsvorsitz haben und im nächsten Jahr Nationalratswahlen vor der Tür stehen. In dieser Situation unternehmen Sie ja immer besondere Kraftanstrengungen, damit Sie möglichst gut dastehen. (Bundesrat Schöls: Diese Maßnahme ist doch nicht schlecht!) Doch: Wenn sie


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nicht längerfristig greift, ist sie schlecht. Sie ist im Moment gut, aber Sie müssen ja ein bißchen über den Tellerrand hinausschauen und auch an übermorgen denken. Es genügt nicht, nur an morgen zu denken.

Ich würde mir wirklich wünschen, daß bei Ihren Anliegen eben nicht immer Wahlen, ein Vorsitz oder sonst irgendwas im Vordergrund stehen. Vielmehr müssen Sie den Jugendlichen eine Zukunftsperspektive geben, durch die sie auch nach Beendigung dieser Lehrgänge oder Lehrlingsstiftungen eine Aussicht auf einen Arbeitsplatz haben.

Wenn man die Kosten von 1,8 Milliarden Schilling in Erwägung zieht, müssen Sie sich schon die Frage gefallen lassen, ob man mit diesem Geld nicht besser strukturelle Maßnahmen hätte treffen können – Maßnahmen, die dazu führen, daß mehr Arbeitsplätze geschaffen und auch mehr Lehrlinge untergebracht werden können. Damit könnten sich die Lehrlinge diesen Umweg sparen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daher appelliere ich an Sie, sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien: Haben Sie den Mut zu echten Reformen! Damit müßten die Jugendlichen sich nicht nur mit den derzeitigen Maßnahmen begnügen. Sie würden damit nicht nur zu dem Zweck, daß es nicht so auffällt, daß so viele Jugendliche arbeitslos sind, "zwischengeparkt" werden. Die Lücke ist ja nicht wirklich kleiner, sondern eher immer größer geworden. Jetzt ist nämlich die Zeit dafür, jetzt müssen Sie strukturelle Maßnahmen setzen, jetzt müssen Sie Reformen durchführen, damit die Jugendlichen auch in Zukunft eine Chance auf einen Arbeitsplatz und überhaupt auf eine Beschäftigung haben und somit nicht sich selbst überlassen sind.

Da wir alle wissen, wie gefährlich das wäre, werden wir dieser Regierungsvorlage auch unsere Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.56

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Freiberger. – Bitte.

10.56

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eingangs vielleicht einige Bemerkungen zu den Ausführungen von Kollegin Mühlwerth: Frau Kollegin Mühlwerth! Kollege Drochter hat in seinen Ausführungen sehr deutlich aufgezeigt, welche strukturellen Veränderungen vor allem auch in Ihrem Sinne (Bundesrätin Mühlwerth: Das wissen Sie schon so lange! Warum machen Sie es denn nicht?)  – hören Sie mir ein bißchen zu? – bereits geschehen sind. Diese finden nicht immer unsere uneingeschränkte Zustimmung, denn in einer Koalition müssen Kompromisse eingegangen werden, also man muß auch manchmal nachgeben. Es hat sich aber herausgestellt, daß genau die Maßnahmen, die Sie fordern, um mehr Lehrplätze zu schaffen, in der Praxis nicht funktionieren. Deshalb sind andere Maßnahmen unbedingt erforderlich und notwendig.

Ich möchte auf eine davon, nämlich auf die sogenannten Regellehrverhältnisse, die von Ihnen so beschworen und hochgehalten werden, speziell eingehen. Mir ist es lieber, daß Jugendliche in Einrichtungen kommen, in denen gewährleistet ist, daß nach Qualitätskriterien ausgebildet wird. Ich habe dies bei der letzten Bundesratssitzung, als wir den Berufsbildungsbericht diskutiert haben, sehr deutlich ausgeführt. Dies hat dann sowieso helle Aufregung ausgelöst – aber es ist so. Zum Beispiel fallen in der Steiermark über 40 Prozent der Elektroinstallateurlehrlinge bei der Lehrabschlußprüfung durch. Man kann daher nicht behaupten, daß im privaten Gewerbe so hervorragend und so gut ausgebildet wird. Das heißt, daß wir dort strukturell etwas verändern müssen. Das wollte ich nur einleitend zu Ihren Anmerkungen gesagt haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich sage ja auch nicht, daß alle Unternehmer Engerln sind!) Ja, deshalb soll man an diesen Strukturen im Sinne von Qualitätsverbesserung etwas ändern und sich nicht nur darauf beschränken, Steuern zu senken und Schutzbestimmungen zurückzunehmen. Diese Maßnahmen allein garantieren sicher keinen zusätzlichen Lehrplatz.

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung setzt bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit – vor allem in bezug auf die Beschäftigung von Jugendlichen – Zeichen. Durch die Vorlage zum


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642. Sitzung / Seite 154

Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz wird dieses Ziel konsequent verfolgt. Denken wir an das vergangene Jahr, in dem Förderungen nach dem Gießkannenprinzip an Betriebe, die zusätzlich Lehrlinge eingestellt haben, vergeben wurden. Mit dieser Methode wurde weder das Ziel der Beschäftigung aller Jugendlichen erreicht noch wurde strukturell an der Berufsausbildung im Sinne einer Qualitätssteigerung etwas verändert. Dieses System wurde zu Recht oft kritisiert. Auch ich bin diesen Förderungen immer ablehnend gegenübergestanden, was ich bereits bei der letzten Diskussion über den Berufsbildungsbericht begründet habe.

Meine Damen und Herren! Durch den Beschluß des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes werden neue Ausbildungsformen möglich. Kollege Drochter ist in seinem Redebeitrag sehr ausführlich auf die Inhalte dieses Gesetzes eingegangen, sodaß ich mir eine Wiederholung ersparen kann. Eines ist in diesem Zusammenhang sicher: Den Jugendlichen ist es – sofern es sich nicht um ein Regellehrverhältnis handelt – nicht wichtig, in welcher Form sie eine Ausbildung bekommen – ob in Lehrgängen oder Lehrlingsstiftungen –, die Hauptsache ist, daß sie nicht auf der Straße stehen. Diese neuen Möglichkeiten sind eine echte Verbesserung gegenüber der jetzigen Situation. Und zu dieser Initiative ist der Bundesregierung zu gratulieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Hohes Haus! In bezug auf die Novelle zum Berufsausbildungsgesetz, worin die sogenannte Vorlehre geregelt wird, bin ich sehr skeptisch. Diese Möglichkeit bringt der Wirtschaft zwar billige Hilfskräfte, für die Jugendlichen ist dies aber ein Nachteil, vor allem im Hinblick auf die Qualität der Ausbildung. Da wären intelligentere Lösungen gefragt. Vorzeigebeispiele gibt es bereits. Wenn wir benachteiligten Jugendlichen tatsächlich helfen wollen, dann müssen wir sie noch intensiver betreuen und gezielt auf ihre Teilleistungsschwächen eingehen. In einer Vorlehre in einem Betrieb wird diese erhöhte Betreuung sicher nicht gegeben sein.

Meine Damen und Herren! Ich habe bei der Debatte über den Berufsbildungsbericht das Jugendausbildungsprojekt Söchau bereits vorgestellt. Ebenso erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang das Projekt "Jobstart" des Wiener BFI. In solchen Modellen wird die individuelle Betreuung der Jugendlichen gewährleistet. Durch die intensive Betreuung stellt sich auch der Erfolg ein. Benachteiligte brauchen mehr Unterstützung und kein niedrigeres Ausbildungsziel. Mir ist bewußt, daß die Einigung über die Vorlehre im Gesamtpaket zu sehen ist. In einer Koalition wird es immer Kompromisse geben. Diese Regelung entspricht nicht unserem Bestreben.

Meine Damen und Herren! Zusammenfassend stelle ich fest, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die innenpolitische Aufgabe Nummer eins ist. Mit den Vorschlägen im NAP, die von der Bundesregierung und von den Sozialpartnern akzeptiert und gutgeheißen werden, sind Akzente gesetzt worden. Die Vorkehrung, das Recht auf Ausbildung zu sichern, steht heute zur Beschlußfassung an. Die SPÖ sieht darin ein wichtiges Ziel verwirklicht. Wir stimmen diesen Vorlagen selbstverständlich zu. (Beifall bei der SPÖ.)

11.02

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Haunschmid. – Bitte.

11.02

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Insgesamt werden im heurigen Herbst allein in Oberösterreich 9 750 Schulabgänger auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz gehen. Dazu kommen in Oberösterreich noch jene rund 2 000 Jugendlichen, die im Vorjahr vorübergehend in Kursen und Ausbildungsprogrammen untergebracht wurden und heuer ebenfalls auf den Arbeitsmarkt drängen. Dem stehen aber nur 6 750 offene Lehrstellen gegenüber. Die Situation ist also ernst. Da wir uns dieser ernsten Situation bewußt sind und da wir nicht gewillt sind, zu akzeptieren, daß die Jugendlichen Opfer dieser – wie ich schon einmal erwähnt habe – verfehlten Sozialpolitik werden, stimmen wir, die Bundesräte der freiheitlichen Fraktion, dieser Gesetzesvorlage zu.


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Ich möchte Ihnen die Logik der beiden Haider – und zwar einerseits jene von Erich Haider, den Sie sehr wohl kennen, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, und andererseits jene von Jörg Haider – vorstellen:

"Der neue SP-Vorsitzende Erich Haider kann nicht so dumm sein, zu glauben, daß sich Arbeit verordnen lasse.

Trotzdem fordert er die Gemeinden auf, Lehrlinge einzustellen. Ein Federstrich – und wir haben kein Lehrlingsproblem mehr. So einfach ist die Welt gestrickt.

Warum nicht Haiders Logik zu Ende denken. Bringen wir doch alle Arbeitslosen unter, bei Ämtern, Behörden, Magistraten.

Oder hat Haider aus seiner früheren Tätigkeit bei der Linzer ESG vergessen, daß sich Posten nicht beliebig vermehren lassen, Geld kosten, Zahler brauchen? Auch die ESG sparte Posten ein, um die, die bestehen bleiben, mit vorhandener Arbeit abzusichern.

Die letzten, die diese Gleichung nicht verstanden haben, sind in der DDR gescheitert. Dort gab es vermeintliche Vollbeschäftigung, aber wenig Arbeit.

Ähnliches sollten nun unsere Gemeinden praktizieren, meint Haider. Dabei ruhen Arbeitsplätze, die auf Zuruf entstehen und nicht durch tatsächliche Nachfrage nach Personal, auf tönernen Füßen.

Folgen Gemeinden doch Haiders Zuruf, werden Lehrstellensuchende halt untergebracht, ohne daß sie Arbeit vorfinden, Beschäftigung, Herausforderung.

Kann es sein, daß diese Jugendlichen nicht besser Fortbildung betrieben?

Darf es sein, daß Gemeindebürger für diese Scheinbeschäftigung durch ihre Gemeinde zu zahlen haben?

Fragen, auf die Haider antworten müßte. Oder wollte er ohnedies nur politisches Kleingeld lösen?"

Meine Damen und Herren! Gegen diese Vorschläge verwahren sich die Freiheitlichen. Wir üben scharfe Kritik an den Ideen des neuen SPÖ-Landesvorsitzenden, mit denen die Lehrlingskrise bewältigt werden soll. Haider will jene Gemeinden, die heuer keine Lehrlinge aufnehmen, in der Öffentlichkeit an den Pranger stellen. Das ist Unsinn, sagen wir. An den Pranger gehören jene, die die Bedingungen für die Wirtschaft so verschlechtert haben, daß die Lehrlinge für die Unternehmen zu einer Belastung wurden. (Beifall bei den Freiheitlichen.) An den Pranger gehören jene, die nicht müde wurden, ein Sozialnetz zu spinnen, das laut einer Meldung in der heutigen "Presse" einfach nicht mehr finanzierbar ist. An den Pranger gehören jene, die auch gar nicht gewillt sind, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Unternehmer notwendig brauchen, um wieder Lehrlinge aufzunehmen.

Meine Damen und Herren! Dem möchte ich die Logik von Jörg Haider und seinen Freiheitlichen gegenüberstellen: Die Lehrlingsproblematik ist aufgeschoben und nicht aufgehoben. Immer mehr Betriebe sehen sich nicht mehr in der Lage, die Zeit und das Geld aufzubringen, um jungen Menschen die Chance zu geben, einen Beruf zu erlernen. Für die Schulabgänger des Jahres 1997 haben der Bund und die Länder die Krise bei den Lehrstellen nur durch das umfangreiche Sonderförderprogramm einigermaßen entschärfen können. So wurden viele Jugendliche nur deshalb in zusätzlichen Lehrstellen untergebracht, weil – wie gesagt – die Unternehmer dafür eine hohe Sonderförderung bekommen haben.

Dieses Sonderförderprogramm brachte jedoch nur eine kurzfristige Entlastung. Die notwendigen Reformen, um die Lehre für Jugendliche und Unternehmen gleichermaßen attraktiv werden zu lassen, blieben aus. Der Wettbewerb wird dadurch verzerrt, daß nur schwer vermittelbare


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Jugendliche und zusätzliche Lehrstellen gefördert werden. Die guten Schulabgänger und bewährte Ausbildungsbetriebe bleiben dabei leider auf der Strecke.

Auch das sogenannte "Kopfgeld" hat sich nicht bewährt. Selbst Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Leitl mußte eingestehen, daß das System der kopfmäßigen Sonderförderungen für zusätzliche Lehrstellen nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat. Deshalb wird das Land Oberösterreich die Schulabgänger des Jahres 1998 nicht mehr gesondert fördern, und es muß landesweit das Fördersystem umgestellt werden.

Der Landtag berät über die FPÖ-Initiativen. Die Freiheitlichen haben in den vergangenen Monaten ein umfassendes Lehrlingsförderprogramm in Oberösterreich erarbeitet und dazu Anträge im Landtag eingebracht. Diese Anträge werden nun in einem Ausschuß mit allen Fraktionen beraten. Ich möchte einige Punkte aus unserem Programm stichwortartig anführen: die Ausbildungsbetriebe steuerlich entlasten, Bevorzugung bei öffentlichen Aufträgen, Abschnittslehre mit Stufenmodell, Rotationsprinzip, neue Lehrberufe, die sinnvoll sind – wie schon bei der letzten Sitzung gesagt, verwahre ich mich dagegen, daß Lehrberufe geschaffen werden sollen, die nur einen anderen Lehrberuf ersetzen –, bewährte Ausbildungsbetriebe besonders fördern und Lehrlingsförderung entbürokratisieren.

Das heißt zusammenfassend: Unser Lehrlingsförderprogramm hat zum Ziel, richtige Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Lehre für Unternehmer und Lehrlinge gleichermaßen wieder attraktiv zu machen. Nur so ist gesichert, daß das duale Ausbildungssystem auch in Zukunft konkurrenzfähig ist und die Jugend beschäftigt werden kann. Die Lehrlingsfrage hat für uns eine ungemein gesellschaftspolitische Brisanz. Junge Menschen dürfen nicht auf der Straße stehen, wodurch sie möglicherweise auf dumme Gedanken kommen könnten. Deshalb gilt für uns Freiheitliche: Das Geld, das wir in die Ausbildung der Jugendlichen investieren, investieren wir in die Zukunft unseres Landes. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thumpser. – Bitte.

11.10

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Zur Kollegin Haunschmid gleich einleitend: Ich bin Bürgermeister einer Gemeinde, und ich bin froh darüber, daß meine Gemeinde die Aufgabe wahrnimmt, einen Lehrling auszubilden, weil auch die Gemeinden als Gebietskörperschaf-
ten Facharbeiterinnen und Facharbeiter brauchen, sei es im Büro als Verwaltungsassistenten und -assistentinnen, als Bürokauffrauen oder -männer, oder sei es am Bauhof als entsprechende Mitarbeiter. Deshalb meine ich, daß gerade die Gebietskörperschaft Gemeinde aufgerufen ist, auszubilden, neben allen anderen Gebietskörperschaften, die es gibt und die immer wieder genauso wie viele Wirtschaftsbetriebe auf qualifizierte Facharbeiterinnen und Facharbeiter zurückgreifen möchten.

Zur Kollegin Mühlwerth: Kollegin Haunschmid hat das an und für sich schon beantwortet. Es sind in den letzten Jahren auch von seiten des Arbeitsmarktservice entsprechende Lehrgänge für Jugendliche veranstaltet worden, die keine Lehrstelle gefunden haben. Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, ich bin froh über jede Initiative, die sich um Jugendliche kümmert – umso mehr, wenn es eine gute Initiative ist, wie zum Beispiel jene von Ö 3. Ich meine, daß Ö 3 Dank dafür gebührt.

Jede Initiative in diese Richtung gilt es zu unterstützen. Aber irgendwie habe ich, meine sehr geehrten Damen und Herren von der FPÖ, gerade in den letzten Stunden das Gefühl, daß Sie bereits irgendeinen Zwangsvertrag unterschrieben haben, sich mit dieser Unterschrift auch Ihre Meinung abgeholt haben (Bundesrat Dr. Tremmel: Sie müssen sich doch keine Sorgen um unsere Verträge machen!) und diese Meinung hier entsprechend populistisch vertreten. (Bundesrätin Mühlwerth: Man muß auch nicht alles toll finden, was ihr macht!)


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Meine Damen und Herren! Zum Inhalt der beiden zur Debatte stehenden Gesetze wurde schon viel gesagt. Es ist für eine Gesellschaft nichts verhängnisvoller als Jugendliche ohne Perspektiven, nichts ist gesellschaftspolitisch gefährlicher als Jugendliche ohne Ausbildung und ohne Sinn im Leben. (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir ja auch gesagt!) Nichts ist dramatischer als eine Politik, die nicht reagiert.

Viele Beispiele in anderen Ländern zeigen uns, wohin diese Problematik führt. Sie führt dazu, daß Jugendliche ihre eigene Wertschätzung verlieren, sie führt zu Drogen, sie führt zu Hoffnungslosigkeit, und schlußendlich führt sie zu Gewalt.

Damit Jugendliche nicht in diese Situation der Hoffnungslosigkeit kommen, muß alles unternommen werden, um ihnen Hilfestellung zu bieten. Das ist gerade bei Jugendlichen nicht leicht. Vielfach sind Jugendliche aufgrund ihrer Sozialisation, aufgrund ihrer persönlichen Entwicklung – wir wissen, gerade in diesem Alter ist der oder die Jugendliche mit einer Reihe von Problemen konfrontiert – sehr unterschiedlich. Es ist eine Tatsache, daß gerade in diesem Alter manche in ihrer Entwicklung weiter sind als andere und daß eine Vielzahl von Jugendlichen eine verzögerte Entwicklung hat. Nun müssen gerade für diese Jugendlichen Möglichkeiten geschaffen werden, die ihnen eine Perspektive geben. Diesen Jugendlichen muß der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden – nicht nur jetzt sofort, sondern mit in die Zukunft reichenden Maßnahmen.

Mit den Lehrlingsstiftungen beziehungsweise den Lehrgängen zur Berufsausbildung ist meiner Meinung nach ein richtiger Schritt gesetzt worden. Ziel muß es sein, so wie bei der Errichtung von Arbeitsstiftungen in den Krisenregionen und Krisenbranchen, den Jugendlichen Perspektiven zu geben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Wort noch zur Finanzierung: Es geht um Beträge von über 1 Milliarde Schilling, die für diese Maßnahmen zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang ist die Frage zu stellen, welchen Stellenwert wir der Ausbildung – gerade der Ausbildung von benachteiligten Jugendlichen – zumessen. Ich bin froh, daß diese Ausbildung einen sehr hohen Stellenwert hat und die Finanzierung deshalb gesichert ist.

Meine Damen und Herren! Es gibt kein Allheilmittel gegen Jugendarbeitslosigkeit, doch muß alles versucht werden, diese Jugendlichen ins Arbeitsleben zu integrieren. In diesem Sinne werden wir diesen Gesetzen zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte.

11.15

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Ich glaube, es ist nachvollziehbar, daß die österreichische Bundesregierung mit Unterstützung der Mehrheit in diesem Hohen Haus und auch in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der Entwicklung von Berufschancen für junge Menschen immer eine hohe Priorität beigemessen hat.

Das zeigt sich auch in den Arbeitsmarktdaten. Wir haben im Vergleich aller EU-Mitgliedstaaten die niedrigste Jugendarbeitslosenrate. Das heißt aber nicht, daß wir zufrieden sein können, denn jeder Jugendliche, der keine Berufschance sieht, keine Arbeitsmöglichkeit hat, ist eine Herausforderung, auch diesem eine Chance zu bieten. Ich glaube aber, es ist durch diese Daten zu beweisen, daß wir gerade für die Jugend alles tun, um Chancen, die wir sehen, eröffnen zu können.

Ich glaube, es ist auch hervorhebenswert, daß mit diesem Jugendausbildungsgesetz in Verbindung mit den steuerlichen Maßnahmen ein neuer Weg beschritten wird, der eine grundsätzliche Neuorientierung in der Förderung von Humanressourcen mit sich bringt. Ich meine, daß wir erstmals in einer generellen Form einen Lehrling durch einen Absetzbetrag im ersten


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Lehrjahr für die Unternehmungen steuerlich interessant machen und damit das tun, was wir zu Recht immer wieder als eine zukünftige Orientierung in der Steuerpolitik ansprechen, nämlich daß Humanressourcen in der Steuerpolitik berücksichtigt werden sollen. Das gilt ebenso für die Sozialversicherung aufgrund des Wegfalls der Sozialversicherungsbeiträge im ersten Lehrjahr beziehungsweise auch für den Krankenversicherungsbeitrag. In der weiteren Folge wird diese Maßnahme ergänzt werden.

Ich glaube, daß dies insofern bemerkenswert ist, als wir in der Vergangenheit durch gezielte Einzelförderungen immer wieder auch andere Wege zu gehen versucht haben. Ich denke aber, die Erfahrungen gerade aus dem Jahr 1997 zeigen, daß dieser generelle Ansatz zukunftsorientierter, vielversprechender und auch besser ist.

Sehr geschätzte Damen und Herren! Es ist auch wichtig, darauf zu verweisen, daß wir mit diesem Gesetz – durch die Änderung des Berufsausbildungsgesetzes – den Versuch unternehmen, festzustellen, inwieweit die Vorlehre unser duales Berufsausbildungssystem ergänzen kann und inwieweit dadurch echte zusätzliche Chancen für Jugendliche geboten werden können. Aus meiner Sicht darf eine derartige Ergänzung des Systems aber nicht dazu führen, daß die Qualität unseres hervorragenden dualen Berufsausbildungssystems leidet und die Facharbeiterausbildung nicht weiterhin jenen international hohen Standard hat, der für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und der gesamten Volkswirtschaft erforderlich ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich unterstreiche, was von einigen von Ihnen gesagt wurde, daß natürlich in erster Linie die Wirtschaft gefordert ist, für die Jugend eine Perspektive zu eröffnen, und daß die Politik die Rahmenbedingungen dazu schaffen muß. Sie hat diese auch geschaffen und wird sie weiterentwickeln. Ich glaube aber, daß es gerade die geburtenstarken Jahrgänge, mit denen wir konfrontiert sind, erforderlich gemacht haben, daß ergänzende Maßnahmen vorgenommen worden sind – wie dieses Auffangnetz, das nun zur Beschlußfassung vorliegt –, womit gerade für jene, die im traditionellen Lehrstellenmarkt keine Perspektive finden, eine zusätzliche Option geboten wird.

Besonders möchte ich auch darauf verweisen, daß die finanzielle Bedeckung für dieses Gesetz absolut sichergestellt ist. Es stehen 1,8 Milliarden für das Jahr 1998/99 zur Verfügung, und es besteht eine Übertragungsmöglichkeit, weil längerfristige Programme zu erfüllen sind, die auch das Jahr 2000 erfaßt. Wenn man noch den Steuerentfall von 200 Millionen Schilling dazunimmt, der durch die Einführung des Steuerfreibetrages anstehen wird, sind es de facto 2 Milliarden Schilling, die für die Unterstützung Jugendlicher und für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sehr sinnvoll und richtig eingesetzt werden.

Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zu den Beiträgen, die Frau Bundesrätin Mühlwerth und Frau Bundesrätin Haunschmid hier eingebracht haben. Ich glaube, wir sollten ehrlich sein und sagen, was für uns ein Lehrling bedeutet, was für uns eine junge Kollegin oder ein junger Kollege bedeutet, wenn wir über Lehrlingsausbildungsplätze sprechen.

Ist dies eine Belastung für ein Unternehmen (Bundesrätin Haunschmid: Ja sicher!), oder ist dies auch eine Investition in die Zukunft? (Bundesrätin Mühlwerth: Beides!) Ist es eine Investition in die Zukunft der Jugend, in die Zukunft einer Berufsperspektive, in die Zukunft der hohen Qualität der Facharbeit? – Ich denke, sehr geschätzte Damen und Herren, wenn wir bekritteln, daß die Wirtschaft nicht ausreichend Lehrplätze zur Verfügung stellt, und von der Wirtschaft fordern, das zu tun, dann frage ich mich, ob für Sie die Antwort ist, daß wir die Wirtschaft gesetzlich verpflichten sollten, für alle Jugendlichen Lehrstellenplätze anzubieten. (Bundesrätin Haunschmid: Rahmenbedingungen schaffen!) Ist nicht der Weg, den wir gehen, nämlich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu verbessern, aber darüber hinaus noch ergänzende Optionen anzubieten, der richtigere und jener, der auch unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsform entspricht?

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, daß wir mit diesen beiden Gesetzen einen ganz wichtigen und auch raschen Schritt gesetzt haben, um einem wichtigen Teil des Nationalen


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Aktionsplans für Beschäftigung den gesetzlichen Rahmen zu geben. Ich freue mich, vernommen zu haben, daß letztlich doch alle Fraktionen des Bundesrates diesen Gesetzen die Zustimmung geben werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse, die getrennt erfolgt.

Wir stimmen ab über den Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 über ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz betreffend ein Förderungsprogramm zur Sicherung ausreichender Berufsausbildungsmöglichkeiten erlassen wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

24. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (1105 und 1130/NR sowie 5705/BR der Beilagen)

25. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz geändert wird (1049 und 1131/NR sowie 5706/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 24 und 25 der Tagesordnung, über welche die Debatte gleichfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 24 und 25 hat wieder Herr Bundesrat Hager übernommen.


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Berichterstatter Wolfgang Hager:
Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Anspruch zu erheben.

Ebenso liegt Ihnen der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz geändert wird, vor.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte und die Antragstellung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Eisl. – Bitte.

11.24

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Es steht heute das Landarbeitergesetz zur Diskussion und zum Beschluß. Die Stellungnahmen der einzelnen Institutionen – der Landwirtschaftskammer und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft – üben an dieser Vorlage aber nicht wenig Kritik. Es wird beispielsweise von der Landwirtschaftskammer kritisiert, daß es sehr kompliziert ist, daß die Bürokratie deutlich erhöht wird und wieder neue Kostenbelastungen trotz Einkommenssenkungen auf die Landwirtschaft zukommen.

Es wird von der Landwirtschaftskammer Niederösterreich und auch von der Kärntner Landesregierung kritisiert, daß einige Bereiche strenger geregelt werden, als es nach EU-Recht überhaupt nötig wäre. Der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt kritisiert, daß die Kosten nicht aufgeschlüsselt werden und daß durch verstärkte Beratung aufgrund von Umschulungen Kosten anfallen werden. Die Rechtsanwaltskammer kritisiert, daß die Durchführung dieser verschiedenen Regelungen bei Saisonarbeitern sehr problematisch sein wird. Damit kommt eine weitere Belastung auf die Landwirtschaft zu.

Der Landwirtschaftsbereich ist, wie wir wissen, ausgelastet. Die Preise sind bis zu einem Drittel gesunken. Ich habe daher überhaupt kein Verständnis dafür, daß man ein Gesetz novelliert, das weitere Belastungen bringt, das aber keine Arbeitsplätze nach sich ziehen kann, weil sich bei solch einem Bürokratismus natürlich jeder davor scheuen wird, Arbeitsplätze zu schaffen oder Lehrlinge anzustellen.

Die Landarbeiterkammerwahl hat in den vergangenen Jahren schon ihre Schatten vorausgeworfen. Ich kann mich daran erinnern, daß wir in Salzburg einmal eine Landarbeiterkammerwahl mangels Wahlbeisitzern gar nicht durchführen konnten. In Gastein gab es beispielsweise drei Wahlberechtigte und drei Wahlbeisitzer; es sollten auch noch drei Ersatzmitglieder gemeldet werden, doch standen diese nicht zur Verfügung. Also hat man auf die Wahl verzichtet, sie übersprungen und die Periode auf zehn Jahre verlängert. Es wurden dann die Lagerhausarbeiter und die Molkereiarbeiter in die Landarbeiterkammer mitaufgenommen, damit die Kammer mehr Mitglieder hat. Sie hat aber heute noch zuwenig.

Nach unserer Ansicht reicht es bei weitem nicht aus, daß man eine Kammer mit zirka 250 000 Mitgliedern österreichweit mit Gewalt über Wasser hält. Es sagt auch die Rechtsanwaltskammer, daß die entsprechende Rechtslage und die soziale Sicherheit in Österreich gegeben sind und daß viele europäische Länder diese Richtlinie nicht vollziehen. Wir preschen schon wieder vor. Mit diesem Gesetz werden – diese Kritik kommt nicht von den Freiheitlichen, son


Bundesrat
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dern von verschiedenen Institutionen – dieser Berufsgruppe wieder mehr Belastungen aufgebürdet, als notwendig wäre.

Über die Pflichtmitgliedschaft ist heute schon diskutiert worden. Natürlich ist die derzeitige Situation – da gebe ich der Frau Bundesministerin schon recht – so, daß verfassungsmäßig festgelegt ist, daß es eine gesetzliche Abgabe, eine gesetzlich verpflichtende Mitgliedschaft gibt. Das ist klar, das ist selbstverständlich. Aber wir haben in diesem Lande schon genügend Verfassungsgesetze geändert. Wo ein Wille, da auch ein Weg! – Wenn man Erleichterungen schaffen wollte, dann könnte man es sicher auch.

Da ich gerade am Wort bin, muß ich Herrn Kollegen Bieringer, weil er gerade hier ist, eine Antwort betreffend den Vertrag der Freiheitlichen geben.

Herr Kollege Bieringer! Sie wissen ganz genau, daß Ihnen das Koalitionsübereinkommen zwischen SPÖ und ÖVP gar nicht die Möglichkeit gibt, gegen etwas zu stimmen. Das steht eindeutig im Koalitionsvertrag. Jetzt stelle ich die Frage: Was ist besser, ein Koalitionsabkommen, bei dem ich nicht einmal gegen einen ideologisch Andersdenkenden stimmen darf, oder ein innerparteilicher Vertrag? – Mir ist ein innerparteilicher Vertrag, der den Zweck hat, solche Auswüchse wie bei Rosenstingl zu verhindern, wesentlich lieber als ein Koalitionsabkommen in der Fraktion, das mich verpflichtet, mit meiner Meinung hinterm Berg zu halten und nicht so zu stimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir werden auch dieser Vorlage ... (Bundesrat Bieringer: Ich verstehe deine Logik nicht! Du hast ja kein freies Mandat mehr!) Das hast du ja auch nicht! (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Du kannst den Saal verlassen, das ist deine einzige Möglichkeit. Du kannst bestenfalls die Flucht ergreifen, aber sonst nichts! Sonst hast du keine Möglichkeit, Herr Kollege Bieringer! Das ist die traurige Realität. – Wir werden dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.30


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 162

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schaufler. – Bitte.

11.30

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Heute mit besonderer Wertschätzung – ich werde darauf noch zurückkommen.

Nun zu meinem Vorredner, Kollegen Eisl: Er spricht von Belastungen für die landwirtschaftlichen Dienstgeber, er spricht von einem Vorpreschen, er spricht von einem "Landarbeitergesetz". Jetzt darf ich mit Fug und Recht sagen, daß Sie entweder eine Brille benötigen oder den Gesetzestext nicht lesen können. Denn es geht hier um das Landarbeitsgesetz – Abkürzung: LAG –, und es geht nicht um die Landarbeiter. Diese werden von der Auswirkung des Gesetzes erfaßt. Ich möchte Sie bitten, das zu beachten.

Wenn Sie sich hier immer aufspielen und behaupten, für die Land- und Forstwirtschaft zu sprechen, dann halte ich Ihnen entgegen, daß ich mir in der letzten Zeit einmal die Mühe gemacht und hinterfragt habe, was denn Herr Kollege Eisl, was denn Herr Bundesrat Eisl eigentlich so tut. Ich habe von Land- und Forstwirtschaft in Ihrem Umfeld bei weitem nichts mehr entdecken können. (Bundesrat Dr. Tremmel: Führen Sie Listen? Was für ein Schnüffeldienst hat das gemacht?) Ich weiß nicht, wo Sie die Land- und Forstwirtschaft in Ihrer Umgebung hingebracht haben. Das ist ohnedies Ihre persönliche Sache, auf die ich mich nicht einlassen möchte.

Wenn Sie meinen, ein Gesetz sei kompliziert und bürokratisch ... (Bundesrat Eisl: Sie sind in diesem Fall befangen! Sie reden nur für Ihren Arbeitsplatz! Reden Sie nicht für andere, wenn Sie für dieses Gesetz eintreten, damit die Kammer bestehen bleibt! Das ist nämlich Ihre Sorge!) Dazu darf ich Ihnen Aufschluß geben: Wenn Sie sich über mich informieren wollen ... (Bundesrat Eisl: Die Kammer ist Ihr Arbeitsplatz! Kritisieren Sie nicht andere! Eines sage ich Ihnen nur ...!)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Eisl! Das wird jetzt schon ein Debattenbeitrag. Wenn Sie sich zu Wort melden wollen, dann tun Sie das bitte. Am Wort ist jetzt aber Kollege Schaufler.

Bundesrat Engelbert Schaufler (fortsetzend): Wenn Sie sich über mich erkundigen wollen, dann tun Sie es, und Sie werden draufkommen, daß ich keinen Arbeitsplatz in einer Kammer habe, sondern daß ich Dienstnehmer des Österreichischen Gewerkschaftsbundes bin, und zwar seit vielen Jahren. Das bin ich gerne. Ich möchte das dazusagen, weil ich gerne für die Anliegen der Dienstnehmer im allgemeinen und derjenigen in der Land- und Forstwirtschaft im besonderen eintrete und das als meine Lebensaufgabe sehe.

Ich glaube, das genügt – oder doch noch nicht. Denn da Sie gemeint haben, daß für die Saisonarbeiter eigentlich keine Bestimmungen notwendig seien, möchte ich sagen, daß Sie – auch aufgrund der Stellungnahmen Ihrer Kollegin Haunschmid gestern und heute – eigentlich draufkommen müßten, daß Saisonarbeiter in gewissen Bereichen notwendig sind. Diese möchten Sie recht- und schutzlos haben? Wie die gesamten 50 000 Dienstnehmer in der Land- und Forstwirtschaft? – Wenn nämlich Ihre Forderungen umgesetzt werden würden, dann hätten wir diesen Zustand. Das wollen Sie? Das wollen Sie ernsthaft?

Wie Sie mit Kammern umgehen, das haben Sie heute schon dokumentiert. Bei der niederösterreichischen Landarbeiterkammerwahl vor knapp eineinhalb Jahren haben Ihre Freunde – nicht meine, sondern Ihre Freunde – kandidiert. Recht lustig war das: Der erste ist von der Liste noch im Zuge des Wahlverfahrens abgesprungen. Der zweite konnte kein Mandat annehmen, weil er nicht kammerzugehörig war. So ist dann eine Person – mehr als drei haben Sie ohnehin nicht als Kandidaten aufgebracht – übriggeblieben, eine Dame, die ich sonst sehr schätze.

Aber Sie waren nicht einmal in der Lage, das Mandat endgültig anzunehmen, weil Sie für die Kammer und für die Dienstnehmer in der Land- und Forstwirtschaft – das unterstelle ich Ihnen bewußt – sowieso kein Gefühl haben. Erst nach massiven Interventionen – Ihr ehemaliger Kollege Waldhäusl kam seinerzeit und fragte, wie wir das Problem lösen können, und ich sagte ihm: Ganz einfach, schicken Sie die Dame in die Kammer, und sie wird angelobt werden –, erst nachdem wir an die Öffentlichkeit gegangen waren, hat es zu funktionieren begonnen. Jetzt darf ich sagen, daß die Niederösterreichische Landarbeiterkammer in ihrer Vollversammlung wieder vollzählig ist. – Aber Sie haben sich nicht darum gekümmert, und dann stellen Sie sich hierher und möchten gute Ratschläge geben!

Es gibt in der Land- und Forstwirtschaft nach wie vor einen breiten Ausbildungsbereich – auch das entsprechende Berufsausbildungsgesetz wird heute geändert –, und viele Menschen, überwiegend junge Mädchen, streben dort einen Lehrberuf an. Es sind immerhin 1 500, die alljährlich eine Lehrstelle bekommen und dort ihre Ausbildung durchführen.

Ich begrüße dieses Gesetz, das heute beschlossen wird. Ob Sie dem zustimmen oder nicht, ist wenig von Bedeutung. Das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz bringt es mit sich, daß die Verwandtstellung der landwirtschaftlichen Berufe hin zu den gewerblichen Berufen untermauert wird und Anrechnungsbestimmungen leichter durchgeführt werden können sowie tatsächlich durchgeführt werden. Das möchte ich Ihnen klarmachen.

Es betrifft 1 500 Menschen. Diese liegen Ihnen ja nicht am Herzen. Für mich und für meine Partei aber darf ich feststellen: Uns liegt jeder einzelne Mensch am Herzen, und wo immer wir können, werden wir ihm Hilfestellung geben, wenn er diese braucht, ganz im Sinne der Subsidiarität und Solidarität. – Aber Sie haben mit diesem Gedankengut sehr wenig am Hut und können sehr wenig damit anfangen.

Für mich, für meine Gruppe und für die ÖVP insgesamt ist das heute eine Sternstunde! Denn das Landarbeitsgesetz hat genau im soeben vergangenen Monat, im Juni, sein 50jähriges Bestehen, seinen 50. Geburtstag feiern können. Dem Gesetzgeber ist schon vor 50 Jahren etwas gelungen, wofür heute noch in weiten Bereichen – in allen anderen Bereichen von Gewerbe und Industrie – gekämpft wird. Es ist nämlich gelungen, in einem Arbeitsrecht alle Bestim


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mungen zusammenzufassen, sodaß wir sagen können: In diesem Bereich haben wir ein kodifiziertes Arbeitsrecht.

Daß manches immer wieder den Entwicklungen anzupassen ist, ist selbstverständlich. Ich denke an das Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz; da können wir unser Grundrecht halten, bei einer Betriebsveränderung auch das Austrittsrecht zu sichern. Das gibt es im anderen Bereich nicht. Ich denke an das Abfertigungsgesetz, wie wir Arbeiter es seit 1948 kennen. Dieses ist sehr gerecht gestaltet, denn es enthält nicht die im Angestellten- und allgemeinen Bereich als ungerecht zu bezeichnende Stufenlösung – 3, 5, 10, 15, 20, 25. Im landwirtschaftlichen Bereich wächst eine Abfertigung alljährlich um einen Prozentsatz an, sodaß Kontinuität besteht. Die Sprünge sind abgeschafft.

Ich weiß, daß eine lineare Anhebung der Abfertigung selbstverständlich im Gedankengut des ÖGB und aller, die sich tatsächlich mit Arbeitnehmerinteressen beschäftigen, verankert ist. Wir haben es in diesem Bereich nur noch nicht umsetzen können. Das ist aber das Ziel. – Alle diese Dinge sind vor 50 Jahren gelungen und wurden im Zuge der letzten fünf Jahrzehnte ausgebaut.

Meine Herren und Damen von der F! Da Sie hier im Bundesrat sitzen, möchte ich Sie darauf hinweisen, daß das Landarbeitsgesetz eigentlich ein zutiefst föderatives Gesetz ist. Denn es gibt ein Grundsatzgesetz, und daneben gibt es die Ausführungsgesetze. Natürlich bedeutet das ein bißchen Arbeit für die Legisten, aber andererseits ergeben sich daraus ungeheure Möglichkeiten dazu, auf die einzelnen Länder und ihre Eigenheiten einzugehen und Verbesserungen zu schaffen.

Wir kennen zusätzlich zu den allgemeinen Feiertagen in jedem Land den sogenannten Landesfeiertag. Wir haben damit eine neue Möglichkeit geschaffen. In manchen Ländern gibt es sogar deren zwei, und wir sind stolz darauf, daß das in der Land- und Forstwirtschaft erreicht werden konnte. Sie möchten das mit einem Federstrich wegbringen. Das spricht für Ihre Politik. Das werden wir den Leuten selbstverständlich immer wieder sagen. Das wird unsere Aufgabe sein, eine der schönen Aufgaben: zu zeigen, wer für sie einsteht und wer sie eigentlich nicht einmal mehr beachtet.

Es war einmal anders. Ich könnte stundenlang darüber reden, wie es früher war. Der Auftrag nach 1945 – das ist ein beliebter Satz von mir – an die gesamte Land- und Forstwirtschaft, ob Selbständige oder Unselbständige, lautete: Deckt uns den Tisch! Diesen Auftrag hat die Land- und Forstwirtschaft insgesamt so gut erfüllt, daß wir heute mehr als versorgt sind. – Das bringt uns neue Probleme, aber darüber sprechen wir heute nicht.

Zurück zum Landarbeitsgesetz. Es ist in seiner geteilten Kompetenz ein zutiefst föderatives Gesetz. Nehmen Sie sich ein Beispiel an der Sozialdemokratie. Die Sozialdemokratie hat ab 1948 über Jahrzehnte hinweg immer wieder eine sogenannte "Verbundlichung" des Landarbeitsgesetzes gefordert. Das möchte ich Ihnen hinter die Ohren schreiben. Sie hat das immer wieder gefordert, ist aber in den letzten zehn Jahren zum Umdenken gekommen, weil sie erkannt hat, daß hiemit ein Gesetz vorliegt, das für die Arbeitnehmer gut ist. Manches ist sogar auf andere Bereiche übertragbar, sodaß man manche Anleihe machen kann.

Sie sollten auch lernen – vielleicht gelingt es Ihnen in einem Lernprozeß –, für die Dienstnehmer in der Land- und Forstwirtschaft etwas positiver zu denken.

Die neuen Bestimmungen, die auf uns zukommen, sind weder zu bürokratisch noch sonst etwas. Auslösend war der Beitritt zur Europäischen Union. Wir haben ganz bewußt einige Jahre zugewartet, weil wir wußten, daß dafür neue Richtlinien kommen werden. Jetzt haben wir ein modernes Arbeitnehmerschutzgesetz zustande gebracht, und zwar in sozialpartnerschaftlicher Manier.

Das wollen Sie jedoch auch nicht, denn hinter der Sozialpartnerschaft stehen wieder die Kammern und die Gewerkschaften. Das wollen Sie deshalb auch nicht. Also was wollen Sie eigentlich im Staate Österreich? (Bundesrat Dr. Tremmel: Freie Menschen!) – Diese Frage stelle ich mir oft, wenn ich mich mit der F befasse. Die Antwort können Sie mir nicht geben, diese ist auch


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nirgends zu finden. Es scheint mir so zu sein, als wäre Destruktion Ihr Ziel und Ihre Aufgabe. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist reine Polemik!)

Wir kommen nunmehr – das ist in der Land- und Forstwirtschaft ein großes Ziel gewesen, da waren wir hintennach – zu einer täglichen Höchstarbeitszeit. Gleichzeitig haben wir mit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit, die das andere Arbeitsrecht noch nicht kennt, eine Flexibilisierung hereingebracht. Wir haben somit gute Bestimmungen zustande gebracht, in sozialpartnerschaftlicher Manier, mit den Arbeitgebern und mit den Arbeitnehmern.

Ich möchte mich bei der Frau Ministerin herzlich dafür bedanken, daß sie selbst federführend tätig war und in ihrem Ministerium für Arbeit und Soziales Frau Sektionschefin Dr. Knöfler hervorragende Arbeit geleistet und zwischen den Sozialpartnern koordiniert hat. Wir haben unser Ziel erreicht. Wir haben zum 50. Geburtstag ein modernes, zielorientiertes Landarbeitsgesetz zustande gebracht.

Sie haben auch eine Bemerkung zu den Kammern gemacht, zu den Kammerwahlen in Salzburg und dergleichen. Sie haben daran einige Kritik geübt. Ich möchte Ihnen dazu nur eines sagen: Das Landarbeitsgesetz ist für die Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft ebenso unverzichtbar wie die eigenen Landarbeiterkammern. Das wissen die Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft. Denn wie hätten wir sonst bei der Befragung eine Zustimmung im Ausmaß von 95 bis 97 Prozent erhalten können?

Das wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen. Daher sage ich Ihnen so oft, bis Sie es vielleicht doch begreifen, daß 97 Prozent für uns ein Auftrag sind, für die Dienstnehmer in der Land- und Forstwirtschaft weiterzuarbeiten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Grillenberger. – Bitte.

11.42

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Das Landarbeitergesetz ist jetzt sehr ausführlich besprochen worden. Die Gesetzesnovelle geht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Richtlinien von einer Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Dienstgeber sowie von der Verpflichtung zur Eigeninitiative und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen aus. Dabei wurden die Grundsätze zur Umsetzung der EU-Richtlinien berücksichtigt.

Eine weitere Zielvorgabe ist die Angleichung der Rechtsstellung der Land- und Forstarbeiter an die Arbeitnehmer, die dem Urlaubszeitgesetz und dem Arbeitszeitgesetz unterliegen. Die Arbeitszeitrichtlinien und die Jugendarbeitszeitrichtlinien wurden analog in der Arbeitszeitgesetznovelle und in der Kinder- und Jugendbeschäftigungsnovelle umgesetzt.

Mit der Novelle wurde auch eine Flexibilisierung, eine Gestaltungsmöglichkeit in der Arbeitszeit geschaffen. Die regelmäßige Wochenarbeitszeit darf grundsätzlich nur 40 Stunden betragen, die Tagesarbeitszeit wurde mit einer Ausnahmeregelung generell mit 9 Stunden begrenzt. Für die Dienstnehmer mit freier Station, die mit dem Dienstgeber in einer Hausgemeinschaft leben, darf sie 42 Stunden nicht überschreiten. Wenn in der Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichen Umfang Arbeitsbereitschaft anfällt, kann die regelmäßige Wochenarbeitszeit durch Kollektivvertrag auf höchstens 60 Stunden, die Tagesarbeitszeit auf höchstens 12 Stunden verlängert werden.

Meine Damen und Herren! Ich denke, es ist ungemein schwierig, für die Land- und Forstwirtschaft ein vollständiges, generelles Arbeitszeitmodell zu entwerfen. Zu groß sind die Unterschiede in den Anforderungen und Auswirkungen in der Landwirtschaft, die täglich zu bewältigen sind. Der Großteil der bäuerlichen Bevölkerung arbeitet noch unverändert nach aufgabenbezogenen Kriterien des traditionellen Zeitbewußtseins und nicht nach den Kriterien der Lohnarbeit. Das muß man auch einmal feststellen. Das Arbeitsende tritt erst mit der Erfüllung


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der Arbeitsaufgabe ein. Ich denke, das ist so in der Landwirtschaft. Daher ist die Durchrechnungsregelung auf Kollektivvertragsbasis mit der Weitergabemöglichkeit in den Betriebsvereinbarungen nur zu begrüßen. Das war sicherlich ein sehr großer Fortschritt.

Meine Damen und Herren! Mit der Novelle, mit der das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz geändert wird, ist die Möglichkeit geschaffen worden, die Ausführungsgesetzgebung bestimmter Lehrberufe – insbesondere aus dem gewerblichen Bereich – mit jener aus dem land- und forstwirtschaftlichen Bereich verwandt zu stellen und gleichzeitig das Ausmaß der Anrechnung der Ausbildungszeit festzulegen. Damit wurden gute Voraussetzungen für die Lehrlingsausbildung geschaffen.

Meine Fraktion kann dem Gesetz ruhig zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege Eisl.

11.46

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Ich möchte diese dummen Äußerungen nicht im Raum stehen lassen. Herr Kollege Schaufler! Ich möchte Ihnen folgendes sagen.

Dazu, ob ich in der Landwirtschaft arbeite und wie ich meine Lebenshaltung bestreite, kann ich Ihnen nur sagen, daß ich seit meinem zehnten Lebensjahr und bis vor zwei Jahren in der Landwirtschaft gearbeitet habe. Ich bin Ihnen zwar in keiner Weise darüber Rechenschaft schuldig, sage aber, daß ich heute einen anderen Beruf habe, einen zusätzlichen Beruf. Ich bin seit meinem 22. Lebensjahr im Nebenerwerb als Handelsvertreter gereist und habe für zwei niederösterreichische Firmen Verkäufe abgeschlossen.

Das kann ich Ihnen zur Information sagen, wenn es Sie überhaupt interessiert. (Bundesrat Schaufler: Ich weiß über Sie Bescheid!) Anscheinend interessieren Sie sich sehr für mich. Ich denke, daß das in diesem Hause nicht angebracht ist. Ich habe mich auch noch nie über Sie erkundigt.

Angestellt war ich noch keinen Tag in meinem Leben. Ich habe meine Lebenshaltung immer selbst bestritten. Da lasse ich mir von Ihnen, der Sie einen sicheren Arbeitsplatz – mit Pflichtmitgliedschaft gesichert – haben, nicht vorhalten, daß ich in der Landwirtschaft nicht gearbeitet hätte! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Eisl! Wenn ich es jetzt streng auslegen würde, wie es die Praxis anderer Präsidenten ist, müßte ich Ihnen für die Äußerung "diese dummen Äußerungen" einen Ordnungsruf erteilen.

Ich tue es nicht, möchte aber dringend darum ersuchen, sich um eine Sprache zu bemühen, die der Würde des Hauses entspricht. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Gibt es eine weitere Wortmeldung? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse getrennt erfolgt.

Wir stimmen ab über den Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird.


Bundesrat
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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit. (Ruf bei den Freiheitlichen: Einhellig!)  – Blind bin ich nicht, bitte, es war nicht jede Hand in der Höhe.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist aber trotzdem angenommen.

26. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1984 und das Krankenanstaltengesetz geändert werden (745/A und 1269/NR sowie 5707/BR der Beilagen)

27. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den kardiotechnischen Dienst (Kardiotechnikergesetz – KTG) erlassen wird und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert werden (1166 und 1272/NR sowie 5708/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 26 und 27 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1984 und das Krankenanstaltengesetz geändert werden, und weiters

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den kardiotechnischen Dienst erlassen wird und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 26 und 27 hat wieder Herr Bundesrat Hager übernommen. – Bitte.

Berichterstatter Wolfgang Hager: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1984 und das Krankenanstaltengesetz geändert werden, liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Beschluß des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den kardiotechnischen Dienst erlassen wird und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert werden, liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor.


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Der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales stellt auch in diesem Fall nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte und die Anträge.

Wir gehen nun in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte.

11.51

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Immer wieder wird auch von den Regierungsparteien selbst kritisiert, daß wir eine Gesetzesflut haben. Das erachte ich für besonders pikant, weil die Regierung selbst dafür sorgt, daß es eine Gesetzesflut gibt. Wir sehen, daß jede Menge Novellen stattfinden, die meistens in kurzem Zeitabstand aufeinander folgen.

Heute wird neuerlich ein Beweis dafür geliefert, daß gar nicht daran gedacht wird, an der Gesetzesflut etwas zu ändern. Sonst wäre es nämlich unmöglich, daß wir heute ein Gesetz vor uns liegen haben, das genau 39 Personen betrifft. Es geht dabei um 39 Kardiotechniker.

Es ist mir klar, daß dieser Bereich einer gesetzlichen Regelung bedarf. Denn der Beruf eines Kardiotechnikers ist äußerst verantwortungsvoll, daher ist auch aus meiner Sicht zu bestätigen, daß man dafür eine Rechtsgrundlage bereitstellen muß. Unsere Kritik betrifft nicht das Gesetz an sich, sondern den darin enthaltenen Punkt, daß die Kenntnisse der deutschen Sprache, obwohl es um einen solch verantwortungsvollen Beruf geht, nicht oder in nicht ausreichender Form geregelt sind.

Frau Ministerin! Es muß hinzugefügt werden, daß man die Regelung für Kardiotechniker auch schon vor einem Jahr im Krankenpflegegesetz hätte treffen können. Da wäre es in einem gegangen, und wir müßten nicht heute wegen 39 Personen ein eigenes Gesetz beschließen.

Wichtig sind jetzt aber – das ist auch der Grund dafür, daß wir dieses Gesetz leider ablehnen müssen – die nicht geregelten Kenntnisse der deutschen Sprache. Mit dieser Kritik sind wir nicht allein. Auch die Wiener Landesregierung – mit ihrer Mehrheit von SPÖ und ÖVP, also Ihren Kollegen – hat das so wie wir gesehen. Die Wiener Landesregierung fordert ebenso wie wir die Kenntnisse der deutschen Sprache beim Kardiotechnikergesetz ein und lehnt in ihrer Begutachtung diesen Gesetzentwurf ebenfalls ab, weil die deutschen Sprachkenntnisse nicht genügend geregelt sind.

Frau Ministerin! Ich möchte Sie ersuchen, in Zukunft bei Gesetzen, die einzelne Berufsgruppen betreffen, danach zu trachten, daß gleich mehrere Bereiche zusammengezogen werden. Die Gesetzesflut ist auch von Ihrer Seite schon des öfteren an dieser Stelle beklagt worden, daher sollte eine Regelung wie diese nicht immer wieder oder nicht so häufig vorkommen.

Man hätte das auch im Rahmen des Gesetzentwurfs über die medizinisch-technischen Berufe regeln können. Die medizinisch-technischen Berufe warten noch immer auf ein klares Rechtsbild, und vielleicht werden wir nächstes Jahr Gelegenheit haben, auch darüber zu sprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Lukasser. – Bitte.

11.55

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich beziehe mich auf das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz. Diese Vorlage enthält eine Reihe von Anpassungen, die den Anforderungen der Praxis entsprechen. Die Initiative dazu ist von den Fachleuten Dr. Leiner und Mag. Guggenberger ausgegangen.


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Im Artikel 1 geht es um ärztliche Anordnungen, die – medizinisch begründet – auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden müssen. Die schriftliche Dokumentation einer Anordnung, die mündlich erfolgt ist, kann innerhalb 24 Stunden erfolgen. Insbesondere diese Bestimmung trägt den Anforderungen der Praxis Rechnung. Zur Sicherstellung der Eindeutigkeit bieten sich die mündliche Wiederholung und die Rückbestätigung an, etwa durch einen telefonischen Anruf beim Arzt.

Außerdem soll durch die im Gesetzestext vorgenommene Ergänzung klargestellt werden, daß Angehörige der Gesundheits- und Pflegeberufe in weiteren Einrichtungen, die – wörtlich heißt es da – "der Vorbeugung, Feststellung oder Heilung von Krankheiten oder der Nachsorge, der Behindertenbetreuung" dienen oder die andere Gesundheitsdienste anbieten, ihren Beruf ausüben dürfen.

Änderungen im § 84 – das erachte ich für besonders wichtig – dienen der Klarstellung der Tätigkeiten der Pflegehelfer – gemeint sind selbstverständlich Angehörige beiderlei Geschlechts –, die nach der gegenwärtigen Rechtslage nicht in ausreichendem Maße den Anforderungen der Gesundheits- und Krankenpflege entsprechen. Sie umfassen folgende Tätigkeiten, die wieder nur unter Anordnung und Aufsicht von Diplompflegepersonal oder von Ärzten durchgeführt werden dürfen: Erstens geht es dabei um die Verabreichung von Arzneimitteln, zweitens um das Anlegen von Bandagen oder Verbänden, drittens um die Verabreichung von subkutanen Insulin-Injektionen einschließlich Blutentnahme, viertens um die Durchführung von Sonderernährung mit Magensonden, fünftens um Maßnahmen der Krankenbeobachtung aus medizinischer Indikation – gemeint ist das Messen von Blutdruck, Puls, Fieber, Gewicht und so weiter – und sechstens um einfache Wärme- und Lichtanwendungen.

Die Möglichkeit, daß Pflegehelfer im Einzelfall zeitlich begrenzte Tätigkeiten auch ohne entsprechende Aufsicht durchführen, trägt ebenso der Praxis Rechnung.

Weiters möchte ich auf die Regelung im § 111 zu sprechen kommen. Eine bundesweit durchgeführte Umfrage hat ergeben, daß ungefähr 300 Diplomkrankenschwestern und -pfleger sowie diplomierte psychiatrische Pfleger in der allgemeinen Krankenpflege tätig sind. Diese haben in der Zwischenzeit beachtliches Fachwissen erworben und sollen künftig aufgrund der neuen Regelung weiter in diesem Beruf eingesetzt werden können.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! In der neuesten Ausgabe des Mitarbeitermagazins der Tiroler Landeskrankenanstalten "TILAK" kann man unter dem Titel "Während der Ausbildung nie gelernt – Wie gehe ich mit Patienten um" ein Interview mit einem Oberarzt lesen. Es geht um einen von der Universitätsklinik für medizinische Psychologie und Psychotherapie für Klinikärzte veranstalteten Weiterbildungskurs, der zwei Monate lang an Freitagen nachmittags abgehalten wird. Die Kommunikation zwischen Arzt und Patienten, der Umgang mit schwierigen Patienten und die Art der Diagnosemitteilung sind Themen, die neben anderen diskutiert werden. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Welche Kriterien sollte ein Arzt bei einem Gespräch mit dem Patienten beachten? – Ich darf aus dem Artikel wörtlich zitieren: Man sollte dem Patienten möglichst unvoreingenommen begegnen, ihn ernst nehmen, unabhängig von seiner eventuellen Vorgeschichte, die er mitgebracht hat. Man sollte für eine entspannte Situation sorgen und hören, welches die echten Bedürfnisse des Patienten sind. Der Patient kommt nämlich oft mit körperlichen Beschwerden, hinter denen sich psychische Probleme verstecken. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Meine Fraktion wird dieser Vorlage gerne zustimmen.

Abschließend möchte ich einen Ausspruch des deutschen Arbeitsministers Norbert Blüm hier zitieren. Er hat im Jahre 1991 folgendes gesagt: Ich bin gegen immer neue Gesetze und Verordnungen, die am Ende nur die normale Rücksicht der Menschen untereinander ersetzen sollen. – Ich auch! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

12.01


Bundesrat
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642. Sitzung / Seite 169

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Hedda Kainz das Wort. – Bitte.

12.01

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich darf mich dem anschließen, womit Frau Kollegin Lukasser geschlossen hat: ich auch! Dennoch meine ich, daß der Gesundheitsbereich immer stärker in die Lage gerät, einerseits enorme Qualifikationsvoraussetzungen zu bedingen und mehr und mehr in den technischen Bereich verlagert zu werden. Andererseits ist er einem enormen wirtschaftlichen Druck ausgesetzt. Auf dieser Basis die menschliche Komponente zum Nutzen des Patienten zu gestalten, aber dabei auch nicht die Gewährleistung der Sicherheit der dort Tätigen zu vergessen, ist wichtig.

Ich möchte beide Gesetzesmaterien gleichzeitig behandeln, weil meiner Meinung nach viele Aussagen für beide gelten, und ich denke, daß in beiden Materien gerade diese Aspekte zum Tragen kommen, auch wenn sich die Praxisbezogenheit sehr stark in Detailfragen ausdrückt. Deswegen meine ich, daß die Ausführungen von Frau Kollegin Lukasser zutreffen, daß nämlich Vorschläge von Betroffenen, die beiden Kriterien Rechnung tragen, aufgegriffen worden sind, einerseits hinsichtlich der Notwendigkeit der Sicherheit für die Patienten im Bereich der An-ordnung und zur Gewährleistung der notwendigen Qualität, andererseits zur Absicherung der Durchführenden.

Im Bereich des kardiologischen Dienstes, in den die Technisierung mehr und mehr Einzug hält, trifft es sicher zu, daß es sich um eine sehr kleine Gruppe handelt, die hiermit eine gesetzliche Grundlage erhält. Ich denke aber auch, daß diese kleine Gruppe eine Momentaufnahme darstellt, und diese Technisierung wird in den Gesundheitsbetrieben beziehungsweise im paramedizinischen Bereich eine Fortsetzung finden, die unter Umständen sehr stark in den Bereich der Quantität gehen wird.

Noch eine Bemerkung – eine persönliche Einschätzung – zur Frage der Regelung betreffend mangelnde Deutschkenntnisse. Ich denke, daß es in Zukunft eher die Englischkenntnisse sein werden, die vermehrt gefordert werden, und daß in dieser Hinsicht ein Regelungsbedarf entstehen wird.

Zusammenfassend und ganz kurz gesagt: Die beiden meiner Meinung nach wichtigen Eckpunkte der Sicherheit für den Patienten durch die Klarstellung der Anordnung sowie der Klarstellung und Sicherung der fachlichen Voraussetzung der im kardiotechnischen Bereich Tätigen – allerdings unter Einhaltung einer praktikablen Vorgangsweise –, gepaart mit der Sicherheit für die Ausführenden, ihrer Verantwortung gerecht werden zu können, sind in der vorliegenden notwendigen Regelung enthalten.

Ich meine, dem Hinweis in den Erläuternden Bemerkungen der Gesetzesvorlage ist auch zu entnehmen, daß die Regelung im Bereich des medizinischen Dienstes dieser speziellen Gruppe und deren spezifischen Bedürfnissen nicht hätte gerecht werden können. Daher hat man die Entscheidung getroffen – ich glaube, es war eine durchaus richtige Entscheidung –, für diese Berufsgruppe eine Klarstellung der Ausbildung, eine Prüfungskommission zur Sicherstellung der Qualifikation sowie Umsetzungskriterien vorzusehen. Somit ist diese besondere Regelung im Kardiotechnikergesetz richtig.

Ich vertrete daher die Meinung, daß aus diesen Gründen diesen beiden Vorlagen die Zustimmung zu geben ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.06

Vizepräsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin Eleonora Hostasch hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

12.06

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Wir konnten im vergangenen


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Jahr mit der Beschlußfassung über das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz einen sehr wichtigen Fortschritt in der gesetzlichen Regelung der verschiedenen Gesundheitsberufe zustande bringen. Dieses Gesetz ist mit 1. September vergangenen Jahres in Kraft getreten. Es hat sich bei diesem umfassenden neuen Gesetz herausgestellt, daß in der Umsetzung länderweise unterschiedliche Interpretationen vorgenommen wurden. Es ist daher sehr wichtig gewesen, innerhalb relativ kurzer Zeit überall dort Klarstellungen anzubringen, wo dies erforderlich zu sein scheint. Ich bin daher sehr froh darüber, daß dieses Gesetz heute auch hier im Bundesrat behandelt und damit für alle Beteiligten Rechtssicherheit und Klarheit geschaffen werden kann.

Erlauben Sie mir eine kurze Bemerkung zur Frage des Kardiotechnikergesetzes. Ich gebe all jenen recht, die meinen, es sehe sehr eigenartig aus, daß man für 39 Personen ein eigenes Gesetz macht. Wir haben uns diese Frage natürlich auch gestellt, aber dann feststellen müssen, daß es aufgrund der Ausgangslage, der Betroffenen und der Notwendigkeit verschiedener Regelungen für diese sehr spezifische Gruppe innerhalb der Gesundheitsberufe sinnvoll ist, hier für ein eigenes Gesetz zu entwickeln. Der Aufwand für die Änderung eines bestehenden Gesetzes und die Erarbeitung eines eigenständigen Gesetzes ist de facto gleichzusetzen.

Meiner Ansicht nach hat eine kleine Gruppe, für die es sachlich gerechtfertigt ist, Anspruch darauf, durch ein eigenes Gesetz entsprechende Rechtsklarheit und eine klar definierte Aufgabenstellung beziehungsweise Ausbildungsqualität sichergestellt zu bekommen. Es ist dies eine Gruppe, die in unserem Gesundheitswesen zunehmend Bedeutung erhält, und es ist dies eine Gruppe, die aus unterschiedlichsten Betroffenheiten und Erfahrungen resultiert. Daher hat sich diese Notwendigkeit ergeben.

Zum Schluß möchte ich kurz auf die Frage der Sprachkenntnisse zu sprechen kommen: Der Gesetzestext sieht vor, daß ausreichende Sprachkenntnisse – ohne zu differenzieren, ob dies Deutsch, Englisch, Französisch oder sonst eine Sprache ist – gefordert werden. Ich glaube, daß diese Sprachregelung auch den Forderungen des Landes Wien entspricht, weil durch die Forderung ausreichender Sprachkenntnisse sichergestellt wird, daß sowohl Deutsch als auch in sehr vielen Fällen Englisch beherrscht werden muß. Denn genau in diesem Bereich wird der englischen Sprache zunehmende Bedeutung zukommen. Es wäre daher wahrscheinlich nicht richtig gewesen, sich ausschließlich auf eine Sprache zu konzentrieren. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber die Landesregierung hat das abgelehnt!) Daher, sehr geschätzte Frau Bundesrätin, hat letztlich auch die Wiener Landesregierung zur Kenntnis genommen, daß mit dem Gesetzentwurf in dieser Form auch die Voraussetzungen für Wien gegeben sind. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.09

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte sehr, Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile Ihnen das Wort.

12.09

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Minister! Das Kardiotechnikergesetz ist geradezu ein klassisches Beispiel dafür, daß der Bundesrat hätte tätig werden müssen, weil es unter anderem die Aufgabe des Bundesrates ist, Gesetze gegenzulesen.

Sie haben in Ihren Ausführungen richtigerweise festgestellt, Frau Minister, daß in den Gesundheitsbereichen eine Staffelung der Wichtigkeit gegeben ist, aber das wechselt sich immer wieder ab. Ich frage mich, ob es aufgrund der Gesetzesflut nicht möglich wäre, Rahmengesetze, so wie es sie in anderen Bereichen gibt – etwa im Spitalsbereich, im Kommunikationsbereich oder im nächsten Bereich, den wir hier behandeln werden, bei der StVO, wobei ein Bündel an Bereichen enthalten ist; diesem Feld mangelt es ja unter anderem auch daran, daß einige Merkmale vergessen wurden –, zu machen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Legistik, an die Legistikrichtlinien des Bundes, die hier zu beachten wären. – Das zum einen. Zum zweiten – das wurde von einigen Vorrednern bereits ausgeführt –, nämlich zur Frage der Gleich


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behandlung: Wenn andere Berufsbereiche, die möglicherweise in Zukunft wieder wichtiger werden, keine gesetzliche Regelung haben, dann werden sie eine solche verlangen. Das muß man unter dem Aspekt betrachten, daß in den letzten Jahren, und zwar pro Jahr, 10 000 Seiten an Gesetzesblättern produziert wurden, die der Bürger zur Kenntnis zu nehmen hat. Wir sollten uns da selbst, so meine ich, ein bißchen zurückhalten.

Was die Sprachkenntnisse anlangt, darf ich hier folgendes festhalten: Im Artikel 8 unserer Bundesverfassung ist normiert, daß die Staatssprache unserer Republik die deutsche Sprache ist. Die Kardiotechnikerinnen und Kardiotechniker werden ja nicht nur mit Ärzten zu tun haben und nicht nur die englische Computersprache verwenden, sondern sie müssen auch mit den Patienten in Kontakt treten; und nach wie vor ist es so, daß in Österreich – unter anderem – Deutsch gesprochen wird. Das war auch der Einwand der Wiener Landesregierung, daß sozusagen die Betreuungsschiene hin zu den Patienten auch von der sprachlichen Seite her gegeben sein muß. – Das möchte ich in diesem Zusammenhang zu bedenken geben.

Frau Bundesminister! Mein Ersuchen ist, daß man in Zukunft Überlegungen in die Richtung anstellt, Rahmenbestimmungen für Gesamtbereiche zu erstellen, so, wie das auch in anderen Fällen erfolgreich geschehen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.1


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
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2

Vizepräsident Jürgen Weiss: Werden noch weitere Wortmeldungen gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, das Ärztegesetz 1984 und das Krankenanstaltengesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 16. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den kardiotechnischen Dienst (Kardiotechnikergesetz – KTG) erlassen wird, und das Ausbildungsvorbehaltsgesetz und das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist somit angenommen.

28. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 und die 3. StVO-Novelle geändert werden (20. StVO-Novelle) (1225/NR sowie 5709/BR der Beilagen)

29. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (20. KFG-Novelle) und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden (1226/NR sowie 5710/BR der Beilagen)

30. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 2/1998) geändert wird (2. Führerscheingesetznovelle) (762/A, 694/A und 1224/NR sowie 5711/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 28 bis 30 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 und die 3. StVO-Novelle geändert werden (20. StVO-Novelle),

ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 (20. KFG-Novelle) und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden sowie

ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz (BGBl. I Nr. 120/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/1998) geändert wird (2. Führerscheingesetznovelle).

Die Berichterstattung über die Punkte 28 bis 30 hat Frau Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach übernommen. Ich bitte sie um die Berichterstattung.

Berichterstatterin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Präsident! Die Berichte über die drei angeführten Beschlüsse des Nationalrates liegen Ihnen schriftlich vor. Ich werde mich daher lediglich auf die Antragstellung beschränken.

Zum Beschluß des Nationalrates, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 und die 3. Straßenverkehrsordnungsnovelle geändert werden: Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Beschluß des Nationalrates betreffend Kraftfahrgesetz 1967 und 4. Kraftfahrgesetz-Novelle: Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Zur Änderung des Führerscheingesetzes – 2. Führerscheingesetz-Novelle –: Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

12.16

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die vorliegende Novelle zur Straßenverkehrsordnung birgt nicht nur einige Probleme in sich, sondern es ist auch zu sagen, daß sie geradezu symptomatisch dafür ist, daß sich im Straßenverkehr im wahrsten Sinne des Wortes sehr viel bewegt. Es handelt sich bereits um die 20. Novelle.


Bundesrat
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Meine Damen und Herren! Wir von der freiheitlichen Fraktion vertreten die Auffassung, daß Gesetze selbstverständlich zu adaptieren und den Erfordernissen der Zeit anzupassen sind. Aber wenn es zu Novellen kommt, dann sollen sie auch den Bedürfnissen gerecht werden. Dies ist bei der vorliegenden Novelle zur Straßenverkehrsordnung nicht der Fall, denn zu allen Bereichen, in denen Regelungsbedarf gegeben wäre, sagt die vorliegende Novelle nichts aus.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich das anhand einiger Beispiele dokumentieren. Es erhebt sich die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, daß sich in Hinkunft Radfahrer und Rollerskater – kurz: Skater, wie wir sie bezeichnen – die Benützungsflächen teilen. Es ist unbestritten, daß das Teilen der ausgewiesenen Verkehrsflächen das Unfallrisiko für diese beiden Beteiligten erhöht. Allein schon deren Fortbewegungsmethoden unterscheiden sich grundsätzlich und sind daher nicht kompatibel. Wir erleben etwas Ähnliches auch alljährlich im Winter auf den Skipisten. Und in diesem Fall verhält es sich beinahe gleich. Verantwortungsvolle Pisten- und Anlagenbetreiber sind jedenfalls bemüht, Skifahrer und Snowboarder voneinander zu trennen, obwohl deren Fortbewegungsmethoden einander durchaus ähneln. Die Überlegungen dieser Anlagenbetreiber haben sich bestens bewährt. – Aber auf diese Problematik, die in bezug auf Radfahrer und Skater geradezu vorprogrammiert ist, geht die vorliegende Novelle überhaupt nicht ein.

Meine Damen und Herren! Regelungsbedarf gäbe es zum Beispiel auch betreffend § 5 Straßenverkehrsordnung. § 5 StVO hat andere Parameter als etwa § 20 Führerscheingesetz. § 5 Straßenverkehrsordnung und § 20 Führerscheingesetz mögen zwar die gleichen Ziele haben, nämlich jenes, die sogenannten "Alkolenker" aus dem Verkehr zu ziehen und ihnen das Handwerk zu legen. Da steht die Straßenverkehrsordnung nicht unbedingt im Widerspruch zum Führerscheingesetz, aber Straßenverkehrsordnung und Führerscheingesetz schaffen im Hinblick auf diese Problematik für die Exekutive und für die Administration Rechtsunsicherheit. Es wird für die Behörden sehr schwierig sein, diese Bestimmungen analog zu exekutieren.

Meine Damen und Herren! Völlig unverständlich ist auch, daß diese Novelle zur Straßenverkehrsordnung nichts im Hinblick auf den Drogenkonsum aussagt. Der Drogenkonsum findet in der vorliegenden Novelle zur Straßenverkehrsordnung keinen Niederschlag. Oder? – Ich glaube es nicht, meine Damen und Herren! Wollen Sie von den Regierungsparteien den Drogenkonsum damit legalisieren? – Kein Geringerer als der Innenminister dieser Republik hat gestern sinngemäß gemeint: Wehret den Anfängen, auch leichte Drogen sind der Schlüssel zu schwereren Drogen.

Meine Damen und Herren! Diese Erfordernisse fehlen in der vorliegenden Novelle. Daher wird meine Fraktion der Novelle zur Straßenverkehrsordnung die Zustimmung verweigern.

Nun ein paar Bemerkungen zum Führerscheingesetz. Diesbezüglich ist grundsätzlich zu bemängeln, daß innerhalb eines Jahres – und das ist eines der jüngsten Gesetze – bereits das zweite Mal Novellierungsbedarf besteht. Es liegt also bereits die zweite Novelle vor. Wie ich höre, wird von seiten der Regierungsparteien eine weitere, die sogenannte große Novelle zum Führerscheingesetz für den Herbst angekündigt. Niemand versteht, daß man von seiten der Regierungsparteien nicht bereit ist, gleich Nägel mit Köpfen zu machen und Regelungen zu treffen, die auch Ihre Ziele, die Sie für eine weitere Novelle vorhaben, bereits in der jetzigen Vorlage integrieren. Warum nicht gleich? Warum wieder eine erneute Novelle, wenn die Notwendigkeit bereits erkennbar ist?

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion verkennt selbstverständlich nicht die Notwendigkeit der sogenannten Freiwilligen Einsatzorganisationen, im speziellen die Notwendigkeit der Freiwilligen Feuerwehren. Wir werden dieser Novelle zum Führerscheingesetz die Zustimmung geben, damit der Fortbestand der freiwilligen Feuerwehren, der Fortbestand dieser wichtigen Einsatzorganisation gesichert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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12.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ing. Walter Grasberger das Wort.

12.23

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich werde meine Ausführungen zu den vorliegenden Beschlüssen des Nationalrates nicht "quer durch den Gemüsegarten" vornehmen, sondern ich möchte mich ausschließlich auf den Teil konzentrieren, der die Feuerwehren betrifft.

Die Feuerwehren retten, bergen und schützen. – Diesen Slogan haben Sie sicherlich schon auf vielen Heckscheiben von PKWs gesehen. Er ist der Werbeträger der Wehren, und das hat auch seine Richtigkeit und seinen Sinn. Dieses Retten, Bergen und Schützen haben sich in Niederösterreich 85 000 Frauen und vornehmlich Männer auf ihre Fahnen geschrieben. Im gesamten Bundesgebiet unserer Republik sind es 316 000. Jedes vierte Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr in Niederösterreich ist LKW-fahrberechtigt. Nach Schätzungen des niederösterreichischen Landesfeuerwehrkommandos brauchen etwa 70 Prozent dieser LKW-Fahrer den LKW-Schein nur dafür, daß sie im Rahmen ihrer freiwilligen Tätigkeit Dienst bei den Feuerwehren verrichten können.

Ich habe heuer in einer Rede schon einmal, und zwar im März 1998, diese wichtige Problematik, nämlich die der C-Fahrer in den freiwilligen Hilfsorganisationen, angeschnitten, eine Problematik, die nach wie vor vorhanden ist, die aber heute ausgeräumt werden wird; ich bin diesbezüglich sehr zuversichtlich. Die Problematik besteht darin, daß ältere C-Fahrer, sprich ab dem 45. Lebensjahr, zirka 1 700 S für verschiedene Gesundheitstests aus eigener Tasche bezahlen müßten, nur um weiterhin freiwillig Dienst verrichten zu können. Ich habe das damals bereits angesprochen, und ich kann mich noch gut daran erinnern, daß auch Herr Kollege Farthofer dazu das Wort ergriffen und ähnliche Berechnungen vorgelegt hat. Ich habe damals sehr klar gesagt, daß das meines Erachtens ein unhaltbarer Zustand ist. Diese Situation war untragbar, und sie wird – wie gesagt, bin ich da sehr zuversichtlich – heute einer Lösung zugeführt werden.

Das notwendige ärztliche Gutachten für Lenker eines KFZ der Klasse C kann im Rahmen der ärztlichen Untersuchungen der Feuerwehr erstellt werden. Ausgearbeitet wurde ein sogenannter Feuerwehrausweis; auch das entspricht einer wichtigen Forderung der Feuerwehren. Diese beiden Dinge sind der Kern der Novelle. Dieser Feuerwehrausweis bringt den Feuerwehrverantwortlichen im wesentlichen das, was sie sich von uns erwartet haben.

Unter anderem wurde auch die Alkoholbestimmung für Einsatzfahrten neu geregelt. Anstelle der bisher geltenden 0,1-Promille-Regelung wird die für jeden PKW-Fahrer gültige 0,5-Promille-Grenze eingeführt. Auch das ist ein Ihnen sicher allen bekanntes Verlangen der Wehren, aber nicht deswegen, weil sie vermehrt dem Alkohol zusprechen wollen, sondern weil es einfach einen Unterschied macht, ob jemand Berufskraftfahrer ist und damit weiß, wann er seine Fahrt anzutreten hat, oder ob er, wie es beim freiwilligen Feuerwehrmann oder bei der freiwilligen Feuerwehrfrau der Fall ist, nie weiß, wann es zum Einsatz kommt und wann der Einsatz stattfindet. Eine völlige Abstinenz dieser Menschen, die ihren Dienst in hervorragender Weise verrichten, zu verlangen, das würde sich, glaube ich, niemand hier anmaßen, schon gar nicht ich als Niederösterreicher.

Mit diesen Eckpunkten – Promillegrenze und unbürokratische, gebührenfreie Gesundheitstests – wird die Einsatzbereitschaft vom Gesetzgeber unterstützt. In meinem Bezirk, in Lilienfeld, gab es im abgelaufenen Jahr 1 492 Einsätze. Es wurden 41 000 Einsatzstunden gezählt. Ich erspare es mir und uns allen hier, Berechnungen darüber anzustellen, was es bedeuten würde, wenn diese Leistungen zu bezahlen wären. Wir wissen alle, unabhängig davon, wo wir uns politisch zugehörig fühlen, daß das für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung ist.

In diesem Sinne bitte ich Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates, um Ihre Zustimmung zur Führerscheingesetznovelle. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)


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12.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Erich Farthofer das Wort.

12.28

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das neue Verkehrssicherheitspaket hat ein klar ersichtliches Ziel: Bis zum Jahr 2005 soll die Anzahl der Verkehrstoten um die Hälfte reduziert werden. Mit dem neuen Verkehrssicherheitspaket werden wesentliche Akzente zur Verbesserung der Verkehrssicherheit in Österreich gesetzt. Bedauerlicherweise liegt Österreich nach allen internationalen Analysen in puncto Straßenverkehrssicherheit im Schlußdrittel der EU-Mitgliedstaaten.

Wir Sozialdemokraten werden in den nächsten Jahren dem Schutz der Schwachen im Straßenverkehr, das heißt den Fußgängern, den Radfahrern, den Kindern und den Senioren besondere Bedeutung beimessen. Gleichzeitig soll aber auch der Schutz für die Autofahrer wesentlich verbessert werden. Ich bin davon überzeugt, daß dem jetzt vorliegenden Verkehrssicherheitspaket in der nächsten Zeit ein weiteres folgen wird.

Dieses Verkehrssicherheitspaket beinhaltet folgende Schwerpunkte – einige wurden bereits von meinem Vorredner angeführt –: die Einführung des Feuerwehrausweises, die Frist für die Besitzer von LKW-Lenkerberechtigungen; in einem umfangreichen Fahrradpaket werden technische Mindestanforderungen an Fahrräder beschlossen, Radfahranlagen dürfen grundsätzlich in beiden Fahrtrichtungen befahren werden, sofern sich aus Bodenmarkierungen nichts anderes ergibt, und Radrennfahrer dürfen im Training in Zukunft auf der Fahrbahn nebeneinander fahren.

Ebenso enthalten ist ein Sicherheitspaket für die Rollschuhfahrer und Inline-Skater. Das Rollschuhfahren wird auf Gehsteigen, Gehwegen und Schutzwegen erlaubt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe dem Vorredner der Freiheitlichen Partei darin recht, daß das sicherlich in manchen Bereichen zum Problem werden wird. Ich nehme aber nicht an, daß Sie die Rollschuhfahrer oder die Inline-Skater auf die Autobahn verlegen wollen. Wir wissen, daß das ein immer häufiger ausgeübter Sport unserer Jugend ist, und ich kann nur an Sie und an alle Kollegen sowie an den Herrn Bundesminister appellieren, wirklich jede Gelegenheit zu nützen, speziell in den Schulen, in den Lehrwerkstätten und in den großen Betrieben, die Jugend darauf aufmerksam zu machen, daß damit große Gefahren verbunden sind.

Ich selbst war erst letzten Dienstag ungewollter Zeuge eines solchen Unfalls. Ein Rollschuhfahrer hat unmittelbar vor der Straßenbahn nicht mehr die Kurve "kratzen" können und ist unter die Straßenbahn gerutscht – zum Glück unter eine stehende Straßenbahn. Herr Minister! Ich appelliere an Sie, wirklich alles zu unternehmen, um in den Schulen, Lehrwerkstätten und wo immer wir die Gelegenheit haben, diesbezüglich aufzuklären.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend ein großer Wunsch, ein großes Anliegen von mir als Autofahrer, der wöchentlich zirka 20 Stunden im Auto verbringt. Es war bis jetzt nicht möglich, mit der ÖVP eine Einigung hinsichtlich der Freisprechanlage im Auto zu erreichen. Ich höre, mittlerweile hat sich das im Verkehrsausschuß geändert, und ich sage an die rechte Seite dieses Hauses wirklich ein Dankeschön. Ich bin davon überzeugt, daß es notwendig ist, die Freisprechanlage gesetzlich vorzuschreiben. Das wird im nächsten Jahr geschehen, und das ist sicherlich auch ein großer Beitrag zur Verkehrssicherheit.

Weil es heute in besonderem Maße um die Sicherheit geht, meine sehr geschätzten Damen und Herren, an die Freiheitlichen eine Frage: Wir sind bemüht, Sicherheit herbeizuführen, für die Schwächeren, für die Autofahrer, ja für alle Verkehrsteilnehmer. Ich habe bei der historischen Gründung Ihrer Gewerkschaft am 1. Mai in meinem niederösterreichischen Heimatland mit Entsetzen vernommen, daß sich der neue Vorsitzende der Gewerkschaft dort erdreistete, zu sagen: Sollte einer der fast 8 Millionen Bürgerinnen und Bürger einen Polizisten anklagen oder sich eine Beschwerde gegen einen Polizisten oder Gendarmen erlauben, dann soll sich derjenige sofort 200 "Blaue" herrichten.


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Meine Damen und Herren! Ich würde mir von der Freiheitlichen Partei im Hohen Haus erwarten, daß einer ihrer Vertreter hier erklärt, daß das sicherlich nicht so gemeint gewesen sein kann. Sonst müßten wir – seien es hier die Rechten oder die Linken – die Bevölkerung aufklären, was damit gemeint ist. Es kann durchaus sein, daß ein Gendarmeriebeamter oder ein Exekutivbeamter das eine oder andere Mal etwas tut, was nicht rechtens ist. Dann sollen die Bürger auch das Recht haben, sich zu beschweren. Ich erwarte mir in dieser Hinsicht speziell von der Bundesratsfraktion der Freiheitlichen Partei in diesem Haus eine Antwort.

Abschließend: Wir Sozialdemokraten werden der vorliegenden Novelle gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.34

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Rieser. Ich erteile es ihm.

12.34

Bundesrat Peter Rieser (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bin sehr froh darüber, daß wir wieder einmal die Gelegenheit haben, über dieses Führerscheingesetz – über dieses Verkehrssicherheitsgesetz, Herr Kollege Farthofer, wie du es auch genannt hast – zu diskutieren.

Ich darf einleitend sagen, daß auch wir selbstverständlich für den Schutz der Bürger sind, daß auch wir für die Sicherheit sind, daß wir aber gegen eine Kriminalisierung sind, daß wir gegen Härten pur und gegen Schikanen sind. Ich möchte versuchen, in der mir zur Verfügung stehenden Zeit kurz darauf einzugehen.

Gleich zum Handy-Verbot: Das ist eine klare Angelegenheit. Im Unterausschuß des Verkehrsausschusses wurde darüber diskutiert, und man hat eine Einigung erzielt, was die Freisprechanlagen betrifft. Natürlich sind wir der Auffassung, daß das Telefonieren während der Fahrt verboten sein soll, aber selbstverständlich soll in einem KFZ dem Verkehrsteilnehmer, der bei einer Ampel, im Stau oder am Straßenrand steht, das Telefonieren möglich sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bald nach dem Inkrafttreten des Führerscheingesetzes hat dessen Vollzug große Probleme bereitet. Es sind Beschwerden aus den Verwaltungsbehörden gekommen, es gab zahlreiche Berichte in den Medien, und schließlich ist es auch unter dem Druck – das möchte ich auch für uns beanspruchen – der Bundesräte meiner Fraktion, Gott sei Dank, zu diesem ersten Schritt, zu dieser Novelle gekommen. Wobei ich eines gleich hinzufügen möchte: daß wir nicht müde und immer darauf hinweisen werden, daß Schikanen und Kriminalisierungen abgestellt werden müssen.

Ich begrüße die Einsetzung der Arbeitsgruppe, die sich aus Vertretern der Länder – ich möchte hinzufügen, daß auch Referenten der Bezirksverwaltungsbehörden, Beamte, die vor Ort bei der Vollziehung der Gesetze auf die Problematik aufmerksam werden und uns das immer wieder mitteilen, hier mitreden sollen –, des Verkehrs-, Innen- und Justizministeriums zusammensetzt. Diese Arbeitsgruppe soll bis Ende Oktober eine umfangreiche Novelle vorbereiten. Ich hoffe, Herr Bundesminister, daß noch im Herbst die nächste Novelle in diesem Zusammenhang vorliegen wird.

Herr Bundesminister! Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang, eines hier festzustellen: Es ist für ein Parlament bedenklich – und wir haben es auch in einer parlamentarischen Anfrage an den Herrn Bundeskanzler zum Ausdruck gebracht –, daß Abschnitte im Gesetzestext und in der Verlautbarung anders formuliert gewesen sind, als der Nationalrat und der Bundesrat es beschlossen haben. Zweitens, Herr Bundesminister: Mir fehlt in diesem Zusammenhang jeder Bezug auf zeitgemäße Pädagogik und Lernpsychologie. Es muß uns bei der nächsten Novelle gelingen, dies einzubauen.

Ich bedaure sehr, und das möchte ich auch heute festhalten, daß wir bei unserem Regierungspartner wenig Verständnis finden, wenn es um Bürgernähe geht, wenn es darum geht, mehr


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Menschlichkeit in diese Gesetze hineinzubringen. Ein Beispiel dafür sind die zwei von uns vorbereiteten Entschließungsanträge zum KFG und zur Gesundheitsverordnung.

Ich darf aber dem Hohen Haus auch mitteilen, daß die Bundesräte meiner Fraktion einen Initiativantrag mit der notwendigen Unterschriftenanzahl eingebracht haben, und daß der Nationalrat das Führerscheingesetz in diesem Zusammenhang wird diskutieren müssen.

Ich möchte eine besondere Härte herausgreifen, die sich meiner Ansicht nach aus dem Wort "Bedingung" ergibt. Sie wissen alle, daß aus Vorschriften Bedingungen wurden. Das ist einmalig in der österreichischen Judikatur. Wenn nun eine Bedingung nicht eingehalten wird, erlischt die Lenkerberechtigung definitiv. Ich frage mich in diesem Zusammenhang, ob diese Regelung gerechtfertigt ist. Ich habe mir mehrmals die EU-Richtlinien angesehen: Tatsache ist, daß Lenkerberechtigungen unter bestimmten Bedingungen auszustellen sind. Im englischen und im französischen Text ist unter "Bedingung" etwas anderes zu verstehen als im deutschen Text.

Wir haben uns ausführlich mit dieser Materie auseinandergesetzt.

Herr Bundesminister! An der Straßenverkehrsordnung ist mir eines nicht klargeworden! Ich habe auch dieses Problem im Ausschuß angesprochen, aber die Auskunft ist für mich nicht zufriedenstellend gewesen. Im § 41 Abs. 7 steht zu lesen – ich zitiere –: Besitzern einer noch nicht abgelaufenen Bestätigung gemäß § 79 Abs. 3 KFG 1967 in der Fassung Bundesgesetzblatt I, Nr. 1/103/97 ist auf Antrag eine Lenkerberechtigung im gleichen Berechtigungsumfang zu erteilen, wobei § 64 Abs. 6 KFG 1967 sinngemäß gilt.

Herr Bundesminister! Ich habe hier vom Verfassungsdienst jene Paragraphen, die seit 31. Oktober 1997 außer Kraft gesetzt sind. Ich zitiere daraus: Mit Ablauf des 31. Oktober 1997 treten folgende Bestimmungen außer Kraft: das Kraftfahrgesetz 1967, Bundesgesetzblatt 267 samt Überschriften. Und darin finde ich wieder § 64. Ich möchte Sie bitten, mir in diesem Zusammenhang eine Auskunft beziehungsweise Aufklärung zu geben.

Der Entwurf der Straßenverkehrsordnungs-Novelle eignet sich dann, wenn man ihn vor dem Hintergrund sieht, daß alles möglichst genau reglementiert werden soll, daß es möglichst viel Bürokratie geben soll und daß man hinsichtlich der Strafbestimmungen in manchen Fällen für spezielle Härten sorgen will. Eine Ideologie, die dem Menschen entgegenkommt und ihm dort gegenübertritt, wo wir es wollen, und wodurch auch ein Beitrag zur Verkehrspsychologie geleistet werden soll, vermisse ich leider sehr.

Wir werden diesen Novellen aber trotzdem die Zustimmung geben, weil wir der Auffassung sind, daß wir bereits auf dem richtigen Weg sind. Wir hoffen, Herr Minister, daß noch in diesem Jahr das Führerscheingesetz endlich entrümpelt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

12.42

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile ihm das Wort.

12.42

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Verehrte Damen und Herren! Zu diesem Führerscheingesetz, das heute novelliert wird, haben wir vor rund einem Jahr einen Beschluß gefaßt. Dieser ist mit 1. November 1997 in Kraft getreten. Schon vor Inkrafttreten hat sich gezeigt, daß es eine Reihe von Problemen gibt und geben wird. Ich werde mich im wesentlichen auf jene Bereiche beschränken, von denen Berufskraftfahrer, die mir sehr am Herzen liegen, betroffen sind, und zwar deshalb, weil wir in unserer Institution auch Facharbeiter im Bereich der Berufskraftfahrer schulen und dies natürlich von Interesse ist.

Es hat sich gezeigt, daß die Untersuchungspflicht, wonach jeder über 45jährigen C-Führerscheinbesitzer aufgefordert ist, sich im Zeitraum vom 1. November 1997 bis zum 30. Oktober 1998 einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, schwer umsetzbar ist. Erstens ist es gewachsenes Recht gewesen, daß man sich keiner Untersuchung unterziehen muß, ohne den


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Führerschein zu verlieren. Die Sanktion des Gesetzes ist jetzt, daß bei Überschreiten dieser Frist der C-Führerschein weg ist und nur noch die C1-Lenkerberechtigung für ein Gesamtgewicht bis 7,5 Tonnen im Besitz verbleibt.

Das war ein Problemfall, welcher sich dadurch verschärfte, daß sich die Behörden nicht bemüßigt gefühlt haben, schon ab Beschlußfassung Juli 1997 dafür zu sorgen, daß ab November 1997 eine entsprechende Anzahl von Ärzten bereitsteht. Der Schriftverkehr, den ich mit dem Ministerium für Wissenschaft und Verkehr bezüglich der Frage, wer eigentlich untersuchen dürfe, begonnen habe, war für mich geradezu belustigend. Die Ärzte, die diesen Kurs noch nicht absolviert haben und von Haus aus nicht dazu befähigt sind, dürfen die Untersuchung nicht machen. Daher muß es also wieder der Amtsarzt machen, der es eigentlich nicht tun sollte. – Das war vorweg die Antwort.

Wir haben uns mit dieser Sache befaßt und im Dezember zwei Entschließungsanträge eingebracht. Alle hier vertretenen Fraktionen haben die beiden Entschließungsanträge seinerzeit mitgetragen.

Weiters war die Antwort auf die Frage nach der internationalen Gültigkeit lustig – lustig nur zum Lesen, nicht in der Praxis. Nicht das Couleur der Ministerien hat zu unterschiedlichen Aussagen geführt, denn meines Wissens ist das Innenministerium von der Sozialdemokratie besetzt sowie auch jenes Ministerium, dem Sie, Herr Minister, vorstehen, das Ministerium für Wissenschaft und Verkehr. Aber es war lustig, daß es unterschiedliche schriftliche Aussagen bezüglich der Neuausstellung des Führerscheins, des aufgrund der Untersuchung neu auszustellenden EU-Führerscheins gegeben hat.

Die eine Antwort war: Der Führerschein ist international gültig, da gibt es kein Problem. Die andere Antwort lautete: Er ist international nicht gültig, es könnte zu größeren Problemen kommen, speziell im Schadensfall, wenn sich die ausländische Versicherung schadensfrei erklären könnte. Das war natürlich nicht mehr lustig. In der Zwischenzeit, so höre ich, sei das Problem kein Problem mehr, weil es keine solchen Fälle gebe. Zwischen den Zeilen und aus den Antworten höre ich aber noch immer heraus, daß die eigentliche Frage, die juristische Frage – ich bin kein Jurist, ich bin nur Laie auf diesem Gebiet, aber auch Laien hören manches aus den Worten von Juristen heraus – jene ist, daß dieses Wiener Abkommen anscheinend noch immer nicht überall ratifiziert ist. Mir soll es recht sein, wenn es keine Probleme gibt. Wenn wir alle hoffen dürfen, daß keine Probleme auftauchen, dann soll es uns so recht sein.

Diese Entschließungsanträge haben wir eingebracht. Ich denke auch, daß die Frage der Verständigung jener Menschen, die sich einer Untersuchung stellen müssen, gelöst wird. Die Frist wird mit heutigem Beschluß auf drei Jahre ausgedehnt. Das heißt, drei Jahre hat man Zeit, sich untersuchen zu lassen. Ich meine, in diesen zusätzlichen zwei Jahren müßte es uns gelingen, alle, die daran interessiert sind, darüber zu informieren, aber auch die Behörde, die ich im Sinne einer bürgernäheren Politik nicht aus der Verantwortung entlasse. Es müßte nun möglich sein, dies den Betroffenen näherzubringen.

Ich begrüße es sehr, daß uns das gelungen ist. Ich glaube, ein Redner meiner Fraktion wird noch mehr dazu sagen; ich erwähne es nur.

Es ist doch eigenartig, daß ein einmal erworbenes Recht, nämlich einen C-Führerschein zu besitzen, immer wieder Kosten verursacht. Die Gebührenfreiheit wird mit diesem heutigen Beschluß sichergestellt. Was noch nicht gelöst ist und unseren Wünschen noch nicht entspricht, ist, daß jeder, der einen C-Führerschein neu erwirbt, alle fünf Jahre zum Arzt gehen muß. Ich glaube, diese Regelung ist eine Übererfüllung einer EU-Richtlinie. In Deutschland muß man sich angeblich erst ab dem 50. Lebensjahr wieder untersuchen lassen. Ich meine, daß wir uns damit befassen und diesen Grundgedanken in einer weiteren Novellierung einbringen sollten. Meiner Meinung nach müßte eine Untersuchung ab dem Alter von 50 Jahren ausreichen, und zwar alle fünf Jahre bis zum 65. Lebensjahr.

Warum 65 und nicht 60? – Weil das Pensionsantrittsalter der Männer noch immer bei 65 Jahren liegt. Ab dem 65. Lebensjahr sollte man dann in zweijährigem Abstand eine Untersuchung


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durchführen, weil der Alterungsprozeß auch vor uns Männern, die einen C-Führerschein besitzen – Frauen sind hier eher selten –, nicht haltmacht. Das sollten wir uns überlegen, denn insgesamt ist klar: Der Verkehr nimmt zu, die Verantwortungen werden größer. Daher muß es unser politisches Ziel sein, mehr Sicherheit auf die Straße zu bringen. Aber das soll frei von Schikanen geschehen, und es soll im wesentlichen von finanziellen Belastungen befreit werden. Dem sind wir einen Schritt nähergekommen.

Die erwähnte Arbeitsgruppe wurde von Kollegen Rieser schon angesprochen: Wir haben als Bundesräte oft nicht die Kompetenzen, die die Kollegen im Nationalrat haben, aber wir von der ÖVP, Rieser, Rodek, Grasberger, Vindl, meine Wenigkeit und so weiter, haben wirklich hart daran gearbeitet. Wir haben einen 24-Punkte-Antrag vorbereitet, der bereits auf dem Weg zum Nationalratspräsidenten ist. Er soll in Zukunft umgesetzt werden. Wir sind stolz darauf, daß wir als Bundesräte etwas beitragen konnten, initiativ werden konnten und daß heute eine Reihe von Punkten beschlossen werden, die manchen Auswuchs des im vorigen Jahr beschlossenen Gesetzes abschneiden und somit zur Bürgernähe beitragen. – In diesem Sinn, glaube ich, sollten wir weiterarbeiten. (Beifall bei der ÖVP.)

12.50

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Wolfram Vindl. Ich erteile ihm das Wort.

12.50

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Das Führerscheingesetz – die unendliche Geschichte. So könnte man diese Gesetzesvorlage untertiteln. Ich gebe Kollegen Weilharter in dieser Hinsicht recht, daß ein Gesetz, das nach so kurzer Zeit bereits einer zweiten Novellierung bedarf, von vornherein sicher nicht optimal vorbereitet wurde.

Es gibt wohl keine Gesetzesvorlage wie jene zum Führerscheingesetz, die von den betroffenen Bürgern, von den Autofahrern so kritisch beurteilt worden wäre wie das noch nicht einmal ein Jahr alte, derzeit geltende Führerscheingesetz. Aber auch die mit dem Vollzug dieses Gesetzes beauftragten Behörden – wie zum Beispiel die Bezirksverwaltungsbehörden – stehen diesem Gesetz sehr kritisch gegenüber, wie Kollege Rieser auch schon aus der Praxis erwähnt hat.

Viele unklare Begriffsbestimmungen im Gesetz selbst und in der Verordnung zeigen, daß es seitens der Mitarbeiter des Ministeriums nicht unbedingt Fachleute waren, die diesen Entwurf ausgearbeitet haben. Dies führte dazu, daß einzelne Gesetzesbestimmungen nicht nur in jedem einzelnen Bundesland, sondern sogar von Bezirkshauptmannschaft zu Bezirkshauptmannschaft unterschiedlich und oft zum Nachteil der Betroffenen ausgelegt wurden.

So wurden zum Beispiel Namensänderungen in Tirol erst für die Zeit nach dem 1. November 1997 eingetragen, in anderen Bundesländern hingegen mußten innerhalb von sechs Wochen die Namensänderungen beantragt werden, auch wenn sie schon lange vorher erfolgt waren und noch nach dem alten Gesetz zu beurteilen gewesen wären.

Für viele Inhaber eines großen C-Führerscheines ist nicht nachvollziehbar, daß nach jeder ärztlichen Untersuchung, die nach der Vollendung des 45. Lebensjahres alle fünf Jahre erfolgen muß, ein neuer Führerschein ausgestellt werden muß. Kollege Schaufler hat auch bereits darauf hingewiesen, daß wir in Österreich sozusagen wieder die Musterknaben sind und es ohne weiteres vertretbar wäre, wenn man bei uns eine Regelung analog der deutschen Regelung einführen könnte.

Denn alle davon betroffenen LKW-Lenker verstehen nicht, daß jedesmal ein neuer Führerschein ausgestellt werden muß. Für besonders arg erachten es die LKW-Lenker, die das 60. Lebensjahr bereits überschritten haben, daß für sie alle zwei Jahre ein neuer Führerschein ausgestellt werden muß.

Es steht zwar im Gesetz, daß bei Verlängerungen keine Gebühren anfallen. Die Verordnung sieht aber vor, daß bei den ärztlichen Kontrolluntersuchungen jedesmal ein neuer Schein aus


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gestellt werden muß. Aus diesem Grund ist die Gebührenbefreiung daher bis jetzt nicht wirksam.

Damit kein Mißverständnis entsteht: Ich bekenne mich zu den ärztlichen Kontrolluntersuchungen und halte es für richtig und wichtig, daß die Lenker von großen Fahrzeugen permanent auf ihre gesundheitliche Fahrtauglichkeit hin untersucht werden. Auch hat der Nationalrat in der vorliegenden Novellierung beschlossen, daß bei Neuausstellungen von Führerscheinen anläßlich der Gesundheitskontrolle diese in Hinkunft gebührenfrei sein müssen. Man muß dies aber ein bißchen kritisch hinterfragen.

Es ist bekannt, daß sich die Gebühren für diese Führerscheine neben der Gebühr für die ärztliche Untersuchung von meist 350 S auf 180 S für die Bundesstempelmarke und 180 S als Abgabe der Länder belaufen. Ich frage mich, ob man mit den Ländern entsprechende Verhandlungen aufgenommen hat, damit die Länder auf diese 180 S verzichten. Ich kann mir das derzeit nicht vorstellen.

Hohes Haus! Im Zuge der Beschlußfassung über das Führerscheingesetz im vergangenen Jahr wurde auch die Möglichkeit eingeräumt, daß unter gewissen Voraussetzungen, auf die ich jetzt nicht näher eingehen will, ein Führerschein für ein Superleichtmotorrad bis 125 Kubikzentimeter und nicht mehr als 11 Kilowatt erworben werden kann. Nach Ablegen einer Prüfung bekommt man den Code "111" in den Führerschein eingetragen, der zum Lenken dieser Leichtmotorräder berechtigt.

Der Pferdefuß an dieser Geschichte ist allerdings, daß der Code "111" ein nationaler Code ist. Das bedeutet, daß er in den meisten EU-Ländern nicht anerkannt wird. Die Tücke liegt hier im Detail. Die meisten Fahrschulen werben mit diesem kleinen Leichtmotorradführerschein für den Urlaub. Viele Bürger unseres Landes machen diesen Leichtmotorradführerschein zusätzlich zum B-Führerschein, damit sie im Urlaub einen sogenannten Leichtroller fahren können. Da es sich aber lediglich – wie bereits erwähnt – um ein nationales Recht handelt, gilt dieser Leichtrollerführerschein in den meisten EU-Ländern nicht.

Sehr geehrter Herr Verkehrsminister! Es besteht also dringend Handlungsbedarf, weil sich viele Menschen darauf verlassen, was ihnen von den Fahrschulen mitgeteilt wird. Gerade in grenznahen Bereichen – ich beobachte das immer wieder in Tirol, und es wird auch in Salzburg und Oberösterreich so sein – fahren viele Lenker dieser Kleinmotorräder über die Grenze, doch auch in Deutschland gilt dieser Code nicht.

Hohes Haus! Die bereits eingesetzte Arbeitsgruppe ist von einigen Kollegen des Bundesrates schon erwähnt worden. Ich glaube, daß es unbedingt notwendig ist, noch eine umfassendere, größere Novellierung des Führerscheingesetzes zu erarbeiten. Ich denke, daß sich der Bundesrat noch öfter mit dieser Materie befassen wird. Wenn dies zur Verbesserung der Gesetzeslage geschieht und dem Wohle der Bürger dient, dann begrüße ich dies. Ich hoffe, daß alle Damen und Herren des Hohen Hauses heute dieser Novellierung zustimmen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.58

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als weiterer Redner hat sich Herr Bundesrat Ernest Windholz gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

12.58

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Geschätzter Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Kollege Farthofer! Sie haben vorhin eine Frage gestellt, wie es sich mit der Äußerung von Josef Kleindienst verhält. Ich erlaube mir, dazu eine kurze Stellungnahme abzugeben. (Bundesrat Farthofer: Bin dankbar!)

Wenn Sie dessen Äußerung so verstanden haben, daß acht Millionen Bürgerinnen und Bürger in diesem Land Angst haben müssen, bei einem Beschwerdefall verklagt zu werden, so wäre Ihre Sorge und Kritik wohl mehr als berechtigt. Ich sage Ihnen aber, daß dies in keiner Form geplant war oder geplant ist. Es geht darum, daß Straftäter gerade in den letzten Jahren immer


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wieder und sehr häufig zu der Methode greifen, Exekutivbeamte unkorrekter Amtshandlungen zu bezichtigen. In Wahrheit geht es diesen darum, sich bei einem eventuellen Strafverfahren eine bessere Position zu verschaffen.

Aus Sicht einer Exekutivgewerkschaft beziehungsweise der betroffenen Exekutivbeamten – ich bin selbst Exekutivbeamter – kommt es dann zu Situationen, die für die Beamten oft schwierige Folgen nach sich ziehen. Es wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet, es kann zu Dienstzuteilungen und Versetzungen kommen. Es kann dazu kommen, daß keine Definitivanstellung erfolgt. Es kann dazu kommen, daß jemand nicht den Chargenkurs besuchen kann. Es kann zu einem Überstundenverbot kommen. Wenn man sich gegebenenfalls eines Rechtsanwaltes bedienen muß, um seine Unschuld zu beweisen, kommt es zu enormen Anwaltskosten. (Bundesrätin Kainz: Wenn wir unsere Kunden schlecht behandeln, fliege ich auch hinaus!)

Die Freie Exekutivgewerkschaft unterstützt diese Beamten, damit sie zu ihrem Recht kommen. Meiner Meinung nach brauchen wir Beamte, die motiviert sind, wir brauchen Exekutivbeamte, die hinsehen und nicht wegsehen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es kann keinesfalls darum gehen, eventuell schwarze Schafe zu decken oder die Bevölkerung mundtot zu machen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.00

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesminister Dr. Caspar Einem das Wort. – Bitte.

13.00

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Lassen Sie mich einige Worte zu dem heute zur Beschlußfassung anstehenden Paket von Verkehrsgesetzen sagen.

Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden, daß die Verkehrsgesetze insgesamt – das gilt für die Straßenverkehrsordnung ebenso wie für das Kraftfahrgesetz – einer relativ häufigen Novellierung unterzogen werden. Das ist an sich nicht unbedingt ein Glück, aber eine direkte und notwendige Konsequenz der sehr rasch voranschreitenden technischen Veränderungen und der sich relativ rasch verändernden Konsumentengewohnheiten.

Wenn ich im folgenden einen der Punkte, der in einem der Debattenbeiträge angesprochen worden ist, aufgreifen darf: Das gemeinsame Vorkommen von Inline-Skatern und von Radfahrern auf Verkehrsflächen ist eine Erscheinung, die vor ein paar Jahren natürlich noch keiner Regelung bedurft hätte. Jetzt geht es darum, vernünftige Regelungen für ein vernünftiges Miteinander zu schaffen. Wenn an dieser Stelle verlangt worden ist – um dieses Beispiel aufzugreifen –, daß Inline-Skater und Radfahrer nicht auf dieselbe Verkehrsfläche verwiesen sein sollen, erhebt sich lediglich die Frage, welche zusätzlichen Verkehrsflächen Sie wünschen, wenn Sie wollen, daß die beiden Gruppen von Verkehrsteilnehmern getrennt werden.

Bei aller Trefflichkeit des Beispieles, daß Schifahrer und Skateboardfahrer auf den Pisten vielleicht voneinander getrennt werden könnten oder einzelne Pisten nur für die eine beziehungsweise für die andere Gruppe eröffnet werden – die gleiche Möglichkeit gibt es jedoch im Straßenverkehr nicht ohne weiteres. Dort geht es darum, daß wir die jeweils Schwächeren vor den jeweils Stärkeren zu schützen haben und daß – soweit eindeutige Schutzmaßnahmen durch Trennung nicht möglich sind – Organisationsmaßnahmen getroffen werden sollen, die dazu beitragen, daß die gegenseitige Rücksichtnahme nach bestimmten Regeln erfolgt. Das ist auch hier geschehen.

Wir meinen, daß eine Verbindung der beiden hier angesprochenen Gruppen – Radfahrer wie Skater – mit den Autofahrern nicht wirklich optimal ist, weil erstere tatsächlich relativ leicht unter die Räder kommen können. Auch eine Verbindung dieser beiden Gruppen mit den Fußgängern ist nicht unbedingt sinnvoll, weil dann die Fußgänger gefährdet sind. Es sollte – soweit es um knappe Flächen und deren sinnvolle Nutzung geht – ein einigermaßen rücksichtsvolles Verhalten der Verkehrsteilnehmer gewährleistet werden und dafür ein Mindestmaß an Regeln zur Ver


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fügung gestellt werden. Der Versuch, der hiezu unternommen worden ist, ist meiner Meinung nach nicht unvernünftig.

Ein zweiter Punkt, der heute angesprochen worden ist, ist die Tatsache, daß das Bundesministerium für Inneres und mein Haus eine Zeitlang unterschiedliche Auskünfte über die Frage der Gültigkeit der neuen EU-Führerscheine gegeben haben.

Herr Kollege! Sie haben sich bemüht, darauf hinzuweisen, daß es immerhin zwei "rote" Ministerien sind, die in diesem Punkt unterschiedliche Auffassungen vertreten haben. Dies ist richtig. Der Grund, aus dem es dazu gekommen ist, ist aber darin zu finden, daß sich ein "schwarzes" Ministerium nicht darum gekümmert hat, daß die entsprechende internationale Vereinbarung auch bei uns ratifiziert wird.

Nun kann man sagen, daß es auch dann kein Ruhmesblatt für die "roten" Ministerien ist, unterschiedliche Auskünfte gegeben zu haben – doch für das "schwarze" Ministerium ist es auch kein Ruhmesblatt, daß die Ratifizierung so lange liegengelassen worden ist. Insgesamt ist es bedauerlich, daß es so gewesen ist, wie Sie es beschrieben haben. Doch denke ich, daß man die Situation auch vollständig beschreiben sollte. Zu dritt haben wir nicht die optimale Lösung im Interesse der Bürger gewählt. Inzwischen ist eine Entscheidung getroffen worden, daher ist diese Frage mittlerweile gelöst.

Es ist von Bundesräten der ÖVP darauf hingewiesen worden, daß sie gegen Kriminalisierung, aber für Verkehrssicherheit sind.

Hoher Bundesrat! Das Problem ist, daß man es sich nicht ohne weiteres aussuchen kann, wann man "für" und wann man "gegen" Kriminalisierung ist. Wenn wir meinen, daß die Androhung bestimmter Strafen geeignet zu sein scheint, um ein bestimmtes Verhalten, das nicht erwünscht ist, zu unterdrücken, dann müssen wir von diesem Mittel Gebrauch machen, auch wenn dies sonst unbescholtene Bürger trifft, falls diese ein Verhalten setzen, das im Straßenverkehr gefährlich ist – für den Betroffenen selbst oder für andere Verkehrsteilnehmer.

Ich denke, wir sollten sehr klar sehen, daß der Straßenverkehr derzeit nach wie vor in ganz Europa zu den gefährlichsten Verrichtungen des Lebens zählt. Allein im Europa der Europäischen Union sterben jedes Jahr etwas mehr als 46 000 Menschen im Rahmen des Verkehrs, davon etwas über 45 000 Menschen allein im Straßenverkehr. Das sind täglich mehr als 125 Tote in Europa.

Ich denke, daß wir insgesamt bei aller Tragik, die etwa ein Verkehrsunfall wie jener des ICE-Zuges in Deutschland gehabt hat und hat – dort sind bei einem tragischen Unfall 96 Menschen zu Tode gekommen, und das ist ein tragisches Ereignis –, auch bedenken müssen, daß täglich 126 Menschen im Straßenverkehr zu Tode kommen. Das halten wir ganz offensichtlich für wesentlich weniger tragisch.

Der Grund, aus dem wir in sehr vielen Einzelmaßnahmen versuchen, sowohl aufklärerisch zu wirken als auch durch entsprechende Novellierungen der gesetzlichen Bestimmungen dazu beizutragen, daß es zu mehr Sicherheit kommt, ist der, daß jeder einzelne Tote, der auf den Straßen zu beklagen ist, einer zuviel ist. Wir können daher gar nicht genau genug überlegen, welche Maßnahmen gegebenenfalls geeignet sind, zu einer Reduktion der Todesfälle oder auch der Zahl der Verletzten auf den Straßen beizutragen.

Lassen Sie mich in diesem Kontext auch gleich auf die Kritik eingehen, die an der Frage der Gesundheitskontrollen für C-Führerschein-Inhaber ab dem 45. Lebensjahr und der Kontrollfrequenz ab 60 geübt worden ist:

Das einzige, was für mich als Verkehrsminister wirklich von Bedeutung ist, ist nicht so sehr, daß es sich dabei um EU-Richtlinien handelt. Darum handelt es sich auch, und EU-Richtlinien sind Gesetze, an die wir uns ebenso wie an nationale Gesetze zu halten haben. Der einzig bedeutsame Punkt ist sachlicher Natur: Berufskraftfahrer, die typischerweise mit einem LKW fahren, sollen in ganz besonderer Weise zur Verkehrssicherheit beitragen, oder, etwas anders formu


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liert: Alles, was Gefährdungen mit sich bringt, sollte ausgeschlossen werden. Da diese Berufskraftfahrer charakteristischerweise viel mehr auf den Straßen unterwegs sind als andere Menschen, geht es darum, Gesundheitsbelastungen und Gesundheitsrisken, die im Laufe des fortschreitenden Alters auftreten können, zu erkennen – ich würde auch schon zu jenen zählen, hätte ich einen C-Führerschein, der sich der regelmäßigen Kontrolle unterwerfen müßte. Daher hat es einen Sinn, diese regelmäßige Gesundheitskontrolle ab 45 alle fünf Jahre und ab 60 alle zwei Jahre durchzuführen.

Wir mögen uns der Illusion hingeben, daß die Kräfte zumindest bis zum Pensionsalter zu 100 Prozent vorhanden sind. Dies ist allerdings eine Illusion, denn die Kräfte nehmen ab, so schmerzlich das ist. Das ist der Grund dafür, daß wir sinnvollerweise Gesundheitsuntersuchungen durchführen sollten.

Zum Leichtmotorradführerschein sei auch noch eine Anmerkung gemacht: Es ist kritisiert worden, daß von den Fahrschulen falsche Informationen gegeben werden.

Herr Bundesrat! Wir haben uns im Rahmen der 15 EU-Mitgliedstaaten nicht darauf einigen können, den Leichtmotorradführerschein im Rahmen der Führerscheinrichtlinie der EU mitaufzunehmen, weil es eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten gegeben hat, die dies nicht wünschen. Da es um eine Frage ging, bei der Übereinstimmung hätte erzielt werden müssen, ist dies eben nicht möglich gewesen.

Worum wir und auch einige andere gekämpft haben, ist die fakultative Einräumung der Möglichkeit, dies national zu ermöglichen – allerdings eben nur national. Wir haben daher in Österreich von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und diesen auf 125 Kubikzentimeter Hubraum und auch in der Kilowattzahl beschränkten Führerschein in Österreich eröffnet – und so ist er jetzt da. Das Problem, daß er im Ausland nicht gültig ist, besteht tatsächlich.

Was wir von unserer Seite aus unternehmen, kann ich Ihnen durchaus sagen: Wir sind in bilaterale Verhandlungen sowohl mit der Bundesrepublik Deutschland als auch mit Italien eingetreten, um im bilateralen Rahmen eine Anerkennung dieses Leichtmotorradführerscheines zu erreichen. Wenn jedoch Fahrschulen falsch informieren, dann ist dies primär nicht eine Angelegenheit des Gesetzgebers, sondern des Konsumentenschutzes. Dann ist bei Falschinformationen gegebenenfalls deren Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Auch das sollte man meiner Meinung nach bei dieser Gelegenheit anmerken.

Lassen Sie mich abschließend noch ein Stichwort zum Thema "Feuerwehrführerschein", den es nun endgültig gibt, sagen: Bereits vor einigen Monaten hatte ich Gelegenheit, mit den Landesfeuerwehrkommandanten ein sehr ausführliches Gespräch zu führen, in dem wir sehr detailliert die Frage besprochen haben, woran den Feuerwehrkommandanten und den Feuerwehren in besonderer Weise gelegen wäre.

In der Folge mußten wir eine Reihe von Abklärungen vornehmen, weil die Schaffung eines besonderen Führerscheines für Freiwillige Feuerwehren auch der Zustimmung der europäischen Instanzen bedarf. Diese Abklärung ist zum Glück gut ausgegangen, und dies war deshalb nicht selbstverständlich, weil das Institut der Freiwilligen Feuerwehr, wie es für Österreich kennzeichnend ist, in Europa als solches nicht gleichermaßen bekannt ist. Daher haben wir sehr deutlich gemacht, was es bedeutet, wenn den Freiwilligen Feuerwehren unnötige Hürden aufgebaut werden, und daß es wesentlich ist, daß ein gesonderter Führerschein für diese Männer – und zunehmend auch Frauen – im Bereich des freiwilligen Dienstes für die Gemeinschaft geschaffen wird.

Es ist jetzt gelungen, einen Führerschein zu schaffen, der den Erfordernissen gerecht wird, und ich freue mich darüber, denn es wird auch damit anerkannt, was diese Menschen für die Gemeinschaft leisten. Denn es handelt sich dabei um einen jener Gemeinschaftsdienste, der unter immer schwereren Druck vor allem auch durch die Arbeitgeber geraten, und es ist einer jener Dienste, die man nicht hoch genug schätzen kann.


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Daher wünsche ich allen Freiwilligen Feuerwehren und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nunmehr mit diesem Gesetz alles Gute und ein möglichst geringes Risiko beim Einsatz für uns alle! (Beifall bei der SPÖ.)

13.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 und die 3. StVO-Novelle geändert werden – 20. StVO-Novelle.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Kraftfahrgesetz 1967 – 20. KFG-Novelle – und die 4. Kraftfahrgesetz-Novelle geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz – BGBl. I Nr. 120/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/1998 – geändert wird – 2. Führerscheingesetznovelle.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

31. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Öffnung des Zugangs zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen (Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz – FBG) (1079 und 1239/NR sowie 5712/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 31. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Öffnung des Zugangs zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf Flughäfen – Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz – FBG.

Die Berichterstattung hat Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach übernommen. Ich bitte sie um den Bericht.

Berichterstatterin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Präsident.

Der Bericht des Ausschusses liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.


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Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Thomas Ram. Ich erteile es ihm.

13.15

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Bewohner und Kommunalpolitiker einer Anrainergemeinde des Flughafens Wien-Schwechat möchte ich in meinen Ausführungen kurz und speziell auf den Flughafen Wien-Schwechat und die Auswirkungen des zur Debatte stehenden Gesetzes auf eine Region, die stark vom Flughafen geprägt ist, eingehen.

Der Flughafen Wien-Schwechat ist das Herz einer wirtschaftlich für österreichische Verhältnisse hoch entwickelten Region. Die Flughafen Wien AG beschäftigt 2 500 Mitarbeiter, am Standort selbst sind 10 000 Arbeitnehmer beschäftigt. Laut Masterplan sollen an diesem Standort im Jahr 2015 nicht weniger als 17 000 Menschen tätig sein, in der Region selbst rechnet man mit bis zu 40 000 direkt vom Flughafen abhängigen Beschäftigten.

Diese aus wirtschaftlicher und politischer Sicht überaus erfreulichen Ausblicke sind aber nur mit entsprechenden begleitenden Maßnahmen umzusetzen. So muß man sicherlich den wachsenden Flugbewegungen Rechnung tragen: Wir Freiheitliche haben daher als erste politische Kraft aus Gründen der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik eine dritte Piste für den Flughafen Wien-Schwechat gefordert. Die Reaktion von Regionalpolitikern der beiden Regierungsparteien war von massivem Protest gekennzeichnet. Einige Ihrer Parteifreunde haben sogar die Auslagerung von Flugbewegungen vom Flughafen Wien-Schwechat auf den Preßburger Flughafen gefordert. Das, meine Damen und Herren, käme einem Anschlag auf österreichische Arbeitsplätze am Flughafen Wien-Schwechat gleich!

Heute unterhalten wir uns über das zur Debatte stehende Flughafen-Bodenabfertigungsgesetz, und auch dieses Gesetz bedeutet einen Anschlag auf die österreichischen Arbeitsplätze. (Zwischenruf des Bundesrates Konečny. ) Ich werde Ihnen das schon erklären, Herr Kollege Konečny! (Bundesrat Konečny: Herr Kollege! Spielen Sie nicht mit meinem Wohlwollen! Ich habe für Sie eine Lebensversicherung abgeschlossen. Nicht auszudenken, wenn Ihnen etwas passiert, wer dann Ihren Platz einnimmt!) Es ist nett, daß Sie sich solche Sorgen um mich machen! Ich werde Ihr Wohlwollen gerne zur Kenntnis nehmen! (Bundesrat Konečny: Sie sind der, der Dinhopel in diesem Haus verhindert! Das ist Ihnen hoch anzurechnen!)

Herr Kollege! Als mit der Situation des Flughafens und seiner Beschäftigten betrauter Politiker kann ich Ihnen von der extremen Verunsicherung vieler Flughafenbediensteter berichten. Die von der EU vorgegebenen Liberalisierungen im Flughafenbereich verängstigen seit Jahren Hunderte von Familien und Menschen. Insbesondere befürchten viele Arbeiter die Konkurrenz durch ausländische Billigstarbeiter von Fremdfirmen, die massiv in den Flughafen drängen. Deshalb ist diese Problematik mit größter Vorsicht und Vernunft zu behandeln!

Meine Damen und Herren! Diese Vorsicht und Vernunft fehlen mir allerdings in diesem Gesetz. Es wäre zum Beispiel unbedingt notwendig gewesen – wie es die Arbeiterkammer gefordert hat – , den Geltungsbereich des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes in dieses Gesetz aufzunehmen, denn dies hätte eine Absicherung der betroffenen Arbeitnehmer im Bodenabfertigungsbereich gebracht.

Ich darf kurz aus der Stellungnahme der Arbeiterkammer zur Regierungsvorlage zitieren. Die Arbeiterkammer schreibt zu § 3: "Grundsätzlich fehlt in diesem Paragraphen ein Hinweis auf die Verpflichtung zur Übernahme von Arbeitskräften durch den Selbstabfertiger beziehungsweise Dienstleister entsprechend § 3 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz."


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Weiters schreibt die Arbeiterkammer – sie wurde heute schon von einigen Rednern wohlwollend erwähnt – zu § 6 Abs. 3: "In den Kriterien für die Ausschreibung ist auch die Einhaltung des Kollektivvertrages für zum Betrieb eines öffentlichen Flughafens berechtigte Unternehmen festzulegen, da sonst durch die Anwendung verschiedener Kollektivverträge (zum Beispiel Reinigung oder Gastgewerbe) Wettbewerbsverzerrungen entstehen."

Meine Damen und Herren! Diese Einwände wurden unserer Meinung nach nicht ausreichend berücksichtigt und nicht ausreichend eingearbeitet. Dies hat man verabsäumt, und daher hängen jetzt sehr viele Beschäftigte in der Luft. Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, vor allem von der SPÖ, die eine Arbeitnehmervertretungspartei sein möchte, können wir dieses Gesetz leider nicht akzeptieren. Es darf nämlich keine Öffnung ohne Schutzmaßnahmen für unsere österreichischen Arbeitnehmer geben! Und diese Gefahr, meine Damen und Herren, ist durch dieses Gesetz nicht ausgeschlossen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

An die rechte Seite des Hauses, die Vertreter der Regierungspartei ÖVP, gerichtet, möchte auch ich – es wurde heute schon erwähnt – sagen: Ihre Vertreter sprechen sehr gerne von einer gelungenen Liberalisierung, besonders für die österreichischen Unternehmen. Dazu möchte ich Ihnen kurz eine Stellungnahme der österreichischen Firma AUA vorlesen.

"Entgegen den bisherigen Zusagen des damaligen Verkehrsministers Scholten, wonach ,für Austrian Airlines stets ein Platz als Drittabfertiger für die gesamte Verkehrs- und Vorfeldabfertigung bereitgehalten ist‘, beschränkt auch der aktuelle Entwurf die Zahl der Selbstabfertiger und Dienstleister auf zwei. Wie wir bereits ausgeführt haben, wäre Austrian Airlines ab 1. 1. 2003 als Dienstleister ausgeschlossen, wenn bis dahin neben dem Flughafen Wien ein weiterer Dienstleister zugelassen wird. Wir müssen auch weiterhin auf die Einhaltung der Zusagen des Verkehrsministeriums drängen und würden es sehr bedauern, wenn diese ohne weiteres übergangen würden.

Weiters sprechen wir uns wie schon bisher gegen die Regelung des § 4 des Entwurfes aus, wonach eine teilweise Bewilligung eines Bereichs eines Bodenabfertigungsdienstes beziehungsweise eine teilweise Durchführung im Wege der Selbstabfertigung nicht zulässig ist. Dies widerspricht dem Kerngedanken der Liberalisierung der Bodenabfertigungsdienste und würde unabhängige Dienstleister aus vielen Bereichen von vornherein ausschließen. Sollte diese Regelung in der vorliegenden Form beschlossen werden, würde sie, wie die EU-Kommission bereits mitgeteilt hat, von dieser als EU-rechtswidrig aufgehoben werden."

Meine Damen und Herren! Weiters schreibt die AUA in ihrer Stellungnahme: "Wir sprechen uns weiters gegen die (im ursprünglichen Entwurf nicht enthaltene) Pflicht zu einer Versicherungsdeckung von zumindest 250 Millionen Schilling für Dienstleister aus. Eine Versicherungsdeckung in dieser Höhe kann für manche Tätigkeiten auf dem Vorfeld notwendig sein, übersteigt aber für die meisten anderen Dienstleistungen jedes vernünftige Verhältnis."

Abschließend schreiben Herr Direktor Dr. Bammer und Herr Direktor Rehulka: "Wir ersuchen Sie, unsere vorgebrachten Argumente nochmals zu prüfen und in einem abgeänderten Entwurf zu berücksichtigen."

Meine Damen und Herren! Das Problem ist, daß eben diese Argumente nicht berücksichtigt worden sind. Wir beraten jetzt über ein Gesetz, das weder Fisch noch Fleisch ist. Mit diesem Gesetz werden die Probleme der Flughafenbediensteten nicht gelöst, und gleichzeitig sagen auch österreichische Unternehmungen – wie etwa die AUA –, daß sie sich ausgeschlossen fühlen. Aus diesen Gründen muß unsere Fraktion dieses Gesetz leider ablehnen.

Erwähnen möchte ich abschließend noch, daß dieses Gesetz rückwirkend in Kraft tritt. Eine solche Vorgangsweise ist auch demokratiepolitisch äußerst bedenklich und bestätigt uns nur in unserer Ablehnung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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13.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing. – Bitte.

13.24

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Der einzige Punkt, in welchem ich meinem Vorredner zustimmen kann, ist die Problematik, daß dieses Gesetz rückwirkend in Kraft tritt. Das ist natürlich problematisch und sollte, wenn möglich, nie passieren, kann aber, wie in diesem Fall, um eine Legisvakanz auszuschließen, vorkommen, auch wenn wir damit – das sage ich sehr offen, und ich glaube, da geht es uns allen gleich – keine Freude haben. (Präsident Gerstl übernimmt den Vorsitz.)

Im übrigen habe ich die Ausführungen meines Vorredners kaum verstanden. Denn einerseits sagen Sie, daß mit diesem Gesetz viel zuviel liberalisiert wird und daher die Sozialdemokraten dagegen sein müßten. Dann lehnen Sie sich auf unsere Seite und sagen, daß wir dagegen sein müßten, weil viel zuwenig liberalisiert wird. Wo liegt die Wahrheit jetzt wirklich? – Ich weiß nicht, wie Sie das sehen! Sie haben versucht, das einmal so und dann wieder anders zu interpretieren.

Faktum ist, daß wir uns dieser EU-Richtlinie anschließen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Sie müssen nur aufzeigen und dies vorne deponieren, dann kommen Sie zu Wort, Herr Tremmel!

Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß wir diesfalls eine EU-Richtlinie umsetzen, die den Marktzugang für Bodenabfertigungsdienste liberalisiert. Wir wollen damit erreichen, daß es mehr Wettbewerb und damit mehr Qualität gibt, und das bei hoffentlich sinkenden Preisen, sodaß dementsprechend auch die Flughafengebühr sinken kann. – All das sind für uns Gründe genug, daß meine Fraktion gegen dieses Gesetz keinen Einspruch erheben wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.26

Präsident Alfred Gerstl: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Erich Farthofer. – Bitte.

13.26

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kurz zu den Eckpunkten dieses Gesetzes: Es ist im Gesetz angeführt, welche Bodenabfertigungsdienste liberalisiert werden sollen. Es gibt eine Begrenzung der Anbieter, aber auch eine Beschränkung für die Selbstabfertiger. Die Wahrung des Wettbewerbs ist gegeben. Hinsichtlich der Ausschreibung sollen unabhängige Dienstleister zum Zug kommen. – Das ist im großen und ganzen der Inhalt der derzeitigen Gesetzesvorlage.

Zu Herrn Kollegen Ram von der Freiheitlichen Partei: Das ist typisch für Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! Ich kann mich an die Debattenbeiträge im Nationalrat erinnern, in denen hinsichtlich dieses Gesetzes sehr scharf kritisiert wurde, daß zuwenig liberalisiert wird und durch dieses Gesetz zuwenig Wettbewerb ermöglicht wird. Andererseits stellen Sie sich im Bundesrat her und kritisieren, daß zuviel liberalisiert wird. Und dann geht man hinaus zur Bevölkerung und zu den 2 200 Beschäftigen am Flughafen Schwechat und sagt: Wir sind eh für euch!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor allem von der Freiheitlichen Partei! Die Wahrheit ist, daß es sehr viele ausführliche Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern des Flughafens und der Airlines gegeben hat. Ich darf in aller Bescheidenheit für mich in Anspruch nehmen, daß ich seinerzeit im Europaparlament dabei war, als dieses Thema sehr ausführlich, sehr intensiv und sehr heftig diskutiert wurde. Und es waren die Vertreter Ihrer Partei, die im Europäischen Parlament eine wesentlich schärfere Liberalisierung verlangt haben. – Anscheinend dürfte man das inzwischen vergessen haben!

Tatsächlich kommt es zu einer vernünftigen Liberalisierung und zu mehr Wettbewerb. Es wird zu verschiedenen Preisnachlässen kommen. Und was vor allem sehr wichtig ist, geschätzte Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei: Wir dürfen bei dieser Angelegenheit vor allem nicht vergessen, daß insbesondere die Sicherheit der Passagiere im Vordergrund steht. Würde es jetzt die seinerzeit von den Freiheitlichen im EU-Parlament gewünschte Totalliberalisierung geben, dann wäre die Sicherheit der Passagiere auf dem Schwechater Flughafen sicherlich in


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großer Gefahr! Glauben Sie mir das, denn ich kenne die Abänderungsanträge der Freiheitlichen Partei zu diesem Ground-Handling-Gesetz im EU-Parlament!

Im großen und ganzen kann man diesem Gesetz zustimmen. Wir von den Sozialdemokraten werden das tun.

Herr Bundesminister! Nun noch ein Anliegen von mir: Es ist bekannt, daß ich gelernter Lokomotivführer bin, und ich meine, daß speziell wir Sozialdemokraten irgendwann an die Treibstoffbesteuerung beim Flugverkehr herangehen müßten. Denn das würde bedeuten, daß es auch im Wegekostenbereich eine Annäherung der Kostenwahrheit zwischen Schiene, Straße und auch Luftverkehr gibt. – Wir Sozialdemokraten werden die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.29

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Minister Einem. – Bitte.

13.29

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Zunächst eine Anmerkung: In der Tat hatten wir – das werden einige von Ihnen wissen – dieses Gesetz ursprünglich anders konzipiert, als die vom Nationalrat herübergekommene Vorlage jetzt aussieht. Der wesentliche Grund, aus dem wir im Begutachtungsverfahren eine andere Konzeption hatten, war, daß wir gemeint haben, wir sollen die Regelungen, die auf EU-Ebene erlassen wurden, da und dort auch den spezifisch österreichischen Bedürfnissen anpassen.

Wir haben dann, wie das unserer Praxis entspricht, mit den Betroffenen – das waren insbesondere die Arbeitnehmerseite und die Luftverkehrsunternehmen der AUA-Gruppe, aber auch der Flughafen selbst – ausführliche Gespräche geführt. Die Konsequenz daraus war: Am Ende haben wir uns auf jenen Kompromiß geeinigt, der durch die EU-Richtlinie vorgegeben war.

Jetzt kann man natürlich sagen: Das ist unerhört! Jetzt ist das eine nicht enthalten und das andere auch nicht. – Aber der springende Punkt ist nicht, daß man jeder Gruppe das sagt, was sie gerne hören möchte, sondern daß man im politischen Geschäft einen Kompromiß erzielt, den eine Mehrheit zu tragen in der Lage ist und mit welchem eine Verbesserung der heute gegebenen Situation erreicht wird.

Nun noch ein Wort zum Thema Versicherungspflicht: Im allgemeinen haben Unternehmen die Verpflichtung zum Abschluß einer Pflichtversicherung in einer bestimmten Mindesthöhe nicht besonders gern. Andererseits müssen sie in diesem Zusammenhang daran denken, daß es bei der Betankung von Flugzeugen relativ leicht zu einem Unfall kommen könnte und daß dabei, ganz abgesehen von Personenschäden, große Werte auf dem Spiel stehen. In Anbetracht dessen kann eine Versicherungssumme in Höhe von 350 Millionen Schilling als Obergrenze der Schadensdeckung unter Umständen auch deutlich zuwenig sein.

Wir sollten uns dessen bewußt sein, daß es den Versicherungsunternehmungen einerseits ohne weiteres möglich ist, die relative Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadensfalles nach versicherungsmathematischen Gesichtspunkten abzuschätzen, und daß es andererseits im Schadensfall sowohl im Interesse der Betroffenen als auch im Interesse des Unternehmens, das gegebenenfalls zum Schadenersatz verpflichtet ist, angemessen zu sein scheint, daß es eine ordentliche Deckungssumme gibt. Das war auch der Grund dafür, daß es gelungen ist, eine höhere Deckungssumme als die allerniedrigste zu erreichen. Allerdings ist die jetzt vorgesehene Deckungssumme von 350 Millionen meiner Meinung nach noch immer der Untergrenze sehr nahe.

Insgesamt aber gehen wir hier einen Weg der verantwortlichen Liberalisierung, und das ist der Weg, zu dem wir uns bekennen. Ich ersuche daher um Zustimmung zu diesem Entwurf. (Beifall bei der SPÖ.)

13.32

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.


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Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung das Wort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

32. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz geändert wird (761/A und 1188/NR sowie 5713/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zu Punkt 32 der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Erich Farthofer übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Erich Farthofer: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Ausschußbericht liegt vor.

Der Ausschuß für Wissenschaft und Verkehr stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Herr Präsident! Ich bitte, die Debatte fortzusetzen.

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer. – Bitte.

13.34

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Drei große Technologien werden unsere Zukunft bestimmen: Es sind dies erstens das Fernsehen und der Hörfunk, also die allgemeine Übertragung von Bild und Ton, zweitens der Bereich der EDV, in welchem allgemeine und Spezialinformationen in Form von Disketten, CDs – den Ihnen allen bekannten CD-ROMs – und über Großrechner als eine gigantische Anzahl von Daten gespeichert und übermittelt werden können, und drittens der Telekommunikationsbereich, also Telefon – über Festnetz oder Mobilnetz –, und Telefax-Bereich, bei welchen die Informationsträger Personen sind.

In Zukunft wird es interessant sein, diese Technologieträger miteinander zu verknüpfen. Stellen Sie sich vor, daß es in Zukunft möglich sein wird, das Fernsehen mit dem Telefon zu verknüpfen und somit ein interaktives, digitales Fernsehen zu schaffen, oder daß es möglich sein wird, die EDV und das Telefon zu verknüpfen. Man kann schon heute mittels EDV und Textverarbeitung ein Fax schreiben und dieses direkt über die Telefonleitung verschicken, und man kann auf Datennetze und Datenhighways im Wege des allseits bekannten Internets zugreifen. Es wird auch eine Verknüpfung zwischen Fernsehen, EDV und Telefon geben, man wird zum Beispiel sogenannte Videokonferenzen schnell, flexibel und kostengünstig abhalten können.

So kann zum Beispiel ein Betrieb oder auch eine Partei eine Länderkonferenz abhalten, an welcher neun Niederlassungsleiter oder neun Landesparteiobmänner teilnehmen. Für eine solche Videokonferenz ist keine Anreise nötig, dieser Zeitverlust muß nicht in Kauf genommen werden. Eine solche Konferenz kann flexibel einberufen, unterbrochen und neu einberufen werden, und dabei können die oft hohen Kosten für Reise, Unterbringung und so weiter eingespart werden.


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Diese neuen Technologien bringen gewaltige Fortschritte mit sich. In der Informationsübermittlung werden ganz neue Qualitäten in bezug auf die Datenmenge und die Geschwindigkeit der Übermittlung, aber auch in bezug auf die Selektion von Daten erreicht werden. Es wurde schon des öfteren angesprochen: Wir bewegen uns von der Dienstleistungs- in eine neue Informationsgesellschaft. Dabei, meine Damen und Herren, geht es um die Frage: Wer soll Träger und wirtschaftlicher Nutzer dieser Technologien sein?

Schauen wir uns ein entsprechendes Szenario für Österreich kurz an. Im Bereich Fernsehen und Hörfunk gibt es den ORF, der jahrzehntelang eine Monopolstellung innehatte. Niemand kann heute sagen, in welche Richtung sich der ORF mit seinen zwei Fernsehsendern und seinen drei oder vier Rundfunksendern entwickeln wird. Bleibt er eine öffentlich-rechtliche Anstalt? Wird er eine Aktiengesellschaft? Wie viele Sender wird er in Zukunft haben? Welchen Programmauftrag wird er erfüllen oder erfüllen müssen? Wie wird sich der ORF künftig gegenüber einer europa- und weltweiten Konkurrenz behaupten können?

Der nächste Bereich betrifft die EDV. Dieser Bereich ist weitgehend privatisiert. Es gibt große Rechenzentren. Wir haben voriges Jahr ein Gesetz dafür beschlossen, daß auch das Bundesrechenzentrum in eine GesmbH einzubringen ist – was mittlerweile geschehen ist – , um auf diesem Wege Aufgaben zu übernehmen. Zu erwarten ist ein großer Konzentrationsprozeß in diesem Bereich, Großrechner-Firmen werden entsprechende Aufgaben übernehmen, und vielleicht wird auch das Bundesrechenzentrum einmal im Wege einer Einbringung oder Fusion in einer solchen Firma aufgehen.

Der dritte Bereich betrifft das Telefon, das im Mittelpunkt der heutigen Gesetzesvorlage steht. Diesbezüglich muß man zwischen zwei Entwicklungen unterscheiden: Einerseits gibt es das Festnetz, bei welchem heute noch die Post und Telekom Austria als weitaus größtes Unternehmen Marktführerin ist und private Gesellschaften, die durch die Telekom-Liberalisierung erst nach und nach vordringen werden. Andererseits gibt es eine rasante Entwicklung des Mobilnetzes, bei welchem die Mobilkom, die Tochterfirma der PTA, Marktführerin ist, es aber auch schon die Firma max.mobil auf privater Basis gibt und die dritte Lizenz an eine Firma Connect vergeben wurde, die in nächster Zeit auf dem Markt auftreten wird.

Die Gestaltung und Weiterentwicklung dieses Bereiches wird entscheidend für die Zukunft unseres gesamten Gesellschaftsystems sein, meine Damen und Herren! Denn hiebei geht es um die Frage, welche Freiheiten, sich zu informieren, und welche Abhängigkeiten von gewissen Anbietern es geben wird. Es ist heute völlig undenkbar, daß das ORF-Monopol auf Dauer bestehenbleibt, auch das Postmonopol ist nicht weiter haltbar, ein Telekom-Monopol gibt es ohnehin nicht mehr, und auch ein Datenmonopol ist nicht vorstellbar. Daher muß in diesem Zusammenhang auf gesetzlicher Basis die Möglichkeit für eine weitgehende Marktöffnung und eine weitgehende Produktfreiheit geschaffen werden. Aus diesem Grunde fordern wir Freiheitliche entsprechende zukunftsweisende Gesetze, die eine weitgehende Marktöffnung garantieren und einen breiten Wettbewerb in diesen Bereichen gewährleisten. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ziel muß es sein, Informations- und Wahlfreiheit für den Bürger zu schaffen, verbunden mit wettbewerbsbedingten Kostensenkungen. Denn in Österreich sind die Telefongebühren im Vergleich zu anderen europäischen Staaten nach wie vor sehr hoch, und gerade ein fairer Wettbewerb in diesem Bereich, sowohl im Fest- als auch im Mobilnetz, wird in Zukunft zu Tarifsenkungen führen.

Meine Damen und Herren! Das hier vorliegende Gesetz geht unseres Erachtens nicht in die richtige Richtung, weil wir glauben, daß dieses Gesetz durch die Hintertür wiederum den Marktführer Post und Telekom, der immerhin 80 Prozent des Telefonmarktes in Österreich beherrscht, stärken und den anderen gegenüber bevorzugen will, und zwar über die Frequenzvergaben im DCS-1800-Band, indem man nämlich der Post größere Frequenzbereiche zuweisen will.


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Das wollen wir nicht. Wir wollen Wettbewerbsfreiheit, wir wollen Wettbewerbsgleichheit, eben aus den Überlegungen heraus, die ich vorhin skizziert habe. Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, werden wir Freiheitliche dem vorliegenden Gesetzentwurf unsere Zustimmung nicht erteilen können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.41

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Peter Polleruhs. Ich erteile ihm das Wort.

13.41

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es geht um den Beschluß des Nationalrates vom 17. Juni betreffend ein Bundesgesetz – wie wir vom Kollegen schon gehört haben –, mit dem das Telekommunikationsgesetz geändert wird. Gestatten Sie, daß ich auszugsweise einige Sätze daraus zitiere.

"Der restliche für DCS-1800 reservierte Frequenzbereich" – Sie haben es zum Schluß angesprochen – "ist derart zu verwerten, daß jedenfalls eine weitere Konzession mit einer bundesweiten Versorgungspflicht und darüber hinaus mehrere andere, nicht bundesweite Konzessionen vergeben werden sollen. Inhaber einer Konzession zur Erbringung des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels Mobilfunk sind von der Vergabe einer weiteren Konzession mit bundesweiter Versorgungspflicht im für DCS-1800 reservierten Frequenzbereich ausgeschlossen. Die Bewerbung um andere Konzessionen im Mobilfunkbereich steht ihnen jedoch frei."

Ähnlich geht es weiter. Sie werden mir bestätigen, daß es ein relativ trockener Gesetzestext ist, jedoch vermischt mit einem Hauch von Technik. Bezüglich Technik möchte ich sagen: Herr Kollege Königshofer hat ausführlich erklärt, was heute schon alles möglich ist, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen – Hand aufs Herz! –, die meisten kennen sich ohnedies nicht aus. Alle sind jedoch verärgert, wenn die Technik wieder einmal nicht funktioniert. Es sind dann alle schuld, nur nicht man selbst.

Die Schuldigen oder die Nichtschuldigen an der Gesetzesänderung wurden auch in den Reihen der Nationalräte gesucht. Ich darf hier auszugsweise einige Meinungen des Nationalrates zu dieser Gesetzesänderung wiedergeben.

Es hat Abgeordneter Ing. Meischberger von der F gemeint, daß seine Fraktion eine Zustimmung zu dieser Vorlage im Hinblick auf die unterschiedliche Vergabe der verschiedenen Frequenzen ablehnt. Er hat weiters einen Entschließungsantrag eingebracht, weil er eine unnötige Belastung der Landschaft mit Sendemasten gegeben sieht.

Abgeordneter Parnigoni von der Sozialdemokratischen Partei spricht von einer optimalen Verwertung der restlichen Frequenzen und zeigt sich überzeugt davon, daß es aufgrund eines vierten bundesweiten Anbieters zu mehr Wettbewerb und zu mehr Attraktivität kommen wird, was sich letztendlich in attraktiveren Preisen für den Kunden niederschlägt.

Abgeordneter Barmüller vom Liberalen Forum bezeichnet den Antrag der F als an der Wirklichkeit vorbeigehend, da der Überlappungsbereich zwischen den einzelnen Sendegebieten zu gering sei. Hinsichtlich der Vorlage zeigt sich dieser Redner skeptisch, inwieweit damit tatsächlich Rechtssicherheit garantiert werden könnte. – Sie sehen, daß es dort sehr viele unterschiedliche Meinungen gegeben hat.

Frau Dr. Moser wäre nicht bei den Grünen, wenn sie nicht – am Gesetz vorbeischauend – den Antrag der Freiheitlichen unterstützen würde, weil es ihr um das Landschaftsbild und um die Bedenken der Anrainer geht.

Das mag stimmen, aber wenn man gewisse Dinge haben will, dann kann man nicht nach dem Motto handeln: Ich bin nicht dafür, weil ich dagegen bin. – Aber ganz so kann es auch nicht sein. (Präsident Gerstl übernimmt den Vorsitz.)


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Meine Damen und Herren! Konkret auf den Punkt gebracht, werden mit dieser Regelung erstens die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die bisherigen Lizenznehmer – das sind bekanntlich A 1, max.mobil und Connect – sicherlich nicht geändert, es wird zweitens der Ausbau einer marktbeherrschenden Stellung für die bisherigen Anbieter verhindert, drittens für weiteren Wettbewerb auf dem Markt gesorgt und viertens dem Staat sicherlich eine weitere Budgeteinnahme aus der Versteigerung der vierten Handy-Lizenz gesichert.

Mir ist klar, daß es für die Opposition nicht gerade gut ist, wenn die Regierungsparteien auf den Staatssäckel schauen und zu weiteren Einnahmen kommen.

Mehr, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist darüber nicht zu sagen. Ich möchte Sie auch nicht länger aufhalten, denn ich kann mir vorstellen, daß Sie das Ende der Sitzung schon herbeisehnen, damit jeder seine geliebte Mobilbox abhören kann, ob vielleicht eine gute oder eine schlechte Nachricht gespeichert ist. Wenn dort keine Nachricht vorzufinden ist, seien Sie bitte nicht enttäuscht. Es wollte Ihnen sicherlich ein lieber, netter Mensch eine gute Nachricht übermitteln, aber es hat eben wieder einmal, wie das so üblich ist, die Technik versagt.

Die ÖVP-Fraktion wird dieser Gesetzesnovellierung aber gerne ihre Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.46

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Josef Pfeifer. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Dr. Tremmel: Herr Bürgermeister! Hast du auch eine Mobilbox? – Bundesrat Pfeifer: Ja, aber abgeschaltet!)

13.46

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte festhalten, daß der vorliegende Beschluß des Nationalrates, gegen den auch die SPÖ-Fraktion keinen Einspruch erhebt, Rechtssicherheit schafft und hilft, unnötige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Es werden keinerlei den bereits vorhandenen Betreibern zugesicherte Rechte gebrochen.

Das ist aber schon alles, was mir daran gefällt – außer vielleicht noch, daß wir auch entsprechende Einnahmen daraus zu verzeichnen haben. Aber als Bürgermeister einer flächenmäßig relativ großen Gemeinde muß ich auch meine Bedenken anmelden. Wir haben mit einem Mastenwald zu rechnen – wahrscheinlich noch verstärkt –, und es ist jetzt schon recht lustig, festzustellen, was sich alles abspielt. Abgesehen davon, daß nach der Bauordnung, nach dem Gemeindeplanungsgesetz, das Landessache ist, die Betreiber überhaupt nicht mehr fragen, sondern einfach eine Meldung abgeben, sobald der Mast steht. Man kann dann immer nur ein wenig nachschauen, wo etwas passiert. Wenn so ein Mast – das kann auch vorkommen – halbwegs ins Landschaftsbild hineinpaßt, dann geht es ja noch, aber es gibt auch Fälle, daß ein Mast auf einem Hügel errichtet wird oder mitten in einer Siedlung steht.

Ich weiß, daß irgend jemand den Grund dafür zur Verfügung stellen muß. Die Angebote in dieser Hinsicht sind recht lukrativ. Aber wir in den Gemeinden draußen müssen damit leben, und vor allem müssen auch die Nachbarn damit leben.

Herr Minister! Ich kann Ihnen sagen, ich habe es nur einmal erreicht, daß ein Betreiber den Mast nicht rot-weiß-rot lackiert stehen ließ, sondern ihn, weil er in Waldnähe aufgestellt ist, grün angestrichen hat. Das war aber ein Entgegenkommen, und das ist auch schon alles, was wir erreichen können.

Ich weiß, daß das eine Angelegenheit des Landes ist, und ich werde alles versuchen, um, falls die Möglichkeit dazu besteht, auf Kärntner Ebene unter Umständen etwas in die Bauordnung einzubringen – wenn nicht der Bund irgend etwas unternimmt. Ich bitte Sie, alles daranzusetzen, damit man das in halbwegs geregelten Bahnen über die Bühne bringen kann.

Kollege Polleruhs! Es geht auch mir ab und zu so, daß ich zwar nicht in der eigenen Gemeinde schimpfe, aber wenn ich woanders bin und keine Verbindung bekomme – das passiert auf dem


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Land draußen immer wieder –, sage: Können die nicht etwas Anständiges machen? – Das sind eben die zwei Seelen, die man in der Brust hat. Aber vielleicht ist es doch möglich, daß wir eine geordnete, eine halbwegs geordnete Regelung zustande bringen, bevor es – davor habe ich Angst – zu spät ist.

Das wäre es gewesen. Das waren meine Bedenken. (Beifall bei der SPÖ.)

13.50

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Caspar Einem. – Bitte.

13.50

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dr. Caspar Einem: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Vielleicht zunächst zu den Bedenken des Bundesrates Pfeifer: Ich kann hier ankündigen, daß das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr in diesen Tagen einen Gesetzentwurf in Begutachtung schickt, der darauf abzielt, daß künftighin Betreiber von Mobilfunksendeanlagen verpflichtet sein werden, anderen ebensolchen die Mitnutzung der von ihnen aufgestellten Sendemasten zu erlauben – gegen Entgelt natürlich –, falls diese das wünschen.

Das Ziel dieser Gesetzesbestimmung, die wir vorschlagen, ist, die Zahl der Sendemasten auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren oder zumindest überhaupt zu reduzieren. Was nämlich ein vernünftiges Maß ist, läßt sich ohneweiters nicht feststellen. Denjenigen, denen es relativ egal ist, daß ein Sendemast dort steht, wird es Wurscht sein, den anderen, die es stört, ist jeder zuviel. Was wir also versuchen wollen, ist, eine Reduktion in der "Versendemastung" der österreichischen Landschaft oder auch des Stadtbildes manches Städte zu erreichen. – Das nur als Vorankündigung.

Die Begeisterung in der einschlägigen Branche hält sich freilich in Grenzen. Es gibt jetzt schon einige, die freiwillig und auf vertraglicher Basis miteinander kooperieren. Es gibt andere, die aus Gründen der geheimen Konzeption ihrer Netzkonfiguration nicht daran interessiert sind, sich auch nur partiell mit den Betreibern anderer ebensolcher Netze zu treffen. Das Gesetz greift in diese Freiheit ein. Wir werden sehen, welche Reaktionen wir auf den Vorschlag bekommen. Er ist fertiggestellt und geht in diesen Tagen in Begutachtung.

Vielleicht noch zur freiheitlichen Fraktion, weil DDr. Königshofer darauf hingewiesen hat, daß er und seine Fraktion dem vorliegenden Gesetzesbeschluß des Nationalrates nicht zustimmen, weil dies eine neuerliche Stärkung der Post ist.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Sie werden nicht zustimmen, aber Sie werden sich in einem Irrtum befinden. Das sollten Sie zumindest wissen. Sie kritisieren die Novelle. Sie übersehen dabei, daß § 125 Abs. 3 schon heute, also in der alten Gesetzesfassung, eine Regelung vorsieht, die unter bestimmten Bedingungen, die dort beschrieben sind, der PTA oder Mobilkom und max.mobil die Möglichkeit auf Zuteilung zusätzlicher Frequenzen einräumt, und zwar ab jenem Zeitpunkt, ab dem sie mit den zugewiesenen 900er-Frequenzen an eine objektive Grenze ihrer Marktentwicklung stoßen. Daran ändert der vorliegende Gesetzesbeschluß nichts. Das einzige, was er tut, ist, daß er noch deutlicher, als das in der ursprünglichen Bestimmung des § 125 Abs. 3 geregelt gewesen ist, klarstellt, daß jedwede darüber hinausgehende andere Frequenz bis zu dem Zeitpunkt, den schon § 125 Abs. 3 enthält, nämlich drei Jahre nach Erstzuteilung, ausgeschlossen ist.

Ich denke, das ist nicht ein Vorteil der PTA oder der Mobilkom, sondern das ist ein klarer Nachteil, was ihre Chancen betrifft, und es ist zugleich ein Vorteil für die weitere Marktentwicklung der Mobiltelefonie, weil es uns darum geht, unter den Bedingungen begrenzt zur Verfügung stehender Frequenzen im DCS-1800-Bereich dafür Sorge zu tragen, daß eher ein vierter dazukommt, als daß ein schon bestehender Betreiber zusätzliche Frequenzen bekommt.

Das ist Zweck der jetzt vorliegenden Gesetzesbestimmung. Ich denke daher, daß ziemlich klar ist, daß Sie zwar ablehnen werden, aber daß Sie sich in einem Irrtum über den Grund befin


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den – was im Grunde genommen wiederum egal ist. – Ich danke Ihnen jedenfalls. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.53

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch nicht.

Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

33. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. Juni betreffend ein Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die weitere Verringerung von Schwefelemissionen samt Anlagen und Erklärung der Republik Österreich (1086 und 1216/NR sowie 5721/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zum 33. Punkt der Tagesordnung: Protokoll zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung betreffend die weitere Verringerung von Schwefelemissionen samt Anlagen und Erklärung der Republik Österreich.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wolfgang Hager übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Wolfgang Hager: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Bericht des Ausschusses für Umwelt, Jugend und Familie liegt schriftlich vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Ausschuß für Umwelt, Jugend und Familie stellt nach Beratung der Vorlage am 30. Juni 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. der im Artikel 11 des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates enthaltenen verfassungsändernden beziehungsweise verfassungsergänzenden Bestimmung gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

2. dem gegenständlichen Beschluß gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen,

3. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gottfried Jaud. Ich erteile es ihm.

13.57

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Die niedrigen SO2-Emissionen in Österreich sind vorbildlich und stellen einen europäischen Spitzenwert dar – natürlich eine Spitze nach unten.


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Österreich hatte seine SO2-Emissionen bereits in den achtziger Jahren von zirka 400 000 Tonnen pro Jahr auf 90 000 Tonnen pro Jahr gesenkt. Viele andere Staaten, besonders die östlichen Nachbarstaaten, haben diese Aufgabe noch vor sich. Das ist für diese Staaten besonders schwierig, weil die Verbesserung der Umweltstandards viel Geld kostet und von der Wirtschaft erst verkraftet werden muß. Einige unserer östlichen Nachbarn wollen aber in den kommenden Jahren ihre Wirtschaftskraft an den westeuropäischen Standard angleichen. Das wird umso schwieriger sein, als sie gleichzeitig auch die Umweltstandards verbessern wollen und müssen. Mit dem Beschluß von Gesetzen und Grenzwerten allein ist es nicht getan. Die Wirtschaft muß all das bezahlen und verkraften.

Nach der vorliegenden Regierungsvorlage stammen 95 Prozent der Schwefelbelastung in Österreich aus dem Ausland. Trotzdem bestünden nach meiner Auffassung auch in Österreich noch genügend Potentiale, um die Luftbelastung zu senken. Ich denke etwa daran, daß vor den Toren von Wien mit Kohle und Öl Strom erzeugt wird. In unserem Land gibt es aber noch genügend Wasserkraft, die zur Stromerzeugung genützt werden könnte.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß auf Dauer die Stromerzeugung aus Kohle, Öl oder Gas billiger kommt als die Stromerzeugung durch Wasserkraft. Bei der Wasserkraft kostet die Primärenergie, nämlich das Wasser, nichts, während wir Kohle und Öl importieren müssen und damit in Abhängigkeit geraten und außerdem unsere Umwelt enorm belasten. Wir dürfen nie vergessen, daß die Stromerzeugung durch Wasserkraft keine wie immer geartete Luftbelastung bedeutet.

Wenn nun die Umweltbelastung und die Beseitigung der Umweltschäden, die durch Kohle, Gas, Öl, Atom oder auch Bioenergie entstehen, angerechnet werden, ist die Wasserkraft sicherlich bei weitem am billigsten. Lassen wir uns hier von diversen Lobbyisten nicht Sand in die Augen streuen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Derzeit werden keine größeren Wasserkraftwerke mehr gebaut, weil Wasserkraft zu teuer kommt. Ich halte das für einen falschen Weg, den wir eines Tages bereuen werden, denn wir haben dann keine Infrastruktur mehr oder nur eine sehr teure Infrastruktur, mit der wir wiederum Wasserkraftwerke bauen können. Hinzu kommt eine verstärkte Forcierung der BHKW, das heißt der Blockheizkraftwerke. Ich halte auch das für sehr wichtig.

Österreich ist also nicht nur ein Musterland für die innere Sicherheit, sondern auch ein Musterland, was die geringe Umweltbelastung anlangt.

Das vorliegende Übereinkommen ist für Österreich deshalb von besonderer Bedeutung, weil damit die Luftbelastung, die von außen in unser Land hereingetragen wird, verringert werden kann. Ohne internationale Zusammenarbeit sind die Probleme der Luftbelastung aber nicht in den Griff zu bekommen. Deshalb geben wir dieser Vorlage gerne unsere Zustimmung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.00

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Günther Leichtfried das Wort. – Bitte.

14.00

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren des Bundesrates! 1972 Umweltkonferenz von Stockholm, 1992 Umweltkonferenz von Rio, 1997 Umweltkonferenz von Kyoto – Jahreszahlen, die, wie ich glaube, jedem in diesem Saal bekannt sind (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel ), und Konferenzen, in die man mit sehr großen Erwartungen gegangen ist. Die Realität hat nicht jenes Ergebnis gebracht, das sich vor allem Umweltschützer erwartet haben.

Im Jahre 1972, anläßlich der Umweltkonferenz von Stockholm, kamen Barbara Ward und René Dubos in ihrem Bericht "Only One Earth" zu dem Schluß, daß die beiden Welten des Menschen – die Biosphäre, die er ererbt, und die Technosphäre, die er geschaffen hat – nicht im Gleichgewicht, sondern mehr oder minder offen in Konflikt miteinander seien, und der Mensch


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stünde im Zentrum dieses Konflikts. Wir befänden uns, schrieben sie weiter, heute an einem Punkt der Geschichte, an dem wir uns auf eine Krise zubewegen, die jäher, umfassender, unvermeidlicher und beunruhigender als alle Krisen sei, welche die Menschheit bisher erlebt hat.

Meine Damen und Herren! Diese schmerzvollen und deutlich hörbaren Hilferufe waren bereits vor drei Jahrzehnten zu vernehmen. Die Befürchtungen, in eine Ökokatastrophe zu schlittern, waren vorhanden, die Reaktionen der einzelnen Länder beziehungsweise der einzelnen Verantwortungsträger waren aber sehr unterschiedlich.

Es war jedoch meiner Ansicht nach sehr wichtig, daß im Zuge der Konferenz von Stockholm Umweltpolitik als ein eigenständiges Element erkannt wurde. Bis zum Ende der siebziger Jahre war Umweltpolitik vorrangig an lokalen beziehungsweise regionalen Problemen wie zum Beispiel der Wasserreinhaltung orientiert. Schöne Erfolge in der Umweltpolitik gab es damals auch in Österreich. Dies war vor allem auf eine verantwortungsvolle Umweltpolitik der sozialdemokratischen Alleinregierung zurückzuführen.

In den achtziger Jahren rückten globale Probleme unserer Umwelt in den Vordergrund: Treibhausgase, Klimaänderungen, Vernichtung der Regenwälder, Zerstörung der Ozonschicht und vieles mehr. Man erkannte, daß Umweltpolitik nicht allein auf nationaler Ebene umgesetzt werden kann, sondern Erfolge erst durch eine weltweite Zusammenarbeit erzielt werden können.

Seit der Konferenz von Rio im Jahr 1992 hat sich in der internationalen und in der österreichischen Umweltpolitik viel ereignet, obwohl die Wunschvorstellung der Umweltschützer, Rio werde sowohl in der Weltbevölkerung als auch bei den Mächtigen in Politik und Wirtschaft zu einem Bewußtseinswandel und damit zu verbindlichen Vereinbarungen führen, nicht erfüllt wurde. Vor allem die mächtigen USA entpuppten sich dabei immer wieder als Spielverderber – sie sind bis heute geblieben –, obwohl gerade die Vereinigten Staaten als einer der Hauptemittenten pro Kopf dreimal soviel Energie verbrauchen wie manche EU-Staaten und ein Vielfaches von so manchem Dritte-Welt-Land.

Meine Damen und Herren! Unbestritten ist aber, daß gerade in den letzten zwei, drei Jahrzehnten eine sehr effektive Umweltpolitik betrieben wurde, die unter anderem auch durch die erwähnten Umweltkonferenzen bewirkt wurde, in vielen Bereichen jedoch noch verbesserungsfähig ist.

Österreich hat, wie heute schon gesagt wurde, innerhalb der EU in Umweltbelangen sicherlich eine Vorbildfunktion. Das könnte man durch verschiedene Beispiele beweisen. Der Schwefeloxidausstoß konnte in den Jahren 1990 bis 1994 um über 80 Prozent verringert werden. Maßnahmen, die von der damaligen Regierung eingeleitet und von der Wirtschaft mitgetragen wurden, wie zum Beispiel Rauchgasentschwefelungen, Reduktion des Schwefelgehaltes im Rohöl und vieles mehr, waren dafür verantwortlich. Auch andere Luftschadstoffe konnten reduziert werden, leider jedoch nicht in dem von uns gewünschten Ausmaß.

Der Großteil der heute in Österreich wirksamen Schwefeloxide stammt, wie schon gesagt, nicht mehr von österreichischen Emittenten, sondern kommt aus dem Ausland, zum Beispiel aus den osteuropäischen Ländern, aber auch aus den EU-Staaten. Gerade deshalb ist ein völkerrechtlich verbindliches Protokoll auch in Zukunft notwendig, denn in unseren Nachbarstaaten ist die Umweltsituation nicht so gut wie bei uns. Es liegt in unserem eigenen Interesse, daß auch in diesen Ländern die Emissionssituation verbessert wird.

Ein wesentlicher Punkt dieses neuen Protokolls ist, daß für jede Vertragspartei eine Berichterstattungspflicht besteht, etwa bezüglich der nationalen Strategien und Maßnahmen, aber auch bezüglich der nationalen Schwefelemissionssituation. Die Einsetzung eines Ausschusses, der die Durchführung dieses Protokolls und die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen überprüfen sowie danach geeignete Empfehlungen geben wird, ist ein weiterer wesentlicher Punkt. Werden diese nicht eingehalten, können bestimmte Maßnahmen von diesem Durchführungsausschuß eingefordert werden.


Bundesrat
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Es ist meiner Meinung nach sehr wichtig, dem zuzustimmen. Die sozialdemokratische Fraktion wird daher gegen den Beschluß keinen Einspruch erheben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Redner hat sich Herr Präsident Alfred Gerstl zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

14.07

Bundesrat Alfred Gerstl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Jeder von uns besitzt Wissen, das er in diesem Haus einbringt. Man muß also nicht streiten, sondern sollte den richtigen Weg im Konsens suchen. Es gibt viele gescheite Leute, die das tun.

Eine der reinsten Städte mit schärfsten Umweltbestimmungen in der Welt ist, wie Sie wissen, Singapur. Singapur entsorgt seinen Müll auch über ein Müllkraftwerk mit Elektrofilter und Rauchgaswäsche. Es gibt also kaum Emissionen! Dieses Müllkraftwerk wurde von den Japanern gebaut.

Ich war als Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz mit diesem Problem befaßt, als die Entsorgung einer Tonne Müll noch 200 S. Damals wollte man ein Müllkraftwerk bauen, es gab jedoch aufgrund der befürchteten Emissionen viele Stimmen dagegen. Ich bin durch die ganze Welt gefahren und habe mir derartige Anlagen angeschaut, beispielsweise in Hamburg, in Stellingen am Moor, in Zürich und einigen anderen Städten. Es werden bei den Rauchgaswäschen unterschiedliche technologische Erkenntnisse erfolgreich eingesetzt.

Als ich erfuhr, daß man mit Müllentsorgung durch energetische und thermische Nutzung auch etwas verdienen kann, und als ich erfahren habe, daß die deutsche Aluminiumindustrie durch den Preisanstieg bei Kohle fast in den Ruin geschlittert war und durch ein Müllkraftwerk mit hochtechnologischen Rauchgaswäschen gerettet wurde, begann ich, umzudenken. Ich konnte mich jedoch nicht durchsetzen.

Heute kostet die Entsorgung einer Tonne Müll in Graz 3 700 S. Es wird getrennt gesammelt und einiger Müll wahrscheinlich vereint irgendwo vergraben, das weiß ich nicht ganz genau. (Bundesrat Farthofer: Das ist eine Unterstellung!)

Das möchte ich jedoch auch in die Debatte einbringen. Ich muß nicht recht haben, aber denken Sie daran, daß wir Menschen technische Perfektion anstreben, die sich immer verbessert, und daß auch das vielleicht ein gangbarer Weg wäre. Man müßte den Umweltschützern sagen: Bitte, schaut euch das an und lest nicht nur jene Zeitungen, die die Menschen gegeneinander aufhetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.10

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile ihm das Wort.

14.10

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich knüpfe dort an, wo Herr Kollege Leichtfried und auch Herr Präsident Gerstl aufgehört haben. (Präsident Gerstl übernimmt den Vorsitz.)

Wir stehen nicht an, zu sagen, daß das eine Vorlage ist, wie wir sie uns vorstellen. Warum? – Kollege Leichtfried hat es schon ausgeführt: Es ist darin ein Kontrollmechanismus vorgesehen, dem bei Materien ähnlicher Art – ich denke in diesem Zusammenhang etwa an die Abkommen über nukleare Sicherheit – zumindest die zwingende Berichterstattung fehlt. Ergo dessen ist es auch so, daß wir etwa über die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Mochovce via Öffentlichkeit und nicht über die dort vorgesehenen Koordinatoren informiert wurden.

Angesichts dessen könnte ich mir vorstellen, daß das auch in anderen Bereichen Anwendung findet, nämlich daß es einen Aufsichtsbereich gibt – ich sage nicht "Aufsichtsbehörde" –, der die Standards, die dafür vorgesehen sind, die nationalen Strategien, die Politiken und die Pro


Bundesrat
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gramme jährlich überprüft und Bericht erstattet. Natürlich ist es für uns leicht, das zu verlangen, da eben die anderen jene Umweltstandards, die wir bereits haben, erst schaffen müssen. Man sollte sich dieser Problematik bewußt sein.

Ich bin sicherlich mit Ihnen, Herr Kollege Jaud, einer Meinung, wenn ich betone, daß die Nutzung der Wasserkraft beziehungsweise ähnliche umweltschonende Energiegewinnungsformen anzustreben sind. Denken wir in diesem Zusammenhang aber zum Beispiel nur an Bulgarien, an das AKW Kozloduj. Die Staatsführung Bulgariens ist zwar durchaus gegen Kernkraftwerke eingestellt, aber angesichts des Zwanges zu dieser Technologie und des einstmals "großen Bruders" – man spricht schon direkt von mafiosen Zuständen – tut sich die bulgarische Staatsführung sehr schwer, sich von dieser Technologie zu verabschieden, und zwar erstens aus finanziellen Gründen, weil man eben exportieren und Devisen bekommen möchte, und zweitens auch aus anderen Gründen, weil es da eben auch technische Abhängigkeiten gibt. – Zu dieser Problematik sollte man all dies bitte auch mitbedenken!

Ich bin jedenfalls sehr froh darüber, daß es zu dieser Vorlage gekommen ist, weil das ein Ansatz für einen Kontrollmechanismus ist, wie wir ihn uns in anderen Bereichen nur wünschen könnten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.13

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand noch das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von den Berichterstattern ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluß enthält in dessen Artikel 11 eine verfassungsändernde beziehungsweise verfassungsergänzende Bestimmung, die gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedarf.

Überdies regelt er Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder, weshalb dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz bedarf.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, der im Artikel 11 des vorliegenden Beschlusses enthaltenen verfassungsändernden beziehungsweise den verfassungsergänzenden Bestimmung gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz beziehungsweise Artikel 50 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz in Verbindung mit Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, der zitierten verfassungsändernden beziehungsweise verfassungsergänzenden Bestimmung die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Ich bitte ferner jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.


Bundesrat
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Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß im Sinne des Artikels 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Eingelangt ist der Selbständige Antrag der Bundesräte Rieser, Schaufler, Vindl, Ing. Grasberger und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Führerscheingesetz, BGBl. Nr. 120/97, geändert wird.

Da dieser Antrag von einem Drittel der Mitglieder des Bundesrates unterstützt wird, wird er gemäß Artikel 41 Abs. 1 B-VG unmittelbar dem Nationalrat unterbreitet.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 18 Anfragen, 1399/J bis 1416/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Mittwoch, der 22. Juli 1998, 9 Uhr in Aussicht genommen. Der 23. Juli wird aber ebenfalls als Sitzungstag in Anspruch genommen werden, da eine sehr umfangreiche Tagesordnung zu erwarten ist.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 21. Juli 1998, ab 13 Uhr, vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 14.18 Uhr