Stenographisches Protokoll

644. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 1. Oktober 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

644. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 1. Oktober 1998

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 1. Oktober 1998: 9.04 – 16.19 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird

2. Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird

3. Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird

4. Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Steiermärkischen Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat 10

Angelobung des Bundesrates Dipl.-Ing. Hannes Missethon 10

Fristsetzungsantrag

Antrag der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen, dem Ausschuß für Verfassung und Föderalismus zur Berichterstattung über den Antrag 89/A des Bundesrates der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Peter Kapral, Dr. Paul Tremmel und Kollegen aus dem Jahr 1995 gemäß § 45 Abs. 3 eine Frist bis zum 31. 12. 1998 zu setzen 41

Ablehnung des Fristsetzungsantrages 61

Besprechung einer Anfragebeantwortung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 1286/AB-BR/98 gemäß § 60 Abs. 2 41

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 60 Abs. 2 87

Redner:

Ernest Windholz 87 und 95

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 89 und 94

Ludwig Bieringer 90


Bundesrat
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644. Sitzung / Seite 2

Engelbert Weilharter 91

Dr. Paul Tremmel 93

Leopold Steinbichler 94

Antrag der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen gemäß § 60 Abs. 6 GO-BR 89

Ablehnung 95

Sitzungsunterbrechungen 40 und 61

Personalien

Krankmeldungen 10

Entschuldigungen 10

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 40

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 39

Ausschüsse

Zuweisungen 40

Fragestunde

Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie 10

Dr. Vincenz Liechtenstein (928/M-BR/98); Horst Freiberger, Monika Mühlwerth

Irene Crepaz (918/M-BR/98); Helena Ramsbacher, Therese Lukasser

Monika Mühlwerth (924/M-BR/98); Engelbert Schaufler, Johanna Schicker

Dr. Kurt Kaufmann (929/M-BR/98); Karl Drochter, Ulrike Haunschmid

Erhard Meier (919/M-BR/98); Mag. John Gudenus, Wolfram Vindl

Dr. Paul Tremmel (925/M-BR/98); Dr. Kurt Kaufmann, Johann Grillenberger

Gottfried Jaud (930/M-BR/98); Herbert Thumpser, Thomas Ram

Johanna Schicker (920/M-BR/98); Monika Mühlwerth, Uta Barbara Pühringer

Dr. Reinhard Eugen Bösch (926/M-BR/98); Peter Rodek, Erhard Meier

Alfred Schöls (931/M-BR/98); Herbert Thumpser, Dr. Susanne Riess-Passer

Wolfgang Hager (921/M-BR/98); Thomas Ram, Ing. Peter Polleruhs

Engelbert Weilharter (927/M-BR/98); Franz Richau, Wolfgang Hager

Wolfram Vindl (932/M-BR/98)


Bundesrat
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644. Sitzung / Seite 3

Dringliche Anfrag
Bundesrat
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644. Sitzung / Seite 4

e

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Böhm und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Bau des Wildschweintunnels (1474/J-BR/98)

Begründung: Monika Mühlwerth 62

Beantwortung: Bundesminister Dr. Nikolaus Michalek 65

Redner:

Mag. John Gudenus 69 und 86

Mag. Harald Himmer 72

Karl Drochter 73

Dr. Peter Böhm 75

Albrecht Konečny 78

Ernest Windholz 80

Dr. Michael Ludwig 81

DDr. Franz Werner Königshofer 83

Entschließungsantrag der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer, Monika Mühlwerth und Kollegen betreffend Wildschweintunnel 86

Ablehnung 87

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(1) Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird (854/A und 1394/NR sowie 5779 und 5781/BR d. B.)

(2) Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird (853/A und 1395/NR sowie 5780 und 5782/BR d. B.)

(3) Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird (856/A und 1396/NR sowie 5783/BR d. B.)

(4) Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert wird (852/A und 1397/NR sowie 5784/BR d. B.)

Berichterstatter: Alfred Schöls 42

[Antrag, zu (1), (2), (3) und (4) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Peter Böhm 43

Josef Rauchenberger 45

Jürgen Weiss 47

Dr. Reinhard Eugen Bösch 49

Ferdinand Gstöttner 51

Wolfram Vindl 51

Dr. Paul Tremmel 52

Albrecht Konečny 55

Dr. Vincenz Liechtenstein 57

Mag. John Gudenus 57

Ludwig Bieringer 59

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 59

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (1) keinen Einspruch zu erheben 60

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 60

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Peter Böhm, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel, Mag. John Gudenus und Kollegen betreffend Umsetzung erfolgreicher Volksbegehren 45

Ablehnung 60

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3) und (4) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 61

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Mag. Karl Wilfing und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ausweitung der Öffnungszeiten des Grenzüberganges Reinthal (1466/J-BR/98)

der Bundesräte Therese Lukasser und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend rechtswidrige Stellenbesetzungen im Bereich der Bundestheater (1467/J-BR/98)

der Bundesräte Mag. Karl Wilfing und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Aufträge an Medienunternehmen (1468/J-BR/98)

der Bundesräte Mag. Karl Wilfing und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Aufträge an Medienunternehmen (1469/J-BR/98)

der Bundesräte Mag. Karl Wilfing und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Aufträge an Medienunternehmen (1470/J-BR/98)

der Bundesräte Engelbert Schaufler und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Praxis bei Pragmatisierungen (1471/J-BR/98)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundesminister für Finanzen betreffend Klarstellung eines Verzichts auf Erhöhung der Grundsteuer (1472/J-BR/98)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundesminister für Finanzen betreffend Aufhebung der Mineralölsteuerbefreiung für Flugbenzin (1473/J-BR/98)

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Böhm und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Bau des Wildschweintunnels (1474/J-BR/98)

der Bundesräte Peter Rodek und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kosten der Zivildienstgrundlehrgänge (1475/J-BR/98)


Bundesrat
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644. Sitzung / Seite 5

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Ergänzung der Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage der Bundesräte Ernest Windholz, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen vom 4. Juni 1998 zu 1398/J (1476/J-BR/98)

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen an den Bundeskanzler – erging auch an alle anderen Mitglieder der Bundesregierung, ausgenommen den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft – betreffend überhöhter Bezüge im Bundeskanzleramt (1477/J bis 1488/J-BR/98)

der Bundesräte Engelbert Weilharter und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend die Verwendung des "Euro-Busses" (1489/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend islamischer Fundamentalismus (1490/J-BR/98)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Alfred Schöls und Kollegen (1283/AB-BR/98 zu 1387/J-BR/98 und 1390/J-BR/98)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen (1284/AB-BR/98 zu 1395/J-BR/98)


Bundesrat
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644. Sitzung / Seite 6

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konečny und Kollegen (1285/AB-BR/98 zu 1392/J-BR/98)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1286/AB-BR/98 zu 1398/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Alfred Schöls und Kollegen (1287/AB-BR/98 zu 1391/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen (1288/AB-BR/98 zu 1397/J-BR/98)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Frage der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer und Kollegen (1289/AB-BR/98 zu 1394/J-BR/98)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen (1290/AB-BR/98 zu 1396/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Aloisia Fischer und Kollegen (1291/AB-BR/98 zu 1393/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1292/AB-BR/98 zu 1407/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1293/AB-BR/98 zu 1410/J-BR/98)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1294/AB-BR/98 zu 1413/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1295/AB-BR/98 zu 1409/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1296/AB-BR/98 zu 1450/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1297/AB-BR/98 zu 1408/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1298/AB-BR/98 zu 1411/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1299/AB-BR/98 zu 1412/J-BR/98)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1300/AB-BR/98 zu 1423/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1301/AB-BR/98 zu 1432/J-BR/98)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1302/AB-BR/98 zu 1414/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1303/AB-BR/98 zu 1400/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1304/AB-BR/98 zu 1401/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1305/AB-BR/98 zu 1402/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1306/AB-BR/98 zu 1403/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1307/AB-BR/98 zu 1404/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1308/AB-BR/98 zu 1405/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1309/AB-BR/98 zu 1406/J-BR/98)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1310/AB-BR/98 zu 1433/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1311/AB-BR/98 zu 1415/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1312/AB-BR/98 zu 1416/J-BR/98)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1313/AB-BR/98 zu 1430/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Mag. Karl Wilfing und Kollegen (1314/AB-BR/98 zu 1470/J-BR/98)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1315/AB-BR/98 zu 1455/J-BR/98)


Bundesrat
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644. Sitzung / Seite 7

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen (1316/AB-BR/98 zu 1458/J-BR/98)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1317/AB-BR/98 zu 1419/J-BR/98)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1318/AB-BR/98 zu 1424/J-BR/98)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1319/AB-BR/98 zu 1438/J-BR/98)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1320/AB-BR/98 zu 1429/J-BR/98)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1321/AB-BR/98 zu 1447/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Engelbert Schaufler und Kollegen (1322/AB-BR/98 zu 1471/J-BR/98)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1323/AB-BR/98 zu 1440/J-BR/98)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1324/AB-BR/98 zu 1441/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Gottfried Jaud (1325/AB-BR/98 zu 1418/J-BR/98)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1326/AB-BR/98 zu 1426/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Monika Mühlwerth, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen (1327/AB-BR/98 zu 1456/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus, Ernest Windholz und Kollegen (1328/AB-BR/98 zu 1457/J-BR/98)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1329/AB-BR/98 zu 1462/J-BR/98)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1330/AB-BR/98 zu 1431/J-BR/98)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
644. Sitzung / Seite 8

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1331/AB-BR/98 zu 1436/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1332/AB-BR/98 zu 1448/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1333/AB-BR/98 zu 1449/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1334/AB-BR/98 zu 1422/J-BR/98)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Alfred Schöls und Kollegen (1335/AB-BR/98 zu 1417/J-BR/98)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1336/AB-BR/98 zu 1443/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1337/AB-BR/98 zu 1425/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1338/AB-BR/98 zu 1439/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Mag. Karl Wilfing und Kollegen (1339/AB-BR/98 zu 1466/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1340/AB-BR/98 zu 1451/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1341/AB-BR/98 zu 1452/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1342/AB-BR/98 zu 1435/J-BR/98)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1343/AB-BR/98 zu 1442/J-BR/98)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1344/AB-BR/98 zu 1428/J-BR/98)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1345/AB-BR/98 zu 1437/J-BR/98)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen (1346/AB-BR/98 zu 1459/J-BR/98)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1347/AB-BR/98 zu 1445/J-BR/98)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1348/AB-BR/98 zu 1453/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1349/AB-BR/98 zu 1434/J-BR/98)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1350/AB-BR/98 zu 1420/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Therese Lukasser und Kollegen (1351/AB-BR/98 zu 1467/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1352/AB-BR/98 zu 1460/J-BR/98)


Bundesrat
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644. Sitzung / Seite 9

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Engelbert Weilharter und Kollegen (1353/AB-BR/98 zu 1465/J-BR/98)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1354/AB-BR/98 zu 1427/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1355/AB-BR/98 zu 1421/J-BR/98)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1356/AB-BR/98 zu 1461/J-BR/98)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1357/AB-BR/98 zu 1454/J-BR/98)

des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1358/AB-BR/98 zu 1444/J-BR/98)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1359/AB-BR/98 zu 1464/J-BR/98)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Mag. John Gudenus und Kollegen (1360/AB-BR/98 zu 1463/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1361/AB-BR/98 zu 1446/J-BR/98)


Bundesrat
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644. Sitzung / Seite 10

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Präsident Alfred Gerstl: Ich eröffne die 644. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 643. Sitzung des Bundesrates vom 22. Juli 1998 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet für die heutige Sitzung haben sich die Mitglieder des Bundesrates Hedda Kainz und Dr. Milan Linzer.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Erich Farthofer und Aloisia Fischer.

Angelobung

Präsident Alfred Gerstl: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Steiermärkischen Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: "Sehr geehrter Herr Präsident!

In der Sitzung des Steiermärkischen Landtages am 22. September 1998 wurde anstelle des zurückgetretenen Bundesrates Peter Rieser Dipl.-Ing. Hannes Missethon, geboren am 26. Juni 1959, wohnhaft in 8700 Leoben, Erhardigasse 11, Leoben, als Mitglied des Bundesrates und Erwin Puschenjak, geboren am 5. Juli 1950, wohnhaft in 8714 Kraubath, Bahnhofstraße 1, als Ersatzmitglied des Bundesrates gewählt.

Ich beehre mich, dir dies zu Kenntnis zu bringen.

Mit freundlichen Grüßen"

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

Schriftführerin des Bundesrates Ilse Giesinger: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Ich gelobe!

Präsident Alfred Gerstl: Ich begrüße Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Fragestunde

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde, sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird, im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls bis auf 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.07 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
644. Sitzung / Seite 11

Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie

Präsident Alfred Gerstl: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage, 928/M, an den Herrn Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

928/M-BR/98

Welche Verbesserungen würde die Realisierung Ihres Vorschlages, Karenzgeld für alle Mütter und Väter einzuführen, mit sich bringen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Herr Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die derzeitige Karenzgeldsituation hat vor allem die Schwäche, daß etwa 11 Prozent aller Frauen und Mütter dieses Landes – theoretisch auch der Väter, aber wir wissen, daß 99 Prozent der KarenzgeldbezieherInnen Frauen und Mütter sind – keinen Karenzgeldanspruch haben, weil auf der einen Seite der Karenzgeldanspruch an eine vorhergehende Erwerbstätigkeit gebunden ist, auf der anderen Seite die Finanzierung des Karenzgeldes durch die Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte heute schon zu 75 Prozent, also zu drei Vierteln, aus dem Familientopf, aus dem Familienlastenausgleichsfonds geleistet wird.

Ich habe daher vorgeschlagen, daß man auch diesen 11 Prozent der Frauen und Mütter Österreichs, die diesen Anspruch bisher nicht haben, einen Karenzgeldanspruch zugute kommen läßt. Es würde das insbesondere solche Gruppen von Frauen betreffen, die sozial schwächergestellt sind, die einkommensmäßig schwächergestellt sind, wie etwa Studierende, Schülerinnen, Bäuerinnen, wie zum Beispiel auch Bezieherinnen von Notstandshilfe oder Bezieherinnen geringfügiger Einkommen.

Das würde gleichzeitig auch den Vorteil mit sich bringen, daß die Zuverdienstmöglichkeiten zum Karenzgeldbezug anders geregelt würden, wodurch das große Thema "bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf" deutlich besser bewältigt werden könnte. Heute gibt es de facto ein Berufsverbot, das heißt, die heutige Art, mit Karenzgeld umzugehen, drängt, wenn man so will, die Frau und Mutter dazu, zu Hause zu bleiben und später beim Wiedereinstieg Schwierigkeiten zu haben. Diesbezüglich würde mein Vorschlag entscheidende Vorteile bringen, Herr Bundesrat!

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Wie stehen Sie zu der Aussage von Frau Schmidleithner, daß Karenzurlaub für alle ein soziales Verbrechen sei?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Ich habe die Kritik von Frau Schmidleithner nicht verstanden und auch auf eine direkte Frage in einer Fernsehdiskussion nicht wirklich eine Antwort bekommen. Ich verstehe diese Kritik vor allem deswegen nicht, weil aufgrund meines Vorschlages niemandem etwas weggenommen, sondern nur der Kreis etwas ausgeweitet werden soll.

Man kann auch nicht vom Gießkannenprinzip sprechen, wenn knapp 90 Prozent der Frauen dieses Landes derzeit schon diesen Anspruch haben und man das jetzt auf 100 Prozent ausweiten möchte – ausweiten um solche Frauengruppen, die es wahrhaftig nötig haben.


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Für mich ist es eine Frage der Gerechtigkeit, auch der sozialen Gerechtigkeit, diesen Kreis zu erweitern und allen Müttern dieses Landes einen Karenzgeldanspruch zuzuerkennen. Mir ist jede Mutter in diesem Sinne gleich viel wert.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Freiberger, ich bitte um Ihre Zusatzfrage.

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Wenn zweifelsohne außer Streit zu stellen ist, daß die FLAF-Mittel aus einem Einkommensverzicht der Unselbständigen aufgebracht werden und deshalb das Karenzgeld als Einkommensersatz für Beschäftigte zu sehen ist, dann frage ich Sie, Herr Minister, glauben Sie, daß Ihr Vorschlag, eine Verteilung von geleisteten Arbeitnehmerbeiträgen hin zu einer Zielgruppe, die diese Leistungen nicht benötigt, was somit auch eine Begünstigung der Reichen darstellt, gerecht ist?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Außer Streit zu stellen ist hier sicher nichts. Denn wenn Sie von Arbeitnehmerbeiträgen sprechen, dann mache ich Sie darauf aufmerksam, daß es sich jedenfalls von der formellen Richtigkeit her um Dienstgeberbeiträge handelt. Und diesen Streit, wie die Aufkommenssituation historisch zu betrachten ist, ob es sich um Dienstgeberbeiträge handelt, die durch Lohnverzicht entstanden sind, ja oder nein, nach Jahrzehnten zu führen, halte ich eigentlich für müßig.

Auf der anderen Seite würde die in Ihrer Fragestellung enthaltene Meinung bedeuten, daß man auch andere Leistungen des FLAF bestimmten Bevölkerungsgruppen nicht zukommen lassen könnte. Sie sprechen also offensichtlich in die Richtung, daß FLAF-Leistungen nur Arbeitnehmern zukommen sollten. Damit würden Sie einem guten Teil der Bevölkerung die Familienbeihilfe entziehen wollen, die doch die Stammleistung des FLAF ist, denn das würde es selbstverständlich zur Folge haben.

Zu Ihrer weiteren Formulierung, das Karenzgeld nur Reichen zukommen zu lassen: Ich würde Sie wirklich einladen, sich zu überlegen, ob denn Studierende, ob denn Schülerinnen, ob denn Bezieherinnen von Notstandshilfe, ob denn Bezieherinnen von geringfügigen Einkommen, ob Bäuerinnen oder ob auch manche Frauen von Selbständigen, von kleinen Gewerbetreibenden, unter Ihren Dachbegriff "Reiche" zu subsumieren sind.

Ich kann mit dieser Polemik, die da lautet – Sie haben es nicht gesagt, aber andere –, die Fabrikantengattinnen würden da begünstigt, nicht sehr viel anfangen.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth, bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich schließe an das, was Sie zuletzt gesagt haben, auch bezüglich der Selbständigen an.

Es gibt da jetzt verschiedene Meldungen darüber, was es kosten würde, wenn alle Mütter Karenzgeld bekämen, unabhängig davon, ob sie vorher erwerbstätig waren oder nicht. Haben Sie schon einen Berechnungsschlüssel, wie hoch die Kosten bei den Selbständigen oder auch bei den Bäuerinnen und bei den Nichterwerbstätigen sein werden?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Frau Bundesrätin! 700 bis 800 Millionen Schilling Mehraufwand bedeutet mein Vorschlag. Das ist etwas, was im Hinblick auf die Entwicklung des Familienlastenausgleichsfonds auch in Zeiten wie diesen, in denen weiter gespart werden muß, verantwortbar ist. Mir geht es, wie gesagt, um die soziale Gerechtigkeit, und dementsprechend hat man das auch im Lichte dessen zu sehen, daß die Gesamtaufwendungen des Familienlastenausgleichsfonds bei rund 55 Milliarden Schilling jährlich liegen.


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Dieser mein Vorschlag ist also finanzierbar, auch der Mehraufwand von 700 bis 800 Millionen Schilling ist verantwortbar, vor allem bringt mein Vorschlag auch den "Schaden" mit sich, daß durch die Übernahme der bisherigen Leistungen der Arbeitslosenversicherung – diese 25 Prozent Restfinanzierung werden zurzeit von der Arbeitslosenversicherung gedeckt – ungefähr 2,3 bis 2,5 Milliarden Schilling an Mitteln dort frei werden. Diese kann man jetzt dafür einsetzen, Arbeitskosten zu senken.

Ich kenne keinen anderen Vorschlag in der politischen Diskussion in Österreich, der eine echte Arbeitskostensenkung tatsächlich möglich machen würde. Dieser mein Vorschlag tut das. Man könnte diese freiwerdenden Mittel im Rahmen der Steuerreform auch für andere politisch wünschenswerte Projekte nützen. Es ist jedenfalls Spielraum in diesem Bereich geschaffen worden.

Nochmals: 700 bis 800 Millionen Schilling Nettomehraufwand würde das bedeuten, ist aber aus den Mehreinnahmen des FLAF in den nächsten Jahren finanzierbar.


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Präsident Alfred Gerstl:
Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 918/M, an den Herrn Bundesminister. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Irene Crepaz, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

918/M/-BR/98

Wäre es nicht sinnvoller, künftige Überschüsse des FLAF gezielt für jene einzusetzen, die es brauchen, wie zum Beispiel AlleinerzieherInnen, Verbesserungen bei der Teilzeitkarenz, verbesserter Zugang zur Sondernotstandshilfe und Wiedereinstiegshilfen, als mit der Gießkanne ein "Karenzgeld für alle" zu verteilen?

Bundesrat Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein:
Frau Bundesrätin! Ich darf nochmals beim Thema "Gießkanne" einhaken, weil die Bezeichnung "Gießkanne" in der sozial- und auch familienpolitischen Diskussion eigentlich dann verwendet wird, wenn man nicht zielorientiert diejenigen anspricht, die es wirklich brauchen, sondern wenn man auch denjenigen Sozial- oder Familienleistungen zukommen läßt, die es eigentlich nicht brauchen. Im gegenständlichen Falle treffe ich mit 90- bis 95prozentiger Wahrscheinlichkeit solche, die es brauchen.

Caritas-Direktor Küberl, Präsident der Caritas Österreich, hat gestern einmal mehr in einem Gastkommentar der "Presse" geschrieben, was wir ohnehin alle wissen: daß freie Trägerorganisationen wie die Caritas – vielleicht auch andere, ich weiß es nicht – junge Frauen, die keinen Karenzgeldanspruch haben, noch schnell pro forma – unter Zurechtbiegung des Gesetzesverhältnisses – in ein Angestelltenverhältnis bringen, damit ein Karenzgeldanspruch entsteht.

Also gerade Frauengruppen, die es wirklich brauchen, werden hier zusätzlich erfaßt. So gesehen halte ich den Ausdruck "Gießkanne" für falsch.

Die anderen Zielsetzungen, die Sie auch genannt haben, teile ich im wesentlichen, und es ist auch so, daß ich mit Frau Ministerin Prammer über Monate sehr konstruktive Gespräche über ein Familienpaket 2000 geführt habe, wobei es im Bereich von Wiedereinstiegshilfen und im Bereich von Verbesserungen bei der Teilzeitkarenz Fortschritte gegeben hat. Ich bin auch zuversichtlich, daß wir diese Verhandlungen bis zum Inkrafttreten des Familienpaketes 2000 abschließen werden können, schließlich hat in dieser Verhandlungsnacht im Februar auch der Herr Finanzminister seine Unterschrift unter dieses Paket gesetzt.

Aber es ist das kein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-Als-auch. Ich sehe nicht ein, warum man einen sehr guten, ausgewogenen, sozial gerechten Vorschlag damit ablehnt und konterkariert, daß man etwas anderes, was unter Umständen auch wünschenswert und durchaus auch machbar ist, fordert. Ich spreche mich für ein Sowohl-Als-auch und nicht für ein Entweder-Oder aus, weil das, Frau Bundesrätin, ein bißchen in die Richtung von Ausspielen von Frauengruppen gegeneinander ginge. Und das möchte ich eigentlich nicht.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): In weiten Bereichen kann ich mit Ihrer Meinung übereinstimmen, aber, Herr Bundesminister, die jetzigen Überschüsse des FLAF resultieren aus den Einsparungen der Sparpakete 1995 und 1996, die zu Lasten der erwerbstätigen Frauen gingen.

Nach Ihrem "Karenzgeld für alle"-Modell werden jetzt die Leistungen der Arbeitnehmerinnen zurückgenommen und praktisch auf alle Frauen aufgeteilt. Wo bleibt da die Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Wo bleibt die Chancengleichheit? – Ich finde das Modell nicht sehr gerecht.

Präsident Alfred Gerstl: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Für die erzielten Einsparungen und die Konsolidierung des Familienlastenausgleichsfonds gibt es mehrere Gründe: zum einen eine konsequente Sparpolitik, und zwar nicht, was jetzt Leistungsausweitungen, sondern was Preissteigerungen anlangt. Es sind beispielsweise die Aufwendungen für die Schülerfreifahrt sehr reduziert worden in dem Sinne, daß den Verkehrsunternehmungen kaum Preissteigerungen gewährt wurden, und es sind die Aufwendungen für das Schulbuch gedeckelt worden. Also konkrete Sparmaßnahmen, wie sie anderswo auch gehandhabt wurden, sind ein Grund.

Der zweite Grund – das soll man hier ganz offen sagen – ist die rückläufige Geburtenrate. Wir haben in Österreich zurzeit einen jährlichen Rückgang der Geburtenrate von über 5 Prozent.

Sie haben recht, daß das Sparpaket auch konkrete Leistungsrücknahmen beinhaltet hat, aber keinesfalls nur in Richtung der Erwerbstätigen, sondern Leistungsrücknahmen gab es beispielsweise auch, wenn ich an das Sparpaket I denke, bei der Familienbeihilfe, die um 100 S reduziert wurde. Das allein macht fast 2 Milliarden Schilling aus.

Ich denke, daß man nicht so argumentieren kann, daß das Sparpaket nur die erwerbstätigen Frauen getroffen hätte und die Zusatzleistungen den nicht Erwerbstätigen zukommen würden. Denken Sie an die Familiensteuerreform: Da geht es nicht um 700 oder 800 Millionen Schilling, da geht es um 12 Milliarden Schilling, die zur Hälfte aus dem FLAF finanziert werden und die insgesamt den Familien dieses Landes zugute kommen. Diese Koppelung an die Erwerbstätigkeit ist also eine Sichtweise, die ich bei familienpolitischen Anliegen absolut nicht teile.

Ich bin der Auffassung, wenn wir Familienpolitik betreiben, dann hat das mit Erwerbstätigkeit nichts zu tun. Die Familienbeihilfe war schon bisher an keine Erwerbstätigkeit gekoppelt. Ich wünsche mir – das ist jedenfalls meine politische Absicht –, daß wir auch das Karenzgeld von einer vorhergehenden Erwerbstätigkeit unabhängig gestalten können. Ich wünsche mir weiters, daß wir mittel- bis langfristig unabhängig von einer Erwerbstätigkeit auf der Basis von Familienleistungen wie Kinderbetreuung für Frauen auch einen vernünftigen Zugang zu einer eigenständigen Pension schaffen werden. Sie wissen, derzeit gibt es zwar Möglichkeiten, die Pension finanziell zu verbessern, aber 15 Beitragsjahre, 15 Erwerbsjahre sind immer noch die Basis. Ich wünsche mir mittel- und langfristig, daß wir diese Frist verkürzen, weil es nicht einzusehen ist, daß eine mehrfache Mutter keinen eigenständigen Anspruch auf Pension hat, während Frauen, die keine oder nur ein oder zwei Kinder haben, einen deutlich besseren und leichteren Zugang dorthin haben.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher, bitte.

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrter Herr Minister! Welche Schlüsse ziehen Sie aus der Machbarkeitsstudie bezüglich des Kinderbetreuungsschecks?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Es handelt sich dabei um ein sehr ambitioniertes Zukunftsprojekt. Im wesentlichen ist mein Vorschlag, das Karenzgeld von der Erwerbstätigkeit abzukoppeln und allen Müttern Österreichs zugänglich zu machen, ein Einstieg in dieses Thema. Es ist das dann ein Kinderbetreuungsgeld für einen Zeitraum von 18 Monaten. In dieser Machbarkeitsstudie sind mehrere Stufen enthalten. Die erste Stufe ist, das Kinderbetreuungsgeld nicht nur für 18 Monate, sondern für einen Zeitraum von bis zu 48 Monaten auszubezahlen. Die zweite Stufe ist, daß man die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen deutlich verbessert, daß man durch Kinderbetreuungszeiten allein auch zu einem Pensionsanspruch kommt. Und die dritte Stufe ist, daß man für die Sachleistung Kinderbetreuung gewissermaßen mit einem "Scheck" ausgestattet wird.

Es würden bei der Verwirklichung aller drei Stufen zweistellige Milliardenbeträge an Mehraufwand notwendig sein. Es muß da natürlich auch mit den Ländern gesprochen werden. Es wird umfangreiche Verhandlungen geben, weil es auch zu Kompetenzverschiebungen kommen wird. Es ist der Kinderbetreuungsscheck in seiner Grundstufe, nämlich in der Gestaltung eines von der Erwerbstätigkeit unabhängigen Kinderbetreuungsgeldes, machbar, jedenfalls für einen Zeitraum von 18 Monaten mit einem Mehraufwand von 700 bis 800 Millionen Schilling ist es realisierbar. Ein Anfang kann also gemacht werden, sonst ist das ein langfristiges Zukunftsprojekt, vor allem wegen der Frage der Finanzierbarkeit.

Präsident Alfred Gerstl: Wird noch eine Zusatzfrage gewünscht? – Frau Bundesrätin Lukasser, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Stichwort: ambitioniertes Zukunftsprojekt, von dem Sie gerade gesprochen haben. Wie schaut die Einnahmenentwicklung des FLAF für die nächsten Jahre aus?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Frau Bundesrätin Lukasser! Die Zahlen in aller Kürze. Es ist so, daß der Familienlastenausgleichsfonds aus der Vergangenheit noch Schulden beim Finanzminister hat. Diese sind rückzuerstatten. Wir werden im Laufe des Jahres 1999 diese Nullinie überschritten haben, das heißt, laut Bundesvoranschlag und Prognose bis zum Jahr 2001 wird der Nettoüberschuß im FLAF 1999 erstmals 0,2 Milliarden Schilling betragen, im Jahre 2000 3,8 Milliarden Schilling und im Jahr 2001 4,4 Milliarden Schilling. – Das aus Sicht der offiziellen Zahlen im Bundesvoranschlag respektive in der Budgetprognose.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zur 3. Anfrage. Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth, ich bitte um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

924/M-BR/98

Wie stellen Sie sich konkret die Aufhebung des Berufsverbotes in Zusammenhang mit der Einführung des "Karenzgeldes für alle" vor?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Frau Bundesrätin Mühlwerth! Derzeit sind die Zuverdienstgrenzen sehr eng gesetzt. Prinzipiell gilt die Geringfügigkeitsgrenze als Grenze: Das sind zurzeit 3 830 S pro Monat. Es gibt zwar gewisse Einschleifregelungen, die eine Verbesserung gebracht haben, diese sind aber sehr bürokratisch und kompliziert. Meine Vorstellung ist es, ein Dazuverdienen, eine Urlaubsvertretung, einen Wiedereinstiegskurs und anderes leicht und unbürokratisch zu ermöglichen, es Frauen zu ermöglichen, am Ball zu bleiben, um dann nicht nach 18 Monaten, nach 24 Monaten, nach welcher Karenz


Bundesrat
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frist auch immer, zurückzukommen und trotz Behaltefrist ein großes berufliches Problem zu haben.

Ich sage allerdings dazu, daß ich dort, wo das Karenzgeld nur mehr ein Zubrot darstellen würde, also in den Fällen, in denen die Karenzgeldberechtigte ohnehin ein relativ hohes Einkommen hat, die Grenze ziehen würde. Ein Zubrot sollten diese 6 000 S nicht sein können, denn so dick hat es der FLAF nicht. Aber die Bestimmung, die jetzt de facto ein Berufsverbot für Karenzgeldbezieherinnen bedeutet, möchte ich aufheben, weil ich die Entscheidungsfreiheit Familie und Beruf, Familie oder Beruf für Österreichs Frauen ausweiten möchte. Ich möchte die derzeitige Beschränkung, die die Frau für die Zeit des Karenzgeldbezuges vom Beruf fernhält, beseitigen, weshalb ich gerade deswegen Vorwürfe dahin gehend nicht verstehe, daß dieser mein Vorschlag die Frauen zurück an den Herd drängen würde. Das genaue Gegenteil ist der Fall.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! In diesem Zusammenhang würde das auch bedeuten, daß die Weiterbildungsmöglichkeit während der Karenzzeit für die Frauen in einem verstärkten Ausmaß gegeben ist. Sie haben es selbst schon gesagt, wie wichtig es ist, am Ball zu bleiben, um über die Behaltefrist hinaus weiter in diesem Beruf tätig sein zu können. Jetzt haben Sie eine Initiative ins Leben gerufen, die besonders familienfreundliche Betriebe auszeichnen soll. Welche Schritte darüber hinaus werden Sie setzen, daß Frauen dann auch tatsächlich in ihren Betrieben weiterarbeiten werden können?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Frau Bundesrätin! Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird von allen Experten als Schlüssel, vielleicht als der Schlüssel für eine erfolgreiche Familienpolitik gesehen. Die Initiative, besonders familienfreundliche Betriebe in einem Wettbewerb zu ermitteln und auszuzeichnen, ist gar nicht von mir ausgegangen, sondern kam eigentlich von meiner steirischen Nationalratskollegin Ridi Steibl. In vielen Bundesländern Österreichs gibt es jetzt bereits derartige Wettbewerbe. Ich hoffe, daß wir einen solchen auch auf Bundesebene schaffen werden.

Darüber hinaus gibt es eine Initiative meines Hauses, die von mir ausgegangen ist, zunächst einmal im Rahmen eines Pilotprojektes zehn Betriebe in diesem Lande auf ihre Familienverträglichkeit hin zu prüfen, dann darüber zu beraten und zu zertifizieren. – Das heißt, für den Betrieb nach innen, aber auch nach außen klarzumachen, da handelt es sich um ein familienfreundliches Unternehmen, hier gibt es flexible Arbeitszeiten auch in dem Sinne, daß die Arbeitnehmerin, daß die junge Frau und Mutter in möglichst hohem Maße über die eigene Arbeitszeit verfügen kann, hier gibt es Betriebskindergärten, hier gibt es spezielle Leistungen in Richtung bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, hier gibt es Job-sharing, hier gibt es auch sonst ein familienfreundliches Klima.

Diesbezüglich stehen wir am Anfang – nicht nur in Österreich, auch anderswo –, aber wir liegen mit dieser Initiative "Familienaudit für ein familienfreundliches Unternehmen" gemeinsam mit den Deutschen und den Amerikanern im globalen Bereich an der Spitze. Meine Zukunftsvorstellung ist es, es vor allem Eltern von Kindern im Vorschulalter zu ermöglichen, in sehr hohem Maße, wenn nicht zu 100 Prozent, über ihre eigene Arbeitszeit selbst verfügen zu können. Das geht in der Produktionsstätte vielleicht nicht, aber der Großteil der Arbeit in diesem Land spielt sich bereits im Dienstleistungsbereich ab. Moderne EDV-Möglichkeiten, moderne Kommunikationsmöglichkeiten erfordern es nicht mehr unbedingt, daß junge Frauen und Mütter, aber auch junge Väter zwölf Stunden pro Tag im Büro verharren, sie können auch gute Arbeit leisten, ohne permanent am Schreibtisch sitzen und sich an diesem Platz Sorgen um das Fortkommen ihrer Kinder machen zu müssen.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Engelbert Schaufler, bitte.


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Bundesrat Engelbert Schaufler
(ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Welche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt könnte die Realisierung des Karenzurlaubsgeldes für alle mit sich bringen?


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Präsident Alfred Gerstl:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Ich erwarte mir tatsächlich eine Verbesserung, was den Wiedereinstieg von Rückkehrerinnen aus der Karenz anlangt. Ich glaube nicht, daß man sagen kann, daß diese Maßnahme die Arbeitslosenzahl in Prozentpunkten nach oben oder unten verschieben wird. Aber es käme zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit – wenn man so will – zu einer emotionalen Entspannung des Arbeitsmarktes. Das sehe ich durchaus so.

Präsident Alfred Gerstl: Wird noch eine Zusatzfrage gewünscht? – Frau Bundesrätin Schicker, bitte.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben in der vorangegangenen Beantwortung bereits gesagt, wie Sie sich die teilweise Aufhebung des Berufsverbotes vorstellen. Dem können wir uns anschließen, weil auch wir glauben, daß dadurch Wiedereinsteigerinnen nach dem Karenzurlaub geholfen wird und sie sich wieder leichter ins Berufsleben eingliedern können.

Trotzdem frage ich Sie, wie Sie sich eine Aufhebung, wenn sie darüber hinausgeht, vorstellen. Wie läßt sich das ideologisch mit dem Begriff "Mutterschutz" vereinbaren? Wir sind auf der einen Seite dafür, daß sich Frauen während der eineinhalb Jahre beziehungsweise zwei Jahre Karenzzeit ihrem Kind widmen können, und andererseits soll das Berufsverbot aufgehoben werden und die Frau zusätzlich zum Karenzgeld jeden Beruf ergreifen können. Also ich finde, das ist ideologisch nicht vereinbar. Wie stehen Sie dazu?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Ich glaube, daß sich der Mutterschutz auch von der Begrifflichkeit her auf einige Wochen vor der Geburt und einige Wochen nach der Geburt beschränkt. Mit Ausnahme der Schwangerschaft und dieser Phase gibt es nach Meinung von Experten keinen Grund dafür, daß sich nicht auch Väter um ihre Kinder kümmern können.

Ich meine, daß es durchaus verantwortbar ist, jungen Frauen und Müttern nicht vorzuschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben – ganz abgesehen davon, daß diejenigen recht haben, die sagen, das Karenzgeld in der Höhe von 5 700 S, 6 000 S ist schön und gut, aber leben kann man davon auch nicht. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Anhebung auf 8 000 S einen Mehraufwand von ungefähr 4 Milliarden mit sich bringen würde. Also jeder und jede, die das vorschlägt, möge auch über die Mehrkosten etwas sagen. Es muß uns klar sein, daß man von 6 000 S nicht leben kann und daß viele auch nicht von 8 000 S unbedingt leben können.

Ich glaube also, daß man es verantworten kann, jungen Familien hier keine Vorschriften zu machen, diese Grenzen zu öffnen und dieses doch weitgehende beziehungsweise absolute Berufsverbot aufzuheben, das noch dazu sehr bürokratisch administriert wird. Das kommt aus der Tradition der Arbeitslosenversicherung, das wird in Tagen abgerechnet. Karenzgeld gibt es 185,50 S pro Tag, für 30 Tage beziehungsweise 31 Tage im Monat, im Februar ist es noch weniger. Es geht also darum, daß man hier einfach flexibler sein kann.

Die jungen Leute, die jungen Menschen wissen, so glaube ich, im großen und ganzen ganz gut, was für sie und ihre Kinder gut ist, da brauchen sie den Vater Staat, sage ich jetzt einmal, obwohl das direkt männerdiskriminierend ist, nicht als Aufsichtsorgan. (Bundesrätin Schicker: Sagen Sie "Mutter Staat"!)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 929/M. Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Ich habe folgende Frage an Sie:

929/M-BR/98

Welche Schwerpunkte planen Sie bei der Überarbeitung der Richtlinien zur Vergabe der Zweckzuschüsse für die zweite Tranche der sogenannten "Kinderbetreuungs-Milliarde"?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat Kaufmann! Diese Schwerpunkte sind durch eine Entschließung des Nationalrates im wesentlichen vorgegeben. Nachdem wir erfreulicherweise festhalten können, daß wir für die vier- bis sechsjährigen Kinder, also die klassischen Kindergartenkinder, in Österreich jetzt Bedarfsdeckung erreicht haben, wollen wir uns in Zukunft vermehrt auf die dreijährigen und jüngeren Kinder und auf die Schulkinder konzentrieren, was neue Kinderbetreuungsplätze anlangt.

Zum zweiten wollen wir die Qualität von bestehenden Kinderbetreuungsplätzen insofern verbessern, als eine Ausdehnung der Öffnungszeiten sowohl auf den Tag als auch auf die Ganzjährigkeit bezogen in den Vordergrund gestellt werden sollte. Wir wollen aber auch betriebliche Betreuungsangebote verstärkt berücksichtigen. Ich kenne hier nur einige wenige Beispiele – übrigens plant jetzt auch der ORF am hohen Küniglberg einen großen Betriebskindergarten. Ich halte das für sehr begrüßenswert.

Wir wollen auch gemeindeübergreifende Projekte realisierbar machen. Wenn ich sage "wir", so geschieht das im besten Einvernehmen mit Frau Ministerin Prammer; die entsprechenden Richtlinien sind im Konsens, auch mit dem Finanzressort, erstellt und als Entwurf an die Länder zur Stellungnahme ausgesandt worden. Ich nehme an, daß die Verabschiedung der Richtlinie für diese zweite Kinderbetreuungsmilliarde, die in Wirklichkeit erfreulicherweise nicht 1, sondern 1,2 Milliarden beträgt, nämlich zweimal 600 Millionen vom Bund und den Ländern, in den nächsten Wochen erfolgen kann.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Welche Maßnahmen sind Ihrerseits geplant beziehungsweise bereits in Umsetzung, um Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Ich habe bei der Beantwortung vorheriger Anfragen schon zum Teil dazu Stellung genommen. Ich darf noch einmal betonen, daß auch nach Umfragen, die uns vorliegen, zwar die finanzielle Grundsicherung über die Transferleistungen für Familien wichtig ist, daß auch die Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen wichtig ist, daß aber mindestens von derselben Bedeutung eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gerade für Eltern von Kindern im Vorschulalter, ist.

Ich habe schon auf den familienfreundlichsten Betrieb und die entsprechenden Wahlen in Bundesländern verwiesen. Ich habe auf diese Auditierung verwiesen. Ich hoffe, daß es in zwei, drei Jahren zum guten Ton gehören möge, daß sich Österreichs Betriebe, so wie man sich heute die Umweltverträglichkeit zertifizieren läßt, die Familienverträglichkeit zertifizieren lassen, weil diese Betriebe sonst junge, hochtalentierte, gut ausgebildete Frauen nicht mehr als Mitarbeiterinnen gewinnen können. Es ist nicht nur ohne Frauen kein Staat zu machen, ich bin davon überzeugt, daß ohne Frauen auch Wirtschaft nicht mehr machbar ist. Stellen wir uns unsere Unternehmungen, aber auch unsere Ämter und Behörden, unsere Verbände ohne Frauen vor – undenkbar!


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Im Rahmen der EU-Präsidentschaft hat vor einigen Tagen erst in der schönen Hofburg, im schönen Redoutensaal, eine Fachtagung stattgefunden, die exzellent besetzt und besucht war und diesem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf europaweit Augenmerk geschenkt hat.

Ich möchte abschließend zu diesem Punkt noch sagen, daß wir den Wettbewerb für Österreichs Gemeinden, den wir jährlich durchführen, der sich beispielsweise in der Vergangenheit mit dem Thema Solidarität beschäftigt hat, heuer unter das Thema "Familie und Arbeitswelt" gestellt haben. Also es gibt eine Reihe von Punkten. Das Familienressort ist nicht das einzige, das sich mit diesem Thema beschäftigt, auch von seiten des Sozialressorts werden diesbezügliche Initiativen gesetzt. Es ist wichtig, daß auch das Ressort, das für den Arbeitsmarkt primär zuständig ist, da mitarbeitet.

Ich hoffe, daß wir Österreichs Arbeitgeber im weitesten Sinne des Wortes – das sind nicht nur die Unternehmer, das sind auch die Direktoren, Hofräte, Präsidenten und Präsidentinnen und wer auch immer – bald dazu bewegen werden können, die Arbeitswelt familienfreundlicher zu gestalten, denn es kostet nicht nur nicht mehr, sondern oft sogar weniger. Es bringt zufriedenere, besser motivierte junge Mitarbeiter. Es reduziert die Fluktuation, und es erhöht die Leistungen am Arbeitsplatz. Ich hoffe, daß wir hier auf einem guten Weg sind.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Herr Bundesrat Drochter, bitte.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Sind Sie bereit, aus der zweiten Tranche der Kinderbetreuungs-Milliarde den Trägerorganisationen von Tagesmüttern, Tageseltern zweckgebundene Zuschüsse zu gewähren, damit die Ausbildung, die Qualifikation der Tagesmütter verbessert wird beziehungsweise damit sie in ein ordentliches, sozialversichertes Dienstverhältnis übernommen werden können? Derzeit ist dies nur in wenigsten Fällen möglich.

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Nicht zuletzt aufgrund des prinzipiellen Vetos des Finanzressorts, in diesem Bereich keine Personalkosten zu übernehmen, sind die Hände einigermaßen gebunden. Aber es ist bisher schon gelungen, Ausbildungsinitiativen gerade auch für Tagesmütter entsprechend zu fördern. Was die erste Tranche der Kinderbetreuungs-Milliarde anlangt, kann ich Ihnen sagen, daß, soferne das jeweilige Bundesland einen entsprechenden Vorschlag überbringt und dieser einigermaßen den Richtlinien entspricht, wir Ansuchen sehr wohlwollend prüfen, zumal wir erstens von Tagesmüttern sehr viel halten, zweitens wissen, wie wichtig die Qualifikation von Tagesmüttern ist und drittens auch die Zusammenarbeit mit Trägerorganisationen sehr schätzen, weil diese Trägerorganisationen, egal ob sie Caritas, Hilfswerk oder Volkshilfe heißen, die Aufgaben deutlich besser, deutlich menschennäher, humanitärer und auch billiger erfüllen, als sie irgendwelche Ämter oder Behörden erfüllen würden.

Präsident Alfred Gerstl: Wird noch eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Ulrike Haunschmid.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Herr Bundesminister! Welche Mittel wird es in den nächsten fünf Jahren für Oberösterreich geben, beziehungsweise wurde von Oberösterreich um Mittel angesucht?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Es wurde von Oberösterreich um Mittel angesucht. Oberösterreich hat aus der ersten Tranche die dem Lande zustehenden Mittel bekommen, sie sind in voller Höhe ausbezahlt worden. Ich kann Ihnen die Höhe des Betrages jetzt nicht auswendig sagen, aber meine Mitarbeiter wühlen bereits in ihren Unterlagen.


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Es ist so, daß der Verteilungsschlüssel aus dem Bereich der Wohnbauförderung übernommen wurde. Das mag man jetzt kritisieren wollen, aber es war der Schlüssel, der politisch vereinbar war. Es gibt manche, die sagen, daß das zugunsten Wiens und zu Lasten der Länder geht, aber das war eben der Status quo.

Ich kann Ihnen nun sagen, daß aus der ersten Tranche Oberösterreich 96,6 Millionen Schilling, also knapp 100 Millionen Schilling, bekommen hat, und zwar aus einem Gesamtvolumen des Bundes von 600 Millionen Schilling. Wenn es Sie interessiert, könnten wir Ihnen schriftlich die Aufteilung in Kindergärten, Kindergrippen, Kindergruppen, Tagesmütter-Ausbildung, Öffnungszeiten-Verlängerung und Behinderten-Integration zur Verfügung stellen. Noch einmal: Insgesamt waren es 96,6 Millionen Schilling.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage. Anfragesteller ist Herr Bundesrat Erhard Meier. Ich bitte um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage lautet:

919/M-BR/98

In welcher Form beabsichtigen Sie, die minus 13 Prozent-Reduktionsverpflichtung Österreichs bei klimawirksamen Gasen national umzusetzen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat Meier! Es laufen jetzt die Arbeiten an, die Verpflichtung aus dem Kyoto-Protokoll auf der einen Seite und aus der EU-internen Lastenverteilung auf der anderen Seite bis zum Jahre 2010 auch erfüllen zu können. Es wird das ein Mix von Maßnahmen sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene sein müssen. Ich erwarte, daß wir beim EU-Umweltrat in Luxemburg am nächsten Dienstag eine weltweite wegweisende Vereinbarung zwischen dem europäischen Automobilhersteller-Verband ACEA und der Europäischen Union unterzeichnen und verabschieden werden, die bis zum Jahre 2008 eine Verbrauchsreduktion bei PKWs von nicht weniger als 25 Prozent bringen wird. Diese Verbrauchsreduktion entspricht EU-weit einer Kohlendioxydmenge von insgesamt 80 bis 85 Millionen Tonnen bei einem Reduktionsziel der Europäischen Union von insgesamt 350 Millionen Tonnen. Das ist also ein recht signifikanter Beitrag.

Es hat sich der informelle Umweltrat in Graz, der von dem schrecklichen Bergwerksunglück in Lassing im Juli leider überschattet war, sehr stark für die stärkere Verwendung von erneuerbaren Energieträgern verwendet. Es liegt ein Weißbuch der Europäischen Union vor, in welchem europaweit die Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energieträger von derzeit 6 auf 12 Prozent im Jahr 2010 – das ist das Zieljahr – vorgesehen ist. Diese Verdoppelung würde wiederum EU-weit eine Reduktion von 402 Millionen Tonnen Kohlendioxyd bringen.

Sie können also sehen, daß es eine Fülle von Maßnahmen auf EU-Ebene entweder wird geben müssen oder schon in Umsetzung ist. Dazu wird es nationaler Maßnahmen bedürfen.

Ich glaube, daß wir auf nationaler Ebene insbesondere im Bereich der Wärmedämmung von Gebäuden, also bei der Energieeinsparung im Gebäudebereich, Fortschritte erzielen können, weil wir es dort mit einer sogenannten Win-win-Situation zu tun haben. Obwohl es weiterhin 20 Grad oder 21 Grad in allen Häusern Österreichs haben wird, ist es möglich, etwa die Hälfte der Energie einzusparen. Schwierigkeit Nummer eins ist, daß wir zwar im Neubaubereich ganz gut unterwegs sind – auch über die Länder, Bauordnungen und Förderungsstrukturen –, daß aber das größte Einsparpotential natürlich im Althausbestand liegt und man dort nicht so leicht herankommt. Also da Hürden wegzuräumen, Anreize zu schaffen, wird wichtig sein.

Es wird aber natürlich auch im nationalen Bereich verkehrspolitischer Anstrengungen bedürfen. Es wird darüber hinaus im Bereich der Wirtschaft auch zu weiteren Einsparungen kommen müssen. Österreich wird aber auch – lassen Sie mich das klar festhalten – von den flexiblen Mechanismen Gebrauch machen wollen, die da lauten: Handel mit Emissionszertifikaten, gemein


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same Umsetzung von energiesparenden Maßnahmen zwischen Industrieländern und das sogenannte Clean-Development-Mechanism, nämlich gemeinsame klimarelevante Projekte mit Entwicklungsländern.

Österreich wird sich da nicht abseits halten, vor allem dann nicht, wenn diese flexiblen Mechanismen kostengünstiger sind als die Maßnahmen im eigenen Lande.

Lassen Sie mich einen Satz noch hinzufügen: Eine große Chance für unser Land sehe ich im Bereich der Biomasse, wenn es um erneuerbare Energieträger geht. Österreich verfügt über fast unbegrenzte Rohstoffe in diesem Bereich. Österreich verfügt über relativ viel Erfahrung und Know-how, was die Wärmegewinnung aus Biomasse anlangt. Wir verfügen auch über Know-how, was die Stromgewinnung aus Biomasse anlangt. Ich hoffe daher, daß Österreich in diesem Bereich die Erfolgsstory, die Dänemark im Bereich der Windenergie vorzuweisen hat, nachvollziehen kann. Gerade dann, wenn die Europäische Union zur Erreichung des Kyoto-Ziels europaweit sehr stark auf die Biomasse setzt, möchten wir in Österreich da einen Schwerpunkt bilden. Die Minister Einem, Farnleitner, Molterer und meine Wenigkeit werden in einigen Tagen eine große Studie zu einer Bio-Master-Class Österreich vorstellen, in welcher wir zusammenfassen, wie viele Jobs und wieviel Wertschöpfung es dadurch jetzt schon gibt und was wir in Zukunft in diesem Bereich noch erreichen können.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Ist vorherzusehen, welche Kosten bei der Umsetzung dieser Programme für die von Ihnen nun genannten Maßnahmen auf uns und auf den Staat zukommen könnten?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein:
Die Kosten, sehr geehrter Herr Bundesrat, sind noch nicht abschätzbar. Es ist auch nicht gesichert, daß es sich unter dem Strich und über einen längeren Zeitraum um Mehrkosten handeln muß. Beispielsweise vertritt nicht nur Österreichs Arbeiterkammer, sondern auch der Europäische Gewerkschaftsbund, mit dem ich vor einigen Tagen in Brüssel ein sehr produktives Gespräch führen konnte, die Position, daß in diesem ganzen Fragenkomplex – Klimaschutzmaßnahmen, Umstellung unseres Energiehaushaltes auf erneuerbare Energieträger, Energieeinsparung – auch große Job-Chancen enthalten sind und man daher nicht nur von Kosten und Belastungen reden sollte, sondern auch von Chancen und Möglichkeiten.

Das Weißbuch der Europäischen Union zu den erneuerbaren Energieträgern, sehr geehrter Herr Bundesrat, sagt beispielsweise aus, daß bei Umsetzung der darin enthaltenen Maßnahmen innerhalb der nächsten Jahre in Europa 500 000 Arbeitsplätze direkt und durch die Erschließung neuer Exportmöglichkeiten 350 000 Arbeitsplätze zusätzlich, also insgesamt 850 000 Arbeitsplätze, fast eine Million neuer Jobs, geschaffen werden könnten. Das ist also ein sehr spannendes Thema, ohne Frage Neuland, ein Thema, das nicht nur Österreich angeht, sondern ein globales Thema ist, wobei wir aber sicherlich die Kosten und die Risiken gut im Auge behalten müssen, ich aber auch für Österreich eine Fülle von Chancen sehe, gerade im Bereich des Arbeitsmarktes.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Ich bitte Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus, seine Frage zu stellen.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Wir sprachen schon des öfteren von der Bedeutung der Biomasse in Österreich. Jetzt wollen Sie eine Studie vorstellen. Wann werden Sie endlich Taten setzen, damit die österreichische Biomasse, deren Bedeutung ständig zunimmt, wirklich attraktiv und konkurrenzfähig sein und besonders im ländlichen Raum der österreichischen Bevölkerung zur Verfügung stehen wird?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Ohne jetzt die Kompetenz eines österreichischen Umweltministers unterschätzen zu wollen, aber die Wettbewerbsfähigkeit von Biomasse hängt nicht zuletzt auch vom Weltölpreis und vom Weltmarkpreis fossiler Energieträger wie Erdgas und Kohle ab. Aber das wissen Sie sicherlich. Ich fürchte daher, daß die reine Marktentwicklung im Preisbereich von fossilen Energieträgern allein nicht genügen wird, um Biomasse und andere erneuerbare Energieträger konkurrenzfähig zu machen.

Was die Stromerzeugung betrifft, kann man heute Atomstrom unter fragwürdigen Kostenrechnungsansätzen um einige Groschen pro Kilowattstunde erzeugen. Wir wissen, daß wir die Kilowattstunde aus der Freudenau um zirka 1,50 S erhalten können. Aus älteren Kraftwerken, die abgeschrieben sind, kann man sie noch billiger beziehen. Wir wissen, daß Windenergie etwa 1,50 S pro Kilowattstunde kostet, daß der Preis für Energie aus Biomasse bei 2 bis 3 S und aus Photovoltaik bei etwa 12 S pro Kilowattstunde liegt. Das sind die gegebenen Realitäten.

Ich erwarte, daß es jetzt – auch im Hinblick auf den Regierungswechsel in Deutschland – in unserem Umfeld zu einer Ökologisierung der Steuersysteme kommen wird. Ich sehe eine Möglichkeit, daß die Europäische Union jetzt schon erste Schritte dahin gehend setzt, allerdings müßten Spanien, Portugal und Griechenland von ihrer Vetoposition diesbezüglich abrücken. Ich weiß, daß Italien einen Schritt in diese Richtung setzen wird, ich weiß, daß man in Österreich die Absicht hat, im Rahmen der Steuerreform 2000 einen Schritt dahin gehend zu setzen, und ich erwarte, daß Rot-Grün in Deutschland ebenfalls einen Schritt in diese Richtung setzen wird. Es müssen nicht gleich 5 DM pro Liter Benzin sein, die als Paukenschlag etwas bürgerverachtend in die Diskussion gebracht wurden. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Also auch das wird notwendig sein. Aber trotzdem wird all das nicht ausreichen, um Biomasse allein schon wettbewerbsfähig zu machen. Wir wissen, daß die derzeitige Praxis in Österreich die ist, daß man ein Heizwerk mit etwa 50 Prozent fördern muß, um es einigermaßen wettbewerbsfähig gestalten zu können. Darum wird es auch weiterhin gehen. 300 Millionen Schilling setzen wir jährlich für Maßnahmen in diesem Bereich ein. Ich hoffe, daß es in Zukunft noch mehr werden wird. Auf diese Weise werden wir versuchen, den Anteil von Biomasse in Österreich auszubauen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Vindl.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Welche Maßnahmen müssen im Verkehrssektor gesetzt werden, um eine adäquate Reduktion der Treibhausgase zu erzielen?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Ich habe schon gesagt, daß eine große Vereinbarung mit dem europäischen Automobilhersteller-Verband vor dem Abschluß steht, und das ist sicherlich das Wichtigste, das jetzt notwendig ist, um pro gefahrenem Kilometer den Energieverbrauch zu reduzieren. Wir müssen aber sicherlich auch – aber das ist primär die Aufgabe der Verkehrspolitik – verkehrspolitische Maßnahmen setzen, um die Verkehrsströme zu kanalisieren, besser zu strukturieren und stärker vom Individualverkehr auf den umweltfreundlicheren, öffentlichen Verkehr umzustellen.

Wir wissen, daß die bisherigen Erfolge bescheiden gewesen sind. Daher müssen wir den Ausbau und die Attraktivierung des öffentlichen Nahverkehrs weiterhin im Auge behalten, diesbezüglich Bewußtseinsbildung betreiben, Verkehrsplanung und Verkehrsorganisation in den Vordergrund stellen und letztlich auch alternative Antriebsstoffe für den Verkehr und für Fahrzeuge forcieren, was bedeutet, daß das Dreiliterauto in Zukunft ein Dreiliterauto sein soll, das – zumindest zum Teil – mit Biotreibstoffen zu betreiben ist und nicht mehr unbedingt fossile Treibstoffe wie Benzin oder Diesel braucht.


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Aber es ist nicht nur in Österreich so, daß im Verkehrsbereich zwar der Maßnahmenmix, also gewissermaßen die Speisekarte, bekannt und politisch eigentlich unumstritten ist, aber politisch sehr umstritten ist, welche Bestandteile dieser Speisekarte, also welche Teile politisch tatsächlich umgesetzt werden. Das wird auch im europaweiten Kontext zum Teil nur dann möglich sein, wenn man entsprechende Maßnahmen setzt. Ich denke dabei – beispielsweise im Bereich der fahrleistungsabhängigen Bemautung von Straßen – an das Stichwort Road-pricing und ähnliches mehr.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gelangen jetzt zur 6. Anfrage, 925/M. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Tremmel, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Gestatten Sie, daß ich meine Anfrage wie folgt stelle:

925/M-BR/98

Werden in Anbetracht der Versprechungen, das Umweltschutzniveau der EU auf den österreichischen Standard anzuheben, die supranationalen Bestimmungen im Bereich der Kennzeichnung für chemische Produkte an die nationalen angepaßt?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat Tremmel! Auf Ihre sehr spezifische Anfrage eine auch sehr spezifische Antwort: Es konnte Österreich durch die Thematisierung seiner higher standards einen Impuls dafür geben, daß bestehende sogenannte S-Sätze – das sind verpflichtende standardisierte Sicherheitshinweise des EU-Chemikalienrechtes – im Hinblick auf ihre Inhalte einer eingehenden Überprüfung unterzogen wurden. Als Ergebnis dieses Diskussionsprozesses erfolgt im EU-Chemikalienrecht einerseits eine inhaltliche Modifikation der bestehenden, andererseits aber auch eine Festlegung neuer solcher S-Sätze, wie zum Beispiel des österreichischen Erste-Hilfe-Hinweises.

Hinsichtlich der Hinweise zur schadlosen Beseitigung – der berühmten Piktogramme – konnte erreicht werden, daß die wesentlichen Inhalte der österreichischen Hinweise im EU-Chemikalienrecht entweder in die bereits erwähnten bestehenden S-Sätze aufgenommen wurden oder für sie neue S-Sätze entwickelt werden.

Das Piktogramm "durchgestrichene Mülltonne" kann daher aufgrund der zukünftigen Einordnung nach EU-Recht-Systematik erhalten werden. Was die anderen Piktogramme wie "positive Mülltonne" beziehungsweise "durchgestrichene WC-Brille" betrifft, ist anzumerken, daß ihr Informationsgehalt einerseits durch die neuen EU-S-Sätze abgedeckt ist, auf der anderen Seite die Anbringung des Symbols jedoch weiter auf freiwilliger Basis möglich sein wird. Ich hoffe, damit im wesentlichen Ihre Anfrage beantwortet zu haben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Sie haben ausgeführt, Herr Bundesminister, daß es sich da um einen Diskussionsprozeß gehandelt habe und das Ergebnis dieses Diskussionsprozesses ein Entwurf eines EU-Chemikalienrechtes sei. Ist die diesbezügliche Richtlinie schon gesatzt beziehungsweise vom Europäischen Parlament beschlossen und wird sie in den einzelnen EU-Ländern bereits umgesetzt?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich bin über den genauen Stand der Umsetzung der Stoffrichtlinie einerseits und der Zubereitungsrichtlinie andererseits und über den Stand im Entscheidungsverfahren in Rat und Parlament nicht informiert, bin aber gern bereit, Ihnen die entsprechenden Daten und Stände


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schriftlich zur Verfügung zu stellen. Ich möchte aber klar zum Ausdruck bringen, daß Österreich die entsprechenden Initiativen so rechtzeitig gesetzt hat, daß wir jedenfalls bei allen wesentlichen Punkten entweder unsere Standards insofern in der EU implementieren konnten, als Richtlinien schon in Kraft getreten sind, oder aber durch weitere Übergangsfristen erreicht haben, daß wir jedenfalls unsere Standards beibehalten können. Die Europäische Union braucht noch etwas Zeit, um ihrerseits in ihrem Verantwortungsbereich diese Standards anzuheben.

Was die konkrete Frage nach dem Stand der Richtlinie betrifft, darf ich auf eine schriftliche Nachreichung meiner Antwort verweisen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Das ist der Fall. Bitte, Herr Bundesrat Dr. Kaufmann.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Zurückkommend auf die Beantwortung der Frage: Wie ist der Stand des Review-Prozesses hinsichtlich der anderen Umweltmaterien, bei denen Österreich strengere Standards aufrechterhalten konnte?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat Kaufmann! Der sogenannte Review-Prozeß, der uns während der Frist vom 1. 1. 1995 bis Ende dieses Jahres einen Übergang eingeräumt hat – im übrigen ähnlich wie Schweden und auch Finnland als ebenfalls neue Beitrittsländer –, ist gut genutzt worden. Wir werden von unseren Standards in allen wesentlichen Punkten keine Abstriche machen müssen.

Es wird die Kommission – und das halte ich für ein ganz wesentliches positives Signal – in den nächsten Wochen im Rahmen einer Mitteilung zu diesem Review-Prozeß Stellung nehmen, gewissermaßen aus ihrer Sicht abschließend zum Endergebnis Stellung beziehen.

Konkret auf die einzelnen Inhalte angesprochen, kann ich Ihnen sagen, daß der Benzolgehalt in Treibstoffen insofern geregelt ist, als ab dem Jahr 2000 EU-weit die Absenkung des Benzolgehaltes auf 1 Prozent umgesetzt wurde. Das heißt, daß unser höherer Standard, der heute schon 3 Prozent vorsieht, von der Europäischen Union sogar noch unterfahren wurde, denn die Europäische Union hat von 5 Prozent auf 1 Prozent reduziert.

Diese Regelung tritt ab 1.1. 2000 in Kraft. Wenn Sie mich jetzt fragen, was wir im Jahr 1999 machen, so kann ich Ihnen sagen, daß im Jahr 1999 eine Übergangsbestimmung gilt, daß Österreich während dieses Jahres seine dann noch relativ höheren Standards – 3 gegenüber 5 Prozent – beibehalten kann, während in der Europäischen Union theoretisch im Jahr 1999 noch 5 Prozent erlaubt wären.

Was den Schwefelgehalt in Heizöl betrifft, so haben wir einen Standard von 0,1Prozent, die Europäische Union einen Standard von 0,3 Prozent. Es waren harte Verhandlungen, die uns fast zu dem Ziel gebracht hätten, auch in der Europäischen Union 0,1 Prozent durchzusetzen. Nun werden es dort aber bis auf weiteres nur 0,2 Prozent sein. Es besteht jedoch deswegen kein Grund zur Aufregung, weil die Rechtsgrundlage hiefür Artikel 130s des EU-Vertrages ist, und wir damit jetzt neu in die Lage versetzt werden, einen höheren Standard beizubehalten, ohne EU-Recht zu verletzen. Wir haben zwar einen höheren Standard als die Europäische Union, können diesen aber beibehalten, weil die Rechtsgrundlage uns dies ermöglicht.

Bezüglich des Quecksilbergehaltes in Batterien und des Cadmiumgehaltes in Düngemitteln bin ich optimistisch, daß wir zu guten Lösungen kommen werden. Was den Cadmiumgehalt in Düngemitteln anbelangt, hat die Kommission verfügt, daß es eine weitere Ausnahmegenehmigung für Österreich für drei Jahre gibt, weil – und das geht auch in Richtung meiner Antwort an Herrn Bundesrat Tremmel – die Union innerhalb der nächsten drei Jahre prüfen möchte, inwieweit sie innerhalb dieses Zeitraumes in ihrem Bereich Cadmium ebenfalls aus Düngemitteln eliminieren kann.

Was die Stoffverbote betrifft, so treten wir hinsichtlich Cadmium, Pentachlorphenol und zinnorganische Verbindungen für EU-weite Lösungen ein. Betreffend die zinnorganischen Verbindun


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gen wird die Kommission nach meinem Informationsstand im sogenannten Ausschußverfahren vermutlich eine Ausnahmebestimmung erlassen, daß "antifoulings" in Binnengewässern verboten sind. Das bedeutet für die Meerschiffahrt, daß diese Antifoulingmittel weiterhin als Anstrichmittel verwendet werden dürfen, diese aber in Binnengewässern, sprich in Österreich, verboten sein können, womit unseren Anforderungen ebenfalls wieder Genüge getan ist.

Ich meine, daß wir uns in diesen rund zwölf Punkten, die Gegenstand des Review-Prozesses sind, durchsetzen konnten und zum Jahresende guten Gewissens vor die Bevölkerung hintreten können, weil wir den Menschen sagen können, daß wir das Versprechen, das wir gegeben haben, daß Österreich seine Umweltstandards aufgrund des EU-Beitrittes nicht nur nicht senken müssen, sondern daran arbeiten wird, daß die Europäische Union ihre Standards auf unser Niveau anhebt, einlösen haben können.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht?

Bitte, Herr Bundesrat Grillenberger.

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Herr Bundesminister! Ist zukünftig mit einer weltweit gleichen Kennzeichnung für chemische Produkte zu rechnen?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Minister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Ich bin jetzt durch den Zettel, der mich dringend in den Ministerrat ruft, irritiert worden. Dürfte ich um Wiederholung der Frage bitten?

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Herr Bundesminister! Ist zukünftig mit einer weltweit gleichen Kennzeichnung für chemische Produkte zu rechnen?

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Weltweit halte ich das für ausgeschlossen, aber ich meine, daß es sicherlich zu Fortschritten in diesem Bereich kommen wird. Damit meine ich, daß Chemikalien insgesamt heute deutlich kritischer gesehen werden als noch vor einiger Zeit.

Wir haben vor einigen Tagen in Rotterdam die sogenannte PIC-Konvention verabschieden können. Gemäß dieser Prior Informed Consent-Konvention dürfen besonders gefährliche Chemikalien und insbesondere Pflanzenschutzmittel nach entsprechender Notifizierung, einem relativ aufwendigen Verfahren, wenn sie gelistet sind, nur mehr nach vorheriger Zustimmung des Entwicklungslandes dorthin exportiert werden. Das ist eine Vereinfachung – und ich halte das für eine zulässige Vereinfachung –, damit verhindert wird, daß in die Länder der Dritten Welt Chemikalien ohne Sicherheitshinweise, ohne daß die Leute dort wissen, was sie damit tun oder anrichten können, verschippert werden.

Zweiter Punkt: Es beginnen jetzt die Verhandlungen über eine POP-Konvention. Das hat nichts mit Popcorn zu tun, sondern das bedeutet "Persistent Organic Pollutants". Es handelt sich hiebei um eine Gruppe kritischer Chemikalien, die man mit einer Konvention erfassen möchte, und ich möchte gar nicht ausschließen, daß ein derartiger Konventionstext dann auch global gültige Richtlinien enthält.

Auf die hormonelle Wirkung mancher – nicht aller – Chemikalien wird jetzt verstärkt Augenmerk gelegt, wie etwa auf die "endocrine disrupters", die zunehmend Sorge machen. – Es gibt also einen diesbezüglichen Prozeß, und ich gehe davon aus, daß der Umgang mit Chemikalien in dieser Welt in den nächsten Jahren deutlich sorgsamer werden wird, weil er das werden muß. Es ist allerdings noch nicht gewiß, ob das zu global einheitlichen Kennzeichnungsvorschriften führen wird. Ich hoffe, daß die Vorschriften zumindest EU-weit einigermaßen einheitlich sein werden. Ich meine, das zu erreichen wäre mittelfristig ein recht schönes Ziel.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, 930/M. Ich bitte den Anfragesteller, Herr Bundesrat Jaud, um Verlesung der Anfrage.


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Bundesrat Gottfried Jaud
(ÖVP, Tirol): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

930/M-BR/98

Wie ist der Stand der Verhandlungen beim Familienpaket 2000, in dem Verbesserungen im Bereich der Familienberatung und der Elternbildung sowie Ausweitung der Schülerfreifahrt für Schüler und Lehrlinge und andere geplant sind ?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat Jaud! Ich habe in den schon angesprochenen Verhandlungen mit der Frau Frauenministerin in wesentlichen Punkten bereits Übereinstimmung erzielt. Es ist allerdings ein Gesamtpaket zu schnüren und das Paket ist noch nicht geschnürt, das sage ich dazu. Es basiert dieses Paket auf der Vereinbarung der Koalitionspartner, namentlich des Herrn Finanzministers, der Frau Frauenministerin, des Herrn Verteidigungsministers, meiner Wenigkeit und der Familiensprecher beider Fraktionen im Nationalrat, in folgenden zwölf Punkten Fortschritte zu erzielen: Erstens Anhebung des Karenzgeldes, zweitens Anhebung der Teilzeitbeihilfe für Selbständige und Unselbständige, drittens Anhebung des Zuschusses zum Karenzgeld, viertens höheres Karenzgeld für Mehrlingsgeburten, fünftens Anhebung der Mittel für die Familienberatung, sechstens höherer Aufwand für den Familienhärteausgleich, siebtens Initiativen und Elternbildungsmaßnahmen, achtens Gewährung von Schülerfreifahrten auch bei auswärtiger Unterbringung – also der Internatsschüler, und auch die Lehrlingsfreifahrt ist in diesem Punkt beinhaltet –, neuntens Überprüfung der Kilometergrenze der Schülerfreifahrt – wir haben es jetzt mit der nicht ganz nachvollziehbaren Situation zu tun, daß de facto auf dem Land die Zweikilometergrenze gilt, während in der Stadt eine solche Grenze de facto nicht gilt –, zehntens verbesserter Zugang zum Sondernotstand, elftens verbesserter Zugang zum Unterhaltsvorschuß und zwölftens Verbesserung bei der Zuverdienstmöglichkeit für Studierende.

Das sind Überschriften, es steht jedoch eine klare politische Intention dahinter, und diese Punkte sind für das Familienpaket 2000 auszuverhandeln. Ich nehme zur Kenntnis, daß auf Wunsch des Finanzministers diese Verhandlungen derzeit nicht fortgeführt werden. Ich persönlich hätte es vorgezogen, daß sie vor dem Sommer fortgeführt und abgeschlossen werden, aber in Respektierung des Wunsches des Herrn Finanzministers gehe ich davon aus, daß diese Verhandlungen in den ersten Monaten des Jahres 1999 zu Ende geführt werden, damit dieses Familienpaket 2000 zeitgerecht mit 1.1.2000 in Kraft treten kann.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Herr Minister! Welche Verbesserungen wird es ab dem Schuljahr 1999/2000 dank Ihren Verhandlungen für Schüler und Lehrlinge durch deren Einbeziehung in die Verkehrs- und Tarifverbünde geben, vor allem auch in bezug auf die Sicherheit der Schülertransporte?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Wir konnten in Verhandlungen mit den Verkehrsunternehmungen Österreichs bisher Einsparungen von rund 42 Millionen Schilling pro Jahr erzielen. Wir konnten Leistungsauswertungen bei den Streckenkarten erreichen, und basierend auf einer Vereinbarung mit dem zuständigen Verkehrsminister Einem und den Verkehrsverbünden Österreichs wurde die schrittweise Einbeziehung der Schüler- und Lehrlingsfreifahrt in die Verbünde ab dem Beginn dieses Schuljahres vereinbart. Ich gehe davon aus, daß im nächsten Schuljahr alle Schüler und Lehrlinge Österreichs die Vorteile der Verkehrsverbünde Österreichs im Hinblick auf Netzkarten und ähnliches mehr in Anspruch nehmen können.

Wir haben auch heuer schon Verbesserungen bei den Aufzahlungsmöglichkeiten für eine Jahresnetzkarte erzielt, beispielsweise wird in Zukunft die Schülerstreckenkarte mehrfach am Tag auch während der kleinen Ferien benützbar sein et cetera.


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Hinsichtlich der Sicherheit von Schülern ist es zu einer wichtigen Verbesserung gekommen: Sie werden sich noch an die zwei schrecklichen Unfälle, die sich voriges Jahr in Oberösterreich in sehr kurzem Abstand hintereinander ereigneten, erinnern, und wir wissen daher, wie sensibel die Bevölkerung – zu Recht – in bezug auf Unfälle im Bereich der Schülerfreifahrt reagiert. Denn es kann tatsächlich nichts Schlimmeres passieren, als wenn Eltern ihr Kind im Glauben an eine sichere Fahrt mit dem Schulbus in die Schule schicken, und dann ereignet sich ein Unfall!

Es ist nach mittlerweile fünfjähriger Übergangsfrist jetzt ein Passus im Kraftfahrgesetz in Kraft getreten, wonach die Gurtenpflicht auch für Schüler in Schulbussen besteht. Bisher gab es Übergangsbestimmungen. Auf Basis eines Erlasses ist schon jetzt mit Anfang des Schuljahres – und ab 1. 1. 1999 per Gesetz – gewährleistet, daß Schüler in Zukunft auch in Schulbussen etwa der Type VW-Bus angegurtet sein müssen. Alles andere wäre nicht argumentierbar. Denn wie sollte man einem Kind jemals beibringen, daß es in Pkws zwar angegurtet sein muß, daß das aber, wenn es mit dem Schulbus in die Schule geführt wird, plötzlich nicht mehr gilt, weil 13 Kinder im Fahrzeug sitzen.

Die Mehraufwendungen sind im übrigen erheblich. Es entstehen Mehrkosten von 200 Millionen Schilling, die ab 1999 aus dem Familienlastenausgleichsfonds zur Verfügung gestellt werden. Ich selbst habe in Vorgesprächen mit den Finanzlandesdirektionen, die gewissermaßen unsere Botschafter in den Ländern sind und auch die Verträge mit den Schulbusunternehmungen abschließen, aber auch mit den zuständigen Kammervertretern erreicht, daß die Reibungsverluste am Anfang so gering wie möglich sind. Wenn diese in Einzelfällen trotzdem auftreten, so bedaure ich das. Ich bedaure es, wenn es in diesem Zusammenhang zu Wartefristen und ähnlichem mehr kommt. Ich sage aber auf der anderen Seite ganz klar, daß in diesem Bereich ein Abtausch gegen weniger Sicherheit für Schulkinder für mich und wahrscheinlich für uns alle hier nicht in Frage kommt. Das wird sich einschleifen. Wie gesagt, die finanzielle Bedeckung der Mehrkosten von 200 Millionen Schilling ist sichergestellt, und ich bin sicher, daß wir nach gewissen Anlaufproblemen zu mehr Sicherheit bei weiterhin entsprechender Bequemlichkeit bei der Schülerfreifahrt kommen werden.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte sehr, Herr Bundesrat Thumpser.

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sie haben gerade die Sicherheitsfrage im Zusammenhang mit Schülertransporten angesprochen: Wie erklären Sie sich die Diskrepanz, daß zwar Schulkinder in VW-Bussen angegurtet sein müssen, auf der anderen Seite jedoch etwa bei ÖBB-Transporten zum Teil bis zu 100 beziehungsweise 110 Schüler auf einmal transportiert werden?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Diese Diskrepanz erkläre ich mir daraus, daß für Großbusse nach wie vor ein Verhältnis von 2 : 1 gilt, daß also drei Kinder wie zwei Erwachsene gezählt werden, und daß in solchen großen Bussen auch Stehplätze angeboten werden. Ich hoffe zwar, daß einmal auch in großen Bussen Gurtenpflicht bestehen wird. Andererseits muß man vom Sicherheitsstandpunkt her festhalten, daß große Busse natürlich aus nachvollziehbaren Gründen relativ mehr Sicherheit bieten als deutlich kleinere. Allerdings besteht in diesem Punkt tatsächlich eine Diskrepanz. Und vor allem das Hineinpferchen einer großen Zahl von Schülern in Busse der Post oder der ÖBB zieht Reklamationen nach sich und wirkt jedenfalls nicht besonders schön, auch wenn die Verkehrsunternehmungen die Antwort geben: Solche Verkehrsspitzen gibt es nur in der Früh, also nur einmal am Tag. – Das mag schon sein, aber solche vollgepferchte Großbusse, egal ob von ÖBB, von Post oder von Privaten sind jedenfalls nicht sehr schön.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Thomas Ram. – Bitte sehr.

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Haben Sie im Rahmen der Überlegungen zum Familienpaket 2000 konkrete Gespräche über die Betei


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ligung der Länder hinsichtlich der Kostenübernahme für die Heimfahrtbeihilfe geführt, und – wenn ja – mit welchen Ergebnissen?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Solche Gespräche sind bisher noch nicht geführt worden, weil wir uns zuerst auf Bundesebene politisch einig sein sollten, bevor wir an die Länder herantreten. Es ist aber ein erklärtes Ziel von mir, bei der Ausweitung der Schülerfreifahrt und der Lehrlingsfreifahrt auch auf Internatsschüler die Länder zu einer Kofinanzierung einzuladen, vor allem auch im Hinblick darauf, daß ich es ohne Beteiligung der Länder für nicht sehr wahrscheinlich halte, daß wir mit den zur Verfügung stehenden Mitteln eine Ausfinanzierung dieser Leistung schaffen. Ich möchte hier nicht nur einen Kostenzuschuß schaffen, vielmehr sollen diejenigen durchaus benachteiligten Schüler und Lehrlinge, die ohnehin einige Zig oder einige Hundert Kilometer aus Osttiroler Bergtälern oder von sonstwoher in Internate müssen, diesen Schulweg zu den gleichen Konditionen, nämlich de facto mit Selbstbehalt gratis, zurücklegen dürfen. Diese Gespräche wurden jedoch noch nicht geführt.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur 8. Anfrage, 920/M. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau


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644. Sitzung / Seite 29

Bundesrätin Johanna Schicker, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es ist heute schon angeklungen, daß gerade die Frauen die Leidtragenden der beiden vorangegangenen Sparpakete waren. Ich frage Sie nun:

920/M-BR/98

Könnten Sie sich vorstellen, die Geburtenbeihilfe in der seinerzeitigen Höhe von 16 000 S wieder einzuführen, wenn der FLAF ab dem Jahr 2000 wieder Überschüsse aufweist?


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644. Sitzung / Seite 30

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein:
Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Die Schritte des Sparpaketes waren Maßnahmen, die von niemandem leichten Herzens getroffen wurden. Sie sind allerdings von der Koalitionsregierung gemeinsam getroffen worden und auch von den Koalitionspartnern in den Häusern des Hauses gemeinsam verabschiedet worden.

Ich habe vor allem im Hinblick auf die Untersuchungsfrequenz und die Qualität der Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen rasch eine Initiative gesetzt und diesen Mutter-Kind-Paß-Bonus von 2 000 S gewissermaßen als zusätzlichen Anreiz, diese Untersuchungen durchführen zu lassen, eingeführt. Und es wurden auch noch andere Maßnahmen gesetzt.

Es sieht zur Zeit so aus, als würde sich der Rückgang der Untersuchungsfrequenz in Grenzen halten. Darüber hinaus sind zur Zeit keine Maßnahmen geplant, die etwa in die Richtung gehen, die Geburtenbeihilfe wiederum einzuführen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sie haben es schon angesprochen. Es ist natürlich auch für uns unverständlich, daß die Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen nur aufgrund des erhöhten Beitrages von einigen vorgenommen worden sind: Man will ja nicht verallgemeinern, aber trotzdem war es so, daß die Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen damals fast lückenlos vorgenommen wurden und deren Zahl stark zurückgegangen ist. Das ist für uns unverständlich – aus der Sicht von Müttern, möchte ich sagen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Die Zusatzfrage lautet?

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Ich habe die darin enthaltene Frage schon verstanden.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Wenn es aufgrund von Überschüssen aus dem FLAF in Zukunft doch wieder zu erhöhten Geburtenbeihilfen kommen kann, dann würde sich das auch auf die Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen positiv auswirken. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. ) Es ist leider so, Kollegin Mühlwerth.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Wir haben, verehrte Frau Bundesrätin, über diesen Mutter-Kind-Paß-Bonus hinaus eine Initiative gesetzt, die, glaube ich, für relativ wenig Geld relativ viel bringt, wir haben nämlich ein Recall-System eingeführt: Jede Mutter beziehungsweise Familie in Österreich bekommt dann, wenn die entsprechenden Untersuchungen bei ihrem Kind anstehen, einen Brief mit sehr, sehr guten Informationen über die Notwendigkeit der Untersuchungen insgesamt.

Dieses Recall-System läuft seit Mai dieses Jahres. 400 000 solcher Briefe werden jährlich verschickt. Es ist dies erst jetzt möglich, weil das Bundesrechenzentrum aufgrund der Daten über die Geburten in diesem Lande den Geburtszeitpunkt des Kindes und aufgrund dessen die entsprechenden Untersuchungszeitpunkte relativ leicht herausfiltern kann. Wie gesagt, es war der Rückgang im ersten Jahr ohne Geburtenbeihilfe, nämlich im Jahr 1997, mit brutto etwa minus 9 Prozent – brutto deswegen, weil der Geburtenrückgang noch nicht einberechnet ist – ein zwar nicht erfreulicher, aber geringer, als manche befürchtet haben. Daten, die mir jetzt für das Jahr 1998 vorliegen, machen mich doch etwas optimistisch, daß wir heuer deutlich darunterliegen werden. Aber nochmals: Die Wiedereinführung der Geburtenbeihilfe steht nicht in Diskussion. Ich bedauere, Ihnen das nicht ankündigen zu können.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ist eine Zusatzfrage – ich unterstreiche "Frage" – gewünscht? – Bitte sehr, Frau Bundesrätin Mühlwerth.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Die Rücknahme der Höhe der Geburtenbeihilfe ist ja tatsächlich im Zuge der beiden Belastungspakete erfolgt. Und so bedauerlich es ist – da sind wir uns ja einig –, daß dann trotzdem einige Eltern ihre Kinder nicht untersuchen lassen, sondern das eben nur tun, wenn es dafür – ich sage es ein bißchen salopp – Bares gibt, muß ich doch sagen, daß das ein Faktum ist. Das gibt es eben. Jetzt hat der FLAF Überschüsse. Es ist ja die Geburtenbeihilfe nicht deshalb zurückgenommen worden, weil man der Meinung war, es sei nicht notwendig, soviel Geld auszuzahlen, sondern im Rahmen der Belastungspakete. Wenn jetzt der Familienlastenausgleichsfonds wieder Überschüsse aufweist, wäre es doch nur recht und billig, auch da eine Anhebung vorzunehmen.

Jetzt frage ich Sie noch einmal: Werden Sie das tun?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Der FLAF wird Überschüsse haben, das ist richtig. Auf der anderen Seite kommen auch aus Ihren Reihen Wünsche nach Beitragssenkungen und Arbeitskostenentlastungen. Auf der zweiten und dritten Seite wird der FLAF mit 6 Milliarden Schilling pro Jahr die Familiensteuerreform kozufinanzieren haben, wird der FLAF letztlich auch die Mittel für das Familienpaket 2000 aufzubringen haben, wird das Karenzgeld für alle zu finanzieren sein. Das heißt, eine Fülle von Mehraufwendungen steht ohnehin im Raum, und da, glaube ich, gilt es maßzuhalten und nicht zu viel des Guten zu tun, weil Österreichs Bevölkerung gar nicht erwartet, daß jetzt wieder Mittel mit dem Füllhorn ausgeschüttet werden. Wir wollen das, was letztlich von der Koalition in familienpolitischer Hinsicht als prioritär angesehen wird, an die Spitze stellen. Die Familiensteuerreform, schon umgesetzt, auch vom Bundesrat verabschiedet, wird in zwei Tranchen mit 1. 1. 1999 und 1. 1. 2000 in Kraft treten. Das wird, so glaube und hoffe ich, das Karenzgeld für alle Mütter sein, und es wird das Familienpaket 2000 mit einer Fülle von wichtigen Maßnahmen sein. An eine Wiedereinführung von Leistungen, die im Rahmen des Sparpakets abgeschafft worden sind, denkt zurzeit auf Regierungsebene niemand.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bitte Sie, bei der Formulierung von Fragen darauf Rücksicht zu nehmen, daß wir, wenn diese Fragen so gestellt werden, trotz der Erstreckung der Fragestunde auf die doppelte Zeit, nämlich auf zwei Stunden, nicht alle Fragen aufrufen können. Ich ersuche Sie daher, mit Rücksicht auf jene Kolleginnen und Kollegen, deren Fragen wahrscheinlich nicht mehr behandelt werden können, sich darauf zu besinnen, daß in unserer Geschäftsordnung Zusatzfragen vorgesehen sind, aber nicht Zusatzreden. Diese wären im Rahmen der Debatte zu halten.

Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte sehr, Frau Bundesrätin Pühringer.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage hätte sich auf Maßnahmen zu den Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen bezogen. Sie sind in Ihrer Antwort auf die Frage von Frau Bundesrätin Schicker bereits darauf eingegangen, sodaß ich auf meine Frage verzichte.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum Aufruf der 9. Anfrage, 926/M. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Bösch, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

926/M-BR/98

Inwieweit werden EU-beitrittswillige Staaten unter Androhung der Ausübung des Vetorechts durch Österreich auf EU-Ebene zu verbindlichen Atomausstiegskonzepten gedrängt?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wir haben diese Frage zuletzt im Umweltausschuß des Nationalrates am vergangenen Donnerstag vormittag diskutiert. Mit Ausnahme Ihrer Fraktion haben dort alle im Parlament vertretenen Parteien die Linie mitgetragen, daß die Androhung eines Vetos nicht das richtige Mittel ist, und zwar deswegen, weil es eigentlich EU-Recht widersprechen würde. Es ist nach EU-Recht jedem einzelnen Mitgliedstaat überlassen, welche Form der Energiegewinnung er wählt. Ich sage das deswegen, weil gerade dieser Passus für uns Österreicher sehr wichtig ist. Dieser Passus versetzt Österreich in die Lage, klarzustellen, daß wir Atomenergie nicht wollen. Österreich ist aber nicht in der Lage, EU-Mitgliedsländern oder Beitrittskandidaten vorzuschreiben, die eine oder andere Energieform einzusetzen. Wir sind nur in der Lage, klarzustellen, daß wir europäische Sicherheitsstandards verlangen. Das ist klargestellt, das tun wir auch, und da gibt es auch eine Solidarität der Europäischen Union.

Ich erinnere nur daran, daß in der Mitteilung der Kommission zum Thema Umwelt und Erweiterung klar festgehalten ist, daß die Slowakei zwei Atomreaktoren – gemeint sind die beiden alten V-1-Reaktoren von Bohunice – abstellen wird müssen, wenn es darum geht, Beitrittswerber sein und Mitglied werden zu wollen, daß Reaktoren in Ignalina, in Litauen, abzustellen sein werden, im übrigen dort Reaktoren vom Tschernobyl-Typ, daß Kozlodui in Bulgarien abgestellt werden muß. An der Frage der Sicherheit, der Sicherheitsstandards und -prinzipien können wir das Ganze aufhängen, daran können wir uns orientieren, da können wir Druck machen. Einen Ausstieg als Voraussetzung für einen Beitritt zu verlangen, das ist aus meiner Sicht rechtlich nicht gedeckt und wäre daher rechtlich und auch politisch für unser Land der falsche Weg.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte sehr, Herr Bundesrat.

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Bundesminister! Sie wissen, daß der Oberösterreichische Landtag zu einem dieser Kraftwerke, nämlich Temelin, bereits einstimmig ablehnende Beschlüsse gefaßt hat. Wie werden Sie darauf reagieren?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Es ist mir die Sorge der Oberösterreicher in Richtung Temelin ein großes Anliegen. Es ist so, daß ich und die primär für Fragen der nuklearen Sicherheit zuständige Ministerin Prammer uns bereits an den neuen tschechischen Umweltminister Kužvart gewandt haben. Meines Wissens gibt es demnächst einen bilateralen Besuchstermin, Gesprächstermin zwischen Frau Prammer und dem neuen tschechischen Umweltminister. Ich hoffe, daß sich durch die neue tschechische Regierung Zeman Möglichkeiten ergeben werden, die sich unter der vorletzten tschechischen Regierung Klaus nicht ergeben haben. Ich sage allerdings, daß zurzeit die Signale aus Tschechien nicht so ermutigend sind, wie sie vor einigen Monaten noch waren, als der tschechische Umweltminister Martín Bursík hieß. Dieser war zu Temelin und zur ganzen Nukleartechnik sehr, sehr kritisch eingestellt. Diese Signale gab es jetzt von der neuen Regierung Zeman nicht.

Ich bin fast sicher, es wird auch die Diskussion in Deutschland ihre Auswirkungen auf Tschechien haben. Denn wenn zwei Nachbarländer auf die Nutzung von Kernenergie verzichten, nämlich Österreich von Anbeginn an und später Deutschland, weil die zu erwartende rot-grüne Regierung ein Ausstiegsszenario zeichnen wird, dann wird das vielleicht auch Auswirkungen auf die tschechische Situation haben. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Die Bedenken der Oberösterreicher sind uns nicht nur bewußt, sondern wir tragen ihnen auch voll Rechnung. Das ändert aber nichts daran, daß man es sich nicht so einfach machen kann, wie das eben eine Oppositionsfraktion im Parlament gut tun kann, nämlich einfach mit einem rechtlich nicht gedeckten Veto zu operieren.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Zu Wort gemeldet für eine Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Rodek. – Bitte.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Erscheint es Ihnen sinnvoll, den EU-Beitritt von kernkraftnutzenden Staaten von deren Ausstieg von der Atomkraft abhängig zu machen, oder wäre es nicht besser, eine energiewirtschaftliche Kooperation mit dem Ziel aufzunehmen, den Einsatz der Atomkraft wirtschaftlich uninteressant zu machen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat Rodek! Ohne Frage ist der zweite Weg der zielführendere, aus meiner Sicht vor allem deswegen, weil gerade in diesen Beitrittskandidatenländern die Energieeffizienz eine derart schlechte ist, daß allein durch Energiesparen sehr, sehr viel zu holen ist und die nicht verbrauchte Kilowattstunde allemal die sauberste Kilowattstunde ist.

Es gibt eine Reihe von Energiepartnerschaften Österreichs mit diesen Ländern. Es ist auch durchaus der gute Wille da, diese zu unterstützen. Es kann auch der Klimaschutzprozeß von Kyoto, wie ich das schon angeschnitten habe, mit dem flexiblen Mechanismus Joint Implementation, also gemeinsamer Umsetzung von Klimaschutzprojekten und damit von Energieeinsparungsprojekten, neue Wege und Möglichkeiten erschließen.

Also ohne Frage ist eine Erhöhung der Energieeffizienz der bessere Weg und der Verzicht auf Kerntechnik dann leichter zu erzielen. Wir werden konsequent daran weiterarbeiten, daß wir dieses Fernziel eines kerntechnikfreien Mitteleuropas verwirklichen können. Aber es ist dies ein Fernziel, das nicht von heute auf morgen verwirklichbar ist.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke. – Für eine weitere Zusatzfrage ist Herr Bundesrat Meier gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage schließt an die jetzt schon begonnene Diskussion an und lautet: Inwieweit kann in der Frage des Ausstiegs bei Atomkraftwerken sowie bei anderen Fragen an ein Vetorecht Österreichs oder eines


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anderen EU-Mitgliedstaates gedacht werden, solange in den EU-Staaten selbst die Atomkraft in großem Maße Anwendung findet und genützt wird?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat Meier! Ich meine, ich habe die Frage schon beantwortet: Es liegt im Selbstbestimmungsrecht der EU-Mitgliedsländer, welche Art der Energiegewinnung sie nutzen wollen. Eine Änderung dieses Selbstbestimmungsrechtes läge – ich wiederhole mich – überhaupt nicht im Interesse Österreichs, weil damit das Risiko wachsen würde, daß plötzlich uns von außen die Nutzung der Kernkraft aufgezwungen werden könnte.

Dieses Selbstbestimmungsrecht hat zum einen den Vorteil, daß wir garantiert kernkraftfrei bleiben können – auch als EU-Mitgliedstaat; das war ja im Zuge der Beitrittsverhandlungen ein wichtiger Punkt, und zwar gerade von jener Oppositionspartei, die damals und heute gegen die Mitgliedschaft Österreichs votiert hat. Auf der anderen Seite muß man eben den Nachteil in Kauf nehmen, daß wir weder einem EU-Mitgliedstaat noch einem Beitrittswerber hinsichtlich der prinzipiellen Entscheidung, das zu tun oder nicht zu tun, Vorschriften machen können; das brächte nichts.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals, Herr Minister.

Wir kommen zur 10. Anfrage, die Herr Bundesrat Schöls stellen wird. Ich darf ihn um die Verlesung bitten.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

931/M-BR/98

Welche Ziele wird Ihr Ressort in der Arbeitsgruppe zum Thema "Internet und Kinderpornographie", die auf Initiative von Bundeskanzler Mag. Klima und Vizekanzler Dr. Schüssel eingerichtet wurde, verfolgen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat Schöls! Ich glaube, in der ersten Hälfte der österreichischen EU-Präsidentschaft ist uns da einiges gelungen – es stand auch gestern in einer Zeitung als positives Merkmal zu lesen –, vor allem auch aufgrund des sehr persönlichen Engagements von Vizekanzler Schüssel auf EU-Ebene, auch auf der Ebene der Vereinten Nationen, wo es ja auch einen Unterschied macht, ob unser Außenminister als EU-Ratsvorsitzender spricht oder eben in Normaljahren als Außenminister des kleinen Österreich. Es ist die Internationalisierung des Themas, wie gesagt, von Österreich weiterverfolgt und verstärkt worden.

Darüber hinaus hat diese Arbeitsgruppe, bestehend aus den Ministervertretern von Justizminister Michalek, Innenminister Schlögl und von mir selbst die Arbeiten so gut wie abgeschlossen – ich rechne noch mit einer abschließenden Sitzung in der nächsten Woche –, und wir werden hier eine Reihe von Punkten der Regierung zur Beschlußfassung vorlegen, allerdings auch in Verbindung mit bescheidenen Wünschen an den Herrn Finanzminister. Ganz ohne Geld wird es nicht gehen; aber keine Angst, es handelt sich um zweistellige Millionenbeträge, die wir brauchen, und nicht etwa um dreistellige Beträge oder gar Milliardenbeträge.

Es sind aus meiner Sicht folgende Punkte konkret hervorzuheben: Die Einrichtung von zentralen behördlichen Meldestellen für Kinderpornographie, die europaweit vernetzt sind. Internet ist nun einmal eine Geschichte, die weltweit operiert, man kann daher national nur wenig tun. Wir werden in Zukunft nicht nur passiv, sondern auch aktiv fahnden. Das heißt, die Beamten des Kollegen Schlögl werden nicht nur Meldungen entgegennehmen, sondern auch aktiv fahnden, wobei ich der Meinung bin, daß man in diesem Fall auf die massive Beteiligung von Bürgern und


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Bürgerinitiativen hoffen soll, die zwar nicht fahnden, aber vielleicht die Augen offen halten und verdächtige Inhalte melden sollen. Es gibt mittlerweile eine gut etablierte Zusammenarbeit mit den Providern in diesem Lande, das hat sich gut entwickelt.

Wir müssen in einer StPO-Reform klarstellen, daß auch in diesem Bereich verdeckte Fahndung möglich ist, weil die Praxis zeigt, daß man – so bedauerlich das auch ist – nur in die Szene hineinkommt, wenn man selbst auch Material anbietet. Ich habe ein schauerliches Inserat persönlich gelesen, das da in etwa lautete: Einstiegsbedingung: entweder 10 000 Kinderporno-Fotos mitbringen oder aber ein Kind zum Kindesmißbrauch zur Verfügung stellen. Das gibt es allen Ernstes. Also es müssen die Beamten dort über verdeckte Fahndung hinein, weil sie sonst gar nicht in diese Bereiche kommen, wo meistens zwei Perverslinge die Bilder und ähnliches austauschen.

Ich möchte jetzt hier nicht weiter fortsetzen. Es wird dieses Paket über die Medien dann sicher auch kommuniziert werden, aber es ist ein vernünftiges, gutes Maßnahmenpaket, das auf nationaler Ebene eine Reihe von Punkten umfaßt. Ich meine, daß wir recht gehandelt haben – ich verweise noch einmal auf das persönliche Engagement vor allem von Wolfgang Schüssel –, auf europäischer, aber auch auf UNO-Ebene in New York das Thema international zu thematisieren. Denn – da sind wir uns sicher alle einig – es ist eines der grausigsten Themen, das wir in diesen neunziger Jahren politisch zu behandeln hatten.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage, Herr Bundesrat? – Bitte.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Welche Maßnahmen des gemeinsamen Ministerratsvortrages vom September 1997, der von fünf Ministern unterstützt wurde und der einen Katalog präventiver Maßnahmen gegen Gewalt und sexuellen Mißbrauch von Kindern enthält, werden derzeit von Ihrem Ressort vordringlich umgesetzt?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat Schöls! Auch das wird eine Aktivität und Initiative mehrerer Regierungsmitglieder. Gerade heute läuft folgende Nachricht über die Medien: Es tritt mit heute eine Verschärfung des Sexualstrafrechtes in Kraft mit im wesentlichen zwei Schwerpunkten: zum einen ein Aussetzen der Verjährungsfrist bis Volljährigkeit, erst dann beginnt die Verjährungsfrist zu laufen – weil eben leider Gottes geschädigte und geschändete Kinder in der Familie oft jahrelang nicht reden, sich nicht zu reden getrauen und dann die Verjährungsfrist schon vorbei ist –, und zum zweiten sollen – ich möchte mich hier nicht deutlicher ausdrücken – sexuelle Handlungen, die schlimm genug sind, auch so behandelt werden wie der aktuelle Beischlaf, sodaß also so quasi der Unrechtskatalog erweitert wird.

Es ist eine Novelle zum Jugendwohlfahrtgesetz in Bearbeitung, die in Verbindung mit einer Novelle zum Ärztegesetz eine Schaffung zentraler Meldestellen ermöglichen wird. Was ist damit gemeint? – Ärzte mußten bisher an die Staatsanwaltschaft melden; sie werden in Zukunft an die Jugendwohlfahrtsbehörde melden können – das ist ein Vorteil –, und die Jugendwohlfahrtsbehörde kann dann die Daten vernetzen und leichter auf vermeintliche Fälle von Gewalt draufkommen. Heute ist es ja so, daß Prügeleltern oftmals ihre Kinder einmal zu dem Arzt, einmal zu dem Arzt bringen. Wenn diese Daten und Meldungen nicht vernetzt werden können, dauert es unter Umständen sehr lange – oft zu lange –, bis man draufkommt, das sind keine Fahrradverletzungen, das sind keine Sturzverletzungen, dabei handelt es sich um Prügelfolgen, um Folgen von Kindesmißhandlung.

Täterarbeit wird einen wichtigen Schwerpunkt darstellen. Ich glaube, daß wir in Österreich diesbezüglich ein großes Defizit haben. Wegsperren ist wichtig, Strafe und Sühne sind wichtig. Aber was mache ich mit diesen Tätern, vor allem den Sexualstraftätern, vor allem den Kinderschändern, wenn sie dann wieder herauskommen? – Lebenslange Betreuung und Beaufsichtigung halte ich für notwendig im Sinne eines vorbeugenden Opferschutzes, weil die Rückfallquote


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sehr, sehr hoch ist; wenn Sie so wollen, ist es auch im Sinne der Täter, weil diesen sonst nicht zu helfen ist.

Wir haben Maßnahmen gesetzt im Bereich des Opferschutzes. Es ist die kontradiktorische Befragung, wie sie im Fachjuristisch heißt, jetzt verpflichtend bei Kindern bis 14 Jahren, das heißt, die Kinder werden nicht mehr so in Konfliktsituation mit den Missetätern, mit den Schändern vor Gericht gebracht, sondern sie müssen gesondert befragt werden. Diese psychologisch sehr schwierige Situation wird bei den unter 14jährigen jedenfalls in Zukunft ausgeschlossen sein.

Das sind ebenfalls nur die aus meiner Sicht wichtigsten Maßnahmen aus diesem Bereich. Dieser 25-Punkte-Katalog wird Punkt für Punkt umgesetzt, und ich denke, daß wir in bezug auf ungefähr die Hälfte dieser Punkte schon heute von Umsetzung sprechen können. Die zweite Hälfte ist in Arbeit.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Für eine weitere Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Thumpser gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie Sie schon ausgeführt haben, ist Kinderpornographie im Internet nur international zu bekämpfen.

Welche Aktivitäten auf internationaler Ebene haben Sie gesetzt beziehungsweise werden Sie in dieser Thematik unabhängig von der nationalen Arbeitsgruppe setzen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Ich habe insbesondere schon auf die internationalen Initiativen von Vizekanzler Schüssel verwiesen. Dazu darf ich ergänzen, daß auch der Innenminister eine entsprechende Initiative im Verantwortungsbereich seines EU-Rates gesetzt hat, weil die von mir schon angeschnittene Vernetzung auf EU-Ebene nur dann möglich ist, wenn es auch dort entsprechende Rechtsetzungen gibt. Das heißt zusammenfassend: Sowohl auf EU-Ebene als auch auf internationaler Ebene ist sehr viel geschehen, wenngleich nicht direkt von mir, weil ich als Familienminister dafür keine Gremien und keine Zuständigkeiten auf internationaler Ebene habe. Aber sowohl vom Außenminister als auch vom Innenminister hat es gerade während der letzten Wochen sehr beachtliche Initiativen gegeben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Minister.

Für eine weitere Zusatzfrage ist Frau Bundesrätin Riess-Passer gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! In Frankreich und Bayern haben Einheiten der Cybercops, die dort eigens installiert worden sind, in der Fahndung eine sehr große Erfolgsquote aufzuweisen. Wird es eine ähnliche Einheit auch in Österreich geben? Wie viele Beamte wird sie umfassen? Wann wird sie ihre Arbeit aufnehmen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Eine ähnliche Einheit wird es geben. Ich habe schon gesagt, daß die Beamten, die jetzt passiv Meldungen entgegennehmen, in Zukunft auch aktiv fahnden werden, und möchte wiederholen, daß man diesen Leuten auch die Mittel dafür in die Hand geben muß, nicht nur solche technischer Natur, sondern auch vom Juristischen her. Die Fahndung muß verdeckt möglich sein, und ich hoffe, daß dann im Parlament auch für solche Fahndungsmethoden eine breite parlamentarische Zustimmung gegeben sein wird.

Über entsprechende Dienstpostenpläne und über die Anzahl der in diesem Bereich einsetzbaren Beamten kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Ich möchte Sie bitten, diese Frage an den Innenminister zu richten. Vom Prinzip her nur soviel: Die aktive Einschaltung, also die Installie


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rung einer solchen Cybercops-Truppe, ist unterwegs, und ich bin sicher, daß wir, ähnlich wie Bayern, durch solche Gruppen – und ich fürchte das fast – vermehrt Fahndungserfolge werden erzielen können. Denn wir wissen, daß die Dunkelziffer in diesem Bereich sehr hoch ist.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 11. Anfrage, gestellt von Herrn Bundesrat Hager. Ich bitte um deren Verlesung.

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

921/M-BR/98

Durch welche Förderungsaktionen werden Alternativenergien im Bereich der Umweltförderung unterstützt?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Aus dem Titel Umweltförderung sind im Jahre 1997 insgesamt 285 Projekte mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von knapp 1 Milliarde Schilling, nämlich genau 975 Millionen Schilling, realisiert worden. Es sind in diesen Bereich 250 Millionen Schilling an Fördermitteln geflossen.

Für 1998 sind für den Bereich der Förderung von erneuerbaren Energieträgern – für Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz – finanzielle Mittel im Ausmaß von 300 Millionen Schilling vorgesehen. Ein Beispiel dafür sind Mittel für die thermische Gebäudesanierung, die ich vorher schon erwähnt habe, im Umfang von 25 Millionen Schilling, ferner sind Maßnahmen zur besseren Nutzung der Windenergie 30 Millionen Schilling vorgesehen. – Das als beispielhafte Aufzählung.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wünschen Sie eine Zusatzfrage, Herr Bundesrat? – Bitte.

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Welche Möglichkeiten sehen Sie, angesichts der beabsichtigten Ausdehnung der Alternativenergien – Biomasse, Deponie- und Klärgas, geothermische Energie, Wind und Sonne – auf 3 Prozent bis 2005 zusätzliche Förderungsmittel bereitzustellen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat! Zur Zeit sehe ich dafür wenige Möglichkeiten, weil wir – offen gestanden – eine Auseinandersetzung mit dem Finanzministerium führen.

Denn es sind nicht nur die Budgetmittel, die zur Verfügung stehen, wesentlich, sondern es kommt auch auf den sogenannten Zusagerahmen an, weil ich ja, wenn etwas budgetär auch erst in einigen Jahren schlagend wird, schon heute dafür die entsprechende Förderungszusage geben muß. Wir sind der Auffassung, daß wir einen Zusagerahmen von 500 Millionen Schilling aus dem Titel Umweltförderung vereinbart haben, hingegen stellt sich das Finanzressort auf den Standpunkt, es seien nur 400 Millionen Schilling gewesen. Wenn das Finanzressort nicht von seinem Standpunkt abrückt, dann ist für heuer überhaupt schon das Ende der Fahnenstange erreicht, und es können keine neuen Förderzusagen mehr gemacht werden.

Zurzeit ist also die Situation in diesem Bereich keine besonders erfreuliche, aber wir müssen abwarten. Es wird ja der Regierung ein Kyoto-Maßnahmenpaket vorzulegen sein, um darzulegen, mit welchen Maßnahmen wir das Kyoto-Klimaschutzziel erreichen wollen, das wir auch erreichen müssen, weil das ja keine Aktion der Freiwilligkeit mehr ist. Ich gehe davon aus, daß es in dieser Hinsicht zumindest punktuell neue Förderstrukturen und -aktivitäten geben muß, und dann wird das Thema aktualisiert werden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.


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Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Ram. – Bitte.

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Was werden Sie konkret unternehmen, um die Einspeisetarife für Wind und Solarenergien anzuheben?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Im Zuge der Gesetzwerdung des ElWOG, des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes – so heißt es in seiner vollen Schönheit – wurde von mir großes Augenmerk auf zwei Dinge gelegt: zum einen darauf, daß wir im Jahre 2005 auf die schon angeschnittenen 3 Prozent an Strom aus erneuerbaren Energiequellen kommen müssen, und zum zweiten darauf, daß es für die Einspeisetarife für Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu vernünftigen Regeln kommt. Das ist nach hartem Ringen so gelöst worden, daß jetzt die Kompetenz bei den Landeshauptleuten liegt.

Wenn die Landeshauptleute innerhalb von – meines Wissens – sechs Monaten keinen Gebrauch von dieser Kompetenz machen, dann geht sie an den Wirtschaftsminister – als zuständigen Energieminister – über. Dort haben wir schon klare Regeln formuliert, nach denen diese Einspeisetarife festzulegen sind. Lassen Sie mich hinzufügen, daß ich den heutigen Umgang mit Einspeisetarifen für Strom aus alternativen Energiequellen für allzu bescheiden und zurückhaltend erachte, und lassen Sie mich auch sagen, daß ich große Hoffnung auf einen Richtlinienentwurf der Europäischen Union setze, der Ende des Jahres herauskommen und sich mit der Steuerfreistellung von Stromtypen aus erneuerbaren Energieträgern beschäftigen wird. Davon erhoffe ich mir insgesamt fairere Einspeisebedingungen auf europäischer Ebene, die dann auch für Österreich gelten würden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Polleruhs gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Welche Beschäftigungsimpulse konnten im heurigen Jahr aufgrund der von Ihnen genannten Umweltförderungen ausgelöst werden?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Das Ausmaß der Umweltförderungen wird gemeinhin unterschätzt, weil nur wenige wissen, daß beispielsweise im Jahr 1998 Förderzusagen in einem Ausmaß von 6 Milliarden Schilling getätigt werden – selbstverständlich unter Einbeziehung der Förderungszusagen im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft. Im Jahr 1997 war der Betrag noch höher als 1998. Der dadurch erwartete Beschäftigungseffekt wird von uns mit zirka 16 000 Arbeitsplätze bemessen, davon entfallen 14 000 Arbeitsplätzen auf den größten Bereich, die Siedlungswasserwirtschaft, also im wesentlichen auf den Kanalbau und den Kläranlagenbau.

Auch 1998 gibt es wieder eine Sondertranche von 1 Milliarde Schilling für die Siedlungswasserwirtschaft, sodaß der Rahmen von 3,9 Milliarden auf 4,9 Milliarden Schilling ausgedehnt wird. Die restlichen 1,1 Milliarden entfallen auf das Thema Umweltförderung allgemein, das Thema Klimaschutz, das Thema Altlastensanierung und ähnliches mehr. Das beweist, daß Umweltschutz und Umweltförderung nicht nur der Umwelt dienen – das müssen sie primär tun –, sondern daß daraus auch sehr positive Arbeitsmarkteffekte abgeleitet werden können, sehr geehrter Herr Bundesrat!

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen zur 12. Anfrage. Diese wird Herr Bundesrat Weilharter stellen. Ich darf um Verlesung bitten.


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Bundesrat Engelbert Weilharter
(Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

927/M-BR/98

Welche Haltung nehmen Sie hinsichtlich einer stufenweisen Umsetzung des Kinderbetreuungsschecks ein, insbesondere unter Berücksichtigung der dazu erforderlichen organisatorischen und finanziellen Maßnahmen sowie des Zeitpunktes der Einführung?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat Weilharter! Ich habe schon darauf hingewiesen: Der Kinderbetreuungsscheck ist eine familienpolitische Vision, die aus finanziellen Erwägungen nur langfristig zu verwirklichen sein wird. Ein erster Schritt in diese Richtung wäre das Karenzgeld für alle, nämlich das Karenzgeld von einer vorhergehenden Erwerbstätigkeit unabhängig zu machen, es also abzukoppeln und damit eine Art Kinderbetreuungsgeld zu schaffen. Sonst bleibt es eine Vision, ein Langfristprogramm. Sicherlich wird noch vieles an Diskussion darüber notwendig sein, wie man das finanziert und ob das der Familienlastenausgleichsfonds finanzieren wird. Dafür kann ich Ihnen heute beim besten Willen noch keinen Termin nennen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage, Herr Bundesrat? – Bitte.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Es ist also für Sie momentan nicht machbar, sich zeitlich festzulegen. Ist Ihnen aber bekannt, daß es von seiten der Länder in diesem Bereich schon dezidierte Positionierungen gibt?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Das ist es durchaus; einstimmige Landtagsbeschlüsse, zum Beispiel aus Oberösterreich, liegen mir vor und sind mir bekannt. Diese politische Unterstützung der Länder ist wichtig. Allerdings beantworten diese Landtagsbeschlüsse nicht die Finanzierungsfrage, und sie beantworten insbesondere auch nicht die Problematik, daß in der dritten Ausbaustufe des Kinderbetreuungsschecks sehr viel an Diskussions- und Verhandlungsbedarf mit den Ländern vorhanden wäre, weil es damit ja zu Umschichtungen von Mitteln – von den Ländern in Richtung Bund – in hohem Ausmaß kommen würde. Das heißt, da erwarte ich mir zumindest kein kurzfristiges Ja der Länder, vor allem nicht zum letzten Punkt.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Richau gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Franz Richau (ÖVP, Kärnten): Herr Bundesminister! Hat die Einführung des Kinderbetreuungsschecks direkte Auswirkungen auf die Länder?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Ja, Herr Bundesrat, und zwar dann, wenn man in diese dritte Ausbaustufe hineinsteigt und wenn man einen echten Kinderbetreuungsscheck strukturiert, sodaß dann eine Familie von einer Bundesstelle einen Scheck zur Betreuung eines Kindes in einem Kindergarten bekommt, denn der Scheck muß irgendwie finanziert werden. Das heißt, es wäre dann nicht mehr Gemeindesache, für die Finanzierung des Kindergartens – unter Mithilfe des Landes – Sorge zu tragen, sondern das wäre dann in einem anderen Licht zu sehen.

Aber abgesehen davon: nein. Denn sowohl die Variante Kinderbetreuungsgeld als auch die zweite Variante, nämlich daß man aus den Ersatzzeiten, die es zurzeit gibt, im Sozialversiche


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rungs-, vor allem im Pensionsversicherungsbereich, dann echte Beitragszeiten macht: Diese Maßnahmen betreffen die Länder eigentlich nicht, nein.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Weiters hat sich Herr Bundesrat Hager gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Am Beispiel meines Heimatbezirkes Murau, einer ländlich dominierten Gegend, frage ich Sie, wo eine alleinerziehende Mutter – und diese Familienform ist bei uns eher die Regel als die Ausnahme – mit einem schönen Kinderbetreuungsscheck in der Hand Kinderbetreuungsmöglichkeiten finden soll, wenn diese nicht von der öffentlichen Hand geschaffen und gefördert werden. Der Kinderbetreuungsscheck allein finanziert doch nicht ihre Existenz, insbesondere dann nicht, wenn noch Schwierigkeiten mit Alimentationszahlungen dazukommen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Der Kinderbetreuungsscheck kann nicht die Alternative zu Kinderbetreuungseinrichtungen sein. Er kann auch nicht die Alternative dazu sein, daß Kinderbetreuung beispielsweise nur noch zu Vollkosten angeboten würde, ganz egal, ob es sich um Kindergärten, Tagesmütter oder Kinderkrippen handelt. Das heißt, es muß behutsam vorgegangen werden. Meiner Ansicht nach ist die Einführung eines Kinderbetreuungsschecks in der dritten Ausbaustufe nur unter der Voraussetzung vorstellbar, daß an der Struktur und an der Qualität der bestehenden Kinderbetreuungseinrichtungen nicht gerüttelt wird und daß diese keinen Schaden leiden dürfen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Bevor wir zur 13. Anfrage kommen, möchte ich – da wir gleich die 120 Minuten, die für die Fragestunde zur Verfügung stehen, ausgeschöpft haben werden – vorschlagen, daß der Herr Bundesminister so freundlich ist, auf diese Frage noch zu antworten. Das wird sich ungefähr ausgehen. Weiters möchte ich Sie bitten, Herr Bundesminister, die Fragen 14 bis 17 den Fragestellern schriftlich zu beantworten. Wenn Sie dieser Möglichkeit zustimmen, können wir in diesem Sinne vorgehen.

Ich darf daher jetzt Herrn Bundesrat Vindl bitten, die 13. Anfrage zu verlesen.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

932/M-BR/98

Wann wird die Bundesstelle für Sektenfragen, die mit dem Bundesgesetz über die Errichtung einer Dokumentations- und Informationsstelle für Sektenfragen eingerichtet wurde, voraussichtlich ihre Tätigkeit aufnehmen können?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Frau Präsidentin! Selbstverständlich möchte ich Ihnen mein Einverständnis zu der von Ihnen vorgeschlagenen Vorgangsweise hinsichtlich der Beantwortung der Restfragen geben.

Herr Bundesrat Vindl! Zurzeit ist die Ausschreibung in bezug auf den Geschäftsführer der Bundesstelle für Sekteninformation und -dokumentation abgeschlossen. Ich werde in den nächsten Tagen aufgrund des mir vorgelegten Vorschlages die Entscheidung über die Bestellung des Geschäftsführers treffen. Dieser kann dann sehr kurzfristig von sich aus das Mietverhältnis eingehen, das schon vorbereitet ist. Es gibt bereits einen Vorschlag hinsichtlich der dafür vorgesehenen Räumlichkeiten, sodaß die Tätigkeitsaufnahme dieser Bundesstelle – vorbehaltlich der Tatsache, daß der zukünftige Geschäftsführer oder die zukünftige Geschäftsführerin innerhalb


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von einigen Wochen zur Verfügung steht, also vorbehaltlich der Frage Kündigungsfrist und ähnliches – noch in diesem Jahr möglich ist.

Es gibt aus dem Ausland, beispielsweise auch aus Deutschland, von Sektenexperten bereits großes Interesse und auch große Anerkennung für den Schritt, den wir in Österreich mit dieser Bundesstelle für Sekteninformation und -dokumentation gesetzt haben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Ich glaube, die eine Zusatzfrage geht sich noch aus, die Herr Kollege Vindl vorbereitet hat. – Bitte.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Welche Aufgabenbereiche hat die Bundesstelle für Sektenfragen primär zu erfüllen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Bundesrat Vindl! Wie der Name schon sagt, geht es primär um Dokumentation und Information. Die Dokumentation umfaßt die Sammlung von Informationsmaterialien – primär Literatur –, die einzelnen Gruppen betreffend, also die Sammlung von Forschungsberichten, Gerichtsurteilen, Medienberichten und ähnlichem mehr. Sie umfaßt aber auch die Entgegennahme von Erfahrungsberichten von Einzelpersonen. Wer sich an diese Bundesstelle wendet, kann dort sein Herz ausschütten und über das berichten, was ihm widerfahren ist.

Die Informationsseite betrifft insbesondere die Schulung und Information von Multiplikatoren, beispielsweise von Lehrern und Lehrerinnen im gesamten Bundesgebiet, aber selbstverständlich auch von solchen Beratern, die sich in den Familienberatungsstellen in den Bundesländern auf Sektenberatung spezialisiert haben. Auch diese sollen sich in einer Vernetzung mit der Bundesstelle für Sekteninformation und -dokumentation wiederfinden.

Es geht um die Durchführung von Forschungsprojekten, es geht aber auch um die Vernetzung im Sinn eines Informationsaustauschs mit Sektenexperten im Ausland. Auch dabei gilt es zu beachten, daß Sekten – vor allem diejenigen Gruppierungen, die ich für besonders gefährlich erachte – international tätig sind, und auf internationale Herausforderungen braucht es auch immer internationale Antworten.

Lassen Sie mich damit schließen, daß wir die Vorgaben des Datenschutzes sehr genau und sehr vorsichtig beachten werden. Das war in der parlamentarischen Diskussion immer wieder eine Fragestellung, daher stelle ich fest, daß wir an diese Herausforderung mit großer Zurückhaltung und Behutsamkeit herangehen werden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Wir haben damit die uns zur Verfügung stehenden 120 Minuten voll ausgeschöpft.

Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich teile Ihnen mit, daß 79 Anfragebeantwortungen eingelangt und den Anfragestellern übermittelt worden sind. Diese Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend eine Ministervertretung. Ich darf die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens ersuchen.

Schriftführerin des Bundesrates Irene Crepaz: "Der Herr Bundespräsident hat am 18. September 1998, Zl. 300.100/53-BEV/98, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend am 1. und 2. Oktober 1998 den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein und innerhalb des Zeit


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raumes vom 5. bis 7 Oktober 1998 die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für diesen Bericht.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Der Herr Präsident hat diese Beschlüsse dem zuständigen Ausschuß zur Vorberatung zugewiesen. Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus hat die Vorberatung darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Alle vier Beschlüsse wurden auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir das Verlangen zugekommen, bevor wir in die Tagesordnung eingehen, unsere Beratungen für 30 Minuten zu unterbrechen, damit die Klubs die Möglichkeit einer klubinternen Beratung haben.

Ich gebe diesem Ersuchen gerne statt und unterbreche die Sitzung für 30 Minuten.

(Die Sitzung wird um 11.01 Uhr unterbrochen und um 11.39 Uhr wiederaufgenommen. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich darf die Damen und Herren Bundesräte bitten, Platz zu nehmen.

Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Behandlung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 1 bis 4 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich darf Ihnen mitteilen, daß eine dringliche Anfrage eingebracht wurde. Sie liegt Ihnen vor. Herr Bundesminister Einem, an den sich diese dringliche Anfrage richtet, ist nicht in Wien; er befindet sich im Ausland, allerdings innerhalb der EU. Das heißt, es muß also von den Vorschriften her nicht für eine Vertretung gesorgt werden, und der Grund unserer Unterbrechung lag darin, daß wir eine Vertretung gesucht haben. Herr Bundesminister Michalek wird die Antwort auf die dringliche Anfrage geben. Er hat sein Kommen für 13.30 Uhr zugesagt. Wir werden daher, so wir die Tagesordnung noch nicht erledigt haben, um 13.30 Uhr die Sitzung für die Beantwortung der dringlichen Anfrage unterbrechen.

Die dringliche Anfrage ist gemäß § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates von den Bundesräten Mühlwerth und Kollegen eingebracht worden und betrifft den Bau des Wildschweintunnels. – Für all jene, die nicht aus Wien kommen und vielleicht nicht wissen, was der Wildschweintunnel ist: Es gibt Überlegungen, einen Tunnel zwischen Westbahn und Südbahn zu errichten, und dieser würde unter dem Lainzer Tiergarten durchführen. Nachdem es im Lain


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zer Tiergarten sehr viele Wildschweine gibt, hat irgend jemand einmal diesen Namen, Wildschweintunnel, erfunden.

Diese Anfrage ist an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr gerichtet, und ich habe bereits mitgeteilt, daß Bundesminister Michalek die Beantwortung dieser Anfrage vornehmen wird.

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die

Anfragebeantwortung 1286/AB-BR/98

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weiters gebe ich bekannt, daß gemäß § 60 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates ein Verlangen der Bundesräte Windholz und Kollegen auf eine kurze Debatte der schriftlichen Anfragebeantwortung 1286/AB-BR/98 zur Anfrage 1398/J-BR/98 vorliegt. Diese schriftliche Anfrage war an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gerichtet.

Im Sinne des § 60 Abs. der Geschäftsordnung werde ich die Besprechung der Anfragebeantwortung im Anschluß an die Durchführung der dringlichen Anfrage beziehungsweise im Anschluß an die erledigte Tagesordnung der heutigen Sitzung vornehmen lassen.

Fristsetzungsantrag

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe bekannt, daß die Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates eingebracht haben, wonach dem Ausschuß für Verfassung und Föderalismus zur Berichterstattung betreffend den Antrag 89/A der Bundesräte Dr. Bösch, Dr. Kapral, Dr. Tremmel und Kollegen aus dem Jahr 1995 eine Frist bis 31. 12. 1998 gesetzt werden soll.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungsantrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Redezeitbeschränkung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor wir nun in die Tagesordnung eingehen, möchte ich an die in der Präsidialkonferenz vom 2. Juni 1998 getroffene Vereinbarung der Fraktionen erinnern.

Die Fraktionen haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung für alle Debattenbeiträge, für welche die Geschäftsordnung keine bestimmten Redezeiten vorsieht, vereinbart. Es wird daher das rote Lichtsignal eine Minute vor Ablauf der vereinbarten Redezeit beim Rednerpult blinken und nach Ablauf der vereinbarten Redezeit dauernd rot leuchten.

Sind für eine Debatte mehrere Redner einer Fraktion zu Wort gemeldet, sollen dem Erstredner bis zu 15 Minuten zur Verfügung stehen.

Da es sich aber um eine freiwillige Redezeitbeschränkung handelt, wird der jeweils vorsitzende Präsident weder ein Glockenzeichen geben noch den Redner auf den Ablauf der vereinbarten Redezeit hinweisen.

Sollten Debattenredner im Hinblick auf das zu behandelnde Thema von vornherein die Vereinbarung nicht einhalten können, ersuchen die Präsidenten, zu Beginn der Rede darauf hinzuweisen, damit dann nicht das rote Licht zu leuchten beginnt.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird (854/A und 1394/NR sowie 5779 und 5781/BR der Beilagen)


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2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird (853/A und 1395/NR sowie 5780 und 5782/BR der Beilagen)

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird (856/A und 1396/NR sowie 5783/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert wird (852/A und 1397/NR sowie 5784/BR der Beilagen)


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 bis 4, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 1 bis 4 hat Herr Bundesrat Schöls übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

Berichterstatter Alfred Schöls: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die schriftlichen Berichte über die Ausschußberatungen zu den vier Vorlagen sind in Ihren Tagungsunterlagen enthalten. Ich kann daher auf die Verlesung der Berichte verzichten und darf Ihnen die Anträge des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus zu den einzelnen Tagesordnungspunkten zur Kenntnis bringen.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage zur Änderung des Bundespräsidentenwahlgesetzes 1971 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Volksbegehrengesetz 1973 stellt der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus nach Beratung der Vorlage am 29. September 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird, stellt der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus nach Beratung der Vorlage am 29. September 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert wird, stellt der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus nach Beratung der Vorlage am 29. September 1998 ebenfalls mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Frau Präsidentin! Ich darf Sie bitten, die Debatte zu eröffnen, und die Abstimmung durchzuführen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gelangen nun zur Debatte, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

11.48

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit dieser Vorlage werden mehrere Wahlgesetze geändert. Die Regierungsparteien haben diese mit ihrer Mehrheit im Nationalrat beschlossenen Novellen hochtrabend als "Demokratiepaket" bezeichnet. In Wirklichkeit handelt es sich dabei aber – und zwar auch nach Berichten und Kommentaren in Medien, die meiner Fraktion gewiß nicht nahestehen – eher um ein bloßes Päckchen.

Meine Kritik bezieht sich aber nicht nur darauf, daß wir eine wesentlich weitergehende Reform angestrebt hätten, die insbesondere das direktdemokratische Element erheblich ausgebaut hätte. Vielmehr muß Kritik auch daran geübt werden, daß das unter größtem Zeitdruck entstandene Gesetzeswerk keiner ausreichenden Prüfung und Begutachtung unterzogen werden konnte, war doch von den Koalitionsparteien am letzten Tag der abgelaufenen Session ein Initiativantrag eingebracht worden. Am ersten Tag der neuen Session war der Verfassungsausschuß damit befaßt, und bereits am nächsten Tag wurden dann die Beschlüsse im Plenum gefaßt.

Aufgrund dieses Vorgehens waren die Landesregierungen und der Gemeinde- und Städtebund genötigt, ihre Stellungnahmen und allfälligen Einwände innerhalb eines unvertretbar kurzen Zeitraums zu formulieren.

Es versteht sich von selbst, daß eine solch zentrale Materie im Parlament weitaus sorgfältiger und intensiver hätte beraten werden müssen, würde es tatsächlich um eine echte Demokratiereform gehen. Zumindest müßte das für ein Parlament gelten, das sich selbst noch ernst nimmt und von der Mehrheit nicht als Ausführungsorgan des Koalitionsausschusses oder der Klubobleute der Koalitionsparteien mißverstanden wird.

Daß im auffälligen Gegensatz zu diesem Eilverfahren die Anträge meiner Fraktion im Nationalrat bis heute nicht behandelt worden sind, wird mein Kollege Dr. Bösch noch näher ausführen.

Dennoch verkenne ich durchaus nicht, daß die gegenständlichen Vorlagen in manchen Punkten einen Schritt in die richtige Richtung setzen. Das gilt insbesondere für die vorgesehenen Änderungen bei der Wahl des Bundespräsidenten. Dieser Novelle, die auch die freiheitlichen Vorschläge berücksichtigt, werden wir daher gerne unsere Zustimmung erteilen, denn auch wir sind der Auffassung, daß es demokratiepolitisch nicht begründbar ist, weshalb die Unterstützungserklärungen von Abgeordneten des Nationalrats so viel mehr wert sein sollen als die entsprechenden Willensbekundungen der wahlberechtigten Bürger. Das trifft sowohl für das bisherige Vorschlagsrecht von fünf Abgeordneten zu, während sonstige Kandidaten auf die Unterstützung von 6 000 Bürgern angewiesen sind, als auch auf die noch fragwürdigere Regelung, daß für die Reihung der Kandidaten die Unterstützung durch einen Abgeordneten so viel wie 25 000 Unterstützungserklärungen stimmberechtigter Bürger zählte.

Damit wird endlich der Willenskundgebung des Bürgers im Vorschlagsverfahren das gleiche Gewicht wie jener eines Abgeordneten zukommen, und zugleich wird das problematische Privileg eines Abgeordneten, sich selbst als Kandidaten vorzuschlagen, und die absurde Möglichkeit, sogar mehrere konkurrierende Wahlvorschläge zu unterstützen, wie es geschehen ist, beseitigt.

Der demokratiepolitische Fortschritt liegt für mich aber vor allem darin, daß es künftig jedem Kandidaten einer Bundespräsidentenwahl zugemutet wird, sich um die ausreichende Unterstützung des Wählervolkes zu bemühen. Die Zahl von 6 000 Erklärungen ist im Interesse ernsthafter Bewerbungen wohl auch nicht zu hoch gegriffen, so klar auch sein mag, daß mit Hil


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fe der Organisationsstrukturen größerer Parteien eine solche Anzahl von Bürgern für einen ihnen genehmen Kandidaten leichter mobilisierbar sein wird als für kleine Parteien oder parteiferne Gruppierungen.

Erheblich ungünstiger fällt demgegenüber meine Einschätzung der Änderungen des Volksbegehrengesetzes 1973 aus. Allein unter dem Aspekt betrachtet, daß die Privilegierung der Abgeordneten und dadurch der politischen Parteien bei der Initiierung eines Volksbegehrens fallen soll, könnten wir auch dieser Novellierung zustimmen. Daß acht Abgeordnete ein Volksbegehren herbeiführen konnten, während es sonst der Unterstützung durch 10 000 Bürger bedurfte, war sachlich schon bisher nicht zu rechtfertigen. Zudem ist es zweifellos aus der institutionellen Funktion eines Volksbegehrens ableitbar, in der Einleitung eines solchen kein politisches Recht der Parteien, sondern eine aus der Bevölkerung hervorgehende Initiative zu sehen.

Wenn wir dieser Vorlage unsere Zustimmung dennoch versagen, so eben gerade deshalb, weil wir nicht erkennen können, daß mit dieser Novelle eine echte Verbesserung des Zugangs engagierter Bürger zu diesem Instrument direkter Demokratie erreicht werden kann und wird. Das wird schon daran deutlich, daß die Unterstützung durch ein Promille der Wohnbevölkerung zur Voraussetzung für die Einleitung gemacht wird. Mich stört nicht allein der zweifellos sachwidrige Umstand, daß als Maßzahl auf die gesamte Wohnbevölkerung, also sowohl auf Inländer als auch auf Ausländer, Bezug genommen wird, obwohl es auf die wahl- beziehungsweise stimmberechtigten Bürger ankommen müßte.

Das mag zwar bloß eine problematische Anknüpfung sein, weil es zweifellos nichts daran ändert, daß das grundlegende politische Recht auf Teilnahme an einer Wahl, einem Volksbegehren oder an einer Volksabstimmung an die österreichische Staatsbürgerschaft und bei einer Europawahl an die EU-Bürgerschaft geknüpft ist, und ich wittere daher darin noch keineswegs die Einführung des Ausländerwahlrechts durch die Hintertür. Dennoch könnte das Abstellen auf die Wohnbevölkerung in der breiteren Öffentlichkeit die Fehlvorstellung nahelegen, daß sie, ist sie schon einmal der relevante Bezugspunkt eines Volksbegehrens, auch uneingeschränkt an einer solchen zu beteiligen wäre.

Was sich aber jedenfalls und unbestreitbar an dieser Maßzahl zeigt, ist die nur ganz geringfügige Erleichterung der Einleitung eines Volksbegehrens durch die bloße Herabsetzung von derzeit 10 000 auf zirka 8 100 Unterstützungserklärungen. Vor allem vermissen wir die zentrale Erleichterung, daß der Bürger, der eine Unterstützungserklärung abgeben will, zur Beglaubigung seiner Unterschrift nicht länger persönlich im Gemeindeamt erscheinen muß. Auch der Nachweis, daß er in der Wählerevidenz eingetragen ist, erfordert das nicht. Die vor allem in kleinen Gemeinden dadurch aufgerichtete Hemmschwelle bedarf wohl keiner weiteren Erörterung.

Was die Änderungen der Nationalrats- und der Europawahlordnung anlangt, stehen einigen Verbesserungen auch kritikwürdige Punkte gegenüber. Insbesondere ist als nicht unerhebliche Erleichterung anzuerkennen, daß es bei der Stimmabgabe im Ausland statt bisher zweier nur noch eines Zeugen bedarf. Unlogisch erscheint freilich, daß er volljährig sein muß. Meines Erachtens wäre auf die eigene Wahlberechtigung des Zeugen abzustellen.

Vorbehaltlos begrüße ich die technischen Vorkehrungen zur besseren Rücksichtnahme auf behinderte Personen bei der Stimmabgabe. Hingegen sehe ich bei allem Respekt vor Einsparung entbehrlicher Kosten eine Verschlechterung für den Wahlberechtigten darin, daß die Einsichtsfrist in bestimmten Gemeinden auf eine Woche verkürzt werden kann und daß Kundmachungen nur in Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern angeschlagen werden müssen.

In bezug auf die Europawahlordnung ist die 4-Prozent-Klausel deshalb als sinnwidrig zu kritisieren, weil bei 21 österreichischen Abgeordneten zum Europaparlament mit 4 Prozent Stimmenanteil ohnehin kein Mandat erreicht werden kann.

Lassen Sie mich das sogenannte Demokratiepaket zusammenfassend würdigen. Wäre es tatsächlich ein solches, dann hätte nicht der Nationalratsabgeordnete Murauer von der ÖVP in dankenswerter Offenheit bedauert, daß eine solche Weiterentwicklung des Wahlrechtes, wie sie in einem Beschluß aller Parteien im Oberösterreichischen Landtag gefordert wird, nicht erreicht


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worden ist. Das gilt nicht zuletzt für die unverändert fehlende Briefwahl, wie sie sich schon bisher bei den Arbeiterkammer- und Betriebsratswahlen längst bewährt hat, oder für die Möglichkeit des Wählens auf Depot nach dem Vorbild von Deutschland.

Baut man in Zeiten hoher Mobilität der Wahlbevölkerung überflüssige bürokratische Hemmnisse nicht ab, darf man sich über die vielfach geringe Wahlbeteiligung und Wahlmüdigkeit nicht beklagen. Und wären die vier Vorlagen ein Demokratiepaket, das seinen Namen verdient, hätten insbesondere die Rahmenbedingungen von Volksbegehren verbessert und die politischen Konsequenzen erfolgreicher Volksbegehren verstärkt werden müssen. Daher kündige ich abschließend nicht nur an, daß wir der im Tagesordnungspunkt 1 genannten Vorlage zustimmen und die weiteren, in den Tagesordnungspunkten 2 bis 4 genannten Vorlagen ablehnen werden, sondern bringe namens meiner Fraktion folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Peter Böhm, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel, Mag. John Gudenus und Kollegen betreffend Umsetzung erfolgreicher Volksbegehren

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, binnen drei Monaten einen Gesetzentwurf vorzulegen, der vorsieht, daß jedes Volksbegehren, das von mindestens 500 000 Stimmberechtigten unterstützt wurde, zwingend einer Volksabstimmung zu unterziehen ist.

*****

Ich lade auch die beiden anderen Fraktionen ein, diesem Antrag zuzustimmen, und danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Dr. Böhm und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Umsetzung erfolgreicher Volksbegehren ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rauchenberger. – Bitte.

11.59

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Demokratiepaket, welches uns heute vorliegt, werden wesentliche Änderungen des Bundespräsidentenwahlgesetzes, des Volksbegehrengesetzes und der Nationalrats-Wahlordnung sowie der Europawahlordnung vorgesehen. Wie bei vielen Änderungen in letzter Zeit handelt es sich auch bei den gegenständlichen Vorlagen im wesentlichen um Inhalte, die erst aufgrund aktueller Anwendung zu Diskussionen in der Öffentlichkeit führten und dadurch für die Zukunft geänderte gesetzliche Bestimmungen als notwendig, zumindest aber als gerechtfertigt erscheinen lassen.

Besonderer Stein des Anstoßes war jene Bestimmung im Bundespräsidentenwahlgesetz, wonach die Möglichkeit gegeben war, einen Wahlvorschlag mit fünf Abgeordnetenunterschriften oder 6 000 Bürgerunterschriften einzubringen. Zudem bestanden bisher zumindest bürokratische Schranken gegenüber dem Bürger bei der Abgabe von Unterstützungserklärungen für Wahlwerber oder Wahlwerberinnen.

Die gegenständliche Vorlage berücksichtigt diese Mängel und sieht insgesamt folgende Inhalte beziehungsweise Schwerpunkte vor:

Verkürzung des Zeitraums zwischen dem ersten und einem allfälligen zweiten Wahlgang auf drei Wochen, damit verbunden Schaffung einer Wahlkartenlogistik – das heißt: zwei gleichzeitig ins Ausland zu versendende Wahlkarten, sogenannter "leerer" amtlicher Stimmzettel –, die eine


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rechtzeitige Stimmabgabe durch Auslandsösterreicher für einen bereits nach drei Wochen stattfindenden zweiten Wahlgang ermöglicht;

Schaffung der Möglichkeit, eine Stimme im Ausland mit nur einem Zeugen abgeben zu können;

Streichung der Wirksamkeit von Abgeordnetenunterschriften bei Wahlvorschlägen oder bei Ergänzung von Wahlvorschlägen;

Streichung des Rechts des zustellungsbevollmächtigten Vertreters eines Wahlvorschlages, den Wahlwerber nach dem ersten Wahlgang auszutauschen;

Vorverlegung des Zeitpunkts, zu dem beim Tod eines Wahlwerbers die Wahl zu verschieben ist;

Reihung der Wahlwerber auf dem Stimmzettel nach dem Alphabet;

obligate Auflegung von Blanko-Unterstützungserklärungsformularen in allen Gemeinden anläßlich jeder Wahl;

Schaffung der Möglichkeit der Unterfertigung von Unterstützungserklärungen bei Vertretungsbehörden durch Auslandsösterreicher;

Verpflichtung der Gemeinden, von Proponenten der Wahlwerber oder Wahlwerberinnen bereitgestellte Unterstützungsformulare aufzulegen;

Möglichkeit der bargeldlosen Einzahlung des Wahlkostenbeitrages in der Höhe von 50 000 S;

Bereinigung der Terminologie "Wahlkreis – Landeswahlkreis – Regionalwahlkreis";

Anwendbarkeit des § 126 der Nationalratswahlordnung mit der weiblichen Form der Funktionsbezeichungen auf das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971.

Es ist meines Erachtens richtig, daß diese Änderungen unmittelbar nach jener Bundespräsidentenwahl vorgenommen werden, bei der diese Bestimmungen Kritik und Unverständnis hervorriefen, weil nur dadurch sichergestellt wird, daß die nächste Bundespräsidentenwahl unbeeinflußt durch diesbezügliche taktische Überlegungen – durch wen auch immer – sein wird.

Eine weitere Vorlage zu diesem umfangreichen Paket ist die Novelle des Volksbegehrengesetzes. Wer sich schon bisher mit den verschiedenen Volksbegehren beschäftigt hat, konnte feststellen, daß seit 1964 bereits 23 Volksbegehren mehr oder weniger erfolgreich eingebracht wurden. Zahlenmäßig die Waage halten sich dabei jene elf Begehren, die ausschließlich durch das Volk eingeleitet wurden, mit jenen zwölf Begehren, die durch Landtags- oder Nationalratsabgeordneten eingebracht wurden und damit ein Vielfaches – 1 250 pro Abgeordnetenstimme – an Unterstützung nachweisen konnten.

Dennoch war die Zustimmung zu den einzelnen Volksbegehren sehr unterschiedlich. Das 1995 eingebrachte Begehren "Pro Motorrad" erbrachte lediglich 12 812 Unterschriften – das sind 1,31 Prozent der Stimmberechtigten – und damit die geringste Zustimmung aller bisher eingebrachten Volksbegehren.

Demgegenüber waren das Gentechnik-Volksbegehren im Vorjahr, durch acht Grün-Abgeordnete unterstützt, mit 1 225 790 Unterschriften – das waren 21,23 Prozent der Stimmberechtigten – beziehungsweise das Begehren zum "Konferenzzentrum Einsparungsgesetz" aus dem Jahr 1982, welches durch sämtliche ÖVP-Abgeordnete in den Landtagen unterstützt wurde, mit 1 361 562 Unterschriften – das waren 25,74 Prozent der Stimmberechtigten – wesentlich erfolgreicher.

Da es dennoch nicht sehr einfach ist, einen Einleitungsantrag zu einem Volksbegehren einzubringen, werden mit der gegenständlichen Vorlage konkrete Erleichterungen geschaffen: Herabsetzung des Limits für die Einbringung eines Volksbegehrens von 10 000 Unterstützungserklärungen auf Unterstützungserklärungen im Ausmaß von 1 Promille der Wohnbevölkerungs


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zahl – derzeit also 7 795 – bei gleichzeitigem Wegfall der Möglichkeit, daß Abgeordnete einen Einleitungsantrag zu einem Volksbegehren einbringen können;

Möglichkeit der bargeldlosen Einzahlung des Druckkostenbeitrages von 30 000 S;

Rückzahlung des Druckkostenbeitrages in der fünffachen Höhe, also insgesamt von 150 000 S, für den Fall, daß ein Volksbegehren erfolgreich ist;

Valorisierung dieser Beträge ab dem Jahr 2000 nach dem Verbraucherpreisindex;

Wegfall der Möglichkeit, daß Eintragungslokale an einem Feiertag geöffnet sind;

Verkürzung der Mindesteintragungszeit von vier auf zwei Stunden an Samstagen und Sonntagen in Gemeinden mit weniger als 2 500 Einwohnern;

Einführung von obligat vier Stellvertretern des oder der Bevollmächtigten eines Volksbegehrens;

Verbesserung des Unterstützungserklärungsformulars sowie einiger Gesetzespassagen mit dem Ziel, die Zahl der ungültigen Unterstützungserklärungen hinkünftig niedriger zu halten als bisher;

legistische Präzisierungen und übersichtlichere Gestaltung der übrigen Anlagen zum Gesetz.

Lassen Sie mich zum Volksbegehrengesetz abschließend noch festhalten, daß auch ich es für richtig halte, die bisher mögliche Unterstützung durch mindestens acht Abgeordnete nicht mehr vorzusehen, denn ich habe es immer schon für falsch gehalten, daß Abgeordnete ein Instrument in Anspruch nehmen, das sie über einen anderen Weg, nämlich über das Initiativrecht, genauso in Anspruch nehmen können.

Umso mehr ist dies zu verurteilen, als gerade jene davon im besonderen Maße Gebrauch machten, die bei jeder anderen Gelegenheit von einer grenzenlosen Spargesinnung geprägt sind, demgegenüber allerdings allein in den letzten zehn Jahren sechs derartige Volksbegehren initiierten, deren Durchführung im Einzelfall rund 25 Millionen Schilling an Kosten verursachten.

Die im gegenständlichen Paket weiters enthaltenen Novellen betreffen die Nationalratswahlordnung und die Europawahlordnung. In beiden Materien werden insbesondere Erleichterungen für Klein- und Kleinstgemeinden geschaffen sowie einzelne legistische Präzisierungen vorgenommen, ohne wirklich substantielle Änderungen herbeizuführen.

Insgesamt handelt es sich bei den zitierten Änderungen also um wohlüberlegte, aus der Praxis und Erfahrung ableitbare Bestimmungen, mit denen dem Bürger mehr demokratische Rechte als bisher eingeräumt werden. Meine Fraktion wird deshalb allen vier Vorlagen gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.07

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weiss. – Bitte.

12.07

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg)): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die bisherigen Diskussionsbeiträge haben schon gezeigt, daß es aus Ländersicht keinen Grund gibt, gegen eines der Gesetze Einspruch zu erheben. Das ist auch meine Meinung, und ich begrüße die Verbesserungen, die in allen Gesetzesbeschlüssen enthalten sind.

Zwei Verbesserungen, die mir besonders wichtig erscheinen, möchte ich hervorheben. Erstens ist es sehr positiv, daß bestimmte Wahllokale – zumindest eines pro Gemeinde – künftig behindertengerecht ausgestattet sein müssen und daß für sehbehinderte Personen am Wahltag ein Leitsystem eingerichtet wird, damit sie möglichst ohne fremde Hilfe das Wahllokal benützen können.


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Die zweite Verbesserung ist, daß nun eine formfreiere und praktikablere Möglichkeit für im Ausland lebende Österreicher besteht, ihre demokratischen Rechte betreffend die Kandidatur eines Kandidaten bei der Bundespräsidentenwahl geltend zu machen, wofür bisher das persönliche Erscheinen an einem im Inland gelegenen notwendig gewesen war. Es wäre wünschenswert, daß dieser Fortschritt auch auf die Nationalrats-Wahlordnung übertragen wird, denn auch für den Nationalrat können Parteien nicht nur aufgrund von Unterstützungserklärungen von Abgeordneten, sondern auch, insbesondere wenn sie bisher nicht im Nationalrat vertreten waren, aufgrund von Unterschriften von Bürgern kandidieren. Ich freue mich, daß diese Anregung, die auf einen Vorschlag des österreichischen Generalkonsuls in Liechtenstein zurückgeht, dem gegenüber dieses Problem erwähnt wurde, so rasch aufgegriffen wurde.

Daß die Gesetzesbeschlüsse allesamt Verbesserungen beinhalten, bedeutet natürlich nicht, daß es nicht einen Saldovortrag weiterer Verbesserungsmöglichkeiten gäbe: Es geht hiebei zum einem um Detailfragen, anhand welcher sich zeigt, wie gut es gerade bei solchen Gesetzen wäre, ein ausführliches Begutachtungsverfahren durchzuführen, wie es bei einer Regierungsvorlage üblich ist, gegenüber welchen parlamentarische Initiativen etwas ins Hintertreffen geraten. Zweitens gibt es natürlich auch einige offene Anliegen, von denen ich nur einige wenige nenne.

Die Teilnahmemöglichkeit an der Nationalratswahl für im Ausland lebende oder am Wahltag vorübergehend im Ausland befindliche Österreicher wird neuerlich verbessert, offen ist allerdings die Erfüllung der bei der jüngsten Tagung des Weltbundes der im Ausland lebenden Österreicher erhobenen Forderung nach einer etwas stärker betonten Möglichkeit, auch selbst parlamentarisch eingebunden werden zu können. Das wurde mit keinem konkreten Vorschlag und keiner konkreten Forderung verbunden, das heißt, die Diskussion ist offen. Ein bei dieser Tagung diskutierter Ansatz war, daß man wahlrechtlich einen zehnten Wahlkreis, sozusagen ein zehntes Bundesland für die im Ausland lebenden Österreicher vorsieht. Das wäre eine durchaus systemgerechte Lösung; vielleicht gibt es aber noch andere. Ich denke aber, daß es durchaus der Mühe wert wäre, diesem Anliegen der Auslandsösterreicher Rechnung zu tragen.

Die erleichterte Unterstützung von Wahlvorschlägen bezieht sich, wie vorhin schon erwähnt, nur auf die Bundespräsidentenwahl. Sie sollte meines Erachtens in systemgerechter Weise auch auf die Nationalratswahl Anwendung finden.

Ein dritter Punkt wurde von Herrn Bundesrat Dr. Böhm bereits angesprochen, nämlich die Notwendigkeit, daß im Inland lebende Österreicher, die einen Wahlvorschlag bei der Bundespräsidentenwahl unterstützen wollen, nach wie vor, und sei es auch nur zur bloßen Bestätigung, daß sie als wahlberechtigt in der Wählerevidenz eingetragen sind, persönlich am Gemeindeamt erscheinen müssen. Für die im Ausland lebenden Österreicher hat man das Verfahren vereinfacht, für diese genügt eine postalisch vorab übermittelte Bestätigung, und es ist nicht einzusehen, warum für die Bestätigung eines bloßen Sachverhaltes – ich lasse jetzt einmal beiseite, daß die Unterschrift natürlich beglaubigt geleistet werden muß; das ist sinnvoll und bei einem Notar möglich – jemand auch persönlich am Gemeindeamt erscheinen muß. Das scheint mir doch reichlich übertrieben zu sein, zumal man weiß, daß die Mißbrauchsmöglichkeit etwa bei der Verwendung von Meldebestätigungen wesentlich größer wäre und wesentlich häufiger wahrgenommen werden würde. Solche Meldebestätigungen bekommt man auch, ohne daß man persönlich beim Gemeindeamt erscheint. Ich denke, das sollte gelegentlich nachgebessert werden.

Ein weiterer aus Sicht der Länder wichtiger Gesichtspunkt ist, daß man bereits bei einer vorangegangenen Novelle den Grundsatz der Ortsgebundenheit der Stimmabgabe aufgegeben und – abgesehen von der Wahlkarte im Inland – im Ausland die Möglichkeit eröffnet hat, quasi in Form einer Briefwahl seine Stimme abgeben zu können, auch wenn man sich nicht im Wahlgebiet aufhält. Das betrifft aber nur die Bundeswahlen. Den Ländern ist es nach wie vor verfassungsrechtlich verwehrt, ein ähnliches System auch für die Landtagswahlen und für die Gemeinderatswahlen einzuführen. Es ist bei den Landtagswahlen nicht einmal möglich, eine Regelung für die Wählerevidenz zu treffen, wie sie auf Bundesebene vorgesehen wurde. Das heißt: Die im Ausland lebenden Österreicher sind jetzt zwar ins Nationalrats- und Bundespräsiden


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tenwahlrecht eingebunden, es besteht aber keine Möglichkeit für sie, ihr Wahlrecht für die Landtage oder für die Gemeinderäte auszuüben.

Das bedeutet in der Praxis: Ein Tiroler, der sich am Tag der Tiroler Landtagswahl nicht in Tirol aufhält, ist, ob er nun in Salzburg, in Bayern oder in Südtirol ist, von der Ausübung des Wahlrechtes ausgeschlossen. Und auch jemand, der sich am Tag der Gemeindevertretungswahl krankheitsbedingt im Krankenhaus seiner Nachbargemeinde aufhält, ist vom Wahlrecht für die Gemeinderatswahl ausgeschlossen. Ich meine, das ist mit der heute festzustellenden Mobilität der Bevölkerung – auch im Inland – nicht mehr in Einklang zu bringen!

Einer der Lösungsansätze, der häufig diskutiert wird, ist die Briefwahl, die auf Bundesebene im Ausland und auch bei der Arbeiterkammerwahl möglich ist, nicht aber bei der Landtagswahl oder bei der Gemeinderatswahl. Das wird damit begründet, daß der Verfassungsgerichtshof darin einen Widerspruch zu den Wahlrechtsgrundsätzen der Bundesverfassung erblickt. Wenn es politisch gewollt und sachlich richtig ist, sind allerdings auch diese Grundsätze an neu gesehene Gegebenheiten und Notwendigkeiten anpaßbar, gar keine Frage. Derselbe Sachverhalt bestand bei der Einführung der Bürgermeister-Direktwahl: Der Verfassungsgerichtshof sah ursprünglich einen Widerspruch zu den Grundsätzen der Bundesverfassung. Dann war es jedoch der Wille der verfassungsgebenden Mehrheit, diese Direktwahl doch möglich zu machen, und daher wurde die Verfassung in diesem Punkt geändert.

Die Briefwahl hat sich im Ausland ausgesprochen bewährt, sie ist in der überwiegenden Zahl der Mitgliedsländer der Europäischen Union verbreitet. Wir haben gerade am vergangenen Sonntag anläßlich der Bundestagswahl in Deutschland gesehen, wie stark sie in Anspruch genommen wird und wie wenig der vielfach ins Treffen geführte Mißbrauch tatsächlich vorkommt: Ein solcher ist Jahrzehnte zurück in relevanter Häufigkeit in keinem der Anwendungsfälle feststellbar gewesen.

Ich denke daher, daß sich Österreich dem europäischen Standard einer möglichst großen Erleichterung des Wahlrechts angesichts der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung anpassen und den einstimmig geäußerten Wunsch mehrerer Landtage aufgreifen sollte, damit wenigstens die Landtage verfassungsrechtlich in die Lage versetzt werden, diese Möglichkeit für sich selbst einführen zu können, wenn sie es wollen und wenn sie eine ausreichende Mehrheit dafür haben.

Noch ein kurzes abschließendes Wort zum Entschließungsantrag, den Herr Kollege Dr. Böhm eingebracht hat: Er hat ein interessantes Thema angesprochen, das vielfach diskutiert wird, eine Regelung, die es in einzelnen Landesverfassungen auch schon gibt. Ich denke aber, daß man in diesem Zusammenhang sozusagen etwas tiefer graben und die Diskussion insbesondere unter Beteiligung der Länder führen sollte. Es wäre eigentlich unsere Aufgabe, diesen Diskussionsprozeß mit den Ländern einzuleiten, ohne ihn durch einen Entschließungsantrag zu präjudizieren. Mir ist – abgesehen davon, daß mein Land für seine eigene Verfassung eine solche Regelung vorgesehen hat – keine Willensäußerung eines Landes bekannt, daß man das auf Bundesebene betreiben soll. Es ist möglich, daß das noch kommt, mir liegt jedoch nichts vor. Wir können also nicht gut sagen, daß wir diesbezüglich ein von den Ländern artikuliertes Anliegen aufgreifen. Es ist dies ohne Frage ein Anliegen der Freiheitlichen Partei; das wird auch schon daraus sichtbar, daß derselbe Antrag wortident im Nationalrat bereits eingebracht wurde und dort keine Mehrheit gefunden hat.

Ich möchte abschließend dazu sagen: Wenn Sie schon etwas zur Belebung der Diskussion und der Willensbildung beitragen wollen, dann wäre es hilfreich, wenn Sie frischen Kaffee und keinen aufgewärmten servieren! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

12.17

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jürgen Weiss! Die Begründung, daß


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ein Antrag nur deswegen abzulehnen ist, weil er von den Freiheitlichen nicht nur im Nationalrat, sondern auch im Bundesrat eingebracht wird, ist etwas dürftig, und wir müssen diese natürlich zurückweisen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mein Kollege Dr. Böhm hat ausreichend begründet, warum dieser Antrag auch hier im Bundesrat seine Berechtigung hat. Im übrigen hat er auch betont, daß das, was hier von den Regierungsparteien als "Verfassungspaket" bezeichnet wird, in Wirklichkeit nur ein Päckchen geworden ist, das an allen Ecken und Enden wieder aufzuschnüren und mit Inhalt zu füllen sein wird. Meine Damen und Herren! Wir freiheitlichen Bundesräte sind der Ansicht, daß es hier im Bundesrat keine Debatte über die Verfassung geben darf, ohne daß sich dieses Kollegium auch mit der eigenen Rolle im Rahmen der Verfassung befaßt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Selbst Bundesratspräsident Gerstl hat kürzlich in der Presse verlauten lassen, daß es in seinem Sinne sei, wenn der Bundesrat reformiert anstatt aufgelöst wird. – Wir sind in diesem Punkt derselben Ansicht wie der Herr Präsident: Der Bundesrat sollte nicht aufgelöst, sondern reformiert werden! Die Forderung, daß der Bundesrat aufgelöst werden soll, kommt nicht von der bösen Opposition, sondern von den Bürgern draußen. Meine Damen und Herren! Diese Forderung wird von den Menschen dieses Landes kommen, wenn es uns nicht gelingt, dieses Kollegialorgan endlich mit einer wirkungsvollen Rolle im Rahmen der Gesetzgebung unseres Staates zu betrauen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir, die Bundesräte selbst, müssen Vorschläge machen, wie die Rolle des Bundesrates aus unserer Sicht in Angelegenheiten der Bundesgesetzgebung hinkünftig zu sehen sein wird. Die Legitimation der regionalen Parlamente leidet in der EU zunehmend, sie ist sogar gefährdet.

Meine Damen und Herren! Die Forderungen von einigen ÖVP-Politikern, Landtage und Landesregierungen aufzulösen, sie zusammenzulegen und Generallandtage abzuhalten, sind Indikatoren dafür, daß es mit der Legitimation der regionalen Parlamente eigentlich nicht mehr stimmt. Es muß auch klar sein, daß im Rahmen der Europäischen Union die EU-Kommission an diesen regionalen Parlamenten und an der Stärkung derselben nicht interessiert ist. Wir müssen uns auch darüber im klaren sein, daß im Rahmen der EU ein Nationalrat, ein Bundestag ein regionales Parlament ist.

Meine Damen und Herren! Die Europäische Union ist nur an jenen regionalen Regierungen interessiert, die die Richtlinien der Europäischen Union umsetzen. Parlamente, regionale Parlamente sind im Lichte der Europäischen Union unnötig. Sie machen nur Schwierigkeiten, sie debattieren, kontrollieren und so weiter; sie sind deshalb vom Blickwinkel eines europäischen Zentralismus her in Zukunft unnötig.

Wir Freiheitliche haben zu diesem Thema im Bundesrat schon viele Anträge eingebracht. Einige wenige Verbesserungen sind in den letzten Jahren und auch Jahrzehnten durchgesetzt worden, aber es ist zu keiner grundsätzlichen Reform gekommen. Vor kurzem wurde der Konsultationsmechanismus eingerichtet, der wiederum eine Schwächung der Stellung des Bundesrates im Rahmen der Bundesverfassung beinhaltet.

Meine Damen und Herren! Wir halten es für notwendig, daß wir hier im Bundesrat endlich mit der Debatte über die eigene Rolle im Rahmen der Verfassung beginnen. Wir haben deshalb auch einen Fristsetzungsantrag betreffend unseren Antrag 89/A aus dem Jahre 1995 eingebracht. In diesem Antrag geht es um die Rolle des Bundesrates, um Vorschläge im Hinblick auf ein verbindliches Vetorecht, um einen Vermittlungsausschuß, um die Einrichtung von Länderfraktionen, um eine stärkere Verschränkung der Bundesräte mit den entsendenden Landtagen, um das Zustimmungsrecht zum Finanzausgleichsgesetz und um vieles mehr.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie einladen, diesem Fristsetzungsantrag zuzustimmen. Wir freiheitlichen Bundesräte sind der Ansicht, daß wir hier im Bundesrat endlich die Debatte über


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die eigene Legitimation und die der anderen regionalen Parlamente beginnen müssen, um diese letztendlich zu stärken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner. – Bitte.

12.23

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Demokratiepaket wurde in der Vorbereitungsphase sehr intensiv diskutiert. Es liegt in der Natur der Sache, daß man bei jeder Veränderung fragen kann, ob diese sinnvoll und auch nützlich ist. Die speziellen Bereiche und Beispiele kamen aus der Praxis. Sie waren Grundlage für die Beratungen und letzten Endes auch für die Änderungen. Mein Fraktionskollege Bundesrat Rauchenberger und auch die anderen Kollegen haben sich in ihren Reden mit den wesentlichen Punkten bereits beschäftigt.

Da ich hier nicht über Gebühr sprechen möchte, darf ich Wiederholungen vermeiden und nur ein paar Punkte herausgreifen. Erwähnenswert erscheinen mir die nun vorgesehenen Erleichterungen und Verbesserungen bei der Stimmabgabe für behinderte Menschen – und das ist gut so. Wenn man sich auch in manchen beziehungsweise in vielen Gemeinden und Städten jetzt schon um die entsprechende Einrichtung und die Ausstattung der Wahllokale bemüht hat, so halte ich die Hinweise auf dieses wichtige Thema trotzdem für mehr als berechtigt.

Eine wertvolle Erleichterung und Hilfestellung bei den Wahlen sind die sogenannten besonderen Wahlbehörden, die es seit einigen Jahren gibt und auch weiter geben wird, wenn auch vielleicht der eine oder andere Punkt auf Sicht noch zu ergänzen sein wird. Ich denke da auch in Richtung Briefwahl und meine, daß man auch über den Gedanken, den Herr Kollege Tremmel in der Ausschußsitzung bezüglich Depotwahl genannt hat, sprechen sollte. So kann man in Summe doch sehen, daß dieses Demokratiegesetz eine erste, durchaus wichtige und richtige Etappe ist; eine Etappe, in der bedeutende Fragen abgehandelt und erledigt werden konnten.

Wenn man die bedenkliche Wahlabwicklung in so manchen Ländern in den Medien verfolgt, dann – auch das soll gesagt werden – dürfen wir mit unserem gewohnten Weg im Sinne der Demokratie durchaus zufrieden sein. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.25

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Wolfram Vindl. – Bitte.

12.25

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Nach dem Nationalrat befaßt sich nun auch der Bundesrat heute mit dem sogenannten Demokratiepaket. Dieses Demokratiepaket ist als Konsequenz aus den Erfahrungen bei der Bundespräsidentenwahl und den letzten Volksbegehren entstanden.

In vielen Bundesländern hat man sich mit der Veränderung der Landesverfassungen zu einer modernen Demokratie hin befaßt. So wird sich nächste Woche beim kommenden Tiroler Landtag auch Tirol von der Konzentrationsregierung verabschieden und eine Koalitionsregierung, also eine Mehrheitsregierung, bei der künftigen Regierungsbildung im nächsten Jahr beschließen. Im vorliegenden Demokratiepaket werden insbesondere auch die Privilegien hinsichtlich Unterschriften von Abgeordneten für die Bundespräsidentenwahl beseitigt.

Meine Damen und Herren des Bundesrates! Ich verstehe hiebei die Vorsitzende des Liberalen Forums, Frau Dr. Heide Schmidt, nicht, wenn sie nach wie vor an diesen Privilegien festhalten will. Es haben schon viele Menschen bei der letzten Bundespräsidentenwahl nicht verstanden, daß es möglich ist, sich einerseits selbst von Nationalräten vorschlagen zu lassen, um sich das vielleicht mühevolle Sammeln von Unterstützungserklärungen zu ersparen, und andererseits noch selbst als Nationalrätin eine Unterstützungserklärung für eine andere Kandidatin abzugeben. Ich halte das für demokratiepolitisch sehr bedenklich.


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Wenn dann Frau Dr. Schmidt noch vorschlägt, daß die Unterschriften für eine solche Unterstützungserklärung irgendwo, vielleicht im Gasthaus, am Stammtisch oder im Vorbeigehen auf der Straße abgegeben werden können, dann halte ich das im Sinne der Rechtssicherheit ebenso für bedenklich. Hier würde dem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet werden.

Hoher Bundesrat! Mit der vorliegenden Novellierung werden diese Bevorzugungen der Nationalräte beseitigt. Gleichzeitig wird die Stimmabgabe im Ausland erleichtert, indem nur noch ein Zeuge – anstatt wie bisher zwei Zeugen – erforderlich ist. Damit können auch vermehrt Paare von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. In diesem Zusammenhang sollte neuerdings auch über die Einführung der Briefwahl verhandelt werden. Ich verstehe da die ablehnende Haltung der SPÖ nicht, gibt es doch schon bei der Betriebsratswahl und seit kurzem auch bei der Arbeiterkammerwahl die Möglichkeit der Briefwahl. Wie man hört, unterstreichen die einstimmigen Beschlüsse in drei Landtagen auch die Forderung nach der Einführung dieser Briefwahl.

In anderen Ländern Europas gibt es diese Briefwahl schon lange. Auch bei den letzten Bundestagswahlen in Deutschland bestand die Möglichkeit der Briefwahl, wie Kollege Dr. Tremmel im Ausschuß erläutert hat. Diese Wahl auf Depot wäre sicher auch in Österreich eine Möglichkeit. Vielleicht gibt es bei der nächsten Anpassung unseres Systems an eine moderne Demokratie doch noch ein Einlenken von seiten der SPÖ.

Geschätzte Damen und Herren! Jede Durchführung einer Wahl, von den Vorbereitungen bis zur Wahl selbst, ist mit großem Aufwand verbunden. Die Hauptlast liegt hier sicherlich bei den Gemeinden. Dies beginnt bei der Zusammenstellung der Wählerevidenz, geht bis hin zur Zurverfügungstellung der Unterstützungserklärungen – wie im Demokratiepaket beschlossen – und zur Wahlhandlung selbst. Leider bekommen die Gemeinden nur einen kleinen Teil ihrer tatsächlichen Kosten ersetzt. Man sollte sich doch noch zu einem vollen Kostenersatz durchringen und den Gemeinden den tatsächlichen Aufwand zurückerstatten.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal auf das Thema Entschädigung von Wahlbeisitzern zu sprechen kommen. Gerade im Superwahljahr 1999, wenn in vier Bundesländern Landtagswahlen stattfinden werden, dann Europawahlen und Nationalratswahlen – wobei eine Zusammenlegung der Nationalratswahlen mit den Europawahlen sicher sinnvoll wäre –, werden diese Wahlbeisitzer entsprechend strapaziert und müssen gleich dreimal ihre Freizeit opfern.

Dies führt dazu, daß es in den Städten, wo wesentlich mehr Wahllokale erforderlich sind als im ländlichen Bereich, oftmals Schwierigkeiten bei der Zusammenstellung der Mitglieder der Wahlkommissionen gibt. Ich erinnere mich an die letzte Nationalratswahl bei uns in Tirol, bei der gerade von der Freiheitlichen Partei Wahlbeisitzer nominiert wurden, die sich dann distanziert und es abgelehnt haben, für die FPÖ diese Tätigkeit als Wahlbeisitzer aufzunehmen. (Bundesrat DDr. Königshofer: Kommt bei allen Parteien vor!) Ich glaube schon, daß eine bescheidene Abgeltung der geopferten Freizeit ein wenig Abhilfe schaffen könnte.

Abschließend, meine Damen und Herren, begrüße ich noch die Erleichterungen für behinderte Mitbürger bei der Abgabe ihrer Stimme im Wahllokal. Diese schwer behinderten Menschen konnten bisher nur mit Hilfe eines Dritten ihre Stimme bei Wahlen abgeben. Mit dem vorliegenden Demokratiepaket wird hier nun korrigierend eingegriffen.

In diesem Sinne werden wir diesem Demokratiepaket gerne unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.32

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile ihm das Wort.

12.32

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Das Wort "Demokratiepaket" klingt mir noch in den Ohren. Am 22. Juni 1998 wurde der Magistratsabteilung 18 in Graz – das ist jene Abteilung, der ich vor


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stehe – um 9.53 Uhr per Telefax ein Schreiben des Österreichischen Städtebundes übermittelt, mit dem die Landeshauptstadt Graz um Stellungnahme zu den Novellierungsentwürfen bezüglich Demokratiepaket und Bundespräsidentenwahlgesetz aufgefordert wurde. Als Frist, als Endtermin und Fallfrist, für die Abgabe der Stellungnahme wurde der 24. Juni 1998, 12 Uhr, genannt. Wie lange beziehungsweise wie kurz diese Frist ist, können Sie leicht errechnen.

Vielleicht wird jetzt die Antwort des Herrn Staatssekretärs kommen, es handle sich bei diesem Demokratiepaket um Initiativanträge von Abgeordneten, und diese müßten eigentlich nicht einer Stellungnahme zugeleitet werden. Wenn man das Demokratiepaket nennt, meine Damen und Herren, dann sollten, wie es in einer Demokratie üblich sein sollte, jedenfalls alle Bereiche, alle Gebietskörperschaften hier entsprechend langfristig mitwirken und ihre Vorschläge einbringen können.

Damit komme ich zu Ihrem Debattenbeitrag, sehr geschätzter Herr Vizepräsident Weiss! Sie haben heute hier gesagt: Na ja, das ist ein typischer FPÖ-Antrag. Die Bundesregierung wird aufgefordert, binnen drei Monaten einen Gesetzentwurf vorzulegen, der vorsieht, daß jedes Volksbegehren, das von mindestens 500 000 Stimmberechtigten unterstützt wurde, zwingend einer Volksabstimmung zu unterziehen ist.

Ich danke Ihnen dafür, daß Sie sagen, wir treten für die Leute ein, und das sei ein typisches FPÖ-Begehren. Aber weiters bin ich dazu verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß vor einiger Zeit Herr Bundeskanzler Klima folgendes gesagt hat: Betreffend Föderalismusreform und Bundesstaatsreform sind eigentlich keine Initiativen vom Bundesrat ausgegangen. – Jetzt, meine Damen und Herren, gäbe es eine solche Initiative, wobei Sie entsprechend föderalistisch tätig werden könnten. Ich glaube, ich rede da durchaus im Sinne des Kollegen Böhm: Wir würden das Wort "freiheitlich" durchaus weglassen, wenn Sie unser Begehren unterstützen, denn uns geht es hiebei um die Demokratie.

Herr Vizepräsident! Wenn Sie sagen, das sei kein frischer Kaffee, sondern nur ein Aufguß, dann kann ich nur auf die Vergangenheit verweisen – etwa bezüglich Führerscheingesetz, bei dem wir Freiheitliche ebensolche Entschließungsanträge und Initiativen mit eingebracht haben. Das ist weggewischt worden. Wir sind niederradiert und niedergestimmt worden. Und dann, siehe da ... (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )  – Ludwig, da hast du recht; wir haben die gleiche körperliche Statur.

Später sind dann stückerl- und zizerlweise Vorschläge gekommen, als man dieses Führerscheingesetz zu reparieren versuchte. Ähnlich war es beim Strukturanpassungsgesetz. Da hat man gesagt: Aber nein, das paßt alles, das ist bestens, das dient dem Wohl unseres Landes.

Frau Kollegin Schicker hat heute nicht mehr "Strukturanpassungsgesetz" gesagt. Nein, sie hat gesagt, daß durch dieses Teuerungspaket, durch dieses Sparpaket die Frauen diskriminiert worden sind. – Meine Damen und Herren, in aller Bescheidenheit sage ich Ihnen: Hören Sie bitte hin und wieder auf uns! Sie werden immer wieder von der Wahrheit eingeholt werden, und wir werden dann immer wieder – für uns: Gott sei Dank, für Sie manchmal: leider – recht bekommen. Im Sinne der Demokratie wäre es jedoch sehr gut, wenn Sie nicht nur dem Entschließungsantrag, sondern auch dem Fristsetzungsantrag, den wir gefordert haben, die Zustimmung geben.

Ich muß noch ein wenig, Herr Kollege Vizepräsident Weiss, auf Ihre Ausführungen eingehen. Sie haben gesagt: Demokratiepolitisch paßt das genau in die Fasson der Länder hinein. – Es paßt deswegen hinein, weil die Länder überhaupt nicht aufgefordert wurden beziehungsweise kaum die Möglichkeit dazu hatten, diesbezüglich eine Stellungnahme abzugeben. Wenn man schon das Wort "Demokratiepaket" verwendet, dann muß man wirklich alle einbinden; denn sonst muß ich sagen: Das ist kein Demokratiepaket, sondern ein Koalitionssicherungspaket – und selbst das ist unvollkommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Richtig sind die Feststellungen des Kollegen Vindl betreffend Kostenersatz. Wir sind hier alle als Föderalisten tätig. Es heißt natürlich: 100prozentiger Kostenersatz. Man müßte hier die Parameter des Kostenersatzes ein wenig erweitern, auch was die Zurverfügungstellung von Gebäuden,


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von Wahlleitern, Wahlleiterstellvertretern und Beisitzern angeht. In Graz gilt es, bei einer Anzahl von zirka 500 Wahllokalen zirka 1 000 Wahlleiter und Wahlleiterstellvertreter zu stellen. Diese werden natürlich von der Gemeinde bezahlt, denn sonst würden das die Leute nicht mehr machen.

Die politischen Parteien – Kollege Vindl, da darf ich Sie beruhigen, das geht allen anderen auch so – bringen kaum genügend Beisitzer zusammen. Das ist ein Ehrenamt. Die Beisitzer sehen natürlich, daß die Wahlleiter und die Wahlleiterstellvertreter Geld bekommen, aber sie selbst nur wenig Geld oder kaum etwas für ihre Tätigkeit erhalten – abgesehen von der Jause, die die einzelnen politischen Wahlgemeinschaften in die Wahllokale bringen. Auch wir haben in Graz einen Entschädigungsmodus für die Beisitzer und deren Stellvertreter gefaßt und geben seitens der Gemeinde einen gewissen Betrag. Diesen bekommen wir aber nicht zur Gänze ersetzt, sondern nur zu einem Drittel. (Bundesrat Pfeifer: Ich sage Ihnen etwas als Bürgermeister: Ich sehe nie einen Freiheitlichen sitzen!)

Dann werde ich meine freiheitlichen Freunde zu mehr auffordern. Sie werden dann über Gebühr ... Ich lade Sie, Herr Bürgermeister, nach Graz ein; da sehen Sie genug Freiheitliche sitzen, und wir sitzen meistens länger als alle anderen im Wahllokal. Wahrscheinlich sind Sie so böse auf die Freiheitlichen, daß sie sich nicht hintrauen. (Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Wenn diese Demokratieinstrumente funktionieren sollen, dann gehört jedenfalls das System des Kostenersatzes neu durchdacht. Es sind da verschiedene zusätzliche Parameter einzubringen, bei denen in selbstverständlicher Verpflichtung die Gemeinden die Kosten übernehmen, die sie aber eben nicht berechnen können. Wir in Graz wehren uns bereits, aber trotzdem bringen wir nicht alles unter. Ich behaupte nicht ohne Stolz, daß sich die Abrechnung in der Steiermark nach dem Modus der Stadt Graz richtet, aber trotzdem bekommen wir leider nicht alles zu 100 Prozent rückerstattet. – Es würde zu lange dauern, da auf die einzelnen Punkte einzugehen.

Ich möchte noch – die Briefwahl wurde heute bereits erwähnt – noch einige Anmerkungen zum Thema "Wahlkarten" machen. Es gibt in Deutschland eine eindeutige Stellungnahme zur Briefwahl – übrigens auch zu Abstimmungsmaschinen, die wir in Österreich ebenfalls nicht haben. Da hier der oftmals gequälte und vielzitierte Verfassungsgerichtshof zitiert wurde, darf ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren, daß sich die Stellungnahme des Verfassungsgerichtshofes in bezug auf die Briefwahl auf die niederösterreichische Landeswahlordnung bezieht. Das ist im Kommentar festgehalten.

Es hätte Sie niemand daran gehindert, dieses Instrument hier darzulegen, denn die Wahlkarten werden ohnehin manchmal mißbraucht. Die Leute unterzeichnen möglicherweise schon vor etwa einem Flug von Graz nach Frankfurt, sie unterschreiben diese Wahlkarten vor Zeugen und geben sie dann auf. Man weiß nicht, ob sie abgeflogen sind und wirklich im Ausland gewählt haben. Es ist eine zusätzliche Belastung, wobei ich heute grundsätzlich dankbar sein sollte, daß der Bürger überhaupt zur Wahl geht. Überhaupt sollte man bei der Novellierung ein bißchen Bedacht darauf nehmen.

Ich werde Ihnen ein weiteres Beispiel bringen: Auf dieser Wahlkarte steht, daß jeder volljährige österreichische Staatsbürger als Wahlzeuge auftreten kann. – Was passiert nun, wenn eine Maturaklasse – ich wiederhole das Beispiel, das ich schon im Ausschuß gebracht habe – nach Griechenland fliegt? – Alle sind 18 Jahre alt, also wahlberechtigt, aber gemäß § 21 ABGB noch nicht volljährig. Die Lehrperson, die ebenfalls dabei ist, kann zwar bei allen als Wahlzeuge auftreten, nur selbst kann sie ihre Wahlkarte nicht ausfüllen, weil kein volljähriger österreichischer Staatsbürger in der Maturaklasse ist.

Solche Dinge sollte man auch bedenken, das Gebäude unserer Bundesverfassung und unserer Gesetze muß einheitlich sein. Es leuchtet schon das Licht, deshalb muß ich mich ein bißchen kürzer fassen.

Es wäre meiner Ansicht auch notwendig, die einzelnen Landesbereiche damit zu befassen. In einer Schrift über den Föderalismus, die uns kürzlich zugegangen ist, schreiben die Autoren etwas resignierend über die Bundesstaats- und -ratsreform. Sie lassen es völlig offen, ob sie


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verwirklicht wird oder ob letztlich der Weg das Ziel bleibt. Es werden zwei gravierende Punkte genannt, von denen der eine zum Nachteil der Länder, aber auch des Bundesrates, durch ein Drüberfahren der höchsten Exekutivorgane bereits abgehandelt worden ist, nämlich der Konsultationsmechanismus. In diesem Bereich, in dem es um den Steuerschilling des einzelnen geht und über den wir alle mitentscheiden, sind der Bundesrat und die Landtage völlig ausgeschlossen. Wir haben zur Kenntnis genommen, daß das Exekutivorgan ein Verfassungsgesetz zu solch vitalen Fragen vorlegt, an dessen Vorbereitung eigentlich kein Abgeordneter dieser Kammer beteiligt war. – Nur das noch zur Förderalismusreform!

Ich möchte und muß noch ein paar andere Dinge nennen. Es wird immer gesagt, die Freiheitlichen wollten sich selbst in die Luft sprengen, weil sie die Anzahl der Abgeordneten reduzieren wollen. – Vergleichen Sie bitte einmal die Abgeordnetenanzahl Italiens, und zwar 615 Abgeordnete bei knapp 40 Millionen Einwohnern, mit jener Österreichs, nämlich 183 Abgeordnete bei 8 Millionen Einwohnern. Demzufolge müßten wir die Zahl der Abgeordneten auf ungefähr 150 verringern. – Auch darüber sollten wir einmal nachdenken, damit ein europäisches Gleichgewicht hergestellt wird.

Derzeit ist es so, daß die Anzahl der Mandate von der Anzahl der abgegebenen Stimmen berechnet wird und sich der Wähler damit manchmal wirklich geprellt und "papierlt" fühlt. Viele sagen, daß sie von allen Parteien genug haben, aber noch wählen gehen, und zwar ungültig, weil diejenigen, die sich irren, sind die Minderzahl. Daher schlage ich vor: Warum berechnet man die Mandate nicht aufgrund der Anzahl der abgegebenen Stimmen und wertet die ungültigen de facto als Wahlpartei? Das wäre eine kleine Peitsche, ein kleiner Fingerzeig, auch für die politischen Parteien, entsprechend tätig zu werden, denn wir haben den Willen des Bürgers, des Wählers zu respektieren. Dieser Wählerwille fällt aber im Moment unter den Tisch. – Das wären nur ein paar Anmerkungen, die ich dazu machen wollte.

Meine Damen und Herren! Abschließend muß ich sagen, ich bezweifle, ob das ein Demokratiepaket ist, weil allein das Procedere dazu nicht angetan war und auch die einzelnen Novellierungsvorschläge, die hier durchdiskutiert wurden, überbordend und nicht vereinfachend sind. Denn es ist selbstverständlich, daß es überall behindertengerechte Einrichtungen geben sollte. Ordentliche Gemeinden sorgen aber ohnehin dafür, deshalb müßte man es gar nicht festschreiben. Diese Regelungsflut hat erst vor kurzem der Präsident des Verfassungsgerichtshofes neuerlich kritisiert: Rechtsstaat erstickt an unvollziehbaren Gesetzen, heißt es in einer Zeitungsmeldung.

Meine Damen und Herren des Bundesrates! Machen wir bei dieser Regelungsflut nicht mit, sondern überlegen wir genau! Und unterstützen Sie zumindest unseren Entschließungsantrag und unseren Fristsetzungsantrag, damit wir sagen können: Jawohl, wir haben es denen einmal gesagt. Ob es etwas nützt, wissen wir nicht. Aber wenn wir es oft genug wiederholen, meine Damen und Herren, dann wird es nützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.46

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Albrecht Konečny. Ich erteile ihm das Wort.

12.46

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist das gute Recht der Opposition, Vorschläge abzulehnen. Es ist das gute Recht der Opposition, eigene Vorschläge zu machen. Das gehört zum demokratischen Prozeß.

Es ist aber ein wenig merkwürdig, bei einer Vorlage, die im wesentlichen aus der Beratung eines Volksbegehrens im zuständigen Ausschuß des Nationalrates entstanden ist, eine nicht stattgefundene Begutachtung oder eine sehr knappe Begutachtungsfrist, die eine informelle gewesen sein muß, denn es gibt keine Begutachtung bei einem Volksbegehren, zu beklagen und hier einen Vorschlag zu bringen, bei dem man fragen muß – Sie verzeihen mir die selbstverständlich polemische Bemerkung –: Von wem haben Sie denn das begutachten lassen?


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Meine Damen und Herren! In dieser Vorlage werden nicht alle Probleme der österreichischen Demokratie angesprochen und gelöst. Auch das Wort "Demokratie" ... (Bundesrat Dr. Tremmel: Sie allein werden es auch nicht lösen!) – Selbstverständlich nicht, Herr Kollege! Demokratie ist ein Prozeß. Wer behauptet, die ideale demokratische Form, in der die parlamentarische Demokratie mit Elementen der direkten Demokratie in optimaler Weise vermischt ist, als Gesetzesantrag einbringen zu können, lügt schon deshalb, weil das unmöglich ist – völlig unabhängig davon, wer das tut. Darüber gibt es eine breite theoretische und praktische Diskussion. Einige Aspekte dieser Diskussion werden in einer meiner Meinung nach positiven Weise von diesen heute zu Beschluß stehenden Vorlagen berührt und wahrscheinlich günstiger, als es bisher der Fall war, gelöst.

Es hat auch niemand behauptet, daß dahinter ein größerer Anspruch steht. Wir haben, ausgehend, wie gesagt, von diesem Volksbegehren, eine Reihe von Bestimmungen lebensnäher, realitätsnäher und bürgernäher zu lösen versucht, und wir haben eine Reihe von Bestimmungen, die ihre Geschichte haben mögen, wie etwa sozusagen die "schwere" Stimme – golden share heißt das, glaube ich, im Aktienrecht – der Abgeordneten, rückgängig gemacht, aufgehoben, weil sie unserem heutigen Gleichheitsverständnis nicht entsprechen und in die heutige politische Realität, in der das Monopol der Parteien auf Präsidentschaftskandidaten gewissermaßen gebrochen ist, nicht mehr passen.

Ich halte das in Wirklichkeit für das Wesentliche, das in diesem Paket zum Ausdruck kommt, nämlich die Einsicht, daß eine Demokratie, die diesen Namen verdient, allemal den Bürgern zu gehören hat und nicht den Parteien!

Die Parteien sind Instrumente der Demokratie, sind ein – wie ich doch hoffe – wirkungsvolles Instrument der Vertretung gesellschaftlicher Interessen in der Demokratie, aber die Parteien bestehen nicht aus sich selbst und aus eigenem Machtanspruch heraus, sondern haben eine dienende Funktion gegenüber dem Bürger.

Ich sage aber mit großem Nachdruck dazu, daß das für alle anderen Institutionen und Mitspieler des demokratischen Prozesses auch gilt: Weder die Regierung noch die Landeshauptleute, noch die Landtage, noch die Parteien in den Bundesländern haben einen originären Vertretungsanspruch, einen originären Begutachtungsanspruch – oder was auch immer. Sie alle sind, so wie die politischen Parteien selbst, so wie die Abgeordneten dieses Hauses, Diener am Bürger. Es gibt eben verschiedene Bürger und verschiedene gesellschaftlichen Interessen, sonst wären wir alle einer Meinung. Es gibt Mehrheitsmeinungen und Minderheitsmeinungen, aber es ist immer legitime Interessenvertretung.

Es ist auch legitime Interessenvertretung – gerade das ist ein wichtiges Element der Demokratie –, daß sich Mehrheiten durchsetzen und daß Minderheiten, so sehr sie Anspruch auf Gehör und in einem Kompromißverfahren auf Berücksichtigung so mancher ihrer Interessen haben, eben Minderheiten sind, die keinen Anspruch auf Durchsetzung ihrer Standpunkte erheben können, auch und gerade dann, wenn sie diese besonders lautstark vertreten.

Es stimmt, daß der Bundesrat, Vertreter des Bundesrates, wenn es Änderungen in diesem schwierigen und doch auch umfassenden Feld der Demokratie gab – in diesem Fall und in anderen vergleichbaren Fällen –, in den Meinungsbildungsprozeß nicht miteinbezogen waren.

Ohne jetzt eine solche Debatte zum Anlaß zu nehmen, jede Idee, die jemals jemand von uns geäußert hat und die er für die Demokratie für förderlich erachtet, hier Revue passieren zu lassen, meine ich, und zwar aus diesem konkreten und spezifischen Anlaß heraus, daß es unser aller Meinung nach notwendig ist, daß der Bundesrat aus seiner Funktion als sozusagen letztes "Ventil" in einem politischen Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozeß befreit wird und daß wir – auch wenn es in diesem Fall nicht das technisch richtige Wort wäre – mit dem, was wir "Begutachtungsrecht" genannt haben, in den parlamentarischen Beratungsprozeß zu jenem Zeitpunkt eingebunden werden, zu dem Gesetze geändert beziehungsweise geschmiedet werden. – Diese Erinnerung scheint mir angebracht zu sein.


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Dennoch: Es ist ein Fortschritt, wenn wir gegen diese Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates keinen Einwand erheben, bringen sie doch ein Mehr an Demokratie, ein Mehr an Eingehen auf den Bürger. Niemand – ich am allerwenigsten – würde wohl behaupten, daß mit diesen Beschlüssen die demokratiepolitische Diskussion auch nur für zehn Minuten abgeschlossen ist. Diese läuft, ist ein ständiger Prozeß. Aber diese Einsicht und all unsere durchaus unterschiedlichen Wünsche für andere Weiterentwicklungen der Demokratie, des demokratischen Prozesses können kein Grund sein, diesem Paket keine Zustimmung zu geben.

Ich glaube aber – das zu sagen, sei mir gegen Ende meiner Ausführungen noch gestattet –, daß es nicht sinnvoll ist, aus der breiten Diskussion einen Punkt, über den man durchaus gesondert diskutieren kann – ohne daß ich besondere Begeisterung dafür hege, aber das wäre im Detail auszuführen –, demonstrativ herauszugreifen und uns das hier als Antrag vorzulegen.

Die Kollegen von der Österreichischen Volkspartei und auch meine Fraktion hätten sicherlich vier, fünf weitere – auch in drei Sätzen formulierbare – Anträge sozusagen in der Schublade, die unserer Meinung nach einen mindestens so wichtigen Beitrag wie dieser leisten könnten. Wir glauben jedoch nicht, daß es die richtige Vorgangsweise ist, aus einem Konzert einen Mißton vielleicht herausgreifen zu wollen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Liechtenstein. )

12.55

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein das Wort. – Bitte.

12.55

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich dem anschließen, was Kollege Gstöttner vorhin gesagt hat – es wurde das Wesentliche schon ausgeführt –, und ich möchte auch betonen, daß ich mit dem übereinstimme, was Präsident Jürgen Weiss gesagt hat, möchte aber etwas, das mir sehr wesentlich erscheint, noch einmal ergänzen – auch das hat er schon erwähnt –, und das ist das Briefwahlrecht, und zwar im Bereich von Landtags- und Gemeinderatswahlen. Denn die Situation ist, wie schon erwähnt, wirklich sehr schwer. Zum Beispiel kann bei einer Gemeinderatswahl jemand, der in einer anderen Gemeinde im Spital liegt, nicht wählen. Auch wer dienstlich, etwa als Eisenbahner, unterwegs ist, kann der Wahl nicht nachkommen. Ich halte das für eine sehr wichtige Sache, die zu regeln ist. In den meisten europäischen Ländern ist das heute bereits sichergestellt.

Die anderen Reformen, die gemacht wurden, sind völlig richtig – egal, ob nun im Bereich Bundespräsidentenwahl oder sonst –: die Unterschriften, die Verkürzung der Wahlgänge oder im Bereich des Volksbegehrengesetzes, wie die Bestimmung mit 1 Promille, und natürlich die Anpassung der Europawahlen, denn wir sind nächstes Jahr das erste Mal auch an offiziellen gesamteuropäischen Wahlen beteiligt. Deswegen ist es sicherlich eine wesentliche Sache in der Demokratie, das zu regeln. Aber einzelne Punkte, die jetzt vielleicht noch nicht ganz verankert sind, gehören in der richtigen Form nachgezogen. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

12.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

12.57

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde heute schon mehrfach darauf hingewiesen, daß das Wort "Demokratiepaket" nicht das hält, was es ankündigt. Nicht ganz zu Unrecht hat der deutsche Soziologe Helmut Klages vor zwei Tagen in der Julius Raab-Stiftung darauf hingewiesen, daß die Parteien in einer Anspruchsfalle sitzen. Wenn eine Gruppierung oder – wie im vorliegenden Falle – zwei Gruppierungen dem Publikum, der Bevölkerung, ein Gesetzeswerk als Demokratiepaket, also mit einem hohen Anspruch, nahebringen wollen, in Wirklichkeit aber nur "ein totes Mäuschen" darin ist, dann fühlt sich die Bevölkerung gefoppt, und die Parteien, die so etwas machen, sitzen in der Anspruchsfalle. Sie müssen also den Anspruch erfüllen und können


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eben kein "Mäuschen" hineingeben. In einem Demokratiepaket erwartet man sich einen "schönen festen Elefanten", und den sind Sie uns bei dieser Vorlage schuldig geblieben, meine Damen und Herren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Die "Elefanten" werden derzeit abgewählt!)

Herr Kollege Konečny! Ich fand Ihre heutigen Ausführungen besonders beachtenswert, und zwar deshalb, weil Sie durchaus selbstkritisch, nicht auf die Person, sondern auf die parlamentarische Arbeit hingewiesen haben. Im Gegensatz zu früher, als Sie sich als Mitarbeiter oder Kollege der Regierungsparteien empfanden – oder als Partner der Regierungsparteien ausgegeben haben, das ist der richtige Ausdruck –, haben Sie diesmal durchaus richtige Worte gefunden in dem Sinne, Demokratie gehöre den Bürgern und nicht der Partei.

Ja, Demokratie gehört den Bürgern und nicht der Partei, das haben Sie gesagt, und dem können wir nur voll zustimmen. (Bundesrat Konečny: Den Parteien, habe ich gesagt! – Bundesrat Payer: Dritter Fall Mehrzahl!) Ich bin kein Parlamentsstenograph, ich habe das für mich Wesentliche herausgenommen.

Herr Kollege! Im Zuge der Diskussionen der letzten Tage ist ein Artikel in der "Presse" erschienen, in dem der Kulturdirektor eines Instituts in London, Emil Brix, meinte: Die Bürger müssen sich einmischen wollen. Ja, ich beziehungsweise wir fordern, daß sich die Bürger lebhaft an den Diskussionen beteiligen.

Nun ist es insbesondere beim Volksbegehrengesetz, welches Sie heute beschließen – wir nicht –, doch wahrhaft eine Art "Fopperei", ein Promille der Wohnbevölkerung gegenüber 10 000 von früher im alten Gesetz als eindringungsberechtigt zu bezeichnen. Was heißt das? – Im alten Gesetz waren es 10 000, und jetzt sind es dann 7 795. So kann es auch nicht sein, daß das eine Erleichterung ist, um die Bevölkerung, den Bürger an der Demokratie mitwirken zu lassen. Das heißt, es sind nicht einmal die Bürger, sondern es ist die Wohnbevölkerung, also es sind die Nichtstimmberechtigten, in dieser Zahl inbegriffen. Es sind noch viel weniger als die Bürger Österreichs. Ich glaube, auf diesem Gebiet haben wir viel mehr zu tun.

Es wurde auch schon darüber gesprochen, daß die EU teilweise die österreichischen Gesetzgeber ablöst. Wie löst sie sie denn ab? – Doch nicht demokratisch! Das sind Verordnungen, die von dort kommen. Diese werden auch von keinem Parlament, zumindest von keinem, welches das Wort "Parlament" verdient, beschlossen. In Österreich gibt es, bei allen Schwächen, noch gelebten Parlamentarismus. Wir haben ihn nur leider Gottes in wesentlichen Teilen nach Brüssel abgegeben, um von dort Verordnungen zu erhalten. Sie heißen auch zu Recht Verordnungen und nicht Gesetze, denn Gesetze werden von einem Parlament beschlossen, Verordnungen von Verwaltungsorganen. (Bundesrat Dr. Tremmel: ZK-Verordnungen!) Ich glaube, daß in diesem Bereich viel gemacht werden müßte.

Brix meint, daß der Aufbau der Zweiten Republik sehr zu bejahen sei, aber am Ende stehe ein einzigartiges Kontrollsystem der zwei Parteien über die Gesellschaft, welche sich im Laufe der Zeit zu einem beinahe undurchdringlichen Filz verwandelt habe. ÖVP und SPÖ herrschen beinahe überall.

Meine Damen und Herren! Das müssen wir als Opposition natürlich aufgreifen und angreifen. Wir können uns nicht mit dieser Beherrschung durch zwei Parteien, mit diesem Filz, welcher auch durch einen Kulturinstitutsleiter, der anscheinend einer der beiden Parteien nahe steht, sich aber zum Glück eine kritische Sicht erhalten hat, festgestellt wurde, abfinden. Und so ist es auch mit diesen Gesetzen: Es wird ein Paket ausgerufen, und in Wirklichkeit ist ein kleines Mäuschen darin verborgen. So geht es nicht! Herr Professor Adamovich hat unlängst in einem Vortrag gesagt, es handle sich um eine Schlacht, die man nur verlieren könne. Es ist resignativ, wenn ein demnächst wahrscheinlich in Pension gehender Präsident des Verfassungsgerichtshofes in einem anderen Zusammenhang – er hat gemeint, daß wir eine Überzahl und eine überflüssige Anzahl von Normen haben, die man nicht weg bekommt – meint, daß das eine Schlacht sei, die man nur verlieren könne.


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Meine Damen und Herren! Meine folgenden Worte richte ich an die Kolleginnen und Kollegen der ÖVP und der SPÖ: Wenn man Gesetze macht, die so halbherzig wie dieses Demokratiepaketchen sind, dann kann man diese Schlacht nur verlieren. (Beifall bei den Freiheitlichen . – Bundesrat Dr. Tremmel: Packerl!)

In der bekannten Wiener Schokoladefirma am Graben Altmann & Kühne gibt es ganz kleine Schokoladestückchen, die man am besten mit der Pinzette aus der sehr hübschen Schachtel herausnimmt. Genauso ist es mit diesem Paketchen: eine bunte Schachtel, in der ganz kleine Schokoladestückchen darin sind. (Bundesrat Konečny: Von besonderer Qualität, wie Sie von Altmann & Kühne wissen!) – Unbestritten, Herr Kollege! Wir sind beide schlank, wir könnten mehr von der Schokolade verbrauchen. – Ich möchte dieses Thema mit einem abgewandelten Zitat beschließen: Geben Sie Rechtssicherheit, Sir, machen Sie gescheite Gesetze! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ludwig Bieringer das Wort. – Bitte.

13.05

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Kollege Vincenz Liechtenstein hat auf die Bedeutung der Briefwahl für Landtags- und Gemeindevertretungswahlen hingewiesen. Ich kann mich dieser Aussage nur anschließen und will bekräftigen, daß sowohl der Oberösterreichische als auch der Salzburger Landtag einstimmige Beschlüsse gefaßt haben, wonach die Briefwahl für Landtags-, Gemeindevertretungs- und Gemeinderatswahlen ehebaldigst eingeführt werden soll.

Dies soll deswegen eingeführt werden, meine Damen und Herren, weil wir immer wieder beklagen, daß die Wahlbeteiligungen sinken. Wenn wir aber dem Bürger die Möglichkeit geben, daß er auch außerhalb seiner Gemeinde – das sage ich als Bürgermeister – seine Stimme in Form der Briefwahl abgeben kann, dann müssen wir die Briefwahl ermöglichen. Wir können und müssen immer wieder darauf hinweisen, daß das gerade in der heutigen Zeit unerläßlich ist. Ich gehe davon aus, daß durch stetes Wiederholen dieser Forderung wir schlußendlich zu einer bundesgesetzlichen Regelung kommen werden, wonach die einzelnen Landtage beschließen können, daß die Briefwahl für Gemeinderats- und Landtagswahlen eingeführt werden kann.

Wissenschaftliche Literatur und rechtspolitische Diskussionen stellen außer Streit, daß mit der Briefwahl die Grundsätze eines geheimen und persönlichen Wahlrechtes nicht verletzt werden. Dieses Wahlrecht wird in den meisten europäischen Ländern in Form der Briefwahl durchgeführt. Wir haben bei der Nationalratswahl beste Erfahrungen mit der Briefwahl für jene, die sich im Ausland aufhalten, gemacht. Was für den hochlöblichen Nationalrat gilt, müßte unserer Meinung nach auch in Bälde für die Landtage und für die Gemeinden, für die Kommunen gelten.

Ich werde daher niemals locker lassen und bei allen Diskussionen einfordern, daß wir das nächste Demokratiepaket dahin gehend beschließen, daß die Grundsatzgesetzgebung vom Bund gefällt wird und die Landtage für sich und für die Gemeinden die Briefwahl einführen können. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

13.08

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Peter Wittmann. Ich erteile es ihm.

13.08

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im wesentlichen darf ich die Wortmeldungen folgendermaßen zusammenfassen: Man ist für diese hier zur Entscheidung anstehenden Schritte, aber einigen sind sie zu wenig weitgehend und einigen zu weitreichend. Es ist aber auf alle Fälle ein Schritt in die richtige Richtung, das ist auch bei den Wortmeldungen herausgekommen. Es ist ein Schritt in Richtung mehr Chancengleichheit, Bürgernähe, aber auch Demokratie. Insbesondere


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hinsichtlich des Instrumentariums Volksbegehren glaube ich, daß es ein sehr wichtiger Schritt ist, dem Begriff "Volksbegehren" näher zu kommen. Wenn man die privilegierte Unterstützung der Abgeordneten aberkennt und gleichzeitig die Anzahl der erforderlichen Unterstützungserklärungen herabsetzt, so ist das meiner Meinung nach ein Schritt in die richtige Richtung.

Es ist ebenfalls begrüßenswert und auch von allen begrüßt worden, daß es zu einer Vergütung kommt. Ich darf auch noch ganz kurz auf die positiven Auswirkungen im Bereich der Stimmabgabe im Ausland verweisen. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß die Verkürzung des Zeitraumes zwischen dem ersten und einem allfälligen zweiten Wahlgang bei der Bundespräsidentenwahl erwähnt wurde. – Daher kann man zusammenfassend sagen, daß dies ein Schritt in die richtige Richtung ist. Es ist ein Schritt, der gesetzt werden muß, und es ist ein Schritt, der Hoffnung gibt, daß die Demokratisierung auch weiterhin am Leben bleibt.

Die Idealform der Demokratie kann nicht gefunden werden, sondern es handelt sich um einen dynamischen Prozeß, an dem wir alle teilnehmen müssen und der sich auch an der gesellschaftlichen Entwicklung, aber auch am gesellschaftlichen Umfeld orientieren muß. Dabei werden immer wieder Anpassungen erfolgen müssen.

In diesem Sinne glaube ich, daß es sich um eine sehr gute Vorlage des Nationalrates handelt. Es war ein Initiativantrag und, wie Sie selbst festgestellt haben, daher nicht den Regelungen wie eine Regierungsvorlage unterworfen. Ich glaube, daß damit der Zugang des Bürgers zu den staatsbürgerlichen Rechten wesentlich erleichtert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

13.10

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht?– Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag ist somit angenommen .

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksbegehrengesetz 1973 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Antrag ist somit angenommen .

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Böhm und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Umsetzung erfolgreicher Volksbegehren vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Minderheit .

Der Antrag ist daher abgelehnt.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Antrag ist somit angenommen .

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 18. September 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Europawahlordnung geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Antrag ist somit angenommen .

Wie bereits bekanntgegeben unterbreche ich nun die Sitzung bis zum Aufruf der dringlichen Anfrage bis 13.30 Uhr.

(Die Sitzung wird um 13.13 Uhr unterbrochen und um 13.33 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Alfred Gerstl: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf .

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Abstimmung über Fristsetzungsantrag

Präsident Alfred Gerstl: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen, gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates dem Ausschuß für Verfassung und Föderalismus zur Berichterstattung des Antrages 89/A eine Frist bis zum 31. 12. 1998 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit.

Der Antrag ist somit abgelehnt.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Mag. John Gudenus, Dr. Peter Böhm und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Bau des Wildschweintunnels (1474/J-BR/98)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Monika Mühlwerth und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.


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13.34

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Planung des Lainzer Tunnels, der im Volksmund auch Wildschweintunnel genannt wird, zieht sich mittlerweile schon über acht Jahre hin. Die entsprechenden Überlegungen hiezu reichen dabei ungefähr bis in das Jahr 1972 zurück.

Ich möchte gleich zu Beginn meiner Ausführungen feststellen, daß niemand – auch nicht die Freiheitlichen – die Notwendigkeit einer Verbindung von der Westbahn zur Südbahn und in weiterer Folge auch zur Ostbahn bezweifelt. Wir meinen aber, daß man Alternativen hätte überlegen müssen. Wir haben auch schon 1990 dementsprechende Vorschläge gemacht, zum Beispiel eine Tieferlegung der derzeit bestehenden Verbindungsbahntrasse, die wesentlich kostengünstiger zu bewerkstelligen gewesen wäre.

Das Projekt Lainzer Tunnel in der Form, wie es jetzt vorliegt, stößt auf viele Widerstände, die vor allem von einer sehr starken Bürgerinitiative, die im wesentlichen aus den Anrainern der Bezirke Hietzing, Meidling, aber auch Penzing besteht, getragen werden. Es ist niemals eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht worden. Auch über die Sicherheit macht man sich keine allzu großen Gedanken.

Durch die Verfügung des Magistrats der Stadt Wien hat dieses Projekt natürlich auch eine neue Dimension gewonnen, womit aufgrund von Preisabsprachen über 15 Baufirmen ein vorläufiges Auftragsverbot verhängt wurde. Das ist natürlich ganz interessant und auch im Hinblick auf eine entsprechende Äußerung des Herrn Maculan zu sehen, der in der dieswöchigen Ausgabe des "profil" verlauten ließ, daß ohnehin jeder gewußt hätte, daß es Preisabsprachen gegeben hat. Daher sei es auch ganz klar, daß diesbezüglich gehandelt werden müßte.

Nun kann man sagen, daß dies lediglich eine Wiener Angelegenheit ist. Das über die 15 Baufirmen verhängte Bauverbot betrifft im wesentlichen Wien. Das ist aber keineswegs der Fall, weil die meisten von diesen 15 Baufirmen selbstverständlich auch von der Bahn beschäftigt worden sind. In der Folge muß man sich dann schon überlegen, welche Folgen dies für den Lainzer Tunnel hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist zu erwarten – da Preisabsprachen bekanntlich keine Absprachen darstellen, die für den Steuerzahler am kostengünstigsten sind –, daß hier ein überteuertes Projekt entstehen soll. Wenn man die Kostenexplosionen bei diesem geplanten Projekt seit dem Jahr 1990 betrachtet, so erhalten diese Befürchtungen natürlich neue Nahrung.

Gehen wir einmal in die Anfangsphase des geplanten Projekts zurück, als man begonnen hat, konkret über das Projekt Lainzer Tunnel nachzudenken. In einer Presseaussendung von 1990 stellt der Generaldirektor der Hochleistungsstrecken-AG Hammerschmid fest, daß mit dem Bau des Lainzer Tunnels 1991 begonnen werden soll. Dieser werde ungefähr vier Jahre dauern, so hat man gesagt. Wenn man Glück habe, könne er noch vor der EXPO fertig sein. – Der EXPO hat die Wiener Bevölkerung Gott sei Dank eine Absage erteilt und dem Lainzer Tunnel im wesentlichen bisher auch.

Damals ist man von einer Tunnellänge von etwa 6 Kilometern ausgegangen. Die gesamte Streckenlänge betrug 10 Kilometer. Man hat von Kosten in der Höhe von 3 Milliarden Schilling gesprochen; für die Probebohrungen werde ein Betrag von etwa 16 Millionen Schilling anfallen.

Ganz großartig angekündigt hat man auch, daß eine Anhörung der Anrainer stattfinden werde. Der damalige Stadtrat Swoboda hat sogar versprochen, daß er eine interdisziplinäre Projektgruppe für die Optimierung des Lainzer Tunnels einrichten will, in der Fachleute, Zivilingenieure und selbstverständlich auch die betroffenen Anrainer ihre Meinung einbringen können, die in der Folge auch berücksichtigt werden soll. Von dieser groß angekündigten interdisziplinären Gruppe hat man jedoch nie wieder etwas gehört.

Wir haben schon im Jahr 1990 ein Alternativprojekt vorgelegt, das in der Folge als Oismüller-Projekt bekannt geworden ist. Wir waren der Meinung, daß eine Tieflegung der Verbindungsbahn, die jetzt schon besteht, die kostengünstigste Variante wäre. Wie dies aber häufig passiert, so hat man auch diesmal alle Alternativvorschläge beiseitegeschoben. Irgendwann hat man


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zwar einmal zugegeben, daß es mehr als eine Variante gäbe. Mit Herrn Oismüller ist aber nie gesprochen worden, und er ist auch nie zu einem Gespräch eingeladen worden. Man hat sich nur auf den reinen Tunnelbau konzentriert.

1997 war man dann mit den Kosten bei 9 Milliarden Schilling. Parallele dazu: Beim Semmeringtunnel hat man auch gesagt, er werde 3 Milliarden Schilling kosten. Da ist man mittlerweile schon bei 10 Milliarden Schilling. So ist es auch beim Lainzer Tunnel. Fertiggestellt werden kann er auch nicht mehr in einer "relativ kurzen Zeit", sondern es dauert schon wesentlich länger; er soll in etwa im Jahre 2005 fertig sein. – Soweit, so schlecht.

Wie ernst man Bürgerbeteiligung nimmt, kann man auch daran ersehen, wie vorgegangen wurde, als die Pläne endlich da waren. Man hat sie nicht in den Bezirksämtern der Bezirke 13, 14 und auch 12 aufgelegt, sodaß der Bürger zum Bezirksamt pilgern und dort Einsicht nehmen kann, sondern man hat das Ganze in einer Art Bosheitsakt in den 20. Bezirk verlegt, und die Einsichtnahme – sehr bürgerfreundlich – war von Montag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr möglich. Jeder kann sich ungefähr ausrechnen, wie viele Bürger die Möglichkeit hatten, dort hinzugehen, denn in der Zeit von 9 bis 12 Uhr arbeiten die meisten, und es ist in Zeiten einer so hohen Arbeitslosigkeit – vor allem in Wien, wo sie am höchsten von ganz Österreich ist – sehr schwierig zu sagen, ich nehme mir jetzt ein bis zwei Stunden frei, um mir diese Pläne anzusehen.

Aber wir kennen das ja: Sonntagsreden, Papier ist geduldig. Vizebürgermeister Görg hat jetzt erst in der neuesten Ausgabe von "Unser Wien" gesagt, man müsse darauf achten, daß bei allen Verfahren die Bürger entsprechend einbezogen werden. Aber wir wissen, Papier ist geduldig, und geschehen tut nichts.

Darüber hinaus werden die Bedenken, so sich Bürger überhaupt irgendwo artikulieren können – meistens müssen sie das dann schriftlich machen –, beiseite gewischt. Das betrifft aber nicht nur die Einwendungen der Bürger, nein, auch jene von Magistratsabteilungen werden einfach beiseite geschoben. Denn schon am 26. März 1990 sagte die MA 68 – das ist die Magistratsabteilung für Feuerwehr und Katastrophenschutz –, daß sie diese Planung, in der es um die Darlegung der Trassenführung geht, vorgestellt bekommen hat, und sie führt hiezu folgendes aus: "Nach Ansicht der MA 68 ist eine Gleisführung in einer einzigen Tunnelröhre", wie es ja vorgesehen ist, "vom sicherheitstechnischen Standpunkt aus nicht vertretbar." – Sie hält dies vor allem deshalb nicht für vertretbar, weil nicht nur Personenzüge durch diesen Tunnel geleitet werden sollen, sondern auch Güterzüge.

Dazu die MA 68: "In Tunnels derartiger Länge ist es für Rettungsmannschaften praktisch unmöglich, im Falle eines Unglücks mit Brand oder Schadstoffaustritt in vertretbarer Zeit an die Unglücksstelle heranzukommen."

Wenn man sich im Vergleich dazu die Wiener U-Bahn anschaut, die keine gefährlichen Güter transportiert, so ist diese im wesentlichen zu 99 Prozent in zwei Tunnelröhren geführt.

Aber auch die Meinung der MA 68 ist nicht berücksichtigt worden.

Noch spannender wird es, wenn man bedenkt, daß der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr und auch die HL-AG von sich aus bei einer Zürcher Firma, der Firma Basler und Partner, ein Sicherheitsgutachten in Auftrag gegeben haben, und zwar vor vier Jahren.

Auch die Firma Basler kommt in ihrem Gutachten zu der Ansicht, daß ein einröhriger Tunnel sicherheitstechnisch nicht vertreten werden kann, sondern daß es in diesem Fall für jede Richtung ein Tunnelsystem geben muß. Auch dieses Gutachten, vom Minister in Auftrag gegeben, ist nicht berücksichtigt, sondern noch dazu mit einem Stempel versehen worden: "überholt". – Man fragt sich unwillkürlich: Was kann an einem Sicherheitssystem überholt sein?

Wir dürfen nämlich nicht vergessen: Dieser Tunnel führt in wesentlichen Abschnitten an dichtbevölkertem Wohngebiet vorbei. In den Plänen ist aber derzeit noch nicht einmal ein Be- und Ent


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lüftungssystem eingezeichnet. Erst bei einer Baubesprechung im September 1998 wurde dort kleinlaut zugegeben, daß das vorgesehen sei. Es ist aber nicht in den Planungsunterlagen enthalten. Was ist das für eine Planung, wenn man in den Plänen nicht einmal ein Be- und Entlüftungssystem eingezeichnet hat, sondern bei einer Baubesprechung zugeben muß, daß es vorgesehen ist, und zwar bei den Notausstiegen?!

Wenn man dieses Detail hernimmt, muß man das ganze System (Bundesrat Mag. Wilfing: Reden wir jetzt über Planungsunterlagen? Reden Sie zu Ihrer Dringlichen!)  – hören Sie zu, Herr Kollege, Sie können sich ja noch zu Wort melden; hören Sie einfach einmal zu – in Frage stellen. Wir hatten das schon 1977, und zwar nicht in einem Tunnel, sondern auf freier Strecke. Da ging es um einen ungarischen Waggon, bei dem Benzol ausgeronnen ist. Brände hat es gegeben, man hat von Samstag in der Früh – da ist der Unfall passiert – bis Sonntag nachmittag gebraucht, ehe man alle Brände gelöscht hatte und die Feuerwehr "Brand aus"! verkünden konnte.

Angesichts dessen will man einen Tunnel bauen, bei dem es nicht einmal ein Be- und Entlüftungssystem gibt, wo keiner weiß, wie Rettungsmannschaften in so einem dramatischen Fall hinkommen sollen! Und da sagt der Kollege von der ÖVP: Reden wir jetzt über Planungsunterlagen, oder was wollen Sie eigentlich? – Ist Ihnen das kein Anliegen? Ich werde das gerne weiterleiten an die betroffene Bevölkerung, daß es der ÖVP ziemlich Wurscht ist. (Bundesrat Mag. Wilfing: Uns ist nichts Wurscht, Frau Kollegin!) Dann müssen Sie sich einmal mit Ihrem Kollegen auseinandersetzen, denn dem scheint es egal zu sein.

Der damalige Umweltstadtrat Schieder hat nach dieser Brandkatastrophe gesagt, in Wien dürfe es keine Tunnels, keine überbauten Bahnbereiche geben, denn wenn so etwas in einem Tunnel passiert, dann können ganz Stadtteile explodieren. Sozialistische Ankündigungspolitiker! – Was haben wir jetzt? – Selbstverständlich haben wir jetzt einen Tunnel! (Bundesrat Dr. Kaufmann: Dann reden Sie aber nicht vom Wildschweintunnel!)

Ich denke, die Sicherheit ist wohl eines der wesentlichsten Dinge, auf die wir Rücksicht nehmen müssen. Wir werden nicht alle Risken ausschalten können, das ist uns schon klar, aber man muß das Sicherheitsrisiko so weit wie möglich minimieren. In dem Stadium, in dem die Planungen derzeit sind, ist keine Rede davon.

Es liegen auch noch nicht alle Baugenehmigungen vor, und auch dazu wird Herr Minister Einem noch Rede und Antwort stehen müssen – in seiner Vertretung muß es heute leider der Herr Justizminister machen (Bundesminister Dr. Michalek: Gott sei Dank! Ich bin schon ganz ausgehungert nach dem Bundesrat!)  –, wie er sich das eigentlich vorstellt.

Wenn schon die Rettungsmannschaften sagen, daß sie nicht wissen, wie sie hinkommen – da gab es übrigens in Hamburg einen Versuch, bei dem man für 200 Meter 15 Minuten gebraucht hat, wir reden aber von einer Tunnellänge von insgesamt 16 Kilometern –, dann kann man sich ausrechnen, wie gut das gehen wird. Aber wie der Katastrophenschutz in Österreich ausschaut, das haben wir schon in Lassing gesehen. Erst kürzlich ist ein Versuch bei einem Tunnel gemacht worden, bei dem ebenfalls nichts funktioniert hat. (Bundesrat Konečny: Das ist ein unerreichbares Ziel, Frau Kollegin!) Wenn man sich all das anschaut, kann einem nur das Fürchten kommen. Aber man läßt ruhig weiterplanen und wischt alle Bedenken beiseite.

Ich denke, daß Herr Minister Einem da noch viel Arbeit vor sich hat: nämlich mit der Bevölkerung zu sprechen, sich auch andere Varianten zu überlegen und nicht nur seinem Tunnel-Lobbyismus zu frönen, die Anliegen der Bevölkerung ernst zu nehmen, sie einzubinden, damit die Verbindung zwischen Westbahn und Südbahn zum Schutz der Bevölkerung mit einem möglichst geringen Sicherheitsrisiko behaftet ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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13.49

Präsident Alfred Gerstl: Zur Beantwortung der dringlichen Anfrage hat sich Herr Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

13.49

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Herr Bundesminister Dr. Einem ist wegen seiner Teilnahme und Vorsitzführung beim Verkehrsministerrat in Luxemburg verhindert, heute persönlich hier zu erscheinen.

Ich wurde gebeten, ihn zu vertreten und Ihnen die von seinem Ressort vorbereiteten Antworten zu den gestellten Fragen vorzutragen. Wollen Sie, daß ich am Beginn immer die Frage wiederhole? (Rufe: Nein!) Oder haben die Herrschaften sie vor sich? (Bundesrat Konečny: Jawohl!)

Zur Frage 1:

Es gibt einen gültigen Vertrag zwischen dem Land Wien und dem Bund, in dem neben vielen anderen Projekten die Errichtung eines Bahnhofes Wien vereinbart ist. Demgemäß ist auch die Errichtung des Bahnhofes Wien im Rahmen der S-Bahn Planungsgruppe eingehend diskutiert worden.

Zur Frage 2:

Der Bahnhof soll im Bereich des heutigen Südbahnhofes inklusive Südtiroler Platz errichtet werden.

Der Bahnhof Wien muß im Rahmen der von der S-Bahn Planungsgruppe vorgesehenen Ausbauvorhaben ehestens geplant und errichtet werden. Er soll aus einem Nahverkehrs- und einem Fernverkehrsbauwerk bestehen, das die Verknüpfung der Südbahn mit der Ost- und Nordbahn sicherstellt und über den Lainzer Tunnel auch die Durchbindung der Westbahn in Richtung Süden und Osten ermöglicht.

Das Nahverkehrsbauwerk stellt die Verbindung der S-Bahn-Linien S 7, S 60 und S 80 mit der Schnellbahnstammstrecke her und soll das Prinzip der kürzesten Wege gegenüber den innerstädtischen Verkehrsmitteln verwirklichen.

Im Vertrag zwischen dem Land Wien und dem Bund ist die für Nahverkehrsvorhaben übliche Kostenteilung 80 : 20 vereinbart. Detailliertere Kostenschätzungen sind erst im Zuge der Detailplanung möglich.

Zur Frage 3:

Da der Bahnhof Wien zwischen Bund und Land vereinbart ist und die Durchbindung der Westbahn für die Funktion des TEN-Knotens Wien unabdingbar ist, muß die Verbindung von der Westbahn zur Südbahn in Form des Lainzer Tunnels errichtet werden. Ohne die Durchbindung der Hauptmagistralen des österreichischen Schienennetzes ist ein TEN-Knoten Wien nicht möglich.

Zur Frage 4:

Zunächst haben die Untersuchungen ergeben, daß eine Tieferlegung der Verbindungsbahn infolge der offenen Bauweise vom Standpunkt der Umweltverträglichkeit nachteiliger ist als das beantragte Projekt.

Außerdem muß ich darauf hinweisen, daß eine Tieferlegung der Verbindungsbahn bedeuten würde, während der gesamten Bauzeit den bestehenden Nahverkehr, aber auch den bestehenden Güterverkehr einzustellen. In Ermangelung entsprechender Ausweichstrecken ist eine Einstellung der Verbindungsbahn aus betrieblichen Gründen unmöglich.

Zur Frage 5:

Es ist vorgesehen, auf der bestehenden Westbahn weiterhin Regional- und Nahverkehre zu führen. Für diese wichtigen Verbindungen für die Pendler ist die Umsteigerelation Hütteldorf weiterhin von Bedeutung. Die Anbindung der Fernreisenden an das innerstädtische Verkehrsnetz wird – wie schon erwähnt – am Bahnhof Wien erfolgen. Der Lainzer Tunnel ist jedoch auch für den Güterverkehr von Bedeutung.


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Zur Frage 6:

Die Frage der Verdichtung des S-Bahn-Verkehrs auf der Verbindungsbahn wurde im Rahmen der S-Bahn Planungsgruppe eingehend erörtert. Durch den Wegfall des Güterverkehrs sind keine nennenswerten Investitionen erforderlich.

Zur Frage 7:

Im geltenden Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 1993, mit 01. 07. 1994 wirksam geworden, ist in § 24 vor Erlassung einer Trassenverordnung für den Bau von Hochleistungsstrecken mit einer Länge von mehr als 10 Kilometern eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Bereits daraus folgt, daß eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren durchzuführen ist.

Die Trassenverordnung Lainzer Tunnel wurde im BGBl. Nr. 824/1993 vom 3. Dezember 1993, somit vor Inkrafttreten des UVP-Gesetzes, kundgemacht. Daraus folgt, daß im Trassenverordnungsverfahren Lainzer Tunnel ein Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren weder rechtlich möglich noch zulässig gewesen wäre.

Zu bemerken ist jedoch, daß auch vor Inkrafttreten des UVP-Gesetzes die Umweltaspekte im Trassenverordnungsverfahren Berücksichtigung gefunden haben, da aufgrund der Bestimmungen des HL-Gesetzes auf die Umweltverträglichkeit des Bauvorhabens Bedacht zu nehmen ist und ein öffentliches Anhörungsverfahren unter Einbeziehung der betroffenen Gemeinden und Länder stattgefunden hat.

Zur EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung 85/337/EWG ist zu bemerken, daß diese Richtlinie kein innerstaatliches österreichisches Recht darstellt. Eine Umsetzung dieser Richtlinie erfolgte in Österreich durch das UVP-Gesetz. Somit ist eine direkte Anwendung dieser EG-Richtlinie in Österreich rechtlich nicht möglich, sondern die österreichischen Behörden haben das geltende österreichische Recht anzuwenden.

Zur Frage 8:

Da die Stadt Wien im Zuge der Ausgestaltung des Wienflusses dringende Adaptierungsarbeiten vornimmt, ist es notwendig, die baulichen Vorkehrungen für das bereits genehmigte Projekt der Wientalquerung zu treffen. Andernfalls würde ein verlorener Aufwand von beträchtlichem Ausmaß entstehen.

Zur Frage 9:

Gemäß HL-Gesetz ist ein Projekt ein Streckenabschnitt, der für sich verkehrswirksam ist und damit auch einen funktionellen Abschnitt bildet. Bei den Projekten zum Lainzer Tunnel handelt es sich um einzeln verkehrswirksame Projekte, die daher auch einzeln zu genehmigen sind.

Zur Frage 10:

Die Hochleistungs-Aktiengesellschaft hat bei der Behörde die Genehmigung von Einzelprojekten beantragt, die miteinander kompatibel sind.

In bezug auf den Verfahrensstand ist festzuhalten, daß für die Projekte Einbindung Südbahn und Verknüpfung Westbahn eisenbahnrechtliche Genehmigungsbescheide vorliegen. Für die Projekte Donauländebahn und Verbindungstunnel haben die Ortsverhandlungen mit einem grundsätzlich positiven Ergebnis stattgefunden.

Aus derzeitiger Sicht kann von seiten der Behörde nicht von einem verlorenen Aufwand gesprochen werden.

Zur Frage 11:


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Im Zuge der eisenbahnrechtlichen Ortsverhandlung Lainzer Tunnel, Abschnitt III – also Verbindungstunnel –, wurde von einigen Anrainern der Antrag auf Akteneinsicht in das von Basler und Partner erarbeitete Tunnelsicherheitskonzept für den Wienerwald und Lainzer Tunnel vom Juni 1994 beziehungsweise August 1994 gestellt.

Von seiten der Verhandlungsleitung und der Hochleistungs-AG wurde dazu ausgeführt, daß dieses Konzept nicht Gegenstand des eisenbahnrechtlichen Verfahrens sei, da in der Zwischenzeit von der Hochleistungs-AG gemeinsam mit der Magistratsabteilung 68 – Feuerwehr der Stadt Wien – ein neues Sicherheitskonzept ausgearbeitet wurde. Da der Antrag auf Einsichtnahme in das Sicherheitskonzept Basler und Partner aufrechterhalten wurde, wurde eine Ausfertigung dieses Sicherheitskonzeptes vorgelegt. Um jedoch zu dokumentieren, daß diese Unterlage nicht Teil des Verfahrens ist, wurde es mit dem Stempel "überholt" versehen.

Zur Frage 12:

Zu dieser Frage ist grundsätzlich auf die Stellungnahme der Magistratsabteilung 68 vom 24. August 1998 und auf die Aussage von Branddirektor Perner anläßlich der Ortsverhandlung zu verweisen, daß es sich beim Lainzer Tunnel um eines der sichersten Tunnelprojekte Europas handle.

Zur Frage 13:

Die Stellungnahme der Magistratsabteilung 68 zu den Projekten des Lainzer Tunnels entzieht sich der Ingerenz des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr. Ich kann daher über die Beweggründe der Feuerwehren keinerlei Aussagen treffen.

Die Änderung der Konzeption besteht nach Ansicht des Ministeriums im wesentlichen darin, daß nunmehr in Abständen von zirka 500 Metern Notausstiege vorgesehen sind.

Zur Frage 14:

Die Stellungnahme der Feuerwehr aus 1990 ist durch die nunmehrige Stellungnahme der Feuerwehr vom 24. August 1998 als überholt anzusehen. Die seinerzeit getätigten Aussagen entsprechen nicht mehr dem derzeitigen Stand.

Weiters ist hier auf die Aussage von Branddirektor Perner zu verweisen, daß die Feuerwehr der Stadt Wien in der Lage ist, im Falle eines Ereignisses innerhalb von fünf Minuten ab Alarmierung vor Ort zu sein und mit den Rettungsmaßnahmen zu beginnen.

Zur Frage 15:

Die Einbeziehung der Feuerwehren in das jeweilige Genehmigungsverfahren stellt sicher, daß ausreichende Sicherheitskonzepte sowie entsprechende Rettungs- und Bergungskonzepte in die Ausführung des jeweiligen Projektes Eingang finden. Die Forderungen der Feuerwehren sind gegebenenfalls in die Auflagen des Genehmigungsbescheides aufzunehmen.

Zur Frage 16:

Aus der Stellungnahme der Magistratsabteilung 68, Feuerwehr der Stadt Wien, ergibt sich, daß Sicherheitsrisken nur im vertretbaren Ausmaß auftreten. Diese Aussage erfolgte unter Berücksichtigung der vorgesehenen Überdeckung und der geplanten Trassenführung.

Zur Frage 17:

Dem eisenbahnrechtlichen Genehmigungsverfahren wurden unter anderem Sachverständige aus den Fachgebieten Erschütterungs- und Lärmschutz beigezogen. Diese Sachverständigen haben in ihren Gutachten ausgeführt, daß gegen die Genehmigung des verfahrensgegenständlichen Projektes dann kein Einwand besteht, wenn einige von ihnen zum Schutz der Anrainer geforderte Auflagen vorgeschrieben werden. Es ist selbstverständlich davon auszugehen, daß eine Genehmigung des Projekts nur unter Vorschreibung aller erforderlichen Auflagen erfolgt.


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Zur Frage 18:

Die Gesamtkosten sind bei einem Preisstand von 1998 mit 11,3 Milliarden Schilling präliminiert.

Zur Frage 19:

Die Aufrechterhaltung des Verkehrs auf der Verbindungsbahn ist aus betrieblichen Gründen unbedingt erforderlich. Eine Sperre der Verbindungsbahn während der Bauarbeiten für die Tieferlegung ist daher nicht möglich.

Zur Frage 20:

Bei den Bahnausbauten handelt es sich um verkehrspolitisch dringend erforderliche Verbesserungen der Schieneninfrastruktur, die zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Schiene gegenüber der Straße erforderlich sind. Es handelt sich hiebei nicht um Ziele der jeweiligen Infrastrukturerrichtungsgesellschaften, sondern um mit Verordnung übertragene Ausbauvorhaben. Die Entscheidung über die verkehrspolitische Bedeutung dieser Ausbauvorhaben liegt nicht beim Generaldirektor der ÖBB, sondern beim Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr.

Bei dem gegenständlichen Projekt handelt es sich um die dringend notwendige "Durchbindung" der Westbahn in Richtung Südbahn beziehungsweise Ostbahn. Nur durch die "Durchbindung" dieser europäischen Hauptmagistralen ist eine TEN-Knotenfunktion Wiens gewährleistet. Dieses Ausbauvorhaben ist infolge der geänderten geopolitischen Situation von zentraler Bedeutung.

Zur Frage 21:

Es handelt sich nicht um einen Wirrwarr, sondern um klar definierte Aufgaben. Die ÖBB-Infrastruktur plant und baut im wesentlichen die Erneuerung bestehender Schieneninfrastruktur, die ihr im Rahmen von bisher fünf Übertragungsverordnungen zur Planung und zum Bau übertragen wurde.

Die Hochleistungsstrecken-Aktiengesellschaft plant und baut das österreichische Hochleistungsstreckennetz, das ihr im Rahmen von bisher sieben Übertragungsverordnungen zur Planung und zum Bau übertragen wurde.

Die BEG plant und baut den österreichischen Abschnitt der Achse München–Verona, wobei ihr der Abschnitt im Unterinntal zur Planung und zum Bau mit Verordnung übertragen worden ist. Aufgrund des trilateralen Charakters dieser Achse wurde eine eigene Planungs- und Errichtungsgesellschaft gegründet, um die Flexibilität im Zusammenhang mit den deutschen und italienischen Ausbauvorhaben zu ermöglichen.

Bei der SchIG handelt es sich – wie schon der Name sagt – um eine Finanzierungsgesellschaft für die Schieneninfrastruktur, deren Refinanzierung durch die Einhebung von Benutzungsentgeltgeldern erfolgt.

Die Frage 22 beantworte ich dahin gehend, daß es bisher keine Vergaben von Leistungen an Baufirmen gibt.

Zur Frage 23:

Für die Ausbauvorhaben der Schieneninfrastruktur wurde ein externes Controlling eingerichtet.

Zur Frage 24:

Da diese Frage ein laufendes Gerichtsverfahren betrifft, kann ich hiezu keine Aussagen machen.

Zur Frage 25:

Für die Ausbauvorhaben der Schieneninfrastruktur wurde ein externes Controlling eingerichtet, um die Preisangemessenheit und die ordnungsgemäße Abwicklung der Bauprojekte extern zu


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überprüfen. Sollten sich Verdachtsmomente ergeben, ist es Sache der Staatsanwaltschaft beziehungsweise der ordentlichen Gerichte, entsprechende Veranlassungen zu treffen.

Die Fragen 26 und 27 erlaube ich mir, gemeinsam zu beantworten: Es ist für den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr unverständlich, wenn in diesem Zusammenhang von einem Skandal gesprochen wird. Soweit noch offene rechtliche Fragen zu klären sind, sind die diesbezüglichen Verfahren auch bei der Europäischen Union im Laufen. Bezüglich des Rechnungshofes sei festgehalten, daß dieser zu dieser Problematik bereits 1997 Stellung genommen hat.

Zur letzten Frage, zu Frage 28: Der Bau von Projekten darf erst dann begonnen werden, wenn ein rechtskräftiger Bescheid vorliegt. Vor dem Vorliegen eines rechtskräftigen Genehmigungsbescheides kann daher nicht mit dem Bau begonnen werden. Sollte ein Genehmigungsbescheid bei den Höchstgerichten angefochten werden, so obliegt es den Höchstgerichten, über die aufschiebende Wirkung der Beschwerde zu erkennen. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedeutet, daß mit dem Bau des Projektes nicht begonnen werden darf. Hinsichtlich der Abwicklung der Auftragsvergaben verweise ich auf meine Antwort zur Frage 25.

Dies, Herr Präsident, ist die Beantwortung der gestellten Fragen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.09

Präsident Alfred Gerstl: Danke, Herr Minister.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. – Bitte.

14.09

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Die Umstände erfordern es, daß der Justizminister diesmal dieser Debatte die Würdigung gibt. Vielleicht wird dereinst in ferner Zukunft einmal der Justizminister den Vorgängen um den Bau des sogenannten Wildschweintunnels überhaupt mehr Beachtung schenken müssen. Insofern ist es vielleicht nicht ungünstig, wenn der Justizminister schon jetzt in die Debatte eingebunden ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie bei einzelnen Antworten, die nicht in Ihrem Ressort erarbeitet worden sind, die Sie aber durchaus verständlich gegeben haben, vielleicht doch etwas nachdenklicher gewirkt haben, als es dem Thema eigentlich zukäme.

Es wird in diesem Zusammenhang das Wort "Magistrale" angeführt. Das tönt ungeheuerlich! Die Nennung des Wortes "Magistrale" bewirkt bei allen, daß sie davon ausgehen, daß hier wohl etwas Großartiges gebaut werden muß, weil etwas Neues geschaffen wird, und wir daher in Wien auch gleich einen neuen Bahnhof brauchen. Deswegen ist die Magistrale notwendig. Das kam zwei- oder dreimal in Ihrer Antwort beziehungsweise in der Ihnen vorgegebenen Antwort vor. – Wenn ich jetzt verkürzt rede, meine ich übrigens nie Ihr Ressort und Sie persönlich, Herr Bundesminister!

Ich habe den Eindruck, daß die Wiener mit einem Zentralbahnhof Wien nicht glücklich sind. Sie wissen noch viel zu wenig davon. Warum soll der Bahnhof, an dem Ost-, West- und Südverkehr und Teile des Nordverkehrs zusammentreffen sollen, unbedingt im Grenzbereich des vierten und zehnten Bezirkes, also am Südbahnhof, liegen? Wir haben uns nämlich noch nicht überlegt, ob nicht dieses Zusammentreffen des gesamten Eisenbahnverkehrs in Wien an einem Punkt auch zu einem ungeheuerlichen Verkehrsaufkommen in einem an und für sich schon vom Individualverkehr, der teilweise auch öffentlich verursacht ist, belasteten Teil der Stadt, nämlich auf der Strecke zwischen Schweizer Garten, Arsenal und Südtiroler Platz, führen wird. Ein solches Verkehrsaufkommen wird voraussichtlich für die Bewohner unerträglich werden, aber


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auch für jene, welche die Fahrgäste vom Bahnhof abholen wollen, seien es Taxifahrer oder Freunde und Verwandte, so gut wie nicht mehr zu bewältigen sein.

Wir nehmen zur Kenntnis, daß ein Zentralbahnhof Wien gebaut werden soll. Das wurde in dieser Deutlichkeit nie gesagt. Wir wissen aber, daß auch bei Realisierung des Gegenvorschlags der Freiheitlichen und der ihnen nahestehenden Gruppierungen, den Wildschweintunnel nicht zu bauen, sondern von Hütteldorf aus auf der bestehenden Trasse der Verbindungsbahn den Verkehr zu erledigen, dieser Zentralbahnhof natürlich nicht auszuschließen wäre.

Aber diese von uns vorgeschlagene billigere, umweltschonendere, bevölkerungschonendere und auch die Finanzen von Stadt und Land schonendere Bauweise wird nicht wahrgenommen. Man könnte frivolerweise sagen, daß man sich wohl auf eine Finanzierung im Verhältnis 80 : 20 geeinigt hat, ohne jedoch zu sagen, wieviel es ungefähr kostet. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Bundesminister, dann haben Sie gesagt, daß es noch keine Kostenschätzung gibt.

In Anbetracht dessen frage ich Sie: Wie könnten wir, wenn noch keine Kostenschätzung vorliegt, einem solchen Milliardenprojekt überhaupt mit gutem Gewissen die Zustimmung geben, auch wenn wir für diese Trassenlegung wären? – Es ist ja ein Monstrum einer Gesetzwerdung, wenn uns zugemutet wird, darüber zu entscheiden, obwohl die Kostenschätzung fehlt, allerdings festgestellt wird, daß das Land sich im Verhältnis von 20 : 80 an dieser unbekannten Größe beteiligt. Ich erinnere mich an mathematische Beispiele in der Schule: Wir mußten Gleichungen mit zwei Unbekannten oder mit einer Unbekannten lösen. Das war für mich immer ein Horror. Ich habe es schwer begriffen. (Bundesrat Meier: Das ist typisch!) Jetzt weiß ich aber, warum! Wenn man mir sagt: Das Verhältnis 80 : 20 steht, offen sind nur noch die Kosten, dann bleibt für mich immer die große Unbekannte X übrig. Und über diese große Unbekannte X, meine Damen und Herren, sollten wir auch hier ganz gehörig diskutieren! Es geht nicht an, daß wir uns über eine Aufklärung betreffend Höhe der Kosten, die auf die Bevölkerung im Verhältnis 80 : 20 zukommen, hinwegsetzen. Bei mir ergibt das in Summe auf jeden Fall 100 Prozent, und auch jeder andere wird zu diesem Ergebnis kommen!

Ich halte daher diese Beantwortung, Herr Bundesminister, die Ihnen vorgelegt worden ist und die Sie vorgetragen haben, schlichtweg für eine Zumutung! Ich entschuldige mich bei Ihnen, daß ich Ihnen sagen muß, daß Sie uns hier eine Zumutung zugemutet haben. Denn es ist nicht Ihr Stil, den Parlamentariern etwas zuzumuten. Sie wurden genötigt. Man hat Ihnen zugemutet, uns etwas zuzumuten, was unzumutbar ist, Herr Bundesminister! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben bei der Erwähnung, daß eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen der Errichtung von Eisenbahntrassen nicht notwendig ist, besonders nachdenklich ausgesehen. Vor zwei Tagen im Rahmen des liberalen Klubs, bei welchem Professor Adamovich, den ich heute schon zitiert habe, gesagt hat: Das ist eine Schlacht, die man in bezug auf den Rechtsstaat und die Rechtsbereinigung nur verlieren kann!, hat sich auch Professor Walter zu Wort gemeldet. Er hat sich im Rahmen seiner Wortmeldung, die nichts mit dem Lainzer Tunnel zu tun hatte, interessanterweise besonders kritisch damit auseinandergesetzt, daß die Eisenbahntrassen aus der Umweltverordnung herausgenommen worden sind, und gesagt, daß die Bevölkerung natürlich großes Mißtrauen gegenüber jenen Gesetzgebern hat, die sich immer für ihre Vorhaben besondere Gesetze basteln. – Es ist dies tatsächlich eine Lex specialis, die an den Bedürfnissen der Bevölkerung total vorbeigeht. Wir können auch aus diesem Grund diese neue Trasse nicht gutheißen, weil an den Wünschen der Bevölkerung, die beileibe in vielen Zentimeter dicken, um nicht zu sagen in meterdicken Akten festgehalten sind, vorübergegangen wird, da keine Umweltverträglichkeitsprüfung stattfindet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dazu möchte ich erwähnen: Als vor rund 150 Jahren die Westbahn gebaut wurde, gab es keine Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Bahn wurde damals sehr schnell gebaut. – Ich fahre gerne Bahn, aber es ist viel zu teuer, das sage ich gleich dazu. – Der Bau der Westbahn von Wien nach Linz hat – da staunen Sie! – 18 Monate gedauert. Man kann sich kaum vorstellen, daß man mit den technischen Mitteln, die damals zur Verfügung standen, diese Bahn, die bis jetzt den Bedürfnissen durchaus genügt hat, in 18 Monaten gebaut hat! Ich will nicht behaupten, daß sie nicht ausgebaut werden soll, aber sie hat bisher genügt. Und jetzt klopfe ich mir ein bißchen


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auf die Schulter. Denn wer hat damals die Bahn gebaut? – Nicht ich, aber meine Vorgänger, nämlich das Militär. Jetzt könnt ihr bitte klatschen! (Beifall und Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Beim Militär gab es nämlich damals Vermessungsoffiziere und Vermessungsingenieure in großer Zahl. Und man hat das gemacht, womit man jetzt die Umweltverträglichkeitsprüfung umgeht: Man hat die Strecke in kurze, kleine Projekte zerlegt. – Auch Sie, Herr Minister, haben heute gesagt, daß es eigentlich ganz in Ordnung ist, daß man diese Einzelabschnitte als Projekt vorlegt, die dann in Addition neue Tunnel ergeben.

Wir sind natürlich für die Anbindung in ein europäisches Eisenbahnnetz. Aber, meine Damen und Herren, hochverehrter Herr Minister, muß es ein Eisenbahnnetz sein, welches nur der Tunnellobby genügt, jener Tunnellobby, von der man oft sagt, daß sie durchaus Finanzierungskanäle zu dem einen oder anderen Parteisekretariat hat? Bewiesen ist noch nichts, das wissen wir, aber zufälligerweise hat jetzt gerade einer der .... (Bundesrat Konečny: Das einzige, was bewiesen ist, betrifft Ihre Partei, wie ich mich düster erinnere!) Ich habe keinen Tunnel, Herr Kollege! Ich habe wirklich keinen Tunnel! (Bundesrat Konečny: Sie haben keinen Tunnel, dafür einen Rosenstingl! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es besteht die Möglichkeit – nicht der Verdacht, den Verdacht weisen wir weit von uns –, daß durch die Tunnelbautätigkeiten verschiedene finanzielle Ressourcen der einen oder anderen Partei – keine sitzt davon hier im Haus, weit davon entfernt! – zugänglich gemacht werden, weil es diese Möglichkeit zur Verschleierung der Ausgaben gibt, über welche es allerdings, wie wir schon gehört haben, noch nicht einmal Schätzungen gibt. Meine Damen und Herren! Die, die das Geld empfangen sollen, müssen sich derzeit jedoch auch auf Schätzungen verlassen. Ich meine, das ist ein gewagtes Unternehmen!

Und dann noch etwas, meine Damen und Herren: Wenn die Notausstiege in einer Abstandabfolge von 500 Metern gebaut werden, möchte ich nicht gerade derjenige sein, wenn etwas passiert, der sich auf Meter 250 befindet. Es gehört natürlich auch eine Notröhre gebaut – diese läßt man aus Ersparnisgründen weg.

Meine Damen und Herren! Wenn wir schon solch ein in den Kosten noch nicht ganz abschätzbares Projekt vorhaben – irgendwo wurde einmal gesagt, es kostet vielleicht 11,5 Milliarden Schilling, aber das sind keine sicheren Zahlen –, wenn solch ein Projekt gebaut wird, erwarten wir, daß dieses Projekt mit den dem neuesten Standard entsprechenden technischen Sicherheitsmaßnahmen ausgestattet wird, sonst passieren Dinge wie in dem Tunnel von Frankreich nach Großbritannien. In diesem hat es auch schon gebrannt. All das sind ungeheuerliche Sachen, durch solche "Unsicherheitsmaßnahmen" wird die Bahn unattraktiv, dann steigen die Leute erst nach dem Wienerwald gerne ein und nicht schon am Zentralbahnhof. Das kann doch nicht Sinn der Sache sein. Wir müssen der Sicherheit absolute Priorität einräumen.

Noch etwas, meine Damen und Herren: Die Auflagen, die solch einem Projekt zuteil werden sollen, müssen mit der Bevölkerung besprochen werden. Die Bevölkerung ist kritisch geworden, hat doch dieser von mir heute schon zitierte Universitätsprofessor Helmut Klages in der Raab-Stiftung gesagt: Wir sind schwierigere Staatsbürger geworden. Wir lassen uns nicht mehr vom Gesetzgeber gängeln. Dieser schwierigere Staatsbürger ist von einem Wertewandel geprägt. Er hat es satt, daß er immer von Politikern gegängelt wird, die ihm das Leben erschweren. Die Menschen legen Wert auf eine politische Entideologisierung, insbesondere bei praktischen, in den Tagesablauf eingreifenden Bereichen. – Dazu zählt einmal solch eine Eisenbahnanlage. (Bundesrat Payer: Erzählen Sie das Ihrem Chef auch?!)

Herr Bundesminister! Ihnen ist sicherlich die Abzweigung von Hütteldorf geläufig. Sie sind dort vielleicht schon mit der Bahn gefahren, vielleicht auch nicht, aber jeder kennt die Abzweigung von Hütteldorf. Dort läßt sich die Verbindung nach Meidling mit viel geringeren Kosten dreispurig herstellen. – Nein, der Tunnel wird gebaut! Die Wildschweine werden beunruhigt, weil politische Wildschweine unbedingt in den Berg wollen. Das ist nicht die Aufgabe! (Beifall und Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)


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Meine Damen und Herren! Stellen wir uns nicht als politische Erfüllungsmaschinerie für den einen oder anderen größenwahnsinnig gewordenen Magistralerbauer zur Verfügung! (Bundesrat
Konečny: Herr Präsident, hören Sie auch zu? – Bundesrat Payer: Wer hält das aus? Das ist eine Diktion! Ich hätte Ihnen etwas anderes zugetraut!) Ich sehe schon, meine Damen und Herren, daß wir diesem Erbauer des Wildschweintunnels das Denkmal setzen. (Bundesrat Konečny: Payer heißt der Kollege! Wenn Sie schon nichts wissen, dann können Sie sich wenigstens die Namen merken!) Wollen Sie den Namen sagen? (Bundesrat Konečny: Der Kollege Payer wird Sie politisch lange überleben!) Damit werden wir fertigwerden, Herr Kollege, das ist nicht so dramatisch.

Entscheidend ist, daß die Bürger Österreichs und die Bürger Wiens diesen Wildschweintunnel nicht wollen! (Bundesrat Payer: Lesen Sie im Protokoll Ihre Diktion nach, was Sie heute alles gesagt haben!) Nehmen Sie zur Kenntnis: Hier wird der Bürgerwille umgangen! Formaljuridisch wird der Bürgerwille beim Bau des Wildschweintunnels übergangen. Dieser Wildschweintunnel ist ein Debakel hinsichtlich der Mitbestimmung des österreichischen Bürgers bei wesentlichen Bauvorhaben. Wir können nicht immer von Mitbestimmung und der reifen österreichischen Demokratie reden, denn wenn es darauf ankommt, wird sie mit Füßen getreten. Und diesen Füßen sollten wir nicht unsere Zustimmung geben! (Bundesrat Konečny: "Diesen Füßen"!)

Meine Damen und Herren! Nehmen Sie es auf sich, stimmen Sie heute gegen dieses megalomanitische Projekt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Rauchenberger: Er verwechselt eine dringliche Anfrage mit einer Abstimmung! – Bundesrat Konečny: Macht ja nichts, man muß ja nichts wissen, reden muß man!)

14.24

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile dieses.

14.24

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Der Herr Bundesminister wird mir vielleicht verzeihen, wenn ich mich etwas weniger damit beschäftigen werde, welche Gedanken in ihm vorgegangen sind, während er hier etwas vorgebracht hat. Um jetzt auf diese Situation zu sprechen zu kommen: Es ist Tatsache, daß 180 Züge am Tag durch Hietzing donnern und daß sich in dem Umfeld bei Bahnübergängen et cetera Staus bilden. Angesichts dieser Verkehrssituation und der Situation, in der sich die unmittelbar betroffene Bevölkerung in Hietzing befindet, ist es ganz klar, daß man an Alternativen denken muß. Ich glaube, es ist von zwei Alternativen mit unterschiedlichen Schattierungen die Rede.

Bevor ich auf die Alternativen zu sprechen komme, möchte ich nur zwei kurze Vorbemerkungen machen: Wenn es um Bürgerbeteiligung geht, dann habe ich den Eindruck, daß die Freiheitlichen in zwei Kategorien von Bürgern denken, nämlich in der Kategorie von jenen Bürgern, die ihre Position vertreten – das sind immer die Bürgermeinungen, die zu berücksichtigen sind –, und in der Kategorie von Bürgern, die anders denken und eine andere Vorstellung haben. Das sind aber auch nicht irgendwelche Wesen vom Mond oder sonst irgend etwas, das sind auch Bürger, die eben eine andere Meinung vertreten. Also Sie haben nicht das Monopol der Bürgervertretung. Darauf wollte ich Sie einmal ganz dezent hinweisen. Sie dürfen es dann eh gleich wieder vergessen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist sicherlich im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle sehr wichtig, daß man darauf achtet, was in bezug auf einzelne Genehmigungsverfahren im Gange ist. Daß man darauf den Daumen legt, das finde ich an sich völlig in Ordnung. Was das Thema der Kostenschätzungen betrifft, so muß ich nur sagen, verzeihen Sie mir, wenn ich nicht den Eindruck habe, daß Sie von den Freiheitlichen zum Thema Wirtschaftskompetenz, Kostenschätzungen et cetera in den letzten Monaten "narrisch kompetent" gewirkt haben. Wenn ich die heutige "Presse" aufschlage und lese, daß die Causa Rosenstingl bereits Top 4 der größten Insolvenzen und größten Pleiten des Jahres 1998 ist, dann muß ich sagen, ich bin wohl nicht der einzige, der sich denkt, daß


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jene Fraktion, die angetreten ist, um für die Tüchtigen und Fleißigen einzutreten, jetzt auch Flüchtige und Schleißige in jeder Menge hat.

In diesem Zusammenhang muß ich Sie schon einmal mehr darauf hinweisen, daß gerade die Causa Rosenstingl bestätigt, weil das auch Ihr Finanzexperte im Klub war, daß Sie schon sehr oft "Pi mal Däumchen"-Rechnungen anstellen, was wirtschaftliche Belange betrifft. Sie wissen zwar immer, daß alles, was von seiten der Regierung kommt, falsch ist, Ihre Gegenrechnungen sind allerdings oft sehr abenteuerlich.

In der Sache selbst, so glaube ich, muß man ganz nüchtern sehen, es gibt offensichtlich – es ist auch in der heutigen Debatte nichts anderes dazugekommen – zwei Varianten: Entweder man baut diesen Lainzer Tunnel – wie man ihn übrigens auch nennen darf und wie er auch heißt (Bundesrat Mag. Gudenus: Nur zu, nur zu!), aber ich glaube, der Herr Präsident war so frei, das für Sie zu übersetzen, und deswegen diskutieren wir über den Lainzer Tunnel, den Sie Wildschweintunnel nennen, aber ich nehme an, Sie reden vom Lainzer Tunnel –, oder es gibt die Möglichkeit einer Tieferlegung et cetera. Es ist ganz klar, daß bei beiden Varianten unterschiedliche Nebenbedingungen gegeben sind, und man wird jetzt ganz offen eine Debatte darüber führen, welche Variante die sinnvollere ist.

Diese Alternative, die Sie anbieten, klingt zwar sehr salopp – vor allem dann, wenn sie ohnehin nicht zustande kommt, kann man besonders leicht sagen, daß diese hervorragend gewesen sei –, aber diese Variante der Tieferlegung ist ohnehin durchdacht und ist genauso mit ins Kalkül gezogen worden. Es ist ja nicht so, daß es von seiten der Wiener Politiker, der bösen schwarzen und roten Politiker, wie Sie sie immer nennen, grundsätzlich ein ideologisches Vorurteil ist, daß man durch den Lainzer Tiergarten muß, sondern es sind Fachleute hergegangen und haben sich angeschaut, welche Alternative die klügere ist. Aus einer Vielzahl von Überlegungen ist man dann auf die Variante mit dem Tunnel gekommen, die sehr viele Vorteile hat, während durch eine Tieferlegung besonders im verkehrspolitischen Bereich – ich sage nur Sperre Hadikgasse et cetera – ein Drama im Bereich der Westausfahrt entstehen würde, von dem ich nicht glaube, daß Sie das gerne politisch verantworten würden.

Daher ist es mir ein Anliegen, hier festzuhalten, daß es von seiten der Wiener ÖVP ein klares Bekenntnis zur Notwendigkeit gibt, die Situation auch für die Hietzinger Bevölkerung zu verbessern. Wir sind auch davon überzeugt, daß die Variante Lainzer Tunnel nach Abwägung der Vor- und Nachteile die bessere ist. Ich glaube, daß wir auf dieser Basis darauf achten müssen, daß wir die Nachteile, die durch Großbauvorhaben immer für die Bevölkerung entstehen, möglichst geringhalten. Daß das alles nicht nur aus Lust und Spaß geschieht, ist wohl keine Frage. Deswegen eignet sich diese Angelegenheit so gut, um darüber mit der unmittelbar davon betroffenen Bevölkerung zu diskutieren: Weißt eh, da bei dir wird demnächst gebohrt und gehämmert werden!

Daß sich darüber niemand freut, inklusive des Herrn Konečny und vieler Freunde auch meiner Fraktion, die dort wohnen, vielleicht auch Ihnen Nahestehender, eben ganz normaler Menschen, die dort wohnen, daß keiner von jenen eine narrische Freude daran hat, daß gebaut wird, das ist verständlich. Das Bauerlebnis zu genießen, ist es ja nicht, sondern es geht darum, eine langfristige Lösung zu erreichen. In diesem Sinne finde ich alle Debatten, die stattfinden, gerade über Fragen von Sicherheitsbelangen, sehr gerechtfertigt. Man kann zu Fragen der Sicherheit, so meine ich, nie zuwenig diskutieren, und so ist es auch von seiten meiner Fraktion eine Selbstverständlichkeit, daß die Debatte gerade um diese Sicherheitsfragen auch bei den einzelnen Genehmigungsschritten nicht zu kurz kommen darf. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.33

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile dieses.

14.33

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich gewundert, daß Kollege Gudenus das Wort "Erfül


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lungsgehilfe" in den Mund genommen hat. Wir hatten vor wenigen Wochen Gelegenheit, einzuschätzen, welche Abgeordneten zu Erfüllungsgehilfen degradiert worden sind. Er hat auch das Wort "Nötigung" in den Mund genommen. Auch diesbezüglich hatten wir in den letzten Wochen Gelegenheit, mitzuerleben, wer im Sommer mit einer Unterschrift genötigt wurde. (Bundesrätin Mühlwerth: Niemand ist genötigt worden!) Ganz makaber finde ich es, wenn Kollege Gudenus meint, Minister Michalek werde sich noch mit dem Lainzer Tunnel zu befassen haben. (Bundesrat Mag. Gudenus: Nicht er, sondern der zuständige Minister!) Ich glaube, daß er sich als Justizminister vorher mit der Causa Rosenstingl auseinandersetzen müssen wird, was sicherlich für niemanden erfreulich ist.

Der Lainzer Tunnel oder Wildschweintunnel, wie ihn die FPÖ bezeichnet, ist im Sommer ein Thema gewesen, und es ist darüber, wie ich glaube, sehr ausführlich diskutiert worden – in aller Öffentlichkeit, inhaltlich und auch politisch. Es hat auch sehr intensive und sehr aufschlußreiche Debatten im Wiener Gemeinderat dazu gegeben. Ich glaube, daß nicht verabsäumt wurde, daß eine Vielzahl von hochqualifizierten und zuständigen Fachleuten beigezogen worden ist, um etwaige Fehlentwicklungen rechtlicher, ökologischer, verkehrstechnischer, sicherheitstechnischer Natur zu verhindern.

Ich verwahre mich aber schon sehr eindringlich dagegen, daß durch unzutreffende, unrichtige Behauptungen oder Weissagungen wichtige Infrastrukturmaßnahmen für die Bundeshauptstadt Wien hinausgeschoben, denunziert oder gar verhindert werden sollen. Denn der Verkehr ist ein wesentlicher Faktor für die Zukunft dieser Stadt, ein wesentlicher Faktor für den Wirtschaftsstandort Wien. Dabei geht es um die Frage, ob dieser Verkehr in Wien oder nach Wien auch an die transeuropäischen Netze angeschlossen beziehungsweise in diese zeitgerecht eingebunden werden kann.

Eine Grundvoraussetzung für die Einbindung in die TEN ist unter anderem auch – ob es Ihnen recht ist oder nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren der Freiheitlichen Partei – der Bau des Lainzer Tunnels oder nach Ihrer Diktion des Wildschweintunnels. Eine optimale Verbindung zwischen Süd-, West-, Ostbahn und Donauländebahn sowie ein schnellstens zu errichtender Zentralbahnhof sollen insgesamt ein leistungsfähiges Schienennetz ergeben.

Hochleistungsstrecken dürfen aus Sicht der Wiener Sozialdemokraten nicht vor oder an der Stadtgrenze Wiens enden, und wir werden das auch nicht zulassen in Anbetracht der täglich wachsenden Güterströme auf den Straßen, auf den Autobahnen nach Wien. Ich möchte hier die unzähligen, überflüssigen, täglichen LKW-Schwerstunfälle in Erinnerung rufen, vor allem jene auf der West Autobahn, die sich leider täglich ereignen und bei denen sehr viele, zu viele Menschenleben geopfert werden müssen.

All das läßt es notwendig erscheinen, wie dringend notwendig eine Entflechtung von Güter- und Personenverkehr ist. Daß wir eine konkurrenzfähige Bahn auch im Reiseverkehr brauchen, ist, so glaube ich, auch unbestritten. Der Lainzer Tunnel ist eine Voraussetzung dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß Wien im europäischen Konkurrenzkampf der Städte weiterhin, so wie in den letzten Jahren und auch im heurigen Jahr, die Nase vorn hat. Daß sich der Tunnelbau und damit verbundene nachfolgende Baumaßnahmen auf den sicherlich nicht günstigen Arbeitsmarkt in Wien positiv auswirken werden, sollten wir auch nicht vergessen und beiseite schieben.

Ich möchte heute und hier wiederholen, daß bereits ausfinanzierte Projekte, Infrastrukturprojekte der Österreichischen Bundesbahnen endlich umgesetzt werden müssen. Allein diese Projekte der Österreichischen Bundesbahnen würden für Wien einen Investitionsschub im Ausmaß von 20 Milliarden Schilling ausmachen. Dadurch würden Zigtausende Arbeitsplätze geschaffen, längerfristig erhalten und gesichert werden.

Folgende Projekte der Österreichischen Bundesbahnen stehen in Wien an oder gilt es zu realisieren: Ein Projekt davon ist die schon erwähnte und heute diskutierte Westeinfahrt mit dem Lainzer Tunnel (Bundesrätin Mühlwerth: Warum haben Sie es nicht schon längst gemacht!),


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der Zentralbahnhof, die Anbindung des Flughafens Wien an die Südbahn, Wiener Schnellbahnring mit einer Vernetzung der S 4, 45, 80 sowie mit den Wiener U-Bahn-Linien.

Ich möchte diese Gelegenheit auch dafür nützen, auf die dringend notwendige Umfahrungsstraße 301 und auf die Nordost-Umfahrung mit einer ökologisch vertretbaren Donau-Überquerung hinzuweisen.

Die Finanzierungsvorschläge sind von der SPÖ Wien im Wiener Landtag ausreichend erläutert, wie ich meine, und auch diskutiert worden. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber Sie machen nichts!) Es ist nichts Verwerfliches, sich um Wildschweine zu kümmern, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, tun Sie das weiterhin. Wir jedoch machen uns Gedanken über eine weitere positive Entwicklung und die Chancen in unserer Stadt – im Interesse der Bevölkerung, der Gäste, vor allem aber der Jugend, die in dieser schönen Stadt leben möchte und neben der kulturellen auch eine wirtschaftliche Perspektive sieht, die eine wichtige Voraussetzung für unsere Bevölkerung ist.

Eine gute Verkehrssituation vor Ort mit einer qualitativen leistungsfähigen Anbindung an sowie Einbindung in internationale Verkehrsnetze ist eine der wesentlichsten Voraussetzungen für eine positive – nicht nur wirtschaftliche – Entwicklung in Zukunft. Der Lainzer Tunnel ist ein wichtiger, unverzichtbarer Baustein dazu und somit auch ein Baustein zu einer künftigen sinnvollen und positiven Entwicklung unserer Bundeshauptstadt Wien, und wir können daher mit dieser dringlichen Anfrage der Freiheitlichen Partei überhaupt nichts anfangen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Das wird offensichtlich nicht nur vom Lainzer Tunnel abhängen!)

14.44

Präsident Alfred Gerstl: Zum Wort gemeldet hat sich als nächster Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile ihm dieses.

14.44

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Schon aus fachlichen Gründen darf und muß ich mich als Jurist auf die Rechtsprobleme beschränken, die mit dem Eisenbahnbauprojekt Lainzer Tunnel verbunden sind.

Erlauben Sie mir eine Nebenbemerkung: Auch meinem Stilempfinden mag die Bezeichnung "Wildschweintunnel" nicht entsprechen, ich weise es aber zurück, daß es eine Prägung der Freiheitlichen Partei sei, es entspricht vielmehr dem bekannt ironischen und scharfzüngigen Wiener Volksmund, der darin vielleicht nicht unverwandt dem Berliner ist, der bekanntlich ein berühmtes Gebäude einmal sehr deftig als "schwangere Auster" benannt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber zurück zum Recht: Im Zentrum steht dabei die Frage, ob es dafür einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. Die Betreiberin, die Planungs- und Errichtungsgesellschaft Eisenbahn-Hochleistungsstrecken AG, vertritt mit Nachdruck den Rechtsstandpunkt, daß eine solche im konkreten Fall entbehrlich sei. Das mag erstaunen, weil ein entsprechendes Prüfverfahren im UVP-Gesetz für Großprojekte dieser Art zwingend vorgesehen ist.

Auch das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr teilt indes diese Rechtsauffassung, und zwar dies deshalb – wir haben es heute schon gehört –, weil die für das Projekt maßgebliche Trassenverordnung im Jahre 1993, also noch vor dem Wirksamwerden des UVP-Gesetzes am 1. Juli 1994, erlassen worden sei. Nach der Übergangsvorschrift des UVP-Gesetzes komme daher das Erfordernis einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht in Betracht. Dem Bundesminister fehle insofern die Rechtsgrundlage für die nachträgliche Durchführung eines entsprechenden Verfahrens.

Fast gegenläufig, aber in gewisser Weise komplementär argumentiert die Hochleistungsstrecken AG. Eine UVP münde ihrerseits letztlich in eine Trassenverordnung ein, wie sie hier


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bereits längst erlassen worden sei, und auf deren Grundlage habe man eben bereits alle bisherigen Teilverfahren abgewickelt.

Vor diesem Hintergrund mutet es als bloße Beruhigungspille für die Öffentlichkeit an, wenn von seiten der Behörde festgestellt wird, daß sie und auch die HL-AG bei der Bauverhandlung ohnehin alle Umweltanliegen beachtet hätten. Die sachliche Richtigkeit oder auch Unrichtigkeit dieser Behauptung muß ich einschlägig geschulten Fachleuten überlassen. In rechtlicher Hinsicht ist jedoch kritisch anzumerken, daß eine Bauverhandlung nicht vornehmlich der Wahrung von Umweltbelangen dient, denn sonst bedürfte es auch heute keiner selbständigen Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne des UVP-Gesetzes.

Weshalb hat sich übrigens die HL-AG keiner freiwilligen Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen, wenn ihr Projekt einer solchen angeblich ohnehin jederzeit standgehalten hätte?! Vor allem aber – und damit komme ich zum neuralgischen Punkt – ist die ausschließliche Bezugnahme auf das UVP-Gesetz und seinen zeitlichen Anwendungsbereich eine völlig verkürzte Sicht der Rechtslage, wird doch dabei verkannt, daß für diese Sachproblematik auch das EU-Recht maßgeblich und nach seiner Einstufung im Rechtsquellensystem sogar vorrangig ist.

Die heute schon erwähnte EU-Richtlinie über die UVP, Nummer 85.337, die seit 1.1.1995 gilt, schreibt jedenfalls eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Eisenbahnfernstrecken zwingend vor. Daß diese Vorgabe des EU-Rechts erst pro futuro zu beachten sei, ist eine unbelegte Annahme, die bereits in anderen Sachzusammenhängen zu unangenehmen Überraschungen für Österreich geführt hat.

Im übrigen wurde das eisenbahnrechtliche Baugenehmigungsverfahren erst nach dem 1.1.1995 eingeleitet. Demgegenüber stellt die Trassenverordnung nach § 3 Hochleistungsstreckengesetz keinen staatlichen Rechtsakt im Sinne der UVP-Richtlinie dar, mit dem die Genehmigung zum Bau einer Eisenbahnfernstrecke erteilt wird. Sie bildet umgekehrt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs auch gar keine Voraussetzung für den eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsbescheid.

Die Rechtsmeinung des Bundesministeriums und der HL-AG läuft daher auf eine klare Umgehung des EU-Rechts hinaus. Auch Professor Bernhard Raschauer, nicht nur ein renommierter Fachvertreter des öffentlichen Rechts, sondern immerhin auch ehemaliger Umweltanwalt von Niederösterreich, hat in einem Gutachten, das die Bürgerinitiativen im September bei der letzten Verhandlung im eisenbahnrechtlichen Verfahren vorgelegt haben, auf diese Verpflichtung hingewiesen, die dem von Österreich übernommenen Acquis Communautaire entspricht.

Wenn heute in der Beantwortung der dringlichen Anfrage darauf hingewiesen wurde, daß es sich dabei um eine bloße Richtlinie und keine Verordnung handle, so halte ich dem entgegen –ich stehe mit dieser Rechtsauffassung nicht allein da –, daß die Umsetzung durch das UVP-Gesetz eben keine Erfüllung der Vorgaben der Richtlinie war. Darüber werden aber Höchstgerichte in absehbarer Zeit befinden.

Was die Anrainerrechte betrifft, so sind diese im Eisenbahnrecht durchaus nicht so stark verankert, wie das die HL-AG glauben machen will. Was die aus dem Eigentumsrecht erfließenden Interessen anlangt, müssen Anrainer die Einsprüche infolge erst später zu erwartender Enteignungen oder infolge der Begründung von Zwangsservituten, also von enteignungsgleichen Eingriffen, bereits bei der eisenbahnrechtlichen Bauverhandlung anmelden. Etliche Anrainer haben daher bereits vorsorglich solche Einsprüche erhoben. Selbstverständlich können sich Einsprüche – das ist für mich wesentlich interessanter – auch auf erhebliche Bedenken gegen die Sicherheit gründen.

Im konkreten Fall haben zirka 50 Anrainer Einsprüche unter Berufung darauf geltend gemacht, daß das von der HL-AG eingereichte Projekt nur eine Tunnelröhre vorsieht – Frau Mühlwerth hat das heute bereits mehrfach angesprochen –, dies entspräche aber nicht dem europäischen Sicherheitsstandard.


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So sind für vergleichbare Strecken im deutschen Recht – gewiß kein Land, das Hochstreckenprojekten etwa distanziert gegenüberstünde – zwei Tunnelröhren zwingend vorgeschrieben. Damit stimmt auch überein, daß das 1994 vom damaligen Verkehrsminister, von den ÖBB und von der HL-AG in Auftrag gegebene Gutachten der Zürcher Firma Basler und Partner – auch darauf wurde heute schon hingewiesen – zu dem eindeutigen Schluß kommt, daß nur ein zweiröhriger Tunnel bei gemischtem Personen- und Güterverkehr vor allem unter dicht verbautem, besiedeltem Gebiet und über eine derartige Länge die größtmögliche Sicherheit gewährleistet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Hinzu kommt die Gefährlichkeit von Weichenanlagen in einem Tunnel, wie sie im vorliegenden Projekt mehrfach vorgesehen sind. Von diesem Gutachten will die HL-AG verständlicherweise längst nichts mehr wissen und hielt es auch so lange wie möglich unter Verschluß.

Noch im Jahre 1990 – auch das wurde schon angesprochen – hatte auch die MA 68 eine Gleisführung in einer einzigen Tunnelröhre vom sicherheitstechnischen Standpunkt aus für sachlich unvertretbar erklärt – dies nicht zuletzt auch für den notwendig werdenden Fall von Löscheingriffen und Rettungseinsätzen.

Was allgemein die Sicherheitsprobleme betrifft, hatte noch im Jahre 1977 nach einem durch einen Tankwaggonunfall auf der Verbindungsbahn ausgelösten Großbrand der damalige Wiener Umweltstadtrat Peter Schieder versichert, daß keine überbauten Bahnstrecken errichtet werden dürften, solange auf ihnen der Transport gefährlicher Güter durchgeführt wird. Dieses Verdikt bezöge sich nun zweifellos auch auf einen Eisenbahntunnel unter dicht verbautem Wohngebiet. Das wollte ich nur in Erinnerung rufen. (Bundesrat Payer: Das ist 20 Jahre her!) Ja, aber die Sicherheitskonzepte haben sich seither fortentwickelt und nicht zurückgebildet. (Bundesrätin Mühlwerth: Ist das Sicherheitsbedürfnis?)

Nur zur Abrundung sei noch auf die Gefährdung des Grundwasserspiegels verwiesen. Immerhin müßte dieser auf einer Länge von zwei Kilometern gesenkt werden.

Ungeachtet all dieser Probleme und der ungeklärten Rechtslage will die HL-AG jedenfalls noch im November mit den Bauarbeiten beginnen. Derzeit liegen aber – das wurde außer Streit gestellt – erst zwei positive Bescheide für zwei von insgesamt vier Abschnitten vor; eine Genehmigung des Gesamtprojekts steht unverändert aus. Ebenso fehlt der naturschutzrechtliche Bescheid. Zudem besteht ja kein Zweifel daran – wir sind diesbezüglich alle realpolitische Praktiker –, daß Teilgenehmigungen eine Eigendynamik, gleichsam eine normative Kraft des Faktischen entwickeln, die dann eine abschließende Genehmigung bereits nahezu präjudiziert.

Abschließend ist festzuhalten, daß meines Erachtens das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr für das Verfahren insoweit sachlich gar nicht zuständig ist, als es für den Bau von Eisenbahntrassen – das ist die Streitfrage – einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, denn gemäß § 39 UVP-Gesetz ist für die Durchführung einer solchen die Landesregierung zuständig. Das wird auch im schon erwähnten Gutachten vom Kollegen Raschauer bestätigt – ein Gutachten, daß auch den zuständigen Behörden einschließlich des zuständigen Bundesministers seit Juni 1998 bekannt ist. Derzeit prüft in seinem Auftrag der Verfassungsdienst diese Frage. Parallel dazu ist von Beschwerdeführern auch bereits der Verfassungsgerichtshof angerufen worden.

Was leitet sich für mich aus all dem ab? – Unsere Forderung geht aus all diesen schweren rechtlichen Bedenken dahin – ich sage für mich, als fachlichen Laien –, keineswegs dieses Projekt einzustellen, sondern vor ihrer Klärung dem Projekt keine abschließende Genehmigung zu erteilen und vor einer solchen keinen Baubeginn zuzulassen. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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14.54

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konečny. Ich erteile ihm dieses.

14.54

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Schlußworte des Kollegen Böhm haben die ganze Paradoxie dieser Debatte aufgezeigt. Er hat recht – ich unterstreiche jedes Wort, das er und der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr in seiner Anfragebeantwortung gesagt haben –, wenn er meint, daß in einem Rechtsstaat abgeschlossene Verfahren und anhängige Gerichtsverfahren Voraussetzungen für einen Baubeginn sind. Ich habe nicht mitstenographiert, aber so lautete auch die Beantwortung der letzten Frage. Alles andere, was in dieser Debatte gesagt wurde, ist das Vertreten von Standpunkten, die vor allem in einer Auseinandersetzung legitim sind. Dabei möchte ich aber anmerken, daß ich mir die Ausführungen des Kollegen Böhm zur Frage, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist, mit wesentlich mehr Interesse angehört habe als die Anmerkungen der Kollegin Mühlwerth zum Grundwasser und die Anmerkungen des Kollegen Gudenus zu Verkehrsführungen, weil Kollege Böhm – im Unterschied zu seiner Kollegin und zu seinem Kollegen – jedenfalls von seinem Gegenstand mehr verstanden hat.

Was diese Debatte über den Status der Paradoxie hinaushebt, war jenes bemerkenswerte Beispiel der sprachlichen Verrohung, das uns Kollege Gudenus geboten hat. Ich bin nicht zimperlich, und ich habe mir auch schon einen Ordnungsruf in diesem Hohen Haus eingehandelt – wenn der Präsident zuhört, passiert das manchmal –, aber, Herr Kollege Gudenus, es gibt Grenzen. Da lege ich Wert darauf, Kollege Gudenus, daß Sie mir zuhören (Bundesrätin Dr. Riess-Passer spricht mit Bundesrat Mag. Gudenus an seinem Platz), sonst können Sie machen, was Sie wollen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer und Bundesrat Mag. Gudenus führen das Gespräch trotz Aufforderung, zuzuhören, weiter.) Gut, dann nicht, lassen wir es halt. Ich habe Ihnen zugehört, aber Sie haben es anscheinend nicht notwendig. Sie wissen natürlich alles über das Grundwasser und über die "politischen Wildschweine", aber ich sage Ihnen – vielleicht bekomme ich dafür einen Ordnungsruf –: Eine solche beispiellose Schweinerei ist in diesem Haus schon seit Jahren nicht mehr passiert! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Insinuation, daß ein Projekt in Angriff genommen würde, weil irgend jemand mitschneiden wolle, ist eine solche Frechheit, daß man nur sagen kann: Das ist Ihre Denkweise, wahrscheinlich machen Sie es so! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege! Wenn mir jemand vorwirft, daß ich einen legitimen politischen Standpunkt vertrete, weil ich korrupt sei, dann ist das eine Frechheit, und ich rege mich auf! (Bundesrat Dr. Tremmel: Der Lautsprecher ist auf normale Lautstärke eingestellt!) Kollege Gudenus hört nichts, daher muß ich ein bißchen im Tonfall zulegen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Ach so!)

Lassen Sie mich nun folgendes zum Lainzer Tunnel sagen: Ich wohne nicht dort – da hat mich Kollege Himmer in meinem Zwischenruf falsch verstanden – , wo der Tunnel gebaut wird, sondern ich habe viele Jahre meines Lebens an der Verbindungsbahn gewohnt. Wenn irgend jemand Verkehrskonzeptionen ernst nimmt, wenn irgend jemand ernsthaft meint, daß wir den Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern sollten – irgendwie habe ich das Gefühl, daß das die allgemeine Weisheit ist, die wir alle teilen –, dann sage ich als jemand, der zwar heute nicht mehr, aber etwa zehn Jahre hindurch zur betroffenen Bevölkerung gezählt hat, daß selbst dann, wenn eine Tieferlegung möglich wäre, was ich heftig bestreite, das unzumutbar ist, denn es handelt sich in diesem Fall nämlich um eine Verbindungsbahn, die durch dicht verbautes Gebiet geht. Irgendwie habe ich schon das Gefühl, daß viele Kolleginnen und Kollegen keine Ahnung haben, wo das ist (Bundesrätin Mühlwerth: Doch, doch, Sie haben nur nicht zugehört!), also offensichtlich nicht genug Bescheid wissen, sonst würden sie keine Tieferlegung verlangen. Ich rate Ihnen, sich einmal die Topographie dort anzuschauen. Auf der Hietzinger Seite ist heute schon der Einschnitt etwa 40 Meter tief, und wenn man dort noch tiefer gehen soll, dann rutschen die Häuser ab.

Frau Kollegin Mühlwerth! Ich schlage Ihnen vor, das Gebiet dort einmal zu besichtigen. Ich mache Ihnen sogar das Angebot einer "guided tour" (Bundesrätin Mühlwerth: Bitte nicht!), damit Sie wissen, was dort eigentlich los ist. Die Vorstellung, daß man auf einer Strecke von etwa 100 Metern in die Untertunnelung hinunterkommt – dort ist zufällig die Hietzinger Hauptstraße, macht nichts, die quert man dann diagonal von oben auf dem Weg in den Tunnel –, kann man,


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Frau Kollegin Mühlwerth, nur dann vertreten – wie Sie es gemacht haben –, wenn man keine Ahnung hat, wie es dort ausschaut. Ich, der ich dort gewohnt habe, kann Ihnen nur eines sagen: In der heutigen offenen Bauweise ist jede Zunahme des Verkehrs für die Anrainer dort unzumutbar.

Es ist von anderen Sprechern und in der Anfragebeantwortung mit Recht gesagt worden, daß die jahrelange Auflassung dieses Verkehrs, um einmal eine Untertunnelung herzustellen, verkehrstechnisch unmöglich ist. In dieser Zeit müssen wir Wien leider von der Westbahn abkoppeln. Das ist irgendwie nicht ganz das, was dem Verkehrsknoten Wien guttut. Die Lösung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit – ich sage das als Laie und mache daher diese Einschränkung – technisch unmöglich, und sie stellt eine wesentlich größere Anrainerbelästigung dar, als dieser Lainzer Tunnel jemals bewirken könnte. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich sage noch ein Letztes: Ich habe ein Problem damit, wenn hier in einer Art und Weise mit Unwahrheiten operiert wird, sodaß ich mich wirklich frage, ob das gezielte Böswilligkeit oder die Unfähigkeit, Fakten zu erkennen, ist.

Frau Kollegin Mühlwerth hat uns als Beleg dafür, wie wenig in diesem Fall auf die Meinung der Bevölkerung Rücksicht genommen wird, erzählt, daß das Projekt zur Einsichtnahme im Magistratischen Bezirksamt Brigittenau aufgelegen sei.

Frau Kollegin! Das ist, wie so vieles, richtig und falsch zugleich. Wir haben vier eisenbahnrechtliche Genehmigungsverfahren: Einbindung Südbahn, Anbindung Donauländebahn, Verbindungstunnel und Verknüpfung Westbahn. Wenn Sie sich in Wien auskennen, dann ist Ihnen völlig klar, daß die Unterlagen zum zweiten Verfahren Anbindung Donauländebahn im Bezirksamt Brigittenau aufliegen müssen – wo denn sonst?, dort sind nämlich die Betroffenen –, während die anderen sehr wohl im Magistratischen Bezirksamt für den 12. und 13. Bezirk aufgelegen sind.

Frau Kollegin! Das ist so falsch, daß ich tatsächlich nur fragen kann: Haben Sie es nicht begriffen, oder erzählen Sie uns bewußt die Unwahrheit? – Eine dritte Möglichkeit gibt es in diesem Fall nicht, auch wenn Sie noch so traurig dreinschauen. (Beifall bei der SPÖ.) Diese Art, mit Unwahrheiten und Unterstellungen zu operieren, ist eine Methode in der Politik, die ich heftig zurückweise.

Wir haben auch sehr im Gegensatz zu Ihren Behauptungen in einem großen Saal, in dem 1 000 Leute Platz gehabt hätten, eine öffentliche Aussprache in diesem Zusammenhang mit immerhin rund 170 der in Frage kommenden Parteien gehabt, die nicht alle von dem Projekt begeistert waren. Wie immer sind natürlich eher jene hingegangen, die nicht begeistert waren, so pflegt es zu sein bei solchen Diskussionen. Aber genau diese Möglichkeit ist vom Projektbetreiber angeboten worden. Warum behaupten Sie, daß das nicht geschieht?

Da gibt es einen Dialog, da gibt es die Möglichkeit, sich zu äußern, da gibt es alle rechtlichen Garantien eines Genehmigungsverfahrens. Am Ende wird eine Entscheidung stehen, bei der ich die Möglichkeit, daß sie mit meiner Meinung nicht übereinstimmt, durchaus sehe. Kollege Böhm wird das als Rechtsstaatunterworfener auch einräumen, daß er vielleicht nicht recht hat – was ist schon recht haben? –, daß der Verfassungsgerichtshof diese rechtliche Einschätzung nicht teilt. Das ist unsere Position in diesem Verfahren, aber nicht das Operieren mit Unterstellungen und Verdächtigungen.

Da gibt es ein Projekt, dem ich jede verkehrspolitische Notwendigkeit attestiere. Das ist meine Meinung. Das ist ein Projekt, das die Maßgeblichen der Wiener Politik und im übrigen vier der fünf Parteien, wenn ich es richtig sehe, im Wiener Gemeinderat für die Entwicklung dieser Stadt als notwendig erachten.

Es gibt eine breite Bevölkerungszustimmung dort, wo der heutige Zustand die Menschen bis an die Grenzen der Erträglichkeit belastet. Aber ob dieses Projekt kommt, ist in einem Rechtsstaat Gegenstand des Genehmigungsverfahrens und der anhängigen Verfahren. Nichts anderes wird stattfinden. Etwas anderes zu insinuieren, heißt, jenen, die dieses Verfahren abzuwickeln haben,


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eine Verletzung ihrer verfassungsgemäßen Aufgaben zu unterstellen. Ich glaube, daß wir bei solchen Auseinandersetzungen und mit solchen Unterstellungen über die Grenze dessen hinausgehen, was auch in einer scharfen politischen Auseinandersetzung zulässig ist. (Beifall bei der SPÖ.)

15.05


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Windholz. – Bitte.

15.05

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf die Fragen 20 und 21 eingehen, nämlich ob Ihnen erinnerlich ist, daß auch der ÖBB-Generaldirektor vor der drohenden Unfinanzierbarkeit der von der HL-AG betriebenen Bahnbauten warnt und wörtlich erklärte: "Diese Gesellschaften verfolgen eigenständige Ziele, nämlich bauen.", und wann Sie das Wirrwarr im Bahninfrastrukturbereich endlich beseitigen werden.

Die Antworten waren kurz und knapp. Einerseits wurde gesagt, daß in diesem Fall ÖBB-Generaldirektor Draxler keine Kompetenz habe beziehungsweise es kein Wirrwarr gebe.

Ich meine, die Aussagen des ÖBB-Generaldirektors Draxler sind sehr ernst zu nehmen und gehören auch hier mitdebattiert.

Den ÖBB-General stören, wie dem "Wirtschaftsblatt" zu entnehmen ist, vor allem die Prioritäten der Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesellschaft und der für Bau und Planung zuständigen Hochleistungsstrecken AG. Beide werden übrigens in Personalunion vom ehemaligen Ministersekretär Prenner geleitet. Seine Aussage ist, daß beide Gesellschaften eigenständige Ziele verfolgen, nämlich das Bauen, das Bauen um jeden Preis. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesellschaft wurde im Jahr 1996 gegründet, um den Ausbau des Schienennetzes außerbudgetär zu finanzieren. Der Bund garantiert 60 Prozent der aufgenommenen Kredite und sämtliche Finanzierungskosten. Bedient werden sollen diese Schulden durch die Benützungsentgelte, die die Bahnen, also ÖBB, Privatbahn, aber auch private Unternehmungen, die die Schieneninfrastruktur nützen, abliefern. Derzeit bezahlt jedoch lediglich die ÖBB einen Betrag von heuer rund 3,5 Milliarden Schilling.

Schon jetzt haben die ÖBB und die Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesellschaft 70 Milliarden Schilling Schulden angehäuft. Weitere Projekte im Gesamtwert von 143 Milliarden Schilling sind bereits beschlossen. Zuzüglich der Finanzierungs- und Folgekosten ist daher bis zum Jahr 2009 mit einer Gesamtsumme von 400 Milliarden Schilling Schulden zu rechnen.

Da die Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesellschaft vor allem gegründet wurde, um für eine maastrichtkonforme Finanzierung der Eisenbahninvestitionen zu sorgen, muß die Bahn die Hälfte der laufenden Kosten, also zumindest der Zinsen, aufbringen, sonst würde der Schuldenberg der Maastricht-Verschuldung zugeschlagen werden. Bei der Annahme eines 400-Milliarden-Kredites sind pro Jahr auch unter günstigsten Umständen zumindest 20 Milliarden Schilling an Zinsen aufzubringen. Ich glaube, auch diese Argumente gehören mitbetrachtet. Es kann nicht angehen, daß um jeden Preis gebaut wird. (Bundesrat Rauchenberger: Aus welcher Zeitung haben Sie das zitiert?) Das ist ein Interview mit ÖBB-Generaldirektor Draxler im "Wirtschaftsblatt" und stammt vom 14. Mai für den Fall, daß Sie es nicht glauben wollen.

Wenn vorher die Bürgerbeteiligung angesprochen wurde und die Frage der Zufriedenstellung aller Wünsche, so ist für mich klar – ich bin auch ein technischer Laie –: Jedem recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.

Trotzdem: Bei diesem Projekt gehört auch vor dem Hintergrund der zukünftigen Finanzierbarkeit dieser Projekte geprüft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ludwig. – Bitte.

15.09

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Vielleicht noch einmal zur Ausgangslage, die sich in Wien derzeit darstellt durch die Struktur der Eisenbahnwege und die Anordnung der Bahnhöfe in unserer Stadt, die weitgehend auch den Bedürfnissen und Anforderungen der österreichisch-ungarischen Monarchie entsprochen haben und sehr stark geprägt waren von den militärischen Herausforderungen und Bedürfnissen eines Großreiches um die Jahrhundertwende.

Heute stehen wir allerdings vor ganz anderen Herausforderungen, nämlich der Notwendigkeit, daß unser Bahnsystem an die großen transeuropäischen Netze angebunden und auch versucht wird, den Wirtschaftsraum in der Ostregion durch eine Anbindung an europäische Verkehrswege attraktiv zu halten. Diese Hochleistungsstrecken können nur dann für die gesamte Ostregion und auch für Wien interessant sein, wenn es gelingt, sie gewissermaßen in die Stadt hereinzuholen und nicht vor der Stadtgrenze aufzuhalten. Deshalb sind entsprechende Überlegungen notwendig, wie innerhalb der Stadt die großen Bahnhöfe und damit auch die großen Bahnstrecken miteinander verbunden werden sollen.

Durch die Verbindung der West-, der Süd- und in weiterer Folge auch der Ostbahn könnte beispielsweise die Fahrzeit zwischen Wien und Budapest um eine halbe Stunde verkürzt werden. Das würde natürlich eine große Chance bedeuten, Wien als einen wichtigen Bahnknotenpunkt in Europa zu präsentieren, denn wir stehen in diesem Punkt in sehr starker Konkurrenz zu anderen mitteleuropäischen Städten, wie etwa zu Budapest, Bratislava und Prag, vor allem aber auch zu Berlin. Wir werden also gezwungen sein, uns dieser Konkurrenz zu stellen und zu überlegen, wie Wien als attraktiver Verkehrsknotenpunkt in Europa präsentiert werden kann.

Eine Notwendigkeit, um das Konzept der Hochleistungsstrecken auch sinnvoll in der Ostregion und in Wien umsetzen zu können, ist die Entflechtung des Personen- und Güterverkehrs. Der Lainzer Tunnel stellt eine großartige Lösung dar, denn dank dieses Lainzer Tunnels wäre es möglich, den Güterverkehr weitgehend unter der Erde abzuwickeln und für den Personenverkehr über der Erde neue Möglichkeiten zu eröffnen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. )

Frau Kollegin Mühlwerth! Ich war selbst lange Zeit Bezirksrat in einem Bezirk in Wien. Deshalb weiß ich, wie notwendig es ist, die Anrainerinteressen zu vertreten und daher alle Möglichkeiten, die sich durch den Bau des Lainzer Tunnels ergeben, auch für die Anrainer zu nutzen, beispielsweise durch eine Reduzierung der Intervalle der Schnellbahn. Die Stadt Wien bemüht sich beispielsweise in Verhandlungen mit der ÖBB, die Schnellbahnintervalle auf 15 Minuten zu verkürzen. Das ist allerdings erst dann möglich, wenn der Güterverkehr unter die Erde verlegt wird, denn logistisch ist es derzeit nicht möglich, das sehr hohe Aufkommen im Bereich des Güterverkehrs mit dichteren Intervallen im Schnellbahnverkehr zu kombinieren.

In der Folge gäbe es auch große Vorteile für die Anrainer, beispielsweise in der Verbesserung der Intervalle der Schnellbahn, aber auch anderweitige Verbesserungen, etwa neue Haltestellen im Bereich der Hietzinger Hauptstraße. Auch das wäre ein großer Vorteil für die Anrainer in diesem Bezirk. Ein weiterer großer Vorteil für alle Bewohnerinnen und Bewohner jener Bezirke – vor allem jener Hietzings – wäre der Umstand, daß der Güterverkehr nicht mehr über der Erde abgeführt und vor allem auch nicht mehr in der Nacht durchgeführt wird. Man muß sich die Situation folgendermaßen vorstellen: Tag und Nacht rollt der Güterverkehr durch diese Bezirke. Diese Situation wäre dann nicht mehr gegeben, weder als allgemeines Umweltproblem noch als Problem für die Anrainer. Der Güterverkehr wäre unter die Erde verlagert, damit wäre gleichzeitig eine verbesserte Umweltverträglichkeit gegeben und in der Folge eine grundsätzliche Verbesserung der Situation der Anrainer in diesen Bezirken.

Die Verbesserung für den Individualverkehr hat mein Kollege Konečny schon angesprochen. Sie kennen vielleicht die Situation in Hietzing und wissen, daß es durch das starke Verkehrsauf


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kommen, vor allem im Güterverkehr, auch für Autofahrer immer wieder zu Problemen kommt. Denn vor den geschlossenen Bahnschranken entstehen regelmäßig Staus, die den Individualverkehr beeinträchtigen. In der Folge schafft dies für die Anrainer weitere Umweltprobleme. Der Lainzer Tunnel würde also aus vielen Gründen, die ich nun genannt habe, eine Verbesserung der Anrainer- und eine Verbesserung der Umweltsituation bedeuten.

Dessen ungeachtet ist aber selbstverständlich, daß während der Bauzeit besondere Maßnahmen zu ergreifen sind. Denn in der Tat ist es so, daß der Lainzer Tunnel mit einer Länge von 15,4 Kilometern das viertgrößte Projekt in der Geschichte des Eisenbahnbaues in Österreich darstellen würde. Alle Anbindungen miteingerechnet handelt es sich sogar um mehr als 25 Kilometer. Das bedeutet auch große Aushubarbeiten während der Bautätigkeit. Wir haben aber seitens der Stadt Wien sehr darauf geachtet, daß es zu keinen unnötigen Belastungen für die Bevölkerung kommt. Deshalb haben wir mit dem Bauträger vereinbart, daß von den insgesamt mehr als einer Million Kubikmetern Erde, die ausgehoben werden, mindestens die Hälfte unmittelbar für den Bau von Lärmschutzeinrichtungen eingesetzt wird, dieser Aushub muß daher auch nicht wegtransportiert werden; die zweite Hälfte wird vor allem mit der Eisenbahn, also umweltverträglich, abtransportiert.

Natürlich wird es während der Bauzeit zu Beeinträchtigungen kommen, das ist richtig. Daher ist besonders darauf zu achten, daß diese Beeinträchtigungen minimiert werden. Aber langfristig gesehen bringt der Lainzer Tunnel für die Anrainer viele Vorteile, vor allem auch was die Möglichkeiten der Reduzierung der Intervalle bei der Schnellbahn betrifft.

Frau Kollegin Mühlwerth! In der Folge seien mir noch einige Anmerkungen zu Ihrer Bemerkung, die Bevölkerung wäre zu wenig informiert gewesen, gestattet. Ich habe mir in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nur einige Punkte notiert, wie in den letzten Jahren versucht wurde, in einem Stufenplan schrittweise unter Einbeziehung verschiedenster Bevölkerungsteile laufend über die Projektentwicklung zu informieren. Das beginnt mit der laufenden Medienarbeit – mit Inseraten und Gesprächen in den Tageszeitungen – und reicht bis zu Pressekonferenzen anläßlich von Ausstellungen, die in diesen Gebieten in den Bezirksämtern des 12. und 13. sowie des 14. Bezirkes gezeigt wurden, und Informationsveranstaltungen, über die auch Kollege Konečny schon gesprochen hat.

Ich bin Vorsitzender der Wiener Volkshochschulen und weiß daher, daß in der Volkshochschule Hietzing mehrere dieser Informationsveranstaltungen unter sehr starker Beteiligung der Bevölkerung stattgefunden haben. Es hat aber auch laufend schriftlichen, telefonischen und persönlichen Kontakt zwischen dem Bauträger und der Bevölkerung gegeben. Ich habe mir einmal zusammenschreiben lassen, wie viele Kontakte dies waren – es waren mehr als 5 000 Kontakte! Es hat auch die Einrichtung von Ombudsmännern gegeben, das heißt Ansprechpartnern, die für die Sorgen und Nöte der Bevölkerung ein offenes Ohr gehabt haben. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sieht die Bevölkerung nicht so!) Sie haben immer nur einen sehr kleinen Ausschnitt der Gesamtbevölkerung im Auge und eine sehr selektive Wahrnehmung der Wünsche der Bevölkerung, wenn man so will. (Beifall bei der SPÖ.) Man kann sich nicht nur an jenen Bevölkerungsteilen orientieren, die einem gerade in den Kram passen. (Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. )

Im Unterschied zu Ihnen habe ich öfter an derartigen Veranstaltungen teilgenommen, so zum Beispiel auch in der Volkshochschule Hietzing in der Hofwiesengasse. So weiß ich auch, daß die Diskussionen oft sehr kontroversiell geführt wurden, daß aber dennoch die Bereitschaft, sich mit dem Projekt auseinanderzusetzen, in der Bevölkerung gestiegen ist. Das ist erfreulich.

Ebenso erfreulich ist, daß auch die Zustimmung zum Lainzer Tunnel zunehmend Unterstützung erhält. Das führe ich unter anderem auf die Informationstätigkeit und den laufenden Kommunikationsprozeß zurück. Es hat eine eigene Zeitung gegeben, die bis jetzt neunmal erschienen ist – zurzeit ist sie zum zehnten Mal in Ausarbeitung –, die "Lainzer-Tunnel-Anrainerinformation", die ebenfalls laufend über den Stand des Projektes berichtet hat und den Anrainern die Möglichkeit geboten hat, ihre Standpunkte miteinfließen zu lassen.


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Ich wollte dies in aller Kürze auch deshalb anmerken, weil Großprojekte natürlich immer auch Probleme mit sich bringen. Ich habe aber den Eindruck gewonnen, daß gerade das Projekt des Lainzer Tunnels vorbildhaft gezeigt hat, wie sinnvoll es ist, die Bevölkerung miteinzubeziehen, und zwar sowohl in die Planungsphase als auch in die Entscheidungsphase. Dies scheint mir in diesem Fall in umfassendem Ausmaß gelungen zu sein.

Ganz zum Schluß noch eine Anmerkung zu Ihrem Entschließungsantrag, dem Entschließungsantrag der Freiheitlichen Partei. Wir Sozialdemokraten werden dem Entschließungsantrag deshalb nicht zustimmen können, weil die Beantwortung der dringlichen Anfrage an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr durch den Bundesminister für Justiz sehr umfassend war und alle fraglichen Punkte meiner Meinung nach sehr klar dargelegt wurden. Deshalb wird sich dieser Entschließungsantrag für uns erübrigen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Königshofer. – Bitte.

15.19

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Bevor ich in medias res gehe, möchte ich zunächst auf die Argumente von zwei Vorrednern eingehen, denn auch wir Freiheitlichen lassen uns nicht alles gefallen, was uns an den Kopf geworfen wird.

Zuerst möchte ich auf das Argument des Kollegen Himmer eingehen, daß wir in bezug auf den Bürgerwillen und die Bürgerrechte eine merkwürdige Art der Vorgangsweise hätten: daß es da Bürger gebe, die gegen ein Projekt seien – das seien unsere Bürger –, und um die anderen Bürger, deren Einstellung man nicht kenne und die vielleicht dafür seien, kümmere man sich nicht.

Sie können Herrn Kollegen Himmer – da er sich derzeit nicht im Saal befindet – ausrichten, daß mich diese Argumentation an die Diktion des früheren Bundeskanzlers Kreisky im Zusammenhang mit dem Konferenzzentrum erinnert. Denn damals hat Kreisky auch gesagt: 25 Prozent der Wahlberechtigten haben gegen das Konferenzzentrum unterschrieben, sie wollen es nicht. Aber die anderen 75 Prozent sind auch noch da. Sie haben nicht unterschrieben, sie wollen es offensichtlich haben, und deshalb wird es gebaut. Meine Damen und Herren! Über die Qualität solcher Aussagen und einer solchen Debatte wird noch lange diskutiert werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man muß hinhören, was der Bürger will. Wenn die Bürger ein Problem haben, dann werden sie sich artikulieren, so wie damals beim Konferenzzentrum. Eine Partei und eine Regierung haben nun einmal hinzuhören und sich um die Sorgen und Anliegen der Bürger zu kümmern.

Ich möchte aber auch noch auf die Aussagen des Herrn Kollegen Drochter eingehen. Anscheinend ist ihm der Fall Rosenstingl ein ganz besonderes Anliegen, weil er ihn immer wieder erwähnt (Bundesrat Pfeifer: Sicher nicht! Das ist ihm kein Anliegen!), so wie viele SPÖ-Mandatare den Fall Rosenstingl als politischen "Dauerlutscher" benützen und ihn immer wieder im Mund führen, wenn ihnen die anderen Argumente gegenüber den Freiheitlichen ausgehen.

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Ich erinnere Sie jetzt ernsthaft an Ihre eigene Ahnengalerie: Denken Sie an den früheren Herrn Bundeskanzler Sinowatz: rechtskräftig verurteilt wegen falscher Beweisaussage vor Gericht. Denken Sie an Ihren Ex-Finanzminister Androsch: rechtskräftig verurteilt wegen Steuerhinterziehung. Wo gibt es das in einem anderen Land, daß ein Finanzminister wegen Steuerhinterziehung verurteilt ist? (Bundesrat Pfeifer: Und jetzt können Sie sich selber dazuzählen!) – Denken Sie an Minister Sekanina, denken Sie an Stadtrat Braun – um nur die wichtigsten dieser Herrschaften zu nennen. Die weitere Listung können Sie beim zuständigen Bundesminister erfahren. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Pfeifer: Sinowatz mit Rosenstingl zu vergleichen, das ist schon stark! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Nun, meine Damen und Herren, in medias res: Ich möchte auf die Beantwortung von zwei Fragen eingehen, zunächst auf die Frage 21. Da geht es um das Wirrwarr im Bahninfrastrukturbereich, und darüber hat der Herr Minister in der ihm vorgegebenen Antwort uns von den Beamten des Ministeriums ausrichten lassen, daß es dort kein Wirrwarr gebe und daß die einzelnen Gesellschaften – Bundesbahn, HL-AG, BEG, SchIG und so weiter – sehr wohl ganz konkrete Aufgaben kompetent zu erfüllen hätten. Meiner Erinnerung nach ist Herr Bundesminister Dr. Einem selbst nicht ganz dieser Meinung, da er in einer der letzten Sitzungen in diesem Hause gesagt hat, daß er an eine Zusammenführung dieser Gesellschaften denkt, weil sie weitgehend ähnliche oder gleiche Aufgaben erfüllen, nämlich den Bau von Eisenbahninfrastruktur.

Ich ziehe daraus den Schluß, daß sich der Herr Minister mit seinen Beamten im Ministerium noch nicht ganz "grün" ist und daß man sich wahrscheinlich erst darüber zusammenraufen muß, was man letztendlich macht. Die Vorgangsweise des Herrn Ministers war recht deutlich, daß er den Herrn Ing. Brenner in jede dieser Gesellschaften hineingesetzt und somit in Form einer Personalunion einfach eine Vereinheitlichung herbeigeführt hat. Ich denke, da wird sich noch einiges bewegen, und der Minister ist so wie wir der Meinung, daß es sinnvoll wäre, die ganze Sache zusammenzufassen, sodaß eine Gesellschaft für die Infrastruktur und deren Ausbau zuständig ist.

Die Antwort auf Frage 24 hat mir ebenfalls zu denken gegeben. Da wurde gefragt: Welche Konsequenzen werden Sie aus den Aussagen des Zeugen Maculan, daß es beim U-Bahn-Bau Preisabsprachen gegeben habe, ziehen? – Man hätte sich als Antwort erwartet: Wenn schon solch ein Verdacht im Raum steht, wird man da die Ausschreibungsbedingungen besonders genau einhalten, auf die Erfüllung der Bedingungen achten und so weiter. Die Antwort war lapidar, sie lautete: Dabei handelt es sich um ein laufendes Verfahren, da wollen wir nicht eingreifen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist keine Antwort!) Ich meine, das ist uns zuwenig, und es wird vielleicht auch Ihnen, Herr Minister, als dem zuständigen Minister für Justiz zuwenig sein.

Nun zu einem anderen Punkt. Durch die Verhinderung des Herrn Ministers Dr. Einem haben wir das Vergnügen, Sie heute hier im Hohen Haus begrüßen zu dürfen. Ich nehme das wie Kollege Gudenus mit Genugtuung zur Kenntnis, weil sich das Thema, das ich ansprechen möchte, nicht so sehr mit bau- und bahntechnischen Belangen beschäftigt, sondern eher mit juridischen und strafrechtlichen Dingen. Ich möchte nämlich die Causa der Preisabsprache bei öffentlichen Bauten ansprechen. Es gibt in dem Bereich neue Erkenntnisse, es gibt neue Sachverhalte, und da können wir als Opposition die Regierung und insbesondere Sie als Justizminister, der Sie hier sind, nicht ganz aus der Ziehung lassen.

Eine neue Erkenntnis liefert auf alle Fälle das aktuelle Interview von Alexander Maculan im "profil" vom 28. September dieses Jahres. Ich erlaube mir – mit Zustimmung der Frau Präsidentin –, daraus zu zitieren. Es heißt darin wörtlich – Zitat Maculan –: "Die Bauindustrie hat sich die ganzen Jahre über im U-Bahn-Bau abgestimmt. Das wissen auch alle Zuständigen, und das hat auch die gesamte europäische Baubranche gewußt" – siehe da! –, "die daher nie bei den Projekten ernstlich mitgeboten hat." "profil" weiter: "Damit widersprechen Sie dem Vibö-Präsidenten, der gleichzeitig auch Generaldirektor des Baukonzerns Porr ist, eindeutig. – Maculan: Die Vibö ist in den letzten Jahren unter Pöchhacker immer so geführt worden, daß Auftragsvergaben in eine bestimmte Richtung laufen. Porr war überhaupt im U-Bahn-Bau die meistbeschäftigte Firma." Weiter "profil": "Können Sie für Ihre schwerwiegenden Anschuldigungen Beispiele nennen?" Dazu Maculan weiter unten: "Sie werden da immer nur auf drei Baufirmen stoßen: Porr, Universale und Eberhardt." – Ende des Zitats.

Das habe ich deshalb so lange zitiert, weil diese Aussagen einen Staatsanwalt unmittelbar interessieren müßten. Was meint Maculan damit, daß "alle Zuständigen" das gewußt haben? Meint Maculan damit offensichtlich auch die Beamten, die für die Vergabe öffentlicher Aufträge zuständig sind?

Meine Damen und Herren! Wenn das so ist, dann steht hier ein riesiger Korruptionsverdacht im Raum. Herr Bundesminister! Es besteht daher für diese Regierung ein dringender Handlungsbedarf. Man müßte die Staatsanwaltschaft einschalten, man müßte eine Rechnungshofkontrolle


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beantragen, man sollte sich auch überlegen – das sollten sich auch die Regierungsparteien im Parlament überlegen –, ob man nicht einen Untersuchungsausschuß einsetzen sollte. Ich werde am Ende meiner Rede ausführen, worum ich das für notwendig halte.

Immerhin – das ist ein neuer Sachverhalt – hat die Stadt Wien jetzt einen Schritt gesetzt. Dazu lese ich in der heutigen Ausgabe der Zeitung "Die Presse" – ich darf zitieren –: "Massive Hinweise auf Preisabsprachen für die Straßenbaustelle Europaplatz im Jahre 1992 führten nun zur Sperre von 15 der größten Baufirmen im Auftragnehmerkataster der Stadt Wien. Betroffen sind: Teerag-Asdag, Universale, Allbau, Asphalt&Beton, Pittel & Brausewetter, Stuag, Lenikus, Mayreder, Kraus, Leithäusel, Strabag, Brandstetter, Swietelsky, AG für Bauwesen und Richard Felsinger." – Ende des Zitats.

Ich habe deshalb alle vorgelesen, weil mir unter diesen 15 genau zwei Namen fehlen, und zwar die Firmen Porr und Eberhardt, jene Firmen, die Herr Maculan in seinem Interview angesprochen hat. Meine Damen und Herren! Ist das Zufall, oder gibt es hier irgendwelche Einflüsse? – Das ist hier die Frage! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. )

Aber nun zu ganz konkreten Fakten und Zahlen. Warum halten wir Preisabsprachen, Korruption und andere Unregelmäßigkeiten vor allem im Bereich der öffentlichen Bauwirtschaft für ein ganz eminentes Problem? – Deshalb, weil es hier um Größenordnungen geht, die sich – als Venedig-Fan erlaube ich mir diesen Vergleich – nicht auf dem Canale Piccolo, sondern auf dem Canale Grande bewegen.

Ich habe mir das Statistische Jahrbuch der Republik Österreich aus dem Jahre 1997 besorgt und habe darin auf Seite 292 eine recht interessante Statistik gefunden. Diese möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Es geht um die Größenordnungen der Unternehmen und Umsätze aus Bautätigkeit 1994 – das sind Zahlen aus 1994, offensichtlich hatte man 1997 noch keine neueren –, und daraus ersieht man folgendes: Im öffentlichen Hochbau erzielte die Bauindustrie 1994 österreichweit Umsätze in der Höhe von rund 4,7 Milliarden Schilling – darin sind die 8,9 Milliarden Schilling Umsatz des Baugewerbes nicht enthalten –, im öffentlichen Tiefbau betrugen die Umsätze der Bauindustrie 1994 rund 15 Milliarden Schilling. Wenn man das zusammenzählt, ergeben sich für ganz Österreich rund 20 Milliarden Schilling an Umsätzen.

Wenn Sie das über die Jahre ausdehnen, dann handelt es sich, wenn wir einen Zeitraum von zehn Jahren annehmen, um ein Umsatzvolumen von etwa 200 Milliarden Schilling. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Gehen wir davon aus, daß es Überfakturierungen oder überhöhte Preise im Ausmaß von nur 5 Prozent gegeben hat, so handelt es sich bereits um einen Schaden in der Höhe von 10 Milliarden Schilling. Das können Sie mit dem Taschenrechner jederzeit nachrechnen, Herr Kollege! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Das ist nur ein Rechenbeispiel. Ich komme gleich auf die Mitbewerber zu sprechen. Ich will damit nur sagen: Das sind die Größenordnungen.

Meine Damen und Herren! Das ist deshalb keine Kleinigkeit, betrifft es doch Gelder aus öffentlichen Haushalten, also Steuergelder der österreichischen Bürger. Solche Machinationen stellen einen Betrug nicht nur am Bürger dar, sondern eben auch an den Mitbewerbern, die Sie angesprochen haben, vor allem an den kleineren und mittleren Betrieben der österreichischen Bauwirtschaft. Wenn man der Sache eingehend nachgeht, dann müßte auch geklärt werden, wie viele Insolvenzen im Baubereich auf derartige betrügerische Manipulationen zurückzuführen sind.

Meine Damen und Herren! Sie wissen, wie viele Insolvenzen es in Oberösterreich, Salzburg, Tirol und so weiter – in Niederösterreich wahrscheinlich auch – im Baubereich gegeben hat. (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. ) Das waren kleinere und mittlere Betriebe. Ich sage Ihnen eines: In Tirol sah man vor 10, 20 Jahren – außer beim Autobahnbau – nur wenige Wiener Baufirmen. Heute verschwinden immer mehr kleine und mittlere Tiroler Betriebe, dort ansässige Betriebe, und Sie sehen auch dort immer öfter die Tafeln der Großfirmen Universale, Porr und so weiter. Das ist ein Verdrängungswettbewerb, der, wenn er so geführt wurde – mit diesen Mitteln –, mit unfairen Mitteln geführt wurde. (Bundesrat Steinbichler: Und wie viele


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werden neu gegründet? Seien Sie doch ehrlich! – Bundesrätin Mühlwerth – zu Bundesrat Steinbichler –: Hör doch auf! Red nicht soviel dummes Zeug daher!)

Meine Damen und Herren! Betrug im Bereich öffentlicher Aufträge, Korruption und damit unfaire Wettbewerbsbedingungen stellen nicht nur ein volkswirtschaftliches, sondern vor allem auch ein staatswirtschaftliches, ein staatspolitisches Problem dar. Die Bürger verlieren durch solche Verhaltensweisen das Vertrauen in ihren Staat. Es ist der Staat der Bürger, den sie als ihren empfinden, und sie verlieren das Vertrauen in die Organe dieses Staates. Letztendlich führt das zu einer weitgehenden und weitverbreiteten negativen Rechts- und Steuermoral, das sehen wir auch heute wieder. Diese Moral, diese negative Rechts- und Steuermoral, ist existenzbedrohend für jeden Staat.

Herr Bundesminister! Sie sind der zuständige Minister für Justiz. Ich ersuche Sie: Setzen Sie sich in der Regierung dafür ein, daß Maßnahmen zur Aufklärung dieser schwerwiegenden Verdachtsmomente ergriffen werden. Denn mit solchen Vorwürfen und Verdächtigungen, Herr Minister, wird diese Regierung, werden die betroffenen Beamten und werden vor allem auch die darin involvierten Baufirmen auf Dauer nicht leben können. Sorgen Sie dafür, daß der Rechtsstaat in diesem Bereich nicht als zahnloser Tiger agiert!

Nun zurück zum Lainzer Wildschweintunnel. Ich darf in diesem Zusammenhang den Entschließungsantrag, der schon aufgelegt wurde, einbringen. Weil die Beantwortung der gegenständlichen dringlichen Anfrage die Befürchtungen nicht zerstreuen konnte, stellen die unterzeichneten Bundesräte folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Bundesräte DDr. Franz Werner Königshofer, Monika Mühlwerth und Kollegen betreffend Wildschweintunnel

Der Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr wird aufgefordert, das Projekt Lainzer Tunnel zumindest so lange ruhen zu lassen, bis

a) alle Genehmigungen vorliegen und

b) die bei Höchstgerichten anhängigen Verfahren entschieden sind sowie

c) sichergestellt ist, daß die Auftragsvergaben ordnungsgemäß abgewickelt wurden.

*****

Meine Damen und Herren! Als rechtstreue Bürger und Abgeordnete dieses Staates und dieses Hauses dürfte es für Sie kein Problem darstellen, diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der Antrag der Bundesräte Dr. Königshofer und Kollegen ist entsprechend unterstützt. Er steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. Ich darf ihn aber darauf hinweisen, daß ihm für seinen Redebeitrag nur noch 5 Minuten zur Verfügung stehen. Denn 15 Minuten lang haben Sie schon gesprochen.

15.35

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sollte ich in meinem Debattenbeitrag die eine oder andere Personengruppe so getroffen haben, daß Sie es für nicht tragbar erachten, bitte ich dafür sehr um Entschuldigung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Ich weiß, daß ich das eine oder andere Wort in einem Zusammenhang vorgebracht habe, in dem es durchaus möglich ist, daß sich mancher meiner Kollegen – auch von denjenigen, die vielleicht nicht hier sind oder an und für sich überhaupt nicht in diesem Raum tätig sind – betroffen fühlen könnte. Auch dafür möchte ich mich entschuldigen.

Ich muß es leider zur Kenntnis nehmen – aber ich würde es lieber nicht zur Kenntnis nehmen –, daß mich Kollege Konečny – er ist jetzt leider nicht hier – mit sehr lautstarker Stimme mit "der Gudenus, der hört nichts" apostrophiert hat. Das muß ich umlegen wie: Gudenus ist terrisch und ist eigentlich ein Ohrenkrüppel. – Das finde ich unkollegial im wahrsten Sinne des Wortes, und es trifft mich persönlich sehr stark. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Das haben Sie gesagt!)

15.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Königshofer und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Wildschweintunnel vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit der Stimmen.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung ist damit abgelehnt.

Besprechung der Anfragebeantwortung 1286/AB-BR/98

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Besprechung der schriftlichen Anfragebeantwortung 1286/AB aus dem Jahr 1998 des Herrn Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft.

Da die Anfrage und die dazugehörende Anfragebeantwortung inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Bevor aber dem ersten Redner beziehungsweise der ersten Rednerin das Wort erteilt wird, mache ich darauf aufmerksam, daß gemäß § 60 Abs. 5 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Windholz. – Bitte.

15.38

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 4. Juni wurde von mir eine Anfrage an den Bundesminister gerichtet, die auch beantwortet wurde. Dabei geht es im Kern um eine Problematik im öffentlichen Dienst beziehungsweise um eine Vorgangsweise im Landwirtschaftsministerium, die meiner Ansicht nach nicht korrekt ist.

Für Spitzenbeamte in einem Ministerium – das sind Sektionschef, Sektionsleiter und Abteilungsleiter – ist im Gehaltsgesetz im § 121 eine Zulage für Mehrleistungen fixiert. Das bedeutet, im Unterschied zu anderen Bediensteten, an welche Überstundenzahlungen erfolgen, wird in diesen Fällen die Mehrleistung mit einer Zulage abgegolten.

Meine Anfrage umfaßt einen Fragenkatalog von acht Punkten. Zwei Punkte, und zwar Punkt 2 und Punkt 6 letzte Frage, wurden, wie ich meine, vom Bundesminister völlig unzulänglich beantwortet. Konkret habe ich dabei angefragt, wie hoch die durchschnittliche monatliche Überstundenvergütung in den letzten zwei Jahren war beziehungsweise wie hoch die Überstundenent


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gelte oder Zulagen für Sonn- und Feiertagsarbeiten dieser Bediensteten in den letzten zwei Jahren waren.

Geantwortet wurde auf die Frage 2 folgendermaßen: "Beide Bediensteten erhalten eine pauschale Abgeltung ihrer zeitlichen Mehrleistungen in dem vom Bundesminister für Finanzen festgelegten Ausmaß." Und auf die Frage 6 lautete die Antwort: "Die zeitlichen Mehrleistungen dieser Beamten werden daher durch Überstundenvergütungen nach § 16 Gehaltsgesetz durch Sonn- und Feiertagsvergütungen gemäß § 17 abgegolten. Die Überstundenentgelte richten sich nach den tatsächlich geleisteten zeitlichen Mehrleistungen."

Da stellt sich die Frage: Warum werden diese Punkte nicht beantwortet? – Mittlerweile liegen mir neue Unterlagen vor. Der Minister hat zugegeben, daß es in seinem Hause drei Bedienstete gibt, die zum Beispiel in der Stabsstelle EU-Koordination verwendet werden und nicht die Zulage nach § 121 beziehen, sondern Überstunden verrechnen.

Bei einem dieser drei wurden im Jahre 1997 insgesamt Beträge in der Höhe von 302 309 S an Überstundenentgelten und Sonn- und Feiertagszulagen ausbezahlt. Ich meine, daß diese Vorgangsweise rechtswidrig ist.

Es liegt mir weiters ein Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen, Abteilung VII, vor, und zwar unter der Geschäftszahl 923000. Ich darf daraus wie folgt zitieren:

Der Begriff "gebührt" bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß die Dienstbehörde bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die vorgesehenen Abgeltungen leisten muß und dies nicht mehr in ihrem Ermessen liegt. Es liegt aber auch nicht in der freien Entscheidung des betroffenen Bediensteten, eine Wahl zwischen der Einzelvergütung und einer Pauschalabgeltung für Überstunden zu treffen, da die gesetzlichen Voraussetzungen für diese beiden Möglichkeiten der Entschädigung für zeitliche Mehrleistungen im Gehaltsgesetz in exakter Weise definiert sind. – Zitatende.

Weiters weist das BKA in seiner Stellungnahme noch darauf hin, daß die Abgeltung einer Leitungsfunktion im Wege einer Überstundenvergütung gesetzwidrig ist und daher im Widerspruch zu den Vorschriften des Gehaltsgesetzes steht.

Man kann natürlich die Meinung vertreten, daß es eben eine Fehlleistung gab, im besoldungsrechtlichen Bereich falsch entschieden wurde, das passiert ist und korrigiert werden wird. Es kommt bei dieser Anfragebeantwortung jedoch noch ein weiteres Faktum hinzu, aufgrund dessen ich annehmen muß, daß bei der teilweisen Nichtbeantwortung dieser Umstand bereits bekannt war.

Herr Minister! In Ihrem Hause wurde unter Geschäftszahl 37996/1992 in der gleichen Sache bereits einmal entschieden, und zwar wurde darauf hingewiesen, daß durch eine Verwendungsabgeltung alle Mehrleistungen, also Überstunden, abgegolten werden und daß es mangels Rechtsgrundlage auch nicht möglich ist, anstelle einer Verwendungsabgeltung eine Überstundenvergütung zu bezahlen. Richtigerweise wird daher noch ausgeführt, daß der Tatbestand, der den Anspruch auf eine Verwendungsabgeltung begründet, den Anspruch auf eine Überstundenvergütung kraft Gesetzes ausschließt. – So wurde in Ihrem Hause bereits im Jahre 1992 entschieden.

Herr Bundesminister! Ich kann Ihnen daher den Vorwurf nicht ersparen und gehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, daß Sie in dieser Anfragebeantwortung ganz bewußt versucht haben, zu vertuschen, zu verharmlosen und zu verniedlichen. Gerade in Ihrem Ressort ist festzustellen, daß im Vergleich zu anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes, in denen überall der Sparstift angesetzt wurde – nachhaltig auch aufgrund der Sparpakete; nur bei Ihnen gilt das alles anscheinend nicht –, keineswegs gespart wird.

Ihr Ministerbüro hatte am 1. Jänner 1994 zwölf Bedienstete, davon vier Akademiker. Damals wurde angekündigt, Personal einzusparen und den Personalstand einzufrieren. – Zum Vergleich: Am 1. Mai 1995 hatten Sie bereits14 Bedienstete, davon fünf Akademiker. Seit wir bei


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der EU sind, wurde gerade im öffentlichen Bereich massiv eingespart; besonders seit damals! Nur in Ihrem Bereich nicht. Am 30. Jänner 1998 gab es in Ihrem Ministerbüro 18 Bedienstete, davon sieben Akademiker. – Das ist eine gravierende Aufstockung!

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Antrag

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen gemäß § 60 Abs. 6 GO-BR

Der Bundesrat wolle gemäß § 60 Abs. 6 GO-BR beschließen, daß die Anfrage 1286/AB-BR/98 zu 1389/J-BR/98 der Bundesräte Windholz und Kollegen betreffend überhöhte Bezüge im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, eingelangt am 28. Juli 1998, nicht zur Kenntnis genommen wird.

*****

Im übrigen darf ich Sie davon in Kenntnis setzen, daß dem Vernehmen nach wegen begründeten Verdachts auf Amtsmißbrauch bereits eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der soeben verlesene Antrag wurde ordnungsgemäß eingebracht. Er ist ausreichend unterstützt und steht selbstverständlich mit in Verhandlung.

Ich möchte aber schon darauf hinweisen, daß soeben mündlich beantragt wurde, die Anfrage nicht zur Kenntnis zu nehmen. – Ich überlasse das Ihnen. Dieser Antrag steht jedenfalls mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesminister. – Bitte.

15.47

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Frau Vizepräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Diese Anfragebesprechung gibt mir die Möglichkeit, manches richtigzustellen.

Erstens: Die Anfragebeantwortung vom 22. Juli 1998 auf Ihre Anfrage vom 4. Juni 1998, Herr Bundesrat, ist absolut korrekt und entspricht den Tatsachen. Daß ich Fragen nicht beantworte, die nicht gestellt wurden, liegt in der Natur der Sache, weil nur Fragen beantwortet werden können, die gestellt wurden. (Beifall bei der ÖVP.)

Zweitens: Meine Damen und Herren! Wenn Sie, Herr Bundesrat, die Fragen 2 und 6 mit den Antworten vergleichen, dann mache ich Sie darauf aufmerksam, daß Sie in der Frage 2 und in der Frage 6 zwei unterschiedliche Personenkreise abgefragt haben und sich daher klarerweise auch die Antworten auf diese zwei Personenkreise beziehen.

Drittens halte ich fest, daß die im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft getroffene Vorgangsweise mit dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium für Finanzen abgestimmt ist. Die Tatsache, daß Sie aus etwas zitieren, was aus dem Jahre 1992 stammt und einen gänzlich anderen Sachverhalt zur Grundlage hat, ist keineswegs ein Umstand, der Ihre Argumentation unterstützt. Wo ist der Unterschied? – Ein Beamter, der eine Abteilung, eine Gruppe oder eine Sektion leitet, bekommt tatsächlich für seinen Mehraufwand die Verwendungszulage, das Pauschale, das diesen Mehraufwand abgilt.

Das Problem und die Frage ist: Was geschieht bei einer Mischverwendung, wenn jemand Leiter einer Abteilung ist und einer anderen Organisationseinheit des Ministeriums ebenfalls zugeteilt ist, in diesem Fall dem Büro des Bundesministers? – In diesem Fall ist die Rechtsansicht des Bundeskanzleramtes, des Finanzministeriums und des Landwirtschaftsministeriums klar: Es


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wird die überwiegende Tätigkeit abgegolten, und zwar in diesem Fall durch Überstunden, was in der Logik eine Verwendungszulage ausschließt. – Ich betone: eine Verwendungszulage ausschließt! Daher sehe ich der von Ihnen erwähnten Sonderprüfung des Rechnungshofes, die vergangene Woche von geschäftsordnungsgemäß 20 Abgeordneten des Nationalrates in dessen Plenum beantragt wurde, respektive dem Ergebnis dieser Prüfung mit gutem Gewissen entgegen.

Ich darf hinsichtlich des Personalaufwandes des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft für mich in Anspruch nehmen, daß sich das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft strikte an die Vorgaben, die die Bundesregierung hinsichtlich des Personalaufwandes getroffen hat, hält.

Ich sehe daher – aber ich bin für die Information dankbar; man erfährt ja immer etwas Neues, wenn man im Hohen Haus ist – auch einer allfälligen Prüfung durch die Staatsanwaltschaft gelassen entgegen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.51

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster Redner gelangt Herr Bundesrat Bieringer zu Wort. – Bitte.

15.51

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Windholz hat bereits gesagt, daß er und Kollegen von ihm am 4. Juni an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft eine Anfrage gerichtet haben, die der Herr Bundesminister am 22. Juli ordnungsgemäß – das möchte ich ausdrücklich festhalten – beantwortet hat.

Am 18. September haben die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Haider, Mag. Stadler, Apfelbeck und Kollegen gemäß § 99 der Geschäftsordnung des Nationalrates mit 20 Unterschriften einen Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung des Rechnungshofes gestellt. Dies ist also ein laufendes Verfahren.

Es war bisher in solchen Fällen nicht üblich, während der Recherchen des Rechnungshofes hier im Parlament weitere parlamentarische Schritte zu setzen. Die Frage muß daher gestattet sein, ob mit diesem Verlangen nach Durchführung einer Besprechung einer Anfragebeantwortung gemäß § 60 der Geschäftsordnung des Bundesrates nicht auf die Ermittlungen des Rechnungshofes eine Art Druck oder sonst irgend etwas ausgeübt werden soll. (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Riess-Passer. ) Oder soll wieder einmal der Eindruck eines Skandälchens erweckt werden, liebe Frau Kollegin Riess? Ich habe gefragt, ob der Eindruck erweckt werden soll; das müßt ihr wissen, weil ihr die Eindruckerwecker seid. (Bundesrat Dr. Tremmel: Ist es eines?)

Ich weigere mich daher, namens meiner Fraktion auf den Inhalt und die Sache einzugehen. Warten wir ab, was der Rechnungshof ermittelt. Allein die Klarstellungen des Herrn Bundesministers zeigen einmal mehr, daß alles korrekt und in Ordnung ist. Ich weise allerdings mit aller Entschiedenheit namens meiner Fraktion die Feststellung zurück, in der die hervorragenden Mitarbeiter des Herrn Bundesministers als "politische Günstlinge" bezeichnet wurden. (Beifall bei der ÖVP.)

Es dürfen anscheinend in diesem Land nach Ansicht der FPÖ hervorragende Leute nicht in einem Ministerbüro arbeiten, sonst muß man ihnen sofort irgend etwas umhängen. Es kann ja nicht sein, daß irgend etwas läuft, was Ihnen von der FPÖ, von Ihrer sogenannten Saubermacherpartei nicht paßt. Wenn Ihnen sonst nichts mehr einfällt, dann diffamieren Sie einfach, stellen irgend etwas in den Raum – unter der Devise: Irgend etwas wird schon hängenbleiben!

Gerade Funktionäre Ihrer Partei waren es, die in jüngster Zeit den größten politischen Parteiskandal produziert haben, den es jemals in Österreich gegeben hat! (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Was war das? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)


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Ich habe hier eine Kopie aus einer Zeitung aus dem Bezirk Baden. Darin heißt es: "FPÖ geht neue Wege", und ein Ehrenzeichen ist abgebildet. Weiter heißt es: "Nach jahrelangen Debatten konnte die FPÖ endlich zu einer zeitgemäßen Form des Ehrenzeichens finden. Für besondere Verdienste gibt es den bronzenen, silbernen oder goldenen Rosenstingl, für außergewöhnliche Verdienste um die FPÖ den goldenen Rosenstingl mit Eichenlaub." – Ich habe nur zitiert, was in dieser Zeitung geschrieben wurde. (Bundesrat Dr. Harring: Welche Zeitung ist das?)  – Ich weiß es nicht, es war irgendeine Badener Zeitung, ich kann sie dir dann geben. (Bundesrat Eisl: Die SVZ wahrscheinlich!)  – Nein, nein, Herr Kollege Eisl, nicht die SVZ.

Meine Damen und Herren! Namens der ÖVP-Fraktion halte ich ausdrücklich fest ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ich hätte den "goldenen Sauerzopf" zu vergeben! – Bundesrat Dr. Tremmel: Oder den "bronzenen Niederl"!)  Kenne ich nicht.

Meine Damen und Herren! Namens der ÖVP-Fraktion halte ich fest: Erstens: Wir sind stolz auf unseren Landwirtschaftsminister. Er beweist in jeder Situation Fachkompetenz und sachliche Zuständigkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

Nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa und darüber hinaus genießt er höchste Anerkennung und Wertschätzung. Wir werden es nicht zulassen, daß Sie diese Persönlichkeit madig machen, nur um Ihr widerliches Skandälchenspiel zu betreiben!

Herr Bundesminister! Ich bitte dich daher: Arbeite mit deinem Kabinett weiterhin so gut wie bisher – zum Wohle der österreichischen Landwirtschaft in einem vereinten Europa! Wir nehmen selbstverständlich deine Anfragebeantwortung zur Kenntnis. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Rauchenberger.  – Bundesrat Dr. Tremmel: Sonderzulage!)

15.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

15.57

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich will gar nicht näher auf die Ausführungen meines Vorredners, des Fraktionsobmannes der Österreichischen Volkspartei, eingehen. Wenn er in diesem Hause den inneren Zustand seiner Bündewirtschaft, seiner Partei schildert, dann muß ich sagen, das ist und bleibt weiterhin das Problem seiner Fraktion und seiner Partei.

Meine Damen und Herren! Ich glaube schon, daß es gerechtfertigt und notwendig ist, daß eine Besprechung einer Anfragebeantwortung stattfindet, und zwar dann, wenn Parlamentarier und Abgeordnete mit der Antwort einerseits nicht einverstanden sind, aber vor allem dann, wenn die Antwort ein Versuch ist, über die Verantwortung und über die Kompetenz eines Ressorts hinwegzuturnen, wenn man einfach versucht, Fragen zu übertünchen oder zu übergehen. Dieser Vorwurf, meine Damen und Herren, steht nach wie vor im Raum, und dieser Vorwurf ist daher auch gerechtfertigt.

Denn, meine Damen und Herren, es ist ganz eindeutig und klar im Besoldungsrecht für Beamte geregelt, daß leitende Beamte ihre Mehrleistungen in Form der Mehrleistungszulage abgegolten bekommen. Die besoldungsrechtlichen Bestimmungen sind geschriebenes Recht, und ich meine, das ist auch gut so.

Daß aber – das ist der tiefere Grund – eine Gruppe oder einzelne Beamte in einem Ressort unter dem Vorwand, daß sie EU-Koordinationsaufgaben übernommen haben, beides, nämlich Mehrleistungszulagen und Überstundenbezahlung bekommen, das, meine Damen und Herren, ist auch kein Vorwurf an die betroffenen Beamten, sondern das passiert im Verantwortungsbereich, im Ressort und über Auftrag des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft. Ich betone: in seinem Ressort!

Meine Damen und Herren! Weil gerade in diesem Bereich diese Doppelbezahlungen angesprochen werden, möchte ich betonen: Der Herr Bundesminister ist inhaltlich darüber informiert, und


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es ist jedem anheimgestellt, wie jeder einzelne hier in diesem Hause das moralische Gewissen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft beurteilt. Das ist etwas, was er selbst wohl am besten beantworten kann.

Meine Damen und Herren von der österreichischen Volkspartei! Es grenzt aber an eine Verhöhnung aller übrigen Beamten, die selbstverständlich auch EU-Koordinationsaufgaben übernommen haben und übernehmen müßten, denen diese Überstunden aber nicht abgegolten werden. Das ist eine Verhöhnung der "guten" Beamten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Ressortverantwortung, angesprochen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft, kann in diesem Fall vom Herrn Bundesminister, der seine Vorgangsweise auch noch verteidigt und heute wiederum verteidigt hat, nur deshalb goutiert werden, weil der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft die sogenannte Beamtenlohnrunde verhandelt hat. Meine Damen und Herren! Vielleicht ist der Lohn dafür, daß Sie für die Beamten die Lohnrunde ausverhandelt haben, daß Sie in Ihrem Ressort diese Ausnahmen zulassen. Aber dann sagen Sie es uns, Herr Bundesminister! Sagen Sie es! Haben Sie Mut zur Wahrheit! (Bundesrat Schöls: Ein bißchen mehr Niveau hätte ich mir schon erwartet!) Herr Kollege Schöls! Wenn die Erklärung dafür ist, daß das der Lohn ist, dann haben Sie den Mut, und sagen Sie es!

Meine Damen und Herren! In Zeiten wie diesen, in denen im privatwirtschaftlichen Bereich die Wirte – ich nenne nur diese eine Berufsgruppe – der Steuerfahndung unterliegen und das Finanzamt die Wirte überprüft, worüber es sehr viel Diskussionen gibt, empfinde ich es als ungerechtfertigt, daß innerhalb eines Ministeriums geduldet wird, daß es Unvereinbarkeiten in Form der Besoldung gibt.

Herr Bundesminister! Handeln Sie endlich! Sorgen Sie in Ihrem Ressort und in Ihrem Ministerium für die korrekte Entlohnung Ihrer Beamten, und haben Sie auch den Mut, Herr Bundesminister, widerrechtliche Doppelzahlungen, die offenbar vorliegen, abzustellen! Sie hätten den Mut haben können, die angesprochene Causa von sich aus einer Rechnungshofprüfung zu unterziehen! Das hätten Sie auch tun können, aber jetzt haben das vernünftigerweise unsere Abgeordneten getan!

Meine Damen und Herren! Da aber von seiten des Bundesministers weder Einsicht gegeben ist, noch das Versprechen erfolgt, daß er für Ordnung in seinem Ressort sorgen wird, kann man von einer bewußten Begünstigung sprechen. Der Verdacht einer bewußten Begünstigung liegt vor. Natürlich wird die Prüfung durch den Rechnungshof einiges aufzeigen. Aber, meine Damen und Herren, es hat niemand Verständnis dafür, daß, nachdem die Anfrage schon im Juni gestellt wurde, bis heute im Ministerium nicht gehandelt und diese Sachen nicht abgestellt wurden.

Meine Damen und Herren! Ein Parlament darf solche Ungereimtheiten nicht dulden. Vielmehr hat ein Parlament meiner Meinung nach dafür zu sorgen, daß Dinge, die rechtlich einwandfrei geregelt sind, auch dementsprechend vollzogen und exekutiert werden und daß innerhalb der Berufsgruppe der Beamten nicht mit zweierlei Maß gemessen wird.

Herr Minister! Sie sind in diesem Zusammenhang gefordert: Sorgen Sie dafür, daß diese Mißstände in Ihrem Ressort abgestellt werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.03

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr KoIlege Weilharter! Sie haben hier Dinge in den Raum gestellt, die Sie im Schutz der Immunität in den Raum stellen können.

Ich bin allerdings betroffen über Ihre Aussage beziehungsweise Ihre Aufforderung an den Minister: Haben Sie Mut zur Wahrheit! – Denn damit unterstellen Sie, daß der Herr Bundesminister bis jetzt die Unwahrheit gesagt hat.

Ich möchte die Damen und Herren des Hauses bitten, sich die Wortwahl vorher zu überlegen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.


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16.04

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Die Feststellung der Präsidentin bezüglich einer korrekten sprachlichen Ausführung haben wir zur Kenntnis zu nehmen. Ich kann in diesem Zusammenhang aber nirgendwo einen materiellen Widerspruch entdecken. Auch wenn die Aufforderung an und für sich unangenehm ist: Sie entspricht durchaus der Courtoisie des Hauses! – Das muß ich feststellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kollege Bieringer hat sich hier ein bißchen als Kabarettist versucht, so nach dem Motto: Wenn man selbst im Glashaus sitzt, dann muß man die Steine so hinauswerfen, daß man sein eigenes Glashaus nicht beschädigt. Da du hier die Meinung vertrittst, daß die Salzburger so brav und sauber sind, erinnere ich dich an den Bauträger Siedlungswerk, der eine Fusion mit der Hypo vertritt, die glaublich – es ist alles noch im Laufen, 170 Millionen Schilling für einen günstigen oder gar ... (Bundesrat Bieringer: Was hat das mit den politischen Funktionen zu tun!) – Ludwig, reg dich nicht auf! (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach (das Glockenzeichen gebend): Werte Kollegen von der FPÖ! Es ist euer Kollege am Wort!

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (fortsetzend): Kümmere dich zuerst um deine eigenen Sachen, und schimpfe erst dann über die anderen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir wollen an und für sich nicht aufrechnen. Ich stelle fest: Die Antwort des Ministers war formal entsprechend, er hat sich elegant materiell über gewisse Punkte hinweggeschmuggelt. Ich halte weiters fest: Wir haben hier in diesem Haus X Novellierungen des Beamten-Dienstrechtes durchgesprochen. Oberste Maxime dieses Gesetzes war die Gleichbehandlung – durchaus unter Berücksichtigung der Leistung. Wenn die sogenannten Überstunden wesentlich höher – wie ich annehme – als die Verwendungsabgeltung sind, dann soll man das sagen. Nichts anderes hat Bertl Weilharter gemeint. Bitte, haben Sie den Mut zur Wahrheit, und sprechen Sie die Dinge so aus, wie sie sind! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich nenne Ihnen die Folgen, Herr Minister: Andere, die nicht das Glück haben, in ein Ministerbüro zu kommen, die genauso viel machen, aber nicht das bekommen, schauen mit scheelem Auge. Sie bekommen das nicht. Ergo dessen ist hier der Gleichbehandlungsgrundsatz meiner Meinung nach verletzt. Und wenn ich schon einen ... (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. ) – Sie können sich noch einmal zu Wort melden, oder Sie machen die Zwischenrufe so deutlich, daß ich sie verstehe! Ich bin nämlich auch ein bisserl terrisch wie Kollege Gudenus! Ich meine das allerdings nicht böse, ich war nämlich auch bei der Artillerie! (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. ) Wie meinen Sie, Kollege Himmer? – Nein, ich verstehe Sie nicht! Sie müssen Ihre Sätze geordnet aussprechen. Der syntaktische Fluß Ihrer Sprache muß stimmen!

Wir wollten wissen, ob die Behandlung der Beamten entsprechend dem Beamten-Dienstrecht beziehungsweise den diesbezüglichen Vorschriften erfolgt ist: ja oder nein, Herr Minister? (Bundesrat Bieringer: Er hat gesagt: Ja!)

Wenn Sie hier ja gesagt haben, dann müssen Sie uns erklären, warum andere, die ähnliche Leistungen erbringen, aber nicht in Ihrem Büro sitzen, eine Verwendungsabgeltung erhalten, aber keine Überstunden bezahlt bekommen. Stimmt das, oder stimmt das nicht? – Das wollten wir einfach wissen! Wir haben ein Anrecht darauf, das zu wissen! Wenn Kollege Klubobmann Bieringer meint, daß man in ein laufendes Verfahren nicht eingreifen sollte, dann sage ich: Das verbitte ich mir! So etwas verbitte ich mir! Denn Sie schränken auf diese Weise die parlamentarische Freiheit ein! Dürfen wir denn nicht einmal mehr fragen? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Minister! Wir erwarten eine ganz einfache Antwort auch auf die Frage: Stimmt das mit der Aufstockung Ihres Büros von zwölf auf 18? – Sie brauchen nur zu sagen: Ja, das stimmt, das hat noch immer in das Strukturanpassungsgesetz, sprich: Sparpaket hineingepaßt. – Sie verwenden diese Definition ja selbst; Teuerungspaket nennt es der Volksmund!


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Sie brauchen nur zu sagen, ob das stimmt oder nicht. Haben Sie sich an diese Empfehlung – das ist natürlich eine Empfehlung Ihrer Regierung – gehalten, oder hat man gesagt: Der andere hat aufgestockt, also stocke ich auch auf. – Das wollen andere brave Staatsdiener – ich bin auch ein solcher, wenn auch viel weiter unten – wissen. Findet die Gleichbehandlung statt, ja oder nein? – Solche Antworten erwarten wir uns! Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, lassen wir uns sicherlich nicht das Recht nehmen, hier nachzufragen, wenn eine Anfragebeantwortung materiell ungenügend beantwortet ist. Und dies trifft, wie auch die Debatte zeigt, im vorliegenden Fall zu! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

16.10

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich halte fest: Die Antwort vom 22. Juli, die von mir auf eine Anfrage gegeben wurde, ist korrekt.

Ich halte weiters fest: Die zitierte Vorgangsweise ist korrekt und mit dem Bundesministerium für Finanzen und dem Bundeskanzleramt abgestimmt.

Drittens halte ich fest – ich lege Wert darauf, daß Sie das zur Kenntnis nehmen –, daß es eine Verwendungszulage und eine Mehrleistungsvergütung im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft nur alternativ und, entgegen Ihren Behauptungen, nie kumulativ gibt!

Viertens halte ich fest, daß sich das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft selbstverständlich an das hält, was die Bundesregierung als Leitlinie für den Personalaufwand gegeben hat. (Bundesrat Dr. Tremmel: Gab es eine Aufstockung?) – Die Frage, ob das Ministerbüro aufgestockt wurde, ist in der Anfrage nicht gestellt und daher auch nicht beantwortet worden. Ich kann Ihnen jetzt sagen, daß derzeit im Ministerbüro sieben Akademiker arbeiten, also mehr als vorher. Ich kann Ihnen aber auch sagen, daß der Aufwand etwas größer ist als vorher. (Beifall bei der ÖVP.)

16.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Kollege Steinbichler ist zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.12

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Herr Kollege Tremmel! Wir wollen hier nicht mit Geboten und Verboten arbeiten. Sie haben dazu aufgerufen, die Wahrheit zu sagen, und Mut zur Wahrheit verlangt. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das habe ich nicht gesagt!)

Sie haben wörtlich gesagt: Haben Sie den Mut zur Wahrheit! – In Anbetracht dessen möchte ich Ihrer Fraktion nahelegen, die Aufforderung zum Mut zur Wahrheit in bezug auf alle Skandale und Probleme der letzten Monate wirklich wörtlich zu nehmen!

Ich möchte die Ausführungen des Fraktionsobmannes Bieringer in einigen Punkten deutlich unterstreichen: Die gestellte Anfrage wurde vom Herrn Minister Punkt für Punkt beantwortet. Wenn jetzt ein schwebendes Verfahren (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist kein Verfahren!) beziehungsweise eine Prüfung beim Rechnungshof anhängt, dann werden wir das Ergebnis abwarten.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Daß es in gewissen Positionen ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) – Herr Kollege! Sie sind dann wieder jener, der das Gegenteil behauptet! Da es in gewissen Positionen auch Einsparungseffekte geben kann, wenn man mit Überstundenabgeltung nicht kumulativ arbeitet, sondern so, wie es der Herr Minister dargestellt hat, bin ich überzeugt davon, daß das durchaus auch wirtschaftlich Sinn machen kann. Die dargestellte Gefahr, daß man vielleicht vorweg die Ergebnisse beeinflussen möchte, kann man nicht vom Tisch wischen. Ich habe aber eine Vermutung: Der erfolgreichen Agrarpolitik, die von


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Minister Molterer mit seinem Büro in den letzten Jahren gemacht wurde, war von Ihrer Fraktion und von der Opposition insgesamt nichts Brauchbares entgegenzusetzen. Der Huber-Plan oder die Vorschläge Ihres Parteivorsitzenden, den Bauern (Bundesrat Eisl: Ein Drittel der Agrareinbußen sind besser als der Huber-Plan?) Herr Eisl, hören Sie bitte zu – die Ausgleichszahlungen um die Hälfte zu kürzen, sind nach unserem Ermessen keine Vorschläge. Wir unterstützen die Agrarpolitik, die vom Ministerium gemacht wird, und hoffen, daß sie auch weiterhin so erfolgreich geführt wird! (Beifall bei der ÖVP.)

16.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege Windholz. Sie haben noch 13 Minuten Restredezeit.

16.14

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Hohes Haus! Ich habe vorher von zwei Anfragepunkten gesprochen, die nach meinem Dafürhalten nicht korrekt zur Gänze beantwortet wurden. Ich erlaube mir, das auszuweiten.

Herr Minister! Ich lese Ihnen jetzt die Frage Nummer acht vor: "Gibt es im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft alternativ die Möglichkeit, anstatt der Zulage gemäß § 121 (1) Z 3 Gehaltsgesetz eine Überstunden-Abgeltung zu beziehen? Wenn ja: Nach welcher gesetzlichen Grundlage – im Hinblick auf § 121 (5) Gehaltsgesetz –", die das ausschließen würde, "und wurde diesbezüglich eine allfällige Zustimmung durch das Bundeskanzleramt und/oder das Bundesministerium für Finanzen eingeholt?"

Herr Minister! Ihre Antwort lautete: "Zu Frage acht: Nein. Die Gründe für bestehende Ausnahmen wurden in der Anfragebeantwortung bereits dargelegt."

Wenn Sie an dieser Stelle sagen: Es gibt eine Zustimmung, Sie haben das abgesprochen, dann muß ich Ihnen antworten: In der Anfragebeantwortung haben Sie das einfach nicht bekanntgegeben! Davon findet sich darin kein Wort!

Nur ganz kurz zu meinem Vorredner. Wenn Sie bei Überstundenauszahlungen mit einem Wirtschaftsargument kommen, wenn ein Beamter über 300 000 S Überstundenbezug im Jahr hat, dann frage ich mich: Wo ist da die Wirtschaftlichkeit? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Gibt es noch eine Wortmeldung? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Windholz und Kollegen gemäß § 60 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, die Anfragebeantwortung 1286/AB-BR/98 zur Anfrage 1398/J-BR/98 der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen betreffend erhöhte Bezüge im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft nicht zur Kenntnis zu nehmen. Ich weise noch einmal darauf hin, daß der Antrag auch in schriftlicher Form, wie er uns vorliegt, nicht ganz dem entspricht, was Sie haben wollen. Sie schreiben nämlich "Anfrage" und nicht "Anfragebeantwortung". Aber nachdem zumindest die Geschäftszahl richtig zitiert ist, glaube ich, daß wir in dem Sinn vorgehen können, daß wir über diesen Antrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die sich diesem Antrag auf Nichtkenntnisnahme der gegenständlichen Beantwortung aussprechen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 25 Anfragen – 1466/J bis 1490/J – eingebracht wurden.


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Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 22. Oktober, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußberatungen sind für Dienstag, den 20. Oktober, ab 13 Uhr vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 16.19 Uhr