Stenographisches Protokoll

646. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 19. November 1998

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier

Stenographisches Protokoll

646. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 19. November 1998

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 19. November 1998: 9.03 – 16.41 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird

2. Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997 geändert wird

3. Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 1982 geändert wird

4. Bundesgesetz, mit dem das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 geändert wird

5. Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungsgesetz und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden

6. Bundesgesetz, mit dem das Handelsstatistische Gesetz 1995 geändert wird

7. Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, angenommen in Madrid am 27. Juni 1989

8. Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen

9. Bundesgesetz betreffend Zuwendungen an den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus

10. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird

11. Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden

12. Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA)

13. Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 und das Tabaksteuergesetz 1995 geändert werden

14. Änderungen der Liste in Anlage I zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen

15. Außenpolitischer Bericht der Bundesregierung über das Jahr 1997


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 2

16. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit

17. Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation

18. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Dänemark über den Status des Planungselementes der Multinationalen Brigade der Vereinten Nationen aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft (SHIRBRIG) in Dänemark

19. Kündigung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika über die gebührenfreie Erteilung von Sichtvermerken

*****

Inhalt

Bundesrat

Einwendungen gegen die Tagesordnung

Dr. Reinhard Eugen Bösch 39

Antrag auf Abhaltung einer Debatte 39

Antrag auf Absetzung des Tagesordnungspunktes 11 40

Debatte:

Dr. Peter Harring 40

Ablehnung des Antrages 41

Personalien

Krankmeldungen 10

Entschuldigungen 10

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 39

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 38

Ausschüsse

Zuweisungen 39

Fragestunde

Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz 10

Ilse Giesinger (952/M-BR/98); Monika Mühlwerth

Irene Crepaz (959/M-BR/98); Helena Ramsbacher, Engelbert Schaufler

Monika Mühlwerth (965/M-BR/98); Wolfram Vindl, Hedda Kainz


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 3

Therese Lukasser (953/M-BR/98); Johanna Schicker, Monika Mühlwerth

Johanna Schicker (960/M-BR/98); Dr. Susanne Riess-Passer, Mag. Karl Wilfing

Dr. Susanne Riess-Passer (966/M-BR/98); Gottfried Jaud, Hedda Kainz

Uta Barbara Pühringer (954/M-BR/98); Anna Elisabeth Haselbach, Dr. Peter Böhm

Ernst Winter (961/M-BR/98); Mag. John Gudenus, Gottfried Jaud

Ulrike Haunschmid (967/M-BR/98); Dipl.-Ing. Hannes Missethon, Albrecht Konečny

Friedrich Hensler (955/M-BR/98); Dr. Paul Tremmel

Dr. Michael Ludwig (962/M-BR/98); Ulrike Haunschmid, Peter Rodek

Helena Ramsbacher (968/M-BR/98); Gottfried Jaud, Karl Drochter

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Ernest Windholz, Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die katastrophalen Verhältnisse im Vollzug des Schengen-Abkommens (1538/J-BR/98)

Begründung: Dr. Susanne Riess-Passer 107

Beantwortung: Bundesminister Mag. Karl Schlögl 110

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 117

Alfred Schöls 119

Albrecht Konečny 121

Dr. Paul Tremmel 123

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 126 und 133

Irene Crepaz 128

Mag. John Gudenus 129

Ulrike Haunschmid 131

Ernest Windholz 134

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen betreffend katastrophale Verhältnisse im Vollzug des Schengen-Abkommens 119

Ablehnung 136

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(1) Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird (1391 und 1454/NR sowie 5795/BR d. B.)

(2) Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997 geändert wird (1385 und 1455/NR sowie 5796/BR d. B.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 4

(3) Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 1982 geändert wird (1411 und 1456/NR sowie 5797/BR d. B.)

(4) Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 geändert wird (1410 und 1457/NR sowie 5798/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfram Vindl 42

[Antrag zu (1), (2), (3) und (4), der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen]

Redner:

Dr. Peter Harring 43

Erich Farthofer 44

Friedrich Hensler 45

Gottfried Jaud 46

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 46

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu (1), (2), (3) und (4), der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 47


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 5

Gemeinsame Beratung über

(5) Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungsgesetz und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden (1274 und 1458/NR sowie 5799/BR d. B.)

(6) Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsstatistische Gesetz 1995 geändert wird (1156 und 1459/NR sowie 5800/BR d. B.)

(7) Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, angenommen in Madrid am 27. Juni 1989 (1315/NR sowie 5801/BR d. B.)

Berichterstatter: Friedrich Hensler 49

[Antrag, zu (5), (6) und (7) keinen Einspruch zu erheben]


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 6

Redner:

Mag. Walter Scherb 50

Johann Payer 52

Ing. Peter Polleruhs 53

Ilse Giesinger 54

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 55

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (5) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 56

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (6) und (7) keinen Einspruch zu erheben 56

Gemeinsame Beratung über

(8) Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen (1390 und 1464/NR sowie 5802/BR d. B.)

(9) Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 über ein Bundesgesetz betreffend Zuwendungen an den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus (1429 und 1465/NR sowie 5803/BR d. B.)

(10) Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (1469/NR sowie 5794 und 5804/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Schaufler 57

[Antrag, zu (8), (9) und (10) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Herbert Thumpser 57

Wolfram Vindl 59

Dr. Peter Böhm 60

DDr. Franz Werner Königshofer 63

Staatssekretär Dr. Peter Wittmann 64

Berichterstatter Engelbert Schaufler 64

Hinweis, daß die §§ 1 und 6 Z 1 gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegen

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (8) [soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt], (9) und (10) keinen Einspruch zu erheben 65

(11) Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (1392 und 1443/NR sowie 5805/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Grillenberger 65

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Harring 66

Gottfried Jaud 66

Johann Kraml 68

Staatssekretär Dr. Wolfgang Ruttenstorfer 68

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 69

(12) Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA) (1383 und 1446/NR sowie 5806/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Kraml 70

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Harring 70

Stefan Prähauser 70

Dr. Paul Tremmel 71

Staatssekretär Dr. Wolfgang Ruttenstorfer 72

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 73

(13) Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 und das Tabaksteuergesetz 1995 geändert werden (907/A und 1447/NR sowie 5807/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Kraml 73

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Alfred Gerstl 73

Horst Freiberger 75

Dr. Paul Tremmel 76

DDr. Franz Werner Königshofer 77

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP, der SPÖ und einiger Bundesräte der Freiheitlichen, gegen die Stimmen einiger Bundesräte der Freiheitlichen 78

(14) Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend Änderungen der Liste in Anlage I zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (1399/NR sowie 5808/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfgang Hager 78

(Antrag, 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Peter Rodek 78

Mag. Günther Leichtfried 80

Monika Mühlwerth 81

Bundesminister Dr. Martin Bartenstein 82

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben 85

(15) Außenpolitischer Bericht der Bundesregierung über das Jahr 1997 (III-179/BR und 5809/BR d. B.)

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Hannes Missethon 86

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 86

Karl Drochter 88

Dr. Vincenz Liechtenstein 90

Dr. Paul Tremmel 94


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 7

Irene Crepaz 96

Staatssekretärin Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner 97

Dr. Milan Linzer 103

Mag. John Gudenus 105 und 137

Gottfried Jaud 139

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 139

Gemeinsame Beratung über

(16) Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (1190 und 1436/NR sowie 5810/BR d. B.)

(17) Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation (1387 und 1437/NR sowie 5811/BR d. B.)

(18) Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Dänemark über den Status des Planungselementes der Multinationalen Brigade der Vereinten Nationen aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft (SHIRBRIG) in Dänemark (1382 und 1438/NR sowie 5812/BR d. B.)

(19) Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend Kündigung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika über die gebührenfreie Erteilung von Sichtvermerken (1144 und 1439/NR sowie 5813/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Harald Himmer 140

[Antrag, zu (16) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, zu (17) und (18) keinen Einspruch zu erheben und zu (19) gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben]

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (16) dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 141

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (17) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 141

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (18) keinen Einspruch zu erheben 142

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (19) gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben 142

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Engelbert Weilharter, Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Versagen des "Staatlichen Krisenmanagements" in Lassing (1513/J-BR/98)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 8

der Bundesräte Monika Mühlwerth, Mag. John Gudenus, Ulrike Haunschmid an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz betreffend Eisbein mit Tunke (1514/J-BR/98)

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Überschußbestandsabgabe für Reis (1515/J-BR/98)

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend fragwürdige Auszahlung von monatlichen Präsidialzulagen im BMLF (1516/J-BR/98)

der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Nahverkehrsfinanzierung (1517/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundeskanzler – erging auch an alle anderen Mitglieder der Bundesregierung, ausgenommen den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr – betreffend die Programme der informellen Ministertreffen in Österreich (1518/J bis 1529/J-BR/98)

der Bundesräte Erhard Meier und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend "Übereinkommen Nr. 176 der Internationalen Arbeitskonferenz über den Arbeitsschutz in Bergwerken und die Empfehlung Nr. 183 zum selben Thema" (1530/J-BR/98)

der Bundesräte Erhard Meier und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend "Übereinkommen Nr. 176 der Internationalen Arbeitskonferenz über den Arbeitsschutz in Bergwerken und die Empfehlung Nr. 183 zum selben Thema" (1531/J-BR/98)

der Bundesräte Erhard Meier und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten betreffend "Verbesserte praktische Umsetzung des § 61 GG im (Pflicht)Schulbereich" (1532/J-BR/98)

der Bundesräte Albrecht Konečny und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend die tschechische und slowakische Namensführung (1533/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Paul Tremmel, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Beneš-Dekrete und AVNOJ-Bestimmungen (1534/J-BR/98)

der Bundesräte Mag. Karl Wilfing, Ing. Walter Grasberger und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Reparaturtourismus im Kfz-Bereich (1535/J-BR/98)

der Bundesräte Wolfram Vindl und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsatz von Zivildienern (1536/J-BR/98)

der Bundesräte Ing. Walter Grasberger und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Grundgebührbefreiung der sozial Schwachen in einem liberalisierten Telekommunikationsmarkt (1537/J-BR/98)

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Ernest Windholz, Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die katastrophalen Verhältnisse im Vollzug des Schengen-Abkommens (1538/J-BR/98)

der Bundesräte Albrecht Konečny und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Strafanzeige gegen Augusto Pinochet wegen erpresserischer Entführung mit Todesfolge (§ 102 Abs. 1, Abs. 2 StGB) (1539/J-BR/98)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 9

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1364/AB-BR/98 zu 1482/J-BR/98 und 1390/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen (1365/AB-BR/98 zu 1495/J-BR/98)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1366/AB-BR/98 zu 1487/J-BR/98)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1367/AB-BR/98 zu 1480/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1368/AB-BR/98 zu 1478/J-BR/98)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und Kollegen (1369/AB-BR/98 zu 1472/J-BR/98)

der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1370/AB-BR/98 zu 1488/J-BR/98)

der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1371/AB-BR/98 zu 1486/J-BR/98)

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1372/AB-BR/98 zu 1479/J-BR/98)

des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Engelbert Weilharter und Kollegen (1373/AB-BR/98 zu 1489/J-BR/98)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen (1374/AB-BR/98 zu 1398/J-BR/98)

Zurückgezogen wurden

Anfrage

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen betreffend Migrationspotential bei einer Osterweiterung der EU (1494/J-BR/98)

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Monika Mühlwerth und Kollegen betreffend Nutzung des Palais Epstein für Zwecke des Parlaments (107/A(E)-BR/98)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 10

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 11

Präsident Alfred Gerstl:
Ich eröffne die 646. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 645. Sitzung des Bundesrates vom 22. Oktober 1998 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof und Franz Richau.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Erhard Meier und Mag. Harald Repar.

Fragestunde

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde – sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird – im Einvernehmen mit den beiden Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.04 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz

Präsident Alfred Gerstl: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage, 952/M, an die Frau Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Ilse Giesinger, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Meine Frage lautet:

952/M-BR/98

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, teilen Sie die Ansicht der ÖGB-Frauenchefin Irmgard Schmidleithner, die wörtlich sagte: "Karenzgeld für alle Frauen ist ein soziales Verbrechen"?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 12

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer:
Frau Bundesrätin! Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Ich teile die Ansicht all derer, die sagen, daß Karenzgeld eine Ersatzleistung dafür ist, daß das Berufseinkommen weggefallen ist. Karenz kann man dann nehmen – das ist allgemein bekannt –, wenn, aus welchen Gründen immer, eine berufliche Erwerbstätigkeit nicht fortgesetzt werden kann oder soll oder auch nicht gewollt ist. Da gibt es verschiedene Hintergründe, verschiedene Ursachen: Wir reden von Bildungskarenz, wir reden von Karenzmöglichkeiten, um Auslandsaufenthalte durchzuführen, und klarerweise ist Karenz etwas, das Erwerbseinkommen und Erwerbstätigkeit unterbricht, wenn Kinder kommen. Aus diesem Grund hat sich das Karenzgeld nach meiner Ansicht eindeutig darauf zu fokussieren und zu konzentrieren.

Wir alle wissen, daß, egal ob eine Frau alleine oder in Partnerschaft lebt, durch die Geburt eines Kindes, durch den vorübergehenden Wegfall des Einkommens das Familieneinkommen enorm schrumpft, und das Karenzgeld ist eben eine gewisse Ersatzleistung dafür, um dieses Familieneinkommen in Kontinuität zu halten.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Frau Ministerin! Wie begründen Sie Ihre Aussage, Hausfrauenarbeit sei keine Arbeit?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesrätin! Ich habe schon mehrfach die Frage gestellt, wo denn diese Aussage getroffen wurde. Ich stelle fest: Haushaltsarbeit wird grundsätzlich verrichtet, bedauerlicherweise grundsätzlich weitgehend von Frauen. Diese Haushaltsarbeit wird verrichtet, egal ob die Frau auch noch außerhäuslich erwerbstätig ist oder nicht. Das heißt, diese Hausarbeit wird von allen Frauen zu unterschiedlichen Uhrzeiten erledigt, und aus diesem Grund ist es natürlich Arbeit, allerdings keine außerhäusliche Erwerbsarbeit.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Monika Mühlwerth. (Bundesrat Mag. Gudenus: Haben Sie vier Kinder? Da machen Sie einmal die Hausarbeit! Dann werden Sie sehen, wieviel Arbeit das ist! Das ist doch ein Abwerten der Hausarbeit, was hier gesagt wird von der Frau Ministerin! Sie wollen die Hausfrauen nicht zu Hause haben! – Bundesrat Payer: Haben wir eine Fragestunde – oder? – Heiterkeit. – Präsident Gerstl gibt das Glockenzeichen.)

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Dieses Karenzgeld für alle ist auch im Zusammenhang mit unserem Kinderbetreuungsscheck zu sehen. Es gibt verschiedene Umfragen, wonach eine Mehrheit der Frauen gerne länger bei ihren Kindern bleiben möchte. Wie ist denn Ihre Stellungnahme dazu, daß Frauen über die Karenzzeit hinaus die Möglichkeit haben sollen, ihre Kinder zu betreuen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Zum ersten möchte ich feststellen, daß die Betreuung der Kinder die Aufgabe der Eltern ist und nicht nur der Frauen.

Zum zweiten möchte ich feststellen, daß ich auch eine Umfrage habe, wonach 85 Prozent der jungen Frauen Familienarbeit und Erwerbstätigkeit unter einen Hut bringen wollen, das heißt nebeneinander und nicht hintereinander ausüben wollen, sich also diese Frage gar nicht stellen wollen.

Ich bekenne mich dazu – das zeigen auch die vielen Vergleiche, die wir mittlerweile gerade auch im europäischen Umfeld haben –, daß die Möglichkeit, Familie, Kinder – gerade auch kleine Kinder – und Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen, die beste Basis für ein gesundes Umfeld für Kinder und Familie ist.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf jene Staaten, die gerade diese Möglichkeiten geben: Dort ist auch die Geburtenquote die höchste. Überall dort, wo die absolute Notwendigkeit existiert, zu Hause zu bleiben, ob länger oder kürzer, sinken die Geburtenraten.

Aus diesem Grund ist es notwendig, Kinderbetreuungseinrichtungen zu haben, ist es notwendig, daß beide Elternteile die Möglichkeit haben, zu arbeiten; das Recht auf Teilzeit, das ich immer wieder verlange, ist hier unabdingbar notwendig. Dann, so glaube ich, entsteht genau dieses Umfeld, das Kinder brauchen, um sich rundum wohl zu fühlen.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 959/M, an die Frau Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Irene Crepaz, um Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

959/M-BR/98

Welche Initiativen hat Ihr Ressort während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im Zusammenhang mit der Problematik des Frauenhandels ergriffen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesrätin! Meine Damen und Herren! Das Thema Frauenhandel ist uns allen bedauerlicherweise nicht unbekannt, nicht fremd, nicht neu. Aufgrund der Änderung der politischen Situation im Osten hat sich auch in Österreich die Situation geändert.

Wir müssen feststellen, daß gerade in den letzten Jahren vermehrt Frauen aus den osteuropäischen Staaten nach Österreich nicht freiwillig oder nur teilweise oder vermeintlich freiwillig kommen, um sich in Österreich – meistens auch illegal – aufzuhalten, wo sie im Rahmen von Frauenhandel, das heißt in der Prostitution, aber nicht nur in der Prostitution, die schlimmsten und schärfsten Bedingungen vorfinden.

Unter der niederländischen Präsidentschaft vergangenes Jahr hat es eine wesentliche und wichtige Konferenz gegeben, bei der die Vertreter der Justiz, die Innenminister und die Gleichstellungsministerinnen anwesend waren, und seit damals gibt es die sogenannte Den Haager-Deklaration, in der sich die Europäische Union, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, darauf verständigt und dazu verpflichtet haben, verschiedenste Maßnahmen im eigenen Land, aber auch gemeinsam zu setzen, um dem Thema Frauenhandel zu begegnen.

Ich habe während unserer Ratspräsidentschaft eine dreitägige Veranstaltung dazu abgehalten, im Rahmen derer auch Kommissarin Gradin anwesend war. Dabei haben wir uns die Mühe gemacht, einmal zu hinterfragen, welche konkreten Maßnahmen in den einzelnen Mitgliedstaaten seit der Den Haager-Deklaration erfolgt sind. Wir haben dort wieder festgestellt, daß es verschiedene Zugänge und verschiedene Schwerpunktsetzungen in den einzelnen Mitgliedstaaten gibt. Ein wesentlicher Punkt ist, im jeweiligen Land auch Möglichkeiten und Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Frauen auch aus der Illegalität zu holen, hinter die Kulissen zu schauen, das heißt in erster Linie auch, jene Organisationen aufzufinden, aufzuspüren, die Frauen im Rahmen des Frauenhandels derartig ausbeuten, ausnützen, diskriminieren.

Gleichzeitig wollen wir länderübergreifend gemeinsame Projekte abwickeln, und zum dritten – das ist etwas ganz Wichtiges – müssen wir danach trachten, mit den sogenannten Herkunftsländern in Kooperation einzutreten, um dort auch mit Nicht-Regierungs-Organisationen, aber auch mit den Regierungen die dortigen Frauen darüber zu informieren, daß es nicht der Himmel auf Erden ist, wenn sie unter diesen Bedingungen in den Westen kommen, und außerdem sollten wir für diese Frauen in diesen Ländern à la longue die Basis schaffen, daß sie ein entsprechendes Auskommen haben, Arbeit finden und sozial abgesichert sind, um ihnen diesen Druck, eine für sie gar nicht bessere Zukunft – im Rahmen des Frauenhandels – haben zu wollen, zu nehmen.

Ich habe diesbezüglich wesentliche Initiativen setzen können, damit dieses Thema Frauenhandel auf europäischer Ebene weiter intensiviert wird. Es gibt gute Kooperationen, vor allen Dingen auch mit Europol, also den offiziellen Einrichtungen und Organisationen. Wir wissen, daß es nicht nützt, wegzuschauen, sondern ganz im Gegenteil, wir müssen intensiv hinschauen.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Mich interessieren natürlich schon die konkreten Maßnahmen, die du ja jetzt erwähnt hast, ich habe aber nur eine kurze Nachfrage: Welche Rolle spielen dabei die NGOs?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte sehr.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Die NGOs, die Nicht-Regierungs-Organisationen, sind wesentlicher Bestandteil dieser Arbeit. Ich bin sehr froh darüber, daß wir in Österreich einige Organisationen, Vereine haben, die in diesem Bereich vorbildlich arbeiten. Es ist keine leichte Arbeit. Da nützt es nichts, Büros zu eröffnen und zu warten, daß jemand kommt, sondern ganz im Gegenteil: Das ist "street work", das ist Arbeit vor Ort. Es wird mit diesen Nicht-Regierungs-Organisationen versucht, Kontakt zu den Frauen aufzunehmen, sie zu beraten, sie zu begleiten und ihnen auch die Möglichkeit zu ebnen, unter Umständen auch zur Polizei zu gehen, ihnen auch den möglichen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 13

Schutz dafür zu geben. In Österreich haben jene Frauen, die den Gerichtsweg beschreiten wollen, auch einen besonderen Schutz von seiten der Polizei und der Justiz.

Präsident Alfred Gerstl: Danke.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher, ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Frau Ministerin! Was Sie jetzt hier aufgezählt haben, bezieht sich natürlich hauptsächlich auf die europäischen Frauen. Ich möchte wissen, warum die restlichen Frauen der Welt in keinem Punkt der EU-Richtlinien behandelt wurden. Es wurde in diesen Richtlinien für diese Frauen nicht die Herbeiführung menschenwürdiger Zustände gefordert, etwa was die Beschneidung, das Tragen des Tschadors und so weiter angeht. Welche Initiativen haben Sie diesbezüglich gesetzt?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Gerade dieses Thema ist mir eines der wichtigsten. Ich bin heuer im März, übrigens als erstes österreichisches Bundesregierungsmitglied überhaupt, auf einem Panel der Vereinten Nationen in New York gesessen, um dort genau dieses Thema zu diskutieren. Im Rahmen der Frauenrechtskonvention SIDO und der Diskussion, die einmal im Jahr im Rahmen der Vereinten Nationen abgeführt wird, wird seit einigen Jahren auch ein Zusatzprotokoll diskutiert. Ich habe nicht nur dort intensive Arbeit geleistet, um einen Schritt zu diesem Zusatzprotokoll zustande zu bringen, sondern ich habe auch jetzt, während unserer Ratspräsidentschaft, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusammengeführt, um uns zu koordinieren, um uns auf die nächste Konferenz vorzubereiten – im März nächsten Jahres –, wo ich hoffe, daß einmal das Zusatzprotokoll verabschiedet werden kann, in dem es in erster Linie darum geht, auch einklagbare Rechte für die Frauen zu schaffen, also nicht nur um den Rechtszustand der Konvention, sondern auch um die Einforderbarkeit. Ich habe gleichzeitig bei diesem Panel als erste auf Ebene der Vereinten Nationen thematisiert, daß wir eine eigene Konvention zu diesem Thema oder zumindest ein eigenes Zusatzprotokoll zu SIDO brauchen.

Ich werde am Dienstag nächster Woche in Madrid sein, wo eine europäische Konferenz zu diesem Thema stattfindet und wo ich auch versuchen werde, innerhalb Europas die Meinungen zusammenzuführen, um diesbezüglich auch Schwerpunkte zu setzen.

Präsident Alfred Gerstl: Danke.

Herr Bundesrat Engelbert Schaufler, bitte.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Ein weiteres Thema der österreichischen Präsidentschaft ist das auf dem informellen Treffen der Arbeits-, Sozial- und FrauenministerInnen im Juli in Innsbruck diskutierte Thema der Chancengleichheit. Welche Fortschritte konnten seit Juli auf dem Gebiet der Verankerung der Chancengleichheit auf europäischer Ebene erzielt werden?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Das ist eine Zusatzfrage zum Frauenhandel? (Bundesrat Schaufler: Ja! – Heiterkeit.)

Ja, das eine hat mit dem anderen schon auch zu tun – wenn auch nichts mit den Nationalen Aktionsplänen –, weil es in erster Linie notwendig ist, daß wir den Frauen in den sogenannten Herkunftsländern à la longue eine Basis bieten müssen, daß sie dort leben können und dort auch eine Zukunft haben, um nicht in diese Situation gedrängt zu werden, in der sie sich heute oftmals befinden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 14

Unabhängig davon haben wir natürlich auch entsprechende Initiativen innerhalb der Europäischen Union zum Thema Frauenbeschäftigung zu setzen. Wir alle wissen – darüber geben viele Expertisen, Studien und auch Expertinnen und Experten Auskunft –, daß das Thema Arbeitslosigkeit, das Thema Beschäftigung innerhalb Europas nur zu lösen ist, wenn wir ganz explizit auf die Frauenproblematik eingehen.

Ich bin sehr zuversichtlich: Es gibt den ersten Entwurf, die Leitlinien 1999 betreffend, von der Europäischen Kommission. Morgen findet der Arbeits- und Sozialministerrat in Brüssel statt, bei dem Kollegin Hostasch versuchen wird, da noch nachzubessern, nachzukorrigieren, um all das, was wir in Innsbruck erarbeitet haben, auch tatsächlich in die Leitlinien 1999 einfließen zu lassen.

Der wesentliche Meilenstein wird sein – das ist ausverhandelt –, daß die Säule vier in Zukunft ausschließlich eine Frauensäule sein wird, also keine anderen Gruppen dort mehr Mitberücksichtigung finden sollen. Das heißt, daß wir vier Standbeine innerhalb der Europäischen Union definiert haben, und eines dieser Standbeine heißt Chancengleichheit, Wiedereinstieg, Beschäftigung für Frauen.

Präsident Alfred Gerstl: Danke.

Wir gelangen nun zur 3. Anfrage, 965/M. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Monika Mühlwerth, um Verlesung der Frage.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Frage lautet:

965/M-BR/98

Sind Sie bereit, dafür zu sorgen, daß in Hinkunft Mobiltelefone einer Deklarationspflicht hinsichtlich der Intensität ihrer Strahlungsemission unterworfen werden, wie dies von internationalen Experten zum Schutz der Benützer gefordert wird?

Präsident Alfred Gerstl: Ich bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesrätin! Ich möchte hier einmal darauf verweisen, daß ich nur bedingt bis gar nicht zuständig bin. Ich möchte auf das Telekommunikationsgesetz verweisen, mit dessen Vollziehung Kollege Bundesminister Einem betraut ist; ich habe nicht einmal eine Einvernehmenskompetenz in dieser Frage.

Tatsache ist, daß wir in Österreich auf alle Fälle die Kennzeichnungspflicht der Endgeräte haben. Es wird das, was Sie hier anregen, auch tatsächlich in Österreich im Rahmen des Telekommunikationsgesetzes geregelt. Ich bin aber natürlich als zuständige Ministerin für den Strahlenschutz auch sehr bemüht und engagiert, zusätzlich immer wieder auch zu neueren Erkenntnissen zu kommen. Ich beteilige mich schon seit längerem – eigentlich seit Beginn, und auch meine Vorgängerin hat das bereits getan – am Projekt der Weltgesundheitsorganisation, um ständig auch Forschung zu betreiben. Die Expertinnen und Experten sagen uns, das, was jetzt im Rahmen der IGNIRP bekannt ist, wissen wir, nämlich daß die Strahlung nicht gesundheitsschädlich ist, aber sie sagen auch immer dazu: Es ist noch notwendig, zusätzliche Erkenntnisse zu bekommen.

Aus diesem Grund wird auch auf österreichischer sehr intensiv Seite geforscht. Ich habe auch jetzt eine Studie in Auftrag gegeben, um alle wissenschaftlichen Werke, die es derzeit gibt, zusammenzuführen, um einmal einen Überblick auch für alle, die es betrifft, zu haben, einen Überblick darüber, was tatsächlich an wissenschaftlichen Erkenntnissen bis heute vorliegt.

Darüber hinaus möchte ich Ihnen die Information geben, daß ich derzeit an einem Gesetz über nichtionisierende Strahlen arbeiten lasse. Das ist derzeit ein nicht geregelter Bereich und umfaßt nicht nur die magnetischen Felder, also den Mobil-Funk, sondern dieses Gesetz soll auch die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 15

Infrarotstrahlung, die UV-Strahlung und den Laser mitregeln. Ich glaube, daß das in Zukunft noch ganz wichtige Bereiche sein werden.

In erster Linie wird es uns darum gehen, vernünftige Bewilligungsbestimmungen für den Betrieb von Geräten zu schaffen. Gleichzeitig möchte ich auch Experten und Expertinnen dort namhaft machen lassen beziehungsweise die Möglichkeit von Einrichtungen derartiger Expertinnen und Experten zur Beratung eröffnen, gerade auch von Bewilligungsinhabern, und außerdem natürlich auch Schutzmaßnahmen, Vorsichtsmaßnahmen beim Betreiben, Grenzwerte et cetera festlegen.

Präsident Alfred Gerstl: Eine Zusatzfrage, bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Frau Ministerin! Gerade in bezug auf Gesundheitsschädlichkeit hat Ihr Kollege Einem genau das Gegenteil von dem gesagt, was Sie uns gerade gesagt haben.

Wenn Sie jetzt ein Gesetz in Auftrag geben, wird das dann auch auf den laufenden Netzausbau Rücksicht nehmen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Ich kann jetzt nur eines sagen: Es hat auch während meiner Präsidentschaft eine von mir und eine nicht von mir organisierte Veranstaltung zu diesem Thema gegeben – ganz knapp hintereinander, einmal in Salzburg, einmal in Wien –, und die Expertinnen und Experten haben dort eindeutig auch wieder die Information gegeben, daß das Handy, das Gerät selbst, ein Vielfaches an Belastung als etwa der Mast erzeugt. Das heißt aber nicht, daß Grenzwerte überschritten werden. Wir haben gerade seit heuer die IGNIRP-Richtlinien-neu, die auch für uns in Österreich zur Anwendung kommen, und aufgrund derer wird natürlich kein einziges Handy jemals diese Richtwerte überschreiten.

Ich möchte da auf keinen Fall in irgendeiner Weise Panik machen, unabhängig davon, daß es notwendig ist, in diesem Bereich weiterzuforschen, weil natürlich die Intensität enorm zunimmt.

Sie alle wissen, daß im Rahmen des Telekommunikationsgesetzes insofern eine Veränderung im Gange ist, als die Netzbetreiber in Zukunft auch gemeinsam Sendemasten verwenden sollen, damit die Belästigung für die Anrainer minimiert wird. Gleichzeitig ist auch die Aufforderung an die Bundesländer ergangen, im Rahmen ihrer Bauordnungen Möglichkeiten zu schaffen, daß zusätzliche Bewilligungsverfahren eingeführt werden können. Ich glaube, daß das eine sehr wesentliche, eine sehr wichtige Anregung ist.

Unabhängig davon bin ich für die Strahlung selbst, also für das Maß der Zumutbarkeit, zuständig, und hier will ich mich natürlich auf zwei Ebenen bewegen: einmal die Umsetzung dessen betreiben, was wir an wissenschaftlichen Erkenntnissen haben, und zweitens weiter dabei sein bei der Forschung, um immer am neuesten Stand zu sein.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Wolfram Vindl.

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liegen Ihnen heute schon wissenschaftliche Erkenntnisse über negative gesundheitliche Auswirkungen der elektromagnetischen Strahlungen der Mobilfunksendeanlagen vor?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Das ist so nicht zu beantworten. Tatsache ist, daß es darauf ankommt, was alles zusammenkommt. Dort, wo ein Sendemast eines Netzbetreibers aufgestellt ist und nichts anderes an elektromagnetischer Strahlung im Umfeld vorhanden ist, kann man eindeutig sagen, daß es


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 16

keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber gibt, ob dadurch eine Gefährdung ausgelöst wird.

Das Problem ist, daß es dann zu Beeinträchtigungen kommen kann, ja unter Umständen sogar zur Überschreitung von Richtwerten, wenn mehrere dieser Dinge zusammenfallen. Ganz konkret sind das die Netzbetreiber, aber auch alle Funkanlagen, von der Rettung bis zur Feuerwehr, bis zur Polizei, und dann natürlich auch Radio und Fernsehen. Da werden wir in Zukunft aufpassen müssen, daß wir das alles so anordnen, daß die Belastung eben gleich verteilt ist und alles natürlich bestmöglich angeordnet ist – unter Berücksichtigung der Vorgabe, daß dort Menschen leben, Menschen beeinträchtigt werden könnten. Da braucht es in Zukunft die entsprechende Sensibilität.

Ich glaube auch, daß es ganz wichtig ist, sich den Bedürfnissen, den Ängsten der Bevölkerung zu stellen. Das wollen wir auch tun. Auch das sieht unter anderem das Telekommunikationsgesetz in dieser Dimension vor. Sowohl Kollege Einem als auch ich sind sehr bemüht, den Netzbetreibern klarzumachen, daß es nicht klug ist, einfach über die Köpfe der Menschen hinweg Entscheidungen zu treffen, sondern die Menschen, die Kommunen miteinzubeziehen. Ich glaube auch – ich möchte mich an dieser Stelle wiederholen –, daß da den Bundesländern im Rahmen ihrer Bauordnungen tatsächlich die entsprechende Verantwortung zukommt.

Präsident Alfred Gerstl: Ich bitte Frau Bundesrätin Hedda Kainz.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Strahlenschutz und zunehmend neue Strahlenquellen am Arbeitsplatz sind auch ein Thema, das arbeitende Menschen sehr verunsichert. Im Arbeitnehmerschutzgesetz sind strahlende Arbeitsmittel geregelt. Sehen Sie aufgrund der Erkenntnisse, die Sie gewinnen können, sehen Sie aufgrund der von Ihnen angesprochenen Publikationen und Studien auch Möglichkeiten, dies dann später im Arbeitnehmerschutzgesetz zu regeln?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Das ist derzeit noch nicht einschätzbar, aber ich glaube, daß es ganz wichtig ist, daß wir diese Dimension nicht aus den Augen verlieren und gleichzeitig beachten, daß die neuen Technologien, die Fortschritte in der Wissenschaft unglaublich rasant sind und das natürlich auch in die Berufswelt Eingang findet, auf die Arbeitsplätze Auswirkungen hat. Wir dürfen da natürlich nicht hinten nachhinken, sondern müssen immer auch den ArbeitnehmerInnenschutz im Auge behalten; er muß im Mittelpunkt unseres Interesses stehen. Auch das wird im Rahmen dieser Untersuchungen, dieser wissenschaftlichen Arbeiten in Zukunft verstärkt Berücksichtigung finden.

Ich habe es schon angeschnitten: Es sind nicht nur die elektromagnetischen Felder gefährlich, sondern auch viele Strahlungseinflüsse. Ich möchte zum Beispiel an eines erinnern: Niemand hätte je gedacht, daß etwa auch die Arbeit mit Laserpointern, die ein neues Kommunikationsmedium im Zusammenhang mit Overheadprojektoren oder ähnlichen Geräten geworden sind, gefährlich sein kann, wenn man nicht entsprechend sorgfältig damit umgeht. Das kann bis zur Blindheit führen, wenn man nicht aufpaßt! Diese Dinge haben zum Beispiel auch nichts in Kinderhänden verloren.

Es gibt einerseits ständig neue Geräte, andererseits müssen aber gleichzeitig auch die Gefahren, die damit verbunden sind, mitbetrachtet werden. Dies gilt natürlich nicht nur für den Freizeitbereich, sondern vor allem auch im Zusammenhang mit dem ArbeitnehmerInnenschutz.

Präsident Alfred Gerstl: Danke, Frau Bundesminister.

Wir gelangen nun zur 4. Anfrage, 953/M, an die Frau Bundesministerin. Ich bitte Frau


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 17

Bundesrätin Therese Lukasser um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

953/M-BR/98

Wie weit sind Sie mit der Ausarbeitung von Frauenförderplänen, die Sie im Rahmen des Frauen-Volksbegehrens versprochen haben?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesrätin! Ich möchte Ihnen folgendes mitteilen. Was den Bundesdienst betrifft – Sie wissen, dort gilt das Bundesgleichbehandlungsgesetz –, liegen derzeit die Frauenförderpläne aller Ressorts mit Ausnahme des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten, des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft und des Bundesministeriums für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vor. (Ruf bei der SPÖ: Hört, hört!) Ich habe dort bereits urgiert – es wurde mir von diesen Ministerien schon mehrfach versprochen –, daß diese Frauenförderpläne nachgereicht werden. Tatsache ist, daß die Frist dafür abgelaufen ist und daß diese Frauenförderpläne in Umsetzung des Bundesgleichbehandlungsgesetzes zu erstellen sind. (Bundesrat Schöls: Weiß Herr Bundesminister Einem auch davon?) – Das Wissenschaftsministerium weiß davon.

Ich möchte Sie auch gerne davon in Kenntnis setzen, daß das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, das Bundesministerium für Finanzen, das Bundesministerium für Inneres und das Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr ihre jeweiligen Frauenförderpläne, die sie im Rahmen des Gesetzes zu erstellen hatten, als Verordnungen mittels Bundesgesetzblatt veröffentlicht haben, wodurch sie verstärkt Publizität und Verbindlichkeit erfahren. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich denke, es ist notwendig, solche Schritte zu setzen. Damit ist auch gewährleistet, daß gerade die von mir zuletzt erwähnten Frauenförderpläne vergleichbar, weil öffentlich, geworden sind. Das heißt, es geht nicht darum, auf dem Erlaßwege nur schnell irgend etwas vorzulegen, sondern das ist tatsächlich für alle Österreicherinnen und alle Österreicher ersichtlich und einsehbar. Natürlich will sich niemand dabei eine Blöße geben und der öffentlichen Kritik aussetzen. Diese Maßnahme hat enorm dazu beigetragen, die notwendigen Anregungen und Anreize zu schaffen, um die bestmöglichen Frauenförderpläne zu erhalten.

Unabhängig davon möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, daß ich nunmehr mit dem Projekt, Frauenförderpläne im Rahmen der Privatwirtschaft und der öffentlichen Auftragsvergabe verknüpfen zu lassen, fertig bin. Ich werde dieses Projekt in wenigen Wochen auch der Öffentlichkeit ausführlich präsentieren.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte sehr.

Bundesrätin Therese Lukasser (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie erklären Sie sich, daß trotz steigender Budgetmittel Ihres Ressorts für Frauenprojekte die Arbeitslosenrate bei den Frauen noch immer höher ist als bei den Männern und die Einkommensunterschiede immer weiter auseinanderklaffen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Es wäre schön, wenn ich mit Frauenbudgets die Frauenarbeitslosigkeit reduzieren oder überhaupt unmöglich machen könnte! Daß die Frauenarbeitslosigkeit in Österreich noch immer ein echtes Problem ist, hat viele Ursachen.

Ein Problem ist erstens, daß wir enorm viel in die Bildung, Ausbildung und Weiterbildung von Frauen investieren müssen. Es freut mich daher besonders, daß sich das Arbeitsmarktservice für 1999 genau diesen Schwerpunkt gesetzt hat, wie ich heute in den Zeitungen lesen konnte.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 18

Zweitens: Frauen müssen die Chance erhalten, aufzusteigen, also die "gläserne Decke" zu durchbrechen. Die Einkommensunterschiede erklären sich gerade dadurch: Wenn Frauen derselben Qualifikation oder Ausbildungsstufe nicht in die leitenden Funktionen vordringen oder vordringen können, dann ergibt sich als Resultat, wenn man die Durchschnittsrechnung macht, natürlich auch das niedrigere Einkommen.

Drittens – das ist ganz wesentlich –: Frauen steigen zu lange aus, haben zu lange Berufsunterbrechungen. Die Folge davon ist: Sie steigen schlechter qualifiziert wieder ein, natürlich mit enormen Einkommenseinbußen. Das hat zur Folge, daß sie, wenn sie arbeitslos werden, auch ein niedrigeres Arbeitslosengeld erhalten, und später bekommen sie schlußendlich auch eine wesentlich niedrigere Pension.

Das heißt, wir haben natürlich viele Maßnahmen zu setzen, um den Frauen auch die besseren Positionen zu eröffnen. Das, was wir dabei vordringlich brauchen – ich kann mich nur wiederholen; ich habe das bei einer anderen Frage heute schon gesagt –, sind Kinderbetreuungseinrichtungen.

Ich habe eine Daumenrechnung angestellt: Wenn ich niedrige Werte ansetze und knapp rechne, dann können wir davon ausgehen, daß derzeit in Österreich rund 100 000 Kinderbetreuungsplätze fehlen, die wir dringend brauchen. Und wenn ich weiter knapp rechne, dann kann ich daraus den Schluß ziehen, daß alleine daraus 10 000 Frauenarbeitsplätze entstehen könnten. Die dafür eingesetzten Mittel wären wirklich bestens angelegtes Geld!

Ich finde, daß wir da die große Herausforderung auf dem Tisch liegen haben, beides unter einen Hut bringen zu können: Erstens würden wir vielen Frauen die Möglichkeit geben, trotz Kindern wieder berufstätig zu sein, und zweitens würden wir gleichzeitig anderen Frauen neue Erwerbschancen geben, eben im Rahmen dieser Projekte.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Schicker.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Frau Bundesministerin! Sie haben in Ihrer Anfragebeantwortung gesagt, daß Sie von drei Ministerien noch keine Rückmeldungen bekommen haben. Ich frage Sie nun: Wird es da Maßnahmen oder Sanktionen geben, damit Sie auch von diesen Ministerien die Frauenförderpläne vorgelegt bekommen? – Ich meine, das steht in krassem Widerspruch zu dem, was die betreffenden Herren Minister und die Frau Ministerin über Chancengleichheit sagen. Können Sie mir bitte darauf eine Antwort geben?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: So, wie das Gleichbehandlungsgesetz konzipiert ist, obliegt es mir nur, diese Pläne einzufordern und rechtzeitig abzuverlangen. Ansonsten ist natürlich jeder Ressortchef, jede Ressortchefin selbst verantwortlich dafür, wenn es in dem betreffenden Ressort keine Frauenförderpläne gibt.

Wenn man milde gestimmt ist, könnte man vielleicht ein Hilfskonstrukt oder eine geistige Krücke gelten lassen und sagen: Es hat schon vorher Frauenförderpläne gegeben; das jetzt ist halt eine weitere Tranche. Sehen wir sie nicht ganz außer Kraft gesetzt.

Aber es nützt nichts: Es sind natürlich absichtlich und bewußt immer in fixen Abständen neue Frauenförderpläne vorzulegen, weil sich erstens die Bedingungen laufend ändern und weil zweitens immer wieder auch die Quotierungen neu festgelegt werden müssen. Das heißt, es müssen Zielvorgaben immer in bezug auf einen überschaubaren Zeitraum gesetzt werden, und diese Zielvorgaben fehlen natürlich zurzeit in den erwähnten drei Ministerien. Ich hoffe nur und erwarte, daß diese drei Frauenförderpläne tatsächlich bald vorliegen werden.

Präsident Alfred Gerstl: Danke, Frau Bundesministerin.

Ich bitte Frau Bundesrätin Mühlwerth um ihre Zusatzfrage.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 19

Bundesrätin Monika Mühlwerth
(Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Gerade im letzten Volksanwaltschaftsbericht ist mit Recht kritisiert worden, daß zahlreiche Frauenprojekte gestrichen worden sind. Dies soll an der fehlenden Koordination mit dem AMS gelegen haben. Was, Frau Ministerin, werden Sie tun, damit das in Zukunft nicht mehr geschieht?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Ich werde nicht tun, ich habe getan. (Lebhafte Heiterkeit des Bundesrates Konečny. ) Ich habe dieses Jahr 1998 dazu benützt, um die sogenannten – ich habe sie so genannt – Bundesländerreisen zu veranstalten. Ich habe mich darum sehr bemüht, und es hat gut funktioniert, ich bin sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Diese Reisen haben dazu gedient, um mich mit den jeweiligen Landesregierungen – mit dem Frauenreferat, mit dem Sozialreferat –, aber auch mit den Landesgeschäftsstellen des AMS abzustimmen, um mich mit den Verant-wortlichen zusammenzusetzen und die Projekte zu koordinieren.

Der Hintergrund ist folgender. Erstens: Die mir zur Verfügung stehenden Fördermittel, die, wie Sie ja wissen, nicht sehr hoch sind, sollen trotzdem fair verwendet werden. Das heißt, ich habe mir à la longue zum Ziel gesetzt – ich schaffe es nicht auf Anhieb, weil ich auch kein Projekt gefährden möchte –, den Bundesländerschlüssel über meine Förderungen drüberzulegen. Damit habe ich auch, wenn man so will, die Aufgabe, in Zukunft verstärkt Projekte im Westen des Landes zu fördern oder dort Prioritäten zu setzen.

Zweitens möchte ich den Projekten selbst den Weg abkürzen, das heißt, wenn sich die jeweilige Landesregierung, vielleicht auch eine Landeshauptstadt, und das Arbeitsmarktservice mit mir zusammenfinden und wir sagen: Ja, das ist gewollt, das ist gesichert, in diesem Umfang machen wir es!, dann erspart sich natürlich das jeweilige Projekt den Canossagang zu tausend Dienststellen, und wir sind wesentlich effizienter.

Ich freue mich auch, Ihnen hier mitteilen zu können, daß die Frauenservicestellen, die ich fördere – es sind 31 –, von mir ab dem nächsten Jahr Dreijahres-Rahmenverträge bekommen. Das heißt, sie können mit einer großen oder größeren Sicherheit für die Zukunft planen und damit rechnen, daß ihnen meine Mittel auf alle Fälle zur Verfügung stehen, und zwar auch in den Jahren danach.

Was mir sehr wichtig ist, ist, mit dem AMS zu kooperieren. Das heißt, das Arbeitsmarktservice ist natürlich schon auch in die Pflicht zu nehmen, und man muß ihm klarmachen: Es ist notwendig, Frauenmaßnahmen verstärkt ins Auge zu fassen! Ich kann wirklich nur sagen, auch da hat meine Initiative gegriffen. Nicht zuletzt hat die heutige Aussage des Bundesgeschäftsstellenleiters, Dr. Buchinger, gezeigt, daß meine Bemühungen gefruchtet haben. Es wird nächstes Jahr im AMS einen Förderschwerpunkt, einen Qualifizierungsschwerpunkt, für Frauen geben.

Präsident Alfred Gerstl: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage, 960/M, an die Frau Bundesministerin. Ich bitte Frau Bundesrätin Schicker um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

960/M-BR/98

Wie viele Kinderbetreuungsplätze konnten – bezogen auf Altersgruppen – im Rahmen der ersten Tranche der Kindergartenmillionen 1997/98 österreichweit geschaffen werden?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Es sind dadurch, daß der Bund in den Jahren 1997 und 1998 600 Millionen Schilling


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 20

aufgewendet hat, um diese zusätzlichen Bundesinvestitionen zu starten, insgesamt 18 799 zusätzliche Kinderbetreuungsplätze geschaffen worden. Der Großteil dieser Plätze entfiel dabei auf den Bereich der Kindergärten, also der Drei- bis Sechsjährigen, nämlich insgesamt 15 702 Betreuungsplätze, also mehr als 80 Prozent.

Ich möchte noch dazusagen, daß von diesen von mir genannten 15 702 Betreuungsplätzen 2 499 Plätze in privaten Kindergärten geschaffen wurden. Es wurde von der Opposition immer wieder gesagt, die Bundesrichtlinien hätten vorgeschrieben, nur die öffentlichen Kindergärten zu fördern, was natürlich nicht wahr ist und nicht stimmt.

Für die Gruppe der Kinder unter drei Jahren wurden insgesamt 1 644 Betreuungsplätze geschaffen, davon 917 in öffentlichen und 727 Plätze in privaten Betreuungseinrichtungen. Weitere 1 011 Betreuungsplätze wurden für Kindergruppen, also altersgemischte Gruppen, geschaffen. Das betrifft auch dort weitgehend Kinder unter drei Jahren, weil dort der Schwerpunkt auf der Betreuung von Kindern unter drei Jahren liegt.

Präsident Alfred Gerstl: Danke.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte sehr.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Frau Ministerin! Nach welchen Schwerpunktsetzungen wird die Vergabe der zweiten Tranche der Bundesmittel in den Jahren 1999 und 2000 vorgenommen werden?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Zum einen haben wir als die zuständigen Minister – ich möchte sie kurz nennen: Familienminister Bartenstein, Finanzminister Edlinger und ich – den Auftrag auszuführen, der uns vom Nationalrat gegeben wurde, nämlich die Schwerpunktsetzung für die Betreuung der Kinder unter drei und über sechs Jahre.

Im Richtlinienentwurf, der schon seit geraumer Zeit festliegt, ist vorgesehen, daß wir 50 Prozent der Mittel, also 300 Millionen Schilling, für Projekte dieser Gruppen zur Verfügung stellen. Dieser Richtlinienentwurf ist in die Begutachtung gegangen, und zwar zu den Landesregierungen. Die Antworten sind eingelangt. Es findet derzeit auf Beamtenebene eine Evaluierung statt, das heißt, es wird noch einmal überprüft, ob die einen oder anderen Vorschläge und Wünsche der Länder Berücksichtigung finden können.

Eines wird es auf alle Fälle nicht geben, obwohl auch diesbezüglich einige Vorschläge gekommen sind: die Aufweichung der Bestimmung hinsichtlich der Betreuung der Kinder unter drei und über sechs Jahre. Das geht auch gar nicht, weil uns in dieser Beziehung der Nationalrat bindet.

Präsident Alfred Gerstl: Danke.

Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Dr. Riess-Passer.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Frau Ministerin! Es gibt für die Mütter im Bereich der Kinderbetreuungsplätze ein großes Problem hinsichtlich der Öffnungszeiten. Mich würde bei dieser ersten Tranche der Kindergartenmilliarde beziehungsweise bezüglich der weiteren Mittel, die eingesetzt werden, interessieren, inwieweit Sie auch Maßnahmen setzen, die die Öffnungszeiten konkret verbessern.

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Es ist schon in den ersten Richtlinien beinhaltet gewesen, daß wir bei Ausweitung von Öffnungszeiten im Gegensatz zu den anderen Förderungsbestimmungen auch Förderungen für Personalkosten geben. Das heißt, es wurde schon bei den ersten Richtlinien darauf Bezug genommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 21

Es ist halt auch in den Richtlinien festgelegt, daß wir nur über Vorschlag der Bundesländer fördern. Das heißt, wenn von den Bundesländern nichts kommt, dann kann von uns auch nichts thematisiert werden. Ich kann aber sagen, daß es durchaus auch eine Reihe von Projekten gegeben hat, und zwar schon in der alten Tranche, bei denen die Erhalter, die Träger der Kindergärten oder der betreffenden Einrichtungen diese Förderung schon auch in Anspruch genommen haben, meistens in Kombination. Insofern ist es auch ein bißchen schwierig, diese Kombination auseinanderzurechnen: eine Ausweitung, sprich: eine zusätzliche Gruppe, und eine Ausweitung auch in Richtung Öffnungszeiten.

Ich werde mir auch erlauben, die Verwendung der ersten Förderungen, also dieser ersten 600 Millionen Schilling, nicht zur Gänze, aber zumindest stichprobenweise ein bißchen genauer im Hinblick darauf anzuschauen, wie die Öffnungszeiten tatsächlich aussehen und wie das Ganze abläuft. In den neuen Richtlinien ist neuerlich unverändert vorgesehen, daß bei Ausweitung von Öffnungszeiten auch gesonderte Förderungen lukriert werden können.

Präsident Alfred Gerstl: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Mag. Wilfing.

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Im Anschluß an die Vorfrage würde ich gerne wissen: Ist überhaupt daran gedacht – eher schon in Richtung einer dritten Tranche –, nicht nur für die infrastrukturellen Maßnahmen, sondern auch stärker für den laufenden Betrieb Unterstützung zu geben?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesrat! Das läßt die Bundesgesetzgebung einfach nicht zu. Wir haben einen Finanzausgleich, wir haben Aufgaben und Vorlagen.

Unabhängig davon möchte ich eines sagen: Die Bundesländer haben diesbezüglich eine Aufgabe und eine Kompetenz, die es gilt, auch tatsächlich wahrzunehmen. Es kann nicht so sein, daß man zwar auf der einen Seite eine Aufgabe hat, auch Geldmittel direkt oder indirekt dafür zur Verfügung gestellt bekommt, sie aber dann nicht erfüllt und darauf wartet, daß der Bund Geldmittel dafür in die Hand nimmt.

Das heißt, wenn sich im Rahmen des Finanzausgleiches, im Rahmen der Zuständigkeiten der verschiedenen Ebenen nichts ändert, dann müssen wir auch darauf drängen, daß die Zuständigkeiten eingehalten und wahrgenommen werden. Das heißt natürlich in diesem Fall, daß die Bundesländer entsprechende Prioritäten zu setzen haben.

Ich kann Ihnen nur sagen, und die Beispiele zeigen es: Es ist nicht automatisch eine Frage der Finanzkraft der Gemeinde oder des Bundeslandes, ob entsprechende Maßnahmen gesetzt werden oder nicht, sondern es ist eine Frage des Wollens! Ich kann diese Aussage jederzeit untermauern. Es gibt Gemeinden, die nicht in Geld schwimmen, aber trotzdem die beste Infrastruktur haben. Wir haben andererseits Gemeinden, die durchaus nicht die ärmsten sind, aber in denen nichts geschehen ist. Insofern muß man stark differenzieren.

Ich kann nur sagen: Ich bekenne mich dazu, daß der Bund Initialzündungen setzt und daß der Bund auch Geld in die Hand nimmt. Ich bin die erste, die mit allen gemeinsam geht, wenn es darum geht, auch eine dritte Tranche nach der zweiten ins Auge zu fassen. Aber das darf die Länder und die Gemeinden nicht davon freikaufen, ihrer Verpflichtung nachzukommen! (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Alfred Gerstl: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen nun zur 6. Anfrage, 966/M. Ich bitte Frau Bundesrätin Dr. Riess-Passer um die Verlesung der Anfrage.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 22

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer
(Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! (Die Rednerin hält eine Ansichtskarte in die Höhe, auf der "BartenSteinzeit" steht.) Meine Frage lautet:

966/M-BR/98

Identifizieren Sie sich als darin zitierte Ministerin mit den Inhalten der Werbekampagne der SozialdemokratInnen, in der die Familienpolitik des Koalitionspartners als steinzeitlich abqualifiziert wird?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesrätin! Sie werden wahrscheinlich auch die Rückseite gut gelesen haben. Es ist eine Tatsache, daß die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ein, wie ich meine, zukunftsweisendes Bild von den Familien haben, in dem alle in einer Familie Lebenden gleichberechtigt nebeneinander stehen, die gleichen Chancen vorfinden und Eigenständigkeit besitzen. Damit ist auch der beste Boden dafür gelegt, daß man zusammenlebt und miteinander lebt.

Ich halte nichts davon, wenn in irgendeiner Form Maßnahmen so konzipiert sind, daß sie andere Lebenssituationen nicht mehr zulassen. Die Antworten geben uns die Familien ständig selbst, indem sie solche Konzepte nicht zur Kenntnis nehmen und diese nicht wollen. Auch wenn wir Hunderte und Tausende von Maßnahmen setzen: Wenn wir die Rahmenbedingungen für ein besseres Miteinander nicht zustande bringen, dann wird es weiterhin Scheidungen im derzeitigen oder noch höheren Ausmaß geben.

Ich glaube, wir sollten in eine neue Dimension der Partnerschaft eintreten, und diese neue Dimension der Partnerschaft könnte lauten: Eigenständigkeit und wirkliche Unabhängigkeit voneinander. Denn die tatsächliche Unabhängigkeit voneinander gewährleistet, daß man sich auch täglich umeinander bemühen muß, daß man auch täglich aufeinander Rücksicht nehmen muß, aufeinander zugehen muß. – Daß all das kein leichtes Unterfangen ist, wissen alle, die in Partnerbeziehungen leben oder gelebt haben.

Ich denke aber, die schlechteste Basis ist es, wenn man ein Mitglied oder mehrere Mitglieder – damit spreche ich auch die Kinder an – in einer Partnerschaft in Abhängigkeiten setzt und glaubt, damit können sie nicht mehr davon und nicht mehr aus. Eine solche Situation wollen wir nicht. Wir wollen ein selbstbestimmtes, ein frei bestimmtes Familienleben, und das darf nicht ausschließlich zu Lasten der Frauen gehen!

Ich gehe davon aus, daß wir in Zukunft die schönen wie die nicht so schönen Seiten einer Partnerschaft gemeinsam zu tragen haben, daß wir Erwerbsarbeit und auch die Versorgungsarbeit zu Hause gemeinsam bewerkstelligen – Männer wie Frauen – und daß wir damit den besten Boden für die Zukunft vor allem der Kinder zustandebringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Dr. Riess-Passer.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Sie haben meine Frage sehr wortreich nicht beantwortet. Ich möchte aber Ihren Begriff von der neuen Dimension der Partnerschaft aufgreifen. Die neue Dimension der Partnerschaft in der großen Koalition besteht offensichtlich darin, daß man dem Familienminister des Koalitionspartners steinzeitliche Methoden vorwirft. Ich frage Sie daher noch einmal: Worauf bezieht sich der Vorwurf gegen eine Familienpolitik der "BartenSteinzeit"?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Das, was ich in Zukunft ganz sicher nicht mittragen werde, ist eine Familienpolitik, die die Rollenzementierung festschreibt. Wir wollen die Rollenveränderung, zumindest die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 23

Freiwilligkeit dazu, fördern. Und das, was da zum Teil auch immer wieder in der Öffentlichkeit diskutiert wird, ist für mich nicht dafür geeignet.

Man kann ruhig weglassen, in welcher Form jemand leben will, denn die Statistiken sprechen für sich. Allein der Vergleich der einzelnen Mitgliedstaaten innerhalb der Europäischen Union spricht für sich, weil wir darin sehen, daß zum Beispiel in Schweden 40 Prozent der Väter in Karenz gehen, bei uns hingegen nur 1 Prozent.

Das heißt, wir werden vieles, vieles tun müssen, um eine Rollenauflösung zuzulassen, und das geht nur, wenn es in den Köpfen und in den Herzen der Menschen passiert, wenn es lebbar gemacht wird und wenn nicht Maßnahmen gesetzt werden, durch die wieder nur eine Aufgabe dem einem Teil und die andere Aufgabe dem anderen Teil zugeordnet wird. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das beantwortet aber nicht meine Frage! – Weitere Zwischenrufe.)

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Gottfried Jaud.

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Frau Ministerin! Auch mir, so muß ich sagen, genügt Ihre Antwort nicht ganz. Deshalb frage ich Sie noch einmal: Was, Frau Ministerin, ist Ihrer Meinung nach steinzeitlich am Vorschlag von Familienminister Bartenstein, Karenzgeld für alle einzuführen, womit ja erst eine echte Wahlmöglichkeit für Mütter und Väter eröffnet werden könnte?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesrat! Genau letzteres glaube ich nicht. Wir müssen die Frage auseinanderteilen. Karenz heißt, jemand läßt sich von etwas karenzieren. Und Karenz im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes und der Kinderbetreuung ist die Karenzierung von einer Erwerbstätigkeit. Das muß auch in Zukunft gewährleistet sein.

Das heißt nicht, daß wir nicht über alle möglichen Maßnahmen im Rahmen von Familienpolitik reden können! Aber bitte lassen Sie das Karenzgeld als solches stehen, wie es ist, weil wir es brauchen. Ich habe das bereits im Zusammenhang mit der vorigen Frage beantwortet.

Es geht nicht darum, irgend jemandem etwas vorenthalten zu wollen, und das tun wir, um Himmels willen, auch nicht. Schauen wir uns die österreichische Familienförderungssituation an: Wir sind absolute Spitze in ganz Europa und, ich möchte fast sagen, auf der ganzen Welt, und zwar was die Geldleistungen anlangt, aber nicht die Sachleistungen. Und letzteres ist auch der Grund, warum die Geburtenrate bei uns im Keller ist – ich nenne es jetzt einmal so. Die Förderungen haben wir schon lange. Wenn es nur nach den Förderungen ginge, müßte die Geburtenrate eine ganz andere sein. Aber was die Sachleistungen anlangt, brauchen wir tatsächlich andere Maßnahmen.

Fragen Sie junge Frauen, die noch keine Kinder haben! Fragen Sie junge Frauen, was sie davon abhält, Kinder in die Welt zu setzen, oder warum sie so lange nachdenken, ob sie Kinder bekommen sollen oder nicht. – Ich sage es Ihnen: Sie zögern, weil sie genau wissen, welche Konsequenzen wir derzeit in Österreich für sie parat haben. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen, damit ihnen diese Entscheidung leichter gemacht wird.

Was ich zum Beispiel für ganz besonders wichtig halte, ist die Teilkarenz, ist die Teilzeit, oder kürzer auszusteigen, aber dafür dann auch kürzer zu arbeiten – und das nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. Ich glaube, damit täten wir für die Kinder das Allerbeste, denn Kinder haben bekanntlich auch einen Vater – und sie haben auch ein Recht auf ihren Vater!

Diese Maßnahmen wären diejenigen, die wir für die Zukunft konzipieren sollten. Das Karenzgeld gehört überarbeitet – da gebe ich Ihnen 100prozentig recht –: Es muß flexibler werden, ich könnte mir ein Karenzkonto vorstellen. Die Partner – die Frau, der Mann; der Vater, die Mutter – sollen flexibel für sich auch abrufen können: Wann gehe ich in Karenz, wie lange gehe ich in


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 24

Karenz? – Es muß nicht oder darf ganz einfach nicht so bleiben, wie es derzeit ist: daß bereits am Anfang, also bei der Geburt des Kindes, festgelegt werden muß, ob nun der Mann nach eineinhalb Jahren in Karenz geht oder nicht. Das sind unzumutbare Bedingungen. Es soll während dieser eineinhalb beziehungsweise zwei Jahre auch mehrfach gewechselt werden können.

Darüber hinaus stelle ich mir auch vor, daß es ein bestimmtes Konto geben könnte, auf das das Geld auf die Seite gelegt werden kann – für später; vielleicht wenn das Kind in die Schule kommt et cetera et cetera. Auch da brauchen wir Flexibilität. Da sollen die Eltern frei entscheiden können. Sie brauchen dazu entsprechende Rahmenbedingungen: bessere Karenzregelungen, bessere Möglichkeiten des Abrufes, und umgekehrt brauchen sie auch wieder – ich wiederhole mich – Kinderbetreuungseinrichtungen.

Präsident Alfred Gerstl: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Bundesrätin Hedda Kainz.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Eine der Grundvoraussetzungen, um die Familienpolitik für beide Elternteile chancengerecht auszurichten, ist, wie es auch aus Ihren Ausführungen hervorgegangen ist, die Wahlfreiheit, die Freiwilligkeit. Sie haben vieles in Ihren Ausführungen bereits vorweggenommen, ich möchte dennoch meine Frage zusammenfassend formulieren:

Sehen Sie mit den derzeit vorliegenden Modellen, dem Karenzgeld für alle beziehungsweise dem Kinderbetreuungsscheck, diese Freiwilligkeit, diese Wahlmöglichkeit gewährleistet, und was wären aus Ihrer Sicht die Grundvoraussetzungen, um die Wahlfreiheit sicherzustellen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 25

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer:
Das Wesentliche und das Wichtigste ist die Möglichkeit, auf eine Infrastruktur zurückgreifen zu können, die die bestmögliche Betreuung für Kinder gewährleistet. Ich kann es nur immer und immer wieder wiederholen.

Jemandem nur Geld zu geben und nicht zu garantieren, daß auch die entsprechende Infrastruktur vorhanden ist, ist meiner Meinung nach zuwenig. Was habe ich vom besten Geld, wenn ich nicht weiß, ob ich mir etwas darum kaufen kann? – Das ist genau das, was wir nicht wollen. Das wäre so, als würden wir den Menschen in Österreich Autobahn-Kilometer in Form von Schecks geben und sagen: Entweder machst du ihn dir selbst oder gibst ihn in Auftrag! – Ich glaube nicht, daß jemand jemals ernsthaft dieses Argument überlegt hat.

Das heißt, wir brauchen die Infrastruktur, und diese kostet natürlich etwas. Zu glauben, daß man sich damit, daß man das Geld direkt gibt, andere Kosten ersparen kann, ist ein Irrtum. Und aus diesem Grund brauchen wir zunächst einmal den Vollausbau der Kinderbetreuung.

Darüber, was danach kommt, denken wir dann nach, wenn es so weit ist. Ich weiß, daß der Weg dorthin noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 26

Präsident Alfred Gerstl:
Wir gelangen nun zur 7. Anfrage, 954/M.

Ich bitte Frau Bundesrätin Pühringer um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

954/M-BR/98

Wie erklären Sie sich, daß im Wissenschaftsressort Ihres Parteikollegen, Bundesminister Dr. Einem, der Anteil der weiblich besetzten Lehrstühle von 1995 auf 1997 nur um 0,7 Prozent und somit von 6,3 auf 7,0 Prozent gestiegen ist?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Ich muß dazu sagen, Kollege Einem ist – so wie ich – seit 29. Jänner 1997 der in diesem Bereich zuständige Minister – er dort, ich da. Ich kenne seine Vergabe- beziehungsweise Besetzungspolitik – oder wie immer man das nennen muß oder kann –, und ich bin stolz darauf, was er dort leistet.

Er hat bis heute bei Dreiervorschlägen noch nie eine Frau übersehen, auch wenn sie womöglich an der dritten Stelle gereiht war. Das heißt, überall dort, wo er im Rahmen von Dreiervorschlägen die Chance vorfindet, wird diese Frau oder eine dieser Frauen bestellt. Bedauerlicherweise ist die Tendenz momentan jene, daß es kaum noch Dreiervorschläge gibt, in denen Namen von Frauen genannt werden. Daher denken wir jetzt gerade gemeinsam nach, wie wir dem begegnen können, damit in Zukunft auch wieder Frauen auf die Dreiervorschläge kommen. Denn eines kann mir – dieselbe Meinung vertritt auch Kollege Einem – tatsächlich niemand erklären, und zwar, daß bei Dreiervorschlägen tatsächlich noch die Qualifikation der Person irgendeinen Unterschied macht. Das sind sehr oft subjektive Einschätzungskriterien, warum jemand auf dem ersten, dem zweiten oder dem dritten Platz gereiht ist, das heißt, die Kandidaten sind im Grunde genommen alle gleich gut, und insofern kann man auch mit gutem Gewissen eine Drittgereihte nehmen, um auch Frauen zum Zug kommen zu lassen. Minister Einem hat tatsächlich einiges in diesem Bereich aufgeholt, wenngleich wir momentan aus den von mir beschriebenen Umständen in einer Situation der Stagnation sind.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Wissenschafterinnen fordern trotzdem, gerade in den letzten Tagen, aufgrund dieser Zahlen Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils an den Universitäten. Welche konkreten Maßnahmen – außer jener, die Sie jetzt gerade schon genannt haben – können Sie in Ihrem Ressort setzen, um dieser Forderung zu entsprechen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Sie wissen, daß wir derzeit die Überarbeitung des Bundesgleichbehandlungsgesetzes vornehmen, und wir haben dort mit den Gleichbehandlungsbeauftragten aus dem Wissenschaftsbereich natürlich ständige Kontakte. Es gibt auch die interministerielle Arbeitsgruppe, der ich vorsitze, in der gerade die Frauen aus dem Wissenschaftsressort Vorreiterinnen sind – auch in der Weiterentwicklung des Gesetzes. Das, was ich auch in Kooperation mit Herrn Kollegen Ruttenstorfer mache, ist zu versuchen, gerade jene Vorschläge aus dem Wissenschaftsbereich in das Bundesgleichbehandlungsgesetz aufzunehmen, dort eben auch gezielte Maßnahmen zu setzen.

Wir hatten erst gestern wieder ein Gespräch darüber, daß es die Maßnahmen im Wissenschaftsbereich aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten im Vergleich zu anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes tatsächlich rechtfertigen, daß wir dort andere Maßnahmen brauchen als im herkömmlichen Bundesdienst. Da sind jetzt Vorbereitungen im Gange. Ich kann diese noch nicht genauer präzisieren, weil wir mitten in den Diskussionen und Verhandlungen stecken, aber es ist uns bewußt, daß wir da gesonderte Maßnahmen brauchen. Das soll auch in das Bundesgleichbehandlungsgesetz Eingang finden.

Präsident Alfred Gerstl: Werden Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach.

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Sie sind schon auf die Frage der Frauenförderung eingegangen. Ich möchte aber schon noch folgende ergänzenden Frage an Sie richten: Welche Maßnahmen haben Sie gemeinsam mit Minister Einem gesetzt, um eben sowohl die Frauenförderung als auch die Möglichkeiten der Vereinbarung von Beruf und Familie im Bereich Wissenschaft und Forschung voranzutreiben?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Was im Wissenschaftsbereich besonders wichtig ist, ist, Lobbying für Frauen zu betreiben, sie auch in die Lage zu versetzen, all das vorweisen zu können, was man eben herkömmlicherweise vorweisen muß, um eine wissenschaftliche Karriere machen zu können. Es ist bekannt, daß es darum geht, bei Forschungsaufträgen dabei zu sein, zu publizieren und vieles andere mehr. Das geschieht nicht automatisch, und aus diesem Grund ist es notwendig, Frauen auch spezifisch zu fördern.

In der Zwischenzeit gibt es mehrere Preise, die von mir oder von Herrn Kollegen Einem zum Teil auch gemeinsam ausgeschrieben und verliehen werden, um den Frauen in der Wissenschaft auch die Möglichkeit zu geben, zu reüssieren, sich besser zu präsentieren und darzustellen, damit sie auch grundsätzlich einmal die Chancen vorfinden, vielleicht den Sprung – wenn man es ganz oben ansiedelt – in die Professur zu schaffen.

Umgekehrt ist es uns auch ganz besonders wichtig, daß gerade im Rahmen der Frage nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie Schwerpunkte gesetzt werden, das heißt, daß es Universitätskindergärten gibt, daß nicht nur die Studierenden, sondern natürlich auch das Universitätspersonal dementsprechende Rahmenbedingungen vorfinden. Das ist in der Vergangenheit schon geschehen und wird auch in der Zukunft mit Priorität fortgesetzt werden. Ich denke, da sind wir alle miteinander sehr gefordert, immer wieder nachzudenken und mitzudenken.

Es ist auch immer wieder der Fall, daß, wenn nach Experten gesucht wird, das Suffix "Innen" vergessen wird. Es ist auch wichtig, bei Konferenzen, bei Symposien, bei Veranstaltungen tatsächlich den Frauen, den Wissenschafterinnen, dem weiblichen Universitätspersonal ein Forum zu bieten, damit sie sich präsentieren, sich in die Öffentlichkeit stellen können und damit auch bessere Chancen für die Zukunft vorfinden. Ich lade alle herzlich dazu ein, vieles selbst und initiativ zu tun. Sie können sich sicher sein, Sie haben da jederzeit meine Kooperation und Unterstützung.

Präsident Alfred Gerstl: Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Peter Böhm um die Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich glaube, es ist nicht nur eine Frage der Listenerstellung, sondern auch die Zahl der Habilitationen ist unzureichend.

Könnten Sie sich daher vorstellen, daß die von Ihnen schon angesprochenen, vielfach auch biographisch bedingten Laufbahnprobleme jüngerer Frauen in der Wissenschaft insbesondere dadurch entschärft werden könnten, daß an sie in der für ihre Karriere relevanten Phase Habilitationsstipendien in ausreichender Zahl und Höhe vergeben werden, und würden Sie diesen Vorschlag, falls Sie ihn teilen, an Ihren Ressortkollegen, Herrn Bundesminister Dr. Einem, weiterleiten?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Ich nehme ganz sicher jede Anregung auf, die uns weiterhilft, Frauen bessere Möglichkeiten, bessere Chancen zu bieten. Mehr kann ich dazu gar nicht sagen. Jede Gelegenheit soll genützt werden, den Frauen diese Möglichkeiten, diese Chancen zu eröffnen.

Ich glaube, daß es wichtig ist, daß ganz gezielt auch Lehrstühle geschaffen werden, in deren Forschungsbereich Frauenstudien betrieben werden sollen. Für Frauen ohne ihr eigenes Geschichtsbewußtsein, ohne ihr eigenes Rechtsbewußtsein zum Beispiel – das ist ein Unterschied – ist es sehr schwierig, sozusagen auch für sich selbst Boden unter den Füßen zu bekommen. Aus diesem Grund haben wir uns – Kollege Einem in Kooperation mit mir – immer wieder dazu verstanden, daß gerade unter diesem Gesichtspunkt Preise ausgeschrieben und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 27

verliehen werden sollen. Ich werde aber jede Anregung aufnehmen, mit Kollegen Einem diskutieren und überprüfen, ob es Realisierungschancen gibt.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, 961/M. Ich bitte Herrn Bundesrat Ernst Winter um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

961/M-BR/98

Halten Sie die Forderung des Frauen-Volksbegehrens, wonach Unternehmen nur dann Förderungen und öffentliche Aufträge erhalten sollen, wenn sie dafür sorgen, daß Frauen auf allen hierarchischen Ebenen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sind, für ein geeignetes Mittel zum Abbau der Benachteiligung von Frauen am Arbeitsplatz?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesrat! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es tatsächlich für notwendig, daß Unternehmen verstärkt Frauenförderung betreiben. Ich betone dieses Wort "Frauenförderung" deswegen so, weil ich unter Frauenförderung und frauenfördernden Maßnahmen auch ein starkes Hereinnehmen der Männer verstehe. Denn wenn man Männer nicht mitberücksichtigt, kann man auch nicht Frauen fördern.

Ich möchte das noch ganz kurz begründen: Gerade vor Ort muß es jungen Vätern auch möglich sein, in Karenz zu gehen. Damit fördert man zugleich auch die Partnerin – das sage ich jetzt, um nur einmal ein Beispiel zu nennen.

Es muß also frauenfördernde Maßnahmen in den unterschiedlichsten Bereichen, auf den unterschiedlichsten Ebenen in den Unternehmen geben. Das, was mich manchmal verblüfft, ist, daß es durchaus Staaten innerhalb und auch außerhalb Europas gibt, die unsere Diskussion überhaupt nicht verstehen, nämlich die dortigen Unternehmen. Diese fragen sich: Wie kann es sich ein ganzes Land beziehungsweise ein ganzer Kontinent leisten, auf gewisse Ressourcen zu verzichten und Frauen einfach nicht in jene Bereiche hinzulassen, in denen sie auch ihre Qualitäten und Qualifikationen bestmöglich einbringen können?

Ich bin davon überzeugt, daß jede Frauenförderung einem Betrieb unmittelbar nützt. Das ist keine Sozialmaßnahme des Betriebes, sondern eine betriebswirtschaftliche Rechnung, die der Betrieb anstellen könnte, wenn er wollte – aber das tun leider noch viel zu wenige.

Das, was im Frauen-Volksbegehren verlangt wurde, kann ich in der Art und Weise, wie es dort geschrieben steht, nicht umsetzen. Das habe ich immer gesagt, aber ich habe auch immer dazugesagt, daß man hier die Kombination, die Kooperation oder die Verbindung und Verknüpfung zustande bringen kann. Das habe ich jetzt – ich habe es vorhin einmal kurz angeschnitten – im Rahmen des Bundesvergabegesetzes getan.

Es hat während der Diskussion um das Frauen-Volksbegehren im Unterausschuß des Nationalrates eine sehr ausführliche Debatte mit Expertinnen und Experten darüber gegeben, und ich habe dann für mich persönlich den Schluß gezogen, dieses Projekt anzugehen. Ich habe ausschließlich mit Experten gearbeitet, das heißt, mit dem Verfassungsdienst, mit Vergabeexperten – also mit den Profis in diesem Bereich – und auch immer in Kooperation mit der Europäischen Kommission, weil wir auf keinen Fall europäisches Recht verletzten wollten.

Wie gesagt, die Ergebnisse liegen vor. Im Grunde genommen wird es so sein, daß wir erstens unter den Schwellenwerten bleiben. Zweitens legen wir bereits bei den Ausschreibungen selbst die Bedingungen klar auf den Tisch. Wir arbeiten mit einem Punktesystem, und im Rahmen dieses Punktesystems findet Frauenförderung in Zukunft zu 2 Prozent – maximal zu 2 Prozent, das muß man dazusagen – ihren Niederschlag – ebenso die Lehrlingsfrage. Beide Themen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 28

kreise werden jetzt bearbeitet. Es wird jedes einzelne Ressort selbst – die sozialdemokratischen Ressorts haben sich darauf verständigt – eine Weisung, einen Erlaß dazu erstellen müssen.

Ich werde diese Expertisen, die Grundlagen, die hier erarbeitet werden, allen zur Verfügung stellen, also allen Bundesministerien und Landesregierungen sowie auch dem Städte- und Gemeindebund. Wenn Sie Interesse daran haben, werde ich diese gerne auch Ihnen allen zur Verfügung stellen, damit Sie nachlesen können, wie dieses System aufgebaut ist. Ich bin nämlich davon überzeugt, daß wir nur nach dem Prinzip des Schneeballeffektes und dann, wenn sehr viele davon Gebrauch machen, tatsächlich effizient sein können. Das heißt, im Grunde genommen wird es so sein: Es ist ausgeschrieben, die Unternehmen werden eingeladen, ein Offert zu legen. Bei der Offertlegung gibt es einen Fragebogen, den das Unternehmen ausfüllen kann, aber nicht muß. In diesem Fragebogen sind die einzelnen Fragen zur Frauenförderung aufgelistet. Wenn das Unternehmen diese mit Ja beantworten kann, wird das im Punktesystem bei der Bestbieterfindung berücksichtigt, und unter Umständen wird solch ein Betrieb eher die Nase vorne haben können.

Das ist also ein Anreizsystem für die Unternehmen und kein Bestrafungssystem, denn davon halte ich nichts. Niemand wird zu etwas gezwungen, aber diejenigen, die den Fragebogen ausfüllen, sollen belohnt werden.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Mag. John Gudenus.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Ist es Ihnen bei der Gleichstellung von Frauen um die Quote oder um die Gleichbehandlung hinsichtlich der Qualität gegangen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesrat! Wenn wir nur dieses Problem schon längst erledigt hätten und uns diese Frage nicht mehr stellen müßten! Ich bin davon überzeugt, daß viele Frauen Hemmnisse vorfinden, obwohl die Qualität und ihre Qualifikation vorliegt. Ich höre immer wieder dieselbe Frage.

Erst kürzlich sprach ich mit Universitätsprofessoren in Graz, die mich gefragt haben: Wozu brauchen wir denn eigentlich ein Bundesgleichbehandlungsgesetz, denn wenn jemand gut ist, wenn jemand für einen Job qualifiziert ist, kommt er sowieso zum Zug? – Das ließe den Schluß zu – und dagegen wehre ich mich –, daß Frauen die dümmeren Wesen sind. Das sind sie sicher nicht. Das bedeutet, Frauen brauchen die Möglichkeit, nachziehen zu können. Sie sind am Start weiter hinten, und ich stelle immer wieder folgenden Vergleich her: Stellen Sie sich eine Rolltreppe vor, die sich gleichmäßig mit den Stufen nach oben bewegt! Jemand kann nun drei, vier oder fünf Stufen früher zusteigen und jemand anderer später. Wer wird denn zuerst ankommen, wenn es nicht erlaubt ist, während sich die Rolltreppe nach oben bewegt, diese gleichzeitig zu betreten oder auch die eine oder andere Stufe mit anderen Mitteln, also vielleicht zu Fuß, zu überspringen?

Genau das ist es, was wir brauchen; und das ist die Quote. Das heißt, das sind die Hilfskonstrukte, um dorthin zu kommen, wo wir hinwollen, nämlich zur gleichen Startposition. Das ist auch das Wichtige im Rechtsbereich: Vermeintlich gleiches Recht ist nicht gleich, weil wir immer wieder feststellen müssen, daß die Ausgangslage nicht gleich ist. Das gleiche Recht greift nur dort, wo die Ausgangslage gleich ist, und bis dorthin müssen wir dafür sorgen, daß wir für jene, die es eben noch nicht geschafft haben – gerade bei der Berufstätigkeit sind es eben Frauen, aber nicht nur Frauen; da könnte man andere Gruppen auch dazuzählen –, gleiche Startbedingungen schaffen. Wenn das gewährleistet ist, brauchen wir keine Quoten mehr und auch vieles andere nicht, aber bis dorthin ist der Weg noch ziemlich hart und ziemlich zäh. (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie reden den Frauen ständig Minderwertigkeitskomplexe ein!)

Präsident Alfred Gerstl: Ich bitte Herrn


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 29

Bundesrat Gottfried Jaud um seine Zusatzfrage.

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Ministerin! Ich stimme mit Ihnen überein, daß Frauenbeschäftigung für Betriebe nur Vorteile bringt, und zwar in allen hierarchischen Ebenen. Es hat mir auch Ihre Aussage sehr gefallen, Lobbying für Frauen zu machen.

Aber: Glauben Sie nicht, daß Maßnahmen, die den Anreiz schaffen, Frauen einzustellen, wie das von Minister Bartenstein erarbeitete Familienaudit oder Aktionen der Länder wie "Taten statt Worte" oder der "Gläserne Schuh", eher zu einer Frauenbeschäftigungsquote beitragen als Strafandrohungen für Unternehmer, denn auch das Punktesystem ist in gewisser Weise eine Strafandrohung?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesrat! Da muß ich Ihnen eine Gegenfrage stellen: Sind Sie dazu bereit, im Rahmen der Vergabekriterien die Umweltkriterien, die Schwarzarbeitskriterien und die Lehrlingskriterien herauszunehmen? – Wenn Sie dazu bereit sind, dann lasse ich mit mir reden, auch die Frauenkriterien herauszunehmen; aber das allein ist es ja nicht. Wir haben ganz bewußt Schwerpunkte innerhalb der Gesellschaft für uns gesetzt. Diese habe ich jetzt aufgezählt, und da bedarf es Instrumentarien. Ich habe jetzt versucht, ein Instrumentarium zur Verfügung zu stellen, andere müssen andere zur Verfügung stellen.

Ich bin sehr froh darüber, wenn viele Zuständige – eben die Landesregierungen, Herr Kollege Bartenstein, andere Bundesminister und die Betriebe selbst – ein hohes Maß an Kreativität an den Tag legen, um Frauen dementsprechende Möglichkeiten zu bieten. Das ist wirklich keine Strafsanktion, denn sonst müßten die Umweltauflagen, die Schwarzarbeitsauflagen und die Lehrlingsauflagen auch Sanktionsmöglichkeiten sein – und von diesen wird nie gesprochen. Aus diesem Grunde möchte ich nur Gleichbehandlung und Gleichstellung.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage, 967/M. Ich bitte Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

967/M-BR/98

Sehen Sie sich auch weiterhin außerstande, die Entschädigungsansprüche von Patienten bei Kunstfehlern und Arzneimittelschäden verschuldensunabhängig durchzusetzen, obwohl dies bereits in zwei Koalitionsvereinbarungen schriftlich festlegt wurde und Patienten zweifelsfrei Verbraucher von Gesundheitsleistungen sind?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Ich möchte Ihnen dazu nur mitteilen, daß Sie wahrscheinlich wissen, daß es, wenn es um die Arzneimittelschäden geht, diesen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch über die Produkthaftung gibt und daß das bei ärztlichen Kunstfehlern eben tatsächlich viel komplizierter ist – Plausibilitätszusammenhang, Nachweis und so weiter.

Ich kann Ihnen dazu nur folgende Information geben: Es gibt eine ministerienübergreifende Arbeitsgruppe dazu – Gesundheitsministerium, Justizministerium und aus meinem Ministerium der Konsumentenbereich –, in der gerade diese Fragen alle thematisiert und natürlich immer wieder diskutiert werden. Es stellt sich die Frage: Wäre es nicht sinnvoll, in Form von Versicherungsmodellen zu arbeiten, das heißt, sich sozusagen einen Versicherungspool als Ärzteschaft zu geben, um erst gar nicht lange Streitereien oder Prozesse aufkommen zu lassen, um damit auch zur verschuldensunabhängigen Ebene gelangen zu können?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 30

Das ist es, was ich natürlich immer wieder versuche, in Frage zu stellen oder zu initiieren – dann natürlich auch in Musterprozessen –, das ist auch etwas ganz Wichtiges. Es ist also ein Thema, das nicht abgehakt ist, sondern intensiv beraten wird. Ich hoffe und erwarte, daß wir da schon zu einer für die Patientinnen und Patienten, die natürlich auch Verbraucherinnen und Verbraucher sind, bestmöglichen Lösung kommen werden.

Präsident Alfred Gerstl: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Wenn im gegebenen Fall noch immer keine EU-rechtlichen Vorgaben bestehen, wie Sie in Ihrer Anfragebeantwortung vom 25. April 1997 feststellen, und wir wissen, daß die österreichischen Patienten in ihrem Schutz wesentlich schlechter gestellt sind als in vielen anderen EU-Ländern, wäre es dann nicht sinnvoll, die Ratspräsidentschaft Österreichs zu nutzen, um diese endgültig durchzusetzen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 31

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer:
Ich muß sagen, daß ich hier nur teilweise betroffen und zuständig bin. Dieser Bereich ist natürlich in erster Linie Angelegenheit der Frau Kollegin Hostasch. Ich kann ihr da nur assistieren und sie unterstützen. Ich weiß aber von ihr, daß ihre Bemühungen intensiv dahin gehen, mit den Ärzten, genauso wie mit den Vertretern der Versicherungswirtschaft, zu Lösungen zu kommen.

Präsident Alfred Gerstl: Werden weitere Zusatzfragen gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon.

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich möchte an dieses Versicherungsmodell anknüpfen. In welcher Höhe schätzen Sie die Kosten für ein solches Versicherungsmodell ein, und wer sollte diese Ihrer Meinung nach tragen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Dieses Versicherungsmodell wäre an sich nichts Neues. Wir haben es in anderen Bereichen bereits geschafft – Gott sei Dank! –, im Interesse der Unternehmensseite genauso wie der Verbraucherseite. Ich möchte hier nur in Erinnerung rufen, daß es tatsächlich gelungen ist, mit schwerstem Ringen eine Schirmversicherung im Reisebürobereich zustande zu bringen. Dabei geht es um große Summen, wie Sie annehmen können.

Das ist eine Frage, die man mit den Betroffenen ausverhandeln muß. Diese kann ich Ihnen hier an dieser Stelle ganz einfach nicht beantworten, weil es auf folgendes ankommt: Worauf steigt auf der einen Seite die Versicherungswirtschaft ein, welches Risiko trägt sie mit welchen Kosten? Und welche Kosten – das kann gar nicht anders sein – ist auf der anderen Seite die Ärzteschaft bereit, zu übernehmen? – In dieser Verhandlungssituation befinden wir uns jetzt; und das wird sicher – oder hoffentlich – auch einer Lösung zuzuführen sein.

Präsident Alfred Gerstl: Ich bitte Herrn Bundesrat Albrecht Konečny um seine Frage.

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Sie haben jetzt den entscheidenden Punkt angesprochen: Eine verschuldensunabhängige Schadenersatzleistung, die die Frage der kostspieligen Prozeßführung und auch des Risikos für die Ärzte beiseite schieben würde, müßte eigentlich vor allem im Interesse der Ärzteschaft liegen.

Können Sie uns – auch wenn Sie sagen, es sei bereits in Verhandlung – ein bißchen etwas zur Haltung der Ärztekammer in diesen Gesprächen mitteilen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Ich kann bedauerlicherweise nicht allzu viel dazu sagen. Aber soweit mir bekannt ist, ist es derzeit nicht sehr einfach, dort auf eine gewisse Bereitschaft zu stoßen, was ich sehr schade finde, weil das, wie gesagt, nicht etwas wäre, bei dem die Ärzteschaft sozusagen als Versuchskaninchen hergenommen würde, sondern weil es eben auch andere Bereiche gibt, in denen gerade dort, wo es verschuldensunabhängige Haftungsfragen gibt, genauso gearbeitet wird und damit auch das Problem gelöst werden konnte.

Ich möchte Ihnen nur in Erinnerung rufen: Wir hatten dieses Thema in der Gentechnik, wir hatten es jetzt im Atomhaftungsbereich. Wir haben es überall dort, wo eben Zusammenschlüsse zustande kommen; ich habe die Situation bei den Reisebüros angeschnitten. Es gibt Erfahrungen, auf die wir zurückgreifen können. Aus diesem Grund hoffe ich, daß hier auch ein Aufeinanderzubewegen in der nächsten Zeit möglich sein wird.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nunmehr zur 10. Anfrage, 955/M. Ich bitte Herrn Bundesrat Friedrich Hensler um Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

955/M-BR/98

Planen Sie im Interesse der Senioren, in Anbetracht der immer wieder auftretenden Klagen, etwa bezüglich der Lesbarkeit der Ablaufdaten, des Wunsches nach kleineren Verpackungen, der zu klein gedruckten Beipackzettel von Arzneimitteln gemeinsam mit dem Bundesminister für Justiz spezielle konsumentenfreundlichere Senioren-Schutzbestimmungen?

Präsident Alfred Gerstl: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesrat! Das ist eines meiner – ich sage es jetzt salopp – Lieblingsthemen, weil ich weiß, daß hier ein breites Feld an Notwendigkeiten gegeben ist, und ich auch da versuche, sehr viele Initiativen zu setzen. Einige davon möchte ich anführen:

Erstens: Ich habe natürlich mit Vertretern und Vertreterinnen der Senioren ständig Kontakt. Etwas, was mir persönlich momentan besonders wichtig und was auch sehr aktuell ist, ist, die Umstellung auf den Euro, gerade im Hinblick auf die Senioren, vertretbar vorzubereiten. Wir diskutieren auch das Gesetz zur doppelten Preisauszeichnung. Ich weiß, daß hier die Unsicherheit bei den älteren Menschen am höchsten ist. Je schneller wir hiebei zu klaren Kriterien kommen und je kooperativer von Wirtschaftsseite gerade auf die Senioren als Verbraucherinnen und Verbraucher eingegangen wird, umso besser wird das Image des Euro sein. Und wir wollen ja alle, daß der Euro wirklich eine akzeptierte, eine anerkannte Währung wird, nämlich in den Herzen der Menschen.

Zweitens: Mir ist natürlich auch die Lesbarkeit von Gebrauchsanleitungen ein ganz besonderes Anliegen. Ich habe während unserer Ratspräsidentschaft eine Initiative gestartet, eine Studie in Auftrag gegeben, auf deren Basis wir tatsächlich im Verbraucherministerrat eine Entschließung verabschieden konnten, die nun eine Empfehlung an alle Unternehmen Europas darstellt, an den Texten der Gebrauchsanleitungen besser zu feilen. Österreich wird konkret folgendes tun: Ich habe mit dem Verein für Konsumenteninformation vereinbart, daß alle veröffentlichten Untersuchungen von Produkten im nächsten Jahr und auch in den folgenden Jahren auf Gebrauchsanleitungen eingehen und sozusagen gute und schlechte Beispiele darstellen werden.

Ich habe mir damals bei der Präsentation dieses Projektes die Mühe gemacht, zu forschen zu beginnen, was es da alles an Gebrauchsanleitungen gibt. Es ist unglaublich! Es ist wirklich unglaublich! Durch schlechte Gebrauchsanleitungen verliert das jeweilige Produkt an Qualität – so kann man sagen. Wenn man ein Gerät nicht richtig in Betrieb setzen kann, verliert es auch an Qualität. Das ist meiner Meinung nach noch ein wichtiges Kriterium.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 32

Erst diese Woche habe ich im Rahmen des EHLASS-Programmes die Ergebnisse einer Untersuchung über Haushaltsunfälle präsentiert. Ich möchte das kurz näher ausführen, da es wahrscheinlich nicht alle wissen: Dieses EHLASS-Programm gibt es auf europäischer Ebene schon seit dem Jahre 1988, also zehn Jahre, für uns gilt es seit unserem Beitritt in die Europäische Union. Im Zuge dieses Programmes werden ständig vergleichende Untersuchungen in Krankenhäusern gemacht, um die Ursachen der Haushalts- und Freizeitunfälle zu ergründen.

Tatsache ist, daß es europaweit – auch in Österreich – genauso viele Verkehrsunfälle wie Haushaltsunfälle gibt und daß der Ausgang dieser Haushaltsunfälle nicht viel weniger schwerwiegend ist. Daher ist auch die Unfallchirurgie miteinbezogen, das heißt, wir haben natürlich mit der Ärzteschaft entsprechende Kontakte. Es hat sich weiters herausgestellt, daß in erster Linie ältere Menschen betroffen sind: Der Fußboden, der für den jungen Menschen lange Zeit kein Problem war, wird im Alter plötzlich zum Problem, weil man darauf rutscht und die körperliche Unsicherheit zunimmt. Darüber muß also entsprechend informiert und aufgeklärt werden. Es wird einer meiner nächsten Schwerpunkte sein, besonders das Wohnen sozusagen unter die Lupe zu nehmen, und das dient in erster Linie natürlich den Seniorinnen und Senioren.

Um zur Kennzeichnung zurückzukommen: Ich glaube, daß es lohnend ist, daß wir aus dem, wenn man so will, Kennzeichnungsdschungel herausfinden. Das geht nur im europäischen Kontext, und dort bemühe ich mich auch. Ich halte viel davon, etwas weniger zu kennzeichnen, das dafür aber sehr klar und transparent, verständlich, lesbar und vor allen Dingen wahr! Grundsätzlich darf zwar ohnedies nichts draufstehen, was nicht wahr ist, aber wer prüft es denn wirklich immer? (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Mein Plädoyer zielt also auf weniger Informationen, diese dafür aber verläßlicher sowie besser und größer lesbar ab. In diese Richtung versuche ich, aktiv zu sein, und zwar überall dort, wo es auf europäischer Ebene zu schaffen ist. Für die Kennzeichnung in Österreich ist, wie Sie wissen, der Wirtschaftsminister der eigentlich Zuständige. – Danke!

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Können Sie sich in diesem Zusammenhang – Sie haben es schon kurz erörtert – vorstellen, daß Ihr Haus den Anstoß zu einer europaweiten Initiative in diese Richtung gibt?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Ja, das kann ich mir vorstellen!

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Dr. Tremmel gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Frau Präsidentin! Jede Weiterentwicklung des Konsumentenschutzes ist problematisch, vor allem für Senioren, wenn der Streitwert etwa 1 000 S beträgt, das Prozeßrisiko aber bei 15 000 S liegt. Ich weise hier beispielsweise auf die Gewinnspiele hin, ganz zu schweigen von den Beipackzetteln et cetera! – Würden Sie dafür eintreten, daß der Seniorenbeirat beziehungsweise die Vertretung der Senioren eine Klagslegitimation nach § 28 Konsumentenschutzgesetz bekommt, um den älteren Mitmenschen in dieser Frage behilflich zu sein?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Unsere diesbezüglichen Überlegungen sind – ich sage das ganz offen – noch nicht abgeschlossen. Sie haben aber ein wichtiges Thema angesprochen, nämlich die niedrigen Streitwerte. Ich bekenne mich dazu, daß wir es schaffen, überall Schlichtungsstellen einzurich


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 33

ten, gar nicht lange zu Gericht! Wir ersparen dadurch den Unternehmen genauso wie den Konsumenten viel Zeit – ein derartiger Prozeß dauert schnell einmal drei Jahre – und viel Geld! Ich bedauere es wirklich zutiefst, daß es die Reisebüroschlichtungsstelle im Wirtschaftsministerium nicht mehr gibt. Ich habe der Branche angeboten, so etwas gerne in mein Ministerium zu übernehmen, diese hat sich aber noch nicht entschieden. Aber wir sind meiner Meinung nach erst am Anfang. Es wird übrigens auch auf europäischer Ebene stark befürwortet. Die Europäische Kommission empfiehlt – und fördert das auch bei Schwerpunktsetzungen –, überall Schlichtungsstellen einzurichten, weil es tatsächlich konsumenten- und unternehmensfreundlich ist. Wo immer sich eine Chance dazu bietet, sollten wir dies auch tun. Das ist der erste Punkt!

Zweitens: Es ist – Gott sei Dank – die Verbandsklage grundsätzlich vorgesehen. Ich muß nun, wie gesagt, darüber nachdenken, ob es Sinn macht, Ausweitungen vorzunehmen. Auf alle Fälle muß uns folgendes klar sein: Bei Verbandsklagen wird nicht jeder einzelne Streitfall abgehandelt, sondern es wird eben versucht, Präzedenzfälle auszuhandeln. Das nützt aber den vielen Menschen praktisch nur teilweise oder indirekt. Es gibt insofern sehr viele Aktivitäten in diesem Bereich, gerade die zuständigen Stellen in meinem Ressort sind sehr intensiv bemüht, immer wieder Verbandsklagen, auch die Kosten dafür, zu übernehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir gelangen zur 11. Anfrage, 962/M, an die Frau Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ludwig, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie koordinieren die Antiatompolitik Österreichs. Meine Frage lautet:

962/M-BR/98

Welche Aktivitäten planen Sie in Ihrer Rolle als Koordinatorin der österreichischen "Anti-Atom-Politik" in nächster Zeit, um der langfristigen Forderung, ein kernkraftwerkfreies Mitteleuropa zu erreichen, näherzukommen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Die Koordination unserer Antiatompolitik in Österreich nimmt mittlerweile in meinem Tätigkeitsfeld ein hohes Zeitbudget in Anspruch, worüber ich mich aber freue. Ich tue es gern, weil ich weiß, daß es notwendig ist, aber auch Sinn macht und zielführend sein wird. Wir haben gerade im Laufe der letzten Wochen und Monate innerhalb Europas viele Veränderungen feststellen können, die alle in unsere Richtung gehen, und aus diesem Grund bin ich auch sehr zuversichtlich, daß diese Arbeit nützlich ist.

Ich möchte ein paar Dinge hervorstreichen. Erstens: Im Rahmen des Erweiterungsprozesses der Europäischen Union wird es notwendig sein, das Thema Sicherheit von Atomkraftwerken entsprechend auszuleuchten. Wir bemühen uns besonders während unserer Ratspräsidentschaft darum und sind auch schon zu Ergebnissen gekommen.

So wurde zum Beispiel in der Ratsarbeitsgruppe Umwelt klarer als bisher definiert, unter welchen Bedingungen ein zukünftiger Beitrittsstaat ein Kernkraftwerk sozusagen mithereinbringen darf und wann nicht! Ich halte das auch insofern für eine wesentliche Debatte, weil das Thema Sicherheit auch das Ausstiegsszenario der Zukunft gestalten wird, und ich möchte das auch begründen. Schweden hat vor fast zwei oder drei Jahren den Beschluß gefaßt, aus der Atomenergie auszusteigen. Es wurden die entsprechenden Schritte gesetzt, das erste Kraftwerk hätte am 1. Juli dieses Jahres abgestellt werden sollen. Die Gerichte haben aber anders entschieden. Und warum? – Weil natürlich ein Rechtsanspruch von früher abgeleitet werden kann! Aus dieser Situation herauszukommen gibt es meines Erachtens nur einen Weg, nämlich beim Thema Sicherheit den neuesten Stand der Wissenschaft ins Spiel zu bringen, die Sicherheit also in den


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 34

Mittelpunkt zu stellen, da es damit erstens für viele Betreiber begründbar wird, keine Kraftwerke mehr zu betreiben, und ihnen auch ein Schließungstag verordnet werden kann und gleichzeitig, da es, wenn die Sicherungserfordernisse und -anforderungen derartig hoch angelegt werden, für viele auch unrentabel wird. Durch das Thema Sicherheit werden wir also nicht von unserem Weg abgelenkt, sondern ganz im Gegenteil, wir brauchen dieses Instrument, um den Ausstieg vieler anderer Staaten besser zu argumentieren und zu rechtfertigen!

Der zweite Aspekt ist für uns natürlich, daß wir nicht nur nein zur Kernkraft sagen, sondern gleichzeitig in Kooperation mit all jenen Staaten eintreten wollen, die sich für unseren Weg entschieden haben, und dort, wo diese Entscheidung noch nicht gefallen ist, ganz stark dafür werben. Das geht nicht mit dem Holzhammer, sondern ganz im Gegenteil, man muß meiner Ansicht nach zur Kenntnis nehmen, daß jeder Staat seine Eigenstaatlichkeit und damit sozusagen Eigenmächtigkeit hat und es deshalb notwendig ist, mit den besseren Argumente zu agieren und zu überzeugen.

Ich bin diesbezüglich natürlich in erster Linie mit unseren Nachbarstaaten in engstem Kontakt. Erst vor kurzem habe ich eine sehr ausführliche Reise nach Tschechien gemacht und dort praktisch zustandegebracht, daß wir eine Kooperation, eine Energiepartnerschaft und vieles andere mehr vorbereiten. Die Aktivitäten sind also sehr umfassend und sehr intensiv!

Ich möchte nur, da es mir sehr wichtig ist, noch folgendes anmerken: Wir sollten den österreichischen Weg auf keinen Fall verlassen! Ich möchte diesen österreichischen Weg, so wie ich ihn verstehe, kurz beschreiben: Wir arbeiten zusammen, jeder und jede dort, wo sie kann, welche Aufgabe er/sie dort vorfindet! Das heißt, die Bundesregierung hat andere Aufgaben als der Nationalrat oder Sie, der Bundesrat, als die Landesregierungen, Landtage, Kommunen oder NGOs. Es hat unseren Weg immer ausgezeichnet, daß wir zusammenarbeiten, wir sind sozusagen viele Bausteine, mit denen ein Haus gebaut wurde. Nach außen hin ist das ganze Haus sichtbar, und dieses Haus wird akzeptiert. Es ist meines Erachtens das Wichtigste für die Zukunft, daß wir garantieren, diese gemeinsame Strategie auch in Zukunft immer zu verfolgen. (Beifall bei der SPÖ.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wenn ich Sie richtig verstanden habe, räumen Sie den Umweltorganisationen gerade in dieser Frage einen großen Stellenwert ein. Ist das richtig?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Ja! Die Umweltorganisationen haben einen wesentlichen Stellenwert in der Antiatompolitik Österreichs. Sie sind unser Gewissen, sie sind unsere treibende Kraft, und sie sind diejenigen, die, wenn irgendwann einmal etwas nicht so läuft, wie man es sich vielleicht vorgestellt hat, immer wieder sozusagen den Finger auf die Wunde legen, die auch die Kooperationen mit dem Ausland aufbauen, die natürlich dort auch versuchen, mit Umweltorganisationen in Kontakt zu kommen, diese zu unterstützen und vieles andere mehr. Vor allen Dingen haben diese Organisationen es wie niemand anderer wirklich geschafft, die Gesamtbevölkerung davon zu überzeugen, daß wir ohne Kernkraft auskommen. Aus diesem Grund verlasse ich mich auf – ich möchte fast sagen – meine Umweltorganisationen, meine NGOs, die sie ohnehin nicht sind, da sie sich Gott sei Dank nie vereinnahmen ließen! Ich bin überzeugt davon, daß wir die Arbeit, die dort geleistet wird, gar nicht hoch genug schätzen können.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Ministerin.

Es wird eine Zusatzfrage von Frau Bundesrätin Haunschmid gewünscht. – Bitte.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Ministerin! Ich möchte Sie noch einmal auf Ihren Besuch in Tschechien ansprechen: Welche Vereinbarungen wurden


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 35

bei Ihrem Besuch bei Herrn Ministerpräsidenten Zeman in bezug auf die Verhinderung beziehungsweise Durchsetzung eines Baustopps des AKW Temelin getroffen? – Können Sie mir konkrete Ziele von Ihnen sagen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Was die Situation in Tschechien betrifft, kann ich noch nähere Ausführungen machen: Das erste, das mir wichtig ist, nämlich die Energiepartnerschaft, habe ich schon erwähnt. Ich habe in der Zwischenzeit auch mit den offiziellen Vertretern, mit dem Herrn Landeshauptmann und anderen Vertretern und Vertreterinnen in Oberösterreich engste Kontakte gehabt, weil ich natürlich möchte, daß wir gemeinsame Sache machen und auch die Schwerpunktsetzung gemeinsam vornehmen.

Was mir an Informationen zugänglich ist, ist, daß erstens – das wissen Sie ohnehin alle – eine Kommission eingerichtet werden soll, die Temelin unter die Lupe nimmt – ich sage das einmal so, wie es mir derzeit bekannt ist. Das heißt, wir haben bis heute, auch wenn es manches Mal anders kolportiert wird, leider noch keine offizielle Einladung, einen Vertreter oder eine Vertreterin Österreichs in diese Kommission zu entsenden. Das erschwert die Sache natürlich im Moment, denn ich kann derzeit noch nicht sagen, wer der Vertreter sein soll, da ich noch nicht weiß, in welche Richtung geprüft wird. Tatsache ist, daß die Europäische Kommission deswegen keine Vertreter in diese Kommission gesendet hat, weil eben nur die Frage nach der Ökonomie gestellt war, die Kommission aber auf dem Standpunkt steht, daß die Ökonomie Sache des Landes selbst sei und sie nichts angehe, und die Sicherheitsfrage eben nicht gestellt worden sei. Da mir aber Ministerpräsident Zeman und auch Umweltminister Bursik gesagt haben, daß sehr wohl auch die Frage nach der Sicherheit behandelt werde, weil das alles klarerweise auch eine Kostenfrage ist, bin ich nun schon sehr neugierig darauf, wie die offizielle Einladung lauten wird. Wir sind natürlich dazu bereit, mitzuarbeiten, allerdings – das sage ich auch ganz offen – nicht unter jeder Bedingung, sondern es müssen auch die Voraussetzungen stimmen, damit Österreich dabei sein wird.

Darüber hinaus habe ich auf meiner Reise in Erfahrung gebracht, daß Tschechien an einem gänzlich neuen Energiekonzept arbeitet, in das vor allen Dingen erneuerbare Energien aufgenommen werden sollen. Die Schwerpunktsetzungen für die Zukunft werden also völlig neu konzipiert. Dieses Projekt soll bis März/April nächsten Jahres in Tschechien abgeschlossen sein. Es wird sicher noch sehr spannend sein, zu erfahren, wie und was dort gearbeitet wurde. Ich hoffe, daß wir mit unserer Energiepartnerschaft ebenfalls Beiträge dazu leisten können, daß ihnen ein Weg ohne Temelin möglich ist.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Die nächste Zusatzfrage wird von Herrn Kollegen Rodek gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Was werden Sie unternehmen, damit die zur Frage der Atomtransporte durch Österreich eingesetzte Arbeitsgruppe gemäß der Entschließung des Nationalrates vom 7. Oktober 1998 ehestmöglich dem Parlament diesbezügliche Maßnahmen vorlegt?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Es wird in dieser Arbeitsgruppe intensiv gearbeitet, und ich dränge darauf, daß ein Abschluß gefunden wird. Falls nicht auch noch das Strahlenschutzgesetz dort überarbeitet wird, kann das Projekt abgeschlossen werden. Darüber hinaus haben wir, was die Atomtransporte betrifft, bereits Rahmenbedingungen geschaffen, die uns in Zukunft eine bessere Situation garantieren werden. Eine davon ist nicht zuletzt das Atomhaftungsgesetz, durch welches wir, gerade was die Haftungsbestimmungen – das gilt natürlich auch bei Transporten – betrifft, in eine ganz andere Lage versetzt werden und dabei natürlich auch die Sorgfalt erhöht wird. Ich denke, daß das auch Auswirkungen haben kann.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 36

Darüber hinaus möchte ich, daß die Anzahl der Atomtransporte so gering wie möglich gehalten und sie nur dann akzeptiert werden, wenn sie in internationalen Abkommen unbedingt vorgesehen sind – und dabei ist natürlich auch doppelt und dreifach die Sicherheitsfrage zu stellen. Es muß dabei die Sorgfaltspflicht gelten, und ich möchte auch nicht einfach jedes und alles akzeptieren und akzeptieren müssen, sondern immer auch die Frage stellen: Können wir auch anders entscheiden? Können wir zum Beispiel den einen oder anderen Transport durch Österreich verhindern? – Es soll also von Fall zu Fall entschieden werden, wie wir damit in Zukunft umgehen werden.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir kommen zur 12. Anfrage. Ich bitte Frau Bundesrätin Ramsbacher um die Verlesung ihrer Frage.

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

968/M-BR/98

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um Teilzeitarbeitsplätze auch im mittleren und höherqualifizierten Bereich zu schaffen?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Eine ganz wichtige Maßnahme habe ich gesetzt, und ich werbe dafür, bedauerlicherweise wissen es aber tatsächlich noch immer nicht alle! Kollege Ruttenstorfer und ich haben die Teilzeitoffensive des Bundes gesetzt, und diese Teilzeitoffensive bringt beachtliche Veränderungen im Bereich der Teilzeitarbeit, vor allen Dinge für Frauen. Ich werbe natürlich dafür, daß dies in allen Sektionen und Abteilungen und so weiter von den Personalverantwortlichen, vor allem aber von den Betroffenen auch registriert wird, damit von diesen Möglichkeiten, diesen Rechten Gebrauch gemacht wird.

Wie war die Ausgangslage? – Wenn jemand reduziert arbeiten wollte, also zum Beispiel von der Karenz zurückkam und Teilzeit arbeiten wollte, mußte das durch die Vorgesetzten bewilligt werden – das ist klar! Das wurde zwar auch bewilligt, aber immer unfreiwilliger und immer schlechter, weil natürlich ein Ersatz für die Arbeit fehlte. Denn wenn jemand nur 20 Stunden arbeitet, aber einen ganzen Dienstposten innehat, entsteht natürlich automatisch auch kollegialer Druck, und das ist nicht wirklich lustig – für alle Beteiligten! Aus diesem Grund haben wir jetzt entschieden, daß es Nachbesetzungen geben kann, natürlich befristet bis zum Zeitpunkt der ebenfalls befristeten Teilzeit. Damit wollen wir erstens zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten in diesen Bereichen schaffen und umgekehrt natürlich auch den Druck wegnehmen, damit jemand, der Teilzeit arbeiten will, das auch tatsächlich tun kann. Ich plädiere natürlich ständig dafür, daß das auf allen Ebenen erfolgt, nicht nur auf den unteren Qualifikationsebenen.

Darüber hinaus fördere ich ein Projekt, das in Kooperation mit Unternehmen die Arbeitsorganisation und die Arbeitszeit in den Unternehmen verändern soll und dabei besonders auf Teilzeitarbeit eingeht. Das ist, wenn man so will, sozusagen ein Learning by doing, auf der einen Seite sollen also Erkenntnisse aus diesem Projekt gewonnen werden, die auch für andere Unternehmen von Vorteil sind, gleichzeitig sollen aber jene Unternehmen, die sich daran beteiligen, ebenfalls Nutznießer sein und etwas davon haben. Daher werden ihnen jene Strukturen, die sie brauchen, um diese Veränderungen vorzunehmen, bezahlt. Es ist übrigens ein von der Europäischen Union kofinanziertes Projekt, den Unternehmen entstehen dadurch keine Mehrkosten, umgekehrt existiert dafür aber dadurch die Bereitschaft, diese Neuerungen in Angriff zu nehmen. Das sind zwei ganz konkrete Dinge, und ich glaube, auch da wird das eine das andere ergeben.

Ich möchte vielleicht noch dazusagen: All jene Projekte, die ich derzeit finanziere beziehungsweise plane, in Zukunft zu finanzieren, und die eher im Studienbereich angesiedelt sind, haben


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 37

den Auftrag, nicht nur die Theorie auf dem Papier, sondern gleichzeitig auch Schritte zur Umsetzung zu liefern. Denn Papier haben wir, so glaube ich, schon viel und genug. Jetzt geht es um die Umsetzung, deshalb bin ich sehr darauf bedacht, daß all diese Projekte auch Schritte zur Umsetzung in der Praxis aufzeigen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Jaud. – Bitte.

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Frau Ministerin! Welche Maßnahmen setzen Sie, um für Frauen geeignete Arbeitsplätze im Bereich des Teleworkings zu unterstützen und zu fördern?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Das ist auch eines meiner Lieblingsthemen, Herr Bundesrat! (


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 38

Bundesrat
Konečny: Das haben Sie mit Kollegen Jaud gemeinsam, Frau Ministerin!) Ja!

Ich habe mir in diesem Jahr 1998 als Schwerpunkt Frauen und neue Technologien gesetzt, ich habe am Internationalen Frauentag im März damit begonnen und möchte am nächsten Internationalen Frauentag damit auch enden. In der Zwischenzeit gab es eine Unzahl von Maßnahmen und Veranstaltungen, und wir haben uns auf den unterschiedlichsten Ebenen sehr konkret mit diesen Themen auseinandergesetzt. Eine sehr effiziente und EU-weit vielbeachtete Veranstaltung konnte ich im Rahmen unserer Präsidentschaft gemeinsam mit dem AEC in Linz durchführen.

Es zeigt sich eindeutig, daß es notwendig ist, daß wir uns im Qualifikationsbereich, aber auch im arbeits- und sozialrechtlichen Bereich vor diesen Möglichkeiten nicht nur – unter Anführungszeichen – "nicht scheuen", sondern ganz im Gegenteil diese Möglichkeiten auch aufgreifen, gleichzeitig aber auch dazu sagen sollten, wo die Risiken liegen, das heißt, eine Ausgewogenheit zustande zu bringen. Ich bin überzeugt davon, daß dadurch viele zusätzliche Arbeitsplätze gerade auch im Zusammenhang mit der Überwindung von Distanzen möglich wären. So habe ich zum Beispiel sehr genaue Informationen von – wiederum – Schweden, wo im Norden des Landes nie und nimmer ausreichend Arbeitsplätze für Frauen geschaffen werden könnten, wenn derartige Möglichkeiten nicht genützt würden.

Tatsache ist allerdings – das ist mir wichtig, hervorzuheben –: Wer zu Hause am Computer arbeitet, kann die Kinder "unter den Füßen" nicht brauchen. Das heißt, es wird sehr wohl auch eine Kinderbetreuung gebraucht, denn es ist eine viel zu anstrengende, viel zu diffizile, viel zu viel Sorgfalt erfordernde Arbeit, als daß das einfach so nebenbei wie ein Hobby funktionieren könnte. Das soll einmal klargestellt sein! Es ist ohnehin ein Vorteil, den man vielleicht da oder dort nützen kann, nämlich daß man es sich unter Umständen zeitmäßig besser einteilen kann. Umgekehrt muß meines Erachtens auch gewährleistet sein, daß damit keine Arbeits- und Sozialrechte ausgehöhlt werden, sondern daß das klar und deutlich einen arbeitsrechtlich gesicherten Boden vorfinden muß. Drittens muß gewährleistet sein, daß Frauen deswegen nicht zusätzlich in die Isolation gedrängt werden, sondern Maßnahmen, wie etwa einmal in der Woche im Unternehmen zu erscheinen, auch tatsächlich praktiziert werden.

Ich freue mich darüber, daß es Initiativen und Projekte, auch sehr unterschiedlicher Art, überall in den Regionen gibt. Ich habe diesbezüglich eine sehr interessante Veranstaltung in Salzburg miterleben können. Das Land Salzburg hat sich eigentlich ein ganzes Jahr lang mit diesem Thema beschäftigt. Also: Chancen aufnehmen und Risiken minimieren! So heißt, glaube ich, die Devise für die Zukunft.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Drochter gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Bei Arbeiterkammer und Gewerkschaft häufen sich die Klagen, daß teilzeitbeschäftigten Frauen gesetzliche und kollektivvertragliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnis bewußt oder unbewußt – beides ist schrecklich genug – von den Arbeitgebern vorenthalten werden. Können Sie sich vorstellen, gemeinsam mit der Frau Sozialministerin und mit der Interessenvertretung eine Initiative beziehungsweise eine Informationskampagne zu starten, um über die Ansprüche und Rechte von teilzeitbeschäftigten Frauen speziell zu informieren?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz Mag. Barbara Prammer: Ja, denn ich halte das für etwas ganz Wichtiges. Man kann die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gar nicht genug darüber informieren, welche Rechte und Möglichkeiten sie haben. Und gerade Informationen zum Thema Teilzeit, bei dem es in der letzten Zeit viele Veränderungen gegeben hat, sind wichtig. Neben der Information müssen wir aber umgekehrt auch jedem einzelnen Fall nachgehen. Die Arbeiterkammer ist natürlich die wesentliche Institution, jedem einzelnen Fall nachzugehen, bei dem festgestellt wird, daß Rechte vorenthalten werden. Das kann und darf auch in Zukunft nicht toleriert werden. Wir müssen auf der Seite der Frauen stehen, und je besser deren Informationen sind, umso eher werden sie sich natürlich rühren, umso mehr werden sie ihre Rechte auch in Anspruch nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Wir sind jetzt zwei Minuten vor dem Ablaufen der Zeit für die Fragestunde, wie wir sie uns vorgenommen haben, nämlich 120 Minuten. Wir müssen daher auf die übrigen Fragen, die noch angemeldet wurden, und deren Beantwortung leider verzichten. Wir hätten alle gern gewußt, wie denn das mit dem "Psychomarkt" so aussieht, aber wir haben die Zeit ausgeschöpft. Ich darf mich bei der Frau Bundesministerin für ihre ausführliche Beantwortung aller Fragen sehr herzlich danken.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich gebe bekannt, daß ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Riess-Passer und Kollegen betreffend die katastrophalen Verhältnisse im Vollzug des Schengen-Abkommens an den Herrn Bundesminister für Inneres vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluß der Sitzung, jedoch nicht über 16 Uhr hinaus.

Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt sind elf Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt ist ein Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend eine Ministervertretung, die den heutigen Tag betrifft. Ich ersuche die Schriftführung um die Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Irene Crepaz: "Der Herr Bundespräsident hat am 18. November 1998, Zl. 300.100/62-BEV/98 folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung der Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer innerhalb des Zeitraumes vom 19. bis 21. November 1998 den Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fassl


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 39

abend und am 22. beziehungsweise 23. November 1998 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen."

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke der Schriftführerin für die Verlesung des Schreibens.

Weiters eingelangt ist ein Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Veräußerung von unbeweglichem Bundesvermögen.

Dieser Beschluß unterliegt im Sinne des Artikels 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates.

Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegenden Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Gemäß § 59 Abs. 8 der Geschäftsordnung gebe ich weiters bekannt, daß Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer ihre Anfrage mit der Zahl 1494/J-BR/98 an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten zurückgezogen hat.

Gemäß § 21 Abs. 4 der Geschäftsordnung gebe ich weiters bekannt, daß die Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Monika Mühlwerth ihren Entschließungsantrag 107/A zurückgezogen haben.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Der Herr Präsident hat diese Beschlüsse sowie den Außenpolitischen Bericht der Bundesregierung über das Jahr 1997 den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

All diese Vorlagen wurden auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Behandlung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Aufgrund eines zugegangenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 1 bis 4, 5 bis 7, 8 bis 10 sowie 16 bis 19 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Herr Bundesrat Dr. Bösch, bitte.

Einwendungen gegen die Tagesordnung

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte Einwendung gegen die Tagesordnung erheben und ersuchen, darüber eine Debatte abzuhalten.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Sie haben die Einwendung des Herrn Bundesrates Dr. Bösch gegen die Tagesordnung gehört.

Es wurde eine Debatte verlangt.

Gemäß § 39 Abs. 1 der Geschäftsordnung wird die Redezeit jedes Redners auf 5 Minuten beschränkt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 40

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Harring. – Bitte.

11.03

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sollen heute bei Punkt 11 der Tagesordnung eine Novelle zum Sparkassengesetz und zum Körperschaftsteuergesetz beschließen. Die freiheitliche Fraktion stellt dazu den Antrag auf Absetzung von der Tagesordnung.

Meine Damen und Herren! Dieser Absetzungsantrag ist wie folgt begründet: Zunächst geht es um das Stiftungsthema. Wir gehen davon aus, daß die heutige Novelle eine Anlaßgesetzgebung im Interesse der größten österreichischen Bank ist. Die Anteile der Gemeinde Wien an der Bank Austria beziehungsweise an der AVZ sollen in eine Stiftung eingebracht werden, um in Zukunft nach außen hin den Vorwurf des Koalitionspartners, aber auch der Europäischen Union, daß in diesem Fall eine Verpolitisierung stattfindet, entkräften zu können. Tatsächlich aber wird der Einfluß perpetuiert. Die Bank Austria wird damit jeder Kontrolle entzogen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf in diesem Zusammenhang auf eine Stellungnahme des Österreichischen Gemeindebundes vom 20. März 1998 verweisen, die an Sie alle ergangen ist, in der sich der Österreichische Gemeindebund mit dieser Angelegenheit sehr kritisch auseinandersetzt.

Der zweite Punkt betrifft die Frage des Aufgriffsrechtes. Das Aufgriffsrecht, das heute beschlossen werden soll, bevorzugt eindeutig das Sparkassenspitzeninstitut in Österreich. Das ist nicht mehr die Bank Austria, sondern die aus der Girozentrale und der Ersten entstandene Erste Bank beziehungsweise die Sektorinstitute.

Meine Damen und Herren! Wiewohl man einiges der Frage der Einheitlichkeit eines Bankensektors abgewinnen kann, vor allem in dezentralen Sektoren, insbesondere im Hinblick auf die Einlagensicherung, ist das heute zu beschließende Gesetz aber in folgenden Punkten abzulehnen: Erstens stellt es einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 2 des Staatsgrundgesetzes dar. Zweitens ist es ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums. Ich verweise auf Artikel 5 des Staatsgrundgesetzes. Drittens steht es im Widerspruch zum europäischen Gemeinschaftsrecht. Ich verweise auf Artikel 73b. Diese Novelle greift durch das Aufgriffsrecht in die Entscheidungsfreiheit des Managements einer Bank ein und führt letztlich zu einer Minderung der Anteile.

Meine Damen und Herren! Ich darf in diesem Zusammenhang auf eine Stellungnahme des Landeshauptmannes von Tirol Dr. Wendelin Weingartner vom 12. 11. 1998 verweisen, die an Bundesratsdirektor Dr. Walter Labuda gerichtet ist und Ihnen sicherlich auch zugegangen ist, worin dieser diese Meinung vollinhaltlich bestätigt.

Das Land Tirol hat darüber hinaus durch Universitätsprofessor Dr. Bernhard Raschauer und Universitätsprofessor DDr. Heinz Mayr ein Rechtsgutachten erstellen lassen. Auch das Gutachten kommt zu dem Schluß, daß das in § 21 Sparkassengesetz in der Fassung der Regierungsvorlage vorgesehene Aufgriffsrecht gegen die von mir schon erwähnten Punkte verstößt. Da es sich hiebei um die Stellungnahme eines sehr prominenten Landeshauptmannes handelt, bin ich überzeugt davon, daß wir hier in der Länderkammer dazu ... (Bundesrat Konečny: Gibt es prominentere und weniger prominente Landeshauptleute?) – Nein, es gibt nur prominente. Herr Konečny! Ich habe mich in diesem Fall mehr an die Fraktion der ÖVP gewandt, weil ich mir nicht vorstellen kann, daß die Damen und Herren der Volkspartei eine derart massive Stellungnahme eines ÖVP-Landeshauptmannes negieren und bei unserem Antrag auf Absetzung nicht mitgehen werden. Ich kann mir vorstellen, daß sich Bundesrat Konečny damit etwas leichter tun wird, da es sich um ein Gesetz handelt, das letztlich insbesondere der Bank Austria helfen wird.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, unserem Absetzungsantrag die Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.08


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte über die Einwendung ist geschlossen.

Ich teile Ihnen mit, daß ich der erhobenen Einwendung gegen die Tagesordnung betreffend Absetzung des Tagesordnungspunktes 11 nicht Rechnung tragen werde.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die der erhobenen Einwendung zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Minderheit.

Somit gilt die vorgeschlagene Tagesordnung.

Redezeitbeschränkung


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 42

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, möchte ich an die in der Präsidialkonferenz vom 2. Juni 1998 getroffene Vereinbarung der Fraktionen erinnern. Die Fraktionen haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung von 10 Minuten für alle Debattenbeiträge, für welche die Geschäftsordnung keine bestimmten Redezeiten vorsieht, vereinbart. Es wird daher das rote Lichtsignal eine Minute vor Ablauf der vereinbarten Redezeit beim Rednerpult blinken und nach Ablauf der vereinbarten Redezeit dauernd leuchten.

Sind für eine Debatte mehrere Redner von einer Fraktion zu Wort gemeldet, sollen dem Erstredner bis zu 15 Minuten zur Verfügung stehen. Da es sich um eine freiwillige Redezeitbeschränkung handelt, wird der vorsitzführende Präsident weder ein Glockenzeichen geben noch den Redner auf den Ablauf der vereinbarten Redezeit hinweisen.

Sollten Debattenredner im Hinblick auf das zu behandelnde Thema von vornherein die Vereinbarung nicht einhalten können, ersuche ich, bei Beginn der Rede darauf hinzuweisen.

1. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird (1391 und 1454/NR sowie 5795/BR der Beilagen)

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997 geändert wird (1385 und 1455/NR sowie 5796/BR der Beilagen)

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 1982 geändert wird (1411 und 1456/NR sowie 5797/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 geändert wird (1410 und 1457/NR sowie 5798/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 bis 4, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997 geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 1982 geändert wird, und

ein Bundesgesetz, mit dem das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 1 bis 4 hat Herr Bundesrat Vindl übernommen. Ich darf ihn um die Berichte bitten.

Berichterstatter Wolfram Vindl: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich bringe zunächst den Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird.

Das Versorgungssicherungsgesetz läuft, wie auch andere der sogenannten Wirtschaftslenkungsgesetze, am 31. Dezember 1998 aus.

Der vorliegende Beschluß des Nationalrates sieht daher eine befristete Verlängerung der Geltungsdauer dieses Gesetzes auf drei Jahre sowie eine Anpassung an das Bundesministeriengesetz vor.

Die im Artikel I des gegenständlichen Beschlusses enthaltene Verfassungsbestimmung bedarf im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997 geändert wird.

Das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997 ist wegen der besonderen umfassenden Kompetenzen des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung im Artikel I bis 31. Dezember 1998 – wie auch die übrigen sogenannten Wirtschaftslenkungsgesetze – befristet.

Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates sieht daher eine Weitergeltung auf drei Jahre sowie eine Anpassung an das geänderte Bundesministeriengesetz vor.

Die im Artikel I des gegenständlichen Beschlusses enthaltene Verfassungsbestimmung bedarf im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Ferner bringe ich den Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 1982 geändert wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 43

Das Energielenkungsgesetz läuft, wie die übrigen Wirtschaftslenkungsgesetze, mit 31. Dezember 1998 aus.

Der vorliegende Beschluß des Nationalrates sieht eine Verlängerung der Geltungsdauer bis 31. Dezember 2001 sowie eine Anpassung an das Bundesministeriengesetz 1986, an das Handelskammergesetz 1998 und an das Arbeiterkammergesetz 1992 vor.

Die im Artikel I des gegenständlichen Beschlusses enthaltene Verfassungsbestimmung bedarf im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach der Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Schließlich bringe ich den Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 geändert wird.

Das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 läuft, wie die übrigen sogenannten Wirtschaftslenkungsgesetze, am 31. Dezember 1998 aus.

Der vorliegende Beschluß des Nationalrates sieht eine Verlängerung der Geltungsdauer dieses Gesetzes um weitere drei Jahre bis zum 31. Dezember 2001 vor.

Die im Artikel I des gegenständlichen Beschlusses enthaltene Verfassungsbestimmung bedarf im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte und die Hinweise auf die besonderen Beschlußerfordernisse bei den Punkten 1 bis 4.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Harring. – Bitte.

11.15

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich schicke zunächst einmal voraus, daß Wirtschaftslenkungsgesetze zur Bewältigung von Krisenfällen zweifellos notwendig und sinnvoll sind. Das haben wir Freiheitlichen nie bestritten, und wir werden das sicher auch in Zukunft nie tun.

Heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, beschließen wir allerdings unveränderte Verlängerungen, die den heutigen Anforderungen unserer Meinung nach nicht mehr ganz entsprechen. Auch bei der Debatte im Wirtschaftsausschuß vor zwei Tagen war klar erkennbar, daß auf die durch den EU-Beitritt geänderten Bedingungen nicht ausreichend reagiert worden ist. Ich fasse unsere ganz konkreten Kritikpunkte zusammen:

Erstens: Die Gesetze sind im Hinblick auf die praktische Umsetzung zuwenig effizient, weil zur Aktivierung dieser Gesetze entsprechende Verordnungen in jedem Fall notwendig sind. Das ist unter anderem auch ein zeitliches Problem.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 44

Zweitens: Die Gesetze verletzen die innerstaatliche bundesstaatliche Kompetenzverteilung, sie entsprechen nicht dem in der Bundesstaatsreform vorgesehenen Inkorporierungsgebot. Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang eine Stellungnahme der Kärntner Landesregierung zur Kenntnis bringen, in der es zu diesem ganz konkreten Punkt wie folgt lautet:

Im Begutachtungsverfahren wurde seitens des Amtes der Landesregierung darauf hingewiesen, daß die Aufrechterhaltung befristeter Sonderkompetenzregelungen im Bereich der Wirtschaftslenkungsgesetze der im Zuge der Bundesstaatsreform angepeilten Durchsetzung des Inkorporierungsgebotes zuwiderläuft und daher aus Ländersicht abzulehnen ist.

Zusätzlich wurde in diesem Zusammenhang auf den Beschluß einer Landeshauptleutekonferenz – und zwar schon vom 10. Mai 1996! – verwiesen, in dem festgehalten wurde, daß außerhalb der Bundesstaatsreform bis zu deren Verwirklichung keiner Verfassungsänderung zu Lasten der Länder zugestimmt wird. – Das soll heute hier eben wieder passieren.

Drittens, meine Damen und Herren, ist in den Gesetzesvorlagen ein Ausgleich mit den Ressourcen anderer EU-Länder nicht ausreichend berücksichtigt. Ich erwähne beispielsweise nur die Lebensmittelbevorratung. Der Handel ist, worauf unser Kollege Mag. Scherb bereits im Ausschuß hingewiesen hat, schon zu 70 bis 80 Prozent in ausländischer Hand, die Großlager der Betriebe können daher auch im Ausland gehalten werden. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wie sieht es mit dem Zugriffsrecht im Krisenfall aus? – Ein Zugriff ist zum Teil unmöglich, jedenfalls aber sehr erschwert.

Viertens dürfte es mit der Kostenwahrheit im Zusammenhang mit diesen Gesetzen nicht sehr genau genommen worden sein. In der Regierungsvorlage sind weder Kosten für die Versorgungssicherung noch für die Energielenkung noch für die Lebensmittelbewirtschaftung erwähnt, sie werden mit Null oder nahezu Null angegeben. Kollegin Giesinger, die im Ausschuß vor zwei Tagen auf die Beantwortung dieser Fragen sehr insistiert hat, hat keine befriedigenden Antworten erhalten.

Wichtig für uns, meine Damen und Herren, ist, daß bei diesen Gesetzesvorlagen folgendes offengeblieben ist: Es gibt keine Regelungen für Abgeltungsfragen, und es gibt keine Regelung oder keine ausreichenden Regelungen hinsichtlich der Ausschöpfung grenzüberschreitender Möglichkeiten im Rahmen dieser Wirtschaftslenkungsgesetze.

Die Ablehnung der freiheitlichen Fraktion ist daher zweifellos begründet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.19

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Farthofer. – Bitte.

11.19

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Die Wirtschaftslenkungsgesetze sind zur Bewältigung von außerordentlichen Krisen unbedingt notwendig. Wir sind durch internationale Verträge verpflichtet, die Versorgung im Lande stets aufrechtzuerhalten. Allein durch Artikel 103a des EG-Vertrages, aber auch durch andere internationale Verpflichtungen sind wir daran gebunden, für den Krisenfall vorzusorgen. Es ist auch dafür vorgesorgt, daß bei Krisenfällen selbstverständlich auch alle Bundesländer miteinbezogen werden.

Es ist sehr wichtig, daß bei Verhandlungen mit internationalen Lebensmittelkonzernen auch darauf Wert gelegt wird, daß die Zentrallager in Österreich erhalten bleiben und nicht aus Österreich abgesiedelt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir liberalisieren den Energiemarkt. Es ist also nicht auszuschließen, daß Elektrizitätsunternehmen in Zukunft privatisiert werden. Es ist aber dadurch zu erwarten, daß immer weniger Teilnehmer auf dem Energiemarkt bereit sind, für gemeinwirt


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 45

schaftliche Dienstleistungen aufzukommen. Zur Vorsorgesicherheit ist eine Reservehaltung von Energievorräten unbedingt notwendig und ganz wesentlich.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Für diesen Fall sollten wir uns nicht zu sehr auf die Europäische Gemeinschaft verlassen, denn wir wissen, daß die Hälfte der Primärenergie in die Europäische Union importiert wird. Aus der Kernenergienutzung auszusteigen, ist für mich ein wesentlicher Faktor und hat auch in einigen anderen Ländern absolute politische Priorität, wie es zum Beispiel in der Schweiz bereits beschlossen ist. Das wird natürlich auch die Versorgungssituation europaweit verändern.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! In diesem Zusammenhang ist unsere Energiepolitik wichtig. Herr Bundesminister! Wir müssen in Österreich vorsorgen und im speziellen die Nutzung der Biomasse mehr forcieren. Wir dürfen auch nicht auf die Nutzung von Windenergie und Sonnenenergie vergessen. Wenn wird dies tun, sehr geehrter Bundesminister, dann wird es uns, so meine ich, gelingen, daß auch wir Österreicher auf dem künftigen europäischen Energiemarkt mit eine entscheidende Rolle spielen.

Die sozialdemokratische Fraktion wird diesen Gesetzen die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

11.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hensler. – Bitte.

11.22

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Laut Tagesordnung des Bundesrates haben wir heute die Wirtschaftslenkungsgesetze zu beschließen. Wirtschaftslenkungsgesetze sind Gesetze, die ganz einfach im Krisenfall zur Anwendung kommen. Ich möchte kurz auf zwei Regierungsvorlagen, nämlich auf das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz und Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz, eingehen.

Beide Gesetze verbindet der Grundgedanke, in diese Richtung den Vorrat im Krisenfall abzusichern. Als Teilnehmerstaat, in dem das Übereinkommen über ein internationales Energieprogramm zur Anwendung kommt, hat sich Österreich verpflichtet – ich betone: sehr wohl verpflichtet –, im Rahmen der gemeinsamen Selbstversorgung in Notfällen einen Ölvorrat für 90 Tage, also für drei Monate, anzulegen, um so den Bedarf in diesem Zeitraum decken zu können.

Das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz wird seit 1. 7. 1976 vollzogen. Es gab bis zum heutigen Tag keine gravierenden Änderungen. Es läuft 1998 aus und soll bis 2001 verlängert werden. Bisher erfolgte die Verlängerung in einem Abstand von zwei Jahren, in Zukunft soll die Frist für die Verlängerung drei Jahre betragen. Damit wird gewährleistet, daß Österreich eingegangene völkerrechtliche Verpflichtungen erfüllt und gleichzeitig den EU-Normen Rechnung trägt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz und das Versorgungssicherungsgesetz sollen, wie bereits aus der Bezeichnung zu entnehmen, sicherstellen, daß in einem Krisenfall die Versorgung mit verschiedenen Waren und Grundnahrungsmitteln aufrechterhalten werden kann.

Ich möchte jetzt auf einen Einwand des Bundesrates Harring eingehen, der diesbezüglich gewisse Bedenken geäußert hat. Ich glaube, gerade die Notwendigkeit der Sicherstellung der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln zeigt die Tatsache auf, wie wichtig es ist, daß wir in Österreich eine gut funktionierende Landwirtschaft haben. Sehr geehrter Herr Bundesminister! Landwirtschaft bedeutet, für die Menschen in Österreich da zu sein. In diese Richtung sollte man das interpretieren. Die Landwirtschaft ist sich dieser Aufgabe zweifelsohne im weitesten Sinne bewußt. Gleichzeitig bedeutet das auch Lebensqualität für die Menschen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Beide Gesetze verursachen nur geringe Kosten, das war im Ausschuß klar und deutlich zu hören. Es wurde auch die gute Zusammen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 46

arbeit des Wirtschaftsministeriums auf der einen Seite mit dem Landwirtschaftsministerium auf der anderen Seite betont. Ich möchte mich dafür recht herzlich bedanken, sehr geehrter Herr Bundesminister!

Abschließend ein offenes Wort: Diese Gesetze treten nur in außerordentlichen Krisenfällen in Kraft. Ich hoffe im Interesse der Bürger dieses Landes, daß nie der Ernstfall eintreten möge und die Wirtschaftslenkungsgesetze nie zur Anwendung kommen mögen.

Die Österreichische Volkspartei wird sehr gerne einer Verlängerung bis zum Jahre 2001 ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.26

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jaud. – Bitte.

11.26

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Die österreichische Strombedarfsdeckung geht nach meiner Auffassung in einer Richtung völlig falsche Wege, nämlich in Richtung Ausbau der Wasserkraft.

Der Ausbau der Stromerzeugung durch Wasserkraft ist derzeit praktisch gestoppt. Ich halte diesen praktischen Baustopp der Wasserkraftwerke für einen fatalen Fehler. Der Ausfall von Strom, der aus Wasserkraftwerken kommen könnte, wird einerseits durch Strom aus Gaskraftwerken ersetzt und andererseits durch den Import von Atomstrom. Der Nachteil kalorischer Kraftwerke sind die hohe Umweltbelastung im Vergleich zu Wasserkraftwerken und die Abhängigkeit vom Import der Primärenergie Gas.

Bei Atomstrom ist allgemein bekannt, daß der Strompreis kein echter Marktpreis ist, weil die Stillegungs- und Entsorgungskosten der Atomkraftwerke nicht in die Kalkulation der Stromkosten einfließen. Neben den derzeitigen verfälschten Marktpreisen auf dem Strommarkt ist auch die Geschäftstätigkeit verschiedener Umweltorganisationen mit ein Grund dafür, warum keine Wasserkraftwerke mehr gebaut werden. Kaum wird irgendwo die Planung für den Bau eines Wasserkraftwerkes ruchbar, versuchen sofort Umweltorganisationen, ihr Geschäft zu machen. Offenbar ist es diesen Organisationen völlig gleichgültig, daß jede Kilowattstunde, die nicht durch Wasserkraft erzeugt wird, von einem kalorischen Kraftwerk oder einem Atomkraftwerk mit hoher Umweltbelastung erzeugt werden muß.

Zu bedenken ist, daß von der Planung bis zur Inbetriebnahme eines großen Wasserkraftwerkes mindestens zehn Jahre benötigt werden. Es gibt in Österreich noch sehr viel ausbauwürdige Wasserkraft. Auf lange Sicht sind Wasserkraftwerke sicher wirtschaftlich, wenn auch derzeit keine günstige Marktlage für den Bau von Wasserkraftwerken vorhanden ist. Der Ausbau von Wasserkraftanlagen dient erstens der Erhaltung unseres weltweit führenden Know-hows auf diesem Gebiet, zweitens – das ist auch zu beachten – der Schaffung von Arbeitsplätzen und drittens einer langfristigen Energiesicherung durch Eigenvorsorge und damit auch einer Verbesserung unserer Handelsbilanz und einer Verbesserung der Importunabhängigkeit unserer Energieerzeugung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus diesen Gründen sind, wie ich meine, die Regierung und das Parlament gut beraten, Vorsorge dahin gehend zu treffen, daß auch in Zukunft in unserem Land neue Wasserkraftanlagen zur Stromerzeugung gebaut werden können. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

11.30

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Zunächst einige Feststellungen grundsätzlicher Art. Erster Punkt: Die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 47

österreichische Kompetenzlage stammt aus Zeiten, in denen man mit Krisen, wie wir sie heute kennen, nicht zu operieren hatte. Österreich ist zur Krisenbewältigung – bundesländerweise gegliedert – absolut nicht in der Lage. Daher war es ein guter, seit Beginn der Zweiten Republik gehandhabter Grundsatz, das Risiko der österreichischen Versorgungssicherung auf die Bundeskompetenz mit den Behelfskonstruktionen von Verfassungsbestimmungen zu verlagern. Ich halte es für völlig ausgeschlossen, daß das durch eine andere Art gewährleistet werden könnte.

Zweiter Punkt: Wir wissen, daß die größte Sicherheit durch eine internationale Friedensicherung gewährleistet ist, denn wer keine Krisen hat, der braucht auch keine Krisenvorsorge. Das ist die eine Seite, die jenseits dieser Gesetze liegt. Die andere Seite ist, daß es eine europäische Krisenvorsorge nur in Ansätzen gibt.

Wir haben letzte Woche im Energieministerrat eine neue Richtlinie über Oilstocks beschlossen, mit der sichergestellt ist, daß Europa insgesamt auch innerhalb der Internationalen Energieagentur die Versorgung mit Erdöl und Erdölprodukten sicherstellen kann.

Eine letzte Bemerkung: Gott schütze uns vor neuer Wasserkraft! Herr Bundesrat! Es besteht momentan eher das Problem, daß wir über Stranded Investments diskutieren müssen, weil Europa im Augenblick einen eklatanten Stromüberschuß hat. Ich glaube, daß die Zukunft der Wasserkraft in Österreich dann wieder beginnen wird, wenn sich die Marktverhältnisse stabilisiert haben werden. Ich gehe auch davon aus, daß die Ausstiegsszenarien aus der Atomkraft bei Verdeutlichung auch wieder genauere Bedarfspläne erarbeiten lassen und damit sicherstellen, daß wir nicht auf Vorrat Kraftwerke bauen. Es ist nicht lustig, um 3 Milliarden Schilling etwas zu bauen und dann die Turbinen abzuschalten. Da werden die Entscheidungen in den nächsten zwei, drei Jahren zu fällen sein, wenn die Ausstiegsstrategien weitergehen.

Zur "Energiepolitik alternativ" auch einige Bemerkungen: In Österreich kommt im Augenblick absolute Priorität dem Cluster Bioenergie zu. Wir haben mit 15 Millionen Festmetern ungeschlägertem Holz pro Jahr einen Zuwachs an Biomasse, den wir eigentlich nützen sollten. Wir haben in diesem Zusammenhang ein Kompetenzzentrenprogramm entwickelt und werden diesbezüglich Pilotprojekte durchführen. Ich kann Ihnen versichern, daß die Energieversorgung in Österreich ganz sicher auf rekreativer Basis, auf erneuerbarer Basis erfolgen werden wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versorgungssicherungsgesetz 1992 geändert wird.

Der gegenständliche Beschluß erhält im Artikel I eine Verfassungsbestimmung, die nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedarf.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 48

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997 geändert wird.

Der gegenständliche Beschluß enthält im Artikel I eine Verfassungsbestimmung, die nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedarf.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßig Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen. Ausdrücklich stelle ich wieder die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 4.November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Energielenkungsgesetz 1982 geändert wird.

Der gegenständliche Beschluß enthält im Artikel I eine Verfassungsbestimmung, die nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedarf.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 49

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen. Ausdrücklich stelle ich wieder die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Erdöl-Bevorratungs- und Meldegesetz 1982 geändert wird.

Der gegenständliche Beschluß enthält im Artikel I eine Verfassungsbestimmung, die nach Artikel 44 Abs. 2 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedarf.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen. Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungsgesetz und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden (1274 und 1458/NR sowie 5799/BR der Beilagen)

6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsstatistische Gesetz 1995 geändert wird (1156 und 1459/NR sowie 5800/BR der Beilagen)

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, angenommen in Madrid am 27. Juni 1989 (1315/NR sowie 5801/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkt 5 bis 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungsgesetz und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden,

ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsstatistische Gesetz 1995 geändert wird, und

ein Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, angenommen im Madrid am 27. Juni 1989.

Die Berichterstattung über die Punkte 5 bis 7 hat Herr Bundesrat Hensler übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

Berichterstatter Friedrich Hensler: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Berichte nur kurz erörtern. Da sie allen Bundesrätinnen und Bundesräten in schriftlicher Form vorliegen, beschränke ich mich auf das Wichtigste.

Ich bringe zuerst den Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungsgesetz und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden.

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Nun bringe ich den Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsstatistische Gesetz 1995 geändert wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 50

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Schließlich bringe ich den Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, angenommen in Madrid am 27. Juni 1989.

Der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte und die Antragstellungen.

Wir gehen nun in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Scherb. – Bitte, Herr Bundesrat.

11.41

Bundesrat Mag. Walter Scherb (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zunächst gehe ich auf den Gesetzentwurf, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungsgesetz und das Gebrauchsmustergesetz novelliert werden sollen, ein.

Das Österreichische Patentamt und auch die Gesetze, die sich auf Patente, Gebrauchsmuster und Marken beziehen, sind für den österreichischen Innovationsprozeß von großer Bedeutung. Leider teilt das vorliegende Gesetz das Schicksal vieler anderer österreichischer Gesetze, nämlich daß durch zu viele laufende kleine Änderungen das Gesetz zu unübersichtlich und zu kompliziert geworden ist, weshalb sich ein österreichischer Innovateur nur mit Hilfe eines Patentanwaltes im Gestrüpp der Bestimmungen zurechtfinden kann. Selbst bei einfachen Fragen müssen österreichische Klein- und Mittelbetriebe mit Anwälten zusammenarbeiten, und das ist dem Innovationsprozeß sicherlich nicht förderlich.

Nicht einmal Laufzeiten von Patenten beziehungsweise Erneuerungsgebühren bei Patentverlängerungen können einfach geklärt und eruiert werden, da viele verschiedene Möglichkeiten im Gesetz bestehen.

Ein weiterer Kritikpunkt, der leider im Zuge der Integration Österreichs in den Binnenmarkt der Europäischen Union schon zur Gewohnheit geworden ist, ist, daß österreichische Institutionen Kompetenzen an EU-Länder abgeben und dadurch Gestaltungs- und Einflußmöglichkeiten verlieren.

Durch die Abgabe des Internationalen Patentinformationszentrums vom Österreichischen Patentamt nach München wurde das Österreichische Patentamt in sich geschwächt, anstatt es durch die Hereinnahme von europäischen Agenden zu stärken. Eine Schwächung des Österreichischen Patentamtes bedeutet leider auch eine Schwächung des für Österreich so bedeutenden Innovationsprozesses.

Weiters weise ich darauf hin – das wurde auch im Ausschuß bestätigt –, daß der Gebrauchsmusterschutz für österreichische Innovationen auf internationaler Ebene besser abgesichert werden muß. Von der österreichischen Regierung muß unbedingt die internationale Absicherung des Gebrauchsmusterschutzes, der eigentlich nur in Österreich und in Deutschland von Bedeutung und ordnungsgemäß geregelt ist, vor allem in England, aber auch in den anderen Ländern der Europäischen Union vorangetrieben und gewährleistet werden.

Aus den angeführten Gründen können wir Freiheitlichen dieser Gesetzesvorlage nicht unsere Zustimmung erteilen. Wir fordern vielmehr dazu auf, dafür zu sorgen, daß das Patentgesetz


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 51

vereinfacht, das Österreichische Patentamt gestärkt und der Gebrauchsmusterschutz international besser verankert wird.

Nun zur Gesetzesvorlage, die die Handelsstatistik betrifft. Damit wurden in der Vergangenheit viele österreichische Klein- und Mittelbetriebe unnötig gequält. Es wurden sehr kleinen Betrieben, zum Beispiel Trafiken, sechsseitige Fragebögen mit 25 Seiten Erläuterungen zugeschickt, und wenn die Betriebsinhaber diese Fragebögen aufgrund der Verdrängung nicht ausgefüllt haben, dann sind Strafen in der Höhe bis zu 30 000 S verhängt und teilweise auch exekutiert worden.

Durch diese Gesetzesvorlage kommt es in diesem Bereich zu Erleichterungen. Betriebe unter 50 Millionen Schilling Eingangs- beziehungsweise Ausgangsvolumen, das heißt Umsatz, werden weitgehend von der Statistik befreit. Deshalb stimmen wir dieser Gesetzesvorlage auch zu. Dennoch sollten diese Erleichterungen nur als erster Schritt gesehen werden, dem weitere folgen sollten.

Besonders anmerken möchte ich aber, daß bereits im Juli 1997 vom Nationalrat einstimmig ein Entschließungsantrag zur Befreiung der österreichischen Wirtschaft von der Statistikpflicht eingebracht wurde, der jedoch von der Regierung bis jetzt nicht behandelt wurde. Mit dieser Ignoranz zeigt die Regierung, welchen Stellenwert das Parlament bei ihr hat.

Betriebe über 50 Millionen Schilling Umsatz müssen weiterhin monatlich in umfangreicher Weise ihre Produktions- und Personaldaten in verschiedenen Formularen an das Statistische Zentralamt melden. Das kann zwar weitgehend automatisiert werden, das gebe ich zu, aber wenn man dann sieht, was das Statistische Zentralamt aus all diesen mühsam ermittelten Informationen macht, so ist es wirklich nicht verwunderlich, wenn man frustriert ist. So kann seit dem EU-Beitritt im Jahre 1995 zum Beispiel der Fachverband der Nahrungs- und Genußmittelindustrie – diesbezüglich weiß ich genauer Bescheid, was da vor sich geht – keine inhaltsstarken und aussagekräftigen Produktionsvergleichsstatistiken vom Statistischen Zentralamt abrufen.

Da müßte von seiten der Regierung der Druck auf das Statistische Zentralamt verstärkt werden, daß aus der Fülle von Informationen, die es bekommt, brauchbare Statistiken und Ergebnisse geliefert werden.

Abschließend komme ich zur Gesetzesvorlage über das Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, das im Juni 1989 in Madrid angenommen und von Österreich am 29. Dezember 1989 unterzeichnet wurde.

Bei dieser Gesetzesvorlage geht es um die Ratifikation des Protokolls zum Madrider Abkommen, wozu Österreich verpflichtet ist. Dieser Vorlage werden wir unsere Zustimmung geben.

Kritisch anmerken möchte ich jedoch, daß dieses Protokoll, das am 1. 12. 1995 in Kraft getreten ist, von uns erst jetzt ratifiziert wird.

Dieses Protokoll bringt der österreichischen Wirtschaft Vorteile, wie zum Beispiel die Möglichkeit zum erleichterten Markenerwerb in Staaten, die bisher nur durch gesonderte nationale Markenanmeldungen erreichbar waren. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit der aktiven Mitwirkung im Rahmen des Madrider Verbandes. Auf diese Vorteile hat die österreichische Wirtschaft und haben österreichische Betriebe durch die verspätete Ratifikation drei Jahre lang verzichten müssen. Dieses Versäumnis muß ich der Regierung vorwerfen. Ansonsten geben wir sowohl dem Handelsstatistischen Gesetz als auch dem Protokoll über das Madrider Markenrechtsabkommen unsere Zustimmung. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 52

11.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Payer. – Bitte, Herr Bundesrat.

11.48

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wenn man die Worte Patentgesetz, Gebrauchsmusterschutz, Patentvertrag, Patentamt nur oberflächlich betrachtet, dann kann man zur Ansicht gelangen, daß es sich hiebei um eine langweilige, verknöcherte, veraltete Angelegenheit handelt. Bei genauerer Betrachtung und bei näherer Beschäftigung mit dem Thema kommt man aber sehr rasch zu der Ansicht, daß das Thema Patent und Patentwesen spannend und wichtig ist. Es ist wichtig für den Wirtschaftsraum Österreich, es ist wichtig für den Wirtschaftsraum Europa.

Gleichzeitig kommt man aber auch zu der Ansicht, daß es mit der heutigen Novelle zum Patentgesetz zu keinem Ende der Diskussion, zu keinem Ende der Erneuerung und der Anpassung an moderne Gegebenheiten kommen darf. Man kommt zur Meinung, daß es noch einige offene Fragen im Bereich des Patentwesens aus österreichischer und europäischer Sicht gibt. Diese offenen Fragen müssen sukzessive und zielorientiert immer wieder die österreichische und auch die europäische Gesetzgebung beschäftigen.

Man muß sich vor allem die Frage stellen: Wie sichern wir den österreichischen und europäischen Wirtschaftsraum im Vergleich zum Wirtschaftsraum der USA? – Die USA ist auf dem Gebiet der Erfindungen sehr innovativ.

Die heute zu diskutierende Gesetzesnovelle ist meiner Meinung nach ein wichtiger, ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung.

Im Zeitalter der Globalisierung, im Zeitalter von neuen Telekommunikationseinrichtungen, im Zeitalter des Internets sind wir aufgefordert, dafür zu sorgen, daß Inhaber von innovativen und epochemachenden Erfindungen in Österreich und in Europa bleiben und nicht in amerikanische Staaten auswandern und mit ihren Publikationen zu finanzkräftigeren Firmen in Übersee ausweichen.

Wie schon erwähnt, ist die heutige Gesetzesvorlage wichtig. Sie führt zu notwendigen und begrüßenswerten Verfahrensvereinfachungen. Weiters gibt es dadurch ergänzende Rechtsbehelfe auf dem Gebiet des Erfindungsschutzes. Auch wird damit das Patent- und Gebrauchsmusterrecht an internationale Verträge sowie an Änderungen der Rechtslage angepaßt. Auch der Ausbau der Möglichkeiten des EDV-Einsatzes wird durch dieses Gesetz ermöglicht.

Nun auch einige Anmerkungen zum Handelsstatistischen Gesetz, das heute ebenfalls geändert wird. Die Statistik an sich ist ein Thema, das bei Argumentationen sehr oft als Grundlage herangezogen wird. Genauso oft kommt es vor, daß statistische Auswertungen ins Lächerliche gezogen werden. Es gibt wunderbare Zitate dazu, und ein besonderes, das von Willy Brandt stammt, möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Er sagte: "Wer nur vier oder fünf Flaschen Wein im Keller hat, hat relativ wenig. Wenn er aber vier bis fünf Flaschen im Kabinett hat, dann ist das reichlich viel." (Heiterkeit.)

Auch über die Aussagekraft von Statistiken läßt sich herrlich diskutieren. Ein Leserbrief ... (Bundesrat Eisl, lachend: Das war eine "Beleidigung"!) – Das war ein Zitat! Wir Burgenländer haben unseren Wein im gut gekühlten Weinkeller. (Neuerliche Heiterkeit.)

Auch über die Aussagekraft von Statistiken läßt sich herrlich diskutieren. Ein Leserbrief, vor kurzem dazu erschienen, beschreibt diese Aussagekraft sehr pointiert. Es heißt darin: Wenn von neun Frauen eine im neunten Monat schwanger ist, sind im statistischen Mittel alle neun im ersten Monat schwanger.

Vielleicht verleiten Sie diese Anmerkungen zu der Annahme, daß die Gesetzesvorlage zum Handelsstatistischen Gesetz unnötig ist. Dem ist keinesfalls so. Sie stellt vielmehr eine Verbesserung der derzeitigen Situation und den Beginn zur Minimierung administrativer Auflagen dar. Dieses Gesetz bringt Erleichterungen vor allem für Klein- und Mittelbetriebe, auch deren Wettbewerbsfähigkeit wird dadurch eindeutig verbessert.

Erfreulicherweise können wir in Österreich ein Ansteigen der Produktivität und ein Sinken der Lohnstückkosten feststellen. Die Kosten der Verwaltung sind leider relativ hoch. Daher kommt


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 53

es vor allem bei Klein- und Mittelbetrieben immer häufiger zu Klagen über die zu führenden Statistiken.

§ 8 des gegenständlichen Gesetzes sieht in seiner gegenwärtigen Fassung zu viele, den tatsächlichen Erfordernissen nicht gerecht werdende Ausprägungen des statistischen Verfahrens vor. Nun kommt es zu einer Neuformulierung des besagten Paragraphen und damit zu einer Reduzierung der Zahl der Verfahren.

Der Beschluß des Nationalrates betreffend ein Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken bringt ebenfalls eine Erleichterung, und zwar eine Erleichterung des Zutritts zu einem internationalen Markenregistrierungssystem.

Namens meiner Fraktion stelle ich abschließend fest, daß wir gegen die Tagesordnungspunkte 5, 6 und 7 keinen Einspruch erheben werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Polleruhs. – Bitte, Herr Bundesrat.

11.55

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Die Tagesordnungspunkte 5 bis 7 der heutigen Sitzung werden, wie wir eingangs gehört haben, in der Debatte zwar unter einem abgeführt, gestatten Sie mir aber dennoch, daß ich alle drei gesondert behandle. Obwohl meine beiden Vorredner schon das Wesentliche diesbezüglich gesagt haben, möchte ich trotzdem einige Anmerkungen dazu machen.

Ich widme mich zuerst dem Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz geändert werden soll. Es ist dies ein Gesetz aus dem Jahre 1970, bei welchem sicherlich der Bedarf einer Änderung gegeben ist. Der Bedarf vor allem der österreichischen Wirtschaft an umfassender Information auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ist ebenso im Steigen begriffen wie jener nach Verfahrensvereinfachungen und ergänzenden Rechtsbehelfen auf dem Gebiet des Erfindungsschutzes. Überdies ist das Patent- und Gebrauchsmusterrecht an internationale Verträge sowie an Änderungen der Rechtslage anzupassen. Das ist, so glaube ich, das Wesentliche.

Der gegenständliche Gesetzentwurf sieht eine Anpassung der Bestimmungen des Patent- und Gebrauchsmusterrechtes, die Einführung neuer im Interesse der Anmelder liegenden Rechtsbehelfe sowie den Ausbau der Möglichkeiten des EDV-Einsatzes vor.

Das erklärte Ziel, zu einem europäischen Gemeinschaftspatent zu kommen, so nach dem Motto: global denken, aber lokal handeln!, ist bisher am Widerstand Großbritanniens und der Niederlande leider gescheitert. Tiefgreifende Unterschiede über den Schutzumfang, aber sicher auch die Sprachproblematik haben dabei eine entscheidende Rolle gespielt, wie es auch Bundesminister Farnleitner im Plenum des Nationalrates klar angesprochen hat.

Das Ziel sämtlicher Bemühungen auf diesem Gebiet muß meiner Meinung nach à la longue aber trotzdem das europäische Gemeinschaftspatent sein.

Nun zum sechsten Tagesordnungspunkt, und zwar zur Gesetzesvorlage, mit der das Handelsstatistische Gesetz geändert wird. Dazu gab es auch im Nationalrat Debattenbeiträge. Langer Rede kurzer Sinn: Durch eine flexible Formulierung der Verordnungsermächtigung sollen einige Dinge sichergestellt werden. Im Bestreben, Erleichterungen für die Wirtschaftstreibenden zu schaffen, sowie zum Zweck der raschen und effizienten Durchführung der bezugshabenden Verwaltungsverfahren wird durch einige Neuformulierungen eine den tatsächlichen Erfordernissen entsprechende Vereinfachung des statistischen Verfahrens vorgenommen. Es bestehen im wesentlichen keine Alternativen, die mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang stehen, um die vorgesehene, sofortige Entlastung der betroffenen Klein- und Mittelbetriebe vom Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Ermittlung des handelsstatistischen Wertes rechtzeitig sicherzustellen. Dieser Entwurf dient sicherlich der Schaffung der legistischen Voraussetzung


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 54

zur Herstellung der EU-Konformität und ist kostenneutral, was, so glaube ich, auch ein wesentlicher Faktor ist.

Als nächster Tagesordnungspunkt ist das Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken zu behandeln.

Wie wir schon gehört haben, liegt dessen Abschluß schon länger zurück. Ich darf in Erinnerung rufen, daß dieses Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken im Rahmen einer diplomatischen Konferenz am 27. Juni 1989 angenommen und am 29. Dezember von Österreich unterzeichnet wurde.

Ziel dieses Protokolls, das sehr umfangreich ist, ist, wie wir schon gehört haben, die Erleichterung des Zutrittes zu einem internationalen Markenregistrierungssystem für Staaten, die dem bereits bestehenden Abkommen noch nicht beigetreten sind.

Durch die Umwandlung von international registrierten Marken in nationale Marken beim Untergang der Basismarke sind auch verwaltungstechnische Erleichterungen gegeben. Ebenfalls ist, was wichtig ist, durch sehr viele Gesetzesänderungen in letzter Zeit auch in diesem Bereich die EU-Konformität hergestellt worden.

Meine Damen und Herren! Wir sollten allen drei Gesetzesänderungen die Zustimmung erteilen. Die ÖVP-Fraktion wird dieser Aufforderung gerne nachkommen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.00

Vizepräsident Jürgen Weiss (den Vorsitz übernehmend): Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Ilse Giesinger. – Bitte.

12.00

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich möchte noch kurz etwas zum Handelsstatistischen Gesetz sagen.

Im Ausschuß des Bundesrates am 17. November haben wir aufgrund meiner Frage erfahren, daß Firmen, die Eingänge oder Versendungen unter 50 Millionen Schilling pro Jahr tätigen, durch dieses Gesetz beziehungsweise dann durch die Verordnung befreit werden, den handelsstatistischen Wert zu ermitteln. Ebenso werden Firmen von der handelsstatistischen Anmeldung befreit, die Umsätze unter 2 Millionen Schilling pro Jahr tätigen. Dies ist zwar ein kleiner Abbau, aber immerhin ein Abbau der Bürokratie für Firmen und auch für die Verwaltung. Ich begrüße das als Unternehmerin und Politikerin sehr und danke dem Wirtschaftsministerium.

In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch die Gelegenheit nützen und einmal mehr folgende Forderungen aufstellen:

Erstens: Regierungsvorlagen mögen, bevor sie in die Begutachtung gehen, vom Ministerium überprüft werden, ob sie tatsächlich in der Praxis durchführbar sind, was gleichzeitig weniger Gesetze bedeuten würde, unter denen wir alle stöhnen.

Zweitens: Die Gesetzestexte sollen verständlich geschrieben werden.

Drittens: Es sollen auch die Kosten, die für die Wirtschaft und für die Bevölkerung entstehen, berechnet werden.

Dies ist meiner Meinung nach äußerst wichtig und dringend notwendig, geschieht aber leider entweder gar nicht oder viel zu wenig. – Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 55

12.02


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 56

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner das Wort. – Bitte.

12.02

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich möchte Ihnen berichten, daß wir zuletzt im Rahmen unserer österreichischen Präsidentschaft einen eigenen EU-Binnenmarkt-Ministerrat einberufen haben, der sich mit Fragen des Innovationsschutzes in Europa beschäftigt hat. Wir haben also selbst die Initiative ergriffen, um, was auch angesprochen worden ist, etwa im Bereich eines europäischen Patents, eines Gemeinschaftspatents, in einem europaweiten Schutz von Gebrauchsmustern, etwa auch in der Frage vieler Durchführungsprobleme eine europäische Identität und damit auch europaweit gleiche Regelungen zu finden.

Es ist einsichtig, daß dies nicht immer einfach ist, da nicht alle Länder unserem Druck nach besserem Technologieschutz den gleichen Stellenwert beimessen. Sie dürfen nicht übersehen, daß wir es zum Teil auch mit höchst unterschiedlichen Anerkennungskulturen zu tun haben und daß wir daher auch in diesem Binnenmarkt-Ministerrat der Meinung waren, daß wir, sobald es zu noch mehr Harmonisierung im Bereich der gegenseitigen Anerkennung kommt – etwa auch von Normen und anderen Standards –, viel rascher vorankommen werden, aber in der Frage betreffend Patente nicht nachlassen dürfen.

Wichtig – es wurde schon gesagt – ist vor allem der Neuheitenschutz, die berühmte Neuheitenschonfrist, die wir in Europa haben, die de facto dazu führt, daß viele Innovatoren in andere Länder – nämlich über den Atlantik – ausweichen und zuerst dort publizieren, dann Financiers finden und später trotzdem ihre Patente in Europa schützen lassen. – Das müssen wir relativ rasch über die Runden bringen.

Ein Zweites zum Handelsstatistischen Gesetz: Ich darf dem Bundesrat mitteilen, daß ich vorletzte Woche zwei Verordnungen zur Produktionsstatistik unterschrieben habe, wonach wir die Zahl der Unternehmen, die ausfüllen müssen, in einem Fall von 240 000 auf 40 000 und im zweiten Fall von 40 000 auf 2 400 verringert haben. In unserem Ressort nehmen wir, soweit wir zuständig sind, die statistische Vereinfachung außerordentlich ernst.

Noch eine Grundsatzbemerkung: Viele der Statistiken, die ausgefüllt werden, dienen nur dem Historizismus und sind ein Zahlenfriedhof. Ich nenne immer den Tourismus als Beispiel. Würden wir auf die publizierten offiziellen Statistiken warten, wäre keine Politik mehr damit zu machen. Daher sind Impulsstatistiken, Kurzzeitstatistiken, Online-Statistiken, die jeweils auch gleich dem Betrieb eine Information darüber geben, was als Summe seiner Beteiligung herausgekommen ist, das Mittel der Zukunft.

Wir sind über jede Unterstützung froh, wodurch wir das zuständige Amt und die anderen zuständigen Stellen überzeugen könnten, daß in vielen Statistiken weniger mehr wäre.

Noch eine letzte Bemerkung zum Herausfinden der Kosten – ein altes Anliegen der Frau Bundesrätin Giesinger: Gerade dazu sollte eigentlich das Begutachtungsverfahren dienen. Denn ich als Wirtschaftsminister kann nicht abschätzen, was manche Statistiken einen Betrieb kosten. Daher schicken wir das zur Begutachtung aus. Wissen Sie, was im Regelfall das Ergebnis ist? – Als Ergebnis des Begutachtungsverfahrens bekommen wir keine Zahlen über Kosten, sondern Extrawünsche über zusätzliche Ausnahmen und verfeinerte Regelungen. Daher frage ich mich manchmal, ob es nicht klüger wäre, das gesamte Begutachtungsverfahren einzustellen, denn es kostet nur viel Zeit, auch viel Geld und bringt manchmal außer Komplizierung wenig.

Daher haben wir – ich darf das so sagen – unseren Kollegen von den Sozialpartnern und in den Ländern immer wieder brutal gesagt: Nicht alte Stellungnahmen abschreiben, sondern einmal durchkalkulieren, was es kostet! – Wir als Ministerium können es nicht. Das sage ich nur, weil ich tatsächlich bereit bin, darauf einzugehen. Gerade im Bereich der Statistik haben wir das bewiesen.

Ansonsten bedanke ich mich für die interessante Diskussion, der ich beiwohnen durfte. – Danke, Herr Präsident! (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Böhm. )

12.06


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 57

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentgesetz 1970, das Patentverträge-Einführungsgesetz und das Gebrauchsmustergesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsstatistische Gesetz 1995 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend ein Protokoll zum Madrider Abkommen, über die internationale Registrierung von Marken, angenommen in Madrid am 27. Juni 1989.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen (1390 und 1464/NR sowie 5802/BR der Beilagen)

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 über ein Bundesgesetz betreffend Zuwendungen an den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus (1429 und 1465/NR sowie 5803/BR der Beilagen)

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird (1469/NR sowie 5794 und 5804/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 bis 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte gleichfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen,

ein Bundesgesetz betreffend Zuwendungen an den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus und

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Engelbert Schaufler übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

Berichterstatter Engelbert Schaufler: Geschätzter Herr Präsident! Verehrte Damen! Geschätzte Herren! Die Berichte zu den Tagesordnungspunkten 8, 9 und 10 liegen schriftlich vor. Ich verzichte daher auf die Verlesung und beschränke mich auf die Anträge.

Ich komme zunächst zum Tagesordnungspunkt 8: Rückgabe von Kunstgegenständen.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 9: Internationaler Fonds für Opfer des Nationalsozialismus.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zum Tagesordnungspunkt 10: Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte, mit der Debatte zu beginnen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert Thumpser. – Bitte.

12.10

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor zehn Tagen war der 60. Jahrestag des 9. November 1938, der 60. Jahrestag jener Nacht, in welcher grauenhaft vor Augen geführt wurde, was viele nicht vorausgeahnt hatten: Am 9. November 1938 brannten nicht nur die Synagogen, am 9. November 1938 wurden Menschen getötet, der kaltblütige Plan einer Ausrottungskampagne wurde schrittweise umgesetzt, und die brutale Enteignung aus rassistischen und politischen Überlegungen wurde Wirklichkeit.

Ein System nahm seinen Lauf. Die Grundlage dieses Systems war Rassismus, die Grundlage war Minderheitenfeindlichkeit, die Grundlage war Unterdrückung, die Abschaffung der Demokratie und damit leider auch die Errichtung von Konzentrationslagern. – All dies ist ein Denkschema, wofür der Nationalsozialismus gestanden ist. Ich denke, dies zu erkennen, ist umso wichtiger, wenn es darum geht, Strömungen in der heutigen Zeit zu bekämpfen, die ebenfalls diese Denkschemata als Grundlage ihrer Politik haben beziehungsweise in Ansätzen versuchen, dieses Gedankengut in die Politik einfließen zu lassen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 58

In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir jedoch eine Frage: Warum hat es so lange gedauert, bis diese Frage des Umgangs mit den ehemaligen Nationalsozialisten im allgemeinen und die Frage der Entschädigung und der Rückgabe von Gegenständen im besonderen offen diskutiert werden? Warum wurde solange tabuisiert?

Eine mögliche Begründung dafür könnte darin liegen, daß sich viele einerseits aus Angst und in einem Schockzustand nicht getrauten, diese Problematik offen zu diskutieren – aus Angst davor, eventuell wieder neuen Antisemitismus zu wecken. Andere fühlten sich vielleicht in irgendeiner Art und Weise schuldig und lebten in einer Welt der Verdrängung, und selbstverständlich hat es auch ein bewußtes Nichtaufarbeiten und Nichtverarbeiten gegeben. All das sind vielleicht Gründe, daß man mehr als 50 Jahre brauchte, um diesen Teil der Geschichte aufzuarbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich als ein in einer Zeit Geborener, der dies alles nur vom Hörensagen kennt, war jedoch schockiert darüber, wie heutzutage noch immer in vielen österreichischen Medien diese Fragen behandelt werden. "Ja muß denn das sein?", war zu lesen, oder: "Zahlt sich das noch überhaupt aus?", lautete eine andere Meldung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meiner Meinung nach ist das blanker Zynismus. Wenn man zuerst fünf Jahrzehnte verstreichen läßt und jetzt damit argumentiert, daß es sich nicht mehr auszahle, weil viele schon gestorben sind, ist das Zynismus pur. Es sind dies jedoch Argumente, die in Wirklichkeit dem Antisemitismus neue Nahrung geben, die dazu angetan sind, die Debatte rasch wieder zu tabuisieren und zu vertagen, und die dem Anspruch "Wehret den Anfängen!" widersprechen. Ich glaube, wir haben schon zu lange gewartet, und es bedurfte vor rund zehn Jahren sehr deutlicher Worte des damaligen Bundeskanzlers Dr. Franz Vranitzky zur Rolle von Österreichern in der Zeit des Nationalsozialismus.

Es ist heute ein wichtiger Tag – ein Tag, der Anstoß sein soll, diese Geschichte aktiv zu bearbeiten. Es ist zwar in den letzten Jahren einiges geschehen, meiner Meinung nach jedoch noch immer zu wenig. In diesem Zusammenhang kommt, so glaube ich, der Schule eine ganz besondere Bedeutung zu, und ich meine, daß diesem Teil unserer Geschichte ein noch viel breiterer Raum in der Schule gewidmet sein müßte. Mein Geschichtsunterricht – das liegt jetzt auch schon einige Zeit zurück – endete bei der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Die Aufarbeitung des folgenden Geschichtsabschnittes ist aber unendlich wichtig, weshalb der Schule gerade in diesem Bereich besondere Verantwortung zukommt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den Anträgen: Ich glaube, unsere Museen sollen niemals mit geraubtem Gut geschmückt sein, und auch wir wollen nicht länger Nutznießer geraubten Geldes und Goldes sein. Wir wollen vor allem auch in diesem Bereich ins reine kommen. Unrecht fortzusetzen, ist für uns kein demokratischer Grundsatz.

Die Übertragung des österreichischen Restanteiles am Goldpool an den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus wird ermöglicht. Dieses Gold ist nicht nur Währungsgold, sondern wurde individuell Opfern geraubt. Man hat ihnen aber nicht nur Bankgold und Schmuck geraubt, es war wesentlich schlimmer, und Sie alle kennen die Szenen aus Dokumentationsfilmen, zum Beispiel aus Mauthausen: Goldzähne wurden vergasten und zu Tode geschundenen Menschen aus dem Mund und Ringe von den Fingern gerissen – und dies alles, um den größtmöglichen Nutzen zu ziehen.

Diese Mittel aus dem Raubgold werden den Opfern zugute kommen. Es ist an der Zeit – ich habe es schon betont, ich bin froh darüber –, daß einige Tage nach der 60. Wiederkehr der November-Pogromnacht 1938 diese Gesetze beschlossen werden, die zum Ziel haben, die geraubten Kunstschätze und das Gold der Opfer des Nationalsozialismus rückzuerstatten.

Ich glaube jedoch auch, daß wir dies unter einer Voraussetzung beschließen sollten, daß wir alles versuchen werden, dem Spruch "Wehret den Anfängen!" gerecht zu werden, und daß wir alles unternehmen, um niemals wieder solche Verbrechen nicht zu verhindern. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.16


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 59

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Wolfram Vindl das Wort. – Bitte.

12.16

Bundesrat Wolfram Vindl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Nach dem Nationalrat befaßt sich heute auch der Bundesrat mit drei Gesetzesvorlagen, die sich mit einem äußerst unrühmlichen Kapitel unserer Vergangenheit beschäftigen. Mit diesen drei Gesetzen, die wir heute beschließen, soll der Einmaligkeit und der Größe des Verbrechens, das gegen das jüdische Volk begangen worden ist, Rechnung getragen werden. Was unseren jüdischen Mitbürgern von den Nazis angetan wurde, können wir nicht wiedergutmachen, aber wir haben alles, was wir können, zu tun, um Unrecht als Unrecht zu brandmarken und die Folgen dieses Unrechts zu lindern. Vor allem und für alle gilt: Unrecht kann nicht durch Zeitablauf zum Recht werden!

Jeder Generation, auch der unsrigen, ist die Auseinandersetzung mit dem Holocaust und seinen Folgen ständig aufgetragen. Ich kann mich diesbezüglich meinem Vorredner nur anschließen: Auch mein Geschichtsunterricht hörte mit der Zeit nach Ende des Ersten Weltkrieges auf, und es wurde über ein unrühmliches Kapitel unserer Republik Österreich und der Menschheit in der Schule nichts geredet. – Schweigen ist Silber, Reden ist Gold! Aber auch in der jungen Zweiten Republik wurden Fehler im Umgang mit dem vom NS-Terrorregime begangenen Unrecht gemacht. Auch das müssen wir heute deutlich anerkennen, und daher kommen wir auch erneut unserer Verantwortung nach.

Im Jahre 1938 wurde das Gold aus den Beständen der Oesterreichischen Nationalbank von den Nationalsozialisten geraubt. Nach dem Ende des Nazi-Terrorregimes im Jahre 1946 wurden zehn Länder bestimmt, die dieses Gold zurückerstattet erhielten. Österreich erhält nun den Rest dieser Rückerstattung im Gegenwert von 102 Millionen Schilling, und dieses Geld soll nun, einer Initiative von Großbritannien und den USA folgend, dem Internationalen Fonds und in weiterer Folge dem Nationalfonds zur Verfügung gestellt werden. Verteilt werden diese Mittel über die bewährte Struktur des beim Parlament eingerichteten NS-Opferfonds an besonders bedürftige Opfer und in Härtefällen.

Bevor man aber die Zwangsarbeiter in diesen NS-Opferfonds miteinbezieht, sollte man doch zunächst den Bericht der hiefür eingesetzten Historikerkommission abwarten. Es ist doch problematisch, dem Fonds eine neue Aufgabe aufzubürden, bevor klar ist, welcher Personenkreis damit erfaßt werden soll und wie hoch diese Leistungen in Zukunft sein könnten.

Werte Damen und Herren des Bundesrates! Hohes Haus! In weiterer Folge befassen wir uns heute auch mit dem Gesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen. Hier geht es um Kunstgegenstände, die jüdischen Mitbürgern während der NS-Zeit geraubt wurden. Diese Objekte wurden den Opfern nach dem Krieg zwar nach Möglichkeit zurückgegeben, ein aus heutiger Sicht doch eindeutig sittenwidriges Gesetz verhinderte aber, daß alle diese Kunstobjekte aus Österreich ans Ausland ausgeliefert werden konnten.

Um diese Ausfuhr dennoch zu ermöglichen, mußten die Eigentümer der Republik Österreich einige Exponate schenken. Diese Zwangsverpflichtung empfinden wir als großes Unrecht, das mit dem heutigen Gesetz wiedergutgemacht werden soll. Es sollen diese Kunstgegenstände daher so schnell und so unbürokratisch wie möglich an die jeweiligen Eigentümer oder deren Erben zurückgegeben werden.

Daß sich auch die Landesmuseen mit dem Aufarbeiten dieses Unrechts befassen, zeigt ein Leitartikel in der "Tiroler Tageszeitung" vom 17. dieses Monats mit der Überschrift: "Tiroler Landesmuseum macht reinen Tisch mit Vergangenheit." Das "Ferdinandeum" durchforstet seit einem Jahr seine Bestände und hat dabei festgestellt, daß alle diese Kunstgegenstände aus dieser unrühmlichen Zeit wieder an die rechtmäßigen Besitzer oder deren Rechtsnachfolger zurückgegeben wurden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 60

International wird Österreich diesbezüglich als Musterland angesehen, und bei einer internationalen Konferenz Ende November in Washington, bei der die Fragen des herrenlosen Gutes und Raubgutes diskutiert werden, wird unsere Frau Bundesministerin Gehrer ihre Initiative, das österreichische Modell, vorstellen.

Abschließend gestatten Sie mir noch festzustellen, daß es dem internationalen Ansehen Österreichs guttut, daß diese drei Gesetze, die sich mit dem Aufarbeiten eines großen Unrechts befassen, bisher einstimmig beschlossen wurden. Denn Unrecht bleibt Unrecht und wird durch Zeitablauf nicht zum Recht! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile ihm das Wort.

12.23

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich werde Ihre Aufmerksamkeit etwas länger in Anspruch nehmen müssen.

Wie meine beiden Vorredner darf auch ich namens meiner Fraktion betonen, daß wir dem politischen Ziel dieser drei Vorlagen uneingeschränkt zustimmen. Kunstgegenstände, die im Zuge oder als Folge von Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes beziehungsweise von nichtigen Rechtsgeschäften in dieser Ära in das Eigentum der wiederhergestellten Republik gelangt sind, sollen den ursprünglichen Eigentümern oder deren Rechtsnachfolgern von Todes wegen zurückgestellt werden.

Weniger überzeugend ist allerdings der Weg der rechtlichen Umsetzung dieses Zieles, der mit dem vorliegenden Gesetz eingeschlagen wird. Um aber auch hier zunächst mit dem Positiven zu beginnen: Die nachträgliche Wiedereröffnung der Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Rückübereignung, die nach den früheren Gesetzen längst abgelaufen waren, scheint mir aus Erwägungen der Gerechtigkeit oder Rechtsethik durchaus begründet zu sein.

Gewiß sind seit den unrechtmäßigen Vermögensverschiebungen in der Regel nahezu 60 Jahre vergangen, und es waren die in den der Rückstellung dienenden Gesetzen enthaltenen Fristen für die Anspruchserhebung entgegen jüngsten Behauptungen auch durchaus nicht verfassungswidrig. Dennoch muß man dabei die Situation bedenken, in der sich die aus rassischen oder politischen Gründen Verfolgten und Vertriebenen sowie die überlebenden Angehörigen der um ihr Leben gebrachten Opfer befanden, bevor sie an die Rückgabe des ihnen rechtswidrig entzogenen Vermögens überhaupt denken oder auch an die dafür nötigen Informationen herankommen konnten. Zudem entspricht es heutigem Rechtsethos, Vermögensverschiebungen und -entziehungen, die unter der Geltung menschenrechtswidriger, diskriminierender Gesetze geschehen sind, nicht durch den Eintritt der Verjährung beziehungsweise den Ablauf von Fallfristen gleichsam zu legalisieren und zu immunisieren. Kurz gesagt: Aus schwerstem Unrecht soll nicht Recht werden.

Freilich ist bei dieser Gelegenheit festzuhalten, daß dann auch bei der künftig noch gebotenen Wiedergutmachung der im Falle von vertriebenen Volksdeutschen und anderen Volksgruppen gesetzlich dekretierten Enteignungen gleiches gelten wird müssen! Das hat auch ein weltweit anerkannter Staats- und Völkerrechtsgelehrter, unser allzu früh verstorbener Professor Ermacora, eindeutig klargestellt. Und ohne jeden Zweifel muß man die leider auch von der Republik Österreich vollzogenen und bis heute nicht bereinigten Entziehungen des privaten Vermögens der Familie Habsburg miteinbeziehen.

Aus derselben politischen und rechtsethischen Grundintention heraus stimmt meine Fraktion auch der für die dritte Kategorie von Kunst- und Kulturgegenständen vorgesehenen rechtlichen Behandlung uneingeschränkt zu. Steht nämlich einmal fest, daß diese Wertobjekte zurückzustellen waren, sie aber tatsächlich an die ursprünglichen Eigentümer oder ihre Rechtsnachfolger mangels ihrer Feststellbarkeit nicht zurückgegeben werden konnten, so sollen die sonst eingreifenden Institute des staatlichen Heimfallsrechtes beziehungsweise der Aneignung von herren


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 61

losem Gut hier nicht zum Zuge kommen. Am Erwerb von solchem Eigentum im Bewußtsein seiner Provenienz und im Wissen um die Umstände seiner Entziehung hätte der Bund nach meiner persönlichen Überzeugung niemals interessiert sein dürfen.

§ 2 Abs. 1 Z 2 ermächtigt daher die zuständigen Bundesministerien dazu, jene Kunstgegenstände, die nicht mehr restituiert werden können, an den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus zu übereignen. Dieser hat dann die ihm übertragenen Objekte zu verwerten und den Erlös für die angesprochenen Opfer zu verwenden. Eben deshalb ist auch die weitere Vorlage betreffend Zuwendungen an den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus durchaus zu begrüßen.

Problematischer ist meines Erachtens die für die zweite Kategorie gefundene Lösung. Denn bei ihr handelt es sich um durchaus möglicherweise rechtmäßig in das Eigentum des Bundes gelangte Wertobjekte, die freilich zuvor Gegenstand eines Rechtsgeschäftes oder eines nichtigen Rechtsaktes während der deutschen Besetzung Österreichs waren, das beziehungsweise der nach dem Bundesgesetz vom 15. Mai 1946 über die Nichtigerklärung dieser Rechtshandlungen unwirksam ist.

Im Klartext heißt das: Es sollen demnach auch solche Kunstgegenstände restituiert werden, die Museumsdirektoren in der Nachkriegszeit am Kunstmarkt von dazu befugten Händlern – sei es auch im guten Glauben – erworben haben. Ich halte, um Mißverständnissen vorzubeugen, fest: also auch aufgrund solcher rechtmäßiger Erwerbsakte, die keinen Fall eines bedenklichen Ankaufs darstellten. Daß sich dann zu einem späteren Zeitpunkt Zweifel an der Unbedenklichkeit der Herkunft ergeben haben, was an der Gutgläubigkeit zum Erwerbszeitpunkt nichts mehr zu ändern vermag, soll durch dieses Sondergesetz jetzt dennoch nachträglich releviert werden können.

Wie immer man über eine solche Ausgangslage denken mag, läuft die erörterte Regelung unverkennbar auf einen rückwirkenden Eingriff in gültig erworbenes Eigentumsrecht hinaus. Selbst unter der rechtspolitischen Voraussetzung, daß dieses Ergebnis dennoch angestrebt wird, ist dabei offenkundig übersehen worden, daß es als Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht, das auch juristischen Personen zusteht, meines Erachtens einer verfassungsrechtlichen Grundlage bedurft hätte.

Aber davon einmal abgesehen: Eine in der Sache saubere Lösung hätte anders ausgesehen. Sie hätte wohl danach zu differenzieren, ob der ursprüngliche Ankauf durch die Museumsdirektoren tatsächlich unbedenklich war oder nicht. Gerade nach den jüngsten Ergebnissen der sogenannten Provenienzforschung war die Redlichkeit der Akquirierung zweifellos nicht der anzunehmende und sich von selbst verstehende Regelfall – bedauerlicherweise. Freilich erlauben selbst diese zeitgeschichtlichen Recherchen noch keineswegs den generellen Mißtrauensvorschuß, daß für alle diese Erwerbsakte der gute Glaube von vornherein gefehlt hat. Allein eine solche pauschale Annahme könnte indes die mit dem vorliegenden Gesetz vorgesehene, generell mögliche rückwirkende Aufhebung des Eigentumsrechtes rechtfertigen.

Gewiß wirft die Frage nach der damaligen Gutgläubigkeit nach mehreren Jahrzehnten schwerwiegende Beweisprobleme auf. Sie hätten sich aber jenseits der Frage, welche Vertragspartei im Falle des Rechtserwerbes gemäß § 367 ABGB beziehungsweise § 366 HGB die Beweislast für das Vorliegen oder den Mangel des guten Glaubens trifft, durchaus mittels einer widerlegbaren Beweisvermutung zugunsten des ursprünglichen Eigentümers beheben lassen.

Besonders heikle Fragen wirft zuletzt die erste Kategorie von Kunstgegenständen auf. Sie waren durchaus Gegenstand von Rückstellungen an die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger, sind dann aber nach dem 8. Mai 1945 einem Verfahren gemäß dem Bundesgesetz über das Verbot der Ausfuhr von Gegenständen von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung von 1918 unterzogen worden und aufgrund eines im Zuge dieses Verfahrens abgeschlossenen Vergleiches unentgeltlich in das Eigentum des Bundes übergegangen.

Dazu eine kurze Vorbemerkung: Das erwähnte Gesetz ist bereits 1918 erlassen worden, um einem Ausverkauf des Kulturgutes der neugegründeten Republik Österreich vorzubeugen, den


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 62

nicht zuletzt die Siegermächte des Ersten Weltkrieges zunächst ins Auge gefaßt hatten. Das Denkmalschutzgesetz von 1923 sicherte dieses legitime Anliegen zur Wahrung der Bestände des österreichischen Kulturgutes ab. Seit 1918 und ohne Ansehen der Person galt in der Folge ein entsprechendes Ausfuhrverbot für die in diesen Schutzbereich fallenden Kunstgegenstände. Von da her verstand es sich von selbst, daß nach der Wiederherstellung der Republik Österreich und ihrer Rechtsordnung im Jahre 1945 auch die erwähnten Ausfuhrbeschränkungen wieder voll in Kraft getreten sind. Ihnen unterlagen, wie alle übrigen Eigentümer von Kunstgegenständen von entsprechender Wertigkeit, folglich auch alle Personen, denen solche Kunstgegenstände in der NS-Zeit rechtswidrig entzogen und nach 1945 wieder zurückgestellt worden sind. Sie hätten mit anderen Worten diese Kunstgegenstände, ungeachtet des ihnen zurückerstatteten Eigentums, in Österreich belassen müssen. Um den Hauptteil ihrer Sammlungen in das Ausland, das heißt in ihre neuen Heimatstaaten, transferieren zu können, gingen sie daher vielfach auf Vergleiche ein, nach denen sie einige Kunstgegenstände aus ihren Sammlungen einem bestimmten Museum, das heißt der Republik Österreich, unentgeltlich zu überlassen hatten.

Wie ist nun dieses Vorgehen rechtsdogmatisch, rechtspolitisch und rechtsethisch zu bewerten? – Zunächst ist einmal festzuhalten, daß das NS-Regime endgültig untergegangen und von der wiederhergestellten demokratischen Republik abgelöst worden war. Zudem stand das neubegründete Österreich, selbst wenn ihm anfangs aus der Sicht rassisch und politisch Verfolgter begreiflicherweise Mißtrauen entgegengebracht worden sein mag, ohnehin unter der Aufsicht der alliierten Besatzungsmächte. So gesehen konnte ein damals zwischen dem ursprünglichen Eigentümer und der Republik Österreich abgeschlossener Vergleich, wonach er die ihm gehörenden Kunstgegenstände zu dem Preis der unentgeltlichen Überlassung einzelner Kunstgegenstände an ein österreichisches Museum in seinen ausländischen Heimat- oder Aufenthaltsstaat ausführen konnte, meines Erachtens nur unter folgenden Voraussetzungen ungültig sein: entweder wenn das Ausfuhrverbotsgesetz an sich verfassungswidrig ist – darüber ist ernsthaft zu diskutieren – oder einen derartigen Vergleich überhaupt gar nicht vorgesehen hatte, oder wenn der entsprechende Vergleich situativ nur unter Bedingungen verdünnter Willensfreiheit zustande gekommen ist beziehungsweise wenn der Vergleichsinhalt vom Wert der betroffenen Kunstgegenstände her nicht dem Äquivalenzprinzip entsprochen hat.

In all diesen Varianten wäre meines Erachtens rückschauend betrachtet Amtsmißbrauch der mit solchen Verfahren befaßten Staatsorgane anzunehmen. Erneut bin ich nicht dazu bereit, unseren damals mit diesen Angelegenheiten befaßten Ämtern generell ein derart gravierend rechtswidriges Verhalten zu unterstellen. Wie bereits zuvor hätte ich eine differenzierende Regelung bevorzugt, die auch noch heute die nachträgliche Anfechtung inhaltlich ungültiger, sittenwidriger Vergleiche oder solcher Einigungen, die unter sachwidrigem Druck zustande gekommen sind, ermöglicht.

Mangels der gebotenen Bezugnahme auf diese konkreten Umstände der damals getroffenen Vereinbarungen und damit einer objektiven Differenzierung stellt sich die vorliegende Regelung insofern als gleichheitswidrig heraus, steht es doch bis heute keinem Auslandsösterreicher oder einem Österreicher, der endgültig in einen ausländischen Staat übersiedeln will, ja nicht einmal einem Ausländer zu, die in seinem Eigentum befindlichen Kunstgegenstände, insofern sie den einschlägigen Ausfuhrverboten unterliegen, in den Staat seiner Wahl zu transferieren. Das erscheint mir als evidenter Verstoß gegen den Gleichheitssatz.

Will man die umfassende politische Bereinigung der ungeklärten, sehr bedenklichen Herkunft aller Kunstgegenstände, die an sich einem Ausfuhrverbot aus Gründen des nationalen Kulturgüterschutzes unterliegen, so müßte man wohl den Transfer für alle Eigentümer derartiger Wertobjekte freigeben. Jede andere Regelung ist mit dem Gleichheitssatz unvereinbar. Da es aber meiner Fraktion im Bundesrat anders als jener im Nationalrat aufgegeben ist, eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, werden wir ungeachtet der angedeuteten verfassungsrechtlichen Bedenken aus den einleitend dargelegten Gründen der gebotenen Rechtsethik diesen Vorlagen dennoch gerne zustimmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

12.37


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 63

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächster Redner zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer. Ich erteile es ihm.

12.37

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Heute in der Früh ist mir zufällig ein kleines Büchlein in die Hände gekommen, dessen Inhalt thematisch sehr gut zur heutigen Debatte paßt. Es heißt: "Die Auslöschung. Der Fall Thorsch." Es geht dabei um das Leben und das Vermögen einer jüdischen Bankiersfamilie in Wien, die damals ihr Vermögen verloren und es bis heute noch nicht zurückbekommen hat. Geschrieben hat dieses Büchlein Hubertus Czernin. Ich möchte mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, nur ein paar Zitate, die dazu passen, aus diesem Buch bringen.

Es heißt auf Seite 40: Wer nicht selbst wußte, wohin die Nazis Kunstwerke und Mobiliar verschleppt hatten, wer nicht sagen konnte, wohin Bankguthaben in der NS-Zeit transferiert worden waren, konnte auch keine Restitution verlangen. Auf die Idee, daß es dafür vielleicht staatlicher Hilfe bedurfte, kam niemand. Die Verantwortlichen der Zweiten Republik lehnten sich zurück und warteten, was denn die Juden vorbringen würden. Genau genommen agierte das damalige Österreich mehr als verantwortungslos gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus. Niemand wollte damals wahrhaben, daß es eine Verpflichtung gegenüber den NS-Opfern gab. Die Bankkonzession hatten ja die Nazis eingezogen. Die Bank wurde von den Nazis liquidiert. Der Wiener Giro- und Kassenverein mag vielleicht eine österreichische Gründung aus dem Jahre 1872 gewesen sein, aber als er die kommissarische Verwaltung des Bankhauses Thorsch übernahm, stand er unter nationalsozialistischer Kontrolle, hatte also wieder nichts mit Österreich zu tun, und daß sich die 1946 neu gegründete Österreichische Kontrollbank als Nachfolgerin des von den Nazis aufgelösten Wiener Giro- und Kassenverein verstand, spielte ebenso wenig eine Rolle.

Österreich verstand sich selbst als Opfer, und als solches wollte es durch kein Zugeständnis an die wirklichen Opfer den Eindruck erwecken, Mitverantwortung an den NS-Greuel zu tragen. Außerdem: Die Rückkehr vertriebener Juden war unerwünscht. Schließlich: Die Arisierung jüdischen Vermögens 1938 hatte zu einer Strukturbereinigung der österreichischen Wirtschaft zu Lasten des privaten Kapitals geführt. An diesem Umstand wollten die beiden Staatsparteien, SPÖ und ÖVP, nach Kriegsende nichts ändern.

Ich darf weiter zitieren: Vor diesem Hintergrund hatte die Republik Österreich einen höchst anfechtbaren Standpunkt gegenüber berechtigten Forderungen der rassisch Verfolgten. Sie erklärte sich, sooft wie es möglich war, für unzuständig. Ganz in diesem Sinn bestätigte daher auch das Finanzministerium am 9. September 1955 den Bescheid der Finanzlandesdirektion, wonach die Bankkonzession nicht mehr zurückgegeben wird.

Czernin schreibt weiter: So wurde der Raub der Nationalsozialisten nachträglich von der Zweiten Republik sanktioniert.

Ich darf zum Schluß noch ein letztes Zitat bringen, welches auf Seite 60 dieses Büchleins steht: 50 Jahre lang wurde faktische Unzuständigkeit vorgetäuscht. Jahrzehntelang versteckte man sich hinter formaljuristischen Floskeln und Fristen. Und wenn Behörden und Politik kein anderes Mittel mehr einfiel, um berechtigte Ansprüche abzulehnen, begann man die Dinge in die Länge zu ziehen, in der Hoffnung, daß sich das drohende Problem sozusagen von selbst lösen würde. – Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß mit den vorliegenden Gesetzesbeschlüssen – Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und SPÖ, die in diesem Land seit über 50 Jahren regieren (Bundesrat Prähauser: Gott sei Dank!), haben dieses Gesetz jetzt endlich vorgelegt – die Praxis, die in diesem Buch beschrieben wurde, nunmehr endgültig der Vergangenheit angehört. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.41


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 64

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächstem erteile ich Herrn Staatssekretär Dr. Peter Wittmann das Wort. – Bitte.

12.41

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Peter Wittmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits in den neunziger Jahren wurde mit der archivarischen Aufarbeitung des Materials über den Raub und die Restitution von Kunst- und Kulturgegenständen begonnen.

Vor allem die vom Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten eingesetzte Kommission für Provenienzforschung hat in diesem Bereich eine Vielzahl an Erfahrungen und Einsichten erbracht. Diese Einsichten haben letztlich der Ausarbeitung dieses Gesetzes gedient. Ich glaube, daß dieses Gesetz zur Rückgabe von Kunstgegenständen richtungsweisend ist, und ich bin froh, daß es bisher den einstimmigen Weg durch die Gremien gefunden hat.

Es ist mir aber in diesem Zusammenhang sehr wichtig, daß mit dieser vorgeschlagenen bundesgesetzlichen Regelung der Bundesminister für Finanzen ermächtigt wird, bestimmte Kunstgegenstände aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen, deren Eigentümer nunmehr der Bund ist, unentgeltlich an die ursprünglichen Eigentümer oder Rechtsnachfolger von Todes wegen zu übereignen. Es handelt sich daher um keine Entschädigung, sondern um eine Übertragung des Eigentums des Bundes an den im Gesetz umschriebenen Personenkreis. Der Bund ist in seiner Entscheidung, sein Eigentum aufzugeben, frei und kann daher diese vorgesehenen Übereignungshandlungen vornehmen.

Die nähere Abwicklung der Übereignungen obliegt den zuständigen Bundesministern, wobei auch der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus darin eingebunden sein soll. Ich teile daher nicht die zuvor von einem der Vorredner angesprochene Meinung bezüglich der Frage des Eigentumsrechtes, da dem Bund die Möglichkeit zusteht, über sein Eigentum frei zu verfügen.

Ich glaube aber, daß es nicht um diese Rechtsfrage geht, sondern um den politischen Willensakt, eine Situation zu bereinigen, die von den Betroffenen als ungerecht bezeichnet wird und wohl auch objektiv als ungerecht zu bezeichnen ist. Ich hoffe, daß die Vorarbeiten, die geleistet wurden, nunmehr dazu führen werden, daß die identifizierten Kunstgegenstände in der im Gesetz umschriebenen Form auch tatsächlich restituiert werden können.

Ich glaube, daß dies ein wichtiges Gesetz ist, das auch die Bereitschaft der Republik zeigt, diese Situation zu bereinigen. Wir setzen damit einen Akt, der als sichtbares Zeichen in diese Richtung verstanden werden soll und, ich glaube, auch als ein solches gesehen wird. Daher hoffe ich, daß das Gesetz auch im Bundesrat die einstimmige Zustimmung finden wird, so wie bereits in den Gremien zuvor. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.44

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Ich erteile dem Herrn Berichterstatter das Wort.

Berichterstatter Engelbert Schaufler: Herr Präsident! Geschätzte Herren Staatssekretäre! Da § 1 eine Verfügung über Bundesvermögen beinhaltet, steht dem Bundesrat gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz bezüglich dieser Bestimmung kein Mitwirkungsrecht zu. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, bezieht sich daher nicht auf § 1 und § 6 Ziffer 1 bezüglich § 1. – Danke.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bedanke mich.

Diese Anmerkung bezog sich auf den Beschluß des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 65

Wir kommen somit zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates getrennt erfolgt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates – soweit er dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 über ein Bundesgesetz betreffend Zuwendungen an den Internationalen Fonds für Opfer des Nationalsozialismus.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

11. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden (1392 und 1443/NR sowie 5805/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu Punkt 11 der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Johann Grillenberger übernommen. – Bitte.

Berichterstatter Johann Grillenberger: Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Der Bericht des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sparkassengesetz und das Körperschaftsteuergesetz 1988 geändert werden, liegt Ihnen schriftlich vor. Ich stelle daher nur den Antrag:

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. Ich erteile es ihm.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 66

12.47

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren Staatssekretäre! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Antrag auf Absetzung dieses Tagesordnungspunktes von der Tagesordnung hat leider nicht die erforderliche Mehrheit gefunden. Wir Freiheitlichen bedauern dies sehr. Wir bedauern dies auch deshalb, weil sich doch ein Landeshauptmann, der der ÖVP angehört, massiv für die Absetzung stark gemacht hat. Von der Fraktion der Volkspartei haben aber, wie Sie gesehen haben, nur zwei Kollegen unserem Antrag zugestimmt. – Der Einfluß des Tiroler Landeshauptmannes ist offensichtlich nicht groß genug, Sie davon zu überzeugen, daß eine Absetzung dieses Tagesordnungspunktes vernünftiger gewesen wäre.

Als ich die Stellungnahme von Landeshauptmann Weingartner gelesen habe, war ich natürlich zuerst sehr erfreut und habe mir gedacht, daß Landeshauptmann Weingartner auf einmal ein glühender Anhänger von Föderalismus, Verfassungstreue und Schutz des Eigentums – auch Schutz des Eigentums kleiner Institute – ist. Später habe ich mich aber gefragt: Was steckt eigentlich hinter dieser Stellungnahme? – Wie sooft geht es auch bei dieser Stellungnahme um sehr massive Interessen, und zwar in diesem Fall um Tiroler Interessen. Das mag auch der Grund dafür gewesen sein, warum die Damen und Herren der Volkspartei nicht zugestimmt haben, und ich stehe nicht an zu sagen, daß ich dafür sogar ein gewisses Verständnis habe.

Als ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Hypo-Bank in Tirol kennt sich der Landeshauptmann natürlich im Bankwesen hervorragend aus, und er vertritt offensichtlich in erster Linie die Interessen der Tiroler Sparkasse, die sich gerne mit der Tiroler Hypo und mit der BTV zu einer starken Tiroler Regionalbank zusammenschließen möchte. Da ist ihm natürlich das Aufgriffsrecht, das wir heute hier beschließen, nicht sehr gelegen gekommen.

Für uns Freiheitliche – das haben Sie sicher schon bemerkt, liebe Kolleginnen und Kollegen – geht es dabei um Grundsätzliches, nämlich um die Frage der Chancengleichheit, die Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes und um die Erhaltung eines leistungsfähigen Bankwesens – was vor allem für dezentrale Sektoren, also für den Sparkassen- und Raiffeisen-Sektor, besonders wichtig ist –, also um die Stärkung des Verbundes und nicht um die Stärkung von großen Konzernen, die dann letztlich außer Kontrolle geraten.

Wir sind auch für den Rückzug – und zwar für den totalen Rückzug! – des Staates aus dem operativen Geschäft, und wir gehen davon aus, daß staatliche Institutionen im Bankwesen ausschließlich Aufgaben der Kontrolle wahrzunehmen hätten. Wie Sie alle wissen, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es diesbezüglich sehr viel zu tun: Man könnte über vieles nachdenken, man dürfte sich vieles nicht so leichtmachen, wie es in den letzten Monaten und Jahren passiert ist.

In der Sache selbst, meine Damen und Herren, ist der heutige Beschluß durchaus typisch. Mit einem einzigen Beschluß wird beiden Reichshälften – rot und schwarz – gedient. Auf der einen Seite gibt es im Stiftungsrecht Vorteile für die Bank Austria, damit wird man der roten Reichshälfte gerecht, auf der anderen Seite wird man mit dem Aufgriffsrecht der Erste Bank gerecht, also der rechten Reichshälfte. Beide sind zufrieden, man tut einander nicht weh, man beschließt etwas, ohne die Grundsätze zu beachten. Die rechtliche Begründung, meine Damen und Herren, nämlich die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und die Verletzung des Schutzes des Eigentums, habe ich Ihnen in der Absetzungsdebatte ausführlich und, wie ich glaube, unwidersprochen zur Kenntnis gebracht. Sie werden verstehen, daß wir Freiheitlichen gegen den vorliegenden Beschluß sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.51

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Gottfried Jaud das Wort. – Bitte.

12.51

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Das Vorkaufsrecht in der vorliegenden Gesetzesnovelle ist für mich Wirtschaftsprotektionismus in Reinkultur. Während eines Zeitraumes von sieben Jahren sollen durch ein Vorkaufsrecht Anteile, Anrechtsanteile an Sparkassenaktiengesellschaften im Ausmaß von mindestens 51 Prozent in der Hand von Unternehmen gehalten werden, die dem Spar


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 67

kassensektor angehören. Jeder, der mit Liegenschaftsgesetzen oder Liegenschaftsgeschäften zu tun hat, weiß, daß ein Vorkaufsrecht eine wesentliche Wertminderung einer Liegenschaft bedeutet. Das heißt also, daß mit diesem Gesetz vom Parlament eine Wertminderung von Sparkassen beschlossen wird. (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es! – Bundesrat Dr. Tremmel: So ist es!)

Ich bin davon überzeugt, daß jede Beeinflussung des Gesetzgebers von wirtschaftlichen Vorgängen ohne zwingendes öffentliches Interesse für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes negative Folgen hat. (Bundesrat Dr. Tremmel: Richtig!) Wenn aber gesetzliche Regelungen nicht nur von keinem öffentlichen Interesse getragen werden, sondern auch unserem Verfassungsrecht widersprechen, dürfen sie nach meiner Auffassung auf gar keinen Fall beschlossen werden. Solche Gesetze schaden dem Ansehen des Gesetzgebers, das heißt: dem Ansehen des Parlamentes und dem Ansehen unseres Hauses. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie sind auch schädlich für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. (Bundesrat Eisl: Nützt aber der SPÖ! Das ist kein Nachteil! Der Bank Austria vor allem!)

Eine besondere Pikanterie dieses Gesetzes ist, daß die verkaufswillige Sparkasse nicht einmal weiß oder bestimmen kann, wer das Vorkaufsrecht in Anspruch nimmt. Das Vorkaufsrecht ist nämlich an das Zentralinstitut zu richten. (Bundesrat Dr. Harring: Wird im Sektor weitergegeben!) Dieses Institut kann das Angebot entweder selbst aufgreifen oder auch an andere Institute weiterleiten. (Bundesrat Dr. Tremmel: So ist es!) Mit solchen Regelungen wird den österreichischen Sparkassen jeder Freiraum für eigene Überlegungen auf dem Weg der Partnersuche beziehungsweise der Kooperation genommen. Es ist damit ein absolutes Zentralisierungsgesetz. In Wien wird darüber entschieden, welche Partnerschaften und Kooperationen die Sparkassen in ganz Österreich in den nächsten sieben Jahren eingehen dürfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine Arbeitsgruppe der Tiroler Sparkassen hat gerade aus diesem Grunde das in diesem Gesetz enthaltene Vorkaufsrecht vehement abgelehnt. Beim Zentralinstitut auf dem Sparkassensektor handelt es sich nicht um ein distanziert unabhängiges Institut, sondern um einen Konkurrenten jener Kreditinstitute, auf die das Vorkaufsrecht angewendet werden soll. Das heißt, wenn sich eine Sparkasse einen Partner sucht, um am Markt besser und stärker ins Geschäft kommen zu können, dann kann das Zentralinstitut diese Sparkasse daran hindern. Das ist natürlich eine sehr bequeme Art und Weise, wie man unangenehme Konkurrenz bereits im Keime erstickt und von vornherein ausschaltet. Aber gerade darum, meine sehr verehrten Damen und Herren, geht es!

Die österreichische Wirtschaft braucht gesunde Geldinstitute. Gesunde Geldinstitute entstehen aber, wie auch die übrige Wirtschaft, nur im harten Wettbewerb der wirtschaftlichen Entwicklung. Es ist nur natürlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß große wirtschaftliche Vereinigungen immer wieder an den Gesetzgeber herantreten und für sich unter den verschiedensten Vorwänden oder Einwänden besondere Schutzklauseln reklamieren. Es ist aber Aufgabe von uns Volksvertretern, also Aufgabe vom Parlament, solche Wünsche genauestens zu prüfen und ihnen nur dann stattzugeben, wenn ein starkes öffentliches Interesse nur durch gesetzliche Regelungen geschützt werden kann. Das Vorkaufsrecht für Sparkassen im vorliegenden Gesetz ist nicht durch ein besonderes öffentliches Interesse begründbar und sollte deshalb auf keinen Fall von uns beschlossen werden.

Die Landesregierung von Tirol wird das Gesetz dem Vernehmen nach auf alle Fälle beim Verfassungsgerichtshof bekämpfen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist völlig logisch!) Ich möchte auch Sie ersuchen, werte Kolleginnen und Kollegen, genau zu überlegen, ob Sie einem Gesetz die Zustimmung geben, welches so sehr an die unrühmliche Zeit des österreichischen Wirtschaftsprotektionismus erinnert. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 68

12.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Johann Kraml das Wort. – Bitte.

12.57

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jaud wird jetzt seinem Landeshauptmann eine große Freude bereitet haben. (Bundesrat Jaud: Darum geht es mir nicht! – Bundesrat Prähauser: Doch!) Ich meine aber, daß es nicht die Eigeninteressen eines Bundeslandes sein können, die ein Gesetz, und zwar ein gutes Gesetz, verhindern. (Bundesrat Dr. Harring: Wem wollen Sie eine Freude machen, Herr Kollege?) – Das überlasse ich jetzt Ihnen, wem ich eine Freude bereite. (Bundesrat Dr. Tremmel: Herrn Randa von der Bank Austria!)

Meine Damen und Herren! Die österreichischen Sparkassen können auf eine lange und fast immer erfolgreiche Tradition zurückblicken. Millionen von Sparern haben den Sparkassen ihr Geld anvertraut und sind damit gut gefahren. In der letzten Zeit hat es um den Bankenbereich einige Diskussionen gegeben, die insgesamt für diesen Bereich nicht gerade von Vorteil waren. Die Medien haben bei der Berichterstattung über das Sparkassengesetz natürlich nur über die Bank Austria und über die Erste Bank berichtet und alle positiven und im Gesetz noch enthaltenen Effekte einfach vergessen.

Mit dem vorliegenden Sparkassen- und Körperschaftsteuergesetz ermöglichen wir dem Sparkassensektor den Schritt hin zu einer Marktanpassung und zur Internationalisierung. (Bundesrat Dr. Harring: Bitte, bitte, das müssen Sie uns erklären!) Der Nationalrat hat bereits 1993 mit dem Privatisierungsrecht ein neues Rechtsinstitut dazu geschaffen. Wenn wir uns in Europa und in der restlichen Welt umsehen, so müssen wir zugeben, daß es große Bankenzusammenschlüsse gibt, um entsprechende Synergieeffekte nützen zu können.

Der Stiftungscharakter einer Sparkasse wird durch das Begriffsmerkmal der Eigentümerlosigkeit dokumentiert. In der Europäischen Union sind Sparkassen in stiftungsähnlichen Formen bereits existent, wie zum Beispiel die freien Sparkassen in Deutschland. In jüngster Zeit hat es auch in Italien diesbezügliche Umwandlungen gegeben.

Meine Damen und Herren! Die regionale Verbundenheit der Sparkassen hat gerade den Klein- und Mittelbetrieben sehr viele Vorteile gebracht. Das Institut und die Betriebe sind gemeinsam gewachsen, und bei wirtschaftlichen Problemen der Region waren es die Sparkassen, die den Unternehmen über die schwierigen Zeiten hinweggeholfen und damit auch entsprechend zur Arbeitsplatzsicherung beigetragen haben.

Den Befürchtungen, die bezüglich des Aufgriffsrechts geäußert wurden, stimme ich nicht zu. Bei den bisherigen Sparkassenverkäufen wurden für die jeweiligen Gemeinden gute Erlöse erzielt, und das wird auch weiterhin so sein. Die magische 51 Prozent-Grenze dient der Verankerung des gesamten Sektors. Kapitalerhöhungen sind vom Aufgriffsrecht nicht erfaßt, sodaß insbesondere die Hereinnahme von nicht dem Sektor angehörigen, sogenannten strategischen Partnern in Verbindung mit der Zuführung neuen Kapitals nicht verhindert wird.

Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht mehr weiter ins Detail gehen, ich meine aber, daß wir mit dem vorliegenden Gesetz für den gesamten Sparkassensektor die Chance schaffen, kompakt zu bleiben und damit auch wirtschaftlich schlagkräftig zu sein. Meine Fraktion wird daher dem vorliegenden Gesetz zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Dr. Tremmel: Gutes Koalitionsgesetz! Der eine hat die Bank Austria, und der andere hat die Erste Bank!)

13.02

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Staatssekretär Dr. Wolfgang Ruttenstorfer das Wort. – Bitte.

13.02

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttenstorfer: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Wir leben in einer Zeit, in der die Grenzen an Bedeutung verlieren. Die Länder wachsen immer stärker zusammen, und das Ganze soll natürlich letzten Endes zu mehr Wachstum und zu mehr Beschäftigung führen – nicht nur in Europa mit dem Binnenmarkt, sondern weltweit.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 69

Ich stehe an sich zu dieser Entwicklung, weil wir uns davon ein Mehr an Wohlstand, ein Mehr an Beschäftigung – weltweit und insbesondere in Europa – erwarten, aber ich sage auch gleich dazu, daß diese Marktöffnung nicht zu Entwicklungen führen darf, die wir nicht wollen. Und diesbezüglich möchte ich zwei Dinge erwähnen.

Erstens müssen wir dafür sorgen, daß ein fairer Markt besteht, daß Regeln auf dem Markt bestehen, die im Sinne des Konsumenten, aber auch im Sinne der dort Beschäftigten wirken. Zweitens meine ich, daß wir im Zuge dieser Internationalisierung sehr wohl darauf achten müssen, daß österreichisches Eigentum in gewissem Ausmaß erhalten bleibt.

Wir brauchen in Zukunft für unsere jungen Menschen österreichische Unternehmen, in denen sie Karrierechancen haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich heiße selbstverständlich alle ausländischen Unternehmen willkommen, die in unserem Land investieren wollen, aber ich möchte nicht nur die österreichische Industrie, sondern auch die österreichische Bankenlandschaft im Zuge einer zunehmenden europäischen Konzentration nicht immer mehr in ausländische Hände kommen sehen.

Ich mag vielleicht nicht der Richtige sein, um dieses Aufgriffsrecht der Ersten zu verteidigen (Bundesrat Dr. Tremmel: Warum nicht, Herr Staatssekretär?), aber ich meine, daß auf diesem Sektor doch ein Beitrag zu einer größeren Stabilität gewährleistet wird. Diese besteht nur eine gewisse Zeit, nämlich die bereits genannten sieben Jahre. Es muß dieses Vorkaufsrecht nicht immer ausgeübt werden. Es gibt daher sehr wohl auch die Möglichkeit anderer rechtlicher Verbindungen.

Ich glaube, daß die Gesundheit des Sparkassensektors in Österreich wesentlich ist. Ich meine, daß eine höhere Stabilität des Sparkassensektors letzten Endes auch zur Einlagensicherung in unserem Land einen guten Beitrag leisten kann. Insofern meine ich, daß diese Regelung, die zu einer Konsolidierung des österreichischen Sparkassensektors führen soll, vertretbar und gut ist. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA) (1383 und 1446/NR sowie 5806/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 12. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Zeichnung von zusätzlichen Kapitalanteilen bei der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur, MIGA.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Johann Kraml übernommen. Ich bitte ihn darum.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 70

Berichterstatter Johann Kraml:
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Bericht liegt schriftlich vor.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. Ich erteile es ihm.

13.06

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß sich zu diesem Tagesordnungspunkt niemand von den Koalitionsparteien zu Wort meldet oder zumindest niemand auf der Rednerliste steht, zeigt, daß das Interesse für dieses Thema nicht allzu groß ist. Das war auch schon beim Beitritt zur MIGA 1997 so. Dieser Beitrittsbeschluß ist sogar im Nationalrat ohne Wortmeldung über die Bühne gegangen.

Jetzt geht es um eine Kapitalerhöhung in der Größenordnung von etwa 50 Millionen Schilling bei einer Gesellschaft, die schon seit zehn Jahren existiert. Diese MIGA verfügt über Milliardenbeträge zur Übernahme von Haftungen inklusive eines Geschenkes durch die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in der Größenordnung von 150 Millionen Dollar.

Wozu das Geld verwendet wird, wofür Haftungen übernommen werden, ist für uns Bundesräte sehr schwer feststellbar. Das mußten wir auch vorgestern im Ausschuß erkennen. Es konnte uns nicht gesagt werden, ob es einen Jahresbericht dieser Gesellschaft gibt, wofür das Geld verwendet wird, ob Haftungen schlagend geworden sind, in welche Länder diese Beträge für übernommene Haftungen fließen, wie das überhaupt funktioniert, ob die Risikotragung der Österreichischen Kontrollbank und die damit verbundene Exportförderung alternativ oder ergänzend funktioniert oder ob tatsächlich österreichische Exporteure in den Genuß der Übernahme von Haftungen bei besonders risikoreichen Geschäften kommen können.

Es ist also vieles für uns nicht klar, und ich bin felsenfest davon überzeugt, auch für Sie, meine Damen und Herren, ist vieles bei dieser internationalen Gesellschaft, die eine Tochter der Weltbank ist, nicht ganz klar. Daher wundere ich mich, daß Sie, Kolleginnen und Kollegen, diesem Beschluß ohne näheres Hinschauen Ihre Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Rauchenberger: Wir haben hingeschaut, Herr Kollege Harring!)

13.08

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile es ihm.

13.08

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Wenn Herr Kollege Harring meint, die Regierungsparteien interessiere dieses Problem nicht, dann irrt er sich. Die beiden Fraktionen haben sich ausführlich mit diesem Thema auseinandergesetzt und sind zur Erkenntnis gekommen, daß man an diesem Weg einfach nicht vorbei kann, wenn einem Österreichs Wirtschaft und damit auch der soziale Frieden am Herzen liegen.

Die Konvention zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur, MIGA, trat am 12. April 1988 in Kraft. MIGA ist eine internationale Entwicklungsorganisation mit eigener Rechtspersönlichkeit, die trotz finanzieller Unabhängigkeit von der Weltbank mit ihr verflochten bleibt – gemeinsamer Präsident, eigene Mitarbeiter – und die Aktivitäten der Weltbank-Gruppe im Rahmen einer Gesamtstrategie ergänzt, indem sie ausländische Investitionen in Entwicklungsländern durch Gewährung von Garantien gegen nichtkommerzielle Risiken sowie durch sonstige Maßnahmen zur Verbesserung des Investitionsklimas fördert.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 71

Neben ihrem entwicklungspolitischen Auftrag – Förderung des Ressourcentransfers in Entwicklungsländer – verfolgt MIGA ein weltwirtschaftliches Anliegen, nämlich den Abbau außenwirtschaftlicher Investitionsbarrieren mit dem Ziel, knappe Ressourcen ihrer produktivsten Verwendung zuzuführen.

Österreich wurde nach langjährigen innerösterreichischen Diskussionen am 16. Dezember 1997 – also keinesfalls unüberlegt – Mitglied der MIGA. Der Beitritt Österreichs erfolgte erst, nachdem nach der Öffnung Osteuropas seitens des realen Sektors und der Kreditwirtschaft starkes Interesse an der österreichischen MIGA-Mitgliedschaft bekundet wurde. (Bundesrat Dr. Harring: Das glaube ich!) Österreich hält gegenwärtig 775 Kapitalanteile im Wert von 8 385 500 Dollar.

Aus meiner Sicht gibt es zwei prinzipielle Argumente zur Rechtfertigung der österreichischen Beteiligung an der MIGA-Kapitalerhöhung.

Erstens: MIGA als entwicklungspolitisches Instrument. Wir wissen, sie wurde 1988 gegründet, um Investitionen des Unternehmenssektors in Entwicklungsländer zu stützen, indem sie das politische Risiko abdeckt. Angesichts rückläufiger Entwicklungshilfezahlungen haben private Investitionsströme eine immer bedeutendere Rolle. (Bundesrat Dr. Harring: Macht die Kontrollbank etwas anderes, Herr Kollege?) Ich darf anführen: auf 68 Milliarden von früher 44 Milliarden und für FTI von 47 Milliarden im Jahr 1992 auf 120 Milliarden im Jahr 1997 gestiegen.

Investitionen mit MIGA-Garantien erfolgen unter umwelt- und sozialverträglichen Regelungen und tragen damit zu einer langfristig nachhaltigen Entwicklung der ärmeren Länder bei. Als Beispiele möchte ich das Verbot von schädlicher Kinder- oder Zwangsarbeit, die obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung oder Umweltauflagen nennen. Das bedeutet eine Annäherung an einschlägige Standards der Industrieländer, was über Umwegen zur Stärkung der eigenen Wirtschaft beiträgt, weil Nachteile dieser Art hiemit etwas aufgehoben werden.

Die MIGA-Portfolios betrugen im Jahre 1998 2,9 Milliarden maximal mögliches Garantievolumen, vor der Kapitalerhöhung 3,9 Milliarden US-Dollar, das Antragsvolumen betrug 1,5 Milliarden, das ausgelöste FTI-Volumen betrug 25 Milliarden Dollar. Der Beschäftigungseffekt schlug sich mit 45 000 Arbeitsplätzen zu Buche. (Bundesrat Dr. Harring: Wie viele aus Österreich?) Das heißt, daß es mit relativ wenig eingesetztem Kapital wirtschaftliche Effekte gegeben hat. (Bundesrat Dr. Harring: Gibt es auch Anträge aus Österreich, Herr Kollege?) – Herr Kollege Harring! Wenn Sie sich bemühen, über das Fenster "Österreich" etwas hinauszuschauen, dann werden Sie die Anliegen besser verstehen. (Beifall bei der SPÖ. – Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Dr. Harring. )

Weiters möchte ich die österreichischen Interessen erwähnen. Österreich trat als letztes OECD-Land, also in einem relativ späten Stadium, bei. Insbesondere die Ostöffnung ließ für die österreichische Wirtschaft den Beitritt vorteilhaft erscheinen. Bisher erhielt die MIGA sieben Anträge von österreichischen Unternehmen in einem Gesamtinvestitionsvolumen in der Höhe von 320 Millionen US-Dollar, für die wir verantwortlich sind. Zielländer waren für diese Anträge Uganda, Vietnam, Bosnien-Herzegowina, Rumänien, Rußland und die Ukraine. Bezogen haben sich diese auf die Sektoren Banken – das müßte Sie auch interessieren –, Tourismus, Düngemittel, Elektrizitätssektor und Privatschulen.

Meine Damen und Herren! Es gibt genug Gründe, diese Gesetzesinitiative nicht zu beeinspruchen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte sehr, Herr Bundesrat Dr. Tremmel. Ich erteile Ihnen das Wort.

13.13

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzter Herr Vorredner! Ich habe mich bemüht, über deine Rede hinauszusehen und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 72

habe ... (Bundesrat Prähauser: Das ist aber schwer! Gib es zu!) – Das ist schwer, da hast du recht. Ich habe mich bemüht, ein Argument zu finden, das ein Grund dafür wäre, die MIGA in den Bereich der Kontrollbank nicht zu integrieren. Ich habe dieses Argument nicht gefunden; das sei nebenbei erwähnt.

Ganz einfach ausgedrückt: Die MIGA macht Risikogeschäfte, die durch das jetzt schon bewährte Instrument der Kontrollbank besser abgedeckt wären. Also ich verstehe den Inhalt dieses Gesetzes nicht.

Du sagst, daß langfristig ein Verbot der Kinderarbeit und ähnliche von dir angeführte Effekte bezweckt werden sollen. Man zeige mir die Sanktionsmöglichkeiten! Diese sind überhaupt nicht vorhanden. Das ist eine typische Lex imperfecta zur Verfeuerung unseres österreichischen Steuergeldes. Man verringert die Kontrolle, anstatt die Investitionsnehmer zu veranlassen, ihre Aktivitäten genau nachzuweisen. Es gibt keinen entsprechenden Sanktionsmechanismus, geschätzter Herr Vorredner!

Schon allein aus dem Grund, daß diese Vorlage nicht entsprechend dargestellt, begründet und schlüssig ist, ist dieses Gesetz im Interesse des österreichischen Steuerzahlers abzulehnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir können daher dieser Vorlage selbstverständlich nicht die Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.15

Vizepräsident Jürgen Weiss: Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Staatssekretär, bitte sehr.

13.15

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttenstorfer: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Es ist nicht zu übersehen, daß die österreichische Wirtschaft zwar sehr erfolgreich ist, aber unser Land ist relativ klein und sehr stark vom Außenhandel abhängig. Das ist eine Situation, die wir zur Kenntnis zu nehmen haben. Da das so ist, ist es für uns, so glaube ich, von herausragender Bedeutung, daß jene Institutionen, die darauf zu achten haben, daß es ein gesundes Gefüge im Weltfinanzsystem gibt, gestärkt werden. Wir – Österreich als kleines außenhandelsabhängiges Land – können daher am wenigsten daran interessiert sein, daß es zu Instabilitäten kommt, daß insbesondere die weltweite Entwicklung nicht genügend vorangetrieben wird. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das verlangt auch niemand!)

Nicht nur der Internationale Währungsfonds, sondern auch die Weltbank sind ein wesentliches Instrument dafür, weltweit eine Entwicklungspolitik voranzutreiben, die insbesondere auch im Sinne der kleinen Länder ist. Denn die Großen können viel stärker direkt agieren.

Daher meine ich, daß es sinnvoll ist, daß wir Österreicher in sehr kleinem Rahmen – nämlich unter 1 Prozent, unsere Bedeutung weltweit ist eben sehr begrenzt – bei den internationalen Institutionen mittun. Dazu gehört nicht nur der Weltwährungsfonds und die Weltbank, sondern auch diese Tochtergesellschaft der Weltbank, die, so glaube ich, eine sehr intelligente Lösung für Entwicklungshilfe anbietet, nämlich durch Übernahme von Haftungsgarantien, die die Risiken für Investitionen in Entwicklungsländern begrenzen sollen.

Wir haben uns erst sehr spät dazu entschieden, zur MIGA beizutreten, nämlich erst dann, als es klar wurde, daß durch die Öffnung des Ostens in unseren Nachbarländern auch solche Haftungen international übernommen werden sollten und wir durch einen sehr kleinen Beitrag zu dieser MIGA eine Entwicklung in den Nachbarländern fördern können, die letzten Endes auch der österreichischen Wirtschaft zugute kommen und diese fördern kann.

Daher meine ich, daß es sehr klug wäre, wenn wir diese Kapitalerhöhung vornehmen würden. Ich ersuche Sie daher um Ihre Zustimmung dazu. (Beifall bei der SPÖ.)

13.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Werden weitere Wortmeldungen gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 73

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

13. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 und das Tabaksteuergesetz 1995 geändert werden (907/A und 1447/NR sowie 5807/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 13. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopolgesetz 1996 und das Tabaksteuergesetz 1995 geändert werden.

Die Berichterstattung hat ebenfalls Herr Bundesrat Johann Kraml übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Johann Kraml: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Der Bericht liegt ebenfalls schriftlich vor. Ich komme zum Beschlußantrag.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Präsident Alfred Gerstl. Ich erteile es ihm.

13.18

Bundesrat Alfred Gerstl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die vorliegende Novelle zum Tabakmonopolgesetz 1996 darf ich zum Anlaß nehmen, um einige grundsätzliche Bemerkungen zum Tabakmonopolgesetz in Österreich zu machen.

In unserem Land besteht wie in Frankreich, Italien und Spanien ein Tabakmonopol. Vom seit 1784 bestehenden Vollmonopol blieb nach dem EU-Beitritt als wichtigster Teil das Einzelhandelsmonopol erhalten. Der Großhandel ist bereits liberalisiert. Die Verwaltung des Monopols wurde von der Austria Tabakwerke AG ausgegliedert und durch das Tabakmonopolgesetz 1996 einer neuen, kleinen Gesellschaft, der Monopolverwaltung GesmbH übertragen. Das Einzelhandelsmonopol ist EU-konform, wie auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes festgestellt hat.

Das österreichische Tabakeinzelhandelsmonopol hat eine zweifache Zielsetzung: die Nahversorgung für die Bevölkerung mit Rauchwaren zu gewährleisten, und eine sozialpolitische Zielsetzung, nämlich durch Verleihung von Tabakgeschäften möglichst vielen behinderten Menschen eine Existenzgrundlage zu verschaffen.

Zum Nahversorgungsauftrag: Wo immer die Möglichkeit besteht, eine Existenzgrundlage für ein Tabakgeschäft zu schaffen, gibt es selbständige Tabaktrafiken. Derzeit sind es rund 3 200 Trafiken, in denen insgesamt 72 Prozent des Gesamtumsatzes getätigt werden. Dort, wo das Vorhandensein eines Tabakfachgeschäftes aufgrund wirtschaftlicher Gegebenheiten nicht möglich ist, aber zur Nahversorgung notwendig wäre, werden Tabakwaren im Rahmen eines Gewerbe


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 74

betriebes, im Rahmen einer sogenannten Tabakverkaufsstelle verkauft. In 5 950 Fällen wird dies so gehandhabt. Davon sind 4 000 Handelsbetriebe, die oftmals die letzten Nahversorger im Ort sind und für die der Tabakhandel ein zum Überleben notwendiges, wirtschaftliches Zubrot darstellt. Durch dieses System ist eine wie in anderen Sektoren leider abhanden gekommene Nahversorgungsstruktur noch gegeben.

Diese Struktur bietet auch den vom gesundheitspolitischen Aspekt relevanten Vorteil, daß nicht an allen Ecken und Enden, wie das zum Beispiel in Deutschland der Fall ist, Tabakwaren von allen Geschäften und darüber hinaus von Automaten in grenzenloser Anzahl angeboten werden können. Dazu kommt noch die Möglichkeit des raschen und lückenlosen Aus-dem-Verkehr-Bringen von Tabakwaren durch die zuständige Behörde, wenn Produkte angeboten werden, die die gesetzlich erlaubten Höchstwerte für Rauchinhaltsstoffe überschreiten.

Zur sozialpolitischen Zielsetzung: Von den 3 200 Tabakfachgeschäften werden rund ein Drittel, also über 1 000, von behinderten Menschen geführt. Dieser Prozentsatz ist ständig im Steigen begriffen. Noch vor zehn Jahren lag dieser Prozentsatz bei 25 Prozent. Es gibt heute prozentuell gleich viele Behinderte unter den Tabaktrafikanten wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Behinderungen sind aber nicht mehr so augenfällig, dafür aber nicht geringer. Pro Jahr erhalten 80 bis 90 behinderte Menschen durch eine Tabaktrafik eine Existenzgrundlage, oder anders gesagt: An jedem vierten Tag bekommt in unserem Land ein behinderter Mensch mit seinen Angehörigen eine Existenz durch eine Tabaktrafik.

Meistens sind dies Menschen, die sonst auf die Unterstützung durch die öffentliche Hand angewiesen wären. Wenn man die Kosten der öffentlichen Hand für die Unterstützung eines arbeitslosen, behinderten Menschen und seiner Familie mit rund 250 000 S pro Jahr annimmt, dann ist die Ersparnis des Staates durch das Tabakwareneinzelhandelsmonopol mit 250 Millionen Schilling pro Jahr nicht hoch angesetzt. Es darf dabei noch erwähnt werden, daß nahe Familienangehörige, die unter bestimmten Voraussetzungen ein Eintrittsrecht in die Tabaktrafik haben, auch oft Menschen sind, die durch die Pflege von schwerkranken Fachgeschäftsinhabern oder durch deren Arbeitsleistung im Rahmen des Familienverbandes auf den freien Arbeitsmarkt sonst chancenlos wären. Für die Verwaltung des Monopols erwachsen dem Staat keine Kosten. Die Monopolverwaltungsgesellschaft finanziert sich durch Beiträge der Tabaktrafikanten.

Neben dem wirtschaftlichen Aspekt für das Gemeinwohl darf aber auch nicht übersehen werden, daß durch Innehabung einer Tabaktrafik, durch das unternehmerische Tätig-Werden viele Menschen, insbesondere nach schweren Unfällen, auch wieder Sinn in ihrem Leben finden. Das Tabakmonopolgesetz ist demnach zumindest ebensoviel – wenn nicht mehr – Sozialgesetz wie auch Wirtschaftsgesetz. Ein Festhalten an dem Monopol ist daher keine antiquierte Sicht, sondern aus all den aufgezeigten Gründen mehr denn je Ausdruck einer modernen, sozialen Gesetzgebung.

Die vorliegende Novelle dient der Anpassung von Bestimmungen, die ausschließlich den Großhandelsbereich betreffen und EU-bedingt erforderlich wurden. Nebenbei wird auch die Kundmachungspflicht für vom Großhandel festgelegte Preise vom Bundesministerium für Finanzen auf die Monopolverwaltungsgesellschaft übertragen. Vom System her ist diese Änderung insofern angezeigt, als dieser Gesellschaft damit für die Verwaltung des Einzelhandelsmonopols eine Serviceleistung für den Einzelhandel übertragen wird.

Meine Fraktion bekennt sich aus den eingangs erwähnten Gründen, nämlich der umfassenden Nahversorgung und der sozialen Zielsetzung, zum Tabakeinzelhandelsmonopol und wird der vorliegenden Novelle zum Tabakmonopolgesetz 1996 ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 75

13.26

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Horst Freiberger. Ich erteile ihm das Wort.

13.26

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Präsident Gerstl als – das sage ich jetzt einmal so – "Tabaktrafikenpapst" hat das Thema natürlich so umfassend behandelt, daß es sicherlich zu einigen Wiederholungen kommen wird, denn ich habe mich auf dieses Thema auch vorbereitet. Aber ich glaube, es ist wichtig genug, um es möglicherweise auch zweimal zu hören.

Meine Damen und Herren! Die Änderung des Tabakmonopolgesetzes 1996 und des Tabaksteuergesetzes 1995 wurde deswegen notwendig, weil von der Europäischen Kommission rechtliche Bedenken angemeldet wurden. Mit dieser Änderung wollen wir ein etwaiges Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof vermeiden. Dies alleine wäre noch nicht sehr weltbewegend, da man diesem Ansinnen leicht Rechnung tragen kann. Ich habe mich jedoch deshalb zu Wort gemeldet, weil ich es für notwendig erachte, speziell auf die wichtige Aufgabe des Tabakmonopolgesetzes als soziale Maßnahme für behinderte Menschen hinzuweisen.

Einleitend möchte ich noch festhalten, daß Österreich absolut nicht das einzige Land ist, in dem es ein Einzelhandelsmonopol für Tabakwaren gibt. Ähnliche Strukturen innerhalb der EU gibt es noch in Frankreich, Italien und Spanien. Ein Land habe ich noch gefunden, das Präsident Gerstl in seiner Aufzählung ausgelassen hat, denn auch in Portugal gibt es ähnliche Strukturen innerhalb der Europäischen Union. Auch in diesen Ländern wird so wie in Österreich das Einzelhandelsmonopol für Tabakwaren aufrechterhalten und auch für sinnvoll erachtet. (Präsident Gerstl übernimmt den Vorsitz.)

Es ist insbesondere im Sinne des Staates, daß die Handelswege der Zigaretten kontrolliert werden, weil in diesem Zusammenhang auch gesundheitspolitische Erwägungen eine Rolle spielen. Denken wir nur an die Jugendschutzbestimmungen! Durch diese Struktur bleiben die Vertriebswege für den Staat überschaubar.

Meine Damen und Herren! Viel wichtiger ist jedoch, zu erwähnen, daß in Österreich das Tabakmonopolgesetz auch als Sozialgesetz anzusehen ist. Bei der Vergabe von Tabakfachgeschäften hat die Monopolverwaltung beziehungsweise die Besetzungskommission jene Bewerber bevorzugt zu behandeln, die entweder begünstigte Behinderte im Sinne des § 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes sind oder die nach dem Heeresversorgungsgesetz oder nach dem Opferfürsorgegesetz vorzugsberechtigt sind. Dies bedeutet in der Praxis, daß von den rund 3 200 Tabakfachgeschäften derzeit 1 040 – das sind bereits über 32 Prozent – von bevorzugten Personen betrieben werden.

Diese Zahl ist in den letzten Jahren erfreulicherweise immer wieder gestiegen. Beispielsweise betrug der Anteil dieser begünstigten Personen vor zehn Jahren lediglich 25 Prozent. Pro Jahr wird etwa an 80 bis 90 Personen, die sonst meist auf eine Unterstützung durch die öffentliche Hand angewiesen wären, das Recht, Tabaktrafiken zu betreiben, vergeben. Weitere 1 652 Tabakfachgeschäfte oder rund 52 Prozent werden von Angehörigen solcher Personen geführt, die nach den Bestimmungen des Tabakmonopolgesetzes ebenfalls ein Vorzugsrecht haben. Somit sind fast 85 Prozent aller Tabakfachgeschäfte im Besitz von bevorzugten Personen. Dies wird durch dieses Gesetz ermöglicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktsituation haben gerade jetzt Personen mit einer Behinderung wenig Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten. Wenn man darüber hinaus bedenkt, welche Sozialleistungen der Staat im Falle einer Arbeitslosigkeit an diesen Personenkreis bezahlen müßte, so sieht man einen weiteren Vorteil des Einzelhandelsmonopols für Tabakwaren in Österreich – ganz abgesehen davon, was es für jemanden persönlich bedeutet, sich eine eigene Existenz zu schaffen und in die Arbeitswelt integriert zu sein.

Hohes Haus! Ein zusätzliches Augenmerk, das für die Bestimmungen des Einzelhandelsmonopols für Tabakwaren spricht, möchte ich nicht unerwähnt lassen. Es gibt zu den über 3 200 Tabakfachgeschäften noch zirka 6 000 Tabakverkaufsstellen. Bei den Tabakverkaufsstellen handelt es sich in der Regel um Handelsbetriebe, die neben anderen Waren auch Tabakwaren


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 76

verkaufen. Speziell in den Landgemeinden wird durch diesen zusätzlichen Umsatz in den Handelsbetrieben häufig das Überleben dieser Nahversorger gesichert. Diese Tatsache wird von der betroffenen Bevölkerung sehr begrüßt, und so kann dieses Gesetz nur gutgeheißen werden.

Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundesratsfraktion steht zu dieser sozialen Aufgabe, und wir werden deshalb diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.30

Präsident Alfred Gerstl: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. – Bitte.

13.31

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzter Herr Vorvorredner! Meine Damen und Herren! Die Demokratie ist vielfältig, und die parlamentarische Demokratie ist noch vielfältiger. Aus jenen Gründen, die meine Vorredner bereits erwähnt haben, wird ein Teil der freiheitlichen Fraktion – ich nehme an, die Mehrheit – dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung erteilen, weil das eben einfach Zustimmung erfordert; überdies gibt es sozusagen eine Aufforderung des Gerichtshofes, einen diesbezüglichen Rechtszustand herzustellen.

Andererseits haben Vorredner Argumente gebracht, die man, was den rechtlichen Bereich betrifft, doch bedenken sollte. Es wurde hier, wie gesagt, dieses Monopol schon erwähnt. Das nun zu beschließende Gesetz wird letztendlich eine richtiggehende – so soll es auch sein – Aufweichung dieses Monopols zur Folge haben. Der erste Hinweis ist damit erfolgt, nämlich gewisse Dominanten abzubauen, und das ist durchaus richtig. Allerdings: Woher kommt es, daß solche Dominanten abgebaut werden sollen? – In diesem Zusammenhang ist wohl Frankreich zu nennen. Es war schon zu hören, daß diese Waren bei 23 000 Verkaufsstellen – de facto handelt es sich dabei um Suchtgift; ich sage das so klar, obwohl ich selbst Raucher bin beziehungsweise wieder Raucher bin; leider Gottes! – nur mehr in einem Zeitraum von 40 Stunden pro Woche abgegeben werden dürfen. Diese Abgabestellen werden beibehalten.

Ich bin da teilweise ein Zerrissener: Einerseits teile ich die sozialen Argumente, die in diesem Zusammenhang angeführt wurden – Tausende Arbeitsplätze gibt es in diesem Bereich, die aber, so ein Hinweis der Kommission, eingeschränkt werden könnten, wenn das völlig liberalisiert wird; das soll man auch bedenken, und dagegen sollte man sich zur Wehr setzen –, andererseits sollte man aber auch den gesundheitlichen Aspekt


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 77

nicht außer acht lassen, der meiner Ansicht nach natürlich der wichtigste ist.

Meine Damen und Herren! Wir machen beinahe monatlich Gesetze, um den Suchtgiftbereich zurückzudrängen, um den Genuß von Suchtgiften einzuschränken. Diese "Palette" ist riesig! Allein infolge Tabakkonsums gibt es in Europa Millionen Tote, und zwar mehr als durch Verkehrsunfälle.

Meine Damen und Herren! Ich möchte zu diesem Thema folgende Parabel bringen: Ein Arzt steht am Ufer eines schnellfließenden Flusses und hört die verzweifelten Schreie einer ertrinkenden Frau. Er springt ins Wasser, holt die Frau heraus und beginnt mit Mund-zu-Mund-Beatmung. Als er gerade dabei ist, sieht er wieder jemanden im Wasser treiben. Der Arzt springt also wieder ins Wasser, holt den nächsten heraus und macht wieder Mund-zu-Mund-Beatmung. Und so geht das weiter und weiter. (Bundesrat Konečny: Blöd!)

Ja, es ist blöd, Herr Kollege; es ist tatsächlich blöd, aber ich wollte damit sagen: Wir kommen nicht dazu, die Ursachen zu erforschen, warum die Menschen unseres Landes, gerade auch die Jugend, immer mehr Zuflucht zu Suchtgiften suchen. Ich meine jedenfalls, die kontrollierte Abgabe von Suchtgiften ist die einzige Möglichkeit, dieses Problem in den Griff zu bekommen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir können hier Facettierungen sonder Zahl vornehmen, und trotzdem wird es uns nie gelingen, das Übel wirklich an der Wurzel zu packen, und deshalb, meine Damen und Herren – auch im Interesse der Gesundheit unserer Mitbürger –, können wir dieser Vorlage unsere Zustimmung nicht geben. Ich würde noch die Zustimmung erteilen können, wenn das Finanzministerium, wenn der Herr Staatssekretär, wenn der Herr Finanzminister, der, wie ich sehe, auch ein geradezu begeisterter Raucher ist, diese Mittel aus Monopoleinnahmen für den Gesundheitsbereich, für den Vorsorgebereich verwenden würden. Aber auch das ist nicht der Fall.

Wir schwimmen also sozusagen in diesem Strom dahin, es werden wider besseres Wissen Gesetze beschlossen, Gesetze, die letztlich den Menschen unseres Landes nicht zum Vorteil gereichen und die auch letztlich nichts taugen, sondern die ohnedies nicht gute Situation nur noch weiter verwässern beziehungsweise verschlechtern.

Aus den angeführten Gründen werde ich daher dieser Vorlage keine Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.37

Präsident Alfred Gerstl: Nächster Redner ist Herr Bundesrat DDr. Werner Königshofer. – Bitte.

13.37

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich den Ausführungen meines Fraktionskollegen Paul Tremmel anschließen. Es ist mir völlig unverständlich, in welche Richtung dieser Gesetzesbeschluß denn überhaupt gehen soll, wer sich in unserem Land da durchsetzen soll: die Wirtschaft oder die Gesundheitspolitik?

Meine Damen und Herren! Sie brauchen sich nur die heutige Ausgabe des "Standard" anzuschauen, in der zu lesen steht, daß in einer Untersuchung festgestellt wurde, daß es in Österreich pro Jahr 230 Tote infolge des Konsums von Opiaten gibt. Eine dreistellige Zahl also! Es gibt in Österreich 2 500 Tote infolge Alkoholkonsums. Eine vierstellige Zahl! Jedes einzelne Opfer ist zu viel, aber: Es gibt in Österreich pro Jahr über 10 000 Tote infolge Nikotinmißbrauchs. Angesichts dieser Zahlen frage ich mich schon, wozu es dienen soll, die Tabakwirtschaft zu liberalisieren und die Zahl der Verkaufsstellen zu erhöhen beziehungsweise diese Möglichkeiten entsprechend zu erweitern.

Weiters frage ich mich, wohin die EU-Politik in diesem Bereich geht. Auf der einen Seite spricht man davon, die Werbung für Tabakprodukte überhaupt generell einschränken, ja sogar einstellen zu wollen, auf der anderen Seite aber wird der Tabakanbau von der EU selbst gefördert, und auch der Vertrieb von Tabakprodukten soll liberalisiert werden, sodaß immer breitere Kreise – leider auch jüngere Menschen! – freien Zugang dazu haben.

Ich lehne den vorliegenden Gesetzentwurf ab, und das sage ich auch als ehemaliger Raucher. Ich habe fast 30 Jahre lang geraucht, zum Schluß sogar 40 Zigaretten und mehr am Tag. Rauchen ist eine Suchtkrankheit, die letztendlich, wenn man das nicht stoppt, wenn man diese Krankheit nicht heilen kann, letale Folgen haben kann. Das ist doch unweigerlich der Fall! 10 000 Tote pro Jahr in Österreich – eben infolge Tabakkonsums – sprechen eine deutliche Sprache!

Ich werde deshalb diesem Gesetzentwurf keine Zustimmung erteilen, wie eben einige in meiner Fraktion auch, weil ich eher an die Menschen denke, die dieser Sucht zum Opfer fallen, und mir die Interessen einer internationalen Tabaklobby, einer internationalen Zigarettenindustrie nicht so wichtig sind wie die Gesundheit der Bevölkerung! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.39

Präsident Alfred Gerstl: Ich möchte dazu folgendes sagen: Die Worte von Bundesrat Dr. Tremmel sind sehr ernst zu nehmen; wir haben uns bereits mit diesem Problem befaßt.

Es ist richtig, daß ein frühes Beginnen mit Tabakkonsum besonders große Gefahr in sich birgt. Das ist auch der Grund dafür, warum in Frankreich der Zigarettenkauf mittels Automaten verboten wurde.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 78

Wir müssen daher überlegen: Ja, Staatseinnahmen sind wichtig, aber die Gesundheitspolitik ist ein noch wichtigerer Faktor. – In der gegenständlichen Novelle allerdings wird diese Sache nicht angesprochen, sondern das wurde jetzt nur in die Debatte miteingebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) – Das kurz dazu.

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

14. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 4. November 1998 betreffend Änderungen der Liste in Anlage I zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (1399/NR sowie 5808/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen zu Punkt 14 der Tagesordnung: Änderungen der Liste in der Anlage I zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wolfgang Hager übernommen. Ich bitte ihn um seinen Bericht.

Berichterstatter Wolfgang Hager: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Umwelt, Jugend und Familie liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuß für Umwelt, Jugend und Familie stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, und

2. gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Rodek. Ich erteile ihm dieses.

13.42

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! – Der Herr Bundesminister, so habe ich gerade gehört, ist auf dem Wege zu uns. – Meine Damen und Herren! Die zur Debatte stehende Regierungsvorlage hat eigentlich nur formellen Charakter, und es gäbe daher dazu kaum etwas zu sagen – meine Fraktion wird dazu sicherlich auch die Zustimmung erteilen –, es gäbe also kaum etwas dazu zu sagen, wäre nicht erst vor kurzem die Klimakonferenz in Buenos Aires zu Ende gegangen, bei der unser Umweltminister Bartenstein dankenswerterweise aufs Tempo gedrückt hat; er wird sicherlich dazu anschließend noch etwas sagen. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Er ist unterwegs, er drückt bereits. Wie gesagt: Bundesminister Bartenstein hat in erster Linie aufs Tempo gedrückt, damit dem Kyoto-Protokoll


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 79

betreffend Drosselung der Schadstoffemissionen entsprochen wird. (Bundesminister Dr. Bartenstein nimmt soeben auf der Regierungsbank Platz.)

Herr Bundesminister! Ich habe gerade lobend erwähnt, daß du bei der Konferenz von Buenos Aires aufs Tempo gedrückt hast, daß Österreich dabei eine Vorreiterrolle gespielt hat, um eine Umsetzung des Kyoto-Protokolles möglich zu machen.

Vor einem Jahr hatten sich die Industrieländer dazu verpflichtet, bis zum Jahre 2012 den Schadstoffausstoß um 5,2 Prozent – Österreich als "Umweltmusterknabe" sozusagen sogar um 13 Prozent – zu verringern.

Damit eine solche Reduktion erreicht werden kann, müssen wichtige energiepolitische Entscheidungen getroffen werden, um erstens die Energie- und zweitens die Kohlenstoffintensität tatsächlich senken zu können. Eine Maßnahme in diesem Zusammenhang wäre eine beschleunigte Verbreitung erneuerbarer Energieträger, was große Bedeutung für die Reduktion von CO2-Emissionen hat. Das ist aber auch von energiepolitischer Bedeutung, da die Energieeinfuhren der Union bereits bei 50 Prozent liegen. Wenn keine geeigneten Maßnahmen gesetzt werden, ist davon auszugehen, daß diese Einfuhren im Jahre 2020 70 Prozent ausmachen werden, und damit wird das Risiko für eine ausreichende Versorgungssicherheit immer größer.

Heimische erneuerbare Energieträger würden eine wichtige Rolle bei der Reduktion der Energieeinfuhr spielen, was einerseits positive Auswirkung auf die Handelsbilanz hätte, andererseits aber die CO2-Situation wesentlich verbessern würde, denn eine Steigerung der Erzeugung von Wärme, Strom oder Treibstoff aus nachwachsenden Rohstoffen von derzeit 6 auf 12 Prozent bis zum Jahre 2010 würde bedeuten, daß gegenüber dem Öläquivalent von 40 Millionen Tonnen pro Jahr, so beispielsweise 1995, dieses auf mehr als 130 Millionen Tonnen bis zum Jahre 2000 gesteigert werden könnte. Das würde gleichzeitig eine Kohlendioxidreduktion von 402 Millionen Tonnen bedeuten.

Bei uns in Österreich ist aber, wenn man einen der Hauptverursacher der CO2-Emissionen, nämlich die Heizungsanlagen, betrachtet, genau der gegenläufige Trend festzustellen: Gas- und Ölheizungen konnten ihre Marktposition ausbauen, Holzheizungen verloren dagegen in den letzten drei Jahren 2,6 Prozent an Marktanteil. Was bedeutet diese Entwicklung im Hinblick auf CO2-Emissionen? – Der Ausstoß an Kohlendioxid nimmt jährlich um etwa 200 000 Tonnen zu. Ein Beispiel dazu: Die Heizungsanlage eines Einfamilienhauses, mit Öl beheizt, emittiert 5 800 Kilogramm CO2; bei der gleichen Energiemenge eines Hauses mit Gas beheizt macht das noch immer 3 800 Kilogramm aus. Lediglich die Holzheizung ist CO2-neutral, weil der Kohlenstoff im Holz durch die Photosynthese aus der Luft und nicht aus Herdkruste kommt.

Die Frage taucht daher auf: Warum gibt es diesen Trend zu Öl und Gas? – Darauf gibt es zwei Antworten. Erstens: Das Öl wird immer billiger. Zweitens: Die Investitionskosten für Öl- und Gasbrenner sind deutlich niedriger als jene für Holzheizungen. Was schließen wir daraus? – Wenn Österreich die Rahmenbedingungen auf dem Wärmemarkt nicht ändert, wird die Biomasse, statt mehr zu werden, beschleunigt vom Markt gedrängt. Österreich wäre dann nicht in der Lage, die Regierungsbeschlüsse betreffend eine Verringerung von CO2 einzuhalten.

Abhilfe, so meine ich, würde da eine echte – ich betone: echte!  – Ökologisierung unseres Steuersystems im Rahmen der zu beschließenden Steuerreform 2000 bringen. Es darf doch nicht so sein, daß sich – so wie in Deutschland – unter dem Mäntelchen "Öko" eine massive Steuererhöhung für Benzin, Diesel, Gas und Strom verbirgt und diese Gelder dann für Umverteilungsaktionen verwendet werden. Wem dies allerdings unvermeidlich zu sein scheint, den fordere ich auf, mit diesen Mehreinnahmen auch den Umstieg auf Biomasse zu fördern, denn durch die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energieträger aus bäuerlicher Produktion – Brennholz, Hackschnitzel sowie Energiepflanzen für die Biodieselproduktion – würde nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Reduktion schädlicher Treibhausgase geleistet werden, sondern eine gesunde Haltung unserer Lebensgrundlagen erreicht sowie zusätzliche Einkommenschancen unseren Bauern ermöglicht werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 80

Sinnvoll wäre es natürlich, solche steuerlichen Maßnahmen im Einklang mit allen Mitgliedstaaten der EU durchzuführen, denn nur mit einem entschlossenen und koordinierten Handeln zwecks Aktivierung des Potentials erneuerbarer Energieträger kann es gelingen, dieses Potential auch tatsächlich zu nutzen. Sonst aber wird die Chance verpaßt, diesen Sektor – und es ist leider nur ein Sektor – weiterzuentwickeln und damit die Treibgasemission maßgeblich zu reduzieren. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.49

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Günther Leichtfried. Ich erteile ihm dieses.

13.49

Bundesrat Mag. Günther Leichtfried (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wie mein Vorredner bereits gesagt hat: Zur Änderung dieses Rahmenübereinkommens gibt es eigentlich nichts Wesentliches zu sagen, und wir werden natürlich dem auch unsere Zustimmung erteilen. Ich möchte aber auch diese Gelegenheit dazu nutzen, einige Tage nach Beendigung der Klimakonferenz in Buenos Aires einige grundsätzliche Anmerkungen zu Klimaschutzmaßnahmen zu machen.

Das Hohe Haus hat die Änderung dieses Rahmenübereinkommens, was Gegenstand der jetzigen Debatte ist, im Jahre 1994 ratifiziert und mit dieser Ratifizierung auch klare Pflichten übernommen. Dieses Rahmenübereinkommen war dann auch die Basis für die Klimakonferenz im vorigen Jahr in Kyoto und für die Klima-Konferenz heuer in Buenos Aires.

Im vergangenen Jahr wurde in Kyoto ein Protokoll beschlossen – das war etwas ganz Wesentliches –, in dem sich alle Industriestaaten völkerrechtlich verbindlich bereit erklärt haben, Klimaschutzmaßnahmen zu setzen, nämlich eine Reduzierung um 5 Prozent – das wurde schon erwähnt – anzustreben, bezogen auf den Stand 1990 bis 2012, wobei die Lasten ungleich auf die einzelnen Länder und Kontinente verteilt worden sind. Über diese 5 Prozent kann man geteilter Meinung sein. Ich meine, daß diese 5 Prozent, wie auch namhafte Wissenschafter immer wieder sagen, nur unwesentlich dazu beitragen werden, daß es zu keiner weiteren globalen Erhöhung der Temperatur kommen wird und eine bremsende Wirkung nur sehr schwer festzustellen sein wird. Wenn man bedenkt, daß die EU ursprünglich ein viel größeres Ziel vorgehabt hat, nämlich eine Reduzierung um 15 Prozent bis 2010, so muß man sagen, daß die herausgekommenen Prozente doch einigermaßen ins rechte Licht zu rücken sind.

Was hat jetzt diese Klimakonferenz in Buenos Aires gebracht? – Man hat sich erwartet, daß verschiedene, ganz konkrete Probleme auch tatsächlich einer Lösung zugeführt werden. Ich hätte mir erwartet, daß folgende drei Ziele umgesetzt werden. Es müßten, um diese Reduktionsziele auch tatsächlich zu erreichen, ganz konkrete Klimaschutzprojekte ausgearbeitet werden. Es hätte eine Einigung bei den sogenannten flexiblen Mechanismen geben müssen. Es sollten die USA dazu gebracht werden, dieses Rahmenübereinkommen oder dieses Übereinkommen von Kyoto ebenfalls zu ratifizieren, was auch – das war das einzig Positive – gelungen ist. Durch die Unterzeichnung dieses Protokolls von Kyoto wollte sich die USA, wie im "Kurier" geschrieben wurde, als Ökomacht präsentieren. In Wirklichkeit ist Amerika jener Bremsstein geblieben, der er praktisch in den vergangenen Jahren immer gewesen ist. Dies konnte jeder, der die Konferenz aufmerksam verfolgt hat, feststellen.

Konkrete Klimaschutzprojekte wurden nicht ausgearbeitet. Man hat sich auf vage Aktionspläne geeinigt und bei den sogenannten Kontrollmechanismen eine Annäherung erzielt. Wie aber tatsächlich die beschlossene Absenkung mit ganz konkreten Projekten erreichbar ist, das hat man dort nicht weiter verfolgt.

Bei den flexiblen Mechanismen, bei denen es darum geht, wieviel Kohlendioxidguthaben ein Staat von einem anderen Staat zukaufen kann, um sein eigenes Reduktionsziel zu erreichen, und in welchem Ausmaß Auslandsinvestitionen in Ökotechnik der eigenen Kohlendioxidbilanz angerechnet werden sollen, konnte keine Einigung erzielt werden. Dieses Thema wurde auf die nächsten zwei Jahre vertagt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 81

Ich glaube daher, feststellen zu können und leider feststellen zu müssen, daß das Ergebnis dieser Klimakonferenz enttäuschend ist und daß selbst eine gewisse Gefährdung des gesamten Diskussionsprozesses um eine globale Klimapolitik und um eine globale Reduzierung des Ausstoßes klimawirksamer Gase möglich erscheint.

Gestatten Sie mir aber noch einen kurzen Blick nach Österreich, weil hier Österreich als Musterland diesbezüglich bezeichnet wurde. Der Ausdruck "Musterland" ist vielleicht ein bißchen zu hoch gegriffen. Es gibt eine Umfrage, eine neue, aktuelle Umfrage, wie die Österreicher Klimaschutzpolitik sehen. Dabei hat man festgestellt, daß 90 Prozent der Befragten eine weltweite Klimaänderung, -veränderung als eine massive Bedrohung sehen und daß sie mit unserer Klimapolitik, vor allem mit den Maßnahmen, die gesetzt werden, nicht ganz zufrieden sind.

Auch Österreich hat ursprünglich viel größere Ziele gehabt. Ich erinnere an die 25 Prozent, an die 20 Prozent, die schließlich und endlich eben aufgrund der Lastenverteilung in Kyoto auf 13 Prozent gesenkt wurden. Ich glaube aber, daß diese 13 Prozent auch ein sehr ansprechendes Ziel wären. Es wäre gut, wenn wir tatsächlich endlich auch Maßnahmen setzen würden, um diese 13 Prozent zu erreichen. Dafür würde es aller Kraftanstrengungen auf allen Ebenen bedürfen – auf Ebene der Gemeinden, der Länder und auf Bundesebene –, und es wird notwendig sein – Herr Minister, ich darf Sie darum bitten –, auch tatsächlich vom Umweltministerium aus ein sogenanntes Gesamtkonzept vorzulegen, um tatsächlich wirksame Maßnahmen setzen zu können.

Was alles gemacht werden kann, hat mein Vorredner aufgezählt. Ich brauche das daher nicht mehr unbedingt zu wiederholen. Ich glaube aber, daß es ganz wichtig ist, bereits jetzt im Zuge der Steuerreform diese Ökosteuerreform wirksam anzugehen. Die Förderung erneuerbarer Energien und das Setzen auf umweltfreundliche Verkehrssysteme würden dazu einen ganz wesentlichen Beitrag leisten. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

13.56

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.

13.56

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, daß der Beschluß des Nationalrates betreffend Änderungen der Liste in Anlage I ein rein formaler Akt ist, über den wir abstimmen. Was die Klimakonferenz von Buenos Aires betrifft, ist allerdings einiges Grundsätzliches zu sagen.

Es ist nun einmal so, daß das Klima uns alle angeht. Man weiß zwar meistens, in welchen Ländern die Emissionen erfolgen, also die Schadstoffe ausgestoßen werden, diese bleiben aber meistens nicht vor der eigenen Haustüre stehen. Das heißt, jeder einzelne Nationalstaat muß das Seine dazu beitragen, daß unser Klima insgesamt, also das globale Klima, für uns alle, aber auch für unsere Kinder, Enkelkinder und Urenkel gesund und verträglich bleibt. Wenn wir uns die Wetterkapriolen der letzten Jahre und auch heuer anschauen, dann sehen wir, wie dringend Maßnahmen notwendig sind.

Klimakonferenzen sind zwar vielbeachtete Tagungen, bei den Umsetzungen der Ergebnisse hapert es dann aber leider meistens. Es werden viele Absichtserklärungen abgegeben, denen keine wirklich konkreten Schritte folgen.

Trotzdem möchte ich nicht nur Negatives sagen, es gibt natürlich immer wieder das eine oder andere Positive. Zeitungsberichten konnte man entnehmen, daß zum Beispiel große Unternehmen in den Vereinigten Staaten von sich aus dazu übergegangen sind, ihre Emissionen einer freiwilligen Reduktion zu unterziehen. Jetzt mögen die unterschiedlichsten Aspekte dem zugrunde liegen, warum man sich dazu entschlossen hat. Ganz sicher ist ihnen eines gemeinsam: daß sie sich davon wirtschaftliche Vorteile versprechen. Für ein Unternehmen, das gewinnbringend arbeiten muß, ist das nichts Schlechtes. Es ist noch besser, wenn es für das


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 82

Klima etwas Positives bringt. Man sieht also, wenn man darüber nachdenkt und entscheidende Schritte setzt, dann geht es auch.

Man könnte sich natürlich hier in Österreich – Kollege Rodek hat schon davon gesprochen, welche Möglichkeiten wir hätten – ein Beispiel daran nehmen, denn der Musterknabe Österreich, von dem Kollege Rodek gesprochen hat, hat sich eigentlich auf ein Knäblein reduziert, denn ursprünglich hat man vollmundig gesagt, wir reduzieren um 25 Prozent, und dann hat man sich halt auf 13 Prozent herunterhandeln lassen. Es gibt in Europa – wir müssen nicht immer über den großen Teich schauen – durchaus Länder wie Dänemark mit seinen Windkraftwerken, die uns zeigen, wie man auch umweltfreundlich Energie gewinnen kann. Das heißt, wenn wir wenigstens diese Anstöße für uns aufnehmen würden und dem konkrete Schritte folgen ließen, dann könnte man sagen, daß diese Klimakonferenz wenigstens für irgend etwas gut gewesen ist.

Der Herr Umweltminister, so entnehme ich den Zeitungen, war aber mit den Ergebnissen ziemlich zufrieden. Allerdings muß man sagen, er ist auch mit keinen großen Erwartungen hingegangen. Wenn ich irgendwohin nicht mit großen Erwartungen gehe, dann freut mich schon jede Kleinigkeit, die ich zusätzlich erreicht habe. Denn eines muß man schon sagen: Die Entwicklungsländer wollen sich nicht in die Pflicht nehmen lassen, aber die sind auch mitverantwortlich. Es wird nicht genügen, zu sagen, wir helfen ihnen bei umweltfreundlichen Projekten, dafür treiben wir Handel mit den Emissionen, aber wir lassen uns auch noch auf keinen Zeitplan ein, wann, wie solche Reduktionen erreicht werden können. Ich glaube auch, daß ein Handel nicht der richtige Weg ist. Die Gefahr, daß Schlupflöcher genützt werden, ist einfach zu groß.

Ich glaube auch nicht, daß wir es uns leisten können, das von Jahr zu Jahr zu verschieben. Jetzt sagt man, konkrete Schritte wird man erst bei der nächsten Klimakonferenz, die wahrscheinlich im Jahr 2000 stattfinden wird, setzen können.

Tatsache ist, daß wir nach diesem sehr kleinen bis null Ergebnis, das der Herr Umweltminister aus Buenos Aires mitgebracht hat, trotzdem sehen werden, was all diese Absichtserklärungen wert waren, nämlich dann, wenn die nächste Klimakonferenz stattfinden wird. Wenn dort allerdings die Ergebnisse wieder nicht konkret sind, sondern das wieder nur eine Wunschliste mit vielen ungeklärten Punkten ist, dann haben die bisherigen Konferenzen leider nur zur Lufterwärmung beigetragen und zu sonst nichts. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.03

Präsident Alfred Gerstl: Als nächster zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Minister.

14.03

Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Es ist völlig richtig, daß der eigentliche Tagesordnungsgegenstand ein rein formaler ist, der mit der Trennung der Tschechoslowakei in zwei Teile und mit der Aufnahme von Ländern zu tun hat, die zum Teil seitens des Generalsekretariates der UNO einfach vergessen wurden. Ich bin aber sehr froh, daß der Bundesrat heute die Gelegenheit wahrnimmt, einige Tage nach dem Schluß der COP 4, der 4. Vertragsstaatenkonferenz unter der Klimakonvention, zum Thema Klimaschutz Stellung zu nehmen, und ich mich an dieser Debatte beteiligen darf.

Ein Nullergebnis, Frau Bundesrätin Mühlwerth, war es nicht. Wenn Sie sagen, ich bin mit dem Ergebnis zufrieden, so haben Sie die Einschränkung indirekt schon angebracht, nämlich meine realistische Erwartungshaltung im Hinblick auf die eingeschränkten Erwartungshaltungen überhaupt. Bin ich mit dem Ergebnis zufrieden? – Es gibt einige Punkte, die besser gelaufen sind, als zu hoffen gewesen ist, nämlich insbesondere die klaren Regeln für Kontrollmechanismen. Da hat sich die Europäische Union vor allem gegenüber den USA, aber auch den Entwicklungsländern durchsetzen können. Wir wollen ein umfassendes Kontrollregime, nicht nur auf einzelne Teile des Kyoto-Protokolls abgestimmt, sondern umfassend, nachvollziehbar. Wir haben es als Europäische Union vor allem erstmals geschafft, den Amerikanern ein Bekenntnis zu Politiken


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 83

und Maßnahmen abzuringen – etwas, was zur Erreichung von Klimaschutzzielen unabdingbar ist.

Um zu demonstrieren, wovor die Amerikaner da Sorge haben: Noch in Pressekonferenzen während der letzten Verhandlungswoche in Buenos Aires wurde das von der amerikanischen Delegation schlicht als anderer Begriff "for energy-taxes" bezeichnet – was zum Teil stimmt, zum Teil aber auch nicht. Ökologisierung des Steuersystems, Energiesteuern sind ein Teil dessen, was wir brauchen, um Klimaschutz zu betreiben, aber nur ein Teil dessen. Man soll das nicht überbewerten, sonst schadet man der Sache auch politisch.

Es ist auch nicht ganz nachvollziehbar, daß man Dänemark jetzt als Eldorado des Klimaschutzes betrachtet. Meine Damen und Herren! Ich gestehe Ihnen zu, daß in Dänemark in den Bereichen Windenergie und Aufbau einer Industrie sehr viel Gutes erreicht wurde – jedes zweite Windrad, das in der Welt installiert wird, kommt aus Dänemark, einige tausend Jobs konnten dort geschaffen werden –, und ich sehe da durchaus eine Querverweismöglichkeit auf Österreich, wenn wir in den nächsten Jahren aus der Biomasse das machen, was die Dänen aus ihrer Windkraft gemacht haben. Sie haben den Örvesund, sie haben das Meer, sie haben den Wind – wir haben 10 Millionen Festmeter, die ungeerntet in unseren Wäldern Jahr für Jahr stehenbleiben. Das ist ein Klimaschutzansatz, ein energiepolitischer Ansatz und vor allem auch ein, wenn man so will, arbeitsmarktpolitischer Ansatz, der Sinn macht, der für unsere Bauern auch neue Beschäftigungs- und neue Ertragsmöglichkeiten schafft.

Aber – deswegen mein Einwand, Frau Bundesrätin –: Österreich hat eine Pro-Kopf-CO2-Ausstoßrate von etwa 8 Tonnen, die Dänen eine solche von rund 12 Tonnen. Lassen wir die Dänen einmal ruhig vernünftige Energiepolitik betreiben, bis sie auf unser Niveau heruntergekommen sind, und dann fühlen wir uns mit ihnen gleichwertig. Bis dahin, so meine ich, haben wir klar die Nase vorne, denn wir Österreicher haben aus der Wasserkraft Nutzen gezogen. Aufgrund des hohen Einsatzes von Biomasse beziehen wir rund ein Viertel – es ist sogar etwas mehr, es sind rund 27 Prozent – unseres Primärenergiebedarfs aus dem Titel Biomasse und aus dem Titel erneuerbare Energieträger. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Was die Einbindung von Entwicklungsländern betrifft – jetzt wieder der Blick nach Buenos Aires –, so steht die Europäische Union, die in Buenos Aires zu vertreten und zu führen ich nicht nur die Ehre, sondern auch die Verpflichtung hatte – es ist dies eine Mischung aus Würde und Bürde, mit durchgearbeiteten Nachtsitzungen und dergleichen mehr –, auf dem Standpunkt, die Industrieländer müssen jetzt einmal die Führungsrolle übernehmen und Klimaschutz betreiben. Die Amerikaner sind mit einem Anteil von nur einem Fünfundzwanzigstel der Weltbevölkerung – 4 Prozent – für mehr als 20 Prozent, also für mehr als ein Fünftel, der Treibhausgase verantwortlich. Auch wir Europäer liegen mit durchschnittlich 10 Tonnen pro Kopf und Jahr bei etwa dem Fünffachen dessen, was 1,2 Milliarden Chinesen pro Kopf und Jahr verbrauchen können.

Die Probleme, die heute auf der Welt in Sachen Treibhauseffekt da sind, stammen also zum allergrößten Teil von den Industrieländern. Daher haben wir die Hauptverantwortung.

Natürlich stimmt es, daß à la longue und mittelfristig die Entwicklungsländer an Bord kommen müssen. Natürlich stimmt es, daß eine globale Antwort auf ein globales Problem gefunden werden muß, wobei ich insgesamt meine, daß das Klimaschutzproblem das bei weitem relevanteste Umweltschutzproblem der Welt ist, und das wird uns in den nächsten Jahrzehnten zu nicht mehr, aber auch zu nicht weniger bringen müssen, als unsere gesamte Energiebewirtschaftung, die wir in den letzten 200 Jahren aufgebaut haben, grundlegend zu ändern. Wir müssen uns weitgehend von fossilen Energieträgern verabschieden und müssen Technologien und Marktmechanismen entwickeln, um Energie direkt aus der Sonne zu verwenden.

Ich kann Sie beruhigen: Es ist mehr als genug Sonnenenergie da. Alleine das, was an Sonnenenergie auf die Insel Korsika einstrahlt, reicht aus, um die gesamte Menschheit, um die gesamte Welt mit Energie zu versorgen. Man muß nur die entsprechenden Technologien dazu ent


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 84

wickeln, und wir sind auf gutem Wege dorthin. So gesehen wird es also noch einige Zeit dauern, bis die Entwicklungsländer an Bord kommen.

Meine Damen und Herren! Die Klimaschutzkonvention ist eine UNO-Konvention. Es sind 185 Staaten zu einem Konsens zu bringen. Da reicht es nicht alleine, die Europäische Union zu einem Konsens zu bringen, sondern über jahrelange aufwendigste Verhandlungsprozesse ist ein Konsens von 185 Staaten, darunter 145 Entwicklungsländern, herbeizuführen. Das ist nicht so einfach, und auch im Lichte dieser Erwartungshaltung war Buenos Aires ein relativer Erfolg.

Herr Bundesrat Leichtfried! Sie haben völlig recht: 5 Prozent werden à la longue zuwenig sein, viel zuwenig. Ganz im Gegenteil: Die Industrieländer wissen, daß sie innerhalb der nächsten, sagen wir, 50 Jahre etwa zwei Drittel ihres derzeitigen Energieverbrauchs einschränken müssen, und zwar entweder durch Umstieg oder durch Einsparung. Von den Techniken, wonach Kohlendioxidüberschüsse in den Ozeanen oder in Bohrlöchern von Erdölquellen entsorgt werden können, lese ich immer nur, aber das ist, so glaube ich, bis jetzt reine Theorie. Diese zwei Schienen gibt es, die zu beschreiten sind, aber der Weg wird ein mühevoller werden.

Es war ein durchschlagender Erfolg in Kyoto, gerade von den Amerikanern, aber auch von den Japanern diesen ersten Schritt zugesagt zu bekommen, diese minus 5 oder minus 5,2 Prozent. Es ist richtig, daß die Europäer mit der Erwartung von minus 15 Prozent hingefahren sind, es ist aber genauso richtig, daß die Amerikaner mit plus/minus 0 Prozent hingefahren sind. Wir haben uns zu minus 8 Prozent verpflichtet, die Amerikaner zu minus 7 Prozent, die Japaner nunmehr schon zu minus 6 Prozent.

Es war auch klar – die Frau Staatssekretärin als ehemalige hochrangige Mitarbeiterin der UNO kann das, denke ich, mehr als nur bestätigen –, daß wir nach Kyoto jetzt nicht innerhalb einiger Monate Verhandlungsprozeß diese innovativen, aber dann über Jahrzehnte bedeutungsvollen flexiblen Instrumente fertig entwickeln können. Wir beschreiten da völliges Neuland. "Trading" und "CDM" und "Joint-implementation" – das klingt alles sehr gut, aber mehr als die Überschriften davon hat man in Kyoto nicht gehabt. Man hat jetzt etwas mehr. Man hat auch etliche Punkte, bei denen zum Beispiel wir und die Amerikaner sagen: We agree to disagree – wir wissen, wo wir voneinander getrennt sind, insgesamt nämlich vor allem in der Ausnutzungsmöglichkeit dieser flexiblen Mechanismen.

Wir Europäer sind der Auffassung, wir haben zuerst einmal Klimaschutz als Hausaufgabe zu sehen. Flexible Mechanismen dürfen nur ergänzend zu Hausaufgaben, zur "domestic action" verwendet werden, die Amerikaner möchten da völlig frei sein. Da gibt es dann wunderschöne Lippenbekenntnisse, wonach die Amerikaner aus markttechnischen Gründen keine Obergrenzen wünschen, aber insgesamt natürlich auch vor allem die Hausaufgaben machen wollen. Außerordentlich befremdlich ist es dann, wenn Briefe amerikanischer Industriekreise an den amerikanischen Chefverhandler Stewart Eisenstatt in Buenos Aires auftauchen, die besagen, daß die amerikanische Industrie davon ausgeht, daß 80 bis 90 Prozent der Klimaschutzmaßnahmen extern, also woanders, gemacht werden.

Warum sind wir Europäer der Auffassung, daß wir zuerst unsere Hausaufgaben machen sollen? – Das ist nicht ausschließlich europäischer Selbstzweck, sondern das läuft auch darauf hinaus, daß wir uns in dieser Frage solidarisch und loyal mit den Entwicklungsländern zeigen. Die werden niemals mitgehen bei einem Konzept, bei dem sie wiederum die Lasten des Klimaschutzes tragen müssen, während auf der anderen Seite die USA weiterhin ihre CO2-Emissionen und die anderen Treibhausgase erhöhen.

Wir Europäer sind relativ gut unterwegs. Wir können der prinzipiellen Verpflichtung der Klimaschutzkonvention, § 4 Abs. 2a und b – ich kenne das seit der vergangenen Woche tatsächlich auswendig, auch im Schlaf, im Notfall auch im Traum –, nachkommen. Wir können die Stabilisierungsvorgaben, bis zum Jahre 2000 auf unseren 1990-Niveaus zu verbleiben, im großen und ganzen mit plus/minus erfüllen, die Amerikaner hingegen liegen nach den derzeitigen Projektionen bei weitem darüber, nämlich zwischen plus 10 und plus 13 Prozent.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 85

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich doch im Rahmen dieser Debatte gesagt haben.

Es ist leider Gottes nicht richtig, Herr Bundesrat Leichtfried, daß die Amerikaner schon ratifiziert hätten – davon sind sie noch weit entfernt. Sie haben unterschrieben  – das war spät, aber doch. Wir Europäer hatten schon im März unterschrieben, am Rande der "Commission on Sustainable Development" in New York, die Amerikaner haben das jetzt getan. Es haben bisher erst zwei Länder, darunter die Fidschi-Inseln, ratifiziert – kein Wunder, sind doch die Inselstaaten, aber auch Bangladesch und Florida von einer der Auswirkungen des Klimawandels und des Treibhauseffektes betroffen, nämlich dem steigenden Meeresspiegel: Wenn der Meeresspiegel um 50 Zentimeter steigt, ist etwa die Hälfte Bangladeschs überflutet, nämlich vom Meer her; Überflutungen von anderer Seite müssen die dortigen Bürger oft genug zur Kenntnis nehmen.

Ein Letztes, meine Damen und Herren: Ich werde ein Maßnahmenkonzept im Sinne eines Optionenberichtes zum Datum Ende März vorlegen – wir haben uns diesen Zeitpunkt jedenfalls vorgenommen –, um dann letztlich – der Umweltminister kann das nicht allein machen, dazu bräuchte ich ein bißchen mehr Kompetenzen, als ich habe; es wird eine gemeinsame Kraftanstrengung brauchen – festzulegen, mit welchen Maßnahmen wir gedenken, dieses Kyoto-Ziel zu erreichen.

Wir müssen es aber auch nicht alleine erreichen. Es wird vieler Maßnahmen auf Ebene der Europäischen Union bedürfen, die auch zu diesem Ziel beitragen. Ich darf Sie davon informieren, daß die unter österreichischer Präsidentschaft abgeschlossene Vereinbarung mit der europäischen Automobilindustrie, bis zum Jahre 2008 das 6-Liter-Auto zu haben – minus 25 Prozent Treibstoffeinsparung –, mit etwa 15 Prozent zum Kyoto-Ziel bereits beiträgt, also das erste Siebtel gewissermaßen heimgebracht hat.

Ich werde aber selbstverständlich, nachdem ich vom Hohen Haus durch Entschließungsanträge und anderes beauftragt bin, nachdem es hier einer Position der Bundesregierung gibt, zusätzlich zum Kyoto-Ziel dann auch diejenigen Optionen für Maßnahmen vorschlagen, die zur Erreichung des Toronto-Zieles, der nationalen Selbstverpflichtung gelten, und es wird sich dann weisen, ob Parlament und Bundesregierung ein Maßnahmenpaket mittragen, das es uns dann auch gestattet, das Toronto-Ziel zu erreichen.

Das ist aus heutiger Sicht sicherlich nur mehr sehr schwer erreichbar, aber ich fühle mich hier gehalten an die Vorgaben des Parlaments und werde daher von mir aus dieses Toronto-Ziel als nationale Selbstverpflichtung sicherlich nicht aufgeben, nein, ich werde im Rahmen dieses Optionenberichtes auch gewissermaßen eine zweite Stufe von Maßnahmen vorlegen, die – jedenfalls theoretisch – die Erreichung dieses Zieles gestatten würden.

Herr Präsident! Ich danke Ihnen für die Erteilung des Wortes. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.17

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 86

Ferner bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates, gemäß Artikel 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz den gegenständlichen Staatsvertrag durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

15. Punkt

Außenpolitischer Bericht der Bundesregierung über das Jahr 1997 (III-179/BR und 5809/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zu Punkt 15 der Tagesordnung: Außenpolitischer Bericht der Bundesregierung über das Jahr 1997.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Dipl.-Ing. Hannes Missethon: Frau Staatssekretärin! Herr Präsident! Der Ausschußbericht über den Außenpolitischen Bericht 1997 der Bundesregierung liegt in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zum Antrag.

Der Außenpolitische Ausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Präsident Alfred Gerstl: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile es ihm.

14.19

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Eigentlich müßte bei der Debatte über den Außenpolitischen Bericht auch der Herr Bundeskanzler oder dessen Staatssekretär hier anwesend sein, denn wenn man die Politik unserer Regierung in den letzten Monaten beobachtet, ist es nie ganz klar, wer von diesen beiden jetzt eigentlich die Außenpolitik unserer Republik macht.

Wir debattieren heute den Außenpolitischen Bericht unserer Regierung. Wir lesen darin über Nordafrika, den Nahen Osten, die Sahara, Nordamerika, die Karibik und so weiter – meine Damen und Herren, lauter ehrenwerte Regionen unseres Planeten, in denen unsere Republik segensreich tätig ist; so können wir das dem Bericht entnehmen.

Widersprüchlicher allerdings wird es in den näheren Bereichen der Außenpolitik, konkret gesagt: auf europäischer Ebene. Hier, meine Damen und Herren, glaubt man sich, wenn man den Bericht liest und die Politik unserer Bundesregierung beobachtet, in einem fiktiven Roman. Meine Damen und Herren! Hier, so scheint es, hat man es mit ein wenig Science-fiction zu tun.

"Krise und Integration", so wird dieses Kapitel von der Regierung, namentlich vom Herrn Außenminister, übertitelt. Mit diesen Begriffen gibt die Bundesregierung eine Selbstdefinition ab. Was die Bundesregierung, meine Damen und Herren, vor dem Beitritt zur Europäischen Union versprochen hat und was heute Realität ist, was der Herr Bundeskanzler sagt, meine Damen und Herren, und der Herr Außenminister tut, was die Bundesregierung vorgibt und was verfassungsmäßige Realität ist, widerspricht sich grundsätzlich und permanent.

Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat uns in der letzten Zeit viele Stichworte gerade zur europäischen Außenpolitik geliefert, an denen man als Oppositionspolitiker nicht kommentarlos vorbeigehen kann. Ich darf Sie an einiges in Ihrer Politik erinnern.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 87

Da haben wir zum einen die Klage gegen unsere Brenner-Maut. Ich darf in Erinnerung rufen, daß vor dem Beitritt zur Europäischen Union und der dazu abgehaltenen Abstimmung der Transitvertrag vom damaligen Verkehrsminister Viktor Klima und vom Landeshauptmann von Tirol als die Lösung der Transitproblematik im Bereich Tirols verkauft worden ist. In der Zwischenzeit wissen wir, daß mit diesem Transitvertrag und mit der Verkehrspolitik der Europäischen Union die Problematik im Transitbereich über die Alpen erst so richtig gewachsen ist.

Sie wissen, meine Damen und Herren der Regierung, daß es Ihnen mit der Anonymität der Sparbücher genauso ergehen wird wie mit der Brenner-Maut. Sie werden nicht halten können, was Sie in diesen Bereichen der Bevölkerung versprochen haben.

Meine Damen und Herren! Sie haben hinsichtlich Ihrer europäischen Politik auch einige verblüffende Richtungsänderungen hinter sich. Ich denke nur an das Thema Arbeitslosigkeit. Die 250 000 bis 300 000 Arbeitslosen in Österreich und die 18 bis 20 Millionen Arbeitslosen auf europäischer Ebene haben die österreichische Bundesregierung und die Regierungen der anderen Mitgliedsstaaten der EU dazu veranlaßt, sich dieses Themas endlich anzunehmen. Sie haben im April dieses Jahres den sogenannten Nationalen Aktionsplan beschlossen, und die anderen Regierungen innerhalb der EU haben dasselbe getan. Diese Regierungen haben sich dann beim Gipfel in Cardiff gegenseitig auf die Schultern geklopft für diese Nationalen Aktionspläne. Daß aufgrund dieser Regelungen aber auch nur ein Arbeitsloser innerhalb der Europäischen Union einen Arbeitsplatz bekommen hat, meine Damen und Herren, den Beweis dafür sind Sie schuldig geblieben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren der Regierung! Diese Aktionspläne sollen den Menschen in Europa vormachen, daß die EU oder irgendeine nationale Regierung quasi Arbeitsplätze verordnen kann.

Sie haben auch eine seltsame Änderung Ihrer europäischen Politik im Bereich der Forderung nach Senkung der Mitgliedsbeiträge hinter sich. Ich darf Sie noch auf die diesbezügliche Polemik gegen uns Freiheitliche erinnern, als wir diese Vorschläge gebracht haben, als wir diese Forderungen erhoben haben: Da sagten Sie noch, das sei eine billige populistische Aussage von Oppositionspolitikern. Derzeit schaut es allerdings anders aus. Derzeit, meine Damen und Herren, scheint das wieder modern geworden zu sein. Weil nationale Wahlen ins Haus stehen, ist plötzlich auch der Bundeskanzler der Republik Österreich dafür.

Seltsamerweise wird auch die Subsidiarität verlangt. Plötzlich entdecken Sie den Bürger der Europäischen Union, und plötzlich entdecken die Regierungen, daß man auch für die Bürgernähe hinsichtlich der Institutionen und ihrer Reform politisch etwas tun muß. Aber dieses Thema war dem Bundeskanzler für den Gipfel von Pörtschach zu wenig reißerisch. Es wurde deshalb dort auch nur in Ansätzen bis gar nicht behandelt.

Ein wesentlicher Bereich ist auch die EU-Osterweiterung. Wir konnten dieses Thema hier im Bundesrat anläßlich von dringlichen Anfragen und Debattenbeiträgen schon des öfteren mit Ihnen diskutieren. Sie verlangen die Osterweiterung zu übereilt, Sie beachten nicht die Probleme auf dem Arbeitsmarkt in den grenznahen Gebieten, Sie beachten nicht die Probleme der kleinen und mittleren Unternehmer, und Sie verweigern das Erkennen der unkontrollierten Wanderungsbewegungen nach dem Beitritt dieser osteuropäischen Länder.

Sie betreiben nach wie vor übereilt die Wirtschafts- und Währungsunion. Sie gehen in den Euro, ohne daß die Konvergenzkriterien der Staaten, die dort mitmachen, wirklich und ehrlich erfüllt werden.

Daneben, meine Damen und Herren der Bundesregierung, verlangen Sie für Grenzregionen Förderungen nach dem Beitritt dieser mittel- und osteuropäischen Länder. Sie wissen aber ganz genau, daß es diese Förderungen für diese Regionen Österreichs nicht geben wird.

Meine Damen und Herren! Europäische Politik muß nach unserem Dafürhalten eine ehrliche Politik für die Bürger sein – und nicht für die EU-Institutionen. Die Zustimmung der Menschen unseres Landes ist wichtiger als das Schulterklopfen einiger EU-Bürokraten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 88

Die Widersprüche unserer Bundesregierung, meine Damen und Herren, wie ich sie hier skizziert habe, verwandeln sich allerdings in fahrlässige Klüfte, wenn es um die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik geht. Das, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, ist nach wie vor Ihr Meisterstück. Ich habe nach dem Gipfel von Cardiff, der im Frühjahr dieses Jahres stattgefunden hat, ganz überrascht gelesen, daß nicht nur der Herr Bundeskanzler, sondern auch der Herr Außenminister eine schlagkräftigere Union in den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik verlangt haben.

Ich habe diese Einigkeit innerhalb der Regierungsparteien mit Freude aufgenommen. Ich wurde jedoch wieder auf den Boden der österreichischen Realität zurückgeholt, als bald darauf ein sogenannter NATO-Workshop hier in Österreich stattgefunden hat und sich unser Herr Außenminister damals richtigerweise zur Aussage verpflichtet gefühlt hat, daß in Hinkunft die Solidarität wohl vor der Neutralität kommen müsse.

Das, meine Damen und Herren, hat damals wiederum unseren Bundeskanzler dazu veranlaßt, ihm in den Rücken zu fallen und zu erklären: Wenn sich die NATO verändert im Sinne einer friedenserhaltenden und friedensschaffenden Organisation, ohne Nuklearwaffen und ohne diese Beistandspflicht, wie sich Viktor Klima ausgedrückt hat, die uns zwingen könnte, zum Beispiel in der Türkei unsere Soldaten einzusetzen, dann sind wir jederzeit gesprächsbereit.

Das, meine Damen und Herren, war eine staatspolitische Meisterleistung unseres Herrn Bundeskanzlers, und sie wurde von der Presse auch treffend kommentiert: als unlogisch, widersprüchlich und grenzenlos naiv. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Widerspruch bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Das war allerdings zu diesem Thema noch nicht der Höhepunkt, denn es kam nach dem Gipfel von Cardiff auch noch der Gipfel von Pörtschach, und – wir sollten uns alle darauf freuen – es wird noch einen Gipfel in Wien geben. Das, meine Damen und Herren, wird, wenn man den Aussagen der Bundesregierung glaubt, der Gipfel schlechthin werden.

Aber Pörtschach war auch im Hinblick auf die Sicherheitpolitik ausreichend interessant. Im Rahmen des Gipfels von Pörtschach hat Bundeskanzler Klima erfreut gemeint, daß es nunmehr im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik innerhalb der EU eine neue Dynamik gebe, ja geradezu eine Bewegung entstanden sei, die von London ihren Ausgang genommen habe. Laut Premierminister Blair, der dort einen vielbeachteten Vortrag gehalten hat, sei die gegenwärtige Situation in der Außen- und Sicherheitspolitik inakzeptabel und von Schwäche und Durcheinander geprägt. – So Tony Blair. Zum Thema Verteidigung sprach er mehrere Optionen an, insbesondere eine Verstärkung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität innerhalb der NATO, die Auflösung der WEU und ihre Integration in die EU. Außerdem forderte Blair eine moderne und flexiblere europäische Armee.

Ob dem Premierminister seiner Majestät auch sein Freund Viktor zugestimmt hat, ist uns bislang unbekannt, meine Damen und Herren! Die Lösung allerdings, wie der Herr Bundeskanzler NATO, Neutralität, EU und unsere langsam verrostenden Streitkräfte in Einklang bringen wird, diese Lösung ist er uns bislang schuldig geblieben.

Meine Damen und Herren! All das sind Indizien für eine schlechte Entwicklung in der österreichischen Außenpolitik, vor allem aber auch auf der wichtigsten Ebene, der europäischen Ebene. Zurückzuführen ist das auf einen fehlenden Konsens innerhalb der Bundesregierung und auch auf das Fehlen einer klaren Konzeption in der Staats-, Außen- und Sicherheitspolitik. Wir Freiheitlichen werden deshalb diesen Bericht nicht zustimmend zur Kenntnis nehmen.

14.30

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Karl Drochter. – Bitte.

14.31

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Den Aussagen des Kollegen Bösch, die "sehr staatstragend" waren, möchte ich nichts hinzufügen. Es kommt eben immer darauf an, aus


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 89

welcher Perspektive man ein Thema wahrnimmt. Hier könnte man sicherlich den einen oder anderen Vergleich anstellen, aber ich glaube, die Frau Staatssekretär wird die Ausführungen von der richtigen Perspektive aus schon wieder ins Lot bringen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Frau Prammer würde Sie darauf hinweisen, daß das Staatssekretärin heißt!)

Wenn man einen Purzelbaum macht, Frau Bundesrätin, kann man auf den Kopf, kann man auf den Hintern fallen. Es gibt eine Vogelperspektive, es gibt auch eine Froschperspektive. Ich überlasse es Ihnen, wo Sie sich selbst einordnen.

Nun einige Anmerkungen meinerseits zum Außenpolitischen Bericht: Die alljährliche Veröffentlichung des Außenpolitischen Berichtes ist nicht nur ein Anlaß, über die im Vordergrund der Außenpolitik stehenden Probleme Bilanz zu ziehen – das hat vor mir schon Kollege Bösch versucht –, sondern bietet auch die Möglichkeit, zu einigen weniger im Lichte der Öffentlichkeit stehenden Materien Stellung zu nehmen.

Eines der zu Unrecht zu wenig beachteten Themen ist die Umsetzung der Beschlüsse des Weltsozialgipfels von Kopenhagen 1995, dem der Außenpolitische Bericht einen Abschnitt unter dem Titel "Weltweite Sozialpolitik" widmet.

In Österreich, aber auch in großen Teilen der Europäischen Union hat sich mittlerweile die Auffassung durchgesetzt, daß aktive Beschäftigungspolitik im Zentrum der Wirtschafts- und Steuerpolitik stehen muß und daß wirtschaftliches Wachstum durch eine tiefgreifende soziale und ökologische Dimension abgesichert werden muß.

Mit der politischen Umsetzung dieser Überzeugung leisten wir gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung der Beschlüsse des Weltsozialgipfels. Wir machen dadurch aber ebenso deutlich, daß Beschäftigungspolitik und qualifiziertes wirtschaftliches Wachstum heute nicht mehr nur in einem nationalen Rahmen verstanden werden können. Selbst eine ausschließlich auf Europa bezogene Wirtschaftspolitik würde angesichts der rasch vor sich gehenden Globalisierung meiner Meinung nach zu kurz greifen.

Wohlstand kann auf Dauer nicht nur in einigen wenigen Ländern, nicht nur in einer Festung Europa oder im Bereich der OECD allein gesichert werden. Vielmehr ist es notwendig, die sozialen Probleme überall auf der Welt einer Lösung zumindest näherzubringen. Dies geht über den Bereich der weltweiten Sozialpolitik im klassischen Sinne freilich weit hinaus. Wir brauchen daher eine soziale Umgestaltung der derzeit vorherrschenden Wirtschafts- und Währungspolitik, wie sie etwa die weltweite Gewerkschaftsbewegung, auch der ÖGB und die Arbeiterkammern, seit Jahren vehement fordern.

Dazu einige Denkansätze: Das Bekenntnis zur weltweiten Weiterentwicklung und Verwirklichung der Menschen- und Gewerkschaftsrechte darf nicht länger ein Lippenbekenntnis bleiben. Nach wie vor sind wir mit der Tatsache konfrontiert, daß engagierte Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, aber auch Vertreter von demokratischen Parteien, sozialen Bewegungen oder nationalen Minderheiten zu Opfern von Verfolgung und Gewalt werden, wenn ihre Tätigkeit etablierte politische oder wirtschaftliche Interessen in Frage stellt.

Hier muß es rasch zu Veränderungen und zu Taten kommen. Verbindliche Verhaltensnormen für multinationale Konzerne müssen verabschiedet werden, die wichtigsten von der Internationalen Arbeitsorganisation anerkannten Sozialstandards müssen endlich als wesentliche Bestandteile in den WTO-Vertrag eingebaut werden. Die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen müssen international zur Rechenschaft gezogen werden. Das gilt bereits für Kriegsverbrecher aus Bosnien-Herzegowina oder Ruanda, und das muß, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch für Herrn Pinochet aus Chile gelten.

Wir sind weiters mit der Tatsache konfrontiert, daß makroökonomische Strategien den Spielraum für Beschäftigungs- und Sozialpolitik auf nationaler und internationaler Ebene immer stärker einengen. Als Folge der berüchtigten Strukturanpassungsprogramme der internationalen Finanzinstitutionen ist zwar in vielen Ländern die Inflation gesenkt und ein Großteil der Wirt


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 90

schaft privatisiert, zugleich aber auch die Arbeitslosenrate mit ihren negativen sozialen Folgen dramatisch erhöht worden. Armut und Unterentwicklung haben weltweit zugenommen.

In einer Studie der Europäischen Gewerkschaftsbewegung ist man erst vor kurzem zu der erschreckenden Feststellung gekommen, daß etwa in vielen Ländern Afrikas die Bildungs- und Gesundheitssysteme weitgehend unfinanzierbar geworden sind und im Gegenzug das Ausmaß der Kinderarbeit dramatisch gestiegen ist. Eines von drei Kindern in Afrika ist heute bereits von Kinderarbeit betroffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Staatssekretärin! Mit Interesse habe ich daher das Ergebnis einer im Zeichen der österreichischen Ratspräsidentschaft abgehaltenen Konferenz von Parlamentariern und regierungsunabhängigen Organisationen aus der Europäischen Union und den Ländern des südlichen Afrika zur Kenntnis genommen, die vor wenigen Wochen hier im Hohen Haus stattgefunden hat, eine Konferenz, deren Teilnehmer vehement von der EU-Kommission gefordert haben, sozial- und wirtschaftspolitische Gesichtspunkte stärker als bisher in die Gestaltung der außenwirtschaftlichen Beziehung der Gemeinschaft einfließen zu lassen. Dies betrifft die derzeit laufenden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit Südafrika ebenso wie die bevorstehende Neugestaltung der Lomé-Verträge.

Hier müssen klare Maßnahmen getroffen werden, die eine Bekämpfung der Wurzel von Armut und Unterentwicklung ermöglichen. Auch darin läge ein wesentlicher Beitrag zur Umsetzung der Anliegen des Weltsozialgipfels.

Der vorliegende Außenpolitische Bericht enthält auch in geraffter Form ein Kapitel zur österreichischen Entwicklungspolitik. Dabei ist positiv hervorzuheben, daß Österreich im Jahre 1997 einen wesentlichen Schritt zur Verwirklichung seiner beim Weltsozialgipfel übernommenen Verpflichtungen gemacht hat, nämlich in Form des vom Parlament beschlossenen Schuldennachlasses für einige der ärmsten Entwicklungsländer.

Diese Maßnahmen, die zum Teil auch Forderungen zahlreicher entwicklungspolitischer Organisationen in Österreich selbst gewesen sind, haben viel zur besseren Stellung unseres Landes im internationalen Bereich beigetragen und sollten durch weitere Maßnahmen auf nationaler und multilateraler Ebene weitergeführt werden. Daß das Ganze nicht anstelle von, sondern zusätzlich zum Bereich der bilateralen Projekte und Programmhilfen geschehen sollte, ist für mich – und ich glaube auch für Sie, sehr geehrte Frau Staatssekretärin – selbstverständlich.

Maßnahmen einer globalen Sozialpolitik und einer verstärkten entwicklungspolitischen Gestaltung von Handels-, Kredit- und Investitionsverträgen bedeuten letztendlich nichts anderes als die Umsetzung der Erklärung der Menschenrechte, deren 50jähriges Jubiläum wir in ihrer Gesamtheit in wenigen Tagen feiern. Artikel 26 der Charta der Menschenrechte spricht vom Recht aller Menschen auf die Gestaltung einer wirtschaftlichen und politischen Ordnung, die ihnen ein menschenwürdiges Leben sichert.

Soziale Rechte sind demnach ein unverzichtbarer Bestandteil jeder modernen Menschenrechtskultur, und durch die Gestaltung der nationalen und internationalen Rahmenbedingungen sind wir auch als Österreicherinnen und Österreicher dazu aufgerufen, sich daran aktiv zu beteiligen und mitzuwirken.

Wir werden daher dem Außenpolitischen Bericht über das Jahr 1997 gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.40

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. – Bitte.

14.41

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte, liebe Frau Staatssekretärin! (Bundesrat Mag. Gudenus: "liebe"?)  – Ja, warum nicht? Stimmt ja auch. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Darf ich auch sagen: Liebe Kolleginnen und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 91

Kollegen – mit Erlaubnis vom John? (Bundesrat Prähauser: Soviel Freiheit ist gestattet!) – Kein Problem, in Ordnung.

Der Außenpolitische Bericht 1997 behandelt zentrale Themen der österreichischen Außenpolitik, die auch für das zu Ende gehende Jahr 1998 von Bedeutung sind. Denn Außenpolitik ist nicht Tagespolitik, sondern wesentlich vom Gebot der Kontinuität geprägt. Ein Schwerpunkt des Außenpolitischen Berichtes war der Vorbereitung Österreichs auf die EU-Präsidentschaft und den damit zusammenhängenden Problemen gewidmet.

Unser Land hat als erstes der drei neuen EU-Mitgliedstaaten diese verantwortungsvolle EU-Führungsrolle übernommen. Es war von vornherein klar, daß die Präsidentschaft in eine schwierige Periode fallen würde, in der mit bekannten Krisenherden, wie dem Kosovo, dem Irak, dem Nahen Osten, aber auch mit unvorhersehbaren Problemen in verschiedenen Teilen der Welt zu rechnen wäre.

Im Inneren ist die Gemeinschaft mit der Arbeit an der Agenda 2000 für ein neues, tiefgreifendes Reformprogramm beschäftigt und muß sich mit dem Management der Erweiterung und auf Sicht auch mit entscheidenden institutionellen Reformen befassen. Fortschritte in diesen schwierigen Bereichen wurden durch Wahlen in wichtigen Mitgliedstaaten erschwert und verzögert. Noch ist es für eine Bilanz der österreichischen Präsidentschaft zu früh. Dennoch haben wir schon einiges erreicht, wenngleich erst nach dem Europäischen Rat in Wien eine abschließende Bewertung möglich sein wird. Das bisherige internationale Echo war insgesamt überwiegend positiv und selbst ursprünglich kritisierte Vorhaben – wobei die mediale Kritik aus Österreich stets weitaus heftiger als die internationale Bewertung war – wie etwa das Migrationspapier des Innenministeriums, das Treffen der EU-Verteidigungsminister und der informelle Gipfel von Pörtschach haben sich nachträglich als Erfolg und Beitrag zur Dynamisierung der Diskussion in diesen Bereichen erwiesen.

Das kommt der internationalen Stellung unseres Landes und damit indirekt der gesamten österreichischen Bevölkerung zugute. Es wäre kleinlich, diesen Nutzen an organisatorischen Äußerlichkeiten, wie sie international üblich sind, messen zu wollen, wie dies Teile der Opposition versuchen.

Der Beginn des Präsidentschaftshalbjahres mit Besuchen des Außenministers und der Frau Staatssekretärin in den Hauptstädten der Mitgliedstaaten diente der Erläuterung des Präsidentschaftsprogrammes und seiner Schwerpunkte.

Darüber hinaus haben Außenminister und Staatssekretärin erstmals zu Beginn der Präsidentschaft auch die Beitrittskandidaten besucht, um auch ihnen das Präsidentschaftsprogramm vorzustellen und ihre Meinung dazu einzuholen. Damit wurde das traditionelle österreichische Interesse an der Nachbarschaftspolitik und an der Heranführung dieser Länder an die EU unterstrichen.

Dem Außenminister ist es in der Folge gelungen, Widerstand in einigen EU-Mitgliedstaaten zu überwinden und die konkreten Beitrittsverhandlungen über zunächst sieben von insgesamt 31 Kapiteln des sogenannten Acquis, also des Rechtsbestandes der Gemeinschaft, mit den sechs Beitrittskandidaten der ersten Gruppe zu eröffnen.

Unser Land ist damit seiner geschichtlichen Verantwortung auch im eigenen Interesse des Exports von Sicherheit und Stabilität durch gute Nachbarschaft in Europa gerecht geworden. Denn so beeindruckend Bemühungen und Anstrengungen in verschiedensten Teilbereichen auch sein mögen, sie dürfen den Blick für das Ganze nicht verstellen.

Die EU ist in erster Linie ein Friedenswerk. Weltweit haben seit dem Jahre 1945 nach Schätzungen von Sicherheitsexperten über 200 Kriege und größere bewaffnete Konflikte stattgefunden – nicht so auf dem Gebiet der heutigen Europäischen Union. Deshalb liegt es im ureigensten österreichischen Interesse, dieses Friedenswerk weiterzuführen und zu erweitern. Deswegen müssen wir auch unsere näheren und fernen Nachbarn in die Europäische Union einbeziehen. Wer höhere Umweltstandards in ganz Europa möchte, den Kampf gegen das organisierte Verbrechen fördern will, Wirtschafts- und Währungsstabilität sucht und für Menschenrechte und


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 92

Minderheiten eintritt, der muß sich für eine richtig gemachte EU-Erweiterung einsetzen, um zu verhindern, daß aus Mittel- und Osteuropa Unsicherheit und Instabilität importiert werden.

Ein besonderes Interesse der österreichischen Präsidentschaft gilt Initiativen zum Schutz der Kinder. Dem österreichischen Ratsvorsitz ist es gelungen, praktisch Einigung über eine gemeinsame Maßnahme zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet zu erzielen. Diesem Zweck diente auch ein im Herbst dieses Jahres vom Außenministerium und vom Umweltministerium gemeinsam organisiertes Symposium, und für das Jahr 1999 wird dazu eine internationale Konferenz von Österreich, der EU und den USA in Aussicht genommen.

Der Außenminister hat die Forderung eines verstärkten weltweiten Schutzes von Kindern in seiner Rede vor den Vereinten Nationen als Ratspräsident besonders hervorgehoben. Im Rahmen der Vereinten Nationen wurden darüber hinaus gemeinsame EU-Standpunkte zu UN-Konventionen über transnational organisiertes Verbrechen und zu Fakultativprotokollen der UN-Kinderkonvention ausgearbeitet. Für das Jahr 1999 strebt die EU die Ausarbeitung einer ILO-Konvention über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit an. Mit diesen Anstrengungen soll der besonderen Bedeutung Rechnung getragen werden, die dem Schutz der heranwachsenden künftigen Generationen für unsere eigene Zukunft und die weitere Entwicklung der Welt zukommt.

Die Europäische Union trägt heute weltweit Verantwortung. Sie umfaßt den größten Binnenmarkt der Welt und wird mit Beginn nächsten Jahres durch die Währungsunion und den Euro weiter an Einfluß, aber auch an Verantwortung gewinnen. Die Europäische Union bestreitet derzeit ein Drittel des Welthandels, also mehr als die USA oder auch mehr als Japan. Auch im humanitären Bereich steht die EU weltweit an der Spitze. 60 Prozent der Mittel für die Entwicklungshilfe – weltweit! – und 80 Prozent der Mittel für internationale Hilfe, zum Beispiel für die Länder der ehemaligen Sowjetunion, kommen von der Europäischen Gemeinschaft.

Diese Hilfeleistung galt und gilt derzeit besonders dem Kosovo und seiner leidgeprüften Bevölkerung. Trotz engster Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten, den USA und Rußland konnte der Konflikt bis jetzt nicht gelöst werden. Es konnte aber immerhin eine weitere Eskalation und ein Übergreifen des Konfliktes auf benachbarte Staaten verhindert werden. Durch zähe, geduldige, oft frustrierende Bemühungen, entscheidend unterstützt durch die glaubwürdige Androhung von militärischen Maßnahmen der NATO, konnten Lösungsansätze geschaffen werden, die es nun zu nutzen gilt.

Zur Verhinderung weiterer Gewalttaten im Kosovo muß einerseits das serbische Regime des Präsidenten Milošević die übernommenen Verpflichtungen zum Rückzug der Streitkräfte und Sondereinheiten und zu Verhandlungen über den künftigen Status des Kosovo innerhalb der internationalen Grenzen vollinhaltlich erfüllen. Andererseits müssen sich die Kosovo-Albaner nun zu diesbezüglichen Verhandlungen mit den Serben zusammenfinden.

Die österreichische Präsidentschaft hat wesentlich zu dieser etwas hoffnungsvolleren Entwicklung beigetragen, nämlich durch ihre Mitarbeit in der Balkankontaktgruppe, durch die Einrichtung eines "Hauses der österreichischen Präsidentschaft" in Priština, durch die Ernennung eines EU-Sondergesandten in Gestalt des österreichischen Botschafters in Belgrad, durch die Aufstockung der "EU Monitoring Mission" und die Einrichtung der "Kosovo Diplomatic Observer Mission" sowie durch die entschlossene Beteiligung an der Kosovoverifikationsmission der OSZE.

Diese neue schwierige Aufgabe für die OSZE bedeutet gleichzeitig eine neuerliche Aufwertung dieser Organisation und damit auch eine Stärkung des internationalen Amtssitzes in Wien, um den sich besonders Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner bemüht und verdient gemacht hat. Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an die gelungene Ansiedlung der Organisation zur Überwachung eines umfassenden Kernwaffenteststopps in Wien.

Wesentlich ist jetzt für den Kosovo rasche und ungestörte Hilfe durch die humanitären Organisationen, um den Flüchtlingen vor dem Winter die Rückkehr in ihre Dörfer und den notdürftigen Wiederaufbau zu ermöglichen. Die Voraussetzungen dafür wurden geschaffen.

Österreich hat dazu einen 10-Punkte-Plan entwickelt und mit dem Projekt "Home" einen Anstoß für die Flüchtlingsrückkehr gegeben. Österreich hat auch während seines Vorsitzes humanitäre


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 93

Arbeitsgruppen in Genf und Belgrad eingerichtet. Eine der zahlreichen Lehren aus den Balkankonflikten der letzten Jahre, die im Außenpolitischen Bericht dargestellt sind, lautet: Zur Bewältigung derartiger europäischer Krisen bedarf es der Zusammenarbeit verschiedener Organisationen, der EU, der WEU, wie zum Beispiel bei der Verwaltung von Mostar oder bei der Polizeiausbildung in Albanien, der OSZE, nicht zuletzt aber auch der NATO. – Die NATO garantiert uns sicherlich Freiheit und Frieden in Europa, und es ist sicherlich im Interesse Österreichs, auch möglichst rasch der NATO voll beizutreten. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Tremmel: Bravo!)

Es ist hier nicht möglich, alle Tätigkeitsbereiche der österreichischen Außenpolitik einzeln aufzuzählen. Besondere Erwähnung verdient jedoch das Verhältnis zu Rußland, dessen schwere wirtschaftliche Krise eine bedeutende Last und ein Unsicherheitsfaktor nicht nur für das Land und seine Bevölkerung selbst, sondern auch für die Verhältnisse in Europa überhaupt bedeutet. Denken wir nur an die Gefährdung der sicheren Lagerung russischer Kernwaffen! Das Hauptinteresse der EU gilt deshalb der Stabilität im Inneren des Landes und der Fortsetzung einer Politik in Richtung Demokratisierung und soziale Marktwirtschaft sowie der Schaffung effizienter staatlicher Verwaltungsstrukturen. Die Union ist sich dessen bewußt, daß die wesentlichen Anstöße zu einer Sanierung aus Rußland selbst kommen müssen und ihr selbst dabei nur eine unterstützende Rolle zukommen kann. Deshalb war es besonders wichtig, daß Außenminister Schüssel unmittelbar nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Ministerpräsident Primakov zusammen mit den beiden anderen Außenministern der EU-Troika nach Moskau gefahren ist, um dort der neuen Führung das große Interesse der EU an dieser Zusammenarbeit und der Weiterentwicklung der Beziehungen zu unterstreichen.

Dies wurde auch beim Gipfeltreffen zwischen Rußland und der EU am 27. Oktober dieses Jahres in Wien besonders hervorgehoben. Dabei sollen wir auch nie vergessen: Rußland macht zwar zurzeit eine beträchtliche Schwächeperiode durch, aber die volkswirtschaftlichen Grundvoraussetzungen wie etwa ein enormer Reichtum an Bodenschätzen und ein hoher Ausbildungsstand der Bevölkerung für eine Erholung sind vorhanden. Die EU muß deshalb die Beziehungen zu Moskau langfristig und vorausschauend planen. Dazu gehört ein breiter politischer Dialog auf allen Ebenen. Jetzt gilt es aber auch ganz konkret, etwa eine vorhandene Nahrungsmittelhilfsaktion für Rußland durchzuführen.

Daß die Präsidentschaft in ihrer Tätigkeit aber keineswegs nur auf Europa konzentriert ist, zeigt die laufend erforderliche Befassung mit Themen und Problemen aller Art. Angefangen mit den zahlreichen Krisen in Afrika, wie etwa im Kongo, in Burundi, in Äthiopien, in Angola und so weiter, über die Wirtschaftskrisen in Asien bis hin zu Koordinationsgremien mit Lateinamerika hat die österreichische Außenpolitik in diesem Jahr ein breites Feld von Maßnahmen, Stellungnahmen, Initiativen aller Art in der EU zu initiieren und zu koordinieren. In diesem Sinne bedeutet österreichische Präsidentschaft wirklich Weltpolitik, und in unserer Geschichte, in unserer Tradition sind wir ein völkerverbindender, völkerversöhnender Bestandteil Mitteleuropas.

Ein sichtbarer Ausdruck dieser universalen Bemühungen war die Konferenz der EU-Außenminister mit ihren Amtskollegen aus den SADC-Staaten, der Southern African Development Community, die sich nicht nur mit Regionalkonflikten, sondern auch mit den Fragen des Konfliktmanagements und der Konfliktprävention befaßte und die Rolle der EU bei diesbezüglichen Hilfestellungen präzisierte.

Schließlich möchte ich zum Abschluß meiner Ausführungen noch an die eben zu Ende gegangene Nahostmission des Ratspräsidenten Schüssel erinnern. Die Arbeit für Frieden im Nahen Osten ist ein besonders schmerzhafter, schwieriger und langwieriger Prozeß. Der Besuch diente deshalb einer Bestandsaufnahme nach dem Abkommen von Wye und dem Angebot europäischer Unterstützungsbemühungen sowie dem Versuch, alle Partner in ihrer Entschlossenheit zur weiteren Beschreitung des Friedensweges zu bestärken. Die EU ist der größte Wirtschaftspartner der Nahostregion. Sie leistet etwa 60 Prozent der Wirtschaftshilfe an die Palästinenser. Als Ergebnis dieses Besuches soll nun untersucht werden, ob in einem vierseitigen Treffen zwischen Israel, den Palästinensern, den USA und der EU in den kommenden Wochen einige wichtige Wirtschaftsprojekte für die Region entwickelt und weiter vorangetrieben werden können.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 94

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine daher, daß Österreich allen Grund dazu hat, mit Stolz auf seine Leistungen und Erfolge im vergangenen und im laufenden Arbeitsjahr zu blicken. Die EU-Präsidentschaft hat unserem Land eine Fülle von Kontakten und Einflußmöglichkeiten auf allen Ebenen gebracht, die wir gut genutzt haben und noch nützen werden. Das Ansehen Österreichs und seiner Außenpolitik hat bei seinen Partnern weiter und sichtbar zugenommen. Dafür gebührt dem Herrn Außenminister und der Frau Staatssekretärin, aber auch allen ihren Mitarbeitern im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Anerkennung und besonderer Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

In diesen Dank möchte ich auch eigens die stets gute Unterstützung der Tätigkeit des Bundesrates und seiner Angehörigen im internationalen Bereich durch die immer einsatzbereiten Mitarbeiter des Außenministeriums miteinschließen. Wir bekommen da immer volle und klare Unterstützung, wenn wir etwas brauchen. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.58

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. – Bitte.

14.58

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Ladies first! Frau Staatssekretärin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! (Bundesrat Prähauser: Ein Kavalier ältester Schule!) Vincenz Liechtenstein hat durchaus in vielen Passagen ganz richtige Aussagen getroffen, jedoch ist er in einigen Bereichen nach meinem Ermessen ein bißchen zu weit gegangen (Bundesrat Rauchenberger: Bei der NATO!)  – nein, nein, bei der NATO hat er schon recht –, und zwar was die Präsidentschaft Österreichs und die Weltpolitik angeht.

Ich sage jetzt, was die Printmedien, die Zeitungen dazu schreiben. "La Tribune" beispielsweise schreibt: Doch das Schwierigste bleibt noch zu tun, die Worte in Taten und die Taten in meßbare, wirtschaftliche Resultate umzusetzen. – Zitatende.

Oder "La Repubblica" meint in einem anderen Bereich zum Bemühen Klimas, durch seine Reisen und die gesammelten Themen den Gipfel zu retten, folgendes: Heraus kam ein Menü wie das Glück für die ganze Familie in einem Chinarestaurant: Arbeit, Wirtschaft, Außenpolitik, Verteidigung, innere Sicherheit und Institutionen, dazu aktuelle Krisen als Sättigungsbeilagen. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Gelöst wurde leider Gottes, wenn man hier etwa von den Krisen spricht – Lösungsansätze hat es schon viele gegeben –, noch nichts.

Meine Damen und Herren! Der Bericht selbst liest sich gut. Er ist kürzer als der letzte, er ist flüssig. Es ist ein Bericht eines Vorzugsschülers. Alles Gute, was den anderen nützt, ist in diesem Bericht vorhanden. Probleme, die es gibt, sind nur am Rande ein bisserl gestreift, ein bisserl angerissen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Manchmal stimmt aber die Argumentation überhaupt nicht! So heißt es etwa im Vorwort Ihres Chefs, gnädige Frau, unter anderem – das wird heute ohnehin noch Anlaß für eine dringlichen Anfrage sein –: "Als Teilnehmer am Schengener Prozeß hat Österreich" – nachzulesen bitte auf Seite IX – "ab 1. Dezember 1997 außerdem begonnen, von den Vorzügen eines gemeinsamen Europas ohne Binnengrenzen zu profitieren. Während der zweiten Jahreshälfte hat Österreich überdies den Schengen-Vorsitz inne." – Siehe jetzt Brenner, sage ich nur dazu, alles andere wird dann noch erläutert werden. – Weiters heißt es etwa: "... weil elf unserer 14 EU-Partner eine europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität gerade aus diesem Grund innerhalb der Allianz aufbauen wollen."

Woraus besteht diese Verteidigungsidentität? – Darin gebe ich dir, Vincenz Liechtenstein, recht: Es gibt kein anderes Instrument als die NATO, daher sollten wir hinein! Wir versuchen es derzeit bereits über Umwege, schauen Sie sich doch das Vorlagestück über jene Internationale Brigade an, die in Dänemark ihren Sitz hat. Aber dazu, gnädige Frau, muß ich Ihnen das nach wie vor – wir alle haben darauf unseren Eid geschworen – gültige Neutralitätsgesetz vorhalten, in dem es


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 95

etwa in Abs. 2 heißt: "Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten." – Der Beitritt zu einer Internationale Brigade aber widerspricht – ungeachtet dessen, daß wir dem zustimmen werden, weil wir der Meinung sind, daß wir das tun sollten – eindeutig dem Neutralitätsgesetz! Eine Brigade ist bereits mehr als ein militärisches Bündnis, sie ist bereits ein Einsatzinstrument für solche allfällige – wie heißt es so schön? – Peace-keeping-Einsätze.

Das ist der eine Bereich. Man hat das nur gestreift und ist manchmal ein bisserl daneben gestanden. Manchmal hat man etwas weggelassen, das für Österreich schlicht und einfach vital notwendig, aber für die anderen unangenehm ist.

Es wurde von dir (der Redner blickt auf Bundesrat Dr. Liechtenstein) bereits der Fortschreibungsbericht erwähnt, das Screening, die Durchleuchtung des Rechtsbestandes der Beitrittskandidaten. Diese Durchleuchtung des Rechtsbestandes hat unter dem Prätext zu erfolgen, daß die Kopenhagener Beschlüsse 1993 und der Artikel 6 des in Ratifizierung befindlichen Vertrages von Amsterdam in bezug auf die Menschenrechte zu beachten sind.

Meine Damen und Herren! Derzeit findet in Slowenien die Durchleuchtung dieses Rechtsbestandes statt. Dort gibt es nach wie vor die völkerrechtswidrigen AVNOJ-Gesetze, die Beschlüsse von Jajce und Belgrad, durch die Menschen in einem außerordentlichen Ausmaß diskriminiert werden, zufälligerweise Menschen deutscher Zunge. Dazu sagte der Herr Außenminister etwa im Nationalrat anläßlich einer diesbezüglichen Debatte zu einer dringlichen Anfrage, das sei totes Recht. – Das ist kein totes Recht, meine Damen und Herren!

Ich habe Ihnen in einer der Vordebatten zwei Beschlüsse, ein Urteil des Obersten Gerichtshofes Sloweniens und einen Bescheid der, wie es dort heißt, Obersten Verwaltungsbehörde, vorgelesen, in denen es unter anderem wörtlich heißt: Diese AVNOJ-Gesetze sind historischer Bestand. – Zitatende. Wir nehmen es einfach zur Kenntnis, daß dies historischer Bestand ist! Es werden nun natürlich Einwände kommen, wie etwa: Wir setzen uns in bilateralen Verhandlungen dafür ein, dieses Problem zu lösen. – Ich verweise nur auf andere bilaterale Verhandlungen in diesem Bereich. So hat es etwa in Kroatien, das übrigens die AVNOJ-Gesetze abgeschafft hat, ein Jahr gedauert hat, bis überhaupt einmal das Verhandlungsprotokoll zu lesen war.

Warum fordern wir und viele andere, daß die Verhandlungen auf eine internationale Ebene gehoben werden? – Weil es aufgrund der Kopenhagener Beschlüsse und des Artikels 6 des Amsterdamer Vertrages juridisch notwendig und schlüssig ist und weil es darüber hinaus Bestandteil des Völkerrechtes ist. Menschenrechtsverletzungen sind international zu behandeln! Es ist schlicht und einfach falsch, zu sagen, das solle in bilateralen Verhandlungen gelöst werden. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Dr. Liechtenstein. )

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie: Sobald der Beitritt dieser Länder – das gleiche gilt übrigens auch bei der Frage der Beneš-Dekrete – vollzogen ist, wann soll das überhaupt noch gemacht werden? – Soll das in die historischen Klüfte des Vergessens versinken? Sind diese Menschen Menschen zweiter Klasse? Oder sind diese Toten Tote zweiter Klasse, deren Gräber nicht einmal mehr geehrt werden? – Dieses Unrecht auf internationale Ebene zu heben, hält der eigene Staat nicht für notwendig. – Das ist ein Bereich, der in diesem Bericht nicht erwähnt wurde!

Ich möchte nur noch – das Licht leuchtet schon, wie Sie sehen, und rot bedeutet halt – eine kurze Anmerkung zur Osterweiterung machen: Die Kommission ist für eine Beibehaltung der Beitragsobergrenzen von bekanntlich 1,5 Prozent des BIP. Sie will die Osterweiterung durch die volle Ausschöpfung des gegebenen Prozentsatzes finanzieren. Die von der Kommission aus dieser Erhöhung erwarteten Ressourcen belaufen sich für Österreich auf 260 Milliarden Schilling. Wir haben aber gesagt, wir wollen nicht mehr zahlen, es gibt einen Beschluß zur Agenda 2000, der mehrheitlich gefaßt wurde. Für Österreich würde das jedoch eine Erhöhung des Nettomitgliedsbeitrages um rund 3,5 Milliarden Schilling pro Jahr bedeuten.

Die derzeitige Situation der Landwirtschaft braucht nicht näher geschildert zu werden. Nun will man das ausgleichen. Es wird sagt, man erhöhe nicht, sondern werde das Erforderliche aus


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 96

anderen Bereichen nehmen, unter anderem aus der Landwirtschaft, aus dem Landwirtschaftsbudget. Dadurch wiederum ist ein Einkommensverlust für die Bauern in der Höhe von umgerechnet rund 2 Milliarden Schilling zu erwarten. Die Bauern haben weniger Einkommen, sie finanzieren diese Beitrittsbestrebungen teilweise vor und müssen dann nochmals büßen. Ob sie noch büßen können, das weiß ich nicht. Wenn das so weitergeht, meine Damen und Herren, wird der österreichische Bauernstand bis dahin vernichtet sein! Aber auch das steht nicht in diesem Bericht!

Das Problem internationale Eingreiftruppe und Neutralität habe ich bereits erwähnt – das rote Lichte leuchtet, ich habe schon gesagt, rot bedeutet halt. – Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ich konnte hier nur einige Facetten strukturell herausgreifen. Aber in diesem Bericht haben Sie das vielleicht Wichtigste ausgelassen und einiges nur am Rande erwähnt, weswegen wir, wie unser Erstredner, Kollege Bösch, bereits ausführte, diesem Bericht leider die Zustimmung nicht geben können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Crepaz. – Bitte.

15.10

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In meinem heutigen Debattenbeitrag zum Außenpolitischen Bericht möchte ich in gebotener Kürze nur ein paar Punkte beleuchten.

Der Bericht 1997 ist sehr schön aufbereitet, auch mit Inhalten versehen, und er öffnet ein bißchen das Fenster Österreichs zur Welt. Wie wir schon gehört haben, stand das Jahr 1997 ganz im Zeichen aller Vorbereitungen zum EU-Vorsitz, der sich nun langsam dem Ende nähert. Die Bestrebungen Österreichs, als Mitglied der Union vollinhaltlich eingebunden zu werden, war ein weiterer Schwerpunkt. Ich erinnere an die gleichberechtigte Mitwirkung am Vertrag von Amsterdam, an die Vorbereitungen zur Währungsunion und an die Anstrengungen, das Schengen-Abkommen zu verwirklichen.

Österreich hat das Beschäftigungskapitel maßgeblich geprägt. Neue Arten der Umweltpolitik, die Möglichkeit des Informationsaustausches und die Mitwirkung an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wurden wahrgenommen. Der NATO-Gipfel in Madrid wird aus österreichischer Sicht – sprich: aus Sicht unseres Außenministers – als besonders wichtig und positiv bewertet. Ich bin jedoch nicht der Meinung, daß man die Erweiterung der EU immer im Zusammenhang mit der Erweiterung der NATO sehen muß. Genausowenig wie für Österreich ein NATO-Beitritt notwendig ist, genausowenig braucht man auch die Osterweiterung nicht unter diesem Aspekt zu sehen.

Es müssen wirklich nicht alle neuen Beitrittsländer zwingend der NATO angehören. Die NATO-Euphorie unseres Bundesministers Schüssel ist in letzter Zeit etwas leiser geworden, da die Umfragen ergeben haben, daß sogar über 60 Prozent der ÖVP-Wähler – es ist zwar keine Massenbewegung, aber immerhin – einen NATO-Beitritt für nicht notwendig halten und die Beibehaltung der Neutralität durchaus positiv sehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein kurzer Blick über die Grenze zu unseren nachbarschaftlichen Beziehungen, ein kurzer Blick zu Südtirol: Südtirol hat mit Entschlossenheit die Möglichkeiten des Autonomiestatutes ausgeschöpft, so kann man etwa die verschiedenen Kompetenzübertragungen im Bereich der Staatsfinanzen und -verwaltung erkennen. Die im Jahre 1997 noch debattierte Universität hat heuer den Betrieb aufgenommen, und auch die vieldiskutierte Zweisprachigkeit macht vor privatisierten Unternehmen nicht halt. Tiroler Lehrlinge fanden in Südtirol Lehrplätze, und die Lehrpläne wurden gegenseitig anerkannt. Südtirol hat die Autonomie weiterentwickelt, und die Situation hat sich seit der abgegebenen Streitbeilegung in Italien entspannt.

Ich habe daher kein Verständnis für die revanchistische, ignorante und zum Teil realitätsverleugnende Haltung des ÖVP-Landeshauptmannes Wendelin Weingartner und des Innsbrucker


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 97

ÖVP-Bürgermeisters Herwig van Staa. Die beiden Herren hatten trotz warnender Stimmen aus der Südtiroler Landesregierung versucht, die sogenannte Dornenkrone als Symbol für die Teilung Tirols im Zentrum der Landeshauptstadt aufzustellen. Nur die wochenlange öffentliche Kritik hat bewirkt, daß die geplante Aufstellung der Dornenkrone in Innsbruck abgesagt wurde.

Damit ist die leidige Geschichte aber nicht zu Ende. Beim heurigen Erntedankfest der Marktgemeinde Telfs wurde zur Weihung des neuen Festplatzes und zur Weihung der Dornenkrone, die auf demselben thront, geladen. Ein betuchter Industrieller, der Kommerzialrat Präsident Arthur Thöni hat diesen neuen Festplatz den Bürgern der Marktgemeinde Telfs kostenlos zur Verfügung gestellt – für Vereine, Jugendliche und Trendsportarten, wie man auf der Einladung des Bürgermeisters Kopp lesen konnte.

Man hörte und las auch folgendes: Zudem wird auf diesem Platz der Dornenkrone, mitgetragen beim Landesumzug 1984, im christlichen Glauben Symbol des Schmerzes, der Hoffnung und Versöhnung, eine Heimat gegeben, bekränzt mit Begrüßungssalven von der Ehrenkompanie Wilten. – Zitatende! Als Ehrengast war natürlich Landeshauptmann Weingartner dort.

Ich möchte nochmals wiederholen: Seit dem zweiten Autonomiestatut 1992 besitzen die Südtiroler das Gesetz des Handels. Seither haben die Südtiroler das Optimum für ihr Land erreicht. Österreichs Beitritt zur Europäischen Union hat die Beziehungen zwischen Italien, Südtirol und Österreich weiter verbessert. Heute von Schmerz und Leid in Südtirol zu sprechen, kommt einer ungeheuren Realitätsverleugnung gleich und ist nur als Populismus einiger konservativer Landespolitiker zu verstehen. Was ist doch alles unter dem Mäntelchen von Tradition und Patriotismus möglich! Statt endlich einmal für Frieden und Toleranz einzutreten, wird dem Nationalismus gehuldigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein weiteres Fenster zur Welt öffnen unsere Mitarbeiter im Diplomatischen Dienst. Sie vertreten Österreich in fast allen Teilen der Welt und leisten, bis auf wirklich wenige unrühmliche Ausnahmen – ich erinnere nur an Peking –, für unser aller Heimat Großartiges. Sie vermitteln ein positives Bild, genauso wie ich mir wünsche, daß sich überhaupt alle Österreicher, vom Hilfsarbeiter bis zum Außenminister, wenn sie sich im Ausland befinden, anständig benehmen und Beleidigungen und markige Sprüche unterlassen.

Aber zurück zu den Beschäftigten im Diplomatischen Dienst: Man liest im Bericht, daß der Anteil der Singlehaushalte am größten ist. Trotz der Attraktivität des Berufes wird es für die Familien immer schwieriger, das abwechslungsreiche Leben gemeinsam zu führen. Ich erinnere auch an die unbedankte und unbezahlte Aufgabe der vielen Botschaftergattinnen – vielleicht gibt es auch manche Gatten dabei –, die einen Großteil der repräsentativen Aufgaben für die Republik übernehmen, aber außer über ihren Gatten oder ihrer Gattin nicht einmal nur pensionsrechtlich abgesichert sind! Da jedoch sogar Botschafterehen fallweise ein vorzeitiges Ende finden, würde ich vorschlagen, darüber nachzudenken, wie man diese unbezahlte Arbeit honorieren kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn zurzeit die EU-Ratspräsidentschaft dominiert und alles überstrahlt – sie ist im übrigen bald zu Ende –, möchte ich, daß wir unseren derzeitigen Ruf im Ausland, nämlich besonders fremdenfeindlich zu sein, entgegenwirken. Die Bekämpfung von Ausländerfeindlichkeit, Diskriminierung und Rassismus sollte unser aller Anliegen sein! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner. – Bitte.

15.18

Staatssekretärin im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita-Maria Ferrero-Waldner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es ist heute schon sehr viel über die österreichische Präsidentschaft gesprochen worden, die im Augenblick sozusagen die Essenz der Außenpolitik darstellt. Sie wurde natürlich im Jahre 1997 vorbereitet, weshalb ich glaube, daß es durchaus legitim ist, wenn ich auch auf viele dieser Dinge, und zwar auf neueste Entwicklungen des Jahres 1998, eingehe.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 98

Gleichzeitig möchte ich folgendes feststellen: Die Präsidentschaft hat zweifellos eine Steigerung der Qualität unserer Arbeit gebracht! Ich komme gerade zurück aus dem Europäischen Parlament, in dem ich sehr oft, jeweils am Mittwoch die Staatspräsidentschaft vertrete. Die Ratspräsidentschaft steht dort tatsächlich von der Früh bis am Abend den Europaparlamentariern für die verschiedensten Fragen zur Verfügung, sie reichen von der Agenda 2000 – wie gestern – über Nahost bis zum Hurrikan Mitch. Das heißt – einer der hiesigen Abgeordneten hat das auch gesagt, und ich bedanke mich dafür –, es ist tatsächlich nicht Science Fiction, sondern Weltpolitik ist Realpolitik geworden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich möchte Ihnen deshalb zuerst einen kurzen Abriß über diese Präsidentschaft geben – soweit wir das jetzt schon tun können, denn es fehlen noch die allerwichtigsten fünf Wochen. Warum sind es die wichtigsten? – Weil nun versucht wird, das, was in der Präsidentschaft begonnen wurde, Lösungen zuzuführen, die zum Teil natürlich sehr schwierig sind, da es Kompromißlösungen zwischen den 15 Mitgliedern sein müssen. Trotzdem darf ich jetzt schon sagen – das ist kein Eigenlob, sondern kommt vor allem aus der ausländischen Presse –: Die bisherige Bilanz der österreichischen Präsidentschaft ist überwiegend positiv! Das ist auch hier angeklungen.

Auch in jenen Fällen, bei denen man am Anfang glaubte, daß ein Fauxpas passiert sein könnte, wie zum Beispiel bei den Migrationspapieren, hat sich herausgestellt, daß es viele Mißverständnisse gab, die bereinigt wurden, und daß Österreich tatsächlich gute Initiativen gesetzt hat. Ich denke dabei an das Migrationspapier, ich denke sehr wohl an das Treffen von Pörtschach, auf das ich noch eingehen werde, ich denke aber auch an das Verteidigungsministertreffen, das hier angesprochen und ein bißchen mit Häme abgetan wurde, das aber hervorragende und interessante neue Ausrichtungen für die Zukunft zeigt. Denn – das möchte ich noch allgemein hinzufügen – Sie alle wissen, daß Außenpolitik Veränderungen nicht von heute auf morgen bringt, sondern es dazu immer langsam kommt, da es sehr komplex ist. Es wird aber durchaus stetig auf diesem Weg weitergegangen. – Lassen Sie mich kurz einige Highlights hervorheben.

Erstens die Erweiterung: Sie wissen, daß sich die österreichische Präsidentschaft vorgenommen hat, substantielle Erweiterungsverhandlungen durchzuführen. Dies ist uns am 10. November dieses Jahres auch gelungen, wir haben mit der sogenannten Gruppe der ersten Kandidaten tatsächlich substantielle Gespräche geführt. Dies war – das darf ich schon noch einmal hervorheben – keinesfalls selbstverständlich, denn wegen der Zypern-Frage waren einige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht sicher, ob sie tatsächlich zustimmen sollten, daß in diese substantiellen Verhandlungen eingegangen wird. Es wird uns dies gerade von unseren Nachbarstaaten ganz besonders hoch angerechnet.

Aber der Beginn der substantiellen Verhandlungen heißt nicht gleichzeitig, daß wir deshalb ein "wahnsinniges" Tempo vorlegen – auch das ist heute von seiten der Opposition angeklungen. Ich betone: Jedes Land – das ist nach wie vor gültig – bestimmt den Zeitpunkt seines Beitrittes schließlich selbst, und zwar insofern, als natürlich alle Verhandlungen abgeschlossen, der Acquis tatsächlich umgesetzt und auch all jene Konditionen, die im Vorfeld gegeben sind, erfüllt sein müssen. Und das wird keineswegs im nächsten oder im übernächsten Jahr sein!

Man muß also damit rechnen, daß das selbstverständlich seine Zeit dauern wird. Wir haben auch nie ein Datum vorgegeben. Ich würde mich auch persönlich davor hüten, das zu tun, weil wir das nicht voraussagen können. Denken wir nur an unseren eigenen Beitritt und wie lange unsere Beitrittsverhandlungen gedauert haben. Wir wissen, daß wir die Agenda 2000 abschließen müssen – auch darauf will ich noch zu sprechen kommen –, wir müssen aber im Anschluß an die Agenda 2000 nach der Ratifikation des Amsterdamer Vertrages wieder mit der Institutionenreform beginnen, da in dieser Frage noch bedeutende Schritte zu tun sind.

Bezüglich der Erweiterung um die zweite Gruppe der Beitrittskandidaten – auch das ist wichtig und in der Debatte nicht angeklungen – wird beim Europäischen Rat von Wien ein Beschluß gefaßt werden, wie es weitergeht. Manche der Staaten erwarten sich ein etwas schnelleres Vorankommen, ein Aufrücken, eine Durchlässigkeit. Man wird sich dabei genau an die objektiven


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 99

Berichte der Kommission halten, die gerade herausgekommen sind und uns beim nächsten Rat Allgemeine Angelegenheiten zur Vorbereitung der Beschlußfassung in Wien vorliegen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute Pörtschach angesprochen worden. Dazu möchte ich gerne einige Worte sagen. Im Vorfeld von Pörtschach dachte man ursprünglich, wie Sie wissen, daß es eine Diskussion über Subsidiarität und Legitimität geben werde. Das wäre aber doch ein bißchen zu wenig gewesen. Es ist zwar die Subsidiarität sehr wohl behandelt worden, es gibt jedoch, wie Sie wissen, bereits im Amsterdamer Vertrag ein eigenes Subsidiaritätskapitel, dessen Anwendung im übrigen nun vorgezogen werden soll. Auch eine Reihe von Implementierungsschritten wurde angesprochen. Ich selbst habe im Ausschuß der Regionen darüber gesprochen, und alle diese Positionen, auch die des Ausschusses der Regionen, sind natürlich eingeflossen.

Aber das allein hätte sicherlich keinen Nachdenkgipfel von Pörtschach erbringen können, denn über die Subsidiarität ist schon sehr oft und sehr viel nachgedacht worden. Darum hat der Herr Bundeskanzler eine "Tour des Capitales" absolviert, um mit den Partnern noch einmal abzustimmen, wo denn der eigentliche Bedarf liegt.

Ein sehr wichtiger und großer Bedarf, der dabei festgestellt wurde, ist die Außenvertretung des Euro. Wir haben ab 1. Jänner 1999 eine gemeinsame Währung, aber noch immer keine Außenvertretung. Diese Frage wird, so hoffe ich, im Europäischen Rat in Wien geklärt werden, erste Vorarbeiten dazu konnten gerade in den Diskussionen von Pörtschach geleistet werden.

Zweitens: Bezüglich der Koordination der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik ist, wie Sie wissen – das ist auch angeklungen –, schon beim Luxemburger Gipfel einiges geschehen, danach sind die nationalen Programme erarbeitet worden. Aber eine europäische Richtlinie, eine europäische Leitlinie dazu – so muß ich sagen – ist noch nicht erstellt worden. Das soll in Wien passieren! Dann werden die Staaten jeweils aufgefordert werden, jedes Jahr zu berichten, was in diesem Bereich tatsächlich passiert ist. Ich darf hinzufügen, daß die EU-Koordinierungspolitik schon jetzt, im Vorfeld, zu greifen beginnt. Die Beschäftigungszahl hat – ich glaube, das wird vor allem die Bundesräte der Freiheitlichen Partei interessieren – europaweit um 1,3 Millionen zugenommen. Das bedeutet eine Senkung der Arbeitslosigkeit um 0,5 Prozent.

Bei informellen Treffen der Sozial- und Frauenminister sind auch zusätzlich zehn Impulse zur Chancengleichheit für die Überarbeitung der beschäftigungspolitischen Leitlinien erstellt worden, etwa Gender Mainstreaming, Zugang von Frauen zu bezahlter Arbeit, Verringerung der geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede, Informationsaustausch über Best Practices. Die Arbeiten über die beschäftigungspolitischen Leitlinien sind aber – wie ich schon sagte – in Vorbereitung für den Europäischen Rat, danach wird es noch eine ganze Reihe von Ergänzungen für das Jahr 1999 geben, wie lebensbegleitendes Lernen, Öffnen des Arbeitsmarktes für alle, Ausschöpfung des Beschäftigungspotentials im Dienstleistungssektor und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch das Verfahren soll im Jahre 1999 vereinfacht und entbürokratisiert werden. Die Frage der Beschäftigung war also ein wichtiger Bestandteil.

Auch die Frage der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ist in der Diskussion angeklungen. Diesbezüglich ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, der starke Wille der gesamten Europäischen Union zu bemerken, damit Europa kohärent und sichtbar gemeinsam nach außen auftritt. Aber wir alle wissen, daß sich Europa nur langsam, Schritt für Schritt, entwickelt, denn es ist dies ein Weg weg von der Souveränität der Staaten hin zu einer supranationalen neuen Struktur.

Es ist die Tendenz vorhanden – die österreichische Präsidentschaft wird sich darum bemü-hen –, daß so rasch wie möglich ein hoher Repräsentant der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, eine starke Persönlichkeit mit Profil, bestellt wird. Ich glaube aber nicht, daß dies bereits beim Europäischen Rat in Wien erfolgen kann, weil derzeit viele Staaten eine gewisse Zurückhaltung bei der Nominierung von solchen Vertretern zeigen. Sie wissen, daß nächstes Jahr das Europäische Parlament aufgelöst wird. Es wird ein neues Europäisches Parlament, eine neue Kommission und einen neuen Kommissionspräsidenten geben. Deshalb warten


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 100

manche Staaten ab, um dann wahrscheinlich im Paket auch den hohen GASP-Vertreter zu wählen. Wir aber werden uns zumindest bemühen, in Sondagen und Umfragen das zu tun, was die eigentliche Aufgabe der Präsidentschaft ist, nämlich einige gute Kandidaten zu finden.

Auch die Früh- und Warnanalyseeinheit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, also die Planungszelle, soll so schnell wie möglich arbeitsfähig sein. Außerdem sollen weitere gemeinsame Strategien erarbeitet werden. – All das läuft noch unter dem Schlagwort Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.

Es ist aber auch die Verteidigungspolitik angesprochen worden, die für mich ein noch darüber hinausgehender Schritt ist. Ich darf Ihnen mitteilen, daß das informelle Verteidigungsministertreffen, das vor kurzem angesetzt war, sehr interessante Impulse brachte, vor allem im Nachhang zu Pörtschach, da die Briten, die, wie Sie wissen, der WEU bislang überhaupt keine Lebensfähigkeit eingeräumt haben, Flexibilität in dieser Frage signalisiert haben. Trotzdem muß man jetzt erst in sehr viele Detailbereiche eintreten, weil es eine sehr komplizierte Materie ist. Es stellen sich Fragen wie: Gibt es tatsächlich eine Fusion EU-WEU? Wie ist diese Verbindung möglich? Werden die politischen Beschlüsse dazu in Zukunft in der EU gefaßt? Und dann stellt sich natürlich noch die Frage nach der Verbindung zur NATO. – All das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist total im Fluß, es ist überhaupt nichts abgeschlossen. Aber es wird sicherlich beim Europäischen Rat in Wien wieder eine Diskussion darüber geben, und dazu hat zweifellos auch dieser informelle Verteidigungsministerrat in Wien beigetragen.

Weiters ist in Pörtschach – ich bin eigentlich noch immer bei Pörtschach, weil das solch ein wesentliches Ereignis war – natürlich auch noch die Frage der inneren Sicherheit diskutiert worden. Die innere Sicherheit gehört zweifellos zu jenen Bereichen, die gerade unseren Bürgerinnen und Bürgern besonders wichtig ist. Es gab dazu, wie Sie wissen, ein Referat des spanischen Premierministers Aznar, und es ist eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen, zum Beispiel ein Follow Up zum derzeitigen Aktionsplan gegen die organisierte Kriminalität, eine Intensivierung der bilateralen Zusammenarbeit der Polizeiorganisationen, zügige, vollständige Integration des Schengen-Abkommens in die EU bis zum Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages – das wird voraussichtlich April/Mai nächsten Jahres sein –, dann eine gemeinsame, effektive Strategie im Migrations- und Asylbereich, eine Überwindung der derzeitigen Blockade bei der Visapolitik, et cetera et cetera.

Sie sehen, es waren eigentlich sowohl die Wirtschaftspolitik als auch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die Innere Sicherheit, Wachstum, Beschäftigung und Wirtschaft die wesentlichen Punkte, die in Pörtschach auf der Tagesordnung standen. Wir haben damit sehr viel vorgegeben.

Es wird ein Wiener Programm oder einen Wiener Aktionsplan geben, der ein Ausfluß von Pörtschach sein wird und der natürlich für den Europäischen Rat in Wien sehr positiv sein wird.

Dann wurde auch die Agenda 2000 angesprochen, die natürlich ein ganz wesentlicher Teil der Arbeit der Präsidentschaft ist. Ich habe gerade gestern im Europäischen Parlament sehr ausführlich darüber referiert.

Sie wissen, hinsichtlich der Finanzvorschau sind die Gespräche nach wie vor am schwierigsten. Das war auch zu erwarten, und ich erwarte mir keinesfalls einen Abschluß während unserer Präsidentschaft. Das war auch nach unserem Fahrplan absolut so vorgesehen. Wir hoffen aber, daß die Deutschen bei ihrem Sondergipfel im März abschließen können, denn sehr viele Fragen, die ich noch kurz ansprechen werde, werden natürlich in einem Gesamtpaket entschieden werden. Daher ist es falsch, heute schon zu sagen, dies oder jenes wird Österreich zu zahlen haben. Es ist einfach noch nicht klar, was zu zahlen sein wird und was nicht, weil wir mitten in intensivsten Verhandlungen stehen beziehungsweise sind zum Teil erst die Prinzipien vorgesehen.

Zur Finanzvorschau darf ich Ihnen noch kurz sagen: Generelles Einvernehmen besteht über das Gebot der Haushaltsdisziplin, der Ausgabeneffizienz, aber auch über das Erfordernis, daß Mittel für eine angemessene Weiterentwicklung der Politiken der Union bereitgestellt werden. Die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 101

Kommission geht von der Arbeitshypothese aus, und wir folgen dem grundsätzlich, daß die Obergrenze für die Mittel der Union mit dem konstanten Wert von 1,27 Prozent des EU-Bruttosozialproduktes festgeschrieben werden sollte. Es besteht darüber breite Übereinstimmung, aber es gibt ein Mitgliedsland, das dem noch nicht folgen kann. – Soviel nur ganz kurz zur Finanzvorschau.

Zur Strukturpolitik darf ich auch ein paar Prinzipien nennen, die sozusagen schon außer Streit gestellt sind. Das Konzept der räumlichen Konzentration und der Reduzierung der betroffenen Gemeinschaftsbevölkerung findet grundsätzlich breite Unterstützung. Dabei soll die Anzahl der Ziele von sieben auf drei verringert werden. Die Planung und Umsetzung der Programme soll vereinfacht und beschleunigt werden.

In der künftigen Strukturpolitik ist vorgesehen, klare Schwerpunkte für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Beschäftigungsfähigkeit, aber auch bei der Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und bei der nachhaltigen Entwicklung zu setzen. Die Zahl der Gemeinschaftsinitiativen soll beträchtlich vermindert werden, wobei Interreg Vorrang eingeräumt werden sollte. Für ausscheidende Ziel-1- und Ziel-2-Gebiete muß es dann Übergangsregelungen geben.

Es wurde hier in der Debatte angesprochen – das paßt gleich in diesem Zusammenhang –, daß Österreich für die Grenzregionen keineswegs etwas anbieten können wird. Diesen Standpunkt kann ich keineswegs teilen. Ich habe das im Bundesrat schon im Vorfeld öfters angesprochen. Das Ziel-1-Gebiet Burgenland wird voraussichtlich bleiben. Die Ziel-2-Gebiete werden ebenfalls im Rahmen der möglichen Strukturmittel Chancen bekommen. Zusätzlich wird es diese erwähnte Gemeinschaftsinitiative und außerdem das Programm der ländlichen Entwicklung geben, das ich überhaupt noch nicht erwähnt habe, sodaß insgesamt mit der Möglichkeit einer nationalen Komponente, durch die Österreich dann auch national umschichten kann, zweifellos für die Grenzregionen eine Möglichkeit geschaffen werden wird, bestimmte infrastrukturpolitische und andere Rückstände aufzuholen.

Was die Vorbeitrittsinstrumente betrifft, so sind wir in unseren Verhandlungen eigentlich schon sehr weit gekommen. Es gibt drei Legislativvorschläge der Kommission für eine Koordinierungsverordnung, ein struktur- und ein agrarpolitisches Heranführungsinstrument. Mit Ausnahme des Vorbehaltes eines Mitgliedstaates in der Frage der Höchstgrenze der Fördersätze ist bereits politisches Einvernehmen über diese drei Heranführungsinstrumente erzielt worden.

Damit ist, wie ich meine, eine ganz wichtige Komponente der Vorbeitrittsinstrumente und der gesamten Agenda bereits beinahe außer Streit gestellt. Ich gehe daher davon aus und rechne damit, daß beim Europäischen Rat von Wien tatsächlich, wie wir uns vorgenommen haben, Schlüsselpunkte abgesichert werden können, damit dann die nachfolgende deutsche Präsidentschaft darauf aufbauen kann.

Den Bereich Bildung möchte ich auch kurz ansprechen. Es gab eine politische Einigung über EU-Bildungsprogramme. Die Programme "Sokrates" und "Leonardo" können weitergeführt werden. Auch im Bereich der Kultur – ich betone, das war nicht einfach! – wurde eine Verlängerung der Programme "Kaleidoskop" und "Ariadne" erreicht sowie ein Rahmenprogramm mit dem Titel "Kultur 2000" geschaffen.

In der Forschung konnten wir – das ist vor zwei Tagen Gott sei Dank gelungen – das fünfte Rahmenprogramm für Wissenschaft und Forschung abschließen. Vorgestern abend gab es eine Einigung im Vermittlungsausschuß im Europäischen Parlament. Es müssen zwar noch offizielle Absegnungen sowohl im Plenum des Rates Allgemeine Angelegenheiten als auch im Plenum des Parlaments erfolgen, aber man kann sagen, es ist durch, und auch das ist ein sehr schöner Erfolg.

Das Thema Menschenrechte ist hier auch angesprochen worden. Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesräte! Diesbezüglich haben gerade wir in der Zeit unserer Präsidentschaft, da wir auch dem 50. Jahrestag der universellen Deklaration der Menschenrechte verpflichtet sein müssen, sehr viel getan. Wir haben ganz konkret den Dialog EU – China geführt. Das war sehr arbeitsintensiv, auch in der Vorbereitung, ist aber sehr gut gelaufen. Ferner haben wir den


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 102

Dialog mit Algerien weitergeführt. Sie wissen, ich war damals in der Troika bezüglich Algerien. Es gab auch da einen wesentlich positiveren Ansatz als früher. Es braucht halt immer Zeit, bis wir die Dinge durchbringen.

Wir konnten auch den Kinderschutz thematisieren. Sie wissen, das war uns ein besonderes Anliegen und ist auch von allen EU-Mitgliedstaaten mitgetragen worden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich haben wir auch sehr viel in den Außenbeziehungen gemacht. Als erstes Beispiel möchte ich Zentralamerika anführen. Wir haben sehr schnell und sehr gut reagiert und wurden gestern im Europäischen Parlament auch dafür gelobt, wie wir dort reagiert haben. Die europäische Kommissarin für humanitäre Hilfe, Bonino, ist gerade in der Region beziehungsweise kommt in Kürze zurück und wird der Präsidentschaft berichten.

Ich werde das bei meinem Entwicklungszusammenarbeits-Ministerrat am 30. November selbstverständlich auf die Tagesordnung setzen. Ich werde dort über humanitäre Maßnahmen, über Wiederaufbauhilfe und über Entschuldung sprechen.

Der Kosovo ist schon ziemlich ausführlich angesprochen worden – denken Sie nur etwa an den Zehn-Punkte-Plan zur Flüchtlingsrückkehr. In der Diskussion wurde gesagt, daß wir keine Lösungen für diese Probleme angeboten hätten. – Sie wissen selbst, daß diese Lösungen nicht von heute auf morgen, nicht über Nacht kommen können, aber ich finde, wir haben bereits einen großen Schritt vorwärts getan, und bin zuversichtlich, daß wir auf dem richtigen Weg sind, wobei man Rückschläge natürlich nie ausschließen kann. Derzeit wird gerade über das Papier des Statuts der Kosovo-Albaner verhandelt – gemeinsam mit den Amerikanern und in Komplementarität mit ihnen.

Auch Rußland ist angesprochen worden. Da hat Österreich, wie ich meine, eine sehr wichtige Rolle gespielt. Rußland ist ein wichtiger Wirtschaftspartner für Europa. Europa ist für Rußland ein wesentlich wichtigerer Wirtschaftspartner als die Vereinigten Staaten. Daher haben wir größtes Interesse daran, mit Rußland – und zwar mit einem politisch gesicherten Rußland, das natürlich auch wirtschaftliche Absicherungen hat – auch in Zukunft zusammenzuarbeiten. – Ich möchte jetzt nicht auf alle Details eingehen, sonst würde ich die Debatte verzögern.

Nächster Punkt: Nahostfriedensprozeß. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wissen, wir hätten uns sehr gefreut, die Donors’ Conference in Wien abhalten zu können, aber im Hinblick auf die Komplementarität mit den Vereinigten Staaten und vor allem im Hinblick auf den Wunsch der Palästinenser, so schnell wie möglich wirtschaftliche Hilfe zu bekommen, haben wir dem amerikanischen Wunsch entsprochen, diese Konferenz in Washington abzuhalten. Es bestehen aber gute Aussichten, daß die nachfolgende Weltbankkonferenz im Januar in Wien abgehalten werden wird.

Noch ein Wort zur Entwicklungszusammenarbeit: Mein Entwicklungszusammenarbeits-Ministerrat steht aus. Er wird am 30. November stattfinden. Ich habe vor, dort vor allem auch auf die Krisenprävention einzugehen. Dazu – das wurde auch in der Debatte gesagt – hat es sehr interessante Beiträge während der SADC-Konferenz gegeben. Wir haben vor allem auch mit allen Ministern, von denen ein Großteil leider in der Kongo-Krise in der einen oder anderen Form mitinvolviert ist, Ansätze für Lösungen erörtern können. Wir hatten auch unseren Sonderbeauftragten Aldo Ajello hier. Auch da bin ich zuversichtlich, daß wir einer Lösung näherkommen.

Ein wichtiger Aspekt fehlt noch, und zwar der innerkongolesische Dialog, nachdem die anderen Konfliktparteien wenigstens soweit sind, daß sie ihre Teilnahme am Konflikt zugegeben haben. Sie wissen, eine Zeitlang war Ruanda eines der Länder, die sich nicht offiziell dazu geäußert hatten, und damit konnte der Dialogprozeß, der Friedensprozeß, auch nicht weitergehen.

Es sind in der Diskussion noch etliche Themen angesprochen worden, zum Beispiel wieder, wie schon so oft, die AVNOJ-Dekrete. Sie wissen, daß der Außenminister neulich in einer Debatte im Nationalrat sehr ausführlich darauf eingegangen ist. Ich möchte noch einmal sagen: Die Bedeutung der Menschenrechte, der Rechte von Volksgruppen und des Schutzes des einzelnen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 103

Bürgers kann in keiner Weise in Frage gestellt werden. Aber die Frage ist eben, wie man diese Menschenrechte verfolgt. Wir tun es in bilateraler und nicht in multilateraler Form. Es ist nämlich die Frage, ob man durch Drohungen und durch eine Art Erpressung weiter kommt als durch zähes und beharrliches Vorgehen in allen bilateralen Gesprächen.

Wie Sie wissen, haben wir in diesem Zusammenhang ein Gutachten von Professor Zemanek eingeholt. (Bundesrat Dr. Tremmel: Es gibt zwei Ergebnisse, Frau Staatssekretärin!) Ich möchte eine Passage daraus wörtlich wiedergeben. Ich zitiere: Da die gegebenenfalls zu behauptende Völkerrechtswidrigkeit aus einmaligen Akten in der damaligen Zeit entstanden wäre, wäre sie ausschließlich von deren Autor der untergegangenen sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien zu verantworten. – Das wollte ich dazu noch einmal sagen.

Ansonsten ist die Haltung der Bundesregierung hiezu bekannt, das heißt, ich werde nicht das wiederholen, was der Herr Außenminister erst kürzlich sehr ausführlich erwähnt hat. – Ich danke der Frau Präsidentin und dem Hohen Haus für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals, Frau Staatssekretärin.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Linzer. – Bitte.

15.43

Bundesrat Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Dankenswerterweise hat sich mein Kollege Vincenz Liechtenstein sehr ausführlich mit der Problematik der außenpolitischen Lage, des Außenpolitischen Berichtes 1997 und natürlich des EU-Präsidentschaftsjahres beschäftigt.

Wenn wir hier den Außenpolitischen Bericht 1997 diskutieren, kommen wir nicht an der Tatsache vorbei, daß das EU-Präsidentschaftsjahr oder -halbjahr für uns zweifellos ein außerordentlich bedeutendes Ereignis ist. Wir sind das erste Land der drei Beitrittskandidaten aus dem Jahr 1994, welches die Präsidentschaft übernommen hat.

Vielen Dank, liebe Frau Staatssekretärin, für Ihren Bericht, für Ihr Statement und Ihren Kommentar zu den Headlines, vor allem auch über Ihre Tätigkeit als Präsidentin oder Mitglied im Vorsitz des Rates der Europäischen Union.

Ich glaube, daß jene, die mit Augenmaß und Realitätssinn Ihre Arbeit im In- und Ausland betrachten, Ihrem Bericht Respekt und Anerkennung zollen. Diese Anerkennung wurde auch bereits aus dem Ausland signalisiert. Sie richtet sich an unsere Bundesregierung, vor allem an den Herrn Außenminister und Vizekanzler Dr. Schüssel und an Sie, Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner. Ich bin der Meinung, daß Österreich eine ausgezeichnete EU-Politik gemacht hat und daß wir uns unserer Arbeit bei Gott nicht schämen müssen.

Wenn sich der Erstredner der FPÖ, Herr Kollege Bösch, hier mit Dingen beschäftigt hat, die seiner Meinung nach einmal versprochen wurden, seiner Meinung nach aber nicht eingehalten worden sind, wie etwa Brennermaut und Sparbuch-Anonymität, wenn er diese Dinge auch gebetsmühlenartig immer wieder vorbringt – bitte, ich muß einräumen, das ist sein gutes Recht –, so würde ich doch sagen, daß das Peanuts gegenüber all jenen außenpolitischen Angelegenheiten sind, die uns heute beschäftigen: die vielen Krisenregionen in unserer unmittelbaren Umgebung oder auch in weiterer Ferne, zum Beispiel Rußland, Lateinamerika und so weiter. (Bundesrat Dr. Tremmel: Aber nicht für die Sparer, bitte!)

Ich hätte gerne gehört, Herr Kollege Bösch, daß Sie sich auch mit diesen Themen ein wenig beschäftigt hätten, etwa mit dem Kosovo. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Bösch. ) Darüber haben Sie bedauerlicherweise kein Wort verloren. Vielleicht ist Ihnen mittlerweile auch die eine oder andere soziale Tat in Ihren eigenen Reihen untergekommen. Über die Flüchtlingsproblematik hätten wir zum Beispiel gerne etwas von Ihnen gehört, aber nicht über dieses alte Thema


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 104

der Anonymität der Sparbücher, das angesichts der diversen gesetzlichen Einschränkungsmaßnahmen beinahe schon ein alter Hut ist. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Bösch. )

Sie haben sich dann auch mit Ihrem Steckenpferd, der EU-Osterweiterung, beschäftigt. Zweifellos, so möchte ich sagen, gibt es Ängste. Aber Ängste gibt es spiegelgleich auch in jenen Ländern, die in die EU hineinstreben. Diese Ängste sind vorwiegend sicherheitspolitischer Art. Länder wie Ungarn oder die Tschechische Republik wären lieber heute als morgen in der Union beziehungsweise in einer sicherheitspolitischen Abgrenzung, in einer Sicherheitsgemeinschaft. Aber sie haben auch wirtschaftliche Ängste, etwa dahin gehend, daß die Union, die sogenannten reicheren EU-Länder ihre Entwicklung nicht entsprechend gewährleisten könnten, sodaß sie den Anschluß an die EU, an Europa nicht schaffen.

Umgekehrt besteht natürlich bei uns in den Grenzregionen – das sei gar nicht geleugnet – eine gewisse Angst davor, wie diese Erweiterung funktionieren wird. Es besteht doch ein riesengroßes soziales und wirtschaftliches Gefälle zwischen uns und den angrenzenden Ländern. – Meine Damen und Herren! Tatsache ist: Derjenige, der dieses Erweiterungsthema realistisch sieht und diskutiert, muß zugeben, daß es – bei allem Verständnis für die Erweiterungsländer und auch bei einem gewissen Optimismus – vor dem Jahre 2006 oder 2010 wohl keine Erweiterung geben wird können.

Wir dürfen nicht vergessen, daß in der Zwischenzeit die Entwicklung der Europäischen Union fortschreitet. Wir arbeiten quasi an einem – vielfach wird die Union damit verglichen – riesigen Bauvorhaben, das sich stetig weiterentwickelt, auch im wirtschaftlichen Sinne. Die Erweiterungsländer ihrerseits haben aber einen Nachholbedarf. Sie sind sehr ehrgeizig. Sie haben in den letzten Jahren ein zwar unterschiedliches, aber doch bedeutendes Wirtschaftswachstum erreicht. Wir wünschen es ihnen, und es wird ihnen mittels diverser Hilfsprojekte wie Phare, Tacis und so weiter auch geholfen. Aber, wie gesagt: Inwieweit sie vom demokratiepolitischen Standpunkt her, bei der Einhaltung der Menschenrechte, der Minderheitenrechte und letztlich in wirtschaftspolitischer Hinsicht diesen Aufholprozeß schaffen, bleibt abzuwarten.

Wir, die wir im Osten Österreichs leben, glauben an die Osterweiterung zweifellos in erster Linie aus sicherheitspolitischen und friedenspolitischen Aspekten, aber natürlich auch aus wirtschaftspolitischen Gründen. (Bundesrat Dr. Tremmel: ... die Leute hinausschicken!) Wir sagen aber nicht "sofort" und "gleich", so wie Sie, Herr Kollege Tremmel, es uns immer wieder unterlegen wollen oder es unterschwellig behaupten. (Bundesrat Dr. Tremmel: Bei jeder neuen Debatte verlegen Sie das Beitrittsjahr nach hinten – 2003, 2006, 2010!)

Nein, Herr Kollege Tremmel! Diese Gebetsmühle treten Sie krampfhaft und versuchen das wider besseres Wissen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Das ist keine Gebetsmühle!) Aber ich sage Ihnen, auch wir als Unternehmer und Wirtschaftspolitiker vertreten in erster Linie die kleinen und mittleren Unternehmen. Gerade wir im Burgenland wissen, was die Unternehmer denken. Wir waren bei ihnen vor Ort und wissen, was sie brauchen. Wir werden ihre Interessen auch wahrnehmen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Endlich! Spät, aber doch!)

Wenn hier auch immer wieder gesagt wird, die Grenzregionen bekämen keine Hilfestellung, dann muß ich feststellen, es hat sich leider noch immer nicht herumgesprochen, daß es über Initiative des Europäischen Parlaments, respektive auch der ÖVP-Parlamentarier einen Entschließungsantrag gibt, der durchgegangen ist. Er ist mit der Regionalkommissarin akkordiert, und es wird diese Hilfestellungen geben. Herr Kollege Bösch! Vielleicht können Sie Ihr Manuskript für die nächste Rede dahin gehend ergänzen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ja, Herr Oberlehrer!)

Das Licht zeigt mir an, ich soll aufhören. An und für sich wäre dem Bericht der Frau Staatssekretärin sachlich nichts hinzuzufügen gewesen. (Bundesrat Dr. Tremmel: So ist es!) Frau Staatssekretärin! Nochmals herzlichen Dank und meinen Respekt für Ihre Arbeit.

Die ÖVP wird dem Außenpolitischen Bericht selbstverständlich zustimmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.52


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 105

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Mag. Gudenus. – Herr Bundesrat! Ich darf Sie nur darauf aufmerksam machen, daß wir die Debatte um 16 Uhr für die Behandlung der dringliche Anfrage unterbrechen müssen. Ich hoffe, daß Sie Ihren Redebeitrag zeitlich entsprechend einteilen können.

15.52

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Staatssekretärin! Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kollegen und Kolleginnen! Wir haben jetzt schon mehrfach Äußerungen zum Außenpolitischen Bericht gehört. Auch die Frau Staatssekretärin war sehr bemüht, und es ist ihr gelungen, diesen Bericht sehr verständlich darzustellen.

Nachdem das Lob der Regierungsparteien großteils auf die Regierungsmitglieder fällt – von deren Warte aus wahrscheinlich zu Recht –, möchte ich zumindest jene, die wesentlich an diesem Bericht mitgearbeitet haben, loben. Außerdem möchte ich auch jene ausdrücklich loben, die diese vielen Konferenzen in einer Art "Reise-Konferenz-Tourismus" bewerkstelligen. Sie arbeiten auftragsbezogen und können für die Ergebnisse relativ wenig. – Das sei jetzt wertfrei gesagt; es mögen gute oder weniger gute Ergebnisse gewesen sein. Ich meine, die Beamtenschaft hat sehr gute Arbeit geleistet, und das soll auch von diesem Platz aus gesagt sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Staatssekretärin! Als ich gehört habe, wie Sie das Wort "Pörtschach" ausgesprochen haben – "wir sind noch immer bei Pörtschach", haben Sie gesagt –, da fiel mir auf – rein phonetisch, aber es mag auch ein kleiner Irrtum beim Hören gewesen sein –, Sie sagten: "Pörtsch-" und dann das "-ach" so gedehnt hintennach. (Heiterkeit.) Es mag ein kleiner Irrtum gewesen sein, wie gesagt. Vielleicht war es von Ihnen nicht so gemeint, aber ich habe es so empfunden. Ich würde meinen, es trifft die Sache nicht so schlecht, wenn "Pörtsch – Ach und Weh!" gesagt werden würde, denn es ist nicht so, daß alles, was dort besprochen wurde, so herrlich ist.

Sie erwähnten besonders die vielen interessanten Impulse. Über diese Impulse, die Sie erwähnt haben, werden wir vielleicht in Berichten lesen; Sie haben uns nicht viele dieser Impulse genannt. Aber Sie erwähnten dann auch die vielen Vorgaben, die zu "Ausflüssen von Pörtschach" führen würden. – Das halte ich schon für etwas schwieriger, aber nehmen wir es immerhin so, wie es gemeint ist. Wir werden noch manches zu hören bekommen, was in Pörtschach stattfand. Die Medienberichterstattung darüber war nicht gerade himmelhoch jauchzend. "Der Gipfel der Erwartungslosigkeit" wurde dieses Treffen zum Beispiel in einer großen österreichischen Zeitung genannt.

Sie meinten weiter, das Wort "Subsidiarität" wurde in Pörtschach besonders ausführlich behandelt. – Vor wenigen Wochen fand in Deutschland, in Frankfurt, eine Tagung der Friedrich-List-Gesellschaft statt, und dort wurde gesagt – ich zitiere –: Das Wort "Subsidiarität" ist eine inhaltlich leere, nicht justitiable, für Zentralisierung wie für Dezentralisierung verwendbare Formel und daher politisch ungeeignet. – Ende des Zitats.

Es ist also eine Leerformel, und es wäre gut, wenn wir das zur Kenntnis nähmen. Mit "Subsidiarität" können wir nichts anfangen. Wir wollen eine gelebte, nach unten, der Bevölkerung zugewandte Verwaltung und Politik und nicht ein nach oben gehobenes, von der Bevölkerung abgehobenes, durch manche Berichte nicht klarer werdendes Agieren, zu dem auch Pörtschach gehört hat.

Meiner Ansicht nach war die überraschende Konferenz der Verteidigungsminister am erfolgreichsten. Sie war nicht vorgesehen und hat spontan stattgefunden, das war eine einmalige Handlung. Ich bedauere nur, daß unser Verteidigungsminister nicht mehr Geld für ein Verteidigungsbudget herausholen konnte. Grundsätzlich, so muß ich sagen, war die Idee hervorragend, weil sie auch unseren Überlegungen einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft oder europäischen Verteidigungsunion, oder wie immer man das nennt – auch "NATO" genannt oder "Neue NATO"; keiner weiß, was das ist –, am nächsten kommt. Daher sehe ich in dieser überraschenden Aktion des Verteidigungsministers eine der vielleicht zukunftsweisendsten Aktionen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 106

Es ist weiters in diesem Außenpolitischen Bericht und auch von den Rednern die Klima-Konferenz erwähnt worden. – Ich meine, diese Klima-Konferenz ist eine jener typischen Konferenzen, von denen man eigentlich nur sagen kann: Globetrottende Minister und Beamte fahren von einem schönen Konferenzort zum nächsten und bringen immer neue Absichtserklärungen für die Zukunft mit. – Ich bin auch für die Zukunft, aber bei dieser Konferenz ist wieder nichts herausgekommen.

Es wurde gesagt, in zwei Jahren – oder wann immer die nächste Klima-Konferenz stattfindet – wird das stattfinden, was wir uns eigentlich für diese Konferenz erhofft hatten. Ich finde, die Beamten sollen zu Hause bleiben, und die Minister sollen auch nicht ständig auf Achse sein oder sich ins Flugzeug setzen, sondern einmal zu Hause ordentlich wirtschaften. Hier in Österreich ist Politik zu machen! Wir haben Botschafter, wir brauchen dieses ständige Karussell von herumfahrenden Politikern nicht!

Zum europäischen Haushalt: Frau Staatssekretärin! Sie haben im Zusammenhang mit dem Euro eine europäische Finanzvorschau erwähnt. – Es wäre vielleicht wichtiger gewesen, Frau Staatssekretärin, einen Finanzrückblick zu geben, denn dieser EU-Finanzrückblick ist erschreckend und traurig. Die EU – in den Medien ist darüber berichtet worden – verschlampt jährlich 969 Milliarden Schilling oder 70 Milliarden Ecu. Genaueres werden wir wahrscheinlich nie erfahren, aber die Größenordnung wird in etwa stimmen.

Das ist etwas, was mich viel mehr interessiert: nicht die Vorschau, sondern der Rückblick und das, wie man so etwas in Zukunft verhindern will, Frau Staatssekretärin! Wir alle sind Steuezahler! Wir wollen doch nicht in ein paar Jahren wieder lesen, daß noch einmal 1 Milliarde Schilling irgendwo hinverpufft ist! (Bundesrat DDr. Königshofer hält eine Ausgabe der "Tiroler Tageszeitung" in die Höhe.) Ich sehe die "Tiroler Tageszeitung". Was steht denn da Schönes? – (Bundesrat DDr. Königshofer: "EU zahlt 22 Milliarden für die Vernichtung von Kälbern!")  – Sehen Sie! Das ist ungeheuerlich, was da gemacht wird! Ich glaube, da werden manche Dinge ... (Lebhafte Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Unruhe im Saal.) – Genau: 22 Milliarden.

Was weiter Kritik herausfordert – das können Sie unserem ehemaligen Minister Fischler, aber auch unserem Landwirtschaftsminister sagen –, ist, daß die Subvention für Lebendtiertransporte erhöht wird! Wenn wir hören und lesen – es steht heute in der Zeitung –, daß Lebendtiertransporte weiterhin mit 8 Prozent subventioniert werden, dann ist das ein Schlag ins Gesicht von uns Parlamentariern!

Ich glaube, wir alle hier im Haus vertreten die Meinung, daß man gerade nicht lebende Tiere, sondern nur tote Tiere transportieren sollte. Sogar die Wertschöpfung beim toten Tier ist höher als beim lebenden Tier. Nun wird mit erhöhten Subventionen gerade das gefördert, was wir österreichischen Parlamentarier – mit wenigen Ausnahmen – nicht wollen.

Frau Staatssekretärin! Da muß etwas unternommen werden. Da ist zwar keine Gefahr in Verzug, aber da ist steigendes Tierleid im Kommen. Ich lehne Tierleid ebenso ab wie Menschenleid. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nun zum Thema Menschenrechte: Wir Freiheitlichen leben die Menschenrechte. Unsere Klubobfrau Dr. Riess-Passer hat im Frühjahr eine Menschenrechtskonferenz in Wien veranstaltet, an der hochrangige amerikanische Vertreter teilnahmen. Für uns Freiheitliche sind die Menschenrechte kein Spleen des Westens, sondern ein wesentlicher Teil der gesellschaftlich-zivilisatorischen Entwicklung. Menschenrechte und Demokratie lassen sich von der Marktwirtschaft nicht trennen. Dieser Umstand ist für uns wichtig, aber er kommt im gesamten Außenpolitischen Bericht 1997 nicht zum Tragen.

Ich will später mit meinen Ausführungen fortfahren, denn es ist jetzt 14 Uhr, und wir kommen daher zur Behandlung der dringlichen Anfrage. (Bundesrat Konečny: 16.00 Uhr! Sie müssen zwei Stunden dazugeben, um auf die Höhe der Entwicklung zu kommen!) Ich bin froh, daß ein solch gescheiter Mann wie unser Freund Konečny weiß, wie spät es ist. Ich danke vielmals für


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 107

diesen Zwischenruf. Vielleicht fällt Ihnen auch noch etwas Besseres ein. (Bundesrat Konečny: Das werde ich doch nicht an Sie verschwenden!)

Derzeit ist der türkische Präsident zu Besuch in Österreich.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesrat Mag. Gudenus! Ich muß die Sitzung laut Geschäftsordnung um 16 Uhr unterbrechen. Ich bitte Sie zum Schluß zu kommen.

Bundesrat Mag. Gudenus (fortsetzend): Ich fahre nachher weiter fort! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Gut. Sie haben dann noch 3 Minuten Redezeit zur Verfügung.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Ernest Windholz, Dr. Paul Tremmel und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die katastrophalen Verhältnisse im Vollzug des Schengen-Abkommens (1538/J-BR/98)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir unterbrechen die Verhandlungen zur Tagesordnung und gelangen zur Behandlung der dringlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Riess-Passer und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Inneres.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ist der Herr Minister schon auf dem Weg hierher? (Rufe: Ja, er ist schon im Hause!)  – Frau Dr. Riess-Passer! Ich darf Sie bitten, als Anfragestellerin das Wort zu ergreifen. Der Herr Bundesminister ist im Hause, er ist auf dem Weg in den Sitzungssaal. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ich glaube nicht, daß es einen Sinn hat, die Anfrage zu begründen, ohne daß der Herr Bundesminister anwesend ist.)

Er ist im Haus und auf dem Weg hierher. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ich weiß nicht, wie er eine Anfrage beantworten soll, wenn er die Begründung nicht hört!) – Wir warten gerne, bis er seinen Platz eingenommen hat. (Bundesminister Mag. Schlögl, im nächsten Augenblick den Saal betretend: Ich habe draußen eine Dreiviertelstunde gewartet!)

Ich bitte Frau Dr. Riess-Passer, zur Begründung der dringlichen Anfrage das Wort zu ergreifen.

16.04

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Am vergangenen Wochenende ist an der österreichisch-italienischen Grenze am Brenner eine absolute Krisensituation entstanden, deren ursächliches Problem entgegen der Darstellung mancher Medien und auch entgegen Ihrer Darstellung, Herr Bundesminister, bis heute nicht bereinigt ist. Sie haben in den letzten Tagen alles darangesetzt, es so darzustellen, als handle es sich um ein temporäres Problem im Zusammenhang mit der Verhaftung des Chefs der kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, in Rom.

Das war aber tatsächlich nur der unmittelbare Anlaß, der ein Problem ungleich größeren Ausmaßes offensichtlich gemacht hat. Eigentlich wollte die italienische Polizei, als sie Samstag nacht die Kontrollen am Brenner aufnahm, lediglich die Einreise von türkischen Staatsangehöri-gen kurdischer Abstammung genau unter die Lupe nehmen. Hunderte Kurden, die vorwiegend in Deutschland leben, wollten nämlich zu einer Demonstration gegen die Verhaftung Öcalans nach Rom reisen.

Im Zuge der genauen Kontrollen gingen der italienischen Polizei allerdings zahlreiche Illegale aus aller Welt, die von Schlepperorganisationen nach Italien gebracht werden sollten, ins Netz. Mehrere hundert Menschen aus Pakistan, Indien, Ägypten, Marokko, Bangladesch, dem ehemaligen Jugoslawien und China saßen auf dem Brenner fest.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 108

Deutschland, das eigentlich verpflichtet gewesen wäre, diese Menschen zurückzunehmen, hat sich ab Montag geweigert, sich dem Abkommen gemäß zu verhalten, und zwar mit der Begründung, es seien in Deutschland keine Schubhaftplätze mehr frei.

Ich selbst war am Montag auf dem Brenner und habe gesehen, welch unhaltbare Situation für die wenigen dort stationierten Beamten entstanden ist. Die Beamten, die teilweise seit Freitag ununterbrochen im Dienst waren, hatten für Unterkunft und Verpflegung aller Aufgegriffenen, unter denen auch mehrere Kinder waren, zu sorgen, was ohne die freiwillige Hilfe des Roten Kreuzes in Stainach, das seit Samstag ununterbrochen im Einsatz war, gar nicht möglich gewesen wäre. Das Innenministerium – und damit Sie, Herr Bundesminister – hat tagelang auf diese Situation überhaupt nicht reagiert, und auch dann haben Sie sich darauf beschränkt, die Lage so darzustellen, als ob das Problem ohnehin schon gelöst wäre. Das – das möchte ich Ihnen hier sagen, Herr Bundesminister – ist absolut falsch und eine geradezu fahrlässige Verharmlosung der tatsächlichen Zustände.

Was nämlich in den letzten Tagen in dramatischer Weise offensichtlich geworden ist, ist die Tatsache, daß, wie der Leiter des Bundesasylamtes in Innsbruck festgestellt hat, derzeit aus ganz Europa Flüchtlingsströme auf den Weg in den Süden sind. Dafür gibt es mehrere Ursachen.

Zum einen gibt es in Deutschland die Vorgabe, daß all jene Ausländer, deren Aufenthaltstitel noch in diesem Jahr auslaufen – das sind zwischen 250 000 und 300 000 Personen – rigoros abzuschieben sind. Viele von ihnen versuchen nun, der drohenden Abschiebung ins Heimatland durch die Flucht nach Italien oder in ein anderes EU-Mitgliedsland zu entgehen.

Zum anderen hat die italienische Regierung versprochen, 7 000 Einbürgerungen vorzunehmen und weiteren 30 000 Flüchtlingen eine Aufenthaltsgenehmigung in Italien zu geben. Die Aussicht auf diese Möglichkeit hat einen Ansturm auf Italien ausgelöst, und dieser Ansturm hat bei weitem noch kein Ende.

Es war zum Beispiel sehr interessant, am Mittwoch morgen in den Acht-Uhr-Nachrichten im Radio zu hören, die Situation am Brenner habe sich entspannt, und genau 18 Minuten später, um 8.18 Uhr, per APA-Meldung zu erfahren, daß weitere 40 Illegale aufgegriffen wurden – von der Dunkelziffer gar nicht zu reden.

Dazu kommt noch – auch das ist eine Situation, die dringend eine Reaktion erfordert –, daß Deutschland zwar strengste Kontrollen bei der Einreise auf deutsches Staatsgebiet durchführt, bei der Ausreise aus Deutschland aber, wie man in den letzten Tagen gesehen hat, beide Augen zudrückt. Österreich bleibt da in der Doppelmühle zwischen Deutschland, das die Illegalen ausreisen läßt, und Italien, das durch die "Aktion scharf" an seiner Grenze zu Österreich die Einreise dort verhindert, übrig.

Das Fazit, das man aus diesen Zuständen ziehen muß, ist zweifelsfrei, daß das Konzept von Schengen, sprich: das System der offenen Grenzen, auf der ganzen Linie gescheitert ist. Das ist auch in den Meldungen mehrerer Medien nachzulesen. Die "Salzburger Nachrichten" haben zum Beispiel die Schlagzeile gehabt: ",Aktion scharf‘ legt Schengens Lücken bloß."

Ich frage Sie daher, Herr Bundesminister, ob Sie bereit sind, daraus die notwendigen Schlußfolgerungen zu ziehen und dafür zu sorgen, daß Österreich seine Grenzen wieder streng kontrolliert und das Abkommen von Schengen aussetzt. Daß dies möglich ist, hat Frankreich in einem anderen Fall schon bewiesen, das zu einem Zeitpunkt, zu dem es bereits Schengen-Mitglied war, aufgrund einer internen Krisensituation sehr wohl seine Grenzen dichtgemacht hat.

Eine wirksame Grenzkontrolle setzt aber natürlich auch voraus, daß die personelle und auch die technische Ausstattung der Exekutive entsprechend verstärkt werden. Sie, Herr Bundesmini-ster, haben, soferne ich das richtig in Erinnerung habe, gestern in den Medien von der Hoffnung auf tausend zusätzliche Planstellen gesprochen. Da drängt sich natürlich die Frage auf, wann es diese zusätzlichen Planstellen geben wird. Man muß natürlich auch dazusagen, daß das Planstellen sein werden, die für das gesamte Bundesgebiet zur Verfügung stehen werden, das


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 109

heißt, die sich auf das gesamte Bundesgebiet verteilen werden und zur Aufstockung der Exekutive in den Grenzbereichen keinesfalls ausreichen werden.

Daß die Situation nicht nur am Brenner kritisch ist, sondern auch in anderen Grenzbereichen kann man täglich in den Medien nachlesen. Gerade heute gab es in der "Presse" wieder einen Bericht über die Zustände an der Grenze in Marchegg, wo auch laufend Illegale aufgegriffen werden und wo die Ausstattung der Exekutivbeamten unzureichend ist und wo auch das Per-sonal, das dort zum Einsatz kommt, absolut nicht ausreicht, um den Zuständen dort Herr zu werden.

Für die konkrete Situation auf dem Brenner heißt es natürlich auch, daß die Gendarmerie das breite Feld der Aufgaben aufgrund der personellen Unterbesetzung unmöglich mehr abdecken kann. Eine Situation wie die am Wochenende eingetretene führt natürlich dazu, daß die Einsatzkräfte zur Gänze gebunden sind und keinerlei Verkehrskontrollen mehr durchgeführt werden können. Auch die beiden Busse, die an sich für die Ökopunktekontrollen eingesetzt werden sollten, stehen nicht mehr zur Verfügung, weil sie zum Transport für die Illegalen benötigt werden.

Für die Kontrolle des gesamten LKW-Verkehrs, einschließlich für Wiegung, für Ökopunktekontrollen, für Tiertransportkontrollen, für die Kontrolle der Einhaltung der Nachtfahrverbote und Wochenendfahrverbote, und für die Kontrolle der illegalen Migration hat das Bundesland Tirol im Ausgleich lediglich einige wenige Planstellen für die Verkehrsgendarmerie dazubekommen.

Dazu kommt noch der enorme Verwaltungsaufwand, den die Beamten zu bewältigen haben. Ich habe mir das selbst angeschaut: Ein Akt über den Aufgriff von vier Geschleppten mit zwei Verhaftungen hat 200 Seiten, der in vierfacher Ausfertigung an die zuständigen Stellen zu verschicken ist. Es besteht in den betroffenen Dienststellen nicht einmal eine Vernetzung zwischen den vorhandenen Computern und den Fax-Geräten. Das heißt, daß all das händisch kopiert und händisch verteilt und mit Auto und unter Beamteneinsatz an die zuständigen Stellen und an das Gericht transportiert werden muß.

Dazu kommen weiters geradezu groteske Regelungen auf der gesetzlichen Ebene, was den Tatbestand der Schlepperei betrifft. Es gibt im Fremdengesetz die Regelung, daß Schlepperei erst ab einer rechtswidrigen Ein- und Ausreise von mehr als fünf Personen strafbar ist.

Das führt natürlich innerhalb kürzester Zeit dazu, daß sich die organisierte Kriminalität und das organisierte Schlepperwesen selbstverständlich darauf einstellen. So wurden in den letzten Wochen zunehmend Kleintransporte mit PKWs und Taxis durchgeführt. Das funktioniert dann so, daß Taxis – entweder aus Deutschland, aber auch aus Tirol – mit vier bis fünf Fahrgästen über die Grenze fahren. Der Taxifahrer sagt dann: Das sind Fahrgäste, die mir einen Fahrpreis bezahlt haben; ich habe nicht kontrolliert, ob es sich dabei um legale oder illegale Ausländer handelt!

Es besteht also keine Möglichkeit, strafrechtlich oder mit einer Verwaltungsstrafe vorzugehen, sondern es kommt allenfalls zu einer Anzeige auf freiem Fuß, die, wie mir berichtet wurde, meistens im Sand verläuft.

Herr Bundesminister! Ich möchte daher mit allem Nachdruck an Sie appellieren, diese Situation nicht zu verharmlosen. Das war keine Wochenendkrise, sondern das ist ein Alarmzustand – nicht nur an der Brennergrenze, sondern auch an den anderen Grenzübergängen. Man muß sich nur die Meldungen betreffend die Aufgriffe von Illegalen in der heutigen Nacht anschauen, um das bestätigt zu bekommen. In der Südsteiermark zum Beispiel wurden 21 Kosovo-Albaner aufgegriffen. Auch auf der niederösterreichisch-tschechischen Grenze wurden wieder mehrere Illegale aufgegriffen. Selbstverständlich war das auch an der Grenze in Kufstein der Fall. Dort hat man jetzt zusätzliche Kontrollen eingeführt.

Noch bevor die Krise auf dem Brenner eingetreten ist und der neue Nord-Süd-Schleppertransit dadurch offensichtlich geworden ist, hat der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Herr Sika, der in solchen Zusammenhängen sehr viel zitiert wird, bereits gesagt, dem Migrationsdruck sei nicht mehr lange standzuhalten, es brenne an allen Ecken und Enden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 110

Allein die Zahl der aufgegriffenen Schlepper und illegalen Grenzgänger ist von Jänner bis September – nach Ihren eigenen Angaben, Herr Bundesminister! – um 45 Prozent gestiegen. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich um ein Vielfaches höher. Wenn man sich die Medienberichte über die Zustände in unseren Nachbarländern ansieht, dann weiß man, daß die Situation in Europa insgesamt dramatisch ist.

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat vor wenigen Tagen einen sehr ausführlichen Artikel über diese Problematik veröffentlicht, in welchem es unter anderem heißt: All diese Probleme lassen sich nicht mehr im nationalen Rahmen lösen, denn alle Länder West- und Südeuropas sehen sich dem Druck zweier großer Zuwanderungsströme ausgesetzt. Der eine Strom kommt aus Afrika, von wo aus immer mehr Menschen über Spanien und Italien in die EU illegal einreisen. Der zweite Strom kommt aus dem Osten, den ehemaligen kommunistischen Ländern Europas, schließlich aus Krisenregionen wie den Kurdengebieten in der Türkei, dem Irak und Iran, aus Afghanistan, China, Vietnam, Pakistan, Bangladesch und anderen asiatischen Ländern. Mitarbeiter von Europol schätzen, daß jedes Jahr etwa 300 000 Menschen in die EU geschleust werden. Polnische Sicherheitsfachleute und Bundesnachrichtendienst vermuten, daß jenseits der deutschen Ostgrenze mehr als 1 Million Menschen nach einer Möglichkeit suchen, auf irgendeine Weise nach Deutschland einzureisen.

Schengen – das ist damit klar geworden – ist auf der ganzen Linie gescheitert. Es hat Österreich nicht nur Milliardenkosten für Aufwendungen beschert, an denen sich die Europäische Union mit keinem Schilling beteiligt, obwohl wir 1 400 Kilometer EU-Außengrenze zu sichern haben, sondern es ist auch nicht geeignet, an den Binnengrenzen der EU-Staaten für Sicherheit zu sorgen. Das führt zu einem enormen Sicherheitsrisiko für die österreichische Bevölkerung, und wir würden gerne von Ihnen, Herr Bundesminister, wissen, was Sie konkret tun werden, um dieses Problem zu lösen, denn Schönreden und Probleme und Fakten zu ignorieren, wie das in den letzten Tagen von vielen Seiten – nicht nur von Ihnen, sondern von vielen anderen Seiten auch – der Fall war, ist sicher nicht dazu angetan, dieses Problem zu lösen. Es wird nicht genü-gen, auf diese Weise weiterzumachen. Das ist eine Vorgangsweise, die in höchstem Maße ver-antwortungslos ist. Deswegen bitte ich Sie, heute in Ihrer Beantwortung unserer dringlichen Anfrage die an Sie gestellten Fragen entsprechend konkret zu beantworten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung der dringlichen Anfrage hat sich der Herr Bundesminister für Inneres zu Wort gemeldet. – Ich bitte ihn, das Wort zu ergreifen.

16.16

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Bundesrätin Riess-Passer! Ich bin der Freiheitlichen Partei sehr dankbar, daß sie mir heute diese dringliche Anfrage gestellt hat, und zwar aus zwei Gründen: Der erste Grund ist der, daß Sie in dieser dringlichen Anfrage an mich meiner Meinung nach in hervorragender Weise aufgelistet haben, was in den letzten Jahren alles im Bereich des Innenministeriums geschehen ist, welche Investitionen wir getätigt haben, welche Geldmittel dafür ausgegeben worden sind und wie sich die Aufgriffszahlen entwickelt haben. Das ist so gut zusammengestellt, daß ich die Inhalte dieser Anfrage gerne für meine Referattexte in der näch-sten Zeit verwenden werde. Ich habe mir dadurch eine Menge Arbeit erspart. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Bieringer. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zweite Grund, weshalb ich dankbar bin, ist der Umstand, daß Ihre dringliche Anfrage von heute sehr eindrucksvoll beweist, in welchem Spannungsfeld wir in Österreich in dieser Problematik stehen und wie unterschiedlich die politischen Positionen sind. Vor einigen Tagen ist der Innenminister, sind das Parlament und die Öffentlichkeit unter dem Eindruck der Diskussion gestanden: Ist es sinnvoll, das Asylgesetz zu verschärfen? Soll man das Asylgesetz aufmachen? Wie soll die Zuwanderung erfolgen? – Heute und in den letzten Tagen hat sich gleichzeitig eine andere Diskussion rund um die Ereignisse an der Brennergrenze entwickelt, in welcher genau die gegenteilige Position vertreten wird. An


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 111

gesichts dessen ist es sehr schwierig, da einen konstruktiven und guten Mittelweg zu gehen, und zwar einerseits zu garantieren, daß Österreich ein Land ist, das bereit ist, Menschen, die in Not sind oder die aus politischen, ethnischen oder religiösen Gründen verfolgt werden, Schutz und Hilfe zu geben, andererseits aber auch zu garantieren – ich sage das sehr bewußt so –, daß Österreich nicht vom Migrationsstrom erdrückt wird.

Das ist eine Situation, der nicht nur Österreich ausgesetzt ist, sondern von der auch andere Staaten in Europa betroffen sind. Das wird – wie auch Sie es in Ihrer dringlichen Anfrage formuliert haben – auch von den anderen Staaten so gesehen – ob das jetzt Deutschland ist, ob das Italien ist, ob das Frankreich ist, ob das die Beneluxstaaten sind oder ob das Großbritannien und viele andere Staaten mehr sind. Darauf müssen wir gemeinsam eine Antwort geben, und diese Antwort wird nicht leicht sein. Es wird auch nicht leicht sein, immer mit den richtigen Mitteln zu agieren.

Ich möchte zu dem Wochenende und zu den Ereignissen der letzten Tage an der Brennergrenze sagen, daß ich sie in keiner Weise verharmlosen möchte, sondern daß ich gesagt habe, daß es eine Sondersituation ist, und dazu stehe ich auch heute noch. Es war eine Sondersituation, die sich am letzten Wochenende entwickelt hat. Das hat im wesentlichen zwei Gründe gehabt: Der erste Grund ist die Verhaftung des PKK-Führers Öcalan in Italien, die dazu geführt hat, daß Hunderte, ja Tausende Kurden aus verschiedenen Teilen Europas nach Italien gereist sind, um dort zu demonstrieren. Das waren zum Großteil Kurden, die in Deutschland, aber auch in anderen EU-Staaten, gültige Aufenthaltsbewilligungen haben und denen deshalb auch jederzeit die Durchreise durch Österreich gestattet ist.

Der zweite Grund für diese Sondersituation – das haben Sie auch richtigerweise in Ihrer dringlichen Anfrage geschrieben – ist die Tatsache, daß die italienische Regierung – meiner Meinung nach mißverständlich – in der Öffentlichkeit die Ankündigung gemacht hat, daß sie den Aufenthaltsstatus eines Teils der Drittstaatsausländer, die in Italien sind, legalisiert. Das hat dazu geführt – wenn Sie bei unseren Kolleginnen und Kollegen auf dem Brenner gewesen sind und mit ihnen geplaudert haben, werden Sie das auch bestätigt bekommen haben –, daß diesen Strom der Kurden, die in Italien demonstrieren wollten, viele Illegale zu nutzen versucht haben, um nach Italien zu kommen und dort einen legalen Aufenthaltsstatus zu erlangen.

Es hat sich dort Dramatisches abgespielt, beispielsweise in Rom und in anderen Städten. Wenn der österreichische, der deutsche oder irgendein anderer Innenminister in der Weise vorgegangen wäre, wie das die italienischen Behörden getan haben, wäre die Kritik sehr scharf gewesen. In Italien ist das offensichtlich möglich. Doch das zeigt auch, daß ich politisch richtig handle, wenn ich sage, daß es, obwohl wir uns dabei schwertun, richtig ist, daß wir in Österreich den Aufenthalt jener Menschen nicht legalisieren, die in Österreich Asyl beantragen, dieses Asyl jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht bekommen, aber gleichzeitig nicht abgeschoben werden können, weil wir nicht wissen, in welches Land wir sie abschieben können, weil wir nicht wissen, aus welchem Land sie kommen, oder weil das ursprüngliche Land nicht bereit ist, sie aufzunehmen, oder weil ihnen aus anderen Gründen unter Umständen die Todesstrafe drohen kann. Das ist deswegen meiner Meinung nach richtig, weil das – obwohl die wenigen hundert, die das betrifft, kein Problem für Österreich darstellen – ein Präjudiz für die Zukunft wäre. Dann würden nämlich – dessen müssen wir uns bewußt sein – alle Illegalen nach Österreich strömen, und dann hätten wir jedes Jahr dieses Problem von neuem, allerdings in größerem Ausmaß. Daher ist der österreichische Weg der bessere.

Wir haben einen sogenannten Integrationsbeirat geschaffen, in welchem verschiedene Institutionen, auch nichtstaatliche Organisationen wie Caritas, Amnesty International und eine Reihe von anderen Organisationen, mitwirken und in welchem wir die Möglichkeit haben, zusätzlich humanitären Aufenthalt zu geben, auch wenn kein Asyl gewährt worden ist. Da können wir punktgenau jene treffen, die tatsächlich davon betroffen sind. Im heurigen Jahr haben wir bereits 240 solcher humanitärer Aufenthaltsbewilligung gewährt. Ich halte das für viel besser als eine Pauschallegalisierung, wie es beispielsweise in Italien der Fall ist.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 112

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen, sind die Punkte, die mich mit dieser Ihrer dringlichen Anfrage verbinden und bei dem ich glaube, daß Sie recht haben.

Ich möchte nochmals betonen, daß ich bei dem, was sich auf dem Brenner abgespielt hat, von einer Sondersituation gesprochen habe. Aber das, was Sie jetzt zitiert haben, nämlich was sich in den letzten Tagen in Marchegg, in der Steiermark, in Spielfeld oder woanders abgespielt hat, sehe ich einfach nicht als eine Krisensituation an. Das ist schon alltägliche Realität geworden. Wir werden im heurigen Jahr hochgerechnet zirka 17 000 bis 18 000 illegale Grenzgänger festnehmen. Wenn Sie damit den Tagesdurchschnitt errechnen, kommen Sie im Schnitt auf 50 illegale Grenzgänger, die wir pro Tag festnehmen. Das ist leider Realität geworden, und wir müssen uns dessen bewußt sein, daß sich diese Situation in den nächsten Jahren nicht verändern wird.

Auch wenn wir eine Mauer um Österreich bilden würden, wenn wir die 1 400 Kilometer lange EU-Außengrenze – zum Osten sind es rund 1 260 Kilometer – mit der dreifachen oder der zehnfachen Anzahl von Grenzgendarmen sichern würden, würde dieser Druck nicht nachlassen, sondern würde in derselben Weise seine Fortsetzung finden, weil die Ursache nicht darin besteht, daß Österreich seine Grenzen gut oder weniger gut kontrolliert, sondern darin, daß immer mehr Menschen aus ihren Herkunftsländern nach Österreich, nach Deutschland oder in andere Staaten flüchten, weil sie aufgrund der sozialen, der wirtschaftlichen, der ökonomischen Situation in ihren Herkunftsländern keine Perspektive sehen und deshalb hoffen, im "goldenen Westen" eine neue Heimat, eine neue Zuflucht zu finden.

Das sind Überlegungen, die ich persönlich verstehe und auch akzeptiere; unsere Aufgabe muß es allerdings sein, alles zu tun, um diesen Zustrom – den Zustrom von Wirtschaftsflüchtlingen, den Zustrom von Armutsflüchtlingen – so weit wie möglich zu verhindern. Doch da müssen wir auch noch andere Maßnahmen setzen als jene, daß wir wirkungsvoll unsere Grenzen sichern. Da ist es genauso unsere Aufgabe, daß wir alles daransetzen, daß die Situation in den Herkunftsländern besser wird. Nur dann können wir erreichen, daß dieser Zufluchtsstrom an Flüchtlingen langsam zu Ende geht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin auch nicht Ihrer Ansicht, daß wir in diesem Zusammenhang zu spät reagiert haben. Gerade im Gegenteil! Wir haben sehr bewußt, sehr vorsichtig, aber doch sehr rasch reagiert, und allein die Tatsache, daß wir in Zusammenarbeit mit Italien und mit Deutschland innerhalb kürzester Zeit all die Flüchtlinge wieder nach Deutschland zurückstellen konnten und kein einziger in Österreich geblieben ist, zeigt, daß diesbezüglich die Zusammenarbeit sehr gut funktioniert hat.

Meine Damen und Herren von den Freiheitlichen! Auch dem, was Sie heute gesagt haben und was Ihr Parteivorsitzender Jörg Haider gesagt hat, kann ich nicht zustimmen, daß es nämlich droht, daß fast 300 000 Ausländer aus Deutschland nun nach Österreich kommen werden oder daß sie durch Österreich ziehen werden. Ich habe mich nämlich aufgrund dieser Aussage bei unseren deutschen Freunden erkundigt, und diese konnten diese Angaben in keiner Weise bestätigen. Das einzige, was sie bestätigt haben, ist, daß rund 330 000 bis 350 000 bosnische Kriegsflüchtlinge in Deutschland gewesen sind und daß davon in der nächsten Zeit eine große Zahl ihre Aufenthaltsbewilligung verlieren und nach Bosnien zurückkehren wird.

Diese Menschen sind bereits zum Teil nach Bosnien zurückgekehrt, und zwar nach deutschen Angaben bis zu 200 000, und die restlichen sollen in den nächsten Monaten zurückkehren. All diese Menschen sind größtenteils durch Österreich nach Bosnien zurückgekehrt. Wir haben ihnen die Möglichkeit des Transportes durch Österreich gegeben, wobei ein Abkommen mit Deutschland geschlossen worden ist, das regelt, daß all diejenigen, die diese Gelegenheit dazu benützen, in Österreich zu bleiben, dann, wenn sie von uns festgenommen worden sind, wieder nach Deutschland zurückgestellt werden können. Das hat sich sehr bewährt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen! Es ist auch falsch, daß Schengen gescheitert ist. Gerade im Gegenteil! Die Entwicklung der letzten Tage hat gezeigt, daß es sich bewährt hat. Ich nenne Ihnen einige Zahlen:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 113

Im vergangenen Jahr hatten wir in Tirol noch geschlossene Grenzen zu Italien und auch ge-schlossene Grenzen zu Deutschland. Dort haben wir im vergangenen Jahr zum selben Zeit-punkt wie jetzt 500 illegale Grenzgänger festgenommen. Im heurigen Jahr haben wir seit April offene Grenzen und haben mehr als 1 000 illegale Grenzgänger aufgegriffen. Das ist doch ein Zeichen dafür, daß es trotz offener Grenzen sehr wohl gelingt, durch Schleierfahndung, durch spezielle Maßnahmen zusätzliche illegale Grenzgänger festzunehmen. Natürlich ist nicht auszuschließen, daß der Zustrom auch stärker geworden ist, aber nicht in diesem Ausmaß. Es wird sicherlich ein Teil davon sein, aber die Zahl 1 000 zeigt auch, daß sich unsere Schleierfahndung, unsere Maßnahmen, die wir im unmittelbaren Grenzbereich setzen, bewähren und sehr wirksam sind.

Aus diesem Grunde glaube ich, daß all das, was in dieser Ihrer dringlichen Anfrage von Ihnen gefordert wird, nicht richtig ist. Es ist auch Ihre Ansicht nicht richtig, daß wir völlig umsonst 3 Mil-liarden Schilling an der Außengrenze investiert haben. Auch wenn wir nicht Mitglied der Europäischen Union geworden wären, hätten wir dieses Geld investieren müssen, weil die Problematik für uns dieselbe gewesen wäre, nur hätten wir dann keine offene Grenze zu Deutschland und zu Italien. Da gebe ich Ihnen schon recht. Dafür hätten wir aber an der Grenze genügend Personal gebraucht.

Ich glaube, zusammenfassend sagen zu können, daß es sinnvoll, richtig und gut war, daß wir der EU aus diesen Sicherheitsüberlegungen beigetreten sind, daß es sinnvoll, wichtig und gut ist, daß wir das Schengener Übereinkommen erfüllen, und daß die offene Grenze zu Deutsch-land und zu Italien kein zusätzliches Risiko gebracht hat, sondern – gerade im Gegenteil – in der Kooperation sehr viele Vorteile hat.

Ich darf nun Ihre Fragen in kurzer Form zu beantworten versuchen:

Zu den Fragen 1 und 2:

Nach den von der aus SID-Tirol übermittelten letzten Angaben wurden 243 illegale Grenzgänger aufgegriffen und 12 Schlepper in Haft genommen.

Die Illegalen wurden unverzüglich nach Deutschland zurückgestellt. Es ist kein Illegaler in Österreich geblieben.

Die Schlepper waren Staatsangehörige aus Nigeria, Türkei, Senegal, Rumänien, Deutschland und Österreich.

Die Geschleppten kamen unter anderem aus Pakistan, Mazedonien, Indien, Irak, Bangladesch, Senegal, Malaysia, Rumänien, Togo, Algerien, Mauretanien, Nigeria, Afghanistan, Ghana, Nepal und Marokko.

Zur Frage 3:

Italien hat nicht vom Artikel 2 des Schengener Durchführungsübereinkommens Gebrauch gemacht, sondern offenbar entsprechend den innerstaatlichen Regelungen seine Ausgleichsmaßnahmen im Binnenland verstärkt. Diese Auskunft wurde bei einer direkten Rückfrage in Rom gegeben, von der italienischen Botschaft in Wien und vom Schengener Generalsekretariat bestätigt.

Zu den Fragen 4, 5 und 6:

Einerseits verweise ich auf die Beantwortung der Frage eins, zweitens ist zusätzlich festzustel-len, daß sich derzeit noch 29 deutsche Asylwerber im Bereich des Grenzüberganges Brenner auf italienischer Seite befinden. Die geschleppten Personen konnten alle nach Deutschland rücküberstellt werden. Soweit bei den Schleppern die Voraussetzung der Verhängung der Haft gegeben waren, sind sie alle in die Justizvollzugsanstalt Innsbruck untergebracht worden. Eine exakte namentlich aufgeschlüsselte Liste liegt mir dazu naturgemäß nicht vor.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 114

Die Kapazität des Polizeigefangenenhauses Innsbruck beträgt 89 Plätze, davon 58 Schubhaft-plätze. Das Haus ist derzeit zur Gänze belegt. Von den Bezirkshauptmannschaften Tirols sind derzeit rund ein Dutzend Personen in anderen Haftanstalten, vor allem in Bludenz, Wels, Villach und Linz untergebracht. Ich halte aber nach wie vor fest, daß das Land Tirol nicht über Haftkapazitäten für die Bezirkshauptmannschaften verfügt und daß ich daher eine Beteiligung des Landes an der Erweiterung der Kapazitäten in Tirol erwarte und erhoffe.

Zu den Fragen 7, 8 und 9:

In den grenznahen Bezirken zu Deutschland und Italien stehen rund 2 750 Beamte der Gendarmerie und darüber hinaus in Salzburg noch eine geringe Anzahl von Polizeibeamten zur Verfügung. Die Frage, wie viele Beamte zur Stunde an der Grenze im Einsatz sind und wo sie sich befinden, kann ich nicht genau beantworten. Es ist wohl klar, daß der Einsatz ständig variiert und die Beamten entweder im unmittelbaren Grenzraum oder im erweiterten Grenzgebiet – je nach der Situation – tätig sind. Die im grenznahen Raum eingesetzten Gendarmeriekräfte werden aktuell von 90 weiteren spezialisierten Beamten unterstützt. Besonderes Augenmerk wird auf die Transitstrecken und die Zubringer gelegt.

Zu den Fragen 10 und 11:

Hier ist nochmals festzuhalten, daß Italien nicht von Artikel 2 des Schengener Durchführungs-überkommens Gebrauch gemacht hat und daher auch keine Grenzkontrolle eingeführt hat. Infolgedessen hat auch Österreich keine Grenzkontrolle zu Italien und Deutschland eingeführt. Was wir getan haben, war, die Ausgleichsmaßnahmen im grenznahen Raum zu verstärken. Dies wurde bereits am Samstag unmittelbar nach den ersten Rückstellungen veranlaßt. In weiterer Folge wurden Kontrollen insbesondere auf der Autobahn begonnen, dann auf sonstige relevante Bereiche ausgedehnt und am Dienstag mittag in Abstimmung mit der deutschen Seite die Kontrolle auf den Raum Kufstein konzentriert.

Diese Maßnahmen wurden durch entsprechend zielgerichteten Einsatz des in Tirol verfügbaren Personals umgesetzt. Dabei war es von Vorteil, daß ich seit dem 1. 4. 1998 in Tirol zusätzlich 130 Planstellen zusystemisiert habe. Personalengpässe in dem von Ihnen behaupten Ausmaß treten daher auf keinen Fall ein.

Zur Frage 12:

Da es sich bei den Ausgleichsmaßnahmen ausschließlich um kriminal- und sicherheitspolizei-liche Belange handelt, kann wohl niemand die Absicht haben, auf den Autobahnen Kontrollen durch das Bundesheer anzuregen.

Zur Frage 13:

Das System der Ausgleichsmaßnahmen ist flexibel und wird daher ständig auf die Änderung der entsprechenden Situationen reagieren.

Zu den Fragen 14, 15 und 16:

Wie ich schon gesagt habe, ist das italienische Verhalten zwar nicht dem Buchstaben nach, aber dem Geiste Schengens zuwiderlaufend. Italien hat in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach auch nicht die Bestimmungen des Dubliner Übereinkommens beachtet, da es im Gegensatz zu der im Artikel 8 des Übereinkommens festgelegten Vorgangsweise gehandelt hat, wonach bei der Rückstellung von Personen, die in einem anderen Staat einen Asylantrag betreiben, direkt mit diesem Staat eine Konsultation einzuleiten ist, die im Falle eines positiven Ausganges die direkte Rücküberstellung der betroffenen Personen in den Ausgangsstaat zur Folge hat.

Was heißt der lange Schachtelsatz? – Daß die Italiener direkt an die Deutschen überstellen und nicht den Umweg über Österreich wählen hätten sollen. Für uns war es aber aus vielen Gründen sinnvoll und besser, diese Rücküberstellung in Kooperation mit den Deutschen durchzuführen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 115

und damit auch zu garantieren, daß sie wieder in sichere Hände kommen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Die Beamten meines Ressorts waren seit Samstag um Mitternacht in dauerndem Kontakt mit den deutschen Verbindungsbeamten beziehungsweise mit den maßgeblichen Stellen im Bayrischen Staatsinnenministerium. Das hat maßgeblich zur Deeskalation der Situation beigetragen.

Zur Frage 17:

Da diese Statistik keine Unterscheidung nach Monaten kennt, bitte ich Sie, lediglich folgende Zahlen angeben zu dürfen:

1994: illegale Einreisen: 6 332, Schlepper: 854, insgesamt 7 186;

1995: illegale Einreisen: 9 925, Schlepper: 1 307, insgesamt 11 232;

1996: illegale Einreisen: 10 043, Schlepper: 1 282, insgesamt 11 325;

1997: illegale Einreisen: 11 432, Schlepper: 1 741, insgesamt 13 173;

die ersten drei Quartale des Jahres 1998: illegale Einreisen: 13 000, Schlepper: mehr als 2 000, insgesamt bereits fast 16 000, bis Jahresende wahrscheinlich 17 000 bis 18 000.

Zur Frage 18:

Die Nationalitäten der Schlepper und der illegalen Grenzgänger sind naturgemäß – je nach der aktuellen politischen Entwicklung oder der Situation in den jeweiligen Herkunftsländern – unter-schiedlich, sodaß eine taxative Aufzählung in diesem Zusammenhang unmöglich ist. Das – unter Anführungszeichen – "aufkommensstärkste" Jahr bei der Ausforschung von Schleppern war das Jahr 1997, als insgesamt 54 verschiedene Nationalitäten betroffen waren. Im Hinblick auf die illegale Einreise ist der diesjährigen Statistik des Jahres 1998 zu entnehmen, daß bisher illegale Grenzgänger aus 99 Ländern beim Versuch der Einreise in das Staatsgebiet der Republik Österreich aufgegriffen wurden. Das heißt, wir haben illegal Eingereiste aus jedem zweiten Staat der Welt.

Zur Frage 19:

Da möchte ich die prozentmäßige Verteilung der illegalen Grenzgänger auf die Grenzen zu den Nachbarstaaten aus dem Jahre 1997 angeben, wobei die Entwicklung im Jahre 1998 nur gering divergiert:

54 Prozent der Menschen, die illegal eingereist sind und festgenommen wurden, kamen über Ungarn, aus Tschechien 13 Prozent, aus der Slowakei knapp 10 Prozent, aus Slowenien 6 Prozent, aus Italien 3 Prozent, aus Deutschland 2,7 Prozent und aus der Schweiz 0,4 Prozent. Diese Entwicklung ist im Jahre 1998 annähernd gleichgeblieben. Es hat nur eine geringfügige Steigerung aus dem Bereich Tschechien und aus dem Bereich Slowenien gegeben. Bei Slowenien hängt das auch damit zusammen, daß durch die Beruhigung der Situation in Bosnien diese Wanderungslinie wieder stärker genutzt wird, als das vorher der Fall war.

Zur Frage 20:

Abgesehen von dem Umstand, daß illegale Grenzgänger nach erfolgten Übertritten über die österreichische Bundesgrenze nicht generell verhaftet werden – hier kommt es immer auf die jeweilige Situation an –, liegt eine derartige Schätzung über die Anzahl von Illegalen in Österreich nicht vor, und ich traue mich auch nicht, solch eine Schätzung abzugeben. Ich muß aber auch dazusagen, daß das im wesentlichen nicht Illegale sind, die über die grüne Grenze nach Österreich gekommen sind, sondern es gibt auch sehr viele Illegale in Österreich, die einfach ein Touristenvisum für drei, vier oder sechs Monate bekommen haben und nach Ablauf dieses Touristenvisums nicht mehr zurückgekehrt sind – eine Situation, die unmöglich zu kontrollieren


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 116

ist und die nicht einmal in den Vereinigten Staaten, die zusätzlich das Instrument der Grünen Karte haben, einigermaßen in den Griff zu bekommen ist.

Zur Frage 21:

Da es sich bei der Erweiterung der EU um eine außenpolitische Frage handelt, möchte ich hier und heute grundsätzlich dazu nicht Stellung nehmen. Ich habe aber immer sehr klar betont, daß die vollständige Erfüllung des EU-Acquis und der Schengener Standards Voraussetzung für einen Beitritt dieser Länder zur Europäischen Union ist.

Während der österreichischen Präsidentschaft haben wir und werden wir konsequent nach diesem Prinzip handeln und versuchen, auf Ministerebene mit den Vertretern der Erweiterungsländer in dieser Frage sehr intensiv zu verhandeln und den weiteren Fahrplan sicherzustellen. Ich gehe davon aus, daß ein Beitritt dieser Staaten zur Europäischen Union für Österreich unbedingt von der Einhaltung der notwendigen Sicherheitsvoraussetzungen abhängig ist.

Zur Frage 22:

Ja. Es muß an dieser Stelle allerdings betont werden, daß sich auch die Beitrittskandidaten die-ses Umstandes bewußt sind und im Rahmen der Beitrittsvorbereitungen Anstrengungen unter-nehmen, den Rechtsbestand mit den EU-Mitgliedstaaten zu harmonisieren. Österreich hat bisher im Rahmen seiner EU-Präsidentschaft in den relevanten Arbeitsgruppen großes Augenmerk auf diesen Umstand gelenkt und wird in den diversen bilateralen und multilateralen Gesprächen diesbezügliche Entwicklungen sehr genau beobachten.

Zur Frage 23:

Ich habe für den Fall einer wesentlichen Verschärfung der Situation im Bereich der illegalen Grenzübertritte an der Grenze zur Slowakei im Bezirk Gänserndorf den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung um die Prüfung der Möglichkeit einer Ausweitung des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres ersucht. Nach Mitteilung des Bundesministeriums für Landesver-teidigung wäre eine Ausweitung des Assistenzeinsatzes in diesem Bereich um zirka 150 Soldaten möglich, ohne – das ist für mich sehr wichtig – eine Verringerung im bestehenden Assistenzeinsatz an der Grenze zu Ungarn sowie an der Grenze zur Slowakei im Bezirk Bruck an der Leitha herbeizuführen.

Nachdem diese wesentliche Verschärfung bisher nicht eingetreten ist, sondern – im Gegenteil – eine Reduktion der illegalen Grenzübertritte in diesem Bereich feststellbar ist, wurde derzeit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung eine diesbezügliche Anforderung des Bundesheeres nicht vorgenommen. Falls dies erforderlich wäre, wäre das binnen kürzester Zeit möglich. Die Voraussetzungen dafür wurden einerseits im Ministerrat vor einein-halb Wochen geschaffen, andererseits gibt es die Zusage des Finanzministers an den Verteidi-gungsminister, daß die entsprechenden Geldmittel für diesen zusätzlichen Einsatz zur Verfügung gestellt werden.

Derzeit verhandelt mein Büro, also das Ministerium für Inneres, bereits mit dem Ministerium für Landesverteidigung, wie diese 150 Soldaten bestmöglich in den Dienstbetrieb der Grenzgendarmerie integriert werden können, sodaß sie nicht als Fremdkörper tätig sind, sondern gemein-sam hervorragende Arbeit leisten können.

Zu den Fragen 24 und 25:

Im Bereich der EU gibt es finanzielle Hilfen für den Vorbeitrittsprozeß. Im Schengener Bereich gibt es keine finanziellen Hilfen für die Beitrittswerber.

Zur Frage 26:

Das ursprünglich nur auf Polen und Ungarn beschränkte Phare-Programm wurde mittlerweile auf alle Beitrittskandidatenländer erstreckt. Seit dem Europäischen Rat von Essen sind die dies


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 117

bezüglichen Phare-Mittel überdies auch für Angelegenheiten der Dritten Säule zugänglich. Es erhalten somit alle Beitrittskandidatenländer diesbezügliche Mittel in einem Gesamtausmaß von jährlich 1,5 Milliarden Ecu. Unabhängig vom Programm Phare gibt es noch eine Reihe anderer Förderungsprogramme, zum Beispiel Tacis, Meda, Odysseus und so weiter, aus denen die Beitrittskandidatenländern und auch sonstige Staaten EU-Förderungsmittel in Anspruch nehmen können.

Zur Frage 27:

Ja. Die Europäische Kommission hat, wie bereits ausgeführt, beträchtliche Geldmittel für derar-tige Projekte bereitgestellt. Die finanziellen Ressourcen für die Durchführung der Projekte ergehen durch die Europäische Union, wobei von einem nationalen Kofinanzierungsanteil ausge-gangen wird. Die Mitgliedstaaten werden im Rahmen von sogenannten Tweening-Projekten in der Form in Anspruch genommen, daß sie ersucht werden, nationale Experten zur qualifizierten Durchführung von derartigen Projekten zur Verfügung zu stellen, die wiederum von der Europäischen Union bezahlt werden. Österreich hat solche Experten bereits zur Verfügung gestellt.

Zur Frage 28:

Aufgrund des Schengener Durchführungsübereinkommens haben wir generell Ausgleichsmaßnahmen in allen grenznahen Bereichen geschaffen. Diese Maßnahmen können jederzeit unter Zuführung erforderlicher technischer Hilfsmittel verstärkt und adaptiert werden. Sie sind auf Bezirks- und Landesebene rasch umsetzbar. Darüber hinaus setzen wir monatlich wechselnde Schwerpunkte. Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich diese im Detail aber nicht be-kanntgeben kann.

Zur Frage 29:

Die Gestaltung des Fremdenrechtes ist innerhalb der Europäischen Union nach wie vor eine nationale Angelegenheit, auf die die gesamte Union keinen direkten Einfluß hat. Ich halte diese Situation – ich billige Ihnen das zu – für unbefriedigend. Nicht zuletzt deshalb hat Österreich ein Strategiepapier zur Migrationspolitik vorgelegt, in dem es ein sehr klares Bekenntnis zu einer besseren und stärkeren EU-weiten Koordinierung in diesem Bereich abgibt.

Die konkreten italienischen Maßnahmen halte ich insoweit nicht für glücklich, als sie unberechtigte Hoffnungen auf Legalisierung erwecken und damit sekundäre Wanderungsbewegungen bewirken. Österreich wird daher bei den kommenden Schengener Sitzungen diesen Punkt auch ansprechen und deutlich machen, daß Alleingänge eines Staates in dieser Sache für nicht an-gebracht zu halten sind. – Danke vielmals. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.45

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch. Ich erteile es ihm.

16.45

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich danke Ihnen für die ausführliche Beantwortung unserer dringlichen Anfrage und auch dafür, daß Sie sich mit dieser dringlichen Anfrage der Opposition, wie Sie gesagt haben, identifizieren. Das geschieht uns nicht bei jeder. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben Ihnen, Herr Minister, mit dieser dringlichen Anfrage auch sehr gerne geholfen, hier im Bundesrat Ihre Politik zum angesprochenen Politikfeld darzulegen. Das sollte Sie allerdings nicht davon abhalten, auch hinkünftig konkrete Maßnahmen zu setzen und sich nicht darauf


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 118

hinauszureden, daß es eine innenpolitische Diskussion zu den einen oder anderen Vorlagen von Ihnen gibt.

Herr Bundesminister! Unser Vorwurf, zu spät reagiert zu haben, betrifft nicht nur diesen einen Vorfall auf dem Brenner in den letzten Tagen, sondern die Problematik der illegalen Zuwanderung und der falschen Asylpolitik der gesamten letzten Jahre. Was wir hier erleben, sind die Folgen einer jahrelangen verantwortungslosen Einwanderungs- und Asylpolitik, und zwar nicht nur in Gesamteuropa, sondern auch bei uns in Österreich. Für diese Politik tragen Sie, trägt Ihre Bun-desregierung und auch Ihre Partei die Hauptverantwortung. Sie haben durch diese Politik Pro-bleme geschaffen, die unlösbar sind, und die Maßnahmen, die Sie, Herr Bundesminister, in dieser Frage setzen und gesetzt haben, sind nur Tropfen auf dem heißen Stein.

Es ging bei dieser Problematik auf dem Brenner – Sie haben das auch gesagt – nicht allein um die Frage der Kurden und deren innenpolitische Auseinandersetzung mit der türkischen Regierung, sondern es ging auch prinzipiell um die Frage, wie viele Asylanten sich in Mitteleuropa befinden und wie diese Asylanten versuchen, sich in diesen Ländern anzusiedeln und eine Legalisierung ihres Aufenthaltes zu erreichen.

Herr Bundesminister! Zufällig findet gerade der Staatsbesuch des Präsidenten der türkischen Republik in Österreich statt, und dieser Präsident hat uns ganz klar erklärt, daß es in seinem Lande kein Kurdenproblem gäbe, sondern nur ein Terrorristenproblem. Die Kurden-Parteien haben europaweit zu Demonstrationen aufgerufen, die türkische Regierung im Gegensatz dazu zu Gegendemonstrationen, was dazu geführt hat, Herr Bundesminister, daß sich mittlerweile die türkische Innenpolitik in den europäischen Städten abspielt. Das kann nicht das Ziel einer guten und verantwortungsvollen europäischen Politik sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist beunruhigend, daß die Europäische Union den Beitritt eines Landes wie die Türkei in die Gemeinschaft diskutiert, und es ist beunruhigend, daß die Europäische Union mit Ländern wie Zypern etwa sogar schon Beitrittsverhandlungen führt. Hier werden Konfliktherde geradezu eingeladen weiterzubrennen, und zwar mitten in Europa! Wir halten diese Politik für falsch!

Herr Bundesminister! Wir haben die Behauptung aufgestellt, daß Schengen versagt hat, und wir wollen auch bei dieser Behauptung bleiben. Denn die Zahlen, die Sie in bezug auf illegale Aufgriffe genannt haben, beweisen, daß durch den Wegfall der Grenzsicherung ein erhöhter Wan-derungsstrom festzustellen ist. Wenn sich Mitgliedsländer von Schengen, Herr Bundesminister, in einem der wesentlichsten Punkte nicht an das Schengener Abkommen halten und das ungestraft tun dürfen, dann frage ich: Was ist dieses ganze Abkommen überhaupt wert?

Sie haben die Frage der Kosten angeschnitten. Sie haben im Rahmen der Republik Österreich in den letzten Jahren in etwa 3 Milliarden Schilling für den Aufbau dieses Ostschutzes ausgegeben. Wir sind der Ansicht, daß ein Teil dieser Kosten von der Europäischen Union einem Außengrenzenland, wie es Österreich ist, refundiert werden muß, denn – Sie haben das auch in der Anfragebeantwortung angedeutet – es gibt von seiten der Union Mittel für solche Anstrengungen von einzelnen Mitgliedsländern oder Beitrittswerbern.

Vor kurzem hat das Europäische Parlament einen Vorschlag der Kommission beschlossen, in dem ganz klar festgelegt wird, daß es den Mitgliedstaaten, die Grenzregionen überwachen, nicht alleine überlassen werden kann, die finanziellen Lasten dafür zu tragen. Das ist vom Europäischen Parlament beschlossen worden.

Aus dem Phare-Budget – Sie haben das in Ihrer Anfragebeantwortung auch angedeutet – wer-den jetzt schon, zum Beispiel für die baltischen Staaten, pro Staat und pro Jahr 6 Millionen Ecu ausgegeben, damit dort die Grenzsicherung aufgebaut werden kann, ebenso an die Republik Polen. Für Polen gibt es ebenfalls jährlich 6 Millionen Ecu – ein Beitrag, den dieses Land dazu verwenden sollte, seine Ostgrenzen zu sichern.

Umso verwunderlicher ist es, daß der Präsident dieses Beitrittskandidatenlandes in der letzten Zeit klar erklärt hat – ich entnehme das einer APA-Meldung –, daß Polen gar nicht die Absicht


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 119

habe, die Grenze zum Beispiel in Richtung der Ukraine besonders zu überwachen, weil das nach der Ansicht Polens eigentlich der Freizügigkeit und dem Geiste Europas widerspräche.

Sie sehen also, Herr Bundesminister, der Sie derzeit auch Präsident der Europäischen Union sind, daß die Probleme, die wir in dieser dringlichen Anfrage angesprochen haben, durchaus brennend sind und daß diese Ereignisse, die wir in den letzten Tagen in Tirol auf dem Brenner erlebt haben, nur die Spitze des Eisberges all dieser Unzukömmlichkeiten sind, die durch diese unkontrollierte Grenzöffnung entstanden sind.

Herr Bundesminister! Schengen hat sich nicht bewährt. Die Europäische Union hat das wichtigste grundsätzliche Politikfeld, nämlich die Sicherheit ihrer Bürger, nicht ausreichend bewältigen können. Für das Versagen dieser Politik auf europäischer und auch auf österreichischer Ebene, Herr Bundesminister, trägt auch Ihre Regierung die Mitverantwortung!

In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, möchte ich für die freiheitliche Bundesregierung (ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP  – Bundesrätin Schicker: Das war ein Freudscher Versprecher!), für die freiheitlichen Bundesräte folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Bösch, Dr. Riess-Passer und Kollegen eingebracht im Zuge der Debatte über die dringliche Anfrage der Bundesräte Dr. Riess-Passer und Kollegen betreffend die katastrophalen Verhältnisse im Vollzug des Schengen-Abkommens

"Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert sicherzustellen, daß durch

1. die Wiederaufnahme der Kontrolle an den Grenzübergängen Österreichs zum EU-Mitglied Deutschland durch ‚Aussetzung‘ des Schengen-Übereinkommens (gemäß Artikel 2 Abs. 2 SDÜ),

2. den Sicherungseinsatz des österreichischen Bundesheeres entlang der sogenannten ‚grünen Grenze‘ im Gelände zwischen den Grenzkontrollstellen,

3. Abkommen alle Nachbarstaaten über ihr Gebiet eingereiste illegale Zuwanderer tatsächlich zurücknehmen und die Abschiebungsmaßnahmen konsequent durchführen,

4. die anteilige Übernahme der überproportional hohen Kosten durch die EU für die Kontrolle der EU-Außengrenze Österreichs

die ungehinderte illegale Einwanderung und die ansteigende Kriminalität insgesamt und für die derzeit betroffenen Grenzregionen im besonderen verringert wird."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.54

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Dr. Bösch und Kollegen soeben eingebrachte Entschließungsantrag betreffend die katastrophalen Verhältnisse im Vollzug des Schengen-Abkommens ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Alfred Schöls. Ich erteile ihm das Wort.

16.54

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es hat einmal einen österreichischen Bundeskanzler gegeben, dem unterstellt wird, daß er gesagt habe: Und wenn ich nicht mehr weiterweiß, dann gründ’ ich einen Arbeitskreis!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 120

Wenn ich mir die Politik der freiheitlichen Fraktion anschaue, so kann ich erkennen, daß sie auch einfache Rezepte für ihre Art von Politik vorlegt. (Bundesrat Eisl: Die einfachen sind meist besser als die komplizierten!) Das lautet etwa so: Man nehme etwas Polemik, vermische es mit Halbwahrheiten oder Unwahrheiten, spiele noch ein bißchen Ausländerfeindlichkeit hinein (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Dann haben Sie nicht zugehört, was der Herr Bundesminister gesagt hat! Er hat gesagt, daß das der Wahrheit entspricht!) – Frau Kollegin Riess-Passer! Sie werden sich noch ein bißchen gedulden müssen; ich habe noch Anmerkungen zum Herrn Bundesminister zu machen; also keine Sorge –, vermische es mit etwas Ausländerfeindlichkeit. Ab und zu greift man darauf zurück, daß das Thema der Sozialschmarotzer durchaus dazu angetan ist, daß man politisches Kleingeld einheimsen kann. Und über das Ganze gibt man etwas wie Angst, und dann glaubt man, daß man mit dieser Parole des Angst-Machens tatsächlich Politik machen kann.

Liebe Frau Kollegin Riess-Passer! Zum Punkt 1, Profilierung und Polemik: Ich habe bei der Begründung Ihrer Anfrage den Eindruck gehabt, Sie verwechseln diese heutige Plenarsitzung des Bundesrates mit einem Wahlkampfauftritt in Tirol, wo Sie als zweitgereihte Kandidatin für die Tiroler Landtagswahlen tätig sind, weshalb Sie hier ganz bewußt Tiroler Probleme ansprechen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wir sind hier im Bundesrat, in der Länderkammer! Genau hier im Bundesrat sollen wir über Probleme der Länder reden!) Aber Sie unterscheiden sich in Ihren Ausführungen durch nichts von Kollegin Crepaz, die beim Außenpolitischen Bericht den heuti-gen Tag ebenfalls ein bißchen mit dem Tiroler Wahlkampf verwechselt hat. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Es ist Ihnen noch nicht aufgefallen, daß wir hier im Bundesrat sitzen! Aber das ist Ihr Problem!)

Frau Kollegin Riess-Passer! Entweder Sie wissen es nicht, oder Sie wollen es bewußt nicht wissen, nämlich daß die Europäische Union nicht mit dem Schengen-Land gleichzusetzen ist. Daher ist auch grundsätzlich die EU-Osterweiterung nicht automatisch eine Schengen-Erweiterung. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie haben keine Ahnung! Ich bin erschüttert!) Es ist daher eigenartig, wenn Sie – das sind die Halbwahrheiten und die Unwahrheiten – in Ihrer dringlichen Anfrage vom Schengen-Abkommen sprechen und gleichzeitig Angst vor der EU-Osterwei-terung machen.

Aber vielleicht haben Sie einmal Zeit. Es gibt eine alte Lernmethode, die man früher angewendet hat. Man hat etwas langsam vorgesprochen, und damit man es sich gemerkt hat, wurde es dann nachgesprochen. Vielleicht machen Sie einmal in Ihrem Klub eine Sprechübung, und der Herr Stadler sagt langsam: EU und Schengen ist nicht das gleiche! – Und wenn Sie es oft genug nachgesprochen haben, merken Sie sich das vielleicht. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Der nächste Punkt, liebe Frau Kollegin Riess-Passer, ist die Drittstaatsklausel, die Sie in einer dringlichen Anfrage zum Schengen-Abkommen ansprechen. Es müßte Ihnen bewußt sein, daß auch die Drittstaatsklausel nichts mit dem Schengen-Abkommen zu tun hat, sondern ausschließlich mit dem Asylgesetz. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Sie haben keine Ahnung von der Problematik! Sie haben das nicht verstanden!) Ich will Ihre Politik auch gar nicht verstehen! Darum sitze ich in einer Fraktion, die vernünftige und verständliche Politik macht, und nicht in Ihrer Fraktion, Frau Kollegin! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Der nächste Punkt: Sie machen politisches Kleingeld mit der Verhaftung des PKK-Führers und wissen genau – der Herr Bundesminister hat in seiner Anfragebeantwortung auch darauf hingewiesen –, daß sich die italienische Regierung nicht an die Vereinbarungen von Schengen hält, wonach allen ein dreimonatiger Aufenthalt in einem Schengen-Nachbarland gestattet ist. – Das zu Ihrer Anfrage.

Aber weil sich der Herr Bundesminister bei Ihnen bedankt hat, daß Sie ihm die Möglichkeit zur Klarstellung gegeben haben, darf ich mich ebenfalls bei Ihnen bedanken und auch einige Punkte als niederösterreichischer Bundesrat klarstellen. Ich möchte dies deshalb tun, da manchmal ein bißchen die Dolchstoßlegende kommt (Bundesrätin Mühlwerth: Da haben Sie ja Erfahrung!), weil der Landeshauptmann von Niederösterreich vor langer Zeit gefordert hat, daß das öster


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 121

reichische Bundesheer an der EU-Ostgrenze eingesetzt werden möge und es darüber Diskussionen gegeben hat.

Herr Bundesminister! Ich darf mich bedanken, daß jetzt auch von Ihrem Haus ernsthaft darüber verhandelt wird. Ich würde Sie bitten, daß Sie, auch im Sinne der Ministerverantwortlichkeit – wir haben bei anderer Gelegenheit einmal über den Beschaffungsvorgang bei den Wärmebildkameras gesprochen –, dafür sorgen, daß endlich tatsächlich so vorgegangen wird, daß die Grenzen sicher überwacht werden. Ich möchte aber folgendes schon festhalten: Die total sichere und zugemachte Grenze hat es nie gegeben, wird es nie geben und soll es auch nie geben. Denn wir wollen aus unserer humanitären Verantwortung heraus immer jenen Menschen, die verfolgt sind, die Möglichkeit geben, in ein sicheres Land einreisen zu können. Es ist schon traurig genug, daß sie das sehr oft unter Einsatz ihres Lebens tun müssen und dabei oft auch kriminellen Banden ausgeliefert sind, nur damit sie so etwas wie einen Anflug von Freiheit bekommen können.

Es ist in dieser dringlichen Anfrage – die, wie gesagt, anscheinend mit dem Tiroler Wahlkampf zu tun hat – auch die Frage der Schubhaftplätze angesprochen worden. Dieses Problem gibt es nicht nur in Tirol, sondern es gibt auch seitens des Landes Niederösterreich eine entsprechende Bereitschaft, dieses Problem möglichst rasch zu lösen. Ich würde mir wünschen, daß das auch möglichst zügig vorangetrieben wird.

Wenn von einem Mandatar aus meinem Bundesland auch einige kritische Worte an den Herrn Bundesminister gerichtet wurden, so möchte ich klar sagen, daß dies nicht aus Angst geschah, denn die niederösterreichischen Verantwortlichen haben fähige Politiker noch nie gefürchtet. Was wir in Niederösterreich immer gefürchtet haben, waren die zu allem fähigen Politiker. Aber damit haben Sie von den Freiheitlichen durchaus Ihre Erfahrungen.

Ich darf zum Abschluß kommen und folgendes sagen: Ich kann Herrn Abgeordneten Prinzhorn verstehen, daß er Ihre Partei verlassen hat. – Die Volkspartei wird nicht nur Ihre dringliche Anfrage nicht zur Kenntnis nehmen, sondern wird auch dem Entschließungsantrag die Zustimmung verweigern. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Albrecht Konečny. Ich erteile ihm das Wort.

17.01

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Vizepräsident des Bundesrates! Herr Präsident der Europäischen Union, wie ich heute gelernt habe! (Allgemeine Heiterkeit.) Die dringliche Anfrage ist – Sie werden sich jetzt wundern – nicht unnötig und entbehrlich, sondern ich schließe mich gewissermaßen dem Dank des Herrn Innenministers an. (Bundesrat Dr. Tremmel: Er würde Ihnen etwas sagen, wenn Sie das nicht tun würden!) Nachdem wir leider in diesem Haus die Möglichkeit, aktuelle Fragen in Form etwa einer aktuellen Stunde zu diskutieren, nicht haben, ist dies eine gute Form der Auseinandersetzung.

Ich glaube, wir sollten drei Tatsachen außer Streit stellen: Erstens daß weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene ein völliges Abschotten der Grenzen möglich ist. Zweitens: Wir sollten allerdings auch bedenken – insofern kann man Statistiken natürlich unterschiedlich lesen –, daß erhöhte Aufgriffszahlen einerseits über den erhöhten Andrang, andererseits aber auch über den Erfolg getroffener Maßnahmen etwas aussagen. Ich bin diesbezüglich sehr vorsichtig. Ich behaupte nicht, daß die erhöhte Zahl der Aufgriffe ein Erfolg von Nachtsichtkameras und verstärkten Kontrollen ist, aber das Wesen einer Dunkelziffer – diese gibt es sicherlich – ist, daß sie dunkel ist. Und ich kann jetzt behaupten, sie ist null oder sie ist 100 000. – Wir sollten zumindest die Tatsache, daß diese wachsende Zahl auch eine höhere Effizienz der Grenzüberwachung darstellt, nicht außerhalb des Bereichs der Möglichkeit schieben.

Das Dritte, was ich anmerken möchte, ist: Ich kann keine Verbindung der Situation, wie sie sich auf dem Brenner ergeben hat, mit der Osterweiterung und der Bewachung der Ostgrenze erkennen. Gerade – da würde ich eine Forderung von Ihnen vollinhaltlich unterschreiben – wenn es so


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 122

etwas wie eine EU-Außengrenze gibt, die deshalb besonders scharf kontrolliert werden muß, weil die Grenzkontrollen innerhalb der EU zurückgenommen wurden, dann, so muß man sagen, gibt es dort einen höheren Standard, als wir in der Vergangenheit schaffen konnten. Wenn es bei allen Mißverständnissen oder nicht ganz verständlichen Verhaltensweisen von Partnern in der EU, also auch innerhalb des Raums, der durch die Schengen-Kontrollen abgeschirmt wird, eine Zusammenarbeit, die wirkungsvoll ist, gibt, also die Möglichkeit von Schleierfahndungen zu Aufgriffen dieser Größenordnung besteht, dann weiß ich nicht, woraus sich die Argumentationsweise, daß Schengen gescheitert ist, logisch ableitet.

Die Wahrheit ist – das hat der Herr Bundesminister in seiner Antwort sehr deutlich zum Ausdruck gebracht –, daß wir nicht den Punkt erreicht haben, daß wir – gerade wir und auch gerade er – mit der europäischen Entwicklung zufrieden sein können. Es ist keine Frage, daß ein einheitliches System mit unterschiedlichen Standards nicht befriedigend sein kann. Es kann keine Frage sein, daß einheitliche Kriterien und möglicherweise auch ein einheitliches Verfahren vorhanden sein müssen. Den Vorstoß des Innenministers, dies auf die Tagesordnung der Europäischen Union zu setzen, sollten wir eigentlich gemeinsam unterstützen.

Ich hätte das auch zu dem vorherigen Tagesordnungspunkt sagen können und dies eigentlich auch vorgehabt, aber es ist ein gutes Beispiel für die Wurzel der Probleme, mit denen wir konfrontiert sind.

Sie haben darauf hingewiesen, daß der türkische Staatspräsident Österreich besucht. Dieser Staatspräsident hat, wie die offizielle türkische Politik generell, gemeint, daß es in der Türkei kein kurdisches Problem gäbe, sondern ein Problem – jetzt interpretiere ich das, was Sie zitiert haben –, das mit militärischen Mitteln lösbar sei. Es gibt also eine Regierung, die offensichtlich tatsächlich glaubt, daß es ein Schritt nach Europa ist, wenn sie einen Teil ihrer Bevölkerung gegen den anderen aufhetzt.

Ich habe heute entsetzliche Bilder von kurdischen Staatsbürgern der Türkei gesehen, die in der Türkei – nicht in Europa, aber das hätte es auch geben können – von rechtsradikalen Demonstranten zusammengeschlagen wurden, ohne von den Sicherheitsorganen in Schutz genommen worden zu sein. Es darf niemanden verwundern, daß diese Menschen legal oder illegal einen Versuch unternehmen werden, ihr Leben zu schützen. Aber es gehört auch dazu, daß wir folgendes klar sagen – und wir sagen nicht das, was Sie hier der Europäischen Union unterstellt haben –: Ein Staat, der so agiert, ist kein Partner. Wir haben an sich Verständnis für den Wunsch der Türkei, sich an die Europäische Union anzunähern. Es ist ein nahegelegenes Land, das ist keine Frage, aber es darf nicht auf diesem Standard der Menschenrechte, nicht auf diesem Standard der Minderheitenpolitik, nicht auf diesem Standard der Rechtssicherheit geschehen.

Eines ist klar auszusprechen: Dieses Europa hat gemeinsame Standards hinsichtlich jener Werte, die uns allen gemeinsam sind. Wer in diese Gemeinschaft hineinwill, mehr noch, wer dieser Gemeinschaft auch nur in die Nähe will, der muß diese Standards erfüllen! Das hat die Europäische Union beschlossen! (Allgemeiner Beifall.)

Diese Kriterien hat die Europäische Union beschlossen, und sie wird die politischen und menschenrechtlichen Kriterien nicht vergessen. – Aber es ist natürlich so, daß es viele Gesellschaften dieses Typs auf der Welt gibt. Es ist nicht so, daß wir es nur mit Armutsflüchtlingen zu tun haben, sondern daß wir es mit Menschen aus vielen Gegenden der Welt zu tun haben, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe dort keine Lebensmöglichkeit sehen. Das ist keine Frage.

Dieses Land, aber auch Europa, ist nicht in der Lage, ganzen Volksgruppen in Millionengröße, die unter Verfolgung leiden, Zuflucht zu gewähren. Aber wir haben die politische Aufgabe – ein bißchen auch in unserem eigenen Interesse, das gebe ich zu, aber vor allem aus humanitären Gründen –, offensiv Außenpolitik zu betreiben, wenn es sein muß, sogar herumzureisen, um klarzumachen und dazu beizutragen, daß es in den Ländern, in denen Menschen heute keine Hoffnung mehr sehen, zu einer Änderung der Bedingungen kommt. Das erscheint mir die vor


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 123

dringliche Aufgabe. Und das steht auch auf der politischen Tagesordnung der Union. Darum haben wir uns zu bemühen: daß wir die Probleme, vor denen wir heute gestellt sind, nach bestem Wissen und Gewissen lösen. Das ist selbstverständlich.

Wie gesagt, ein Abschotten Österreichs oder Europas wird nicht möglich sein. Die Tatsache – ich sage das fast bewundernd –, daß Schlepperorganisationen mitbekommen haben, daß bei einer Fülle von etwas dunkelhäutigeren Menschen, die über den Brenner zu politischen Demonstrationen nach Rom fahren, eine gute Chance bestünde, andere Flüchtlingen, Illegale, mit vergleichbarer Hautfarbe mitzuschleusen, ist ein erschreckender Beweis für den hohen Grad an Logistik. Wir sollten uns redlich bemühen – sowohl das Ministerium als auch unsere Exekutive –, gerade solche Strukturen, organisierte Strukturen zu zerschlagen, sie in Österreich zu zerschlagen und diesen Kampf auch nach Ungarn, in die Slowakei, in unsere Nachbarländer hinauszutragen, und wir sollten sie dabei unterstützen und uns nicht daran festmachen, daß es nicht in jedem Fall gelingt, solche Übertritte zu verhindern. Ich glaube, daß es auch ohne jene Formulierungen, die Sie zum Teil in Ihrer Begründung gewählt haben, möglich sein muß, Anerkennung für diese Arbeit auszusprechen – ganz egal, ob Tiroler oder niederösterreichische politische Auseinandersetzungen bevorstehen. Ich glaube, es gibt allen Grund zu sagen: Nein, die Entscheidung für Schengen war richtig. Die Bemühungen des Ministeriums und der Exekutive sind anerkennenswert. Wir wissen, daß der Erfolg, den wir erreichen können, kein 100prozentiger, aber ein 90prozentiger im Interesse unseres Landes sein kann. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.11

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Paul Tremmel das Wort. – Bitte.

17.11

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Die Wege mögen verschieden sein – das Ziel ist für uns alle gleich, nämlich innerhalb der Europäischen Union eine menschengerechte Gesellschaft zu erreichen. Herr Bundesminister! Ich habe – ich nehme an auch meine Fraktionskollegen – sehr aufmerksam zugehört. Ich glaube, Sie haben es nicht mit Häme gesagt, daß Sie diese dringliche Anfrage durchaus ernst nehmen. Ich möchte das auch in Richtung meines Vorredners feststellen. Ich sage: Die Wege mögen verschieden sein, die Ziele sind sicherlich gleich.

Es ist gut zu hören, daß nicht nur mit Unterstellungen gearbeitet wird. Ich bin ein bißchen enttäuscht, Kollege Schöls, daß Sie nur ein paar Platitüden von sich gegeben und ein paar Stehsätze gesagt haben und eigentlich nicht auf das Materielle eingegangen sind. Halbwahrheit – wie oft haben wir das gehört? (Bundesrat Schöls hält ein Blatt Papier in die Höhe.) Eigentlich hätte ich mir auch erwartet – wie es viele Ihrer Fraktionskollegen tun –, daß Sie ebenso zu diesem brennenden Problem eine Anregung liefern und diese dringliche Anfrage nicht nur als Triebwagen dafür benutzen, um Ihre niederösterreichischen Angelegenheiten auszufechten. Das ist, so glaube ich, nicht der richtige Weg. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin Riess hat den Herrn Sicherheitsdirektor zitiert und gesagt, es brenne an allen Ecken und Enden. Das wird schon stimmen. Teilweise haben Sie das sehr gut im Griff, Herr Bundesminister! Ich bitte Sie nur um eines: Nehmen Sie nicht Ihren Parteigenossen Bruno Aigner als Löschmeister her, weil dadurch Ihr gutes Wollen ein bißchen danebengehen könnte. Herr Bundesminister! Dieses gute Wollen wurde teilweise in der Vergangenheit innerösterreichisch verwässert. Wir haben de facto in vorauseilendem Gehorsam als Vorzugsschüler – das habe ich heute schon einmal gesagt – verschiedene gesetzliche Möglichkeiten geschaffen, um einen möglichst liberalisierten und humanitären Umgang mit Menschen, die in unser Land kommen, aufweisen zu können. Wir haben dabei aber vergessen, daß die anderen das nicht machen.

Ich erwähne zwei Punkte: Ich möchte vorausschicken, daß ich schon weiß, daß die Verwässerung der Schubhaft aufgrund der Not an Plätzen passiert ist. Ein Schubhäftling bekommt heute de facto einen Bescheid in die Hand, wonach er sich innerhalb einer Woche oder wöchentlich zu


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 124

melden hat und im übrigen das Gebiet der Republik Österreich verlassen muß. Damit schaffen wir aber einen Circulus von Menschen, die hinaus sollten. Wir geben keinem Bereich recht. Das ist eine ungeeignete gesetzliche Lösung.

Zweiter Punkt: die sogenannte Aufenthaltsverfestigung. Menschen aus welchen Gründen auch immer wollen dieses goldene Land und den goldenen Westen erreichen – nach vier Jahren wird ihnen die Aufenthaltsverfestigung erteilt. Wir setzen damit eine Hoffnung, die wir in den meisten Fällen dann nicht mehr erfüllen können. Herr Bundesminister! Ich habe Sie seinerzeit gebeten, gesetzlich Sorge dafür zu tragen, daß die Österreicherinnen und Österreicher bei der Bewältigung dieses Menschenrechtsproblems mitwirken können. Sie können sich an die Debatte über das Staatsbürgerschaftsrecht erinnern, bei der wir über die Mitwirkung der Bezirks- und Gemeinderäte diskutiert haben. In dieser Frage wird auch die Hilfsbereitschaft des einzelnen angesprochen, der Menschen am jeweiligen Ort, die sich auch darum kümmern werden. Aber es wird von oben verordnet, die Menschen kommen irgendwohin und können dann nicht integriert werden.

Ich habe gesagt, wir sind vorausgeeilt. In den heutigen Pressemeldungen wird der deutsche Innenminister Schily zitiert, der das sagt, was wir schon oft gesagt haben: Das Boot ist voll. – Es hat sich eine Änderung der Standorte ergeben. Aber in Österreich vermitteln wir den Eindruck, daß dieses Boot noch immer nicht voll ist.

Ich stelle einige Vergleiche mit anderen Staaten an. Aufenthaltsgenehmigungen für Ausländer im EU-Land Italien: Jeder Ausländer braucht eine Aufenthaltsgenehmigung, auch EU-Bürger. So erhält er bei der örtlichen Quästura die entsprechende Bestätigung, von Steuernummern et cetera rede ich nicht. Oder etwa in Spanien: Auch EU-Bürger müssen sich bei der Ausländerbehörde in der Provinzhauptstadt um ihre Residenzia, die Aufenthaltsgenehmigung, bemühen. Sie gilt fünf Jahre für EU-Bürger. Vorzuweisen sind dabei fixe Einkünfte et cetera et cetera, und das reicht bis in den sozialen Bereich. Da sind Versicherungen und Absicherungen von Staaten durchaus mit unserem Wissen getroffen worden. Ich glaube, hier hätte man koordiniert handeln müssen. Dieses Vorauspreschen, das Sie ein bißchen eingeschliffen haben – ich gebe es schon zu –, hat auch zu dieser für Österreich nicht sehr guten Situation geführt.

Herr Bundesminister! Darüber hinaus muß ich noch auf einige Dinge verweisen. Wir haben heute den Außenpolitischen Bericht debattiert, und es wurde von Frau Staatssekretärin Ferrero-Waldner unter anderem zu der Frage der Osterweiterung gesagt: Nein, es sind derzeit keine nationalen Zuschüsse erforderlich. Sie hingegen stellten fest, daß es eine nationale Co-Finanzierung geben müsse, wie ich Ihrer Beantwortung zur Frage Nummer 27 entnehme. (Bundesrat Konečny: Da haben Sie nicht aufgepaßt!) – So sagten Sie. Irgendwo ist da ein Widerspruch, und ich würde bitten, daß – sofern ich das richtig verstanden habe – die Arbeit der Regierungsmitglieder untereinander koordiniert wird.

Sie antworteten auf die Frage Nummer 29, daß Fremdenrecht – das ist richtig – eine nationale Angelegenheit sei. Ich darf daran erinnern, daß Ihr Fraktionskollege, der seinerzeitige Präsident des Bundesrates Strutzenberger, Ludwig Bieringer und meine Wenigkeit seinerzeit in Luxemburg in Angelegenheit des Schengener Abkommens waren und wir bereits dort sehr stark moniert haben, daß das Land zu unterstützen sei, das die größte EU-Außengrenze hat. Es reicht jetzt nicht, die Schuld allein der EU zuzuschieben und zu sagen, die Mitteln würden nicht gegeben. Man muß schon entsprechend vorstellig werden, auch mit entsprechendem Druck. Vielleicht machen Sie das auch bei der nächsten angekündigten Sitzung, auch mit dem entsprechenden Druck der anderen betroffenen Länder, sodaß eine entsprechende Unterstützung gegeben ist.

Noch etwas: Es verwundert mich schon sehr – es wurde wieder einmal das Bundesheer ins Gespräch gebracht –, daß zusätzlich 150 Mann – eine Zusage des Herrn Verteidigungsministers an den niederösterreichischen Landeshauptmann – für die Grenzsicherung bereitgestellt werden sollen. Bei einer Anfragebeantwortung haben Sie in aller Ehrlichkeit, die Sie auszeichnet, gesagt, daß das so lange gut sei, so lange das Bundesheer dies könne, Mitteln könnten Sie nicht zur Verfügung stellen. Es wäre endlich einmal nötig, daß zur Absicherung unseres Staats


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 125

gebietes diese Mittel nicht aus dem bereits ausgezehrten Budget des Bundesheeres herausgenommen würden, sondern daß diese von der Regierung über das Wehretat hinaus zur Verfügung gestellt werden.

Ich darf Ihnen eine Äußerung von höchsten Generälen dieses Heeres in Erinnerung rufen, die gemeint haben: Wenn die Entwicklung so weitergeht, ist damit zu rechnen, daß das Bundesheer seine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann. Eine Schlagzeile lautete: Dem Bundesheer droht die personelle und finanzielle Erschöpfung. So kann es ja nicht sein! Wenn der Herr Verteidigungsminister gutgläubig entgegen der Meinung seiner Fachleute weiter Kontingente zur Verfügung stellt, ist die Gesamtheit dieses Heeres, die Landesverteidigung gefährdet. Diese Landesverteidigung wird noch so lange benötigt, bis ein besseres Sicherheitssystem geschaffen worden ist. – Herr Bundesminister! Das fällt zwar nicht in Ihre Ressortverantwortung, aber dies wäre auch innerhalb der Bundesregierung auszudiskutieren.

Zum Schluß, Herr Bundesminister: Wer garantiert uns, daß sich ein Vorfall, wie er sich am Brenner ereignet hat, nicht wiederholt? – Niemand garantiert uns das. Es wurde von Ihnen und von den einzelnen Debattenrednern gesagt, daß die Ziele von Schengen erreicht wären. Ich sage, daß die Ziele von Schengen noch nicht erreicht sind, sonst würde man diese "Ad-hoc-Maßnahmen" nicht brauchen. Ich erwähne nur eine kleine menschliche Tragödie, die sich hier abgespielt hat. Unter anderem ist das Rote Kreuz von Steinach am Brenner zu den Menschen, die zurückgewiesen oder festgehalten wurden, gefahren und hat sie verpflegt. Das ist aber erst nach einiger Zeit passiert. So funktionierend, wie Sie es dargestellt haben, war also dieser Einsatz nicht. Vor allem haben Menschen im karitativen Bereich selbsttätig und aus Idealismus geholfen. Natürlich haben das Ihre Beamten auch getan. Sie sind – das soll man auch einmal sagen – vor einem ungeheuren menschlichen Problem gestanden.

Noch etwas wurde nie ausgesprochen, was fast wie ein Wunder anmutet und für die Qualität des österreichischen Bundesheeres und der dort tätigen Menschen spricht: Bei der Assistenzleistung an der Grenze wurde bei der Festhaltung und bei der Übergabe an die Gendarmerie stets sehr vorsichtig vorgegangen, sodaß dabei noch nie etwas passiert ist. Man muß bedenken, daß die Flüchtlinge tief emotionalisiert über die Grenze kommen. Aber auch da gibt es noch keine entsprechenden Verhaltensregeln – woanders macht man psychologische Schulungen. Bei den Assistenzleistungen sind Präsenzdiener tätig und üben Tätigkeiten aus, für die grundsätzlich andere Organe zuständig wären.

Herr Minister! Das ist Ihnen schon vorzuhalten: Die Assistenzleistung des Bundesheeres ist noch für einige Zeit vorgesehen, aber es kann kein Dauereinsatz sein. Bitte sorgen Sie dafür, daß es zu einer permanenten, ordentlichen und menschengerechten Lösung kommt. Wenn Sie schon dem Schengen-Bereich eine solch wichtige Bedeutung einräumen – Sie haben das angedeutet –, dann seien Sie bitte auch so freundlich und fordern Sie, daß wir zu einer gemeinsamen europäischen Fremdenpolitik kommen. Was passiert denn derzeit? – Menschen werden von einem Land zum anderen gebracht, und die Flüchtlingsströme werden immer größer. Man redet sich auf komplizierte juridische Klauseln aus, um die Menschen abzuschieben. Das kann doch nicht die Lösung sein.

Ich weiß, daß Österreich allein damit überfordert ist. Ich möchte aber den entsprechenden Hinweis dafür geben: Unsere EU-Präsidentschaft wurde schon so hochgelobt, aber die Behandlung dieser menschlichen Frage wurde verabsäumt. Ihnen muß ich vorhalten, Herr Bundesminister, daß Sie nur teilweise die entsprechenden gesetzlichen Lösungen – aus welchen Gründen auch immer – erarbeitet haben. Ich habe am Anfang mit einem Scherz begonnen: Verwenden Sie nicht gewisse Leute als Löschmeister! Ich weiß schon, daß das sehr schwierig ist. Es fehlen aber die entsprechenden gesetzlichen Lösungen. Manchmal ist auch eine schmerzende Ehrlichkeit vonnöten. Man muß den Leuten sagen: Nein, so geht es nicht. – "Wasch’ mir den Pelz und mach’ mich nicht naß" – das wird auf Dauer nicht die Lösung sein.

Ich hoffe, daß diese dringliche Anfrage innerstaatlich dazu dient, dieses Problem entsprechend darzustellen, und daß sie EU-weit dazu dient, daß man zu einer vertretbaren, menschlichen Lö


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 126

sung kommt. Das war der Sinn dieser Anfrage. Ich hoffe, sie hat jene Folgen, die ich vorhin aufgezeigt habe. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.26

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem erteile ich Herrn Bundesminister Mag. Karl Schlögl das Wort. – Bitte.

17.26

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte kurz auf ein paar Debattenbeiträge eingehen. Das Wichtigste, das ich an den Beginn stellen möchte, ist, daß ich die Wortmeldung des Herrn Bundesrates Konečny vollinhaltlich nur unterstützen kann.

Wir diskutieren darüber, ob ein Land Mitglied der Europäischen Union werden soll – ja oder nein. Bisher war dabei in der Diskussion immer im Vordergrund, ob es gelingt, diese Beitrittskandidatenstaaten in ihren sozialen Standards an die Europäische Union heranzuführen, ob die wirtschaftliche Entwicklung annähernd so ist, daß sie keine Gefahr für die Europäische Union bedeutet, ob die sicherheitspolitischen Fragen gelöst werden können und anderes mehr.

Ich glaube, daß die von Herrn Kollegen Konečny eingebrachten Menschenrechtsfragen ganz entscheidend und wichtig sind und auch einer der Schlüssel für die Lösung der Migrationsdebatte sind. Nur dann, wenn es uns gelingt, daß wir in den Ländern rund um die Europäische Union – dabei möchte ich mich gar nicht so sehr auf Europa konzentrieren, sondern auf den benachbarten Raum, vor allem auf den Mittelmeerraum – eine befriedigende Menschenrechtssituation gewährleisten, werden wir einen Teil des Druckes von Österreich und anderen Staaten verringern. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesrat Bösch hat mich und die österreichische Bundesregierung kritisiert. Er hat gesagt, daß diese Situation, dieser Migrationsdruck durch die verfehlte Politik der Bundesregierung entstanden sei. Ich teile diese Ansicht nicht. (Bundesrat Dr. Bösch: Anzunehmen!) Selbst wenn Sie zum Teil recht haben, dann bitte ich Sie doch folgendes festzuhalten: Wir haben zurzeit 760 000 ausländische Mitbürger in Österreich. Vor zehn Jahren ... (Bundesrat DDr. Königshofer: Sind das Ausländer oder Mitbürger?) – Es handelt sich um ausländische Mitbürger, die in Österreich eine legale Aufenthaltsbewilligung und zum größten Teil auch eine Arbeitsbewilligung haben. (Bundesrat DDr. Königshofer: Staatsbürger oder Ausländer?) – Ausländische Mitbürger, die aber keine Staatsbürger sind! Wenn sie österreichische Staatsbürger wären, dann wären sie keine Ausländer mehr, also sind es ausländische Mitbürger, die in Österreich leben, eine Aufenthaltsberechtigung und zum größten Teil auch eine Arbeitsbewilligung haben. (Bundesrat DDr. Königshofer: Das ist Ihre Sicht!)

Vor zehn Jahren war diese Anzahl, nämlich 760 000, um die Hälfte weniger, da gab es rund 360 000. Wieso gab es diese Explosion? – Eine Ursache dafür ist die Entwicklung im Osten Europas, ich erinnere an den Wegfall des Eisernen Vorhanges im Jahre 1989, der eine Migration ausgelöst hat. Zweitens gab es 1991 die Auseinandersetzungen in Kroatien, 1992 bis 1994 den fürchterlichen Bürgerkrieg in Bosnien, der an die 250 000 Menschenleben gefordert hat. Mehr als 500 000 Menschen sind im Zuge dessen nach Österreich, Deutschland, in die Schweiz, nach Schweden und in andere Staaten geflüchtet. Außerdem gab es die Entwicklung im Irak, beginnend mit der Krise rund um Kuwait, aber auch die innenpolitische Entwicklung in diesem Land. Seit 1998 gibt es die Krise im Kosovo. Als Folge dieser befinden sich 300 000 Menschen auf der Flucht, davon sind allein mehr als 50 000 nach Westeuropa geflüchtet. Weiters möchte ich auf die Entwicklung in Afghanistan verweisen. – Ich könnte diese Aufzählung beliebig fortsetzen. Das sind eine der Hauptursachen für diesen gigantischen Migrationsdruck und die gigantische Wanderungsbewegung.

Daß wir in Europa so eine friedliche Entwicklung haben, ist sehr eng mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft, der Europäischen Union verbunden. Ich gehöre zu der Generation, die erstmals in der Geschichte Österreichs noch nie einen Krieg miterleben mußte. Es gibt in der tausendjährigen Geschichte Österreichs keine Generation, die das von sich behaupten konnte. Ich bin ein glückliches Kind dieser Generation und eine Reihe von Ihnen auch. Dieser Umstand


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 127

ist sehr stark mit der Entwicklung der Europäischen Union verbunden, die nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft und Wirtschaftsunion ist, sondern die vor allem auch eine Friedensunion ist.

Zur Frage des Herrn Bundesrates Schöls betreffend Bundesheer an der Grenze, und Herr Kollege Tremmel hat das auch erwähnt: Ich habe überhaupt keine Probleme mit dem Bundesheer an der Grenze. Ich bin dankbar, daß das Bundesheer im Assistenzeinsatz tätig ist, denn wenn wir nicht die 2 000 Männer an der Grenze vom Burgenland mit Ungarn und an der Grenze von Niederösterreich mit der Slowakei hätten, dann müßte man statt dessen mindestens eine ähnlich große Anzahl an Grenzgendarmen haben, die derzeit nicht zur Verfügung stehen. Das heißt, lieber wäre mir, wenn wir Grenzgendarmen hätten – das wäre aus vielen Gründen sinnvoller und besser –, aber solange wir uns das nicht leisten können und ich von der Regierung nicht die Geldmittel zur Verfügung gestellt bekomme, halte ich es für sinnvoll und gut, daß das Bundesheer den Assistenzeinsatz tätigt.

Ich halte es auch für gut, wenn man diesen Assistenzeinsatz, wenn es notwendig ist, ergänzt und erweitert. Wir müssen uns aber dessen bewußt sein, daß das im Bundesheer seine natürlichen Grenzen findet. Ein Heer, das rund 20 000 Präsenzdiener pro Jahr hat und davon ungefähr 6 000 für den Grenzassistenzdienst braucht, kann nicht eine beliebige große, zusätzliche Zahl an Soldaten zur Verfügung stellen, ohne daß die anderen Aufgaben, die es hat und wofür es da ist, erfüllt werden.

Darum bitte ich auch um Verständnis dafür, daß es eine enge Akkordanz zwischen Innenministerium und Verteidigungsministerium geben muß und daß es kein gegenseitiges Hochlizitieren geben darf, sondern daß man sehr punktgenau einsetzt.

Ich kann auch nicht garantieren, daß es solche Entwicklungen und Ereignisse nicht mehr gibt, wie es sie an der Brenner-Grenze gegeben hat. Diese wird es immer wieder geben.

Das, was Kollege Konečny gesagt hat, ist natürlich auch richtig, nämlich daß die Schlepper spontan und sehr gut auf entsprechende Situationen reagieren. Wir hatten vor einigen Wochen eine Zuspitzung der illegalen Migration im Bereich der tschechisch-niederösterreichischen Grenze. Das ist jetzt wieder vorbei, dafür haben wir eine Verlagerung in anderen Bereichen. In Wirklichkeit würde ich eine Gruppe, ein Team von Beamten in einer bestimmten Anzahl brauchen, die ich von einem Teil Niederösterreichs in einen anderen Teil Niederösterreichs beliebig verlegen kann. Ob wir dazu von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst die Zustimmung bekommen, weiß ich nicht, aber das wäre notwendig, um auf entsprechende Entwicklungen sozusagen beliebig reagieren zu können.

Das eigentliche Problem sind nicht die illegalen Migranten, das eigentliche Problem sind jene Menschen, die auf Kosten und am Leid und Elend von vielen Menschen enormes Geld verdienen. Der Menschenschmuggel, die Menschenschlepperei ist der lukrativste Zweig der organisierten Kriminalität geworden. Es gibt keinen Zweig der organisierten Kriminalität, bei dem man mit so wenig Geldmitteln, mit so wenig Risiko und mit so wenig Einsatz so viel Geld verdienen kann. Und dieses Geld, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird für neue Formen der Kriminalität verwendet – ob das im Rotlicht-Milieu ist, ob das Drogenhandel, Kfz-Schmuggel oder Geldwäsche ist; und ich könnte das beliebig fortsetzen.

Diesbezüglich gebe ich Ihnen recht, es wird notwendig sein, einheitliche Strafbestimmungen zu finden. Wir müssen die Schlepperei auch in den Herkunftsländern unter Strafe stellen. Ich bin mit Vizekanzler Schüssel völlig einer Meinung, daß das eine gemeinsame Initiative sein muß. Er hat das in der UNO bereits ventiliert, und ich hoffe, daß wir diesbezüglich einen Schritt weiterkommen werden.

Das Letzte, auf das ich kurz eingehen möchte, ist, daß ich der Ansicht bin, daß wir natürlich auch die gemeinsame Verpflichtung haben – ich sage das auch sehr bewußt –, Migration nicht nur als Bedrohung zu betrachten, denn Zuwanderung ist etwas, das auch eine Bereicherung sein kann. Zuwanderung ist etwas, das man nicht von vornherein ablehnen darf, denn Zuwanderung ist natürlich auch eine Befruchtung. Wir wollen nicht in einem Staat leben, in dem es nur


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 128

Österreicher gibt, wir wollen nicht in einem Staat leben, in dem es nur Italiener gibt, sondern es soll so sein, daß wir die Möglichkeit haben, gemeinsam im friedlichen Kontakt miteinander zu leben.

Das heißt also, Zuwanderung in dem Rahmen, daß sie in einem einzelnen Staat zu keiner Bedrohung wird, daß sie sozial verträglich ist, daß sie von der Bevölkerung akzeptiert wird, halte ich für wichtig und für notwendig. Es darf nicht über ein gewisses quantitatives Ausmaß hinausgehen. Darum müssen wir auch sehr vorsichtig sein und Zuwanderung nicht von vornherein als Bedrohung empfinden, sondern auch zum Teil als Bereicherung ansehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster erteile ich Frau Bundesrätin Irene Crepaz das Wort. – Bitte.

17.36

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Eingangs möchte ich zu den Ausführungen von Kollegen Schöls sagen, daß ich nicht den Ort verwechselt habe: Ich weiß, ich bin im Bundesrat, aber Tirol betreibt beinharte Außenpolitik, und das ist nicht allein nur als Landespolitik von Tirol zu sehen. – Womit Sie recht haben, ist, daß der Wahlkampf in Tirol begonnen hat, da kann ich Ihnen vielleicht recht geben.

Die dringliche Anfrage der Freiheitlichen zeigt mir wieder einmal deutlich die menschenverachtende Einstellung der Freiheitlichen und ihrer Mandatare. So gesehen ist es positiv, daß diese dringliche Anfrage gestellt wurde. Es ist darin die Rede von Illegalen, es ist die Rede von Kriminellen, ohne daß – außer von Herrn Kollegen Dr. Tremmel – humanitäre Aspekte aufgezeigt wurden. Sie waren eine rühmliche Ausnahme. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ich habe das Wort "Kriminelle" nicht einmal in den Mund genommen!)

Es geht Ihnen nur um das Dichtmachen der Grenzen, um das Aussperren und nicht um Lösungen von Problemen, die im Bereich der Migration sicher vorhanden sind. Aber durch Panikmache und Verunsicherung der österreichischen Bevölkerung soll die bereits vorhandene ausländerfeindliche Stimmung in unserem Land noch weiter gefördert werden, damit Sie Ihre unwürdige Politik im Sinne Ihres Ausländer-Volksbegehrens fortsetzen können.

Eine FPÖ, die vor einem internen Auflösungsprozeß und einem Schuldenhaufen steht, der angeblich die besten Köpfe davonlaufen und die alle Funktionäre, denen ein kritisches Wort entkommt, aus der Partei hinausschmeißt, möchte von ihren Problemen ablenken und nimmt dafür jeden Strohhalm, der sich ihr bietet. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wie geht es denn Bruno Aigner? Wie geht es ihm denn? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Ja möglich. Das paßt mir sehr!

Dieses Mal sind es die Kurden, die als Verbrecher und Kriminelle bezeichnet werden und die dafür herhalten müssen, daß die FPÖ ihre Ablenkungsstrategie umsetzen kann. Gerade die Kurden, die in ihren Herkunftsländern Iran, Irak, Syrien und speziell in der Türkei massiven Repressionen ausgesetzt sind, werden von Ihnen als Spielball mißbraucht. Aber das allein zeigt mir schon, wie zynisch Sie im Umgang mit den Menschen sind. (Bundesrat DDr. Königshofer: Ihr Bundeskanzler empfängt den türkischen Präsidenten!) – Sie werden wohl nicht bestreiten, daß die Kurden auch Menschen sind, für die in derselben Art und Weise die Grund- und Freiheitsrechte gesichert werden müssen.

Nun ein paar Worte zu Schengen. Mit dem Beitritt zum Schengener Übereinkommen ist für die Österreicherinnen und Österreicher ein Mehr an Sicherheit geschaffen worden (Zwischenruf des Bundesrates Eisl ), und gleichzeitig wurden damit auch die Voraussetzungen für eine Entwicklung in Richtung einer vollständigen Personenfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union eingeleitet.

Im Zusammenhang damit wurde der Grenzdienst aufgebaut und die technische Ausstattung der Grenzkontrollstellen geschaffen, um am Schengener Informationssystem teilnehmen zu können. (Zwischenruf des Bundesrates DDr. Königshofer. ) Das Schengener Übereinkommen ist daher


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 129

nicht, wie die Freiheitlichen fälschlicherweise behaupten, gescheitert, sondern erleichtert und verstärkt die Polizeiarbeit für die Sicherheit Österreichs.

Wenn es Ihnen um die Bekämpfung grenzüberschreitender und organisierter Kriminalität geht, sollte vielmehr die Idee vom Präsidenten des deutschen Bundeskriminalamtes, Ulrich Kersten, aufgegriffen werden, der meinte, daß die osteuropäischen Staaten noch vor ihrem EU-Beitritt in das europäische Sicherheitssystem Schengen und Europol eingebunden werden sollen.

Meine Damen und Herren! Wir müssen und sollen mit diesen Staaten kooperieren und nicht den Weg des Aussperrens und Ausgrenzens gehen. (Bundesrat Eisl: Aber nicht mit den Terroristen! Nicht mit Terroristen!) – Die Kurden sind keine Terroristen! Es besteht daher überhaupt kein Grund, das Schengener Übereinkommen und die Philosophie des Schengener Übereinkommens in einer solch undifferenzierten Art und Weise herabzumachen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ist der Öcalan für Sie ein Freiheitsheld? Was ist der Herr Öcalan?)

Die politische Situation am Brenner wird von der FPÖ in verantwortungsloser Weise massiv übertrieben. Als Tirolerin möchte ich besonders die Vorwürfe zurückweisen, daß in unserem Land durch Schengen die Kriminalität gestiegen sei. (Zwischenruf des Bundesrates Eisl. ) Das ist falsch, und es ist verantwortungslos, wenn man immer nur Gruppen von Menschen gegeneinander ausspielt und diese dadurch verunsichert. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Die Maßnahmen, die vom Innenminister eingeleitet wurden, waren geradezu maßvoll, und ich muß ihm an dieser Stelle danken.

Abschließend noch ein kurzer Schwenk auf Ihre dringliche Anfrage. In der Frage 21 möchten Sie wieder einmal die EU-Osterweiterung madig machen. Aber auch da muß ich als Sozialdemokratin widersprechen: Der Gedanke eines freien Europa darf nicht bei einem Europa der 15 enden, sondern soll ein umfassendes Europakonzept umsetzen. Gerade in der Frage der Sicherheit darf es keine Trennlinien in Europa geben, und alle Trennlinien sollten mittelfristig gänzlich unnotwendig werden, denn das ist sozialdemokratische Politik. (Beifall bei der SPÖ.)

17.41

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

17.41

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es wird vielleicht wenig Themen geben, bei denen ich mit dem leider Gottes zurzeit nicht anwesenden Kollegen Konečny einer Meinung bin. Ein solches Thema sind die Menschenrechte. Wenn Kollege Konečny darauf hingewiesen hat – wie auch der eine oder andere an dieser Stelle –, daß wir in die Europäische Union nur Staaten aufnehmen sollen und dürfen, die ein Mindestmaß an Menschenrechten beachten, dann kann man dem nur ausdrücklich zustimmen und in diesem Fall Kollegen Konečny auch Beifall spenden. Ich habe ihm diesen auch gespendet. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Wir müssen wissen – das ist gewissermaßen eine Ironie des Schicksals oder ein fast schicksalhaftes Zusammentreffen –, daß sich gerade derzeit der türkische Präsident Demirel in einem demokratischen, noch neutralen Staat aufhält und laut Schlagzeile einer Tageszeitung meint: Wir haben kein Kurdenproblem! (Bundesrat Dr. Böhm: Skandalös! Skandalös!)

Meine Damen und Herren! So kann man es natürlich auch sehen. Man kann die Probleme negieren und sagen: Ich habe keine Schulden!, auch wenn alle schon wissen, daß der Betreffende gewissermaßen bis oben hin mit Schulden "zugepflastert" ist. Diese Aussage erschreckt mich. Ein Staatspräsident sollte die Sorgen, die dieser Staatspräsident haben sollte und müßte, bei einem Besuch in einem befreundeten Staat, der eigentlich für ihn im Rahmen der EU werben soll, bekanntgeben und sagen: Wir haben Ärger, wir haben Kummer; es ist fürchterlich, was wir jahrelang gemacht haben. (Zwischenruf des Bundesrates Drochter. ) Demirel ist noch nicht so lange im Amt, er ist lediglich langjähriger Politiker. Er könnte doch irgendwie dazu Stellung nehmen. Daher möchte ich Ihnen sagen, was in der Türkei passiert.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 130

Von den 800 000 Soldaten in der Türkei – somit die zweitstärkste NATO-Armee – befinden sich 300 000 im Osten des Landes, im bei uns sogenannten Kurdistan. Die Türkei sagt, soweit ich weiß, Bergtürkei dazu. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) Bisher wurden 8 Milliarden Dollar für diesen Truppeneinsatz ausgegeben. Die offiziell als terroristisch oder separatistisch bezeichnete Organisation ist noch nicht ausgeschaltet. Dies wird immer wieder nur behauptet. 900 Dörfer wurden zerstört. (Bundesrat DDr. Königshofer: Auch in Nachbarländern!) Seit 1990 setzt die türkische Armee die Vertreibungswelle in die Tat um. Mehr als eine halbe Million Kurden befinden sich jetzt noch in der Türkei auf der Flucht. Solch einen Staat wollen wir in die EU aufnehmen, meine Damen und Herren? – Nein, das wollen wir nicht. Ich glaube, da sind wir einmal einer Meinung – wenn wir auch sonst in manchen Punkten nicht einer Meinung sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da Sie jetzt nicht mitklatschen, glaube ich, daß Sie sie trotzdem aufnehmen wollen. Oder ist dem nicht so, Kollege Drochter? – Nein, wahrscheinlich nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Drochter. )

Man kann natürlich der Meinung sein – vielleicht sind Sie der Meinung –, daß manch ein Staatsmann als Terrorist begann. Wir haben drastische Beispiele: Begin in Israel, Mandela in Südafrika oder Arafat. Aber es gibt auch solche, die Staatsmänner sind und immer noch mehr geächtet werden. Mißachtet und geächtet wird Milošević. Aber wir müßten auch einen Demirel und seine Regierung ächten. Denn die Probleme, die in der Türkei ihren Ausgang nahmen, spielen sich in Europa ab.

Ich habe wenig Verständnis dafür, wenn Frau Kollegin Crepaz sagt, Frau Dr. Riess-Passer hätte bezüglich der Situation am Brenner grenzenlos übertrieben. Sie hat nicht grenzenlos übertrieben. Es ist keine Grenze mehr da, und alle Kurden Europas streben eine Art Sternmarsch auf Rom an. "Der Marsch von Rom" von Renato Balbo in den zwanziger Jahren, ein Buchtitel, ist ein Kinderspiel gegenüber jenen Ereignissen, die sich abspielen werden, wenn Öcalan längere Zeit in Rom bleibt. Ich glaube, wir haben ein Recht, zu sagen, wir wollen dieses Machtgeplänkel innertürkischer Art nicht auf europäischem Boden, besonders nicht auf österreichischem Boden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundesminister! Ich hätte noch ein paar Fragen, vielleicht könnten Sie noch darauf eingehen. Ist es nicht so, daß die österreichische Exekutive in den letzten Jahren – auf jeden Fall in den letzten Monaten – in ständigem und 100prozentigem Dauereinsatz ist und daß die österreichische Exekutive im Grunde genommen keine freien Kapazitäten mehr hat? – Wenn das nicht der Fall ist, dann frage ich, warum zum Teil Verstärkung durch das Bundesheer angefordert wurde. Aber da dies der Fall ist, hat die österreichische Exekutive offenbar keinen Spielraum mehr, weitere Aufgaben zu übernehmen. Die Fragen lauten daher auch, wie viele Dienstzuteilungsgebühren ständig bezahlt werden müssen und wie viele Überstunden für die österreichische Exekutive anfallen. Ich freue mich für die Beamten, die sie bekommen, aber das ist der Ausdruck einer Überbeanspruchung der österreichischen Beamten, die im Rahmen der Exekutive tätig sind.

Ich meine daher, Herr Bundesminister, daß das Bundesheer natürlich ein Alliierter von Ihnen ist. Das steht außer Zweifel. Sie haben das österreichische Bundesheer zum Glück schon eingesetzt. Das ist aber nicht die primäre Aufgabe des österreichischen Bundesheeres, das haben wir andernorts schon besprochen. Im Grunde genommen nimmt der Ausbildungsstand der Soldaten in dieser Zeit ab. In allen Staaten der Welt ist das so, weil dies eine sehr einseitige Aufgabe ist.

Aber wenn immer und immer wieder solche Krisenmomente auftreten werden, so wie sie Frau Dr. Riess-Passer am Brenner vor ein paar Tagen festgestellt hat – es spricht nichts dagegen, daß diese nicht wieder auftreten, denn die Südostflanke Europas ist besonders krisenhaft –, dann muß man sich doch vorausschauend Teile des Heeres vorbereitend zu Hilfe holen. Nun sagen Sie, daß jährlich rund 6 000 Soldaten Dienst an der Grenze machen. Das ist es ja nicht. Wir haben viel mehr Möglichkeiten. Das heißt, der Staat hat mehr Möglichkeiten für das Bundesheer. Nichts spricht gegen Waffenübende an der Grenze.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 131

Wir haben ein ungeheures Arbeitslosenpotential. Wenn man jene, die eingerückt waren und als Soldaten ihren Dienst versehen haben, auffordert, eine Waffenübung an der Grenze zu machen, wäre das ein Lösungsansatz, um einerseits die Staatsgrenze vor unberechtigt einwandernden Einreisenden zu schützen und andererseits auch diesen Leuten eine Möglichkeit zu geben, sich für die Gesellschaft nützlich zu machen. Ich meine nur, das dies anzuregen wäre, und es wäre nicht schlecht, wenn das auch in die Tat umgesetzt werden würde.

Kollege Schöls hat Probleme mit Schengen und dem Schengen-Durchführungsübereinkommen gehabt. Wissen Sie, dabei besteht ein kleiner Unterschied: Dem Durchführungsübereinkommen sind erst zehn Staaten beigetreten. Vielleicht hätten Sie das sagen können, dann wäre es uns klarer gewesen, daß Sie kein Problem haben. Das steht drinnen – Sie haben das nachgelesen, wir auch –, und das muß man dazu sagen. Daher gibt es Staaten, die noch nicht bei Schengen und dem Durchführungsübereinkommen noch nicht beigetreten sind. Andere sind dabei, aber diese gehören alle der EU an. Darüber sind wir uns schon im klaren. Das möchte ich betont haben.

Eine weitere Frage stellt sich. Bei den vielen Jugendlichen, die hierzulande, aber auch in Deutschland straffällig geworden sind – das verändert sich meistens nur um eine Zehnerpotenz –, macht der Anteil an Ausländern in Deutschland 50 Prozent aus. Ich gehe davon aus, daß das in Österreich ebenso der Fall ist. Herr Bundesminister! Auch bei der Einreise von Jugendlichen soll sehr darauf geachtet werden, welche Art von Jugendlichen nach Österreich kommt. Ich weiß schon, daß das ein Problem ist. Wir können nicht alle sieben. Aber die Absicherung der Grenze ist mangelhaft, daher gibt es den einen oder anderen Mordanschlag innerhalb Österreichs. Etwa vor 10 Tagen im 3. Bezirk in einer illegalen Diskothek in der Fasangasse hat ein Serbe einen anderen Serben umgebracht. Wir Österreicher wünschen uns ein ruhiges Hinterland, ein ruhiges Binnenland.

Wir wollen nicht, daß kriminelle Ausländer in die Stadt kommen und die Bevölkerung verunsichern. Die höchste, wertvollste und ehrenvollste Aufgabe eines Innenministers ist es, zu sagen: Für euch Österreicher habe ich gesorgt! – Mir ist es ganz gleich, wie die Europäer darüber denken. Unsere Aufgabe ist es, die österreichische Bevölkerung zu schützen. Ich bitte Sie, Herr Bundesminister, tun Sie das! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.51

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid das Wort. – Bitte.

17.51

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! In erster Linie hätte ich mir vorgestellt, daß über diese dringliche Anfrage von uns Freiheitlichen heute auf einer fairen und ordentlichen Basis diskutiert wird. Es hat mich auch sehr gefreut, daß Kollege Konečny und Bundesminister Schlögl das auch so aufgefaßt haben, daß man über eine dringliche Sache einmal ordentlich diskutieren kann.

Die zwei "Auswüchse" der beiden Koalitionspartner von Herrn Kollegen Schöls und Frau Crepaz werte ich nicht so sehr. Bei Kollegin Crepaz denke ich mir, daß wir das von ihr gewohnt sind. Eigentlich müßte sie einen großen Besen nehmen und zuerst vor der eigenen Tür, nämlich der der Sozialdemokraten, kehren, bevor immer nur wir Freiheitlichen angeschüttet werden. Was Herrn Kollegen Schöls betrifft, so muß ich sagen (Bundesrat Rauchenberger: Von wegen Sachlichkeit!), er sollte sich nicht als Messerwerfer eines österreichischen Zirkus betätigen. Ich hätte eigentlich von Ihnen erwartet, daß Sie sich einmal ein paar Gedanken über Ihre Wirtschaftspartei machen, wie es wirtschaftlich ausschaut, wenn das so weitergeht, Herr Kollege! (Zwischenruf des Bundesrates Freiberger. )

Herr Bundesminister! Ich hätte nicht geglaubt, daß meine Anfrage vom 22. Oktober an Sie und Ihre Antwort so bald konkret zur Diskussion stehen werden. Die Unsicherheit und die berechtigten Ängste der Bevölkerung kommen nicht von ungefähr – auch wenn Frau Kollegin Crepaz sagt, wir schürten diese. Ich erlebe das Tag für Tag an unserem Wirtshaustisch, und ich höre auch von sozialdemokratischen Gästen, daß diese Ängste haben oder Bedenken äußern. Wir


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 132

haben all das schon einmal erlebt, und zwar vor nicht allzu langer Zeit, wie Sie, Herr Minister, selbst erwähnt haben, und zwar im Zuge der Auseinandersetzungen in Kroatien.

Ich denke daran, was dies damals für uns als Tourismusland bedeutet hat. Damals wurde auch von einem Minimum an Asylantenaufnahmen gesprochen, und dann hatten wir einen Flüchtlingssommertourismus und einen Flüchtlingswintertourismus. Wenn man Ihren Worten Glauben schenken kann, dann werden wir von einer Asylanten- und Flüchtlingswelle überrollt werden, und viele werden illegal hier sein, und viele werden legal verweilen. Diese müssen doch auch alle untergebracht werden! (Präsident Gerstl übernimmt den Vorsitz.)

Herr Minister! Wenn auch die Wirtschaftslage der Tourismusbetriebe nicht gerade rosig ist, wenn auch Herr Nationalratsabgeordneter Mag. Peter als Großhotelier meint, daß 30 bis 40 Prozent der Klein- und Mittelbetriebe zugesperrt gehören und der Staat diese Betriebsschließungen fördern müßte, so glaube ich nicht, daß es der richtige Förderungsweg wäre, unsere Wirtshäuser wieder als Flüchtlingslager verwenden zu müssen, wenn es auch vielleicht (Bundesrat Steinbichler: Viele Ihrer Kollegen haben das gemacht!)  – lassen Sie mich ausreden, Herr Kollege Steinbichler! – manchen unserer Kollegen zum Wohle gereicht hat, sie teilweise tatsächlich vor einer momentanen Insolvenz bewahrt wurden und ihre Betriebe nachher wieder aufbauen konnten.

Die Insolvenz ist aber nach wie vor wie eine Rute im Fenster gestanden, denn Gäste zurückgewinnen kann man dann, wenn man einmal Flüchtlinge beherbergt hat, sicher nicht mehr so schnell. Das wissen Sie ganz genau. Wenn einmal irgend etwas kaputt gemacht ist, dann wird es nicht mehr so schnell aufzubauen sein.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es sinnvoller wäre, die österreichische Wirtshauskultur anders zu fördern und vor allem den Touristen das Land Österreich so zu präsentieren, wie sie es sich in ihren Träumen vorstellen und es in den vielen farbenfrohen und teuren Prospekten sehen, nämlich hauptsächlich von Österreichern bevölkert, die bewirten und Gastfreundschaft bieten. Ich setze voraus, daß unsere Kollegen und vor allem wir Österreicher sicher gerne Hilfe gewähren, aber im Rahmen des Möglichen.

Meine Bitte an Sie, Herr Minister – verbunden mit einem kleinen Dank –, ist: Die Sicherheit in einem Tourismusland muß gewährleistet werden. Bis jetzt können wir das als Werbeargument einsetzen. Aber ich weiß nicht, wie lange das noch möglich sein wird. Nur in einem sicheren Land kann der Gast auch einen schönen Urlaub machen, und dabei stellen die Flüchtlinge ein Problem dar. (Zwischenrufe der Bundesräte Kainz und Steinbichler. )

Herr Kollege! Einen Tourismussommer im Salzkammergut, wie wir ihn 1991 erlebt haben, möchte ich nicht mehr erleben. (Bundesrat Rauchenberger: Kollegin, der Tourismusbericht war letztens auf der Tagesordnung! – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Sie wissen ganz genau, wieviel Minus wir verzeichnen konnten. Wenn Sie als Tourist auf den Brenner kommen, lieber Herr Kollege Steinbichler, dann glaube ich nicht, daß Kämpfe dort ein schöner Anblick sind.

Die vielen Autoschlangen von und nach Tschechien passen Ihnen doch sicher auch nicht! Und wenn wir dann einmal am Abend keinen Stadtbummel mehr machen können, weil wir uns nur mehr unter Flüchtlingen und Asylanten bewegen, dann ist das sicher auch nicht der Idealfall. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Wenn ich von unserem Almtal rede, Herr Steinbichler, dann muß ich Ihnen folgendes sagen: Wenn man aus einem Romantikhotel heraustritt und die ganze Romantik rundum nur mehr darin besteht, daß man von Flüchtlingen und Ausländern umgeben ist, dann ist das auch nicht das Beste. Denn wenn unsere Gäste in Österreich buchen, dann möchten sie auch "Österreich" erleben. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Ich bin genauso wie Sie der Meinung, daß Humanität Platz greifen soll – aber nur so lange, so lange wir dazu in der Lage sind. Diese Menschen haben das Recht, zu leben und zu überleben, aber, liebe Damen und Herren, bitte nicht auf Kosten unserer Bürger, nicht auf Kosten unserer Natur, unserer Kinder in unseren Schulen, der Religionen und nicht auf Kosten unserer Exeku


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 133

tive! (Bundesrat Mag. Leichtfried: Das ist unwürdig, was Sie im österreichischen Parlament verzapfen! – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Denn daß nicht alles so leicht geht, wie Sie sich das vorstellen, das wissen Sie ganz genau!

Herr Minister! Nun haben auch Deutschland und Italien einfach die Grenzen zugemacht, und uns bleibt das Chaos. Das wird wieder so sein, und das streiten Sie auch nicht ab. Daher seien wir doch ehrlich und denken einmal nach! Auch bei Ihnen führt dieses Thema zu Emotionen. Auch Sie wollen ein ordentliches Österreich und in erster Linie ein Österreich für Österreicher – ohne erhöhte Kriminalitätsrate! (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Die Grenzen der Belastbarkeit Österreichs durch die Zuwanderer ist überschritten. Wir stehen, wie die "Presse" richtigerweise berichtet, vor einem unüberwindlichen Dilemma. Ich zitiere: Wer glaubt, daß es zwischen diesen Übeln einen Ausweg gibt – so schreibt heute die "Presse" –, wer auf einen Zuwanderungsstopp ohne schlimme Härten hofft, der irrt. Leider. Wohlstand und Arbeitsplätze in der EU sind so verlockend, daß Zuwanderer aus der Dritten Welt jedes Mittel ergreifen, um in diese EU hineinzukommen. Sich zu Unrecht als politisch verfolgt auszugeben, ist eines davon. Auch wird sich nichts an dem Dilemma ändern, wenn man noch so viele Schlepper verhaftet. Diese sind nur Symptom. Noch etwas: Jede Legalisierung ruft nur Hoffnungen auf eine weitere in der Zukunft hervor und zieht, wie das Beispiel zeigt, sogar einen Massenansturm an.

Meine Damen und Herren! Ich stelle Ihnen, Herr Minister, daher noch einmal jene Frage, die ich Ihnen bereits vor einigen Wochen gestellt habe: Was gedenken Sie speziell vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Befürchtungen, daß Österreich einem neuerlichen Ansturm von Flüchtlingen nicht mehr gewachsen sei, gegen diese Gefahr zu unternehmen? Sie haben gemeint, Sie könnten sich anstelle eines individuellen Verfahrens mit Bescheiderlaß ein ausgeweitetes Kontingentaufnahmeverfahren vorstellen. Bedeutet das nicht die Aufgabe der Rechtsstaatlichkeit bei gleichzeitiger Erhöhung des Aufnahmekontingents für Flüchtlinge? Sie antworteten mir: Das soll es nicht bedeuten, und es soll auch nicht das individuelle Recht auf Asyl angetastet werden. Sie aber glauben, daß es wichtig ist, daß es bei Massenfluchtbewegungen ein gemeinsames Handeln der EU gibt.

Dem war in jüngster Vergangenheit am Brenner nicht so. Wer gewährleistet uns, daß derartiges morgen an anderen österreichischen Grenzen oder gar wieder am Brenner nicht wieder passieren wird und wir nicht zur Kenntnis nehmen müssen, daß – laut Presse von heute – Europa wohl auf Dauer zwischen Not und Elend eingeklemmt sein wird, zumindest bis die Globalisierung allen Ländern Wohlstand gebracht hat?

Werden das unsere Kinder oder Kindeskinder erleben? – Ich glaube das nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.02

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Schlögl. – Bitte, Herr Bundesminister.

18.02

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! In gebotener Kürze möchte ich die Fragen des Herrn Bundesrates Gudenus beantworten, wobei ich sie nicht 100prozentig genau beantworten kann, da ich auf diese Fragen nicht vorbereitet war und momentan auch nicht die Unterlagen zur Verfügung habe. Aber ich kann sagen, daß die etwa 27 200 Exekutivbeamten – Gendarmerie-, Polizei- und Kriminalbeamte –, die wir in Österreich haben, im Schnitt zwischen 23 und 25 Überstunden pro Monat machen, also eine erkleckliche Zahl, und daß wir derzeit 82 Beamte in der Zuteilung haben, vor allem aus den Bundesländern Tirol und Salzburg, aus diesen beiden Bundesländern deshalb, weil diese insgesamt 190 Beamte mehr haben, als sie laut Stellenplan haben dürfen. Der Grund dafür ist, daß eine Vielzahl von Zollwachebeamten aus diesen Bundesländern zur Gendarmerie übergetreten sind und das somit langsam abgebaut wird, sofern nicht die Zollwache einmal zum Innenministerium kommt, Herr Bundesrat!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 134

Die Beamten verdienen im ersten Monat, wenn sie verheiratet sind und ein Kind haben, 15 000 S netto aufgrund der Zuteilung, im zweiten und dritten Monat jeweils 11 000 S netto.

Was die Debatte Schöls – Gudenus betrifft, wer dem Schengener Abkommen beigetreten ist und wer nicht, möchte ich mich nicht einmischen. Ich will das nur ganz kurz erläutern, weil es wirklich nicht so leicht ist und weil die Mitgliedschaft nicht identisch ist mit jener in der Europäischen Union. Beigetreten zum Schengener Durchführungsübereinkommen und zu Schengen sind insgesamt 15 Staaten, nicht beigetreten von den EU-Staaten sind Großbritannien und Irland. Es sind aber die beiden Nicht-EU-Staaten Island und Norwegen aufgrund der nordischen Paßunion Mitglied. In Kraft gesetzt haben Schengen insgesamt neun Staaten dahin gehend, daß es eine offene Grenze gibt so wie zwischen Österreich und Deutschland und Österreich und Italien, daß sie an das Schengener Informationssystem angeschlossen sind und auch eine gemeinsame Visapolitik machen. Das sind für mich die drei wesentlichsten Kriterien der Schengener Staaten: erstens, daß es eine freie, offene Grenze zu den anderen Staaten gibt, zweitens, daß es eine gemeinsame Visumspflicht und Visumspolitik gibt, was ganz entscheidend für eine Erweiterung der Europäischen Union ist, und das dritte Kriterium ist, daß wir in diesem Bereich auch die Möglichkeit haben, gemeinsam an das Schengener Informationssystem angeschlossen zu sein, was für die Fahndung ganz wichtig ist. Es sind, so glaube ich, fast 7 Millionen Daten in diesem Schengener Informationssystem gespeichert. Mit Hilfe des Anschlusses an das Schengener Informationssystem kam es bereits zu mehreren tausend Festnahmen beziehungsweise zur Feststellung von gestohlenen Gegenständen und ähnlichem.

Nicht in Kraft gesetzt haben das Schengener Durchführungsübereinkommen Island, Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark und Griechenland. Diese sechs Staaten sind nicht dabei. Ein Staat, nämlich Frankreich, hat seine Grenzen zu den Benelux-Staaten geschlossen, aber nicht wegen der Frage der illegalen Migration, sondern wegen der Drogenpolitik, in der Frankreich und die Niederlande nicht einer Meinung sind. Da es aber keine gemeinsame Grenze gibt, sind die belgische und die französische Grenze geschlossen. – Das nur in der Kürze als Antwort.

18.06

Präsident Alfred Gerstl: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ernest Windholz. Ich erteile ihm dieses.

18.06

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Hochgeschätzter Herr Präsident! Herr Innenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Schöls ist vorhin als politischer Messerwerfer bezeichnet worden, ich sage gleich, ich tue das nicht. Gewerkschaftskollege Schöls, ich erlaube mir allerdings, deinen Debattenbeitrag etwas zu relativieren.

Du hast von einem typisch freiheitlichen Mix bei dieser Anfrage gesprochen, ein bisserl Populismus, ein bisserl Ausländerfeindlichkeit, ein bisserl Angst. Ich bringe dir jetzt einen Debattenbeitrag aus dem Niederösterreichischen Landtag vom 8. Oktober zur Kenntnis. Ich zitiere wörtlich:

"Der Wunsch nach Sicherheit im eigenen Haus, auf der Straße, in der eigenen Heimatstadt und im Dorf, ob an der Grenze, dem Landesinneren, ist eines der wichtigsten Bedürfnisse unserer Menschen. Aus der Verpflichtung, die wir als Abgeordnete haben, dafür zu sorgen, daß sich unsere Mitmenschen im Bundesland sicher fühlen, aus dieser Verantwortung heraus haben wir auch die Verpflichtung, Mängel aufzuzeigen, wenn die Gefahr entsteht, daß durch Untätigkeit oder Nachlässigkeit des Innenministers Mängel verursacht werden, die die Sicherheit unserer Bewohner in Frage stellen." – Das war kein Freiheitlicher, Kollege Schöls, das war ein ÖVP-Abgeordneter. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Als wir Freiheitliche unsere Skepsis gegen Schengen äußerten, taten wir das mit gutem Grund, denn wir wußten – es hätte jeder wissen müssen –, daß einige Staaten überhaupt nicht für eine Schengen-konforme Außengrenzsicherung vorbereitet waren. Das beste Beispiel ist Italien. Bei allen Konflikten in unseren östlichen Nachbarländern war Italien nämlich jenes Land, das am undichtesten war. Schiffsweise kamen illegale Albaner, Kosovo-Albaner, Afrikaner und so weiter in den EU-Raum. Statt daß Italien umgehend die Gesetzeslage und die Kontrollen darauf abstellte, dauerte es Monate, bis man in Italien aktiv wurde.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 135

Jetzt gibt es einen neuen Schlag gegen die EU-Länder aus Italien. Man möchte dort den Illegalen, die sich eine bestimmte Zeit in Italien aufhalten, einen legalen Status zuerkennen. Und deswegen gibt es diese Situation auch am Brenner. Sehr viele dieser Illegalen aus anderen Ländern wollen sich in Italien sozusagen legalisieren lassen und wieder in jene Länder zurückgehen, in denen sie vorher illegal waren.

Herr Minister! Das ist ein ernsthaftes Problem. Es ist für mich ein Wahnsinn, wie Italien in diesem Fall agiert. Aber wir Freiheitlichen vermissen noch immer die wirksame Kontrolle an Österreichs Außengrenzen, Stichwort Niederösterreich. Es ist heute schon mehrmals gesagt worden: Das Bundesheer gehört an die grüne Grenze im Rahmen des Assistenzeinsatzes, ebenso wie dies gegenüber Ungarn seit vielen Jahren schon der Fall ist. Es ist ein Schutzargument, wenn Sie hier sagen, die Aufgriffszahlen seien rückläufig. Das ist genauso wie auf der blauen Grenze, auf der Donau, auf der March. Ich habe Sie damit in der Fragestunde konfrontiert. Es ist ein Schutzargument, wenn Sie sagen, die Aufgriffszahlen seien dort gering. Dort, wo nicht kontrolliert wird, kann es auch keine Aufgriffszahlen geben. Wenn man Schengen-konform agiert, gehört dort vermehrt und besser kontrolliert. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die grüne Grenze ist es, die besser überwacht gehört. Da kann sich Österreich ein Beispiel an Deutschland, insbesondere an Bayern nehmen. Dort hat man nicht solche Hemmungen wie in Österreich, wo ununterbrochen befürchtet wird, daß wir wieder einen Eisernen Vorhang errichten. Da gibt es Lichtschranken, Grenzbalken, eine Schleierfahndung, die wirklich funktioniert. Was die Schleierfahndung betrifft, darf ich persönlich anregen, Herr Minister: Da gehört selbstverständlich mit Zivilfahrzeugen agiert, nicht in Gendarmerieautos, weiß leuchtend, womöglich von der Ferne bereits erkennbar. Damit wird man nicht jenen Erfolg haben, den man sonst haben könnte. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

Es sind bereits mehrmals Zahlen präsentiert worden, die belegen, daß immer mehr Menschen versuchen, illegal nach Österreich und in den übrigen EU-Raum zu kommen. 13 102 Aufgriffe waren es von Jänner bis September, wohlgemerkt Aufgriffe, das waren nicht 13 102 verschiedene Personen. Es gibt Spitzenreiter, die bis zu 20mal aufgegriffen wurden. Hier wird klar und deutlich, daß die Abschiebepraxis nicht funktioniert. Was erwartet diese Aufgegriffenen? – Sie werden in Schubhaft genommen, in den Zellen ist meist bereits auf Wandschmierereien die Anleitung zum Hungerstreik zu lesen.

Herr Minister! Wir haben schon seit längerem die Zwangsernährung gefordert. Das muß eingeführt werden, damit sichergestellt wird, daß auch wirklich abgeschoben werden kann. Das Schlepperunwesen läßt sich auch mit Zahlen dokumentieren: Von Jänner bis September wurden 2 769 Schlepper von Gendarmerie, Zollwache oder Bundesheer aufgegriffen beziehungsweise dann zur Anzeige gebracht.

In diesem Zusammenhang auch einmal ein klares Wort zu diesen Exekutivbeamten, die nicht, wie hier behauptet, die Überstunden freiwillig leisten, sondern sie müssen diese zwangsweise in Kauf nehmen, weil das Beamten-Dienstrechtsgesetz keine Möglichkeit vorsieht, sich dagegen zu wehren. Da zu wenig Beamte Dienst verrichten, müssen massiv Überstunden angeordnet werden. Ich darf hier namens der Freiheitlichen Dank und Anerkennung all jenen aussprechen, die die Sicherheit Österreichs an den Grenzen wahrnehmen, sei es von Gendarmerie, Zollwache oder Bundesheer. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Schöls. ) Ja, Kollege Schöls, das ist so typisch für dich als Gewerkschaftskollegen. Darauf hast du natürlich vergessen, denn du warst nur damit beschäftigt, die Freiheitlichen anzuschütten. Wir denken an unsere Kollegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Zahlen nehmen ständig zu. Ich habe Sie, Herr Minister, auch in der letzten Fragestunde damit konfrontiert und gefragt, ob Sie einer Verschärfung der Strafbestimmungen für Schlepper zustimmen. Sie haben das verneint. Ich sage Ihnen, die Schlepperei ist eines der miesesten Geschäfte. Dafür muß zwingend eine Gerichtszuständigkeit eingeführt werden. Ich verstehe überhaupt nicht, daß § 104 Fremdengesetz noch immer in Kraft ist, wonach dieses Delikt nur eine Verwaltungsübertretung darstellt, dies also nur bagatellisiert wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 136

Herr Minister! Aufgrund der Verhaftung des PKK-Anführers Abdullah Öcalan in Italien wird auf Österreich und besonders auf die Exekutivbeamten in Zukunft einiges zukommen. Ich darf hier klarstellen, die Ausführungen von Bundesrat Konečny kann man nur doppelt unterstreichen. Es ist mit nichts zu rechtfertigen, wie in der Türkei mit Kurden umgegangen wird. Trotzdem sollte man die PKK keinesfalls verniedlichen oder unterschätzen.

Ich zitiere hier aus dem Staatsschutzbericht 1997 des Bundesministeriums für Inneres:

"Im Jahre 1986 wurde in deutscher Sprache das Manifest ‚Der Weg der Revolution Kurdistan‘ herausgegeben. Es beinhaltet das erweiterte Programm der PKK. ...

Das Manifest führt als ideologische Ziele an:

Revolutionäre Gewalt muß sich in ,bewaffnetem Kampf‘ – also militärischen Widerstand – ausdrücken.

Unter der Führung einer politischen Organisation muß eine Volksarmee mit Frontausrichtung aus Arbeitern, Bauern, Handwerkern, Jugend und Frauen organisatorisch entwickelt werden.

Illegale Strukturen sind auf Grund der Frontorientierung zwingend notwendig. ...

Zur Verwirklichung ihrer Ziele baute die Partei einen streng hierarchisch gegliederten Organisationsapparat auf.

Abdullah Öcalan ist unumschränkter Führer der PKK. ...

In Österreich kann man von einer Zahl von etwa 400 Aktivisten und 4 000 Sympathisanten ausgehen.

Wie gut die PKK in Europa organisiert ist, wurde am 4. 11. 1993 bewiesen, als europaweit zeitgleich eine Anschlagswelle durchgeführt wurde, bei der auch eine türkische Bank in Wien und ein türkisches Reisebüro in Innsbruck verwüstet wurden.

Im Zuge der polizeilichen Erhebungen wurden die Täter von Innsbruck ausgeforscht. Außerdem konnte festgestellt werden, daß die Organisation, welche sich unter anderem durch ,jährliche Spendenkampagnen‘ finanziert, im Zuge dieser Geldbeschaffungsaktionen auch vor gewaltsamer Geldeintreibung und Erpressung nicht zurückschreckt." –

Man kann sich vorstellen, was uns hier noch erwarten könnte.

Herr Minister! Wenn man sich all das vor Augen hält, würde ich meinen, es ist wirklich Gefahr in Verzug. Handeln Sie rasch, handeln Sie richtig! Wir brauchen mehr Personal bei der Exekutive, insbesondere an den Grenzen. Wir brauchen eine bessere technische Ausrüstung, und wir brauchen den vollen Einsatz des Bundesheers an der grünen Grenze.

Herr Minister! Ankündigungen alleine sind uns zuwenig. Ich hoffe, Sie nehmen einige dieser Anregungen auf und setzen diese auch umgehend um. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.16

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend die katastrophalen Verhältnisse beim Vollzug des Schengen Abkommens vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend die katastrophalen Verhältnisse beim Vollzug des Schengen Abkommens ist abgelehnt .


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 137

Fortsetzung der Tagesordnung

Präsident Alfred Gerstl: Wir setzen die Verhandlung über Tagesordnungspunkt 15, Außenpolitischer Bericht, fort.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Mag. John Gudenus. Aufgrund der freiwillig vereinbarten Redezeitbeschränkung hat er noch 3 Minuten.

18.17

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Ich wurde eben informiert, daß die Frau Staatssekretärin gebeten hat, nicht weiter hier bleiben, also nicht so lange warten zu müssen. (Bundesrat Rauchenberger: Den letzten Satz wird er ohne Mini-ster oder Staatssekretär herausbringen!) Die Gebräuche im Hohen Haus werden dem Bundesrat gegenüber oft etwas großzügig interpretiert. Ob es der Achtung des Bundesrates entspricht, weiß ich nicht, aber ich kann nichts anderes machen, als es zur Kenntnis zu nehmen, aber ich nehme es unter Protest zur Kenntnis. So ist es.

Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Freunde! Da wir heute beim Thema Menschenrechte sind, habe ich mir dieses Thema auch in bezug auf den Außenpolitischen Bericht sehr deutlich vor Augen geführt. Wir Freiheitlichen haben, wie ich im letzten Teil meines Beitrags zu diesem Thema gesagt habe, sehr deutlich die Menschenrechte studiert und behandelt und meinen, daß die Menschenrechte nicht ein Spleen des Westens, sondern ein wesentlicher Teil der gesellschaftlichen, zivilisatorischen Entwicklung sind.

Menschenrechte und Demokratie lassen sich von Marktwirtschaft und Liberalisierung auf Dauer nicht trennen, waren meine abschließenden Worte. Wir erleben gerade im europäischen Bereich ein ständiges Durchbrechen der Menschenrechte.

Zu diesem Thema hat der Präsident der Berliner Akademie der Künste, der ungarisch-jüdische Philosoph György Konrád einige Bemerkungen gemacht, die ich durchaus zu diesem Thema passend auch in diesem Rahmen, leicht verkürzt, leicht abgewandelt – leider in Abwesenheit der Frau Staatssekretärin – darbringen möchte:

Das Recht des Menschen auf jenes Territorium, jene Gegend, jene Siedlung, wo er lebt, wo seine Vorfahren gelebt haben, ist ein elementares Menschenrecht, ein grundlegendes Menschenrecht. – Zitatende.

Ich betone das deswegen so, weil gerade wir Österreicher in den letzten Monaten verstärkt die Geschehnisse im Zusammenhang um die, vor und nach der "Reichskristallnacht" besonders betont und hervorgehoben haben.

Es schmerzt mich dann ungemein, wenn man hören und feststellen muß, daß der Staat Israel, der jene Bürger beherbergt, die so viel in der Geschichte – gerade in diesem Jahrhundert – mitgemacht haben, jene "Mitbürger" – wurde heute einmal gesagt –, die nicht jüdisch-israelischer Abstammung sind, sehr schlecht behandelt und vertreibt.

Es gibt diese Siedlung von Har Homa, welche auch schon im Wye-Abkommen erwähnt worden ist, bei der die Ausschreibung des ersten Bauabschnittes stattgefunden hat. Dieses umstrittene jüdische Siedlungsprojekt führt wiederum zur Vertreibung aus diesem Gebiet von schon seit Jahrhunderten ansässigen Arabern. Es ist mir unverständlich, wie sich jener Staat, der derart – und ich wiederhole es – unter der geschichtlichen Entwicklung dieses Jahrhunderts gelitten hat, nicht viel besser verhält, nicht so vorzüglich verhält, als daß er sagen könnte: Wir haben die Lehren aus der Geschichte so gezogen, daß man uns keinen Vorwurf machen kann.

Meine Damen und Herren! Die Landwegnahme in der Vergangenheit, aber auch jetzt, ist Raub; die gewaltsame Trennung des Menschen von seinem Wohnort ist halber Mord, schreibt Konrád. Die Deportation und die mit Drohung einhergehende Vertreibung von Menschen sind ein zu verfolgendes Verbrechen. Die ethnische Säuberung, gepaart mit Plünderung, ist heute wie ehedem unentschuldbar, unakzeptabel. Kollektive Bestrafung und Verfolgung von Gemeinschaften,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 138

welche die Peinigung ganzer Familie nach sich ziehen können, sind weder politisch noch religiös legitimierbar. Die Bestrafung der Kinder für Vergehen der Eltern darf nicht zugelassen werden. – Das trifft uns Österreicher. Wir sollen jetzt kollektiv für Vergehen manch eines Eltern- oder Großelternteils von uns zur Verantwortung gezogen werden.

Konrád meint weiter: Das ist nicht legitimierbar. Keine gewaltsame Deportation ist als endgültig abgeschlossen zu betrachten. Jeder Deportierte, unabhängig von religiöser, ethnischer oder nationaler Zugehörigkeit, hat ein Recht auf – zumindest – moralische Wiedergutmachung. – Und das ist auf unsere sudetendeutschen Bürger dieses Staates, das ist auf jene, die aus Ungarn vertrieben worden sind, nämlich die Ungarndeutschen, und auch auf die Jugoslawiendeutschen, um es umfassend zu sagen, zutreffend. – Keine Deportation ist mit Menschenrechten vereinbar, keine! Die Strafe kann aber nicht auf die Familie übertragen werden. Die Söhne und Töchter des Massenmörders sind unschuldig. Die nazistischen Deportationen legitimieren nicht die Vertreibung und die Aussiedlung der Deutschen. Die Taten sind ähnlich, nur die Täter und Opfer sind andere. – Die Sudetendeutschen sind daher als Gruppe unschuldige Opfer.

Nachdem die internationale politische Gemeinschaft Neustaaten ohne Minderheitenschutzgarantie anerkannt hat, war der Weg zur Deportation vieler Völkerschaften, auch jetzt am Balkan, frei. Ich warne daher davor, Staaten, die keinen Minderheitenschutz in ihre Verfassung aufgenommen haben, überhaupt in die Europäische Gemeinschaft aufzunehmen. Das wäre ein wesentlicher Punkt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diesen Zusammenhang müssen wir erkennen, um nicht der Torheit und der Heuchelei, vielleicht sogar der Komplizenschaft geziehen zu werden. Eine Staatsgründung, deren wahrscheinliche Folge Deportation und Vertreibung ist, ist unannehmbar. Darauf müssen wir ständig achten. Es werden, ob es uns paßt oder nicht, Staaten gegründet werden. Aber nur im Falle von schwerer Unterdrückung kann sich das Recht auf Sezession ergeben, siehe Kosovo. Was im Kosovo passiert, ist unentschuldbar! Ich will nicht weiter darauf eingehen, aber es gibt keine Möglichkeit für die UNO, dort einzugreifen, weil das Sezessionsrecht nicht anerkannt wird und so als innerstaatlicher Bereich bestehen bleibt.

Nur im Falle von schwerer Unterdrückung kann sich das Recht auf Sezession ergeben. Im Falle des Kosovo hat die Staatengemeinschaft eine Sezession von vornherein ausgeschlossen. Es stellt sich nun die Frage: Wieso hat die Staatengemeinschaft das Recht auf Sezession der Staaten ausgeschlossen? – Oft wird vom Gewaltmonopol der UNO gesprochen. Dieses Gewaltmonopol der UNO gibt es nicht. Die Mitgliedstaaten sind dazu verpflichtet, Androhung und Anwendung von Gewalt zu unterlassen.

Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung, der Bruch des Friedens oder eine Angriffshaltung vorliegt. Es gibt aber automatisch kein Gewaltmonopol der UNO als solches. Wir meinen, es muß darauf geachtet werden, daß die Rechte in einem gewissen Verhältnis, in einem vernünftigen Verhältnis, zueinander stehen: die Menschenrechte, die Nationenrechte und die Staatenrechte. Jedes für sich alleine ist nicht umsetzbar; aber wir müssen anerkennen, daß es sozio-kulturell differierende Gewichtungen gibt.

Zur UNO selbst – damit komme ich zum Schluß –: Der letzte Präsident der Vollversammlung, Udovenko aus der Ukraine, zog eine ungeschminkte Bilanz über die UNO. Er ist enttäuscht, fast resigniert: Die Vereinten Nationen drohen in Irrelevanz zu versinken, wenn sich die Staatengemeinschaft nicht endlich zu den nötigen Veränderungen durchringt. – Das sind harte Worte! Zur Finanzkrise der UNO bemerkt er: Die Vereinigten Staaten verlieren möglicherweise am 1. Jänner 1999 ihr Stimmrecht in der UNO-Vollversammlung.

In den Vereinigten Staaten hat nämlich das Parlament Präsident Clinton nicht die Zustimmung dafür gegeben, Teile der Schulden zu zahlen. In den Vereinigten Staaten sind die Parlamentsabgeordneten – im Gegensatz zu Herrn Konečny und seinen Kollegen – nicht Partner der Regierung, sondern die amerikanischen Parlamentarier sind Partner ihrer Bevölkerung.

Nichtsdestotrotz beklage ich es, daß die Vereinigten Staaten ihren Mitgliedsbeitrag, den sie ja schulden, den sie vertragsbedingt schulden, nicht zahlen. Weiters sind die Vereinigten Staaten


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 139

der UNO 900 Millionen bis 1 Milliarde US-Dollar für internationale Einsätze, friedenserhaltende Einsätze schuldig. Ich würde es mir wünschen, die Vereinigten Staaten, welche das reichste Land der Welt mit der größten Wirtschaft und größten Militärmacht sind, Herr Kollege, kämen der Begleichung ihrer Schulden nach. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.29

Präsident Alfred Gerstl: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Jaud. – Bitte.

18.29

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich möchte zuerst die Frau Staatssekretärin entschuldigen, aber zu Ihrer Beruhigung: Herr Botschafter Dr. Christian Berlakovits ist anwesend. Er ist stellvertretender Leiter der Rechts- und Konsularsektion und wird der Frau Staatssekretärin über die weitere Diskussion hier im Hohen Haus Bericht erstatten. (Bundesrat Mag. Gudenus: Er ist kein Regierungsmitglied! Noch nicht!) Trotzdem werden seine Worte gehört werden.

Erlauben Sie mir aber einige Worte zu dem, was meine Tiroler Kollegin, Frau Crepaz, vorhin gesagt hat. Ich glaube, daß ein landespolitisches Partei- und Vorwahlgeplänkel hier eigentlich nicht hereingehört. Dem Landeshauptmann – ich glaube, ich habe das richtig im Kopf – "revanchistisches Gedankengut" vorzuwerfen, halte ich doch für ein etwas starkes Stück, das sich auch mit Vorwahlgeplänkel nicht unbedingt entschuldigen läßt. (Bundesrätin Crepaz: Was ist die Dornenkrone dann?) Hier wurde nämlich an Dingen gerührt, wie du vielleicht weißt, die bei jedem Tiroler ein wenig tiefer sitzen. Unser Land ist nicht einfach von Natur aus so beschaffen, sondern Südtirol wurde uns gestohlen! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Unsere Väter haben die Grenzen bis zur letzten Minute verteidigt, und bis heute hat noch keine Volksabstimmung stattgefunden. (Bundesrat Dr. Tremmel: Seit 70 Jahren!) Solange diese nicht stattfindet, bleibt der Brenner eine Unrechtsgrenze! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) Die Dornenkrone ist nichts weiter als ein Symbol, wie es sehr viele auf der Welt gibt – sehr viele Symbole für Unrecht, und in diesem Falle auch ein Symbol für das große Leid, das unsere Landsleute erdulden mußten.

Ich kenne einige von ihnen, die Gott sei Dank noch leben und diese Gedanken aufrechterhalten. (Bundesrätin Crepaz: Das bringt es doch nicht! Wir können die Geschichte nicht mehr ändern!) Wenn sie alle tot sein werden, dann werden diese Gedanken vielleicht nicht mehr aufrechterhalten. Das hat nichts mit "revanchistischem Gedankengut" zu tun. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Bundesräten Crepaz und Dr. Tremmel.  – Präsident Gerstl gibt das Glockenzeichen.)

Ich möchte zum Schluß noch folgendes feststellen: Ich möchte mich als Tiroler davon distanzieren, daß die leidvolle Trennung unseres Landes für Wahlwerbung mißbraucht wird. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

18.33

Präsident Alfred Gerstl: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 140

16. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation über wissenschaftlich-techni-sche Zusammenarbeit (1190 und 1436/NR sowie 5810/BR der Beilagen)

17. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation (1387 und 1437/NR sowie 5811/BR der Beilagen)

18. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Dänemark über den Status des Planungselementes der Multinationalen Brigade der Vereinten Nationen aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft (SHIRBRIG) in Dänemark (1382 und 1438/NR sowie 5812/BR der Beilagen)

19. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend Kündigung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika über die gebührenfreie Erteilung von Sichtvermerken (1144 und 1439/NR sowie 5813/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Gerstl: Wir gelangen nun zu den Punkten 16 bis 19 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit,

ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation,

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Dänemark über den Status des Planungselementes der Multinationalen Brigade der Vereinten Nationen aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft (SHIRBRIG) in Dänemark sowie

Kündigung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika über die gebührenfreie Erteilung von Sichtvermerken.

Die Berichterstattung über die Punkte 16 bis 19 hat Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Mag. Harald Himmer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 141

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation.

Der Inhalt liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor.

Hier stellt der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich setze fort mit dem Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Dänemark über den Status des Planungselementes der Multinationalen Brigade der Vereinten Nationen aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft (SHIRBRIG) in Dänemark.

In dem Ihnen schriftlich vorliegenden Bericht stellt der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zuletzt bringe ich den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend Kündigung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika über die gebührenfreie Erteilung von Sichtvermerken.

Hier stellt der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten nach Beratung der Vorlage am 17. November 1998 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Gerstl: Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Russischen Föderation über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit.

Da der vorliegende Beschluß Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf es der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz des Bundes-Verfassungsgesetzes die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Zusatzabkommen zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Atomenergie-Organisation über den Amtssitz der Internationalen Atomenergie-Organisation.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorlie-genden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
646. Sitzung / Seite 142

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung von Dänemark über den Status des Planungselementes der Multinationalen Brigade der Vereinten Nationen aus Eingreiftruppen hoher Bereitschaft (SHIRBRIG) in Dänemark.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 5. November 1998 betreffend Kündigung des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika über die gebührenfreie Erteilung von Sichtvermerken.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 27 Anfragen – 1513/J bis 1539/J – eingebracht wurden.

Ferner gebe ich bekannt, daß der Selbständige Antrag der Bundesräte Dr. Peter Harring und Kollegen betreffend Berichtspflicht des Direktoriums der Oesterreichischen Nationalbank an den Bundesrat eingelangt ist, den ich dem Finanzausschuß zuweise.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 17. Dezember 1998, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen neben der Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das erste Halbjahr 1999 jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 15. Dezember, 14 Uhr, vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 18.41 Uhr