Stenographisches Protokoll

652. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 26. März 1999

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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652. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 26. März 1999

Dauer der Sitzung

Freitag, 26. März 1999: 11.03 – 16.12 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Erklärung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Treibstoffpreise

2. Bundesgesetz, mit dem das Preisgesetz 1992 geändert wird

3. Wahl eines Ordners für den Rest des 1. Halbjahres 1999

*****

Inhalt

Bundesrat

Ergänzung der Tagesordnung um zwei Punkte 5

Annahme 5

Wahl eines Ordners für den Rest des 1. Halbjahres 1999 36

Unterbrechung 36

Personalien

Entschuldigungen 5

Nationalrat

Beschluß und Gesetzesbeschluß 5

Ausschüsse

Zuweisung 5

Dringliche Anfragen


Bundesrat
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652. Sitzung / Seite 2

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Dr. Paul Tremmel, Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Auswirkungen serbischer Drohungen auf die Sicherheit Österreichs (1596/J-BR/99)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Dr. Paul Tremmel, Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Auswirkungen serbischer Drohungen auf die Sicherheit Österreichs (1597/J-BR/99)

Begründung: Dr. Reinhard Eugen Bösch 37

Beantwortung: Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 39

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 44

Redner:

Mag. John Gudenus 49

Dr. Vincenz Liechtenstein 52

Albrecht Konecny 54

Dr. Paul Tremmel 56

und (tatsächliche Berichtigung) 61

Ernest Windholz 59

Ludwig Bieringer 60

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen betreffend Klärung der sicherheitspolitischen Situation Österreichs 58

Ablehnung 61

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen betreffend Steigerung der inneren und äußeren Sicherheit Österreichs im Fall bewaffneter Konflikte in Europa 60

Ablehnung 61

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(1) Erklärung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Treibstoffpreise

(2) Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Preisgesetz 1992 geändert wird (1045/A und 1709/NR sowie 5889 und 5898/BR d. B.)

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 6

Berichterstatterin: Ulrike Haunschmid 10

(Antrag, zu (2), der Bundesrat wolle den Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen)

Redner:

Engelbert Schaufler 10

Hedda Kainz 13

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 14, 23 und 31

Dr. André d'Aron 15

Jürgen Weiss 16

Erhard Meier 18

Engelbert Weilharter 20

Mag. Karl Wilfing 24

Stefan Prähauser 26

Dr. Paul Tremmel 28

Johann Ledolter 30


Bundesrat
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652. Sitzung / Seite 3

Ing. Peter Polleruhs 33

Dr. Peter Böhm 34

einstimmige Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (2), der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen 35

Entschließungsantrag der Bundesräte Dr. André d'Aron und Kollegen betreffend überhöhte Treibstoffpreise in Österreich 16

Ablehnung 35

Entschließungsantrag der Bundesräte Engelbert Weilharter und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Sicherstellung eines freien Wettbewerbs im Bereich der Mineralölwirtschaft 22

Ablehnung 35

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend zusätzliche Planposten für mehr Sicherheit (1591/J-BR/99)

der Bundesräte Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend übermäßigen Konsum von Alkoholika, Tabakwaren und anderer Genußmittel durch Bedienstete des Ministerbüros während und außerhalb der Dienstzeiten (1592/J-BR/99)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Auswirkungen der Euro-Einführung auf die Gültigkeit von Briefmarken (1593/J-BR/99)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Flugverkehr über dem Bregenzerwald (1594/J-BR/99)

der Bundesräte Ulrike Haunschmid und Kollegen betreffend Hygieneverordnung – Leitlinien an die Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz (1595/J-BR/99)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Dr. Paul Tremmel, Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Auswirkungen serbischer Drohungen auf die Sicherheit Österreichs (1596/J-BR/99)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Dr. Paul Tremmel, Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Auswirkungen serbischer Drohungen auf die Sicherheit Österreichs (1597/J-BR/99)


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652. Sitzung / Seite 4

der Bundesräte Mag. John Gudenus, Andreas Eisl und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Agenda 2000 – die Bauern zahlen die Osterweiterung (1598/J-BR/99)

der Bundesräte Mag. John Gudenus, Andreas Eisl und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft betreffend Agenda 2000 – die Bauern zahlen die Osterweiterung (1599/J-BR/99)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen (1456/AB-BR/99 zu 1577/J-BR/99)


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652. Sitzung / Seite 5

Beginn der Sitzung: 11.03 Uhr

Präsident Gottfried Jaud: Ich eröffne die 652. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 651. Sitzung des Bundesrates vom 18. März 1999 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Johann Kraml, Mag. Günther Leichtfried, Josef Pfeifer, Mag. Harald Repar, Johanna Schicker, Ernst Winter, Ing. Walter Grasberger, Therese Lukasser, Mag. Michael Strugl, Dr. Peter Harring, DDr. Franz Werner Königshofer und Thomas Ram.

Einlauf und Zuweisung

Präsident Gottfried Jaud: Eingelangt ist die Anfragebeantwortung 1456/AB, die dem Anfragesteller übermittelt wurde.

Die Anfragebeantwortung wurde vervielfältigt und ist bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte schriftliche Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Eingelangt ist der Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Preisgesetz 1992 geändert wird.

Ich habe diesen Beschluß dem Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten zur Vorberatung zugewiesen. Der Ausschuß hat seine Vorberatung darüber abgeschlossen und einen schriftlichen Ausschußbericht erstattet.

Ergänzung der Tagesordnung

Präsident Gottfried Jaud: Nach Beratung in der Präsidialkonferenz schlage ich gemäß § 41 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, die Tagesordnung um zwei Punkte zu ergänzen, und zwar um den soeben erwähnten Beschluß und um die Wahl eines Ordners für den Rest des ersten Halbjahres 1999.

Sowohl für die Ergänzung als auch für die Abstandnahme von der 24stündigen Auflagefrist ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die der Ergänzung der Tagesordnung um die genannten zwei Punkte, und zwar als Tagesordnungspunkte 2 und 3, zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag auf Ergänzung der Tagesordnung ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Gottfried Jaud: Ich ersuche weiters jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit der Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist des Ausschußberichtes hinsichtlich des Beschlusses des Nationalrates vom 25. März 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Preisgesetz 1992 geändert wird, einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.


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652. Sitzung / Seite 6

Ankündigung von dringlichen Anfragen

Präsident Gottfried Jaud: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, daß mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen betreffend Auswirkungen serbischer Drohungen auf die Sicherheit Österreichs an den Bundesminister für Inneres vorliegt.

Weiters liegt mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen betreffend Auswirkungen serbischer Drohungen auf die Sicherheit Österreichs an den Bundesminister für Landesverteidigung vor.

Gemäß § 61 Abs. 6 der Geschäftsordnung ziehe ich die dringliche Behandlung der beiden Anfragen zusammen. Die Zustimmung der unterzeichneten Bundesräte dazu liegt vor.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung der beiden Anfragen an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Gottfried Jaud: Ich beabsichtige, die Debatte über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung unter einem abzuführen, und zwar wird nach der Erklärung des Herrn Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Treibstoffpreise die Berichterstatterin zum Tagesordnungspunkt 2 ihren Bericht erstatten, und dann wird die Debatte über beide Punkte durchgeführt.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

1. Punkt

Erklärung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Treibstoffpreise

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Preisgesetz 1992 geändert wird (1045/A und 1709/NR sowie 5889 und 5898/BR der Beilagen)

Präsident Gottfried Jaud: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu den Punkten 1 und 2, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Es sind dies:

eine Erklärung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Treibstoffpreise und

ein Bundesgesetz, mit dem das Preisgesetz 1992 geändert wird.

Ich erteile nunmehr dem Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten zur Abgabe seiner Erklärung betreffend Treibstoffpreise das Wort.

11.09

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Benzinpreise oder Treibstoffpreise in Österreich waren seit dem Zweiten


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652. Sitzung / Seite 7

Weltkrieg immer ein heißes Thema. Die Hälfte der Zeit waren diese Produkte preisgeregelt oder/und von den Sozialpartnern über die Paritätische Kommission kontrolliert, dann wurden die Preise freigegeben, nach einem Modell, das "gläserne Taschen" hieß und das im wesentlichen auf die Notierungen der Börse Rotterdam Rücksicht nahm. Dieses Modell wurde von meinem Vorgänger über Wunsch der Bundesarbeitskammer aufgekündigt, und seither herrscht freier Markt.

Es gibt eine Marktstruktur, an der auffällig ist, daß wir durch politischen Wunsch, an dessen Umsetzung in den siebziger Jahren ich mich noch selbst erinnern kann, nur eine Raffinerie in Österreich haben, dazu ein starkes, damit verbundenes Vertriebsunternehmen und große "Majors", die grosso modo ein Oligopol in diesem Land bilden.

Es hat aber aus zwei Gründen immer wieder hohe Sensibilität gegeben: Erstens führte der Zyklus von Anhebungen und Senkungen auch im Hinblick auf die Rotterdamer Notierung, was den Zeitverzug anlangt, fast bei jeder Preiserhöhung und Preissenkung zu einer Auseinandersetzung, die nach dem Motto verlief: Wenn die Preise steigen, wird sofort reagiert, wenn sie sinken, wird abgewartet, ob sie nicht wieder steigen. – Ich gebe damit die öffentliche Stimmung wieder.

Der zweite Teil der Kritik lautete immer: Die Regierung soll etwas machen, denn der Benzinpreis ist für alle wichtig! – Ich sage jetzt immer "Benzin", gemeint ist aber "Treibstoffe".

Damit beginnt diese Geschichte. Mit der letzten Novelle zum Preisgesetz ist die Zahl jener Produkte, die der zuständige Minister, in diesem Fall der Wirtschaftsminister, selbst von Amts wegen regeln kann, in meinem Fall auf elektrische Energie und Fernwärme beschränkt worden, während für alle anderen Bereiche in § 5 eine Regelung geschaffen wurde, nach der die Behörde, in diesem Fall der Wirtschaftsminister, nur über Antrag eines anderen Ministeriums oder der Sozialpartner tätig werden kann.

Egal, was Frau Abgeordnete Petrovic auch gestern wieder im Plenum des Nationalrates vertreten hat, es geht aus der Logik des § 5, nämlich "von Amts wegen", folgendes hervor: Der Minister kann an sich selbst keinen Antrag stellen, daher müßte von Amts wegen auch ein Verfahren vorgesehen sein. Das ist es aber nicht.

Eine denkunmögliche Konstruktion kann man nicht als Ansatzpunkt für eine Preisintervention nehmen. So hat es über die letzten zwei Jahre ein interessantes Rollenspiel gegeben: Örtliche Organisationen, Interessenorganisationen, politische Gruppen aller Schattierungen verlangen vom Wirtschaftsminister eine Intervention, ohne daß er von sich aus tätig werden kann.

Was wir getan haben – damit komme ich zur aktuelleren Geschichte –, ist: Wir haben im Vorjahr an Professor Puwein vom Wirtschaftsforschungsinstitut den Auftrag erteilt, zu untersuchen, warum in Österreich die Preislandschaft, insbesondere was die Entwicklung der Nettopreise anlangt, absolut anders ist als in den Nachbarländern, vor allem in Deutschland, Bayern und der Schweiz.

Die Erarbeitung dieser Studie hat einige Zeit gedauert, und als sie am Beginn des heurigen Jahres von mir vorgelegt wurde, entstand eine wilde Diskussion über die Frage: Warum muß man in Österreich einen höheren Nettopreis, also ohne Steuern, um bis zu 90 Groschen je Liter haben als in anderen Ländern der Europäischen Union?

Die Argumentation der einschlägigen Industrie war immer auf vier Schienen aufgebaut. Der erste Punkt, der immer unbestritten war, lautete: Die Donau-Schiene kann nicht genauso genutzt werden wie die Rhein-Schiene, und dadurch haben wir andere Transportkostenverhältnisse, auch aufgrund der geographischen Situation, wegen der Täler und so weiter.

Der Gutachter hat in seinem Gutachten immer gesagt, es würden um die 18 Groschen sein, die allein aufgrund dieser Sonderstellung Österreichs zusätzlich an Transportkosten entstehen. Das ist auch zwischen den Sozialpartnern und Experten nicht umstritten.


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Die zweite Argumentationsschiene war: In Österreich muß der Konsument höhere Nettobenzinpreise zahlen, die zum Schluß auch höhere Bruttopreise sind, weil in Österreich den Tankstellen in der Frage des Sortiments und der Ladenöffnungszeiten nicht jene Möglichkeiten eingeräumt werden wie zum Beispiel in Deutschland – also keine großen Shops, keinen Tabakwarenvertrieb, keine Öffnungszeiten ohne Limits. Das wurde immer mit 15 Groschen bewertet.

Ich darf ganz deutlich dazu sagen: Die Frage der Nebenrechte bei Tankstellen kann bei "Majors", bei den großen Unternehmen – von der OMV bis zu den Multis – nicht die Antwort darauf sein. Ich verstehe das im Zusammenhang mit kleinen Unternehmen: Bei einem Gastwirt und Landproduktenhändler, der aus einem Mix von Tankstelle, seinem Geschäft und einem kleinen Gasthaus lebt, hat ein Nebenrecht einen Sinn. Wenn aber riesige Tankstellen, die von ihrem Umsatz leben sollten, a priori darauf verweisen, daß sie noch Zusatzerträge aus dem Tabakverkauf, dem Lebensmittelverkauf haben sollten, dann können die Nahversorger gleich zusperren, wenn wir das umsetzen.

Ich habe daher gesagt: Wenn die "Majors" selbst auch im Lebensmittelhandel groß arbeiten wollen, dann haben sie um eine normale Lebensmittelhandelsberechtigung anzusuchen, um eine normale Gewerbeberechtigung. Dann sollen sie einen riesigen Markt hinstellen, und die Sache geht in Ordnung. Aber über den Titel "Nebenrechte" kann das nicht gehen.

In diesem Punkt sind wir ein wenig "zusammengekracht", und ich habe gesagt: Im Notfall akzeptieren wir auch diese 15 Groschen Preisdifferenz, weil wir nicht haben wollen, daß ihr Gemischtwarenhändler werdet.

Aber dann ist es noch dicker gekommen, denn es hat geheißen: Wir haben weitere 15 Groschen Mehrkosten, weil es in Österreich Kleine gibt, die vielleicht nicht nach denselben harten Vorschriften behandelt werden.

Wir haben jetzt an die Länder den Auftrag gegeben, das tatsächlich zu erheben. Aber es können nicht alle Tankstellen die gleiche Größe und daher auch gleich hohe Auflagen haben; breite Zufahrt, Abscheider, eigene Kläranlage und ähnliche Dinge. – Das sind die nächsten 15 Groschen.

Weiters gibt es einen zwischen 30 und 35 Groschen großen Kostenblock, hinsichtlich dessen gesagt wird: Um das müssen wir mehr verlangen, weil wir in Österreich zu viele Tankstellen haben! – Zu viele Tankstellen der großen "Majors", wohlgemerkt!

Im Vorverfahren habe ich in diesem Zusammenhang die Position vertreten: Liebe Freunde, sollen wir warten, bis ihr mit eurem Unfug aufhört, mit dem Unfug, daß dann, wenn einer eine Tankstelle baut, alle anderen "Majors" gleich rundherum stehen? Sollen wir so lange warten, bis ihr das macht, und bis dahin tut sich nichts? – Damit begann der Disput.

Ich habe in einer Sitzung gesagt: Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgend jemand in Österreich das akzeptiert. Bereinigt eure Strukturen – das müssen andere Wirtschaftssektoren auch tun –, geht vorher mit den Preisen herunter, um euch selbst unter Druck zu setzen! – Das war der Stand.

Es gab dann über Antrag der Bundesarbeitskammer ein formell eingeleitetes Vorprüfungsverfahren für eine allfällige Preisregelung. Ich erinnere an den berühmten § 5, wonach man aufgrund eines solchen Verfahrens nur dann Preise regeln kann, wenn marktkonforme Maßnahmen nicht zur Verfügung stehen oder greifen.

Der Gutachter Puwein hat in seinem Gutachten über die österreichische Mineralölwirtschaft festgehalten, daß die größten Wettbewerbsdefizite in Österreich aus manchen Besonderheiten resultieren, die in anderen Ländern zu einem extremen Wettbewerb führen.

Ein Beispiel: Er hat nachgewiesen, daß in Frankreich und England die Preissetzer für Treibstoffe nicht die traditionellen Organisationen sind, sondern die riesigen Supermärkte, die alle automatisch als Sortimentsergänzung und zur Werbung eine Tankstelle haben. Das hat auch in


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Österreich einmal eine Firma probiert, aber der ist das nicht gut bekommen. In Österreich haben Sie im Prinzip kein Billa-Geschäft, keinen großen Spar-Markt mit einer Tankstelle, wie das in Frankreich bei Carrefour oder in England bei Wal-Mart oder sonstwo der Fall ist.

Der zweite Vorschlag war: Man müßte in Österreich mehr unabhängige Auslieferungslager machen, etwa eine Produktenpipeline.

Der dritte Vorschlag war: Man sollte die traditionellen großen Firmen aus den Autobahntankstellen werfen und dort Firmen wie vielleicht Jet, die nicht zu diesem Verbund gehören, etablieren.

Nur: Was immer Sie in diesem Bereich strukturell ändern wollen – zum Beispiel ein schärferes Kartellrecht umsetzen oder ähnliches –, es wirkt sich erst in Monaten, in einem halben Jahr oder vielleicht in einem Jahr aus.

Als sich nun die Attacken, die ständig auf mich gerichtet waren, häuften, habe ich in der Ministerratssitzung dieser Woche gesagt: Ich verbitte mir langsam alle Attacken – auch von meinem eigenen Koalitionspartner – auf mich, denn man hat mir kein Instrumentarium in die Hände gegeben. Ich werde geprügelt, ohne wirklich etwas tun zu können, denn im laufenden Preisprüfungsverfahren hat man von Mal zu Mal aus vielen argumentativen Gründen keine Entscheidung getroffen. Es hat geheißen, man müsse noch etwas untersuchen, noch etwas anschauen und noch eine Gegenstellungnahme einholen. Das hat sich endlos hingezogen. Daher habe ich gesagt: Gebt mir ein Instrument in die Hand, damit ich tatsächlich etwas tun kann! – Dieses Instrument haben Sie, meine Damen und Herren, jetzt vorliegen.

Ich erkläre hier, so wie gestern im Plenum des Nationalrates: Ich habe den Großteil meiner beruflichen Karriere damit verbracht, in der direkten Preisregelung mitzureden, damals noch als Vertreter der Wirtschaftskammer, selbst als Vorsitzender im Preisunterausschuß der Paritätischen Kommission Jahrzehnte hindurch damit, Preise auf freiwilliger Basis zu regeln. Seit ich Minister bin, aber auch schon in den letzten Jahren, in denen ich in der Wirtschaftskammer war, haben wir eine Preisregelung nach der anderen zertrümmert.

Wir haben den Preisunterausschuß in meiner Zeit als Verantwortlicher in der Wirtschaftskammer abgeschafft; er ist de facto nicht mehr für die freiwillige Preisregelung da. Wir haben die Preisregelung in den meisten Bereichen der österreichischen Wirtschaft abgeschafft. In meinem Bereich haben wir sie noch in Form der Peage-Regelungen, in einem anderen Bereich haben wir sie beim Telefon durch den Regulator, und weiters ist auch die Pharmaindustrie noch preisgeregelt.

Meine Damen und Herren! Es ist nicht mein Ziel als Wirtschaftsminister, eine Branche in Zeiten international freier Märkte zu regeln, aber ohne Keule, die auch als solche verstanden wird, kann man auch die kooperativsten Unternehmen nicht dazu bringen, von der österreichischen Gemütlichkeit abzusehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe mit den Verantwortungsträgern sehr viele Gespräche geführt und gesagt: Es ist den Österreichern auf Dauer mit diesen vier Argumentationsschienen nicht zu erklären, warum sie höhere Treibstoffpreise zahlen müssen. Daher geht es um das Auseinanderhalten von zwei Schienen.

Unbeschadet der derzeitigen Marktentwicklung, die wieder zu steigenden Preisen führt – aufgrund der Hektik rund um die neue Quotenregelung durch die OPEC, aufgrund der neu aufgetretenen Nervosität auf den Rohstoffmärkten, wenn irgendwo geschossen wird, geht der Trend im Augenblick in die Höhe –, ist zu sagen: Wir müssen den Abstand zum europäischen Durchschnitt senken. Österreich muß nicht das Land mit einem der höchsten Nettopreise der Welt sein, und dazu soll dieses Instrument dienen.

Ich wäre einer der zu Ostern am schönsten Beschenkten, wenn das Instrument nicht eingesetzt werden müßte, weil die einschlägige Branche sagt: Bevor wir uns preislich auf sechs Monate festlegen lassen, ändern wir lieber selbst etwas, oder wir schließen einen neuen Kontrakt, der


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künftig den Konsumenten auf einer vernünftigeren Basis erklärt, warum sich die Preise in Österreich so entwickeln!

Ich bedanke mich beim Bundesrat, da ich weiß, daß alle hier vertretenen politischen Parteien gestern im Plenum des Nationalrates – in der überwiegenden Zahl zumindest – für diese Norm gestimmt haben, und auch dafür, daß es durch diese Sondersitzung ermöglicht wird, den Österreichern möglicherweise sehr rasch als kleines Ostergeschenk eine Preissenkung zu bringen oder zumindest das Gefühl zu geben, daß sie nicht länger schlechter behandelt werden als Konsumenten in vergleichbaren EU-Ländern. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

11.21

Präsident Gottfried Jaud: Ich danke Herrn Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner für seine Erklärung.

Die Berichterstattung über den Punkt 2 hat Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Ulrike Haunschmid: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Angelegenheiten liegt in schriftlicher Form vor, sodaß ich auf den inhaltlichen Vortrag verzichten darf.

Ich teile Ihnen nur mit, daß der Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten nach Beratung Stimmeneinhelligkeit erzielt hat, und stelle im Namen dieses Ausschusses den Antrag, der Bundesrat wolle dem Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Präsident Gottfried Jaud: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem durchgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile es ihm.

11.23

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Verehrte Damen! Geschätzte Herren! Wir haben uns heute zu einer Sondersitzung eingefunden, wie sie seit Jahren nicht notwendig war – und ich darf anmerken: hoffentlich wieder sehr lange nicht notwendig sein wird.

Die heutige Sitzung und die Beschlußfassung sind aber unbedingt erforderlich, um dem Herrn Wirtschaftsminister jene Rechtsgrundlage zum Handeln zu geben, die er benötigt – da besteht absoluter Handlungsbedarf –, um den Wirtschaftsstandort Österreich wettbewerbsfähig zu erhalten.

Worum geht es eigentlich? – Herr Wirtschaftsminister Dr. Farnleitner hat in seinen Ausführungen schon sehr umfassend auf diese Frage geantwortet und den Problembereich aufgezeigt. Ich darf dennoch wiederholen, daß seit Monaten in den österreichischen Medien und in der Öffentlichkeit über die überhöhten Treibstoffpreise diskutiert wird. Die Sozialpartner – sprich: Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund, Wirtschaftskammer und alles, was sonst noch dazugehört – sitzen schon seit vielen Monaten an einem Tisch, um darüber zu verhandeln, in welchem Ausmaß die Preise gesenkt werden könnten.

Die Verhandlungen – das wissen wir alle – haben bisher zu keinem Erfolg geführt. Das Ziel ist, wie gesagt, die Senkung der Treibstoffpreise. Es wurden Argumente pro und kontra auf den Tisch gelegt, und vor allem die OMV, man kann sie in Österreich als Marktleader bezeichnen, brachte immer wieder ein, daß die Umweltauflagen höher seien als anderswo, daß speziell das Problem mit den Gaspendelleitungen sehr viel Geld koste, daß die Personal- und Arbeitskosten in Österreich sehr hoch seien, daß die Pachtzinse für die Tankstellen vor allem an den


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Autobahnen sehr hoch seien und daß daher der höhere Preis ganz einfach notwendig sei. Auch wurden die geographischen Gegebenheiten immer wieder ins Spiel gebracht – der Herr Minister ist schon darauf eingegangen.

Eigenartig war auch, daß die OMV es nicht gelten ließ, einen Vergleich mit der Schweiz anzustellen – die Schweiz scheint für die OMV ein Flachland zu sein wie vielleicht Holland. Auch meinte man seitens der OMV, daß die Besteuerung der Treibstoffe in Österreich wesentlich höher sei als in anderen, vergleichbaren Staaten – was aber keinesfalls stimmt. Bei Benzin liegt die österreichische Steuerquote an fünfter Stelle und bei Diesel an dritter Stelle – also keineswegs an der Spitze wie im Fall der Gesamtpreise.

Der Österreicher ist es schon gewohnt, daß Verhandlungen über Preissenkungen sehr lange dauern und oft zu keinem Erfolg führen. Bei Veränderungen nach oben jedoch geht es blitzschnell: ein kleines Räuspern in Rotterdam, und schon schießen die Treibstoffpreise nach oben. Wenn die Rohölpreise auf den internationalen Märkten in den Keller fallen, dauert es Wochen oder Monate bis zu einer Reaktion, und oft geschieht auch gar nichts; da wird kaum nachgezogen.

Was aber in der letzten Woche geschehen ist, schlägt dem Faß den Boden aus: Obwohl man über eine Senkung verhandelt, wird über Nacht eine Preisanhebung um 30 Groschen vorgenommen – und das allein rein auf den Verdacht hin, daß in Rotterdam die Rohölpreise vielleicht steigen werden.

Diese Handlungsweise der Mineralölfirmen, der OMV als Marktleader, war ein Schlag ins Gesicht der Verhandlungspartner, der Sozialpartner, war ein Schlag ins Gesicht der Regierungsvertreter, auch des Wirtschaftsministers. Was eigentlich jedem Manager einer kleineren oder mittleren Firma klar ist, müßte doch auch Managern der größten und potentesten Firmen Österreichs klar sein, nämlich: daß eine solch undiplomatische Vorgangsweise ganz einfach Aktionen fordert!

In diesem Fall haben die Regierung und das Parlament darauf zu antworten. Dagegen kann man einwenden, daß das vorgesehene Gesetz in Jahren der freieren Wirtschaft, in denen Rahmenbedingungen, die die Wirtschaft eingeengt haben, fallen, zur Diskussion steht. Aber wenn man sich nicht an die Richtlinien, nicht an die Spielregeln der Fairneß hält, ist es so wie auf einem Fußballplatz: Wenn jemand gegen die Regeln der Fairneß verstößt, pfeift der Schiedsrichter deutlich und laut, und es gibt möglicherweise einen Elfmeter. Die Möglichkeit, einen Elfmeter im wirtschaftlichen Sinne zu pfeifen, werden wir dem Herrn Wirtschaftsminister mit der heutigen Beschlußfassung in die Hand geben, damit er ein Instrument hat, um Großkonzerne disziplinieren zu können; Großkonzerne, die sich anscheinend im Machtrausch der Börsennotierung befinden.

Es scheint überhaupt so gewesen zu sein, als hätte die positive Einigung über das Steuerentlastungspaket die Treibstoffkonzerne geradezu animiert, den Bürgern in Österreich, die künftig vielleicht ein paar Schilling mehr in den Taschen haben werden, diese sofort abzunehmen und auf ihr Konto umzubuchen.

Der Wettbewerb – das haben wir gesehen – hat in diesem Bereich nicht funktioniert, und daher sind Maßnahmen zu setzen. Warum funktioniert gerade in diesem Bereich der Wettbewerb nicht? Haben sich vielleicht Kartelle oder ähnliches gebildet? – Das möchte ich nicht behaupten, aber es ist offensichtlich so, daß die Marktführer aufgrund ihrer fast monopolartigen Stellung glauben, daß ihre Macht so weit geht, daß sie alles tun und lassen können, was sie wollen.

Ich erlaube mir, festzustellen, daß die Zeit des absoluten Manchester-Liberalismus dem vergangenen Jahrhundert angehört und daß dieser neue § 5a des Preisgesetzes eine Maßnahme ist, um dem möglicherweise in unserer Zeit neu ausufernden Wirtschaftsliberalismus Grenzen zu setzen.

Ich habe es schon gesagt: Ich gehe nicht von einer Kartellbildung aus, aber es scheint so zu sein, daß einer, der marktbeherrschend ist, mit einer Erhöhung vorangeht und die anderen aus


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Eigeninteresse, weil es die Taschen füllt, ganz einfach nachziehen. Diese Form scheint in Österreich bisher ganz gut funktioniert zu haben.

Berichten habe ich entnommen, daß diese überhöhten und noch einmal angehobenen Preise dem österreichischen Konsumenten und damit natürlich auch der Wirtschaft täglich Mehrkosten in der Höhe von 12 Millionen Schilling auferlegen. Das kann doch nicht sein, wenn vorher Verhandlungen geführt worden sind, die eigentlich in die andere Richtung ausgerichtet waren. Das heute zu beschließende Gesetz ist also eine Notwendigkeit, weil der Wettbewerb in diesem Bereich nicht funktioniert hat.

Ich habe mir gestern die Mühe gemacht und ein bißchen im Plenum des Nationalrates zugehört. Es ist geradezu lustig, zu sehen, daß sich die Grünen, von denen man als Schwechater weiß, daß sie in der OMV eigentlich immer eine Firma sehen, die ganz einfach angegriffen gehört, weil sie für die Umwelt problematisch ist, gestern auf einmal berufen fühlten, die OMV in Schutz zu nehmen. Das ist interessant – aber nicht wegen der Preispolitik. Denn wir wissen ja, was die Grünen wollen. Sie wollen Treibstoffpreise, die das Doppelte von dem betragen, was wir heute an Preisen vorfinden, ohne darüber nachzudenken, wie viele Arbeitsplätze dadurch gefährdet werden würden und wie der Wirtschaftsstandort Österreich dann aussehen würde.

Wenn Sie wollen, zeichne ich Ihnen ein weiteres Bild von der OMV, in deren Schatten ich im wahrsten Sinn des Wortes seit mehr als 25 Jahren lebe. Warum ich "im wahrsten Sinn des Wortes" sage, muß ich erklären. Wenn es kalt ist und die Sonne scheint, dann steigen die Dampfwolken der Kühltürme auf, bilden eine Wolke, und wenn überall blauer Himmel ist, dann haben wir ein bißchen mehr Schatten. Weil es so ist, sage ich "im wahrsten Sinn des Wortes".

Über die OMV ist auch zu sagen, daß sie in den Bereich der Umwelt in den letzten 25 Jahren viel Geld investiert hat. Dort ist viel geschehen. Es ist nicht mehr so, daß es in Schwechat und in den umliegenden Katastralgemeinden so riecht, daß man meint, alle Gerüche Arabiens in die Nase zu bekommen, wie es vor 25 Jahren tatsächlich der Fall war. Das möchte ich durchaus positiv hervorstreichen.

Aber in anderen Bereichen kommt diese Großfirma ihrer Verantwortung immer weniger nach. Ich darf nur daran erinnern, daß durch Rationalisierungsmaßnahmen sehr viele Arbeitsplätze verlorengingen. Es ist auch heute in der Umgebung von Schwechat nicht mehr so wie vor 25 Jahren, nämlich daß sich, wenn man dort im Wirtshaus eine Diskussion führt und den Betrieb kritisiert, sofort jemand findet, der meint, es sei nicht nur Kritik angebracht, sondern man müsse auch sehen, wie viele Menschen in der Gemeinde und in deren Umgebung in diesem Betrieb arbeiten. Das hat sich bedauerlicherweise gewandelt. Die Zahl der Arbeitsplätze ist insgesamt stark gesunken, und die Zahl derer aus der Umgebung, die dort arbeiten, hat sich auch wesentlich verringert.

Ich darf nur an eine Aussage des Herrn Generaldirektors vor eineinhalb bis zwei Jahren erinnern, als er im Fernsehen meinte: Wir werden in diesem Jahr einen Spitzengewinn in der Höhe von 2,4 Milliarden Schilling zustande bringen – das sind 2 400 Millionen Schilling; eine wunderschöne Zahl! Die Börse hat nicht besonders positiv reagiert. Zwei Wochen später verkündete derselbe Herr im Fernsehen ein neues Unternehmenskonzept: Wir müssen in den nächsten zwei Jahren 400 Arbeitsplätze wegrationalisieren, um das Unternehmen auf dem Markt bestehen lassen zu können.

Die Wirklichkeit ist ganz anders. Es werden viele Arbeitsbereiche ausgelagert an Billigstfirmen mit Arbeitskräften, die zum Teil nicht sehr viel verdienen. Und das wäre in einer Firma von dieser Größenordnung nicht notwendig.

Ich möchte auch in Erinnerung rufen, wie es international ausschaut, weil es gerade zehn Jahre her ist, daß dieser große Tankerunfall im Polarmeer von Exxon Valdez verursacht wurde, als 40 Millionen Liter Öl ausgeronnen sind. Die Natur dort hat sich bis heute nicht erholt. Was waren die Antworten der großen Firmen darauf? Sind jetzt modernere Tankschiffe unterwegs? – Nein. Es fahren noch immer jene Tankschiffe, die nicht doppelwändig sind, es sind nach wie vor diese


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Zeitbomben unterwegs. – Das nur als kurzes Sittenbild dieser Großfirmen im Öl- und Treibstoffbereich.

Ich darf zusammenfassen: Das heute zu beschließende Gesetz ist eine Maßnahme, ist ein Überbrückungsschritt, um tatsächlich zu Wettbewerb zu kommen und um den Großfirmen ihre Grenzen zu zeigen.

Ich darf noch ein Beispiel erwähnen: Im OECD-Bereich liegen in einem Land die Preise für Benzin um 50 Prozent und für Diesel sogar um 70 Prozent unter den österreichischen. Ich meine also, daß da genug Bewegungsspielraum vorhanden ist, und ich denke auch, daß das heute zu beschließende Gesetz dem Wirtschaftsminister wohl das Instrumentarium in die Hand gibt, um für sechs Monate Höchstpreise festsetzen zu können. Aber vielleicht denken die marktführenden Firmen selbst ein bißchen nach, und es kommt noch vorher ohne diese Maßnahme eine Regelung zustande.

Nochmals wiederhole ich: Es geht nicht um fünf oder zehn Groschen in diesem Bereich, sondern es geht um mehr. Es geht maßgeblich um die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich, und es geht darum, Arbeitsplätze in Österreich zu sichern. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

11.37

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich erteile ihr dieses.

11.37

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der heutige Gesetzesbeschluß kann durchaus unter der Formulierung: "Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht" gesehen werden, denn die heute zu beschließende Maßnahme wurde in ihrer Brisanz im Endeffekt durch die letzte geforderte Preiserhöhung im Bereich der Mineralölkonzerne ausgelöst, die sehr deutlich den Bogen überspannt hat. Die Einstellung der Mineralölkonzerne ist geradezu unverständlich, wenn man die unendliche Geschichte des Benzinpreises in den letzten Jahren verfolgt hat, daß es jetzt – das hat auch mein Kollege Schaufler schon ausgeführt – auf Verdacht hin noch einmal zu einer Preiserhöhung hätte kommen sollen.

Österreich hat die höchsten Nettobenzinpreise in der EU, nämlich 75 Groschen über dem EU-Durchschnitt. Es geht um die Nettopreise, und es ist dies keine Diskussion um die Spannen, wie der Herr Bundesminister in seiner Erklärung zur Argumentation der Mineralölwirtschaft angeführt hat. Ich möchte außerdem einen Vergleich mit der Bundesrepublik Deutschland anstellen. Wenn Österreich das gleiche Preisniveau wie die Bundesrepublik Deutschland hätte, dann würden die Österreicher jährlich 5 Milliarden Schilling weniger für Treibstoff ausgeben müssen. Ich denke, daß auch dieser Vergleich einen Blick auf die tatsächliche Situation ermöglicht.

Es kassieren also die großen Mineralölkonzerne auf Kosten der Konsumenten, auf Kosten jener, die ihr Fahrzeug überwiegend für ihre berufliche Tätigkeit oder im Zusammenhang mit ihrer Pendlersituation brauchen. Untersuchungen der Arbeiterkammer, die immer wieder vor allem auf die Aktivitäten der oberösterreichischen Arbeiterkammer zurückzuführen sind, haben gezeigt, daß die Preisänderungen fast durchwegs gleichzeitig bei allen Tankstellen erfolgen, also daß die Situation des Wettbewerbs keinesfalls gegeben ist, daß der Wettbewerb nicht funktioniert. Wenn mein Vorredner, Kollege Schaufler, hier die Vermutung geäußert hat, daß es kartellähnliche Absprachen gibt, so glaube ich, daß diese Tatsache dafür spricht, solche Vermutungen zumindest gelten zu lassen.

Allerdings, Herr Bundesminister, kann ich Ihre Erklärung nicht so im Raum stehen lassen, daß Sie überhaupt keine Möglichkeit gehabt hätten, diesbezüglich einzuschreiten. Ich habe da doch Ihre Aktivitäten vermißt.

Nun noch einige Bemerkungen zu einer Presseaussendung des wahrscheinlich kommenden Landeshauptmannes Haider betreffend die Steuersituation. Er hat ausführlich darauf hinge


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wiesen, daß es notwendig und richtig wäre, eine Steuersenkung – wenn ich mich recht erinnere, sogar eine im Ausmaß von 2 S – eintreten zu lassen.

Österreich liegt bezüglich der Steuersituation, im Gegensatz zum Nettopreisgefüge, am unteren Ende des europäischen Vergleichs. Wieder ein Vergleich mit der Bundesrepublik Deutschland: Österreich würde sich 3 Milliarden Schilling ersparen, wenn die gleiche steuerliche Situation, mit einem Schilling mehr Steuerbelastung, wie in der Bundesrepublik Deutschland zum Tragen käme. Ich denke, das wäre eine Situation, die uns so manche Diskussion um Sozialleistungen ersparen würde. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wir hätten sicher kein Problem damit, zum Beispiel die Valorisierung des Karenzgeldes vorzunehmen.

Nun wieder zum Benzinpreis, korrekt zum Treibstoffpreis, und zur Nettopreissituation zurück. Herr Bundesminister! Es war aus Ihren Erklärungen herauszuhören, daß der Druck von seiten der Bundesarbeitskammer, aber auch der oberösterreichischen Arbeiterkammer kam. Ich möchte immer wieder darauf hinweisen, daß dieser Druck aus Oberösterreich kam, weil wir in dieser Diskussion vielfach belächelt und ein bißchen als die Verrückten weit weg von der Bundeshauptstadt angesehen wurden.

Der Druck seitens der Arbeitnehmervertreter hat dazu geführt, daß es zur Beauftragung des Wifo gekommen ist, eine Branchenuntersuchung vorzunehmen. Deren Ergebnis besagt eindeutig, daß der Benzinpreis in Österreich um 60 Groschen zu hoch ist.

Ich meine, daß das heute zu beschließende Gesetz Ihnen, Herr Bundesminister, nun wirklich die Möglichkeit gibt, die Preisfestsetzung ordentlich vorzunehmen, vor allem im Hinblick auf die Tatsache, daß sich diese Zahlen auf eine Situation beziehen, die vor der Begehrlichkeit der Mineralölkonzerne vorhanden war (Beifall bei der SPÖ – Bundesrat Konecny: Jawohl!) , und es daher nicht so sein kann, daß auf die jetzt mit den Möglichkeiten des Gesetzes gegebene Situation vorher reagiert wird.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß diese Begehrlichkeit Gott sei Dank der Tropfen war, der zum Überlaufen des Fasses geführt hat, und daß der Druck, und zwar, wie ich behaupte, auch der Druck aus der SPÖ, so groß geworden ist, daß dieser Antrag im Nationalrat beschlossen wurde und heute von uns hier zu beschließen sein wird.

Ich bin froh, daß wir diesen Beschluß zu fassen haben. Ich habe schon lange nicht mehr so gerne einer Gesetzesmaterie zugestimmt, obwohl ich noch einmal auf folgendes hinweisen muß, Herr Bundesminister: Sie hätten schon früher entsprechende Möglichkeiten gehabt, und es hätte sich bei rechtzeitiger Reaktion der österreichische Konsument im Bereich der Treibstoffpreise sehr viel Geld ersparen können. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

11.44

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. Ich erteile ihm dieses.

11.44

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Bundesrätin! Zwei Korrekturen: Die Arbeiterkammern wurden von mir mehrmals aufgefordert, daß sie, wenn sie mutig Kartellverstöße behandeln, beim Kartellgericht Klage erheben mögen, was sie jederzeit hätten tun können. Sie haben es nicht getan!

Die Studie Puwein wurde von mir in Auftrag gegeben, und dann haben sich die Sozialpartner angeschlossen.

Wenn man mir Handlungsunfähigkeit unterstellt, dann wenigstens mit den richtigen Informationen! Nicht böse sein, aber ich muß das gleich sagen, denn mir werden pausenlos Dinge vorgeworfen, die ich erwidern muß!


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Der Antrag der Bundesarbeitskammer auf Preisregelung ist im März des Vorjahres eingebracht worden – nach Dutzenden Aufforderungen von mir an die Sozialpartner: Wenn ihr schon ständig bei mir protestiert, dann rührt euch doch endlich!

Erlauben Sie mir, das zu sagen, denn irgendwann ärgert man sich, wenn man das Gefühl hat, daß die anderen alles behaupten dürfen und das dann in den Zeitungen steht, solange einer alles geduldig einsteckt. Sie nehmen mir hoffentlich nicht übel, daß ich das sage, aber wir wollen doch gemeinsam etwas weiterbringen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.45

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. André d'Aron. Ich erteile ihm dieses.

11.45

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Preisgesetz geändert wird, sieht vor, daß der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten von Amts wegen die Preise bei Erdöl und dessen Derivaten dann zu untersuchen hat, wenn der geforderte Preis oder die vorgenommene Preiserhöhung auf eine ungerechtfertigte Preispolitik eines oder mehrerer Unternehmen zurückzuführen ist. Ich frage mich, warum das in den vergangenen Jahren nicht schon ausreichend erfolgt ist und jetzt erst diese Studie vorliegt.

Wenn eine ungerechtfertigte Preispolitik im Rahmen einer Preiserhöhung tatsächlich gegeben ist und dies volkswirtschaftlich nachteilige Auswirkungen hat, hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten nach Inkrafttreten dieses Entwurfs das Recht, für die Dauer von sechs Monaten einen Höchstpreis zu bestimmen. Das ist natürlich letztlich ein planwirtschaftlicher Eingriff in die österreichische Wirtschaft und auch eine Bankrotterklärung des österreichischen Kartellrechtes für diese Produkte.

Was bedeutet diese Novelle nunmehr konkret, wie wirkt sie sich tatsächlich aus, und welche wirtschaftlichen Gesamtzusammenhänge sind zu betrachten? – Wichtig für den Autofahrer, also den Kunden – das ist das eigentliche, substantielle Thema zum vorliegenden Entwurf –, ist der Gesamtpreis, den der Autofahrer, der Kunde, an der Tankstelle entrichtet. Wenn daher ein Großteil dieses Gesamtpreises letztlich durch die steuerliche Belastung bestimmt ist, und zwar zu rund 65 Prozent – da helfen auch nicht unbedingt Vergleiche mit dem Ausland –, ist es sehr wohl ein Thema der Bundesregierung in der Vergangenheit gewesen, entsprechende steuerliche Entlastungen vorzunehmen.

Warum ist das in der Vergangenheit nicht erfolgt? – Tatsächlich ging es der Bundesregierung primär nicht um die Bedürfnisse des Autofahrers, sondern vor allem um die hohen steuerlichen Einnahmen. So hat sich das Mineralölsteueraufkommen mit einer Steigerung von 18,9 Milliarden Schilling im Jahr 1989 auf 35,6 Milliarden Schilling im Jahr 1998 nahezu verdoppelt. Darüber hinaus wurde der Autofahrer durch die Normverbrauchsabgabe, die Kfz-Steuer, die motorbezogene Versicherungssteuer, die Straßenbenützungsabgabe, durch Einnahmen aus Maut, Vignette und Parkgebühren zusätzlich noch mit rund 26 Milliarden Schilling pro Jahr belastet.

Wo sind die vergangenen Initiativen des knapp vor einer Nationalratswahl stehenden Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten in Richtung steuerliche Entlastung der Autofahrer zu sehen?

Ein anderes Thema ist die tatsächliche wirtschaftliche Situation der Branche in Österreich, und zwar im Zusammenhang mit der OMV. Wie wir wissen, wird die OMV als Kaderschmiede der SPÖ betrachtet. Die sozialdemokratischen Regierungsmitglieder Klima, Ruttenstorfer und Einem waren Mitarbeiter dieses Unternehmens. (Ruf bei der SPÖ: Das ist eine gute Firma!) Warum haben diese Regierungsmitglieder nie mit der OMV in Richtung Benzinpreissenkung, und zwar hinsichtlich der Gestehungskosten, wirksamen Kontakt aufgenommen? (Bundesrätin Kainz: Weil es nicht ihre Kompetenz ist!)


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Bei der OMV liegt eine Quasi-Monopolstellung vor, da alle großen Mineralölfirmen gezwungen sind, mit der OMV Lohnverarbeitungsverträge abzuschließen. Aktivitäten kleinerer Ölfirmen in Richtung Raffinierung außerhalb der OMV sind infolge gewerberechtlicher Auflagen gescheitert, und es gibt in diesem Zusammenhang auch einige Ansuchen.

Damit ist wieder der Kreis zur Hauptkompetenz des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten zu schließen. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ist für das Gewerberecht verantwortlich. In der Vergangenheit hat sich das so ausgewirkt, daß der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gewerberechtliche Aktivitäten im Sinne der großen Ölfirmen positiv beurteilt hat. Das war und ist zum Beispiel im Zusammenhang mit der für die Tankstellen sehr günstigen Regelung hinsichtlich Öffnungszeiten für die Tankstellenshops zu sehen. Es kann davon ausgegangen werden – so nehme ich jetzt hier an –, daß weitere gewerberechtliche Vereinfachungen für Tankstellen, und zwar für unbemannte Tankstellen, erfolgen werden.

Ich frage Sie dazu, Herr Bundesminister: Warum haben Sie den Tankstellen als Verkaufsstellen der großen Ölfirmen hinsichtlich Ihrer eigenen Kompetenz als Gewerbehörde immer wieder nachgegeben, wenn Sie auf der anderen Seite die von den großen Ölfirmen festgesetzten Preise, welche gemäß Zusammenstellungen der Arbeiterkammern und des Gutachtens schon seit längerem im oberen europäischen Umfeld positioniert sind, als erst nunmehr überhöht ansehen?

Der vorliegende Entwurf erweckt somit den begründeten Eindruck, daß eine, ich möchte nicht sagen Anlaßgesetzgebung, sondern vielmehr eine Indiziengesetzgebung – dazu komme ich noch – gegeben ist, und zwar im Hinblick auf die im Oktober stattfindenden Nationalratswahlen. Dieser Eindruck wird auch durch die Begründung zum vorliegenden Entwurf noch erhärtet, in welcher ausgeführt wird – ich zitiere jetzt wörtlich –: "... daß ein Indiz für eine ungerechtfertigte Preispolitik in Österreich dann gegeben sein könnte, wenn dauerhaft die Preise in Österreich über dem internationalen Preisniveau liegen, ohne in der Begründung die in Europa unterschiedlichen Steuerbelastungen abzuhandeln."

Ich komme zum Schluß. Die freiheitliche Fraktion vertritt die Ansicht, daß den Autofahrern optimale Preise – inklusive steuerlicher Belastungen – für Benzin und Diesel zu verrechnen sind sowie eine steuerrechtliche Entlastung zu erfolgen hat. Aus diesem Grund wird daher seitens der freiheitlichen Fraktion folgender Entschließungsantrag eingebracht:

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine steuerliche Entlastung der Autofahrer durch eine Senkung der Mineralölsteuer auf ein erträgliches Ausmaß vorsieht."

*****

Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.52

Präsident Gottfried Jaud: Der von den Bundesräten Dr. d'Aron und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend überhöhte Treibstoffpreise in Österreich ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Jürgen Weiss. Ich erteile ihm dieses.

11.53

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Gesetzgebung im Eilzugstempo ist nicht nur politisch, sondern auch ad


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ministrativ eine schwierige Angelegenheit. Wir alle wissen, daß dabei das Fehlerrisiko proportional zur Geschwindigkeit deutlich ansteigt.

Ich möchte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesratskanzlei dafür danken, daß sie mit großem Einsatz und mit – Sie erlauben mir diesen Einschub – geradezu alemannischer Präzision das ihnen Mögliche dazu beigetragen haben, daß die Entscheidungen formal korrekt zustande kommen können. Das ist bei einem Blick hinter die Kulissen nicht so selbstverständlich, wie es aus dem Zuschauerraum aussehen mag.

Außergewöhnliche Umstände führen naturgemäß häufig zu außergewöhnlichen Maßnahmen. Gelegentlich mag es auch mehr Verführung als Führung gewesen sein. Daß die Umstände auf dem Treibstoffmarkt in Österreich unverständliche Formen angenommen haben, wurde hinlänglich und zutreffend dargestellt. Ein besonders kritisierter Aspekt dabei ist, daß regierungsnahe Unternehmen den nachteiligen Folgen von Oligopolen nicht entgegenwirken, sondern sich zu Lasten der Bevölkerung an den Begünstigungen daraus beteiligen.

Das betrifft nicht nur die schon erwähnte OMV, sondern beispielsweise hinsichtlich der Flugtarife zwischen Zürich und Wien auch die AUA. Der gemeinsam mit der Swissair verteidigte Ausschluß Dritter von dieser stark frequentierten Flugstrecke führt zu Tarifen, die allen internationalen Vergleichen Hohn sprechen.

Selbst wenn ich die Bedenken gegen die Wirksamkeit staatlicher Preisregelung beiseite schiebe und zu der Auffassung komme, daß sie im konkreten Fall erfolgreich einem guten Zweck diene, kann dies nichts an der Überzeugung ändern, daß auch ein noch so guter Zweck noch lange nicht jedes Mittel rechtfertigt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Damit meine ich nicht so sehr das mit der Einführung eines neuen § 5 in das Preisgesetz vorgesehene Instrumentarium an sich, sondern dessen Verankerung als Teil des Bundesverfassungsrechts. In dem Antrag der Abgeordneten Kostelka und Khol wurde der Umstand, daß der gesamte Gesetzesbeschluß als Verfassungsbestimmung bezeichnet wird, auf den ersten Blick sehr plausibel damit begründet, daß dies eben aus kompetenzrechtlichen Gründen notwendig sei.

Richtig ist tatsächlich, daß der Bundesgesetzgeber für Veränderungen im Preisgesetz, einen Teil der sogenannten Wirtschaftslenkungsgesetze, wegen der Verzahnung mit Länderzuständigkeiten jeweils eine eigene verfassungsrechtliche Grundlage benötigt. In allen bisherigen Fällen wurde sie so geschaffen, daß in einem Artikel 1 eine sogenannte Kompetenzdeckungsklausel im Rang einer Verfassungsbestimmung vorgesehen wurde und im nachfolgenden Artikel 2 dann auf einfach gesetzlicher Ebene die tatsächliche Regelung des Sachverhaltes erfolgte.

Die nun beim Preisgesetz erstmals gewählte Vorgangsweise einer alles umfassenden Verfassungsbestimmung schafft zwar auch die erforderliche Kompetenzgrundlage, zugleich aber einen keinesfalls wünschbaren Nebeneffekt. Die Regelung an sich wird zum Verfassungsrecht erhoben und damit der nachprüfenden Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes entzogen. Das ist zwar nicht der erste Sündenfall dieser Art (Bundesrat Dr. Böhm: Leider!) , begonnen hat es mit den Taxikonzessionen, aber mir klingen immer noch die Beteuerungen in den Ohren, Verfassungsrecht nicht mehr in dieser Weise zu handhaben und auf eine entsprechende Kultur der Bundesverfassungsgesetzgebung zu achten.

Daß die Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes gescheut wird, ist mir durchaus verständlich. Nach § 5a Abs. 2 des Preisgesetzes hat sich der gegebenenfalls festzulegende Höchstpreis an der Preisentwicklung in vergleichbaren europäischen Ländern unter Berücksichtigung allfälliger besonderer, im betreffenden Wirtschaftszweig bestehender volkswirtschaftlicher Verhältnisse zu orientieren.

Es ist dabei nicht klar ausgesprochen, daß dabei jedenfalls das Kostendeckungsprinzip zu beachten ist. Genau das hat aber der Verfassungsgerichtshof in einem Erkenntnis vom 3. Dezember 1990 verlangt. Der volkswirtschaftlich gerechtfertigte Preis muß demnach jedenfalls kostendeckend sein. Widrigenfalls ist die Preisbestimmung gesetzwidrig und kann zur Amtshaftung


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führen. Der Handelsausschuß des Nationalrates sah sich bei der Verabschiedung des Preisgesetzes 1992 sogar veranlaßt, in einer Ausschußfeststellung an dieses Erkenntnis ausdrücklich zu erinnern.

Ebendiesem Spannungsverhältnis und auch noch anderen verfassungsrechtlichen Fragen ist der Gesetzesbeschluß ausgesetzt. Wenn man die Begründung des Antrages genau liest, fällt die Formulierung auf, daß die Verfassungsbestimmung "schon aus kompetenzrechtlichen Gründen", aber offenbar eben nicht nur deswegen zweckmäßig sei. Ich hätte mir gewünscht, daß man das tatsächliche Anliegen wenigstens offen dargelegt hätte.

Abgesehen von dieser verfassungsrechtlichen Problematik steht der Gesetzesbeschluß auch in einem europarechtlichen Spannungsverhältnis. Ich zitiere aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage für die Neufassung des Preisgesetzes 1992: "Trotz der grundsätzlichen Zulässigkeit wird eine nationale Preisfestsetzung nur in einem sehr eingeschränkten Umfang mit dem EWG-Vertrag vereinbar sein. Eine weitgehende Unzulässigkeit einer nationalen Preisfestsetzung ergibt sich aus dem in Artikel 30 des EWG-Vertrages normierten Verbot der Diskriminierung von Einfuhren aus den Mitgliedstaaten. Aber auch" – so heißt es dort weiter – "soweit nach den vorstehenden Ausführungen im Rahmen des bestehenden Gemeinschaftsrechtes eine einzelstaatliche Preisfestsetzung zulässig ist, ist jedes Mitglied der Gemeinschaft gemäß Artikel 103 Abs. 1 des EWG-Vertrages zur vorherigen Konsultation und gemäß Artikel 105 zur Koordinierung mit den übrigen Mitgliedstaaten verpflichtet." – Soweit die Regierungsvorlage aus dem Jahr 1992.

An diesen Rahmenbedingungen hat sich nichts geändert. Ich kann mir angesichts der an den Tag gelegten Eile allerdings nicht vorstellen, daß die erwähnte europarechtlich notwendige Konsultation und Koordinierung – so die Einschätzung der damaligen Regierungsvorlage – stattgefunden hätte.

Selbst wenn aus der Sicht der Autofahrer die in Österreich geübte Preispolitik der Ölkonzerne, einschließlich der OMV, als Notstand angesehen wird, vermag das eine auf Dauer angelegte verfassungspolitische Notwehrüberschreitung durch Ausschaltung richterlicher Kontrolle nicht ausreichend zu begründen. Ich hätte mir unter den gegebenen Umständen wenigstens erwartet, daß die in Aussicht genommene Regelung, wenn sie tatsächlich nur ein Überbrückungsschritt sein soll – wie es der Herr Wirtschaftsminister im Nationalrat richtigerweise dargestellt hat –, nicht dauerhaft dem Verfassungsrecht einverleibt, sondern für einen angemessenen Zeitraum befristet wird.

So bleibt abschließend nur das – bei mir persönlich durchaus gegebene – Vertrauen in das Augenmaß des gegenwärtigen Wirtschaftsministers sowie seines Ministeriums, und es bleibt die Erwartung, daß an die Stelle der aus einem schon etwas verstaubten ordnungspolitischen Fundus stammenden Verfassungsbestimmung bald zeitgemäße wettbewerbsrechtliche Maßnahmen sowie hoffentlich auch die Vernunft der Mineralölwirtschaft treten mögen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.01

Präsident Gottfried Jaud: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Erhard Meier. – Bitte.

12.01

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Wir alle wissen, warum wir uns heute zu dieser an und für sich außerordentlichen Sitzung des Bundesrates hier eingefunden haben. Es ist nicht so, daß die Problematik, daß die Bevölkerung Österreichs spürt, daß die Benzinpreise bei uns zu hoch sind, erst seit heute sichtbar ist, sondern dies zeichnet sich schon seit längerer Zeit ab. Aber irgendwann kommt immer der Zeitpunkt, an dem das Faß wirklich überläuft.

Ich möchte auch sagen, es dreht sich nicht nur um die Autofahrer und darum, daß sich diese jetzt so und so viel Geld ersparen würden, wenn der Benzinpreis gesenkt werden würde, sondern die Autofahrer sind Teil von Familien und sind Arbeitnehmer. Sie verwenden dieses Geld,


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um damit den Benzinpreis zu zahlen. Es geht dabei also nicht nur um die Interessen der Autofahrer und der sie vertretenden Autofahrerklubs.

Die Bevölkerung hat wirklich das Gefühl, daß die Benzin- und Dieselpreise bei uns zu hoch sind. Es geschieht laufend folgendes: Wenn in Rotterdam der Preis pro Barrel zu steigen scheint, dann werden die Treibstoffpreise sofort angehoben, erfolgt aber auf dem Spotmarkt Rotterdam eine Preissenkung, dann spürt man nichts davon. Meine Damen und Herren! Der Preis für ein Barrel Öl hat schon einmal 22 US-Dollar oder mehr betragen und ist später etwa auf die Hälfte beziehungsweise 12 US-Dollar gesunken. Nun wissen wir natürlich, daß der Benzinpreis wegen anderer Abgaben nicht gleich um 50 Prozent sinken kann. Es ist klar, daß sich dieser Preis nicht nur aus dem Rohölpreis ergibt, sondern sich auch aus den später folgenden Kosten für die Verarbeitung und den Belastungen zusammensetzt, die zweifellos draufgeschlagen werden.

Es ist aber schon sonderbar, folgende einseitige Automatik feststellen zu müssen: Wenn das Rohöl in Rotterdam teurer wird, wird das Benzin in Österreich sofort teurer, und wenn es in Rotterdam billiger wird, wird es bei uns nicht billiger. Letztes Mal gab es nur die Andeutung, daß der Ölpreis aufgrund bestimmter Vorkommnisse steigen würde. Das verstehen die Bürger einfach nicht und fragen oft: Warum tut ihr Abgeordnete nichts dagegen? Warum tut die Regierung nichts dagegen? – Das ist die Meinung, wenn man mit den Menschen spricht.

Zweitens: Wir brauchen nur die Preisentwicklung in vergleichbaren Nachbarstaaten zu beobachten. Ich meine nun nicht Slowenien und andere Staaten, an deren Grenzen zu Österreich es diesen Grenztanktourismus gibt, sondern ich meine damit Staaten der Europäischen Union oder auch die Schweiz. Es gibt sicherlich Gebiete in Europa, die eine ähnliche geographische Struktur wie Österreich aufweisen, in denen es Berge gibt, in denen nicht das gesamte Gelände eben ist und in denen es nicht nur dichtbesiedelte Gebiete gibt, sondern auch dünner besiedelte, ländliche Gebiete. Das ist der zweite Punkt, den die Bevölkerung sieht, den diejenigen, die den Benzinpreis zahlen müssen, sehen.

Nun komme ich zur praktischen Preisgestaltung an den Tankstellen. Das Thema der Kartellbildung wurde hier schon angeschnitten. Ich bin der Meinung, daß niemand diese Kartellbildung beweisen kann. Auch ich habe keine schriftlichen Abmachungen zwischen verschiedensten Mineralölfirmen in der Hand. Aber, meine Damen und Herren, wenn um Mitternacht eines bestimmten Stichtages an allen Tankstellen – welcher Firma auch immer – eines gesamten Tales, zum Beispiel des gesamten Ennstales oder des Murtales – ich rede jetzt als Steirer; aber das trifft auch auf andere Bundesländer zu –, auf den Groschen genau gleich hoch die Preise an den Anzeigetafeln umgestellt werden, kann mir doch niemand weismachen, daß das freiwillig ist und daß der eine Tankstellenpächter darauf schaut, welchen Preis der andere anschlägt. Denn wer ist denn der erste, der das tut? – Es muß also kartellähnliche Absprachen geben, um das durchzuführen.

Man findet auch einige Gebiete, in denen es Preisbrecher gibt, und zwar – wieder vom steirischen Blickwinkel aus gesehen – in Bruck an der Mur, in Leoben – das ist ebenfalls eine solche Insel – und natürlich in der Südsteiermark. Dort ist der Benzin- oder Dieselpreis immer um 80 oder 90 Groschen niedriger. Dort allerdings kommt es bei den niedrigen Preisen wiederum zu Absprachen, oder wie immer wir das nennen wollen. Aber die Kartellfrage als solche ist schwer aufzugreifen, und ich glaube, daß sie eben nicht beweisbar ist, man sieht jedoch die diesbezügliche Problematik. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Fragen Sie Herrn Klima, Herrn Ruttenstorfer und Herrn Einem, denn die sollten wissen, wie das läuft!)

Herr Kollege Missethon! Es schaut so aus, als ob diese ehemaligen Mitarbeiter der OMV daran schuld seien. Ich verteidige niemanden, auch in der OMV faktisch nicht, aber würden diese Personen heute in diesem Bereich eingreifen, würde man sagen, die Minister ad personam hätten sich sozusagen eingemischt. (Bundesrat Eisl: Die Kaderschmiede ist halt teuer! Die kostet Geld! Das muß man über Benzinpreise hereinbringen!) Ich habe noch gar nichts zu Ihrem Minister Farnleitner gesagt, sondern nur dazu, wie die Leute die Lage sehen. Ich bestätige die Behauptung, daß dieses Gesetz zum Schutz des Gemeinwohls vor einem brutalen Kommunismus – Entschuldigung, ich korrigiere mich – Kapitalismus gefaßt werden muß. (Bundesrat Dr. Trem


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mel: Sie haben recht! In den Auswirkungen sind beide gleich!) Das ist die Aussage Ihres Klubobmannes Khol. Wehe, wir hätten das gesagt! Wir alle haben also das Gefühl – fragen Sie die Bevölkerung –, daß es Wege geben muß, den Benzin- und Dieselpreis und den Preis für die damit verbundenen Derivate auf ein Niveau zu bringen, das vergleichbar mit dem unserer Nachbarländer ist.

Ich möchte auf etwas hinweisen, was ich strikt ablehne. Das erste, was die Herren von den Benzin- und Mineralölfirmen sagen – ganz gleich, welche; ich schließe auch die OMV mit ein –, ist: Das kostet euch 5 000 Jobs, ihr bösen Parlamentarier, ihr habt das beantragt! Ihr werdet schon sehen, jetzt werden wir alle kleinen Tankstellen schließen, die Leute werden nicht mehr versorgt werden!

Das ist eine Drohung, die wir so nicht hinnehmen werden! Diese Herren sollen wissen, daß wir uns das nicht gefallen lassen! Wenn einer von ihnen meint, aus wirtschaftlichen Gründen mit der Führung seines Betriebes nicht mehr fertig zu werden, soll er es sagen und sollte zurücktreten. Es findet sich sicher jemand anderer, der das übernehmen würde! (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat Weilharter: Auch die Eigentümervertreter! – Weiterer Zwischenruf.)  – Den werden wir durch dieses Gesetz schon beeinflussen, so nehme ich an, Herr Bundesrat! Sie stimmen für dieses Gesetz, obwohl es auch innerhalb Ihrer Partei verschiedene Meinungen gibt. (Bundesrat Dr. Tremmel: Wissen Sie das so genau? Bei uns gibt es noch keinen Klubzwang!)

Ich möchte auch folgende Bemerkung dazu machen. Die Forderung: Geht mit der Steuer herunter, dann wird das Benzin auch billiger! ist keine Lösung. Das sollte man sich nicht vornehmen. Warum? – Dann werden wir alle nämlich in Form von geringeren Steuereinnahmen die Profite der Mineralölgesellschaften zahlen. Dann können wir gleich die höheren Preise an der Tankstelle zahlen, wenn wir diesen Umweg gehen. (Beifall bei der SPÖ.) Deswegen ist der Vorschlag, diesem Problem nur mit einer Steuerermäßigung beizukommen, in dieser Weise als absurd anzusehen.

Wir werden diesen Beschluß fassen. Ich bin an und für sich nicht dafür, solche Ad- hoc-Gesetze zu beschließen, aber dies scheint ein Fall zu sein, der eine solche Vorgangsweise einfach notwendig macht. Ich sage Ihnen daher: All jene, die davon betroffen sind, werden uns dankbar dafür sein, daß wir diesen Weg gehen! Herr Wirtschaftsminister! Nun liegt es an Ihnen, etwas zu tun! Die in Ihrer Erklärung angegebenen Einwände, daß Sie bisher zuwenig Einfluß oder nicht ausreichende gesetzliche Grundlagen gehabt hätten, um dagegen einzuschreiten, stimmen also nicht mehr.

Ich würde Sie um folgendes ersuchen – wir werden das auch verfolgen –: Wenn Benzin jetzt – ich nehme immer Benzin als Beispiel für alle Treibstoffe – um 20 Groschen billiger wird, dann ist der Preis in geringerem Ausmaß gesunken, als er vorher erhöht wurde. Wird Benzin um 30 oder 40 Groschen billiger, dann wird es genau um den Betrag verbilligt, um den es vorher erhöht wurde. Die Preise müssen mit denen in anderen Staaten aufgrund der gesamten Beurteilung vergleichbar sein. Ich glaube nicht, daß die großen Mineralölfirmen und die OMV daran zugrunde gehen werden.

Wir werden es sehen. Herr Minister! Schreiten Sie nach diesem Gesetze zur Tat! – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.11

Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

12.11

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ganz kurz auf Ihre Erklärung zurückkommend, Herr Bundesminister: Sie haben von einem sogenannten Ostergeschenk an den Mineralölverbraucher, an den Konsumenten gesprochen. Ich meine, Herr Minister, wer jahrzehntelang abkassiert oder auch zuläßt, daß abkassiert wird, sollte nicht von Geschenken sprechen, wenn er durch den Gesetzgeber erst gezwungen werden muß, letztlich diese Abkassiermaßnahmen zu unterlas


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sen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Herr Minister! In dieser Frage von einem Geschenk zu sprechen, würde ich Ihnen nicht empfehlen.

Meine Damen und Herren! Zurückkommend auf Herrn Kollegen Schaufler: Er hat die heutige Sondersitzung als ein sogenanntes rasches Reagieren der gesetzgebenden Körperschaften, ein rasches Reagieren des Parlaments gewertet. Ich habe hier einen Antrag vom 24. März 1999 betreffend Preisgesetz 1992. Als Antragsteller scheinen Dr. Kostelka und Dr. Khol auf.

In diesem Antrag wird wie folgt begründet: Die Preise für Benzin und sonstige Mineralölprodukte liegen in Österreich bereits seit langem wesentlich über dem Preisniveau in vergleichbaren Ländern. (Ruf bei den Freiheitlichen: Das haben sie schnell erkannt!)

Was heißt das, meine Damen und Herren? – Das heißt, daß diese Situation, diese Hochpreispolitik im Mineralölbereich, längst bekannt war und daß die Koalition bisher nicht reagiert hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich würde diese Sondersitzung quasi als "Feuerwehraktion" bezeichnen, und zwar deshalb, weil die Regierung bisher nicht auf diese Preisentwicklung reagiert hat. (Bundesrat Payer: Ist Feuerwehr etwas Schlechtes?) Der Herr Bundesminister hat in seiner Erklärung gemeint, daß ihm bisher die rechtliche beziehungsweise gesetzliche Grundlage gefehlt habe. Ich möchte in Erinnerung rufen, daß einerseits die Möglichkeit über das Preisgesetz, andererseits auch über das Kartellrecht gegeben wäre, zu prüfen, inwieweit es zu Absprachen in der Preisentwicklung gekommen ist. Diese Notwendigkeit ist jetzt eigentlich nur aus einem Grund, so glaube ich, gegeben, und das ist das Eingeständnis der Bundesregierung, daß sie nicht dazu imstande war, da regulierend einzugreifen.

Kein böser Freiheitlicher, kein böser Autofahrer und kein böser Konsument, sondern eine der größten österreichischen Tageszeitungen hat es sehr treffend tituliert: Nationalrat für Schnellgang, Minister bremst. – Der Untertitel dazu ist auch sehr treffend: Notkompetenz des Parlaments soll amtliche Preissenkung schon nächste Woche ermöglichen. – Zitatende. (Der Redner hält ein Exemplar einer Zeitung in die Höhe.)

Meine Damen und Herren! Das sind Zeitungsschlagzeilen, in denen sehr viel Wahrheit und sehr viele Tatsachen beinhaltet sind.

Da sich die Diskussion um die schon lange währende Hochpreispolitik im Bereich der Mineralölprodukte dreht, sollte man aber als verantwortungsvoller Volksvertreter auch die Verantwortung der Frau Konsumentenschutzministerin einfordern. (Bundesrat Dr. Tremmel: Jawohl!) Wo war die Frau Konsumentenschutzministerin zur Zeit dieser Hochpreispolitik? – Mir ist diesbezüglich keine Stellungnahme von ihr bekannt, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe der Bundesräte Prähauser und Payer. )

Vielleicht war Frau Ministerin Prammer zu sehr mit der Qualität des inländischen Rindfleisches und mit dessen Exportmöglichkeiten beschäftigt. Das wäre eine Erklärung. Oder, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, hat Frau Konsumentenschutzministerin Prammer nicht reagieren dürfen? (Bundesrat Payer: Dafür seid ihr zuständig! Für "nicht dürfen" seid ihr zuständig!) Vielleicht gibt es eine Parteiorder innerhalb Ihrer Fraktion, nachdem sich Herr Bundeskanzler Klima, Herr Staatssekretär Ruttenstorfer und Herr Verkehrsminister Einem einmal in der ÖMV, in der Mineralölwirtschaft, versucht haben. (Bundesrat Dr. Tremmel: Kaderschmiede!) Vielleicht ist das die Begründung für das Nichtreagieren der Frau Konsumentenschutzministerin.

Meine Damen und Herren! Das wäre eine Erklärung betreffend Sozialdemokratie. Wir haben aber nicht nur die Sozialdemokratie zu vertreten, sondern wir als österreichisches Parlament und als Länderkammer haben die Interessen unserer Staatsbürger zu vertreten. Daher können wir nicht zusehen, wie sich die Konsumentenschutzministerin in dieser Frage in Schweigen hüllt.

Man muß eigentlich sagen, zum Glück ist der Einfluß der Sozialdemokratie nicht mehr in alleinigem Ausmaß gegeben, aber es müssen einem alle Staatsbürger leid tun, wenn die sogenannte


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Volkspartei diesen Weg ebenfalls mitgeht. Daher stimmt die Schlagzeile, Herr Minister: Minister bremst.

Meine Damen und Herren! Alleine die Preiskalkulation im Mineralöl- oder Treibstoffbereich ist ein Beleg dafür, daß diese Schlagzeile stimmt. Der durchschnittliche Preis für Dieselöl in Österreich beträgt 8,52 S, davon sind 1,42 S Mehrwertsteuer, die Mineralölsteuer beträgt 3,89 S. Der Durchschnittspreis für Benzin in Österreich beträgt 10,52 S, davon fallen 1,75 S an Mehrwertsteuer und 5,61 S an Mineralölsteuer an. (Bundesrat Prähauser: 10,52 S, was ist das für ein Durchschnitt?)  – Österreichischer Durchschnitt. Das heißt, meine Damen und Herren, bei Diesel haben wir einen Steueranteil ohne Einkommensteuer der Vertreiber, der Pächter, die letztlich an den Endverbraucher verkaufen, in der Höhe von 62 Prozent, und bei Benzin haben wir eine Steuerquote – wiederum ohne Einkommensteuer der Vertreiber – von 70 Prozent. Das, meine Damen und Herren, ist Beleg und Grund genug und Erklärung dafür, daß die Regierung bis dato in diesem Bereich gezögert und nicht reagiert hat, weil sie beim Bürger, beim Konsumenten in diesem Bereich abkassieren wollte und will.

Meine Damen und Herren! Wenn es Ihnen wirklich um einen konsumentenfreundlichen Treibstoffpreis ginge, hätten Sie von der Sozialdemokratie und Ihre Frau Ministerin Prammer von sich aus aktiv werden müssen. Wenn Ihnen, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, und Ihnen, Herr Minister Farnleitner, diese Frage ein wirtschaftliches Anliegen wäre, dann hätten Sie längst einen Regulierungsbedarf angemeldet, einen Regulierungsentwurf vorgelegt und nicht darauf gewartet, bis eine parlamentarische Sonderaktion gesetzt wird.

Meine Damen und Herren! Wenn wir heute auch im Schnellgang das gesetzliche Instrument in Gang setzen, so bleibt eines unbestritten: Die Koalition der Verlierer ist bis dato für das Abkassieren bei den Treibstoffkonsumenten verantwortlich. Die Koalition der Verlierer ist für das Abzocken der Konsumenten verantwortlich. Meine Damen und Herren! Sie sollten sich in dieser Stunde in aller Form bei allen Konsumenten, die davon betroffen sind, schleunigst und höflichst entschuldigen! Tragen Sie Sorge dafür, daß in Hinkunft die Mineralölsteuer reduziert wird! Ich lade Sie ein, Ihren politischen Fehler ... (Zwischenruf bei der ÖVP.)  – Herr Kollege! Ich lade Sie ein, Ihren politischen Fehler, den Sie zu verantworten haben, auch in dieser Stunde mit zu reparieren, indem Sie einem Entschließungsantrag der Freiheitlichen Ihre Zustimmung geben.

Ich darf daher, Herr Präsident, meine Damen und Herren, namens der freiheitlichen Fraktion folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Engelbert Weilharter, Dr. André d'Aron, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Ernest Windholz, Dr. Paul Tremmel und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Sicherstellung eines freien Wettbewerbs im Bereich der Mineralölwirtschaft

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, bis längstens 31. Mai 1999 entsprechende Gesetzentwürfe vorzulegen, die – nicht zuletzt im Sinne gerechter Preise – die kartellrechtlichen sowie auch gewerberechtlichen Voraussetzungen für einen freien Wettbewerb im Bereich der Mineralölwirtschaft schaffen."

*****

Wenn Sie Mut zur Wahrheit haben, wenn Sie bereit sind, das von Ihnen Gesagte auch in die Tat umzusetzen, dann gehe ich davon aus, daß Sie dieser unserer Entschließung zustimmen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.20

Präsident Gottfried Jaud: Der von den Bundesräten Weilharter und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Maßnahmen zur Sicherstellung eines freien Wettbewerbs im


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Bereich der Mineralölwirtschaft ist ausreichend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner. Ich erteile es ihm.

12.2


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1

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Da ich hinreichend weiß – und ohne Sie provozieren zu wollen –, daß kleinformatige Zeitungen in allen Bundesländern die Tendenz haben, als Bibel hergenommen zu werden, wird es bei Kollegen Weilharter nicht anders sein. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesräte Payer und Grillenberger. ) Aber wie ich schon gesagt habe: Wenn Journalisten zuerst denken und dann schreiben würden.

Was ich tatsächlich gesagt habe, ist folgendes: Wenn jetzt ein Blitzgesetz beschlossen wird, Hoher Bundesrat – da schließe ich durchaus an dem an, was Herr Bundesrat Weiss gesagt hat –, kann es nicht so sein, daß der Minister ohne formelles Anhörungsverfahren bereits am nächsten Tag eine Verordnung macht. – Wer mir das zumutet, irrt sich. Wenn Sie das so wollen, dann mag das Ihre Denkrichtung sein, meine ist es nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich muß mit allen Firmen reden, ich muß den Sachverhalt nochmals klären. Denn noch einmal: Es ist ganz lustig ... (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. )  – Noch einmal: Sie haben zitiert: Minister bremst. – Dieser Artikel wurde genau auf jene Aussage hin geschrieben, in der ich gesagt habe: Ich bin froh darüber, daß ich diese Ermächtigung bekomme. Ich wäre noch froher, wenn die Firmen reagieren würden und selbst handeln. Wenn ich handeln muß, dann muß es trotz Verfassungsrang für die ganze Norm die Rechtsstaatlichkeit geben, die davon Betroffenen sind anzuhören, obwohl ein anderes Verfahren bei mir läuft.

Herr Präsident! Sie entschuldigen, daß ich mich dazu zu Wort gemeldet habe, aber das muß klargestellt sein. Mir liegt an einer raschen Entscheidung. Wenn Ihnen das als Geschenk nicht recht ist, soll es mir auch recht sein. Tanken Sie eben eine Woche vor Ostern nicht mehr, Herr Bundesrat; soll mir recht sein.

Zu anderen Dingen möchte ich am Schluß noch etwas sagen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Vor einem Jahr hätten Sie das schon machen können!)  – Ich hätte es nicht machen können, Herr Bundesrat. Sie sind erst später gekommen, ich will mich nicht wiederholen. Ich hatte keine preisrechtliche Möglichkeit. Sie wurde mir mangels Antragstellung nicht in die Hand gegeben. (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie können ja selbst einen Antrag stellen!)  – Stimmt ja nicht. (Bundesrat Mag. Gudenus: Über Ihre Partei! – Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Mag. Gudenus: Wollen Sie sich vollkommen nackt darstellen?) Wenn ich mit diesem Hintergrundwissen, Herr Bundesrat, Bundesminister sein müßte, würde ich auch der Heiterkeit erliegen, aber keine Erfolge haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wir werden von den Höchstgerichten kontrolliert, Herr Bundesrat Gudenus, und wir werden vom Rechnungshof geprüft. Gegenüber beiden muß sicher sein, daß unsere Begründungen stichhaltig sind, auch wenn wir jetzt ein Gesetz – das war kein Antrag des Ministers, bitte – von beiden Regierungsparteien bekommen, das einfach einmal einen politischen Warnschuß in eine bestimmte Richtung loslassen soll.

Ich sage noch einmal in Richtung derer, die Erwartungen betreffend niedrigerer Preise haben: Es steht in einer Aussendung der Bundesarbeitskammer, daß sie nach ihren Unterlagen eine Preissenkung in der Höhe von etwa 20 bis 25 Groschen erwartet. – Soviel nur zu den Dingen, die hier gesagt wurden. Der ORF war so "freundlich", das mir zu unterstellen. Ich bitte, das auch richtigstellen zu dürfen.

12.24

Präsident Gottfried Jaud: Des weiteren zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing. Ich erteile ihm dieses.

12.24

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Hohes Plenum des Bundesrate! Eines – das möchte ich hier einleitend feststellen – hat sich Gott sei Dank für uns in den letzten 100 Jahren wirklich zum Besseren gewendet: Vor 100 Jahren – hätte es ein Parlament in dieser Form gegeben – wäre Landwirtschaftsminister Molterer hier gesessen. Denn zu jener Zeit hatten die Brotpreise jene Bedeutung, die wir heute anscheinend den Spritpreisen zuordnen, weil Brotpreise damals zu Revolutionen geführt haben. Heute sind es Spritpreise, die zu Sondersitzungen im Bundesrat führen. Das, würde ich meinen, ist zumindest schon eine Besserstellung.

Ich habe mich heute zu Wort gemeldet, weil ich als Weinviertler die Gelegenheit nützen möchte – ich bitte, von vornherein gleich klar differenzieren zu dürfen –, der ÖMV ein Dankeschön dafür zu sagen, was sie unserer Region in den vergangenen fünf Jahrzehnten gebracht hat. Das Weinviertel ist heute nicht nur durch sein Landschaftsbild und durch die Weingärten zu einer derart schönen Landschaft geworden und hat derart vielen Menschen eine Lebensgrundlage geboten, sondern das Zweitbestimmende für uns sind sicher die Erdöltürme und war über viele Jahrzehnte hinweg die ÖMV, die Tausenden Arbeitnehmern und damit ihren Familien Arbeit, Heimat und Zukunft gegeben hat.

Aber – das meine ich mit "differenzieren" – am Ende des zweiten Jahrtausends hat man sich die Frage gestellt, ob man weiterhin "ÖMV", also "Österreicher mit Verantwortung", oder lieber "OMV", also "Oder mehr Verdienst" heißen will. Man hat sich dann für "Oder mehr Verdienst", "OMV", entschieden. Ich verstehe schon, wenn Bundesrat Meier meint, daß er niemanden ausschließt und damit das Thema sofort wieder unter den Teppich kehren möchte. Faktum ist aber, daß zu dem Zeitpunkt, als man sich für "Oder mehr Verdienst" entschieden hat, ein Viktor Klima Personalvorstandsmitglied und ein Wolfgang Ruttenstorfer Finanzvorstand dieser OMV waren.

Faktum ist, daß, wenn man sich das heute ansieht, gerade jetzt immer noch mit Viktor Klima, mit "Einem", der Caspar heißt, mit Wolfgang Ruttenstorfer, mit Peter Marizzi, mit Kurt Eder, mit Werner Kummerer und sehr bald mit Leopold Abraham mehr als ein Zehntel der SPÖ-Mandatare und Regierungsmitglieder aus dieser OMV kommt und es daher logisch erscheint, daß da noch immer ein großer Einfluß gegeben ist.

Wenn Sie mir mit dem Aktienrecht kommen und sagen, Sie könnten darauf keinen Einfluß nehmen, weil das privatwirtschaftlich geführte Unternehmen sind, dann sage ich Ihnen folgendes: Als es darum ging, für den Sekretär des Bundeskanzlers, Marc Hall, einen Vorstandsposten zu schaffen, weil man nicht mehr wußte, wohin mit ihm, da ist es gegangen. Da hat die OMV sofort von vier auf sechs Vorstandsmitglieder ausgebaut, um einem ehemaligen Sekretär des Bundeskanzlers einen Vorstandsjob verschaffen zu können. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Warum spreche ich das hier an? – Weil das gerade meine Heimatregion auf das härteste trifft. Es war nämlich Personalvorstand Viktor Klima, der heute zwar immer von Beschäftigung und mehr Arbeitsplätzen spricht, der aber damals mit dem Mitarbeiterabbau von 50jährigen in der OMV begonnen hat. 1990 gab es in der OMV 2 306 Mitarbeiter, heute, 1999, neun Jahre später, gibt es um die Hälfte weniger, nämlich 1 170. Und das mit all dem sozialpolitischen Sprengstoff, auch auf Kosten des Staates: Diese Mitarbeiter gehen für ein Jahr in die Arbeitslose, und wir haben derzeit in den Bezirken Mistelbach und Gänserndorf die höchste Arbeitslosenrate in Niederösterreich, und zwar nur aus dem Grund, weil diese OMV-Mitarbeiter mit 50 ins Ausgedinge geschickt werden, obwohl sie das gar nicht wollen.

Es ist eben nicht so, daß Menschen mehr zählen als Gewinne, wie es die SPÖ 1998 im Landtagswahlkampf plakatiert und zu Recht diese Wahlen mit Bomben und Granaten verloren hat, weil es niemand glaubte, weil natürlich der Shareholder Value, der Gewinn, mehr zählt als die Menschen in diesem Betrieb. All das ist von den jetzigen Regierungsmitgliedern Viktor Klima und Wolfgang Ruttenstorfer ausgegangen. Das muß man klar sagen und auch hier ansprechen.


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(Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Meier: Sie halten da eine Wahlrede, die nichts mit Benzinpreisen zu tun hat!)

Das schlägt zu Recht dem Faß den Boden aus. Es stellt sich nämlich – polemisch – die Frage, ob nicht die notwendigen Pensionsrückstellungen für einen Viktor Klima, einen Caspar Einem, einen Wolfgang Ruttenstorfer (Bundesrat Prähauser: Machen Sie sich nicht lächerlich!) , die Dienstwägen und Sondergehälter für einen Peter Marizzi, die Sonderregelungen für Werner Kummerer und Kurt Eder dazu führen, daß heute dieser hohe Benzinpreis gegeben ist – und aus! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Meier: Unter jeder Sachlichkeit!)

Das schlägt dann dem Faß den Boden aus, wenn diese OMV, die im Jahre 1998 – ich hätte an sich kein Problem damit, wenn es einen gerechten Benzinpreis gäbe – 2,33 Milliarden Schilling Gewinn nach Steuer gemacht hat, auf die Forderung von uns, daß sie Lehrlinge ausbilden soll, zum Staat läuft – Dipl.-Ing. Werner Kummerer, Abgeordneter zum Nationalrat, an der Spitze – und eine staatliche Förderung dafür erwartet, daß sie zehn Lehrlinge ausbildet. Ein Betrieb, der 2,33 Milliarden Schilling Gewinn macht, fordert dann, wenn er Lehrlinge ausbilden soll, vom Staat eine Förderung!

Ich möchte hier aber auch sehr klar und deutlich sagen, daß ich all denjenigen danken möchte, die sich in den letzten Jahren bemüht haben, einen gerechteren Benzin- und Dieselpreis zu erreichen. Da beziehe ich die Arbeiterkammern Oberösterreich und Niederösterreich bewußt mit ein.

Ich hatte während der letzten drei Jahre selbst insgesamt vier Termine beim Vorstand der OMV (Bundesrat Prähauser: Aber im Geheimen, Herr Kollege! Gehört hat man davon nichts!) , um wegen der Ungerechtigkeit des Unterschiedes zwischen dem Benzinpreis hier in Österreich und jenem in der Tschechischen Republik vorzusprechen. Denn das ruft für uns große Probleme hervor.

Es gab jedesmal vier Antworten, und diese möchte ich jetzt kurz aufbereiten. Die erste Auskunft der OMV war: Das geht nicht, weil die Rohölpreise zu einem derart hohen Benzinpreis in Österreich führen. – Zum Teil ist es heute schon angesprochen worden: Im Jahr 1997 kostete ein Barrel Rohöl der Sorte Brent 23,50 Dollar, im Jänner 1998 15,20 Dollar und im Jänner 1999 11 Dollar. Als wir das dem OMV-Vorstand sagten, lautete die Antwort: Nein, der Rohölpreis ist nicht entscheidend. – Damit war das Argument weg.

Das zweite, was uns gesagt wurde, bezog sich auf die Steuern. Auf diesen Schmäh sind heute übrigens die Freiheitlichen hineingefallen; sie haben das wiederholt. Um die Steuern geht es nämlich nicht. Wenn man sich die Nettopreise ansieht, dann zeigt sich, daß sie nach Abzug aller Steuern in Österreich trotzdem am höchsten in der gesamten Europäischen Union sind. Der Preis für Eurosuper stand Ende Dezember – ich greife darauf zurück, weil mir der aktuellste Preis nicht vorliegt – bei 3,25, der Dieselpreis bei 2,94. Wenn man sich ansieht, welche Mineralölsteuern in der EU eingehoben werden – ich habe hier eine entsprechende Tabelle –, dann merkt man, daß Österreich mit der eingehobenen Mineralölsteuer bei bleifreiem Benzin nur an elfter Stelle liegt und bei Diesel an neunter Stelle. Auch dieses Argument ist also nicht stichhaltig.

Drittens sagte man uns, daß die Shops schuld seien und daß mehr Liberalismus nötig wäre. Das stimmt aber überhaupt nicht. Dort, wo die größten Shops sind – an den Autobahnen –, gibt es interessanterweise den höchsten Benzinpreis! Langsam versteht man die Welt nicht mehr. – Das heißt, auch dieses Argument geht ins Leere.

Dann hieß es, es gäbe zu viele Tankstellen. – Wir haben im Nationalrat und dann auch im Bundesrat die Umweltauflagen für Gaspendelanlagen abgesegnet. Allein im Bezirk Mistelbach, hart an der Grenze, sind ein Drittel der Tankstellen gesperrt worden. Wozu hat das geführt? – Der Benzinpreis ist wieder höher geworden. Daher kann auch dieses Argument nicht gelten. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)


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Aus all diesen Gründen – wieder stoppt mich das rote Licht! – muß ich hier folgendes klar sagen und bin darin mit Jürgen Weiss einer Meinung: Wir haben überhaupt keine Freude damit, in dieser Hinsicht Dirigismus einführen und eine amtliche Preisregelung festlegen zu müssen. Auch wir wollen die freie Marktwirtschaft, wir wollen, daß sie selbst reguliert. Wenn das aber nicht mehr funktioniert, sondern sechs Firmen den Markt beherrschen und damit den Preis unter sich ausmachen, dann kann es nur dieses Gesetz als Maßnahme geben. Daher werden wir zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Prähauser. – Bitte.

12.33

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Bundesminister! Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Kollege Weilharter hat den Durchschnittspreis für Benzin mit 10,50 S zitiert. Herr Kollege! Wenn Sie die Tageszeitungen lesen und nicht nur das, was die Partei Ihnen vorschreibt, werden Sie feststellen, daß der Durchschnittspreis momentan mit 11,10 S zu Buche steht. Das hat nichts mit Salzburg und dem Westen Österreichs zu tun, sondern ich möchte Ihnen das in der Hinsicht sagen, daß wir uns den Blick über die Parteigrenzen hinweg erhalten mögen.

Zu Kollegen Wilfing: Wenn es stimmt, was Sie gesagt haben, Herr Kollege – daß Sie mehrmals bei der OMV vorgesprochen haben und den Benzinpreis ändern wollten –, dann dürften Sie dort sehr zahnlos verhandelt oder vielleicht die Vorstandsetage nicht gefunden haben. (Bundesrat Mag. Himmer: Der Wilfing ist schuld! Jetzt wissen wir’s, der Wilfing ist schuld!) Wenn man, wie Herr Kollege Wilfing, die hohen Benzinkosten mit Abfertigungsrücklagen oder Zahlungen an andere begründet, dann ist das als parteipolitisches Hickhack zu werten, das aber auf dem Rücken der Bevölkerung keinen Platz hat, Herr Kollege Wilfing! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Himmer: Wir geben es zu, der Wilfing war’s!)

Wenn Herr Kollege Wilfing hervorhebt, daß die Landschaftsgestaltung und die vielen Arbeitsplätze für Niederösterreich – die nicht bestritten werden – das wirklich Wahre und Schöne der OMV gewesen sind, dann möchte ich dazu sagen: auf Kosten Rest-Österreichs, Herr Kollege Wilfing! Da sollte man auch gerechter mit der Gemeinsamkeit umgehen. (Bundesrat Schaufler: Jetzt sagen Sie wieder, was wir schon gestern gehört haben: Die Konsumenten sind schuld!)

Jetzt zurück zur eigenen Sichtweise: "Mehr privat, weniger Staat", diese Schlagworte, die wir immer wieder hören, meine Damen und Herren – manchmal auch von den Sozialdemokraten, aber sehr stark von ÖVP und FPÖ –, haben dazu geführt, daß Ende 1979 der Dieselpreis freigegeben und Anfang der achtziger Jahre das Benzin der freien Marktregelung anvertraut wurde. Man meinte damals, Konkurrenz belebt den Markt.

Eine Harmonisierung wurde erreicht, meine Damen und Herren, wir wissen das, aber nur unter sechs Unternehmen der mineralölverarbeitenden Industrie hat es zur Harmonisierung gereicht. Eigentlich einheitliche Preise auf einem ordentlichen Niveau, nämlich daß sich der Gewinn auf der einen Seite deutlich vom Nutzen auf der anderen Seite unterscheidet, sind herausgekommen.

Zu Beginn der neunziger Jahre hat man – auch durch politischen Druck – Transparenz in der Preisgestaltung erreicht. Wir können uns noch daran erinnern: Kurze Zeit ging es mit dem Benzinpreis bergab. Irgendwann haben sich die Kolleginnen und Kollegen von der mineralölverarbeitenden Wirtschaft wieder getroffen und gemeint: Gemeinsam könnte man doch noch ein paar Schilling herausschlagen!

Das ist ihnen auch gelungen. 1996 – das weiß jeder hier in diesem Saal – begann der "Freistil" in der Preisgestaltung, der sich so dargestellt hat: Für den Fall, daß der Rohölpreis – sei es auch nur gerüchteweise – gestiegen sein sollte, haben die mineralölverarbeitenden Firmen den Preis von sich aus rein präventiv angehoben. Hingegen hat es bei Rohölpreissenkungen – das haben wir gehört – niemals zu Benzinkostensenkungen gereicht.


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652. Sitzung / Seite 27

Dies wissend, darf ich sagen: Der Kampf gegen den überhöhten Benzinpreis hat einen Namen, nämlich "Gerhard Buchleitner". Er hat vor einem Jahr begonnen, die Mineralölfirmen mit Briefen zu bombardieren, er hat dem Minister geschrieben, und er hat auch damit begonnen, in die Öffentlichkeit zu gehen. Wir haben in Aktionen Unterschriften gesammelt. In die Vorstandsetage der OMV sind wir nicht gegangen, weil das der falsche Platz ist, Herr Kollege Wilfing! Denn jedem Unternehmen ist es gestattet, so zu arbeiten, daß es den besten Gewinn macht. Daran gibt es nichts zu deuteln. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, daß der Konsument nicht auf der Strecke bleibt!

Ich darf Ihnen auch sagen, Herr Kollege – das wird Sie in Niederösterreich nicht sehr gestört haben, aber uns in Salzburg hat es beträchtlich gestört –, daß wir bis zu 70 oder 80 Groschen mehr für denselben Benzin bezahlen mußten, das auch Sie bezahlen mußten, wenn Sie getankt hatten. Wir sehen darin eine krasse Benachteiligung der Bevölkerung im westlichen Teil dieses Landes, und diese Benachteiligung ist nicht damit zu erklären, daß die Anfahrtswege für die Tanker weiter und länger sind. Ich denke, da sollte Solidarität so weit gehen, daß wir in einem Land, dessen Länge höchstens 900 Kilometer beträgt, unter den gleichen Voraussetzungen zu versorgen sind. Das ist es, was uns dazu aufgemuntert hat, gegen diesen Preis Sturm zu laufen.

Wie wir heute sehen, sind wir erfolgreich gewesen. 11,10 S betrug damals der Preis in Wien, 11,75 S in Salzburg. Seit gestern abend, meine Damen und Herren, kann man in Salzburg Benzin um 11,16 S kaufen. Das ist ein Preis, den es dort jahrelang nicht gegeben hat. Die Grundlage dafür finden wir in der Arbeit von Gerhard Buchleitner und denjenigen, die wissen, wohin sie sich zu wenden haben, wenn es darum geht, Druck des Staates auf Unternehmen auszuüben, die auf dem Rücken der Konsumenten einseitige Gewinne erzielen. (Bundesrat Mag. Himmer: Hat sich der Buchleitner gegen ...?) Ich denke, dieser Weg ist richtig. Wir sehen ja, woran wir jetzt sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ich Kollegen Buchleitner besonders hoch anrechne, ist, daß er sich an der Weiterarbeit nicht hat hindern lassen, als Manager der OMV ihm zum Beispiel ausrichten ließen: Immer, wenn es auf Wahlen zugeht, melden sich drittrangige Politiker zu Wort, um dann irgendwie an den Benzinpreisen zu kratzen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Der Minister ist drittrangig?)

Meine Damen und Herren! Dieser – unter Apostroph – "drittrangige" Politiker, wie er tituliert wurde, hat ordentlich Dampf gemacht. Wir sehen, woran wir heute sind. Der Staat hat es in der Hand, der Bevölkerung einen niedrigeren Benzinpreis zu verschaffen.

Ich begrüße die Gesetzesvorlage in zweierlei Hinsicht. Sie stärkt den Herrn Bundesminister in seinen Bemühungen, für gerechte Preispolitik zu sorgen, aber sie verpflichtet ihn auch, auf Notwendigkeiten in der Politik zu reagieren. Ich denke, daß dieses Gesetz zur letztmöglichen Zeit gekommen ist, um diese Ungerechtigkeit zu beenden. Die zögerliche Handlungsweise des Herrn Ministers ist auch verständlich, weil ich ihm unterstelle, daß er im Interesse der Wirtschaft auf das Gute gehofft hat, nämlich darauf, daß es im beiderseitigen Interesse zu einer einvernehmlichen Lösung kommt.

Damit allerdings hat er sich, wie heute festgestellt werden darf, zuviel des Guten von der OMV und den anderen mineralölverarbeitenden Unternehmungen erhofft. Die Politik hat sich zur Wehr setzen müssen. Sie hat es im Interesse der Betroffenen – von der Wirtschaft in anderen Bereichen über die Konsumenten und bis hin zu den kleinen Pendlern – in der Hand, eine Korrektur vorzunehmen.

Ich denke, daß eine ungerechtfertigte Preispolitik ein guter Anlaß dafür ist, darüber nachzudenken und die Gesetze entsprechend zu durchforsten, welche Instrumente dem Staat und seinen Verantwortlichen, auch den Ministern, letztlich in die Hand gegeben sind, um Ungerechtfertigtes hintanzustellen, sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite.

Ich denke, eine Verhöhnung der Konsumenten, wie dies von seiten der Mineralölwirtschaft in der letzten Zeit geschehen ist, gehört sofort bekämpft, so, wie es der Nationalrat vorgeben hat und wie wir es heute im Bundesrat beenden können.


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652. Sitzung / Seite 28

Meine Damen und Herren! Ich darf dazu abschließend in Richtung meines Parteichefs in Salzburg, des Landeshauptmann-Stellvertreters Gerhard Buchleitner, sagen: Gut gebrüllt, Löwe! Hochachtung dafür! Diese Geste soll Warnung und Vorbild für andere oder ähnliche sein, die glauben, auf dem Rücken der Bevölkerung eine Preisgestaltung betreiben zu können, die nur eine Seite begünstigt, nämlich jene, die das Sagen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

12.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

12.41

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Geschätzter Vorredner, lieber Stefan Prähauser! Der Sturmlauf des Landeshauptmann-Stellvertreters Buchleitner – er wird erst gewählt werden; aber jetzt ist er es noch von früher her – war weniger ein Sturmlauf, sondern eher ein bißchen ein "Hatscher"! Denn wenn er gestürmt wäre, dann hätte er dieses Ziel schon lange vorher erreicht. (Bundesrat Prähauser  – in Richtung Bundesminister Dr. Farnleitner deutend –: Das ist ein Zeuge dafür, wie lange er gekämpft hat!) Es war kein Sturmlauf, es war ein matter "Hatscher"! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Weilharter: Ein Sturmlauf in die verkehrte Richtung vielleicht!) Möglich, ja!

Meine Damen und Herren! Betrachten Sie die mögliche Zustimmung meiner Fraktion als Nothilfe. (Bundesrat Payer: Hat euch jemand eingebremst?) Nicht für die Koalition, aber für den Bürger! (Bundesrat Payer: Hat Sie jemand eingebremst?)  – Mich kann niemand einbremsen, nicht einmal Sie. (Heiterkeit des Bundesrates Konecny. )

Es wäre eigentlich recht lustig, hier den Argumenten pro und contra zuzuhören: Da ist der böse Herr Minister, der eine Änderung mit dem vorhandenen Instrumentarium, das zugegebenermaßen bis jetzt nicht entsprechend war, nicht zuwege gebracht hat – dort steht der drängende Koalitionspartner, die Sozialisten, die den Preis schon immer unten haben wollten! Es wäre lustig, zuzuhören, wie jeder von beiden den anderen beschuldigt – wenn es den betroffenen Bürger nicht gäbe.

Meine Damen und Herren! Ich darf zu einem Kernpunkt kommen. (Bundesrat Rauchenberger: Wieso? Haben Sie keinen Schuldigen?) Wer räumt beim Sprit, beim Benzin, beim Diesel den Löwenanteil ab? – Die Finanz der Republik Österreich! Kollege Weilharter hat schon darauf hingewiesen. Beim Diesel sind es 61,74 Prozent, beim Super 67,53 Prozent und beim Normalbenzin an die 70 Prozent.

Jetzt verstehe ich auch das Zögern. Denn es könnte jemand auf die Idee kommen, zu sagen: Vergleichen wir doch einmal genauer! Die Vergleiche, die Kollegin Kainz hier vorgenommen hat, waren ein bißchen "schwimmend". Denn man muß die Prozentzahlen beachten, wie sie etwa für Deutschland gelten. Dann käme man darauf, daß wir beträchtlich weit oben liegen! – Das zum einen, meine Damen und Herren!

Zum anderen: Die OMV ist heute schon ins Gespräch gebracht worden. Kollege Wilfing! Haben Sie bitte Verständnis dafür, daß Marc Hall in der OMV untergebracht worden ist. Den "Konsum" gibt es leider nicht mehr, und irgendwo muß man die Leute unterbringen! (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Allerdings ist eines bedauerlich, meine Damen und Herren! In den Gründungsbestimmungen der OMV heißt es: Sie sollte als Regulativ auf dem österreichischen Sprit- und Benzinmarkt dienen. Hat sie diese Regulativaufgabe wahrgenommen? – Dazu brauche ich nicht in die Vorstandsetage zu gehen, lieber Stefan! (Bundesrat Prähauser: Das meine ich auch!) Ich müßte mich dazu an die Vorgaben der Gesellschaft halten und fragen: Haben die Finanzverantwortlichen – dort gab es einmal einen Finanzminister, wie wir schon gehört haben, und jetzt ist er gar Bundeskanzler, der Mag. Klima, und es gab viele andere (Bundesrat Prähauser: Sehr zum Vorteil des Staates Österreich, Herr Kollege!)  – ihre Regulativaufgabe wahrgenommen? – Nein, sie haben sie nicht wahrgenommen! Sie sind mit den anderen Benzinfirmen mitmarschiert


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652. Sitzung / Seite 29

und haben den Löwenanteil abkassiert, um daraus Dividenden zu erzielen. Wir haben es gehört: 2,3 Milliarden Schilling!

Sie haben auch mit dazu beigetragen – das muß ich Ihnen als Steirer ebenfalls sagen, meine Damen und Herren –, daß die Tankstellen im Grenzgebiet in Richtung Slowenien immer wieder reduziert werden sollten. Diese Tankstellen können den Sprit selbstverständlich nur zu dem Preis anbieten, der ihnen vorgegeben wird. Wer aber hat den Sprit sehr devisenträchtig nach Slowenien verkauft? – Das war die OMV. Sie hat nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien gehandelt – und nicht einmal das! Sie hat ihre Regulativaufgabe in keiner Weise wahrgenommen, und das sind die Hauptgründe, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Deshalb ist es zu diesem Fiasko gekommen, zu diesem Rückfall in eine Zeit, die wir alle nicht mehr haben wollen, in eine Zeit, in der alles reguliert wurde. Ich habe schon gesagt, wir werden als Nothilfeaktion für den Bürger dem zustimmen, daß der Benzinpreis vorgegeben wird. Die entsprechende Bestimmung des § 5a des Preisregelungsgesetzes ist vorgelesen worden. Kern dieser Initiative ist, daß der Wirtschaftsminister ohne langwierige Verfahren in einer Sozialpartnerkommission die Spritpreise bestimmen kann. – Gut und recht, aber all das hätte man schon früher machen können.

Jetzt muß ich hier noch einmal an die linke Reichshälfte denken. Es heißt immer, der Minister steht allein da. Ich muß Ihnen allerdings sagen, Herr Minister, daß Sie durchaus die Möglichkeit gehabt hätten, mit anderen Ministerkollegen zu reden. Üblicherweise wird in einer Regierung gesprochen, und es hätte hier nicht eines Initiativantrages von Abgeordneten bedurft. Sie hätten das selbst vorlegen können, wie Bertl Weilharter vorhin richtig gesagt hat. Man hätte sich etwa mit der großen Konsumentenschützerin, Frau Ministerin Prammer, darüber unterhalten können, um entsprechende Mittel und Wege zu finden.

Herausgekommen ist letztlich die Einigung auf den Anlaßfall. Das abgekürzte Preisregelungsverfahren soll nur für Erdöl und seine Derivate für sechs Monate gelten. All das kennen Sie schon, Sie haben es hier in guten und langen, aber auch in weniger guten Ausführungen gehört.

Kollegin Kainz hat gesagt, daß hier ein Sittenbild gezeichnet wird. Das ist richtig. Aber es handelt sich um keine aktuelle Aufnahme dieses Sittenbildes, sondern es geht schon zehn Jahre lang so, daß man sich unter der Hand irgend etwas zuschiebt. Ich habe das mit der OMV gesagt, und andererseits habe ich das mit den heutigen Regierungsmitgliedern gesagt. Kollege Wilfing hat das ausgeführt.

Meine Damen und Herren! Möglichkeiten hätte es genug gegeben. Ich hoffe sehr – diesmal nicht nur in Ihrem Interesse, sondern im Interesse des Bürgers –, daß Sie unseren Entschließungsanträgen zustimmen werden. Denn diese "Hoppauf"-Aktion ist nicht gerade das Größte, was Sie erfunden haben. Sie zeigt von Ihrer Hilflosigkeit, aber auch von Ihrer Unwilligkeit, etwa durch Steuersenkungen einen Anreiz zu erzielen, wie das heute ein wirtschaftliches Grundgebot in den entsprechenden Vorlesungen ist.

Eine Senkung der Mineralölsteuer um 30 Prozent würde eine Senkung des Benzinpreises – das hat Kollegin Kainz herauszuarbeiten versucht – um 2 S bedeuten. Dies wäre eine echte Entlastung für die Autofahrer, meine Damen und Herren! Dies wäre auch ein Zwang seitens der Mineralölfirmen, sodaß man sie nicht nur über Verhandlungen und in Form von Regulativen zum Nachdenken zwingt. In anderen Ländern tun sie das auch!

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, unseren Entschließungsanträgen beizutreten. Denn wir könnten damit, auch als Bundesrat, erstmals zeigen, daß wir ein bißchen tiefer nachdenken und nicht nur über das Gestern und Heute zu befinden haben. Denn so, wie wir für heute einberufen worden sind – und wie wir alle zugestimmt haben, hier tätig zu werden –, könnte der Eindruck entstehen, daß wir wirklich nur noch eine Apportiermaschine für mehr oder minder gute Entwürfe sind.


Bundesrat
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Bitte überlegen Sie es sich genau! Ich bitte Sie: Stimmen Sie unseren Entschließungsanträgen zu. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.50

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ledolter. – Bitte.

12.50

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP, Niederösterreich): Verehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist zur vorliegenden Gesetzesmaterie heute schon sehr viel Richtiges und Treffliches, aber auch weniger Passendes gesagt worden. Es sei mir gestattet, meine Damen und Herren, das Ganze an zwei wesentlichen Bereichen festzumachen.

Zuvor aber eine grundsätzliche Feststellung: Ich halte es durchaus mit dem Wirtschaftsminister in der Beurteilung, daß das beste Instrumentarium jenes ist, das man nicht unmittelbar zur Anwendung bringen muß.

Meine Damen und Herren! Es war hier die Rede von Unbeholfenheit oder ähnlichem. Das ist aber, bei Gott, nicht der Fall gewesen, sondern es zeigt sich sehr viel Augenmaß und vorausschauende Feinfühligkeit des Wirtschaftsministers in Fragen der Preisregelung. Aber es ist hier auch ein Sittenbild von der Marktsituation und insbesondere von der OMV gezeichnet worden. Ich rekapituliere – wie hier schon ausgeführt worden ist –, daß in dieser Kaderschmiede der Sozialdemokratie in den letzten Jahren nach Grundsätzen gewirtschaftet worden ist, die weit weg von jenem Ethos sind, das die Sozialdemokraten an führender Stelle immer wieder für sich reklamieren. Vielmehr haben sich die Vertreter der OMV als die zwar nicht besseren, aber wohl konsequenteren und radikaleren Kapitalisten geriert. Meine Damen und Herren! Dies festzustellen, knüpft nahtlos an jene Aussagen an, in denen sich Zentralsekretär Rudas am Wirtschaftsminister gerieben hat und in denen er gemeint hat, dem Wirtschaftsminister Untätigkeit vorwerfen zu müssen.

Meine Damen und Herren! Auch die Mittelverwendung, die Sorglosigkeit, mit der in der OMV nachvollziehbar zu Werke gegangen wird, läßt tief blicken. Ich erinnere nur an Maßnahmen wie das Zurverfügungstellen von Dienstautos, das Schaffen von Planposten, das Zahlen großartiger Konsulentenverträge und viele andere Maßnahmen, die letztlich wir – die Bürger und Steuerzahler – über den erhöhten Benzinpreis zu berappen haben. Das geschieht unter dem schützenden Schild, unter der Oberaufsicht der höchsten Verantwortungsträger in dieser Republik, im Bereich der Regierung und auch der Kammern. (Bundesrat Meier: Kammern? Der ÖVP nahestehende waren wohl nicht davon betroffen, wenn Sie schon so einseitig sind!) Ich meine auch die Verantwortlichkeit eines Teils der Sozialpartner, Herr Kollege! Damit stimme ich durchaus überein.

Meine Damen und Herren! Wenn ich mich nun dem Wirtschaftsminister zuwende, dann möchte ich folgendes feststellen: Ich kenne ihn als einen, dem der Markt in der Wertehierarchie sehr hoch angesiedelt ist, einen, der immer wieder auf dieses Instrument vertraut und dem der Wirtschaftsliberalismus ein wirkliches Anliegen, ein Credo ist. Ich verstehe aber auch, daß er auf der anderen Seite vom Mitgefühl mit den Autofahrern getragen wird, die diese exorbitant hohen Benzinpreise zu berappen haben, und letztlich von Empörung über die Präpotenz und das ungezügelte Vorgehen der Ölmultis unter Federführung der OMV.

Wir alle sind uns aber darüber einig, meine Damen und Herren, wie problematisch Wirtschaftslenkungs-Maßnahmen generell sind. Ich möchte nur an einige Beispiele erinnern, und da seien auch die Arbeiterkammern wieder angemerkt. Sie tun sich nämlich beim Antragstellen im Bereich der klein- und mittelständischen Wirtschaft wesentlich leichter, dort, wo es um die vielen arbeitsplatzsichernden kleinen Einheiten geht. Dort hinzuzielen und dort Maßnahmen zu verlangen, ist wesentlich leichter und in diesen Kreisen sehr beliebt, meine Damen und Herren!

Wenn Sie wollen, gebe ich Ihnen dafür ein paar Beispiele. Ich erinnere an das Lehrlingswesen und daran, daß ein Dachdecker-Lehrling nicht auf das Dach steigen darf. Oder ein Schlosser


Bundesrat
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lehrling ... (Bundesrat Grillenberger: So ein Blödsinn! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ja, das sind aber immer noch jene Regelungen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, die das Lehrlingswesen prägen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat
Konecny: Sie sollten Ihr Denken aktualisieren!)

Da brauchen wir Steuermittel, um gegenzusteuern, sodaß die Betriebe wieder bereit sind, Lehrlinge aufzunehmen. Das geht weiter über den Schlosser, der das Werkzeug nicht in die Hand nehmen darf, das der Vater zu Hause in der Werkstatt liegen hat. Lächerlichkeiten, meine Damen und Herren, nicht maßvolle Vorsorge und Umgang mit den Ressourcen! (Bundesrat Freiberger: So viele Dummheiten habe ich selten gehört!)

Das endet dort, wo Lehrverträge in dieser Republik de facto unkündbar sind, und das führt dazu, daß selbst verantwortungsbewußte Unternehmen keine Lehrlinge mehr aufnehmen, meine Damen und Herren! Das ist das Endergebnis von überschäumender Regulierungswut, und die gilt es hintanzuhalten.

Daher verstehe ich sehr wohl, daß der Wirtschaftsminister gewillt ist, mit diesem Instrumentarium sehr sorgfältig umzugehen.

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Beispiel ist die Bürokratie rund um die HCCP-Verordnung. Diejenigen, die in den entsprechenden Branchen tätig sind, wissen, wovon ich rede. Ich möchte nicht ausufern, aber doch darauf hinweisen, daß das ein Instrument ist, das ausschließlich der Bürokratie dient, das in die Betriebe sehr viel unbezahlte Arbeit hineinträgt und das letztlich solche kulturstiftenden Institutionen und kommunikativen Zentren wie den traditionellen Wiener Würstelstand in Frage stellt. Das sind Ergebnisse dieser Politik, gegen die sich auch Wirtschaftsminister Farnleitner wendet und zu denen er immer wieder mahnend das Wort erhebt. (Bundesrat Konecny: Davon sinkt der Benzinpreis?)

Meine Damen und Herren! Ich bin froh darüber, daß dem Wirtschaftsminister ein Instrumentarium in die Hand gegeben wird, um die Ölmultis unter Stabführung der OMV an ihre Verpflichtung zu erinnern. Denn so, wie sie sich hier gerieren, sind sie nicht verantwortungsbewußte "Global players" oder "Majors" – oder wie immer man sie bezeichnen mag –, sondern da geht es um Raubrittermethoden sondergleichen, gegen die es aufzutreten gilt.

Meine Damen und Herren! Ich denke daher, daß wir diesem Wirtschaftslenkungsgesetz – als solches möchte ich es bezeichnen, obwohl es nur ein kleines Preisregulativ ist – die Zustimmung geben können. Denn ich weiß, daß ich in Hannes Farnleitner so viel Vertrauen setzen kann, daß er mit diesem Instrument sorgsam und feinfühlig umgehen wird. Wer den Frieden liebt, der muß für den Krieg rüsten, meine Damen und Herren – und das sage ich gleich auch im Hinblick auf die folgende Debatte. (Beifall bei der ÖVP.)

12.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

12.58

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Zunächst noch einmal: Ich nehme Ihre Debatte sehr ernst. Ich erkenne aus Ihren Debattenbeiträgen, daß Sie nicht von mir erwarten, daß ich morgen eine Preisregelung einführe, sondern daß ich mit der Keule, die Sie mir als Instrumentarium zur Verfügung stellen, wirklich jene Drohszenarien herstellen kann, in denen es freiwillig wieder zu mehr Markt und vernünftigen Nettopreisen kommt.

Denn es wird bei den Benzinpreisen weiter auf und ab gehen. Das wird so sein, aber es muß nicht auf einer Ebene von 70 oder 90 Groschen über den europäischen Mittelwerten sein. Wir haben in Österreich Sondersituationen, es kann manchmal anders sein als anderswo, das werden wir gemeinsam "checken". Die Keule jedoch, die Sie mir heute in die Hand geben, soll wirken, sie muß aber nicht eingesetzt werden. Insofern stimme ich völlig zu. Das ist der eine Punkt,


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und das hat auch schon gewirkt, wie ich Ihnen sagen möchte. Denn ich werde von hier aus gleich zu einem Gespräch eilen, in dem die Keule schon wirkt.

Ich nehme auch folgendes mit: Es ist unglaublich beeindruckend in den von mir seit gestern geführten Gespräche, daß ich damit argumentieren kann, daß die drei bedeutenden Parteien dieses Landes einmal einmütig gesagt haben, daß etwas geschehen muß, egal, mit welchen Argumenten. Das ist meiner Ansicht nach etwas, was ich in der Politik insgesamt höher schätzen möchte: wenn man sich nicht darauf ausredet, wer wen angerufen hat, daß er etwas tut, sondern daß es einmal einen gemeinsamen Appell einer breiten demokratischen Basis gibt. – Das ist hiermit das Ende meiner Belangpredigt. Aber es wirkt wirklich!

Zum zweiten Punkt einige Informationen: Meine Damen und Herren! Ich hatte das Vergnügen, bei der Steuerreformkommission mitwirken zu können, und ich war einer der beiden, die die Anhebung der Energiesteuer nach deutschem Modell verhindert haben. Sie werden sich daran erinnern, was "NEWS" alles schon als Ergebnis dessen propagiert hatte.

Die Energiesteuerdiskussion in Deutschland wird dazu führen, daß dort der Energiepreis jetzt gesichert erheblich höher ist als in Österreich. Das wird dazu führen, daß wir in den westlichen Bundesländern eine starke Nachfrageverlagerung nach Österreich haben werden. Ich rechne mit Verlagerungen von 2 bis 4 Prozent der in Österreich abgesetzten Menge. Ich wiederhole: 2 bis 4 Prozent. Das hängt auch davon ab, was wir selbst an Nettopreisveränderung zum deutschen Niveau erreichen. Das heißt für Salzburg, daß die Staus in wenigen Wochen in die andere Richtung gehen werden. Die Deutschen werden in Österreich tanken, was übrigens auch dem Tourismus guttun wird.

Zu den neuen Kriterien des Gesetzes: Herr Bundesrat Weiss! Ich bin froh, daß wir keinen Hinweis auf Kosten haben. Die amtliche Preisregelung in Österreich hat über Jahrzehnte hinweg österreichische Unternehmen, die preisgeregelt waren, zum Kostenschinden veranlaßt und nicht umgekehrt. Wollen Sie Beispiele hören? – Von der E-Wirtschaft angefangen bis zur lange geregelten Mineralölwirtschaft. Dort hatten wir die höchsten Durchschnittseinkommen, und dort haben wir im Regelfall auch die nicht gerade effizientesten Strukturen. Ich rede jetzt nicht von den alten, preisgeregelten Produkten.

Jetzt ist es entscheidend, welcher Wettbewerbspreis in vergleichbaren Märkten vorliegt. Ich kündige auch an, Hoher Bundesrat, daß das, was der Gutachter in diesem Verfahren, Professor Puwein, an Wettbewerbsmaßnahmen angekündigt hat, von uns weiterverfolgt werden wird und muß.

Ein Beispiel: Warum gibt es nicht mehr Tankstellen bei großen Supermärkten? – Wenn "Spar" in Vorarlberg eine riesige Tankstelle baut – für die eigenen Leute bei einem sehr großen
Markt –, dann fragt man sich doch, warum man die Kunden nicht ebenfalls tanken läßt. – Ich war dort und habe das auch sofort angeregt. Wir haben, seit wir diese Diskussion führen, die ersten Offerte, wonach sich andere, ausländische Anbieter der Donau entlang ansiedeln könnten und ähnliche Dinge mehr. Das Signal, das wir mit diesem Gesetz senden, wird auch die Strukturen verändern.

Ein weiterer Punkt: Ich werde in den nächsten Tagen – nach Ostern – eine Verordnung zur Begutachtung ausschicken, laut der Automat-Tankstellen erlaubt werden sollen. Teil unserer Diskussion war nämlich auch, daß es nicht Sinn dieser Debatte ist, im flachen Land Tankstellen zu errichten, wo nur hin und wieder jemand tankt. Denn beim Einkaufen tankt man immer woanders, da einem nur vier Liter fehlen. So quasi: Um nach Tschechien fahren zu können, braucht er die lokale Tankstelle. – Dazu brauchen wir keinen Tankwart, dort würde es genügen, Tankautomaten hinzustellen.

Wenn wir Tankautomaten in Österreich erlauben, dann verbessern wir auch die Nahversorgungssituation, und zwar auch zu den Sperrstundenzeiten. Um es höflich zu sagen: Es kann Ihnen nicht mehr passieren, wenn Sie spät abends mit einem Flieger ankommen, daß Sie auf der Strecke von Wien nach Wiener Neustadt über die Hauptstadt fahren müssen, um irgendwo


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tanken zu können. In Amerika wäre das nie der Fall – oder meinetwegen auch nicht in Frankreich oder der Schweiz.

Bei allen Ihren Diskussion – dies ist vor allem an die Bundesräte der FPÖ gerichtet – muß ich sagen: Unser Hauptproblem ist die Stabilität. Man kann locker auch bei der Mineralölsteuer Steuersenkungen verkünden. Aber Sie werden im Budget einen Stabilitätspfad gehen müssen, denn wenn Sie diesen nicht weiterverfolgen, dann verstärken Sie die Inflation.

Ich rechne Ihnen das vor: Vor dem Euro hatten wir 3 bis 4 Prozent Inflation. Jetzt haben wir 0,3 Prozent. Die österreichischen Staatsbürger haben sich durch die Fiskaldisziplin des Bundes, auch wenn das in manchen Bereichen Besteuerung bedeutet, zig Milliarden Schilling erspart. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. )  – Ich weiß, dieses Argument hören Sie zum ersten Mal. Daher: Zuerst nachdenken und dann schimpfen! – Aber das ist der Punkt. Null Inflation heißt, daß die frühere Absahnung der Staatsbürger über leichte Inflation und das Zusteuern von Geldern ans Budget nicht mehr stattfinden kann.

Meine letzte Bemerkung, meine Damen und Herren: Ich würde mir wünschen, daß wir konsensual und in einem gemeinsamen Zusammenwirken in die Richtung gehen, daß wir sagen, wir brauchen keinen Preis zu regeln, aber man soll auch von den Kunden akzeptierte Preise setzen, und zwar nicht deswegen, weil es immer so war. Denn wenn das Ende der österreichischen Wettbewerbsgemütlichkeit angesagt ist, dann heißt es vielleicht – bei der OMV zuletzt –: Alle müssen verstehen, warum ein Preis wie zustande kommt. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.05


Bundesrat
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652. Sitzung / Seite 34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege.

13.05

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Ich habe mich jetzt in die Lage eines Nicht-Bundesrates versetzt und mir gedacht: Was wäre, wenn ich jetzt stiller Zuhörer auf der Zuhörerbank wäre und einige Plenarsitzungen des Bundesrates mitangehört hätte? – Ich muß sagen, es fällt auf, daß das Verhalten der Freiheitlichen Partei eigentlich bei jeder Plenarsitzung gleich ist. Sie versuchen immer, Schuldige zu finden! (Bundesrat Eisl: Das ist nicht schwer! Glauben Sie mir!)

Sie glauben auf der einen Seite, daß Sie der Sache dienlich sind. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Wilfing. – Sie können sich gerne nachher zu Wort melden, aber jetzt bin ich am Wort. (Bundesrat Dr. Bösch: Das war Kollege Wilfing, nicht wir! – Heiterkeit.)

Sie glauben, daß Sie der Sache dienlich sind, wenn Sie durch Ihre Debattenredner Entschließungsanträge einbringen, die teilweise der Sache dienlich wären, wenn Ihre Vorgangsweise nicht so wäre, wie sie ist.

Ich habe Ihnen bei einer der letzten Plenarsitzungen, bei einer dringlichen Anfrage beziehungsweise bei einer Unterstützungserklärung, die Sie gerne gehabt hätten, gesagt, daß schon auch die Fakten stimmen sollten. Wenn Sie in Zukunft eine Unterstützung von anderen Parteien in diesem Haus haben wollen, dann darf ich Sie bitten, die Fakten klar auf den Tisch zu legen. (Bundesrat Eisl: Das sind doch leere Kilometer!)

Ferner möchte ich Sie bitten, einen Entschließungsantrag den Mitgliedern des Bundesrates jeweils schriftlich zukommen zu lassen. Dann könnten Sie vielleicht einmal die Chance haben, daß der eine oder andere unsere Zustimmung erfährt. Ich habe Ihnen gesagt: So lange Ihre Vorgangsweise so bleibt – sicherlich nicht mit mir! Bitte keine blauen Eier, auch wenn Ostern vor der Tür steht! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.07

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Böhm. – Bitte.

13.07

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Der heute zu beschließenden Vorlage wird meine Fraktion im Interesse der vom weit überhöhten Benzinpreis betroffenen Bürger ihre Zustimmung geben. Das Gesetz selbst wirft freilich größte Bedenken auf. Und ich verhehle nicht, daß ich es für ein weiteres markantes Beispiel für einen höchst leichtfertigen und respektlosen Umgang mit unserer Bundesverfassung von seiten der Regierungsparteien und der sie im Parlament tragenden Mehrheit halte.

Weshalb bedurfte es wieder einmal einer umfassenden Verfassungsbestimmung? – Die Gründe liegen auf der Hand. Die geplante Ermächtigung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten überschreitet nicht nur dessen alleinige Kompetenz, sondern sie ist auch nicht rechtsstaatlich, denn sie entzieht den betroffenen Unternehmern jeden Rechtsschutz. Und Rechtsschutz kommt auch jemandem zugute, der nicht rechtmäßig handelt. Sie verletzt sowohl das Grundrecht der Erwerbsfreiheit als auch den Gleichheitsgrundsatz. Neuerlich wird das genannte Gesetz der nachprüfenden Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof entzogen. Darauf hat dankenswerterweise bereits Herr Präsident Weiss hingewiesen.

All das ist auch mit einem sogenannten Notrecht nicht zu begründen, von dem Herr Abgeordneter Dr. Khol gesprochen hat. Mich wundert, daß er, der Erfinder des sogenannten Verfassungsbogens, nicht überhaupt gleich den Staatsnotstand ausgerufen hat. Hier handelt es sich weit eher um einen Notstand der Regierung!

Warum wird hier eine reine Lenkungsmaßnahme getroffen, wie sie ausschließlich einer staatlichen Zwangsverwaltungswirtschaft gemäß ist, die aber nicht mit einer echten Marktwirtschaft vereinbar ist? – Auch darauf fällt die Antwort nicht schwer: Weil es diese Regierung völlig versäumt hat, für jene Rahmenbedingungen zu sorgen, unter denen ein echter Wettbewerb im Bereich der Mineralölwirtschaft stattfinden kann.

Denn es gibt ja nur zwei Alternativen, wenn es zu einer volkswirtschaftlich unbegründeten Preisbildung kommt: Entweder der Konsument und somit der Markt nehmen den Preis nicht an, oder aber es handelt sich um ein Preisdiktat, das aus einer Monopol- oder zumindest Oligopolstellung resultiert und über Kartellabsprachen der dafür verantwortlichen Unternehmen erfolgt.

Im Fall der OMV, die den Mehrwert abschöpft und lukriert, liegt unverkennbar die zweite Alternative vor. Was haben Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, kartellrechtlich dagegen unternommen? – Wenn Sie kein Vertrauen mehr in die eigene Kartellbehörde haben – Sie rufen sie nicht einmal mehr an! –, dann muß ich Sie fragen, warum Sie diese bis heute nicht endlich reformiert und zu einem effizienten Kontrollorgan umgestaltet haben? (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es sind doch die Ihnen nahestehenden Sozialpartner, die das Kartellgericht lahmlegen, die aus ihm ein Quasi-Gericht gemacht haben, das nicht einmal seinen Namen verdient!

Offenbar interessiert die parlamentarische Mehrheit auch gar nicht, daß über die verfassungsrechtlichen Bedenken hinaus zudem – auch das wurde dankenswerterweise von Kollegen Weiss bereits gesagt – ein evidenter Verstoß gegen grundlegende EU-rechtliche Bestimmungen vorliegt – in einem Bereich, in dem wir normalerweise die Vorzugsschüler in vorauseilendem Gehorsam sind.

Wir kündigen daher bereits heute an, daß es zu einer Befassung der EU-Organe, gegebenenfalls des Europäischen Gerichtshofes der Gemeinschaften, kommen wird, vor denen ein solcher Eingriff in die Marktfreiheit und das Diskriminierungsverbot durch staatliche Intervention und Regulierung keinen Bestand haben wird.


Bundesrat
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Gewiß ist die Bekämpfung von Entwicklungen in Richtung Manchester-Liberalismus ein vorrangiges gesellschaftspolitisches Anliegen, das ich vorbehaltlos und uneingeschränkt teile. Aber ebenso gewiß ist, daß sich auch ein solcher Abwehrkampf am rechtsstaatlichen Prinzip unserer Bundesverfassung orientieren muß. Für mich handelt es sich daher bei dieser Novellierung des Preisgesetzes um einen tagespolitischen Hüftschuß, dessen Zielrichtung zwar stimmig, dessen eingeschlagener Weg zum Ziel aber verfehlt ist.

Wenn daher auch meine Fraktion zum Schutz der ungerecht belasteten Bürger dieser Vorlage zustimmen wird, so fällt mir das aus den dargelegten grundsätzlichen Bedenken gegen eine reine Anlaßgesetzgebung, die sich über verfassungsrechtliche Vorgaben hinwegsetzt, persönlich schwer. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 25. März 1999 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Preisgesetz 1992 geändert wird.

Der gegenständliche Beschluß enthält in den §§ 5a und 22 Z 5 des Artikels II Verfassungsbestimmungen, die nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedürfen.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem vorliegenden Beschluß des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Dr. d'Aron und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend überhöhte Treibstoffpreise in Österreich vor.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend überhöhte Treibstoffpreise in Österreich ist daher abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Weilharter und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Maßnahmen zur Sicherstellung eines freien Wettbewerbs im Bereich der Mineralölwirtschaft vor.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
652. Sitzung / Seite 36

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung betreffend Maßnahmen zur Sicherstellung eines freien Wettbewerbs im Bereich der Mineralölwirtschaft ist daher abgelehnt.

3. Punkt

Wahl eines Ordners für den Rest des 1. Halbjahres

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung: Wahl eines Ordners für den Rest des 1. Halbjahres.

Diese Wahl ist durch Umreihung der ÖVP-Mandatare von Niederösterreich notwendig geworden.

Wird die Durchführung der Wahl mittels Stimmzettel gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall. Ich werde daher die Wahl durch Handzeichen vornehmen lassen.

Es liegt der Vorschlag vor, Herrn Bundesrat Engelbert Schaufler für den Rest des 1. Halbjahres 1999 zum Ordner zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Ich danke für das Vertrauen und nehme die Wahl an.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke vielmals für die Zustimmung. (Allgemeiner Beifall.)

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Wir haben die Behandlung der dringlichen Anfragen noch vor uns. Die Behandlung der dringlichen Anfragen wird um 14 Uhr stattfinden.

Ich gebe Ihnen noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sieben Anfragen eingebracht wurden.

Die Sitzung ist bis 14 Uhr unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 13.16 Uhr unterbrochen und um 14.04 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Gottfried Jaud: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Dr. Paul Tremmel, Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Auswirkungen serbischer Drohungen auf die Sicherheit Österreichs (1596/J-BR/99)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Dr. Paul Tremmel, Ernest Windholz und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Auswirkungen serbischer Drohungen auf die Sicherheit Österreichs (1597/J-BR/99)

Präsident Gottfried Jaud: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringlichen Anfragen der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung sowie an den Herrn Bundesminister für Inneres.


Bundesrat
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652. Sitzung / Seite 37

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Dr. Bösch als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfragen das Wort. – Bitte.

14.05

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bundesminister für Landesverteidigung! Leider ist der Herr Bundesminister für Inneres noch nicht anwesend. Meine Damen und Herren! Sie sollen heute nicht umsonst nach Wien zu dieser Bundesratsplenarsitzung gekommen sein. (Ironische Heiterkeit bei ÖVP und SPÖ.) Im Lichte der jüngsten dramatischen Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien sehen wir Freiheitlichen es als eine parlamentarische Verpflichtung an, Versäumnisse der Bundesregierung anzusprechen und aufzuzeigen, und dem sollen diese beiden dringlichen Anfragen an Sie, Herr Bundesminister für Landesverteidigung, sowie an den Herrn Innenminister heute dienen.

Wie vor kurzem in der Öffentlichkeit bekannt wurde, liegen der Staatspolizei schon seit Tagen Indizien für geplante Anschläge auf österreichische Einrichtungen durch serbische Terrororganisationen vor. Deshalb wurden diverse Einrichtungen, im speziellen Fall die Wiener Verkehrsbetriebe – und dort besonders die U-Bahnen –, vorgewarnt und vereinzelt bereits Kontrollmaßnahmen durchgeführt. Der Herr Innenminister hat diese Maßnahmen schon in der Öffentlichkeit angekündigt.

Wie bereits zu Beginn des Konfliktes im ehemaligen Jugoslawien im Jahre 1991 aufgrund der Unabhängigkeitsbewegungen in Slowenien und Kroatien besteht auch heute wieder die Gefahr, daß dieser nicht nur mittelbar, sondern auch unmittelbar Auswirkungen auf Österreich hat. Es sei vor allem an die widerrechtlichen Flüge von Maschinen der damaligen jugoslawischen Volksarmee durch österreichischen Luftraum im Jahr 1991 erinnert, denen die österreichische Landesverteidigung und die Luftabwehr im besonderen eigentlich hilflos gegenübergestanden sind. (Bundesminister Mag. Schlögl nimmt auf der Regierungsbank Platz.)

Meine Damen und Herren! Eine weitere Bedrohung stellt neben dieser militärischen auch die subversive, die subkonventionelle von bereits im Lande befindlichen Kräften und Terrorgruppen dar, die sich gegen die österreichische Zivilbevölkerung, Einrichtungen des Bundesheeres, in denen vor allem NATO-Truppen der SFOR Zwischenstation machen, und die zivile und bürgerliche Infrastruktur Österreichs richten könnte.

So ist bekannt, daß die jugoslawische Volksarmee noch zu Zeiten des kalten Krieges und auch im Zuge des Krieges ab 1991 über organisierte Kräfte verfügte, die als Angehörige der Miliz unter den in Österreich tätigen Gastarbeitern lebten und den Auftrag hatten, im Falle eines Konfliktes die Verkehrsverbindungen von Norden nach dem Süden zu unterbrechen sowie die österreichische Infrastruktur nachhaltig zu zerstören.

Meine Damen und Herren! Österreich ist ein Teil der SFOR, Österreich ist auch Teilnehmer an der "Partnerschaft für den Frieden", es wird deshalb Ihre Ausrede, daß Österreich nichts geschehen könne, weil es nicht Mitglied der NATO sei, nicht mehr länger gelten.

Meine Damen und Herren! Es kam damals zwar aus den verschiedensten Gründen nicht zum Einsatz dieser subversiven Kräfte, die ich angesprochen habe, aber es ist erwiesen, daß diese oder vergleichbare Kräfte die Zustellung von Einberufungsbefehlen für die jugoslawische Volksarmee an jugoslawische Staatsbürger in Österreich übernahmen und oftmals unter Gewaltandrohung für die Durchführung derselben sorgten. Ebenso war damit Beschaffungskriminalität in einem weiteren Rahmen, die Eintreibung sogenannter Kriegssteuern sowie Drohungen gegen kroatische und bosnische Gastarbeiter in Österreich verbunden. In Anbetracht der heutigen Kommentare von Gastarbeitern, die in Österreich sind, scheint die Austragung dieses Konfliktes auf österreichischem Boden nur mehr eine Frage der Zeit zu sein.

Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Ausländergruppen, wie wir sie aus den Konflikten zwischen Kurden und Türken – nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern europa


Bundesrat
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652. Sitzung / Seite 38

weit – kennen, sind auch jetzt wieder denkbar. Solche Konflikte könnten durch die erfolgte Ausdehnung und Intensivierung der Krise am Balkan nunmehr auch verschärft zwischen Albanern und Serben in Österreich ausgetragen werden. Wir haben erlebt, wie Kurden europaweit einen geradezu generalstabsmäßig geplanten Aufstand organisierten, der die Sicherheitskräfte aller westeuropäischen Länder im wesentlichen überfordert hat.

Meine Damen und Herren! Weiters ist zu erwähnen, daß es bundesweit mehr als 1 000 Schutzobjekte gibt, die als potentielle Ziele von Anschlägen gelten. Ebenso bekannt ist auch, daß die Kräfte des Innenministeriums zur Sicherung dieser wichtigen, für die zivile bürgerliche Gesellschaft notwendigen Einrichtungen nicht ausreichen und daher bei allen Planungen immer auch auf das Bundesheer zurückgegriffen werden mußte, weshalb in den letzten Jahren dort verstärkt sogenannte Raumschutzübungen abgehalten wurden.

Aber auch das österreichische Bundesheer ist durch die neue Gliederung und vor allem durch die verringerte Heeresstruktur nach Aussagen des Bundesministers und auch von verantwortlichen Herren des Bundesministeriums nur mehr bedingt dazu in der Lage, zusätzliche Aufgaben wahrzunehmen. So haben verschiedene Kommandanten darauf hingewiesen, daß das österreichische Bundesheer nach Umsetzung der neuen Heeresgliederung nur noch maximal 90 Kilometer der Grenze verteidigen beziehungsweise 900 Kilometer gegen eine Infiltration überwachen könne. Dem steht jedoch eine mehr als dreimal so lange Staatsgrenze, von der mindestens die Hälfte EU-Außengrenze ist, gegenüber!

Meine Damen und Herren! Diese Lücken werden umso deutlicher, wenn wir an jene Schutzobjekte denken, die ich vorhin angesprochen habe, da durch die neue Heeresgliederung nur noch neun bewegliche Jägerbataillone und 21 territorial gebundene Jägerbataillone zur Verfügung stehen. An eine Aufbietung von allfälligen Reserven, Herr Bundesminister, ist in Ihrer Heeresgliederung-Neu vorläufig nicht gedacht.

Diese Beispiele zeigen, daß eine ernstzunehmende Sicherung des österreichischen Territoriums und seiner Bürger bei erhöhten Konfliktintensitäten nur durch die Einbindung eines funktionierenden Bundesheeres – und das wiederum nur nach einer Mobilmachung – möglich ist. Daß dies nicht auszuschließen ist, zeigen sowohl die von mir schon angeführten Ereignisse der jüngsten Vergangenheit seit dem Jahre 1991 als auch die aktuellen Maßnahmen, die seit dem Ausbruch des Krieges in Jugoslawien notwendig geworden sind, zum Beispiel die Evakuierung europäischer Botschaften – darunter auch jener Österreichs – in Belgrad. Eine erhebliche Gefahr besteht unserer Ansicht nach daher sowohl in Österreich als auch für Österreicher im Ausland, unter diesen besonders für die SFOR-Soldaten in Bosnien.

Im Zusammenhang mit der Krise am Balkan ist aber auch die Rolle Österreichs und sein Verhalten innerhalb der demokratischen europäischen Staatengemeinschaft zu hinterfragen. So gibt es in der Bundesregierung und den einzelnen Ministerien nach wie vor unterschiedliche Auffassungen darüber, ob sich Österreich in diesem konkreten Falle solidarisch beteiligen soll oder unter Verweis auf ein fehlendes UNO-Mandat seine Neutralität geltend machen sollte. – Aus Sicht der Freiheitlichen ist dazu festzuhalten, daß unsere Neutralität spätestens seit dem Beitritt zur EU und deren Weiterentwicklung durch den Amsterdamer Vertrag nicht nur politisch, sondern auch materiell nicht mehr gegeben ist.

Meine Damen und Herren! Die verwirrten Stellungnahmen von Mitgliedern der österreichischen Bundesregierung in der Öffentlichkeit haben jedoch, seit wir dieses Thema debattieren, nicht aufgehört. Wir haben einen Bundeskanzler, der die Maßnahmen der NATO auf der einen Seite als richtig und notwendig bezeichnet, auf der anderen Seite aber die Angst geltend macht, daß ihn jeder einfache Bürger zur Rechenschaft ziehen könne, sollte er sich aufgrund ebendieses Schlusses gegenüber diesen richtigen und notwendigen Maßnahmen der NATO nunmehr auch solidarisch verhalten. – Dieser Widerspruch ist auf längere Sicht weder der europäischen Öffentlichkeit noch der österreichischen Bevölkerung zumutbar!


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Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Sie sollten sich endlich einmal darüber einig werden, welche sicherheitspolitische Zielrichtung unsere Republik verfolgt, und wie Sie es mit der Neutralität und der NATO hinkünftig halten werden! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir erleben derzeit einen Krieg im ehemaligen Jugoslawien, einen Angriff der NATO auf Serbien, das diesen Schlag durch eine sture und menschenverachtende Politik in der Provinz Kosovo provoziert hat. Die diplomatischen Bemühungen, an denen auch Österreich beteiligt war, hatten davor zu keinem brauchbaren Ergebnis geführt. Wir alle hoffen, daß sich dieser Konflikt wieder vom Schlachtfeld an die Verhandlungstische verlagern wird. Uns aber muß es in diesem Konflikt zuerst um die Sicherheit Österreichs und seiner Staatsbürger gehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diesbezüglich gibt es, meine Herren Minister, erhebliche Lücken! Über das Sicherheitspolizeigesetz sowie das Militärbefugnisgesetz wird endlos debattiert, eine Koordinierung der Arbeit der verschiedensten Geheimdienste in Österreich, welche Ihren Ministerien unterstehen, findet nach wie vor nicht statt. Das österreichische Bundesheer ist, wenn ich verantwortlichen Kommandanten glauben darf, nicht in der Lage, seine Aufträge zu erfüllen – weder zur Verteidigung und Sicherung unseres Staatsgebietes noch als Assistenzkraft zur Sicherung von zivilen Einrichtungen.

Meine Damen und Herren! Diese von Ihren Parteien und Ihren Ministern verschleppten Probleme veranlassen uns Freiheitliche heute, an Sie beide diese dringlichen Anfragen zu stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.17

Präsident Gottfried Jaud: Herr Dr. Bösch hat am Beginn seiner Wortmeldung die Abwesenheit des Innenministers kritisiert. Ich möchte deshalb, damit für den Leser des Protokolls kein falscher Eindruck entsteht, feststellen, daß der Innenminister unmittelbar nach Wiederaufnahme der Sitzung hier eingetroffen ist.

Zur Beantwortung hat sich zunächst der Herr Bundesminister für Landesverteidigung zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

14.17

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat Bösch hat unabhängig von seiner konkreten Fragestellung insbesondere zwei Fragenkomplexe aufgeworfen: erstens die Sicherheit der Bevölkerung angesichts der militärischen Aktion in Jugoslawien und zweitens die Fragen bezüglich einer solidarischen Beteiligung, NATO-Mitgliedschaft, Neutralität, also der gegenwärtigen und zukünftigen rechtlichen sowie politischen Bewertung des österreichischen Status.

Ich werde in meiner Beantwortung versuchen, auf beide Komplexe möglichst gesondert einzugehen. Natürlich gibt es Überschneidungen mit den einzelnen Fragen, und ich werde mir daher, wenn Sie damit einverstanden sind, erlauben, nicht jede einzelne Frage bis ins Detail zu beantworten, sondern sie im Zuge der Erörterung dieser beiden Fragenkomplexe zu beantworten.

Zweifellos hat das Vorgehen der serbischen Sicherheitsbehörden und der serbischen Armee in den letzten Monaten, in den letzten Jahren zu einer absolut atypischen Situation für Europa geführt. Jugoslawien, also das, was man üblicherweise unter Serbien versteht, kann heute als die wahrscheinlich einzig verbliebene Diktatur Europas bezeichnet werden. Das Land wird von einer Regierung geführt, die nunmehr bereits den vierten Krieg begonnen hat. Nach dem Krieg in Slowenien, nach dem Krieg in Kroatien und jenem in Bosnien gibt es jetzt auch einen Krieg in Kosovo – verbunden mit unvorstellbarem Leid, mit bisher über einer Viertelmillion Toten, Millionen Vertriebenen und zerschossenen Regionen. Es ist anzunehmen, daß es Jahrzehnte, ja Generationen dauern wird, bis die Wunden dieses Krieges wieder einigermaßen verheilt sind.

Das war die Ausgangssituation dafür, daß die Staatengemeinschaft Überlegungen angestellt hat, wie sie – knapp nach dem Ausbruch der vierten kriegerischen Handlung im Kosovo – diesem Treiben ein Ende setzen könnte. Dies hat zu der in Europa bisher noch nicht dagewese


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nen Vorgangsweise geführt, daß statt durch ein UN-Mandat abgesicherte, aus Sicherheitsgründen durchgeführte Aktivitäten eine außerhalb des normalen Regelmechanismus der Vereinten Nationen ablaufende Mission gestartet wurde.

Dies geschah deshalb, weil der Sicherheitsrat aufgrund des Vetorechtes seiner ständigen Mitglieder zu keinem Beschluß kommen konnte. – Es gibt fünf ständige Mitglieder, neben den USA, Großbritannien und Frankreich auch noch Rußland und China, und zwei dieser Mitglieder waren nicht dazu bereit, vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung des Ausbruches eines weiteren Krieges in Südosteuropa zu setzen.

Nach monate-, ja jahrelangen Verhandlungen – sie dauern nach dem Ausbruch von Gewalttaten in einem immer stärker werdenden Ausmaß im Kosovo nun schon mindestens ein Jahr – hat sich die NATO daher dazu entschlossen, einzugreifen und mit gezielten Schlägen ein Vordringen der serbischen Truppen im Kosovo und damit eine Ausweitung dieser Krise zu verhindern.

Diese finden nun statt und haben eine ganze Reihe von Rechts-, aber auch Sicherheitsfragen aufgeworfen. Ich möchte zuerst auf den Komplex der Sicherheitsfragen eingehen.

Welche Unsicherheiten beziehungsweise welche Sicherheitsprobleme ergeben sich für Österreich aufgrund der derzeitigen Situation? – Was meinen Kompetenzbereich betrifft, so kann ich nur sagen, daß man davon ausgehen muß, daß jede Einschränkung des Konfliktes in Jugoslawien selbst, das heißt im Kosovo, wahrscheinlich die wichtigste Sicherheitsmaßnahme für uns darstellt. Selbstverständlich kann im Zuge eines derartigen Ereignisses nie zur Gänze ausgeschlossen werden, daß es daneben oder in Folge dessen, begleitend oder ergänzend oder wie auch immer noch andere Sicherheitsfragen gibt, die zu bewältigen sind.

Ich möchte über die gestellten Fragen hinaus auch noch darauf eingehen, was in der österreichischen Öffentlichkeit diskutiert wird, etwa die Fragen: Gibt es eine Raketenbedrohung? Gibt es eine Bedrohung durch Flugzeuge, die in unseren Luftraum eindringen könnten? Gibt es die Gefahr, daß serbische Jagdkommandos in Österreich bestimmte Aufgabenstellungen erfüllen?

Dazu muß man grundsätzlich sagen, daß nach Ansicht aller Experten die Bedrohungsgefahr für Österreich vergleichsweise gering ist, und zwar deshalb, weil Österreich in der gegenwärtigen Konstellation aus serbischer Sicht kein Träger von gegen Serbien gerichteten – unter Anführungszeichen – "Aggressionen" ist beziehungsweise als solcher angesehen wird.

Für eine derartige Definition könnte man höchstens Rückschlüsse aus der offiziellen Politik Jugoslawiens ziehen. Diese Rückschlüsse wären in der Form zu ziehen, daß, da Jugoslawien heute die diplomatischen Kontakte zu den Vereinigten Staaten, zu Großbritannien, zu Frankreich und Deutschland abgebrochen hat, am ehesten in diesen Ländern Spannungen, aus denen sich konsequenterweise auch Sicherheitsrisiken ableiten lassen, zu erwarten sind.

Hinsichtlich ganz konkreter Fragen ist folgendes zu sagen: Eine Raketenbedrohung Österreichs gibt es mit Sicherheit nicht, weil Jugoslawien keine weiterreichenden Raketensysteme hat. Es verfügt an sich nur über Systeme mit einer Reichweite bis maximal 80 Kilometern, sodaß selbst durch Irrläufer keine Bedrohung Österreichs zu erwarten ist, ganz abgesehen davon, daß es sich, wie ich vorhin schon gesagt habe, aus der Gesamtsituation in keiner Weise ergibt. Das gesamte Potential wird sicherlich dafür genutzt, um die Kampfhandlungen, die im Moment gegen die serbische Armee gerichtet sind, abzuwehren, und nicht dafür, auf ein anderes Land auszuweichen.

Das gilt selbstverständlich auch für eine allfällige Bedrohung durch Flugzeuge, wobei zu sagen ist, daß Österreich gerade auf diesem Gebiet nicht nur über ein hervorragendes Luftraumüberwachungssystem verfügt, sondern etwa im Bereich der Radarüberwachung auch in einem technischen Zustand ist, der nicht nur keinen Vergleich zu scheuen braucht, sondern weit über jenen der meisten anderen liegt. Wir haben daher die Möglichkeit, alle Flugbewegungen aus diesem Raum, die für unser Land von Relevanz sein könnten, genau zu verfolgen und uns rechtzeitig darauf einzustellen.


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Daß wir darüber hinaus auch schon vor acht Jahren im Zuge der Slowenien-Krise mit dieser Aufgabenstellung befaßt waren und diese entgegen Ihrer Darstellung auch gemeistert haben, kann man leicht aus der rückwirkenden Betrachtung der damaligen Situation ableiten. So sind damals etwa jugoslawische Flugzeuge in Österreich gelandet, eines ist unerlaubt eingedrungen und wurde abgedrängt.

Die Beherrschung des Luftraumes war damals ungleich schwieriger, weil Jugoslawien unmittelbarer Anrainerstaat war und jedes System natürlich im Tiefflug unter bestimmten Bedingungen umgangen werden kann. Denken Sie etwa nur daran, daß noch in der Zeit des kalten Krieges ein junger deutscher Sportflieger mit einer Sportmaschine sogar am Roten Platz in Moskau landen konnte, das heißt, eine absolute Sicherheit gibt es selbstverständlich nicht, sehr wohl aber eine Situation, in der man aus menschlichem Ermessen davon ausgehen kann, daß es keine Gefahr gibt, und in einer solchen befinden wir uns.

Es hat sich aus unserer Sicht dann zusätzlich noch ergeben, daß aufgrund einer langfristigen Planung in dieser Woche eine Luftraumüberwachungsübung durchgeführt wurde, sodaß in diesem Zeitraum ein Höchstmaß an Luftraumsicherheit zu verzeichnen war, ein Umstand, der, wenn überhaupt, dann wahrscheinlich gerade in der Anfangsphase von Relevanz gewesen wäre.

Der dritte Punkt, und zwar inwieweit es sozusagen auf subkonventionellem Gebiet eine Bedrohung geben kann, ist sicherlich nicht primär von mir zu beantworten. Zu einer allfälligen militärischen Vorgangsweise dabei möchte ich jedoch feststellen, daß aus der gegenwärtigen Situation Derartiges gegen österreichische Einrichtungen nicht abzuleiten wäre, zumindest nicht in nennenswertem Umfang, da wir selbstverständlich für alle Objekte, bei denen man mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, daß sie in irgendeiner Form gefährdet sein könnten, eine entsprechende Vorbereitung getroffen haben. Ich kann Ihnen aber sagen, daß die österreichische Bevölkerung in diesem Bereich durchaus die Sicherheit haben kann, daß es keine Gefahrenquelle gibt, der man jetzt eine besondere Beachtung schenken sollte.

Selbstverständlich sind alle Überwachungsmaßnahmen und alle entsprechenden vorbeugenden Maßnahmen eine Frage der vorhandenen Kapazitäten. Daher möchte ich zunächst einmal ganz kurz das Mengengerüst der zur Verfügung stehenden Kräfte skizzieren und daraus dann auch entsprechende Vergleiche ableiten.

Wir sind aufgrund des Systems der Heeresgliederung-Neu in der im Vergleich zu früher deutlich verbesserten Situation, jederzeit 10 000 Mann in einen Präsenzeinsatz schicken zu können. Dazu sind wir selbstverständlich auch jetzt in der Lage, das heißt, wir können neben den laufenden Einsätzen wie etwa den Assistenzeinsätzen, die wir im Moment durchführen, jederzeit weitere Kräfte in einer Größenordnung von insgesamt 8 000 Mann aufbieten.

Zweitens kann bei länger anhaltenden Ereignissen, wenn eine echte Bedrohung vorhanden ist, natürlich auch mobilisiert werden, wodurch wir in einer Gesamtstärke von 100 000 Mann die Bewachung von Menschen oder Objekten durchführen können.

Sie, Herr Bundesrat, haben das so dargestellt, als wäre das eine absolut unzureichende Maßnahme. Ich möchte vielleicht nur mit ein paar Vergleichszahlen darauf hinweisen, daß das eine Fehleinschätzung ist, und zwar deshalb, weil diese Anzahl von 100 000 Mann nur durch das gegenwärtige System möglich ist, nämlich das System der allgemeinen Wehrpflicht, daß etwa Staaten, die über weit größere Flächen und auch bei der Bevölkerung über weit größere Mengenrelationen verfügen, nicht die analoge Möglichkeit haben, entsprechende Schutzhandlungen durchzuführen.

Vergleichen Sie etwa die Verhältnisse zwischen Österreich und Frankreich: Aufgrund der Umstellung der französischen Armee auf eine Berufsarmee gibt es in der französischen Armee nur mehr 420 000 Mann, was vergleichsweise, wenn ich die 100 000 österreichischen Soldaten in Relation ziehe, eine ungleich größere Schutzwirkung für die Menschen in Österreich bedeutet als umgekehrt. Das gleiche Bild zeigt sich auch bei einem Vergleich mit der Bundesrepublik Deutschland, wenn man etwa die Größenordnung der Bevölkerung vergleicht.


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Ich nehme an, auch Sie sind von dieser Überlegung ausgegangen, daß das ausreichend ist, weil Ihre Partei auch immer für das Konzept einer Berufsarmee eingetreten ist, deren Größe nach menschlichem Ermessen doch um einiges unter dieser Hunderttausendergrenze liegen müßte, was folglich bedeuten würde, daß deutlich weniger Schutzobjekte und deutlich weniger Menschen von der Armee, vom Bundesheer geschützt werden können. Ich gehe nicht davon aus, daß Sie das unüberlegt getan haben, sodaß ich aus dem Rückschluß eigentlich auch folgern kann, daß damit eine über das von Ihnen als notwendig angesehene Ausmaß hinausgehende Schutzwirkung durch das österreichische Bundesheer zu erzielen ist. Bitte das durchaus bei den ... (Bundesrat Dr. Bösch: Es geht auch um die Organisationen in Reserve!) Nein, sondern das ist die Miliz. Es gibt darüber hinaus noch eine Reserve. Ich vergleiche jetzt das, was zu vergleichen ist, nämlich einfach die Einsatzstärke einer Armee in dem einen Zustand und im anderen Zustand. Es geht nicht um die Friedensstärke, sondern es geht um die Einsatzstärke. Bei der Friedensstärke geht es lediglich um die Raschheit eines möglichen Einsatzes. Aber das sind die Vergleichsstärken.

Es gibt kein System, das nur absolute Vorteile hat, nur Vorteile und keine Nachteile. Es ist etwa einer der Vorteile, die eine Wehrpflichtigenarmee hat, daß man im Bedarfsfall eine größere Anzahl aufbringen kann.

Ich habe – ich bitte, mich diesbezüglich nicht falsch zu verstehen – auch immer meine persönliche Offenheit gegenüber unterschiedlichen Systemen aufgezeigt. Das ist keine Kritik an Ihrem Vorschlag. Man muß offen sein, man muß sich aber auch darüber im klaren sein, daß das eben unterschiedliche Auswirkungen und Konsequenzen hat. Und das ist eine davon; ich wollte es nur sagen. Das heißt, ich gehe davon aus, daß sich Ihre Experten das genau überlegt haben, daß sie zum Schluß gekommen sind, daß man auch mit einer geringeren Anzahl eine entsprechende Schutzwirkung erzielen kann und daß diese durch den gegenwärtigen Status der Wehrpflichtigenarmee eben übertroffen wird. (Bundesrat Schöls: Das ist nicht der einzige Widerspruch zu den Freiheitlichen!) Nein, ich glaube, man sollte versuchen, das einfach rational zu beurteilen und auch zu argumentieren.

Selbstverständlich haben wir unser System in den letzten Jahren eben auf mehr Präsenzkräfte eingerichtet, und ich sage noch einmal: Das, was auch als Zusatzmöglichkeit für einen raschen Einsatz noch zur Verfügung stehen würde, ist etwa die Möglichkeit des Bundesministers für Landesverteidigung, die wir vor wenigen Jahren geschaffen haben, zusätzlich – auch ohne Beschluß von Bundesregierung und Hauptausschuß – 5 000 Mann aus der Miliz einzuberufen. Das heißt, da gibt es durchaus eine Bandbreite von Möglichkeiten, die jederzeit zur Verfügung stehen.

Sie haben noch einige Fragen gestellt – ich gehe aber jetzt nicht auf die Detailfragen ein –, etwa: Wie viele Objekte kann man damit beschützen, und wie kann das geschehen? – Das hängt natürlich immer von der jeweils als wahrscheinlich oder als hochwahrscheinlich angesehenen Bedrohung ab, auch von der Art der Objekte, sodaß man eine bestimmte Anzahl pro Objekt sicherlich nicht veranschlagen könnte, sondern das je nach Einrichtung – ob es sich hier insgesamt um einen Straßenzug handelt und um die Ergänzungsmaßnahmen, die man aus der Luft dazu setzen kann – zu beurteilen ist. – Das dazu.

Ich hoffe, daß ich den ersten Fragenkomplex damit ausreichend beantwortet habe. Um noch konkret zu antworten, weil Sie ganz konkret danach gefragt haben: Wie ist etwa der Schutz aus der Luft? – Sie wissen, daß wir in den letzten Jahren moderne Systeme angeschafft haben. Wir waren bis vor einigen Jahren leider nicht in der Lage, mit Raketen auf derartige Bedrohungen zu antworten. Wir sind es jetzt, weil wir das Boden-Luft-System "Mistral" angeschafft haben und das Luft-Luft-System "Sidewinder". Diese Möglichkeit hatten wir etwa in der Slowenien-Krise noch nicht. Das heißt, unser Sicherheitsstandard hat sich im Vergleich dazu ganz wesentlich erhöht bei vergleichsweise jetzt deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit einer Bedrohung oder auch objektiver Bedrohungsfaktoren.

Diese spezifischen Abwehrmaßnahmen – ob das jetzt Lenkwaffen oder auch andere Einrichtungen sind – werden durch die Fliegerabwehrregimenter und die Panzerfallbatterien gesetzt. In


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den Jägerregimentern ist das, wie das auch international üblich ist, nicht vorgesehen – mit einer Ausnahme: Wir werden in Zukunft bei der ersten Brigade, die eine gehärtete, das heißt, eine mechanisierte Brigade sein soll, ebenfalls ein Luftabwehrelement haben, und zwar im Hinblick darauf, daß es dort Panzerfahrzeuge geben wird. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Zum zweiten Komplex, nämlich zum Gesamtkomplex der Frage der Vorgangsweise und der Neutralität beziehungsweise der NATO und der rechtlichen Beurteilung, ist vielleicht folgendes zu sagen: Man muß die Diskussion sicherlich bereits mit der Frage beginnen, um welche Art des Einsatzes es sich hiebei handelt. Wir stehen vor der Situation, daß es sich um eine militärische Aktivität handelt, die vom Sicherheitsrat nicht genehmigt oder angeordnet ist, die aber andererseits die offizielle Billigung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen hat, sodaß wir – ausgehend sozusagen von dieser Situation der Mandatserstellung bei den Vereinten Nationen – bereits vor einer absolut atypischen Situation stehen, sodaß die Qualifikation, ob es sich hiebei nach den internationalen Rechtsnormen eindeutig um Krieg handelt oder nicht, von vornherein auch unter den Rechtsgelehrten sehr umstritten ist. Sie werden eine ganze Bandbreite von Meinungen dazu vorfinden.

Zweifelsohne gibt es bestimmte Ableitungen. Ich sage Ihnen meine Qualifikation dazu: Ich gehe davon aus, daß sich die internationale Rechtsordnung nicht nur durch das jetzt bereits gesatzte Recht ergibt, sondern Sie wissen, daß es gerade im Völkerrecht auch andere Rechtsquellen gibt, wie es auch bereits in der Satzung der Vereinten Nationen zum Ausdruck kommt, in der es etwa heißt, daß gemäß Artikel 38 des Statuts des Internationalen Gerichtshofes folgende Rechtsquellen als gleichwertig gelten: a) internationale Übereinkünfte – das heißt, etwa die Satzung der Vereinten Nationen –, b) auch das internationale Gewohnheitsrecht und c) die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze. – Gerade der dritte Grundsatz ist einer, auf den sich sehr namhafte Vertreter der Staatengemeinschaft zur Begründung der Durchführung dieser Maßnahme im Rahmen der NATO stützen, da die Vereinten Nationen kein Mandat ausgestellt haben.

Tatsache ist, daß es sich hiebei natürlich um die Frage handelt: Was tut man, wenn die normalerweise dafür vorgesehene Institution – das sind die Vereinten Nationen – nicht in der Lage ist zu handeln? Muß man dann, wenn sich eines – und zwar nur eines – der Sicherheitsratsmitglieder, die vor 50 Jahren durch die damalige politische Konstitution dazu ausersehen waren, daß sie mit Vetorecht ausgestattet waren, verweigert, auf Ewigkeit davon ausgehen, daß die Staatengemeinschaft überhaupt handlungsunfähig geworden ist? – Das kann es ja nicht sein! (Beifall bei der ÖVP.)

Insofern hat sich daraus natürlich auch folgerichtig nicht nur die Legitimation, sondern auch die Notwendigkeit des Einsatzes der NATO ableiten lassen. Selbstverständlich findet dieser Einsatz unter der freiwilligen Teilnahme seiner Mitglieder statt. Ich sage das deshalb, weil in der breiten Öffentlichkeit oft auch Unverständnis und Unwissen vorherrschen. Niemand ist als NATO-Mitglied gezwungen, an einer derartigen Mission teilzunehmen. Daher sind es bis jetzt auch nur 13 der 19 NATO-Staaten, die an dieser Mission teilnehmen, und nicht alle Mitglieder, weil es in jedem einzelnen Fall das souveräne Recht jedes Staates ist, zu beschließen, ob er sich an einer derartigen Mission beteiligt oder nicht. Wenn es sich um keinen Angriff handelt, steht es überhaupt frei, dann ist es nur eine Frage der gebotenen Solidarität und nicht einer rechtlichen Verpflichtung.

Was die Ableitung sozusagen über die Art und Weise der Handlung betrifft, muß gesagt werden, daß namhafte Juristen auch bei der Spezifikation des Krieges davon ausgehen, daß bestimmte Voraussetzungen vorhanden sein müssen, daß es formale Erfordernisse und nicht formale Erfordernisse gibt. Die meisten gehen etwa davon aus, daß ein Animus belli gerendi – das heißt, ein Wille, Krieg zu führen – vorhanden ist, und üblicherweise subsumiert man darunter ein Verhalten, das darauf abstellt, ein Land oder einen Gegner in seiner Gesamtheit sozusagen zu besiegen oder zu bekriegen. Das ist diesmal sicherlich nicht der Fall, sondern es geht eindeutig um eine begrenzte Aktion, die das Ziel hat, einem Aggressor die Waffe aus der Hand zu schlagen und eine Verhandlungslösung herbeizuführen. Das sind sicherlich die wichtigsten Ziele.


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Wenn wir jetzt den Rechtsstatus Österreichs ansehen, dann stellt sich für uns aufgrund der Tatsache, daß sich das Neutralitätsgesetz in Verfassungsrang befindet, sicherlich an allererster Stelle einmal die Frage, inwieweit das Haager Abkommen von 1907, das die Rechte und Pflichten der Neutralen regelt, anzuwenden wäre. Dort ist etwa vorgesehen, daß es im Kriegsfalle keine Durchfuhrerlaubnis von seiten der Neutralen geben sollte. Das ist auch der Anlaß, um hier nicht sehr tief in den Bereich der Rechtsunsicherheit zu gelangen, ... (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. ) Das ist ein Fall, der sicherlich umstritten ist und nicht völlig eindeutig zu beantworten ist.

Aber ich kann Ihnen dazu sagen, daß die davon betroffenen Ministerien darin übereingestimmt haben, aufgrund der nicht eindeutigen Rechtslage jedenfalls keine Handlung zu setzen, die bis zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen könnte, selbst der Regierungsorgane im Falle einer abschließenden Beurteilung, daß es sich um ein kriegerisches Ereignis, daß es sich um Krieg handelt, sodaß die österreichische Bundesregierung davon Abstand genommen hat, Überflugs- oder Durchfuhrrechte zu gewähren. Sie wurden dann letztendlich auch nicht angefordert.

Das, was ich Ihnen dabei durchaus zugestehe, ist, daß selbstverständlich dadurch aufgezeigt wird, daß wir uns in einer Situation befinden, die als atypisch zu bezeichnen wäre. Wenn etwa namhafte Vertreter der Bundesregierung in der Öffentlichkeit erklären, das sei eine Aktion, die sein mußte (Bundesrat Dr. Bösch: Richtig und notwendig!)  – sie ist richtig und notwendig –, auf der anderen Seite aber die Rechtslage unseres Staates als so angesehen wird, daß uns auch das passive Dulden einer derartigen Aktion nicht gestattet ist, dann stellt sich sicherlich die Frage, ob es nicht angezeigt wäre, den dem Verhalten zugrunde liegenden Rechtsstatus zu verändern. Es ist Ihnen bekannt, daß ich immer ein Vertreter einer Richtung war, die davon ausgegangen ist, daß wir mit der Beendigung des kalten Krieges unsere sicherheitspolitischen Grundlagen nicht nur überdenken, sondern neu ausrichten müssen. Für mich ist dieser Fall eine Bestätigung dafür. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich möchte vielleicht noch folgendes anfügen: Nach meiner Ansicht muß, wenn ein Staat auf Dauer auch in der internationalen Staatengemeinschaft glaubwürdig und kalkulierbar sein will, eine Übereinstimmung zwischen politischem Willen und auch den rechtlichen Möglichkeiten vorhanden sein. Das ist die Voraussetzung, wozu meiner Ansicht nach auch noch kommt, daß auch die organisatorische Voraussetzung dafür gegeben sein sollte.

All das sollte uns dazu veranlassen, daß wir – losgelöst von einem spezifischen Ereignis, aber bestärkt durch ein spezifisches Ereignis – an die Diskussion über die sich daraus ergebenden Rechtsfragen herangehen, daß wir sie gründlich diskutieren, weil dies selbstverständlich ein Grundverhalten und einen Grundstatus unserer Republik betrifft, daß wir das mit aller gebotenen Vorsicht und Gründlichkeit tun, aber auch mit der Entschlossenheit und der Entschiedenheit, die notwendig sind, wenn wir längerfristig, auch auf sicherheitspolitischem Gebiet ein kalkulierbarer Faktor der europäischen Politik sein wollen. Da sich die Europäische Gemeinschaft, der wir angehören, dazu entschlossen hat, auch die sicherheitspolitischen Fragen in ihren Aufgabenkatalog nicht nur aufzunehmen, sondern dort auch forciert zu behandeln, stellt sich diese Frage wahrscheinlich noch mit deutlich größerer Dringlichkeit und Notwendigkeit, als das in der Vergangenheit der Fall war. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.47

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nunmehr Herrn Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl zur weiteren Beantwortung das Wort. – Bitte.

14.47

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Lieber Ministerkollege! Ich möchte einleitend fünf Bemerkungen zu den bisherigen Ausführungen des Herrn Bundesrates Bösch, aber auch zu den Ausführungen meines Ministerkollegen Werner Fasslabend machen.

Erstens, meine sehr geehrten Damen und Herren: So ernst ich die Situation im Kosovo und im ehemaligen Jugoslawien einschätze, so sehr möchte ich klar sagen, daß für Österreich kein Grund zur Panikmache besteht und daß in Österreich kein Grund besteht, die innere Sicherheit,


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die innere Ordnung durch die Ereignisse in Jugoslawien als gefährdet zu betrachten. Ich bin der Überzeugung, daß die österreichischen Sicherheitskräfte alles getan haben, um etwaigen Gefährdungen für die Republik Österreich, für die Bewohnerinnen und Bewohner unseres Landes entsprechend entgegenzuwirken.

Zweitens, meine sehr geehrten Damen und Herren, bin ich im Gegensatz zu meinem Ministerkollegen der Ansicht, daß die aktuellen Ereignisse eine Bestätigung dafür sind, daß es gut und wichtig ist, daß sich Österreich nach wie vor zur Neutralität bekennt und daß Österreich die Neutralität nicht achtlos über Bord geworfen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

In der jetzigen Situation bin ich froh, daß wir nicht Mitglied der NATO sind, und ich bin froh, daß wir in diesen Konflikt nicht aktiv hineingezogen sind.

Dritte Bemerkung, meine sehr geehrten Damen und Herren: Zwischen dem Innenministerium und dem österreichischen Bundesheer gibt es keine Berührungsängste. Zwischen unseren beiden Ministerien, zwischen den politisch Verantwortlichen beider Ministerien, aber auch zwischen den Beamtinnen und Beamten beider Ministerien gibt es eine enge Zusammenarbeit und eine gute Koordination.

Ich möchte nur zwei Beispiele dafür erwähnen. Das eine ist der Grenzeinsatz, die Kontrolle der EU-Außengrenze, der 1 300 Kilometer langen Grenze, bei der die österreichische Grenzgendarmerie den Auftrag bekommen hat, diese Grenzsicherung durchzuführen, und diese Grenzsicherung findet unter aktiver und hervorragender Unterstützung und Mithilfe des österreichischen Bundesheeres statt. Das zweite Beispiel dafür, bei dem die Zusammenarbeit zwischen beiden Institutionen sehr gut funktioniert hat, sind die tragischen, schrecklichen Ereignisse rund um die Lawinenkatastrophe in Galtür gewesen, wo sich wieder einmal gezeigt hat, wie schlagkräftig, einsatzfähig und einsatzbereit sowohl die österreichische Gendarmerie und Polizei als auch das österreichische Bundesheer sind, wenn es darum geht, Menschenleben zu retten und im Katastropheneinsatz für die Sicherheit dieses Landes zu arbeiten.

Vierte Bemerkung: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesrat Bösch hat kritisiert, daß sich die Koalition, die österreichische Bundesregierung um dieses Sicherheitspolizeigesetz herumdrückt. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Die Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz wurde bereits im November im Ministerrat beschlossen, liegt derzeit im Parlament, und ich hoffe, daß die parlamentarischen Beratungen demnächst stattfinden werden.

In der letzten Ministerratssitzung in dieser Woche haben wir auch die erweiterte Gefahrenerforschung beschlossen, und wir haben zur erweiterten Gefahrenerforschung auch eine strenge rechtsstaatliche Kontrolle eingeführt, sodaß nicht nur die österreichische Exekutive die Möglichkeit hat, potentielle Gefahren für die Zukunft zu beobachten und abzuwehren, sondern daß auch die demokratischen Bürgerrechte durch den Rechtsschutzbeauftragten optimal und bestens gewährleistet sind.

Das heißt also: Ich möchte diese Kritik zurückweisen und – im Gegenteil – sagen, daß die österreichische Bundesregierung und gerade ich als politisch Verantwortlicher im Bereich des Sicherheitspolizeigesetzes, aber auch im Bereich des Militärbefugnisgesetzes die entsprechenden Gesetzesvorlagen vorgelegt haben. Ich hoffe, daß nun das Parlament unsere Vorschläge so bald wie möglich beschließen wird.

Schlußendlich – dies als fünfte Vorbemerkung, meine sehr geehrten Damen und Herren – habe ich im Unterton der Rede des Herrn Bundesrates Bösch ein wenig das Gefühl gehabt, daß er kritisiert, daß die österreichische Exekutive schlecht ausgerüstet ist.

Ich kann und darf zur Situation des österreichischen Bundesheeres nicht Stellung nehmen, dafür ist der Herr Bundesminister für Landesverteidigung der Prädestiniertere. Ich darf aber für jenen Bereich, für den ich zuständig bin, nämlich für das Innenministerium, sagen, daß es gerade im letzten Jahrzehnt seit 1990 innerhalb der österreichischen Exekutive zu einer sehr guten Ausstattung sowohl der baulichen Infrastruktur als auch der technischen Infrastruktur gekommen ist, daß die österreichische Exekutive in vielen Bereichen eine High-Tech-Aus


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rüstung hat und viele ausländische Polizeikräfte unsere Beamtinnen und Beamten um diese Ausstattung beneiden.

Ereignisse, die uns in den letzten Jahren getroffen haben, wie beispielsweise die Briefbombenattentate, haben wesentlich dazu beigetragen, daß es zu einem Innovationsschub, zu einer Verbesserung der Infrastruktur gekommen ist und daß die verschiedenen Sondereinheiten der österreichischen Exekutive in vielen Bereichen hervorragend ausgestattet sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe nun konkret auf die Beantwortung der dringlichen Anfrage der Freiheitlichen betreffend Auswirkungen serbischer Drohungen auf die Sicherheit Österreichs ein.

Vorerst möchte ich einmal erwähnen, daß es natürlich nach Ausbruch der ethnischen Konflikte im ehemaligen Jugoslawien im Jahre 1991 auch in Österreich in der Gastarbeiterszene, aber auch in der Emigrantenszene zu einer zunehmenden Polarisierung gekommen ist. Wir konnten zu Beginn der neunziger Jahre eine verstärkte Bildung von Vereinen und Organisationen in diesem Bereich feststellen.

Es kam auch in den ersten Kriegsjahren zwischen 1991 und 1993 zu serbischen Drohungen gegen Österreich, die von den Sicherheitsbehörden Österreichs sehr ernst genommen wurden. Auf diese Drohungen folgten jedoch nie Gewalttaten. In diese Zeit fielen auch Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen Serbiens, des Kosovo, Bosniens und Kroatiens in Österreich. Diese Auseinandersetzungen sind aber zum Glück lediglich auf sehr niedrigem Gewaltniveau geblieben.

In den vergangenen Jahren gab es keine Anzeichen dafür, daß extremistische oder terroristische Gruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien in Österreich existieren. Die österreichische Staatspolizei schloß jedoch mögliche Aktivitäten, solange der seit 1995 eingeleitete Friedensprozeß nicht völlig abgeschlossen war, nicht grundsätzlich aus.

Die österreichischen Sicherheitsbehörden haben deshalb auch im Staatsschutzbericht 1997, der erstmals in diesem Ministerium vorgelegt worden ist, ausführlich darauf hingewiesen, daß eine Eskalation im Kosovo Auswirkungen auf die in Österreich lebenden Staatsbürger der Bundesrepublik Jugoslawien und der ehemaligen Teilrepubliken haben kann.

Aufgrund der politischen Entwicklungen und Gewalttaten im Kosovo sowie der Radikalisierung unzufriedener Kreise in der Krisenregion mußten die Sicherheitsbehörden seit einiger Zeit feststellen, daß innerhalb der Kosovo-albanischen Emigration in Österreich für radikale Organisationen geworben wird und daß auch regelmäßig Spendensammlungen stattfinden.

Das Scheitern der Kosovo-Friedenskonferenz in Rambouillet und die Erwägung eines NATO-Einsatzes in Jugoslawien sensibilisierten die österreichischen Sicherheitsbehörden in den letzten Wochen und Monaten verstärkt. Das Bundesministerium für Inneres entwickelte einen Sicherheitsplan für einen besonderen Personen- und Objektschutz diverser Missionen und Objekte im Falle eines militärischen Eingreifens der NATO.

Dieser Plan wurde bei Bekanntwerden des NATO-Militärschlages sofort aktiviert. Bereits im Vorfeld des Konfliktes verstärkten die Sicherheitsbehörden die Kontrollen für besonders sensible Bereiche. Diese österreichweiten Maßnahmen richten sich präventiv gegen eine mögliche Radikalisierung von Einzelpersonen oder Gruppierungen und präventiv gegen mögliche gewalttätige Handlungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es muß uns jedoch klar sein, daß es für die österreichischen Sicherheitsbehörden unmöglich ist, jedes einzelne Vereinslokal und jedes Objekt, das möglicherweise gefährdet ist, permanent zu sichern und zu überwachen.

Österreich hat bislang keine Kenntnisse bezüglich geplanter gewalttätiger Ausschreitungen oder Anschläge. Die Behörden beobachten jedoch diverse Aktivitäten sehr genau. Sie werden


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verstehen, daß ich aufgrund polizeitaktischer Überlegungen nicht näher auf Details von Sicherheitsvorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen eingehen kann.

Die österreichische Exekutive und insbesondere der staatspolizeiliche Dienst betrachten mit großer Sorgfalt die politischen Entwicklungen in der Bundesrepublik Jugoslawien und die Auswirkungen auf Österreich. Wir werden alles tun, damit Österreich nicht Schauplatz von Gewaltakten wird, die ihren Ursprung in Konflikten außerhalb unseres Landes haben. Das friedliche Zusammenleben zwischen den Österreicherinnen und Österreichern und rund 340 000 in unserem Land lebenden ausländischen Mitbürgern aus der Bundesrepublik Jugoslawien und ihren Nachfolgestaaten soll gewährleistet sein und muß auch in Zukunft gewährleistet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir nun, in der gebotenen Kürze auf die einzelnen Fragen einzugehen.

Zu den Fragen 1 und 2:

Am 22. 3. 1999 wurde um 14.06 Uhr eine anonyme telefonische Bombendrohung beim griechischen Verkehrsbüro in Wien 1 gegen eine Wiener U-Bahnstation und ein Wiener Krankenhaus im Namen der "Schwarzen Hand" durch eine bisher unbekannte Person durchgeführt. Weitere Hinweise dazu liegen mir derzeit nicht vor.

Die Frage 3 kann ich mit einem klaren Nein beantworten.

Zu Frage 4:

Eine reale Einschätzung ist naturgemäß in solchen Fällen nur schwer möglich. Es wurden aber vorsorglich die notwendig und angemessen erscheinenden Veranlassungen getroffen.

Zu Frage 5:

Abgesehen von den polizeilichen Maßnahmen, wie zum Beispiel verstärkte Überwachungstätigkeit, wurden seitens der Bundespolizeidirektion Wien die zuständigen Magistratsdienststellen verständigt, die ihrerseits in ihrem Bereich die notwendigen Veranlassungen getroffen haben.

Zu Frage 6:

Gegebenenfalls steht das gesamte personelle und materielle Potential der österreichischen Sicherheitsbehörden zur Verfügung, um gegen geplante oder tatsächliche Terroranschläge vorgehen zu können.

Zu Frage 7:

Aufgrund des Giftgasanschlages in der U-Bahn in Tokio hat das Bundesministerium für Inneres gemeinsam mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung und den zuständigen Vertretern der Länder und der Einsatzorganisationen Grundlagen für die Überarbeitung der in den zuständigen Fachabteilungen der Länder, bei den Einsatzorganisationen und auch bei den Verkehrsunternehmen bestehenden Einsatzpläne besprochen. Wir glauben, daß wir in einem entsprechenden Anlaßfall, von dem wir allerdings nie erwarten und befürchten, daß er kommt, entsprechend rasch und effizient reagieren können.

Zu Frage 8:

Österreich verfügt über ein gut ausgebautes Warn- und Alarmsystem, das vom Bundesministerium für Inneres gemeinsam mit den Ämtern der Landesregierungen betrieben wird. Die Alarmierung erfolgt im Anlaßfall durch Sirenen. Derzeit können mit den vorhandenen 7 000 Sirenen zirka 60 Prozent der Bevölkerung erreicht werden. Die Auslösung der Signale kann je nach Gefahrensituation zentral von der Bundeswarnzentrale im Bundesministerium für Inneres, von den Landeswarnzentralen oder auch bezirksweise erfolgen. Im Bedarfsfall erfolgt die Information der gesamten Bevölkerung durch die Mitwirkung des ORF, der die notwendigen Informationen ausstrahlen wird.


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Zu den Fragen 9 bis 12:

Bei der "Schwarzen Hand" handelt es sich um einen serbischen Geheimbund, der Anfang dieses Jahrhunderts bekannt wurde. Die Bezeichnung "Schwarze Hand" fand in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Balkankrise bei Bedrohungen verschiedenster Art immer wieder Verwendung. Auch im internationalen Kontakt konnte bisher nicht festgestellt werden, ob beziehungsweise welche bestimmten Personen oder Personengruppen sich hinter dieser Bezeichnung verbergen. Auch über andere serbische beziehungsweise jugoslawische Terrororganisationen bestehen derzeit keine konkreten Erkenntnisse. Spezielle Beobachtungsmaßnahmen gegenüber Angehörigen solcher Organisationen sind daher bisher nicht erfolgt.

Zu Frage 13:

Solche Aussagen stellen ein zusätzliches Gefährdungsmoment dar, auf das bei den zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen Rücksicht genommen wird.

Zu Frage 14:

Es werden jeweils die nach der aktuellen Gefährdungslage notwendig und angemessen erscheinenden Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Details kann ich, wie Sie verstehen werden, aus verständlichen Gründen nicht nennen.

Zu Frage 15:

Aktionen sowohl von Einzelpersonen als auch von extremistischen oder terroristischen Gruppierungen können nie gänzlich ausgeschlossen werden, wenngleich derzeit keine konkreten diesbezüglichen Hinweise bestehen.

Zu Frage 16:

Mir sind keine Terroranschläge in Österreich bekannt, die in der Vergangenheit Gruppierungen aus dem ehemaligen Jugoslawien zugerechnet wurden. Die Sprengstoffanschläge mit Splitterhandgranaten gegen Lokale und eine Sprengstoffdeponierung in einer serbischen Diskothek konnten keiner bestimmten Gruppierung zugeordnet werden. Es spricht allerdings mehreres dafür, daß es sich um strafbare Handlungen im Bereich der organisierten Kriminalität handelt.

Zu den Fragen 17 und 18:

Ich bitte um Verständnis, daß ich von einer Beantwortung dieser Fragen absehe, da ich glaube, daß sie nicht den Vollziehungsbereich des Bundesministeriums für Inneres betreffen.

Zu Frage 19:

Bisher liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, daß es zu zentral gelenkten Terroraktionen in Österreich kommen könnte.

Zu Frage 20:

Die Zahl der Asylwerber aus dem Kosovo ist im Laufe des vergangenen Jahres konstant gestiegen und erreichte im Laufe des Septembers 1998 mit insgesamt 1 251 Anträgen aus der Bundesrepublik Jugoslawien eine Spitze. Erfahrungsgemäß sind zirka 90 Prozent dieser Anträge aus dem Kosovo.

In den ersten beiden Monaten des Jahres 1999 haben 1 180 Personen aus der Bundesrepublik Jugoslawien Asylanträge gestellt. Anhand dieser Zahlen sehen Sie, daß die Anzahl der Asylanträge aus dem Bereich des ehemaligen Jugoslawiens deutlich zurückgegangen ist und die Spitze der Asylanträge vom Herbst des vergangenen Jahres derzeit nicht erreicht wird. Im Monat März hatten wir pro Woche zwischen 150 und 200 Asylanträge aus dem Bereich des ehemaligen Jugoslawiens.


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Aus den Erfahrungen der letzten Jahre ist auch klar, daß Österreich eines der meistbetroffenen Länder eines Flüchtlingsstromes sein würde, falls ein solcher Flüchtlingsstrom nach Europa kommen würde. Derzeit können wir aber eine Verstärkung der Flüchtlingsbewegung aus dem Kosovo nach Österreich nicht feststellen.

Zu Frage 21:

Österreich ist nicht zuletzt durch die Erfahrungen im Rahmen der Bund-Länder-Aktion für bosnische Kriegsflüchtlinge auf einen möglichen Flüchtlingsstrom vorbereitet. Das Ausmaß der möglichen Flüchtlingsbewegungen kann derzeit von niemandem abgeschätzt werden. Es muß jedoch in absehbarer Zeit mit größeren Flüchtlingsbewegungen innerhalb Europas gerechnet werden. Für ein reibungsloses Management von Massenfluchtbewegungen werden derzeit im Rahmen des Krisenmanagements Szenarien entwickelt, Ressourcen und rechtliche Voraussetzungen für den Einsatz erhoben und auch definiert.

Gleichzeitig ist aber zu sagen, daß Österreich in der Vergangenheit bosnischen Kriegsflüchtlingen sehr großzügig geholfen hat und wir daher für jede neuerliche größere Aufnahmeaktion eine Unterstützung und einen Solidarausgleich aller europäischen Staaten erwarten. Es kann nicht sein, daß die Last eines möglichen Flüchtlingsstroms zum großen Teil von Österreich und Deutschland alleine bewältigt wird.

Zu Frage 22:

Die Krise im Kosovo wurde im Laufe der Treffen der EU-Innen- und Justizminister in den letzten Monaten öfters besprochen. Ich stehe derzeit auch im ständigen Kontakt mit den wichtigsten europäischen Amtskollegen. Ich habe vorgestern mit dem derzeitigen Ratsvorsitzenden, Bundesminister Otto Schily, gesprochen und vereinbart, daß, wenn es notwendig ist, innerhalb der nächsten Tage ein Treffen der EU-Innenminister stattfindet.

Gleichzeitig haben wir für heute auf höchster Expertenebene ein internationales Kontakttreffen zur Frage der Kosovo-Flüchtlinge vereinbart. Dieses Expertengespräch ist derzeit noch im Gange. Es nehmen dabei Experten aus Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, der Schweiz und Österreich teil. Diesbezügliche Ergebnisse werde ich in der Öffentlichkeit nach Ende der Besprechungen mitteilen.

Zu Frage 23:

Ich sehe keine Auswirkungen aufgrund dieser Entscheidung in London, vor allem auch deswegen, weil diese Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ.)

15.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß nach der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

15.08

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Verehrte Kollegen und Kolleginnen! Wenn wir heute die Beantwortung der dringlichen Anfrage über die durch die Situation in unseren südlichen Bereichen entstandenen Kriegsvorbereitungen beziehungsweise Kriegshandlungen diskutieren, müssen wir natürlich auch auf diese eingehen.

Wenn wir davon sprechen, daß die österreichische Landesverteidigung, Herr Bundesminister für Landesverteidigung, entsprechend gerüstet ist, das heißt, wenn Sie einen Vergleich der Truppenstärke zwischen Österreich und Frankreich oder Österreich und Deutschland hier darlegen, dann muß ich Ihnen sagen, es sind heutzutage nicht mehr die Mannschaftsstärken,


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die Sicherheit, Abschreckung, Schutz bieten. Es sind das insbesondere moderne Waffensysteme. Wenn wir diesen Vergleich anstellen wollen, sehr geehrter Herr Bundesminister, dann sieht es für uns in Österreich nicht gut aus. Ich glaube, das kann ich, ohne das eigene Haus schlechtmachen zu wollen, durchaus feststellen.

Das Landesverteidigungsbudget ist so etwas ähnliches wie eine Versicherungsprämie im zivilen Bereich. Ich traue mich zu sagen, Österreich ist ungeheuer unterversichert. Ich weiß, Herr Bundesminister, Sie haben in Ihrer Fragebeantwortung vor wenigen Tagen hier in dieser Kammer die Notwendigkeit des Sparens hervorgehoben. Sparen ist kein Selbstzweck, das wissen wir, und Soldaten nicht mit entsprechendem Gerät auszustatten, sondern nur auf die Mannschaftsstärke hinzuweisen, könnte und wird einen falschen Eindruck der Sicherheit hervorbringen.

Ich für meine Fraktion meine, daß diese Sicherheit, materiell gesehen, sicherlich nicht vorhanden ist, Herr Bundesminister, und Sie wissen, daß ich und meine Fraktion immer wieder für eine Stärkung des Landesverteidigungsbudgets eingetreten sind.

Es heißt auch, wir müssen berechenbar sein. Herr Bundesminister! Berechenbar ist man natürlich auch, wenn man unterdotiert ist. Dann wissen die Nachbarn, was von uns zu erwarten beziehungsweise nicht zu erwarten ist. Aber wenn wir entsprechend internationaler Normen und budgetärer Vergleichszahlen gerüstet sind, dann wird die Berechenbarkeit in einem anderen Bereich angesiedelt sein, und wir, die Österreicher, und insbesondere das österreichische Bundesheer, welches immer wieder mit den geringsten Budgetmitteln Hervorragendes leistet – das wird nicht bestritten –, werden uns dann besonders der internationalen Sympathie und Zuwendung erfreuen können.

Der Herr Bundesminister für Inneres hat darauf hingewiesen, wie hervorragend die Zusammenarbeit bei dem Unglück in Galtür war, bei dieser Naturkatastrophe, er hat die Einsatzbereitschaft der Exekutive und des österreichischen Bundesheeres gelobt. Daß die Exekutive dort hilft, ist in Ordnung, daß das Bundesheer dort hilft, ist in Ordnung, aber es ist primär nicht die Aufgabe des österreichischen Bundesheeres, Lawinenschutz oder die Bergung von Lawinenopfern vorzunehmen, wobei die Hilfe des Auslands auch gerne in Betracht gezogen wird.

Es wird die Hilfe des Auslands in diesem Zusammenhang immer und sehr gerne erwähnt, um die Notwendigkeit eines baldigen NATO-Beitritts vor Augen zu führen. Die Hilfe bei Naturkatastrophen hat auch in früherer Zeit – denken wir an das Erdbeben in Friaul – ohne NATO-Mitgliedschaft sehr gut funktioniert. Die Österreicher haben dort hervorragend geholfen, und es war nicht die Notwendigkeit einer NATO-Mitgliedschaft in Diskussion. Ich möchte aber sagen, daß ich mich sehr wohl für eine NATO-Mitgliedschaft aussprechen kann, aber alles Schritt für Schritt. Zuerst gehört die Neutralität aufgehoben, auf die der Herr Bundesminister für Inneres sehr wohl hingewiesen hat. Wir sind derzeit aufgrund des Neutralitätsgesetzes dazu gezwungen, um berechenbar bleiben zu können, diese Neutralität auch einzuhalten.

Die Berechenbarkeit einer Gebietskörperschaft eines Staates ist insbesondere dann gegeben, wenn man die internationalen Verpflichtungen einhält – so unangenehm, so wenig populär das zum Teil sein mag. Wir müssen die internationalen Verpflichtungen einhalten, um berechenbar bleiben zu können und auch um im Rahmen dieser internationalen Berechenbarkeit die notwendige Solidarität üben zu können. Es nützt nichts, wenn man bei vielen Veranlassungen immer wieder von internationaler Solidarität spricht, aber nicht das Wesentliche tut, nämlich den internationalen Rechtskomment einzuhalten, den man selbst aus freien Stücken eingegangen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn wir jetzt vor wenigen Tagen den Neubeitritt von drei Staaten, nämlich Polen, Tschechien und Ungarn, zur NATO miterlebt haben, dann stimmt mich das einerseits froh und andererseits wenig froh. Der Ort, an dem der Beitritt dieser drei neuen NATO-Mitglieder gefeiert wurde, war Independence/Missouri in den USA. In wenigen Wochen wird das 50jährige Bestehen dieses Paktes gefeiert, aber von einer Europäisierung der NATO ist durch den symbolischen Akt des Beitritts in Independence wirklich nichts mehr zu merken. Ich würde mich sehr freuen – was heißt freuen? –, ich werde politisch dafür kämpfen, solange ich kann, daß der Beitritt Öster


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reichs zur NATO, nach der Aufhebung der Neutralität, nicht in Independence gefeiert wird, sondern im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Dort gehört es hin, dort ist die europäische, die neue NATO, für die ich mich glaube verwenden zu müssen und gerne verwende. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn die NATO jetzt einen Angriffskrieg gegen Serbien startet, so ist das ein Widerspruch zu den NATO-Akten. Die NATO war geschaffen worden, um einen Angriffskrieg abzuwehren, und zwar einen Angriffskrieg aus dem Osten. Jetzt wird die NATO Angreifer. Es ist ein Widerspruch zur ursprünglichen NATO-Konzeption, und ich hoffe, daß dieser Schritt der NATO nicht weitere Schritte zur Folge hat. Es ist leicht, einen Krieg zu beginnen, aber wie wird dieser Krieg beendet? Wo sind die Kriegsziele? Wer hat sie schon einmal formuliert? Läuft es darauf hinaus, daß diese ethnischen Säuberungen, die seit dem Zweiten Weltkrieg fast Völkerrechtsstatus bekommen haben, weil sie nie verhindert worden sind, daß diese Völkervertreibung im Kosovo eigentlich nur durch eine Verschiebung einer Grenze gebilligt wird? Ist das Ziel, Jugoslawien in seiner jetzigen Konfiguration, also mit Kosovo, zu erhalten, oder bringt man den Mut auf, so wie bei einem Scheidungsrichter, zwei Partner, die nicht mehr zusammensein wollen, wirklich in die Nicht-mehr-Partnerschaft zu entlassen? – Das ist übrigens ein Punkt, den zu akzeptieren sich im internationalen Völkerrecht alle ungeheuer schwer tun, weil damit die Karte nicht nur Europas, sondern wahrscheinlich des ganzen Globus alle paar Jahre neu gezeichnet werden müßte.

Meine Damen und Herren! Die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates können sich nicht auf einen Eingriff einigen. Wenn sich diese Mitglieder nicht einigen können – sie haben ursprünglich das Vetorecht in ihrer Satzung statuiert –, dann gibt es eben keinen Eingriff. Die Völkerrechtler werden natürlich wie viele Juristen unterschiedliche Meinungen finden, aber wir Österreicher müssen den vorsichtigen Weg gehen. Wir haben nicht das Recht, Kriegserklärungen mitgutzuheißen, wir haben aber die Pflicht, jenen ... (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Haben wir auch nicht, ich sage das auch. Wir haben nicht das Recht, auch wenn der Herr Bundeskanzler in seiner Funktion als EU-Ratsmitglied gemeint hat, daß es rechtens wäre. Da müssen wir den Herrn Bundeskanzler tadeln, er kann nicht sagen, etwas sei rechtens, was in unserer Verfassung als nicht rechtens bezeichnet wird. Er kann nicht plötzlich eine Bilokation, eine Körperteilung seiner Seele vornehmen, und diese hat er sicherlich auch. Er ist ein Humanist (Bundesrat Dr. Tremmel: Ist er das wirklich?), er bezeichnet den Menschen als wertvollsten Rohstoff. Solche Personen müssen wir warnen, daß sie nicht zu weit gehen und österreichisches Rechtsgut auf den Acker der Weltgeschichte, zumindest auf den Acker der europäischen Geschichte, werfen. Der Acker in Kosovo ist zu blutig, als daß man wiederum eine Teilnahme von Österreichern zugestehen könnte.

Wir haben vor 60 Jahren viele Österreicher auf diesem Kriegsschauplatz gehabt, und noch heute werden wir von jenen getadelt, die jetzt selbst den Angriff auf Serbien gutheißen. Ich halte das für fast schizophren! Damals war es böse, heute ist es gut. Ich kann einen Angriff gegen einen anderen Staat nicht als gut bezeichnen, wenn die Zivilbevölkerung in einem solchen Ausmaß in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Angriffe beschränken sich nicht auf den Kosovo, es wurde auch in Belgrad bombardiert – auch in Belgrad! –, das ist historische Wahrheit, und diese historische Wahrheit wiederholt sich jetzt wieder. Man hat nicht eine Hauptstadt zu bombardieren. Ich möchte nur sagen, ich lehne das Vorgehen der Serben gegen ihre Mitvölker entschieden ab, aber es gibt andere Möglichkeiten als einen Krieg, um die Serben zur notwendigen Einsicht zu bewegen. Da gibt es die Möglichkeit eines Embargos, einer internationalen Ächtung. Ich möchte jetzt gar nicht das ganze Spektrum der Möglichkeiten ansprechen.

So wird seit einem Jahr ständig von Krieg gesprochen, bis er sich eigentlich fast von selbst schon ergab, anstatt daß man vor einem Jahr schon gesagt hätte, was zu machen wäre. Sie brauchen nur die verschiedenen Medien zu lesen. Aber manch ein Völkerrechtsprofessor, der für die Friedenserhaltung eintritt, wird dann in den Medien als Dilettant und ähnliches karikiert. So kann es auch nicht sein!

Es muß möglich sein, für den Frieden einzutreten, ohne daß man dann karikiert und dafür getadelt wird. Es muß möglich sein, für die Bewohner im Kosovo einzutreten, ohne Krieg führen


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zu müssen – oder man hätte ihn sofort führen müssen, sofort! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie Beifall des Bundesrates Gerstl. )

Vor einem Jahr wäre das möglich gewesen, da war alles schon darauf ausgerichtet: schnelle antiseptische Schläge, aber dann hat man so getan, als wäre nichts gewesen, und die Serben konnten Albaner weiter ermorden und natürlich auch Albaner Serben. Es ist ein trauriges Spiel, das wir geboten bekamen. Die UNO und die EU konnten sich zu nichts durchringen, aber jetzt hat man sich durchgerungen, und ich meine, wir haben geschichtlich den falschen Entschluß vorgeführt bekommen.

Das Bombardieren von Unwilligen, völkerrechtsmäßig nicht gedeckt, kann nicht die Aufgabe eines sogenannten Verteidigungsbündnisses sein, und ich hoffe, daß die Satzungen der NATO-Neu nicht dahin gehend geändert werden, daß man auch Eingriffe außerhalb des Paktsystems im Rahmen sogenannter friedenserhaltender Maßnahmen vornehmen kann, welche in Wirklichkeit, wie Professor Rotter gesagt hat, eine Kriegserklärung sind.

Kriegserklärungen heute am Ende des 20. Jahrhunderts, an dem man nicht weiß, wo der Krieg aufhört, wie er aufhört und wen er noch allen trifft, halte ich für einen Akt inhumaner Gestaltung. Ich danke dem Herrn Innenminister, daß er uns versichert hat, daß die verschiedenen Möglichkeiten innerhalb Österreichs, Flüchtlingsströme aufzufangen, gegeben sind. Ich weiß, daß das österreichische Bundesheer mithelfen wird, die Grenzsicherung vorzunehmen, aber ich rege ein weiteres Mal an, Herr Bundesminister: Nehmen wir die Grenzsicherung, den Assistenzeinsatz in das Wehrgesetz § 2 Abs. 1 auf, damit wir nicht alle sechs Monate ein Verfassungsgesetz beschließen müssen, um den Assistenzeinsatz leisten zu können! Das ist ein Mißbrauch des Wortes "Assistenz", denn es handelt sich hier um einen Dauerzustand des Bundesheeres. Und dann, Herr Bundesminister, würden Sie wahrscheinlich auch manche Geldmittel, die derzeit der Herr Innenminister für seinen Ausbau bekommt, selbst zur Verfügung gestellt bekommen.

Ich möchte hier nicht die Rivalität zwischen den beiden Herren aufbauen, Tatsache ist aber, daß das Bundesheer, sollte der Grenzeinsatz einmal nicht mehr nötig sein – ich hoffe, daß er sehr bald nicht mehr nötig ist, aber das ist ein frommer Wunsch von mir –, dann die Möglichkeit hat, Kapazitäten, die es bislang in diesem Bereich eingesetzt hat, anderweitig einzusetzen. Aber wohin dann mit Ihren aufgebauten Kapazitäten für Grenzschutzgendarmen? – Das ist für mich die Frage, wie wir dann sparsam mit den Mitteln umgehen können.

Herr Bundesminister! Nehmen Sie doch bitte einmal den Grenzschutz in das Wehrgesetz § 2 Abs. 1 auf, damit das seine Ordnung hat. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. Ich erteile ihm das Wort.

15.24

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Fasslabend! Sehr geehrter Herr Minister Schlögl! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Tragödie auf dem Kosovo, einem Herzen unseres Kontinents, ist von der Krise zum Krieg geworden und erweist sich jetzt schon als ein historisches Lehrstück. Sie zeigt, daß mit Diktatoren nicht zu verhandeln ist, weil Gewalttäter selbst nur die Sprache der Gewalt verstehen. Es zeigt sich aber auch, daß es in der Geschichte kein "Nie wieder!" gibt, wie diejenigen gemeint haben, die glaubten, Krieg sei in Europa unmöglich geworden. Sie zeigt ferner, daß niemand von dem unberührt bleibt, was in seiner Nachbarschaft geschieht, und die Nachbarschaft ist im High-Tech-Zeitalter schon fast die ganze Welt.

Deshalb hat es sich die NATO zur Aufgabe gemacht – ich sehe es so –, eine humanitäre Katastrophe auf dem Amselfeld zu verhindern. Die Katastrophe hat allerdings angesichts ungezählter Toter und ungezählter Vertriebener, die hungernd und frierend umherirrten, längst begonnen. Deshalb zeigt uns das Lehrstück auch, daß übergroße Geduld nicht immer eine Tugend ist.


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Es wurde vorhin angesprochen, daß die NATO damit Aggressivität nach außen zeigt. Die NATO selbst ist vielleicht von Serbien nicht unmittelbar direkt bedroht worden – weshalb greift sie also ein? Wer glaubt, das Atlantische Bündnis sei lediglich ein Verteidigungspakt, der irrt? – Es ist grundsätzlich eine Wertegemeinschaft, bei der die Menschenrechte eine entscheidende Rolle spielen, und diese Menschenrechte werden den Kosovaren durch das Regime Milosevic in Belgrad vorenthalten. Daher die Luftangriffe.

Ich glaube, daß Tausende Menschen, nicht nur Albaner, sondern auch Serben, sehr wohl Europa um ihre Hilfe gebeten haben, nämlich dahin gehend, daß die Menschen in diesem Europa wieder in Frieden und Freiheit leben können, wie das in den letzten Jahrzehnten der Fall gewesen ist. Daß wir in diesem ausgehenden Jahrhundert furchtbare Erlebnisse gehabt haben, darauf muß auch hingewiesen werden.

Wenn hier auch die USA zitiert wurden, dann muß ich dazu eines sagen: Hätten die USA und die Insel England nicht Europa gerettet, dann wäre das Verbrechensregime eines Herrn Hitler nicht verschwunden.

Freilich könnte man die Berechtigung der NATO-Intervention in Frage stellen, dann aber muß er dazusagen, was die Alternative dazu wäre: ethnische Säuberung, das heißt Blutvergießen und Vertreibung ohne Hemmung, das heißt Herrschaft des Faustrechts und Belohnung für den Gewalttäter. Das heißt, daß weitere Länder, nicht nur der Kosovo, durch Milosevic gefährdet wären, denn auch das lehrt die Geschichte, nämlich daß ein Gewalttäter durch eine Eroberung nicht gesättigt, sondern noch hungriger wird. Denken wir da auch wieder an Hitler oder andere Leute solcher Art.

Die NATO bekennt sich also zu einer humanitären Pflicht, was über ein rein militärisches Bündnis hinausgeht. Auch Österreich bekennt sich zu dieser Pflicht, und in Verlautbarungen des derzeit tagenden Berliner Gipfels wird der Angriff auch im Namen der EU, also im weiteren Sinne zweifelsohne mit Duldung Österreichs, vertreten, als gehörte es der NATO an. Unser Fernbleiben vom Atlantischen Bündnis – das ist meine persönliche Meinung – beginnt ein Stück politischer Bewußtseinsspaltung zu werden, zumal bis zur letzten Stunde auch Österreichs Botschafter in Belgrad im Namen der EU und damit auch der NATO mitverhandelt hat. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Es wurde auch schon vom Herrn Minister gesagt, daß kein einziges Land dazu verpflichtet ist, selbst handlungstätig zu werden, wenn es zu so etwas kommt. Der meiner Meinung nach längst überfällige Beitritt unseres Landes zu dieser westlichen Gemeinschaft wird von manchen immer noch als Tabu aus den fünfziger Jahren gehegt und gepflegt. Aber, wie gesagt, wir brauchen nicht teilzunehmen, sondern wir wollen gemeinsam in Europa Frieden, Freiheit und Sicherheit haben. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Um es noch einmal und noch deutlicher zu sagen: Die NATO ist für ihre Mitglieder nicht nur ein Instrument zur eigenen Verteidigung – das selbstverständlich –, sondern vor allem eines, das anderen Völkern, die bedroht sind, Schutz bieten will. Deshalb gilt auch nicht der Hinweis österreichischer NATO-Gegner, daß das Land gar nicht bedroht sei. Man kann – das gilt jetzt meiner Überzeugung nach auch gegenüber Österreich – nicht auf Dauer in der parasitären Haltung verharren, daß man gegebenenfalls einen Schutz zwar in Anspruch nimmt, eine Leistung dafür aber nicht erbringen will. Auch das ist eine geschichtliche Lehre. (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Wenn wir diesen Konflikt noch dazu unmittelbar vor unseren Türen sehen, dann muß uns diese Problematik ganz klar sein. Ich selbst bin Steirer, ich habe im Jahre 1991 mit eigenen Augen an der Grenze gesehen, was dort passiert ist. Ich habe von Unterradkersburg – das ist auf der steirischen Seite – auf Oberradkersburg – das ist auf der slowenischen Seite – geschaut und habe dort die Kampfhandlungen gesehen.

Es wurde auch heute schon vom Herrn Minister erwähnt, daß wir Gott sei Dank Lenkwaffen haben, daß solche Einflüge nach Österreich in der Form, wie es damals leider auch geschehen ist, nicht mehr möglich sind.


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Ich glaube, wir müssen auch zu einer zweiten Sache, nämlich zur Anfrage bezüglich der inneren Sicherheit Stellung beziehen. Bei allen Bemühungen, den Staat schlanker zu machen, ihn von überflüssigen Aufgaben zu befreien und somit seine Handlungsfähigkeit und Effizienz zu erhöhen, muß bedacht werden, bei welchen Aufgaben dem Staat die einzige Zuständigkeit zukommt. Zu den ganz wenigen Bereichen, in denen das staatliche Monopol unangreifbar ist, gehört die innere Sicherheit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das liegt in der rechtsstaatlichen Bedeutung des Staates begründet. Er ist zunächst und wesentlich eine Vereinbarung von Einzelmenschen, die ihr Recht auf Selbstverteidigung und Aufrechterhaltung des inneren Friedens nicht persönlich ausüben wollen, sondern an die Gemeinschaft, den Staat, abgeben. Dieser übernimmt dadurch nicht nur ein Recht, sondern er hat sogar die Verpflichtung, das ihm übertragene Gewaltmonopol auch auszuüben, das heißt, dem Recht Geltung zu verschaffen und jene zu verfolgen, die es verletzen. Da dürfen keine Zweifel entstehen, wenn der Bürger seine Loyalität dem Staat gegenüber behalten soll.

Es geht nicht an, daß in einer Welt, in der sich die organisierte Kriminalität über Unsummen an Kapital hinaus auch politische Macht anzuhäufen oder auszuüben versucht, die Polizei mit den Mitteln von gestern gegen Verbrecher, die mit der modernsten Technik ausgestattet sind, vorzugehen versucht. Auf diese Weise kann es nicht ausgeglichen werden, daß die Kriminellen mit wachsender Bedenkenlosigkeit und Brutalität vorgehen, während sich die Polizei naturgemäß die Beschränkungen der Rechtstreue auferlegen muß. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Es gilt also folgendes: Die Verteidiger des Rechtes müssen personell, technisch und rechtlich erstklassig ausgerüstet sein. Herr Minister Schlögl hat das auch gesagt. Wir brauchen eine Stärkung der inneren und der äußeren Sicherheit, die kombiniert und europareif sein muß. Deswegen, so glaube ich, ist es sicherlich richtig, zu sagen, daß wir Europäer ein Europa in Frieden, Freiheit und Einheit brauchen. Wir müssen dort helfen, wo es notwendig ist, zumal das ein historisch sehr wesentlicher Teil unseres Kontinents ist. Gerade wir Österreicher haben gegenüber diesem Bereich sehr viel historische Verantwortung, empfinden Freundschaft und haben Wissen. Das haben wir auch nach Europa hineinzutragen, und wir können nur hoffen und alles daransetzen, daß Frieden und Freiheit auch dort Einzug finden werden. – Ich danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie Beifall der Bundesräte Gstöttner und Dr. Tremmel. )

15.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

15.34

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich kann mir nicht vorstellen, in dieser Debatte das Wort zu ergreifen, ohne auf die Situation einzugehen, der wir diese dringlichen Anfragen und diese Debatte verdanken. Ich möchte das nicht als Versuch sehen, politisches Kleingeld einzuwechseln, denn ich glaube nicht, daß eine solche Debatte der richtige Moment ist, den Wunsch nach einem Beitritt zur NATO zu begründen oder zu begründen, warum es klug ist, der NATO nicht beigetreten zu sein. Ich glaube auch nicht, daß es der richtige Augenblick ist – zum Teil ist das in dem Text dieser Anfrage enthalten –, eine pauschale Verdächtigung gegen Menschen auszusprechen, die mit uns gemeinsam leben.

Wir stehen – das gilt vermutlich für jeden einzelnen – mit einer tiefen Gespaltenheit den Ereignissen gegenüber, wiewohl wir gleichermaßen Verständnis – das ist es im übrigen, was der Herr Bundeskanzler zum Ausdruck gebracht hat – für den Versuch empfinden, eine humanitäre Katastrophe mit Waffengewalt zu verhindern, und zugleich tiefes Unbehagen, Empörung darüber empfinden, daß die Anwendung von Gewalt, die nicht von der UNO legitimiert ist, die einzige Möglichkeit sein soll, das zu erreichen.

Im Gegensatz zu meinen Vorrednern habe ich nicht das Bedürfnis, eine Patentlösung zu offerieren. Ich bekenne mich zu diesem Zwiespalt, es ist mir bewußt, wie wenig befriedigend diese Haltung ist, aber ich weigere mich – ich sage das noch einmal –, das jetzt zum Anlaß zu nehmen und eine für den innenpolitischen Konsum bestimmte Festlegung vorzunehmen.


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Ich glaube, daß wir zwei Dinge durchaus gemeinsam tun können und sollen: Gerade aus diesem Land, dessen ursprünglicher Bürger jener Offizier war, der die erste Bombardierung Belgrads kommandiert hat, gerade aus jenem Land, das sich historisch von jenem Staat ableitet, in dem der unsägliche Slogan "Serbien muß sterbien" erfunden wurde, sollte klar zum Ausdruck gebracht werden, daß wir in einer solchen Situation mit den Menschen in Serbien, mit den Menschen im heutigen Jugoslawien – egal, ob es Serben oder Kosovaren sind – fühlen und daß wir zuallererst in uns das Bedürfnis spüren, an sie zu appellieren, einen Weg zu finden, ihre Differenzen im Gespräch zu lösen, auch wenn einem die Vernunft sagt, daß es nach allem, was geschehen ist, für diesen Versuch reichlich spät ist.

Ich möchte ein Zweites dazu sagen: Ich glaube, daß wir uns mit den Menschen, die mit uns gemeinsam in unseren Staatsgrenzen leben und durch Herkunft, familiäre Bande und andere Beziehungen mit den Konfliktparteien in Serbien verbunden sind, auch verbunden fühlen, weil man sich gut vorstellen kann, wie jemand in unserem Land leben wird, der weiß, daß es dort, von wo er her ist, wo seine Familie vielleicht noch lebt, Bombenangriffe oder Übergriffe der serbischen Polizei gibt.

Die Antwort des Herrn Innenministers hat mit großer Deutlichkeit gezeigt, daß diese Menschen – von mikroskopischen Ausnahmen abgesehen – sehr wohl wissen und bisher bewiesen haben, daß sie in der Gemeinschaft unseres Landes leben und daß sie ihre Konflikte, deren Teil sie bleiben, auch wenn sie hier leben, nicht hier austragen können und sollen. Unserem Verständnis für die schwierige Situation, in der diese Menschen in Österreich leben, wollen wir auch die Erneuerung der Aufforderung beifügen, es dabei zu belassen. Sympathie gegenüber der Seite, der man sich zurechnet, ist zutiefst verständlich, aber die konkrete Ausübung dieser Sympathie in Formen, die unserem gemeinschaftlichen Zusammenleben nicht entsprechen, hat es erfreulicherweise bisher nicht gegeben, und wir wollen hoffen, daß es so bleibt.

Ich glaube, daß die beiden Anfragebeantwortungen deutlich gezeigt haben, daß die österreichische Bundesregierung die Entwicklung sowohl im Bereich der militärischen als auch der polizeilichen Sicherheit sehr genau verfolgt und sehr gut auf die Herausforderungen, die diese Stunde bedeuten kann, vorbereitet ist. Wir hoffen, daß diese Vorbereitungen nicht notwendigerweise zum Tragen kommen müssen. Wir hoffen, daß die Auseinandersetzungen an einem Punkt beendet werden können, an dem der große Flüchtlingstreck noch nicht unterwegs ist.

Wir hoffen, daß es sich um Wichtigmacher, Panikmacher handelt, die den Eindruck erwecken wollen, Europa werde mit Terror überzogen. Aber die Möglichkeit, daß wir beiden Herausforderungen gegenüberstehen, gibt es natürlich, und daher ist es gut und richtig, darauf vorbereitet zu sein.

Europa – davon war die Rede – kann auf der einen Seite auch für den eigenen Bereich nicht auf Dauer hinnehmen, daß es nicht aus eigenem heraus handlungsfähig ist. Aber ich glaube nicht – ich bin zutiefst davon überzeugt, daß es nicht so sein kann –, daß wir, wenn wir schon von Europa aus nicht Weltgendarm sind, uns wenigstens als Regionalgendarm profilieren können und sollen. Es sind in diesem Europa in einem System der Gemeinsamen, bewußt so genannten Außen- und Sicherheitspolitik auch jene Instrumente zu verfeinern und jene Möglichkeiten auszuloten, mit denen – anders als mit Waffengewalt – Konflikte bereinigt, die Unterdrückung von Volksgruppen oder politischen Bewegungen in einzelnen Ländern verhindert werden können. Das ist die tatsächliche Herausforderung in diesem Konflikt und in vielen anderen Konflikten, mit denen wir konfrontiert sein können und vielleicht auch werden. Nicht eine neue Kanonendiplomatie, sondern ein System abgestufter Pressionen, ein System initiativer und offensiver Verhandlungen kann und muß es sein, das uns zu Lösungen bringt, damit die Menschen, die dort betroffen sind, nachher wieder miteinander leben können, weil sie miteinander leben müssen.

Die Tragödie im Kosovo, die noch nicht abgewendet ist, und die Tatsache, daß in Serbien ein Regime an der Macht ist – ich habe das in vielen Facetten in den letzten Monaten sehr hautnah miterlebt –, das sich an keine Rechtsnorm, weder des nationalen noch des internationalen Rechts, hält, sind eine Herausforderung. Ich glaube, daß wir uns in dieser Zeit – diese Aus


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einandersetzung hat in Wirklichkeit vor zwei Tagen in ihrer heißen Form begonnen – nicht beiseite stellen und auch nicht laut rufen können, so nach dem Motto: Wir sind so traurig, daß wir nicht mit Bomben werfen dürfen. – Der zitierte Spruch, Serbien muß sterbien, stammt schließlich aus einem Text, bei dem auch der österreichische Oberbombenwerfer eine gewisse literarische Rolle spielte.

Wir sollten unsere Kraft darauf verwenden, auf die notwendige humanitäre Hilfe vorbereitet zu sein, und unsere intellektuelle Kraft darauf verwenden, an der Entwicklung jener neuen konzeptiven Gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik mitzuwirken, zu der Tony Blair vor kurzem aufgerufen hat und zu der Gerhard Schröder angekündigt hat, daß noch in seiner Präsidentschaft konkrete Vorschläge gemacht werden.

Gemeinschaft dort, wo es darum geht, Werte zu sichern, ist etwas, was wir anstreben. Eine Gemeinschaft dort, wo die Möglichkeit und das Risiko auch der zerstörenden Gewalt enthalten sind, ist etwas, was der Vergangenheit angehören sollte und kein Mittel der Zukunft ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

15.45

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ein Herr Bundesminister scheint abhanden gekommen zu sein. (Bundesrat Konecny: Er ist meinetwegen weggegangen und nicht wegen Ihnen!) Ich bin noch gar nicht auf Ihre Ausführungen eingegangen, Herr Kollege Konecny! Ich danke Ihnen übrigens, daß Sie uns das Recht zubilligen, eine dringliche Anfrage einzubringen. Sie haben über den humanitären Bereich und darüber gesprochen, Mittel und Wege zu finden, den Frieden zu sichern. Das wollen wir auch. Aber als österreichische Mandatare sind wir vor allem verhalten, dafür zu sorgen, daß die Sicherheit in unserem Land und damit auch die äußere Sicherheit gewährleistet wird und gewährleistet ist.

Ich glaube, es gibt niemanden in diesem Haus, der sich keinen friedlichen Weg wünschen würde. Darum geht es aber eigentlich gar nicht. Was wir mit unserer dringlichen Anfrage an die beiden Herren Minister aufzeigen möchten, ist, ob die innere Sicherheit entsprechend gewährleistet ist, ob für die äußere Sicherheit Vorsorge getroffen ist und wie es mit unserem Bekenntnis zur Neutralität steht. Ich kann mir nicht vorstellen, meine Damen und Herren, daß der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler im Bereich ihrer EU-Kollegen als Privatpersonen sprechen, wenn sie sagen, ja, diese Maßnahme sei notwendig. – Die Neutralität, meine Damen und Herren, wird nicht nur dann gebrochen, wenn ich mit der Waffe eingreife, sondern auch dann, wenn ich mich ideell zu irgendeiner Seite bekenne. Das ist geschehen. Das sollten Sie endlich einmal überlegen, und in diese Richtung gehen auch unsere Entschließungen, die wir miteinbringen wollen.

Nun zur Antwort, die der Herr Bundesminister für Landesverteidigung gegeben hat. Er hat gesagt, es bestünde eigentlich für Österreich keine Gefahr. Er hat das Projekt "Goldhaube" genannt und gesagt: Wir können feststellen, wenn ein Flugzeug hereinfliegt, nur wir können dieses Flugzeug, wenn es einfliegen sollte, nicht dazu zwingen, zu landen. Dazu fehlen uns die entsprechenden Mittel. Es wäre auch nicht entsprechend gewesen, meine Damen und Herren, wenn wir dem Vorschlag von Klubobmann Kostelka gefolgt wären, der folgendes gesagt hat: Stellen wir Luftabwehrraketen auf, und wenn ein Flieger hereinkommt – das muß man sich im Frieden vorstellen –, dann holen wir dieses Flugzeug im Frieden mit Raketen herunter. Das war unter anderem die Vorstellung zum Bundesheer-light. Das ist eine etwas verquere Vorstellung.

Aber ich muß auf einige Dinge eingehen. Der Herr Bundesminister, der sich sehr bemüht hat, das österreichische Bundesheer noch als gesichert darzustellen, sagte, 10 000 Mann seien immer noch vorhanden, um allfällige Sicherungsaufgaben wahrzunehmen. Das stimmt nicht, meine Damen und Herren! Diese 10 000 Mann sind zwar vorhanden, sind aber teilweise Kaderpersonal und Soldaten, die sich in Ausbildung befinden. Ich möchte doch keine Menschen, die


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nicht einmal sechs Wochen beim Bundesheer sind, irgendwo als Kanonenfutter hinschicken. Das ist beispielsweise in sehr unguter Form etwa bei der Grenzsicherung passiert. (Bundesrat Prähauser: Wären Sie für eine Teilmobilisierung?) Gerade jetzt wurde die Beschwerdekommission des Bundesheeres damit belastet, wie etwa Präsenzdiener, die zur Grenzsicherung im Burgenland eingesetzt sind, untergebracht sind. (Bundesrat Prähauser: Wären Sie für eine Teilmobilisierung?) – Bitte, Stefan, lauter. Ich höre schlecht. (Bundesrat Prähauser: Wären Sie für eine Teilmobilisierung?) – Nein, das will ich gar nicht. Ich möchte nur, daß diejenigen Leute, die derzeit dort tätig sind und letztlich mit ihrem Leben einstehen, anständig behandelt werden.

Ein ganzer Zug ist in einem Gasthof untergebracht, in dem nicht einmal 80 Liter Warmwasser vorhanden sind, in dem es eine 40 Watt-Lampe gibt und Mausefallen aufgestellt werden. Die Unterbringung ist katastrophal. Und das weiß niemand! (Bundesrat Payer: Das sind Ausnahmen!) – Entschuldigen Sie! (Bundesrat Payer: Tun Sie nicht immer generalisieren!) – Nein, nein! (Bundesrat Payer: Momentan sind sie ordentlich untergebracht!) – Kollege Payer! Bist du in der Beschwerdekommission? (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Payer. )

Jeder Präsenzdiener hat das Recht, ordentlich untergebracht zu werden. Dieser erwähnte Fall wurde von der Beschwerdekommission behandelt. (Bundesrat  Prähauser: Man sollte den Gasthof schließen!)

Etwas anderes: Dann würden sie sonst nichts mehr bekommen. Das ist überprüft worden. Man sollte einmal schauen, daß die Leute einigermaßen anständig behandelt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Oder: Es ist einfach ein Witz der Weltgeschichte: Bei den ausgegliederten Bundesforsten bezahlt das Bundesheer bei ihren Patrouillegängen 135 S pro Tag und Mann, damit sie in diese ehemaligen Bundesforste gehen und kontrollieren können. Diese sind zwar schon jahrelang in der Grenzsicherung tätig, aber man ist noch nicht auf die Idee gekommen, daß man ihnen die gleichen Rechte wie den Grenzgendarmen einräumt. Das ist paradox. Da beginnt einmal unsere innere Sicherheit, und da beginnt die Wertigkeit, meine Damen und Herren, wie wir über unsere Soldaten, die unser Land verteidigen sollen, denken.

Alle anderen Vergleiche werde ich jetzt lassen, sonst wird die Zeit zu kurz. Aber nur ein paar Anmerkungen zum Herrn Bundesminister für Inneres, der gesagt hat: Für Österreich besteht kein Grund zur Panikmache. – Das ist richtig. Aber trotzdem sollten wir vorsorgen. Da können einerseits Katastrophen sein, wie wir das leidvoll erfahren haben, da können andererseits auch Vorkommnisse sein, wie es etwa die Frage der Kurden gezeigt hat, die plötzlich zu einer Explosion geführt hat.

Wenn Herr Vorredner Konecny gesagt hat, mit den Verdächtigungen in unserer Anfrage möchte er sich nicht auseinandersetzen, dann muß ich ihm sagen, das sind keine Verdächtigungen, wenn man den stellvertretenden Ministerpräsidenten Šešelj etwa zitiert. Es steht heute in der APA: Šešelj ruft Serben in aller Welt zur Vergeltung auf. Feinde des serbischen Volkes müssen vernichtet werden. – Es wird uns wohl noch erlaubt sein, auf solche Gefahrenmomente und Gefährdungsmomente hinzuweisen.

Ich möchte aber auch, da das Bundesheer zumindest offiziell nicht in Frage gestellt wird, einige Zahlen nennen. Ich habe es x-mal gesagt, Österreich hat mit 0,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes das niedrigste Wehrbudget in Gesamteuropa. Sie sollten sich diese Zahlen anhören, die ich Ihnen in diesem Bereich sagen möchte:

Slowenien wendet 1,3 Prozent auf, dann kommt die Schweiz mit 1,6 Prozent, Deutschland mit 1,7 Prozent ... (Zwischenruf des Bundesrates Payer. ) – Er ist auch mit einer Anfrage tangiert. Aber Sie sollten sich auch das anhören, Herr Kollege, weil bei der nächsten Budgetverhandlung Ihr Bundeskanzler wieder sagen wird: Selbstverständlich werden die Hubschrauber angeschafft, wenn die Lawinenkatastrophe in Galtür vorbei ist. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. )

Jetzt darf ich Ihnen noch etwas sagen, weil Sie immer so gescheite Zwischenrufe machen (Bundesrat Konecny: Jeder tut das, was er kann!): Das Pioniergerät unseres Bundesheeres befindet


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sich derzeit fast zur Gänze in Bosnien. Wir haben seit 50 Jahren die höchste Schneemenge. Ich hoffe nicht, daß es zu Überschwemmungen kommt. Jedes Frühjahr muß dafür das Bundesheer eingesetzt werden. Für die Pionierbereiche ist das entsprechende Gerät nicht vorhanden.

Nachher, Herr Kollege Konecny, ist es leicht, das lächerlich zu machen, wenn Menschen bereits gefährdet oder getötet sind, aber das ist immer Ihre Masche gewesen. Auf der einen Seite spielen Sie die Landesverteidigung herunter und stellen nicht die notwendigen Mittel zur Verfügung, und auf der anderen Seite, wenn es brennt, sagen Sie: Jawohl, jetzt brauchen wir etwas. Beim nächsten Budget sagen Sie dann wieder nein. Das ist der übliche Weg, den Sie beschreiten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Neutralität noch ein paar Worte: Richtigerweise schreibt eine heutige Zeitung: Doppelte Handschellen. – Der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler sagen, daß dieser Angriff durchaus seine Legitimität habe und notwendig sei. Unser südlicher Nachbar Slowenien, der erst kürzlich zur NATO beigetreten ist, bietet den Überflug von Maschinen an, Joschka Fischer verhandelt mit dem österreichischen Außenminister und bittet ihn, daß die Tornadomaschinen über Österreich fliegen können. – Nein, das kann nicht sein.

Offiziell goutiert man diese Situation. Wie wird das von anderen, nicht nur von Mitgliedsländern der Europäischen Union, nicht nur von NATO-Mitgliedern beurteilt? – Sie machten es sehr vornehm. Woanders sagen sie, das sei eine Lachnummer. Hier sagen sie, das sei eine verschrobene Definition der Neutralität. Gehen wir endlich einmal so weit, meine Damen und Herren, und bekennen wir uns: Es gibt drei Optionen für uns: Erstens: weiterwursteln so wie bisher und hoffen, daß nichts passiert, total unterversichert zu sein. Die zweite Option ist, einen Weg zu wählen wie die Schweiz, und das wollen wir uns offensichtlich finanziell nicht leisten. Der dritte Weg ist, einem entsprechenden Sicherheitsbündnis beizutreten. Dazu wird von allen gesagt: Es soll halt in Europa sein. Es soll europäisch sein. Es hindert uns niemand daran, darauf zu dringen. Warum machen wir es nicht? – Wir schläfern die Bevölkerung ein, wir fördern es, daß wir unsicher werden, und wir hungern unser Bundesheer total aus. Die Soldaten haben einen hervorragenden Ausbildungsstand, das Material würde in manchen Ländern nicht einmal mehr von einem Altwarenhändler genommen werden. So schaut es tatsächlich aus.

Deswegen, meine Damen und Herren, hoffe ich, daß es in diesem Land keine Anschläge gibt, aber wir sollten für unsere innere Sicherheit vorsorgen. Im Hinblick auf die äußere Sicherheit habe ich bereits gesagt, daß ich glaube, daß wir dem Militärbündnis NATO beitreten sollten, sonst wird die sicherheitspolitische Position Österreichs noch fragwürdiger und verschrobener.

Diese Position gilt wahrscheinlich auch für Schweden, nur haben die Schweden wesentlich mehr vorgesorgt als wir. Die Schweden sind in der Lage, ihren neutralen Status zu bewahren, und wie lange das dauert, werden wir erst sehen.

Es kann doch nicht sein, meine Damen und Herren, daß wir beim SFOR-Einsatz in Bosnien teilnahmen und andererseits im Vorzimmer in Brüssel bei der NATO warten, wie sie entscheiden, wie unsere Soldaten eingesetzt werden. Das kann doch nicht sein. Dort stehen unsere Soldaten unter NATO-Kommando. Auch das ist bereits meiner Meinung nach ein Bruch der Neutralität. Wir haben diesen Bruch der Neutralität seinerzeit schon festgestellt: EU-Beitritt, GASP. Wir bekennen uns zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Dieses Bekenntnis hat es in sich, daß wir nicht mehr neutral sind.

Wir haben der österreichischen Bevölkerung darzutun, wie wir tatsächlich denken, wie wir unsere Optionen anlegen, wie wir unserer Bevölkerung den bestmöglichen Schutz garantieren. Daher möchte ich einen Entschließungsantrag einbringen, der wie folgt lautet:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen betreffend Klärung der sicherheitspolitischen Position Österreichs


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Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Rahmen der österreichischen Sicherheitspolitik endlich Klarheit über den seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union problemhaften Status hinsichtlich der Neutralität und den angekündigten Beiträgen zu einem (europäischen) Sicherheitssystem zu schaffen und entsprechende Vorschläge dem Parlament beziehungsweise der Bevölkerung zur Entscheidung vorzulegen."

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Dr. Bösch und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Klärung der sicherheitspolitischen Position Österreichs ist genügend unterstützt und steht demnach auch mit in Verhandlung.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Windholz. – Bitte.

16.00

Bundesrat Ernest Windholz (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Vizepräsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der Terrorismus als Bedrohung für die Sicherheit Österreichs ist seit einigen Monaten Dauerthema. Es hat begonnen mit der Verhaftung von Abdullah Öcalan in Italien, mit dem anschließenden Chaos am Brenner, mit weiteren Verhaftungen und den anschließenden Botschaftsbesetzungen ging es weiter. Jetzt sind wir einer potentiellen Gefahr des serbischen Terrorismus ausgesetzt. Die "Schwarze Hand", wer immer dahintersteckt, drohte bereits mit Terror.

Die Wiener Polizei war Dienstag früh in erhöhter Alarmbereitschaft. Ein anonymer Anrufer beim griechischen Fremdenverkehrsbüro kündigte Anschläge auf U-Bahn-Stationen und ein Spital an.

In diesem Zusammenhang muß man sich vor Augen halten, daß der stellvertretende serbische Ministerpräsident Šešelj am Donnerstag die Serben in aller Welt zur Vergeltung für die NATO-Luftangriffe aufgefordert hat. Er sagte unter anderem, in einem solchen Krieg gäbe es kein Zaudern, keinen Rückzug und keine Kapitulation.

In diesem Zusammenhang muß man sicher mehrere Fragen stellen, so zum Beispiel: Wie ist denn die österreichische Exekutive gerüstet? – Der Innenminister sagte, es sei alles bestens. Ich sage, daß die österreichische Exekutive schlecht gerüstet ist, vor allem im personellen Bereich. Innenminister Schlögl war nämlich Haupttäter bei der Vernichtung von über 1 000 Planstellen im Bereich der Exekutive, und zwar in seiner Funktion als Beamtenstaatssekretär, aber auch in seiner Funktion als Innenminister.

Eine andere Frage: Wie sieht es mit der Überwachung der grünen Grenze nördlich der Donau aus? – Hier wurde heute verkündet, daß alles bestens ist und sich der Assistenzeinsatz bewährt hat. Herr Minister! Aber leider Gottes gibt es nördlich der Donau noch immer nicht den Assistenzeinsatz des Bundesheeres, obwohl er sich gegenüber Ungarn bestens bewährt hat. 33 000 aufgegriffene Illegale im Rahmen des Assistenzeinsatzes – das sind 66 Prozent aller Aufgegriffenen, die illegal nach Österreich einsickern wollten!

Oder die Frage: Wie sieht es mit notwendigen Reformen aus? – Sie haben gesagt, daß alles bestens sei. Das Sicherheitspolizeigesetz liegt seit November auf. Allerdings hat man monatelang mit dem Koalitionspartner verhandelt, sowohl beim Sicherheitspolizeigesetz als auch beim Militärbefugnisgesetz, monatelang gab es keine Einigung; offen wurde nach außen getragen, daß es in dieser Frage ganz große Reibflächen gibt, Bereiche, bei denen man sich nicht einig werden kann.

Wie sieht es mit den Geheimdiensten aus, Herr Minister? Heeres-Nachrichtendienst, Heeres-Abwehramt, Staatspolizei – Sie sagen, daß alles bestens ist. Wir Freiheitlichen meinen, daß die


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Koordination schlecht ist und daß in diesem Land immer wieder die Falschen überwacht werden.

Der Prozeß um Franz Fuchs betreffend die Briefbomben-Causa hat einmal mehr gezeigt, daß in diesem Land die Falschen überwacht werden, zum Beispiel nach Beschlagnahme der Kartei der "Aula"-Bezieher. Da wurden ehrbare, rechtschaffene, hochanständige Menschen observiert und überwacht. (Bundesrat Schöls: Das ist Ihre persönliche Meinung!) Bis heute hat sich bei ihnen niemand entschuldigt. Ebenso wurde offen, daß es da Querverbindungen bis hin zur Longo Mai gibt. Kein Mensch bei den Sicherheitsbehörden hat sich dafür eingesetzt, daß auch dem nachgegangen wird.

Herr Minister! Alles in allem muß man feststellen, daß immer wieder gegen die Falschen ermittelt wird. Wir haben das auch bei den Botschaftsbesetzungen gesehen. Jeder, der den Staatsschutzbericht liest und kennt, weiß, was sich die PKK zum Ziel gesetzt hat.

Lange vor der Exekutive war bereits der grüne Abgeordnete Pilz am Tatort, lange vor der Exekutive. Man sieht, es werden die Falschen in Position gebracht, die die Sicherheit garantieren sollen. Pilz wird das wohl nicht sein. (Bundesminister Mag. Schlögl: Das ist der V-Mann von Sika! – Heiterkeit. – Beifall des Bundesrates Thumpser. ) Der V-Mann von Sika!

Herr Minister! Ermitteln Sie endlich gegen jene, die tatsächlich die Sicherheit in Österreich gefährden! Schaffen Sie entsprechende materielle und personelle Voraussetzungen!

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Mag. John Gudenus, Dr. Paul Tremmel, Ernest Windholz und Kollegen betreffend Steigerung der inneren und äußeren Sicherheit Österreichs im Fall bewaffneter Konflikte in Europa

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich dafür zu sorgen, daß die materiellen und personellen Voraussetzungen geschaffen werden, die Sicherheit Österreichs und seiner Bewohner im Falle einer Bedrohung infolge kriegerischer Auseinandersetzungen in seiner näheren oder ferneren Nachbarschaft und deren Folgen zu gewährleisten.

*****

(Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Dr. Bösch und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Steigerung der inneren und äußeren Sicherheit Österreichs im Fall bewaffneter Konflikte in Europa ist genügend unterstützt und steht in Verhandlung.

Es liegt keine weitere Wortmeldung vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege Bieringer.

16.06

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken, wenn ich die zwei Entschließungsanträge der FPÖ lese. Meine Damen und Herren! Müssen Sie einen Terroranschlag herbeireden? (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist absurd!) Müssen Sie einen Anschlag auf die innere Sicherheit in diesem Land herbeireden? – Sie haben gehört, was der Herr Bundes


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minister für Inneres hier erklärt hat, und ihm vertraue ich allemal mehr als so manchem Stammtischredner hier. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte nur drei Anmerkungen machen:

Erstens: Wenn du, Paul Tremmel, beklagst, daß die österreichischen Soldaten im Burgenland in einem Gasthaus untergebracht sind und das menschenunwürdig ist, dann kann ich nur sagen: Es gibt nur eine Alternative dazu, nämlich ein Zeltlager, weil dort in weiten Bereichen überhaupt keine Unterkunftsmöglichkeiten oder Unterbringungsmöglichkeiten für die Soldaten bestehen. Das Bundesheer wird dort sicher keine Kaserne errichten können. (Zwischenruf.)

Zweitens: die Bezahlung. Das Bundesheer wird nicht anders bezahlt als die Sicherheitsorgane, die dort Grenzdienst leisten, nämlich mit null Schilling. (Bundesrat Dr. Tremmel: Da hast du mich mißverstanden ...!)

Herr Kollege! Du hast gesagt, daß die Soldaten dort bezahlt werden müssen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Nein!) Ich würde dir empfehlen, einen Kommentar in der heutigen Ausgabe der "Salzburger Volkszeitung" zu lesen, in der Manfred Maurer unter dem Titel "Kriegsangst" unter anderem schreibt, und zwar als letzten Absatz – vorher hat er Boris Jelzin zitiert, der einen Weltkrieg heraufbeschwören will –: Wenn überhaupt, dann wäre Kriegsangst viel eher vor dem Beginn der NATO-Aktion angebracht gewesen. Oder war der letzte Weltkrieg nicht etwa eine Folge des langen Zauderns und Zögerns gegenüber einem Staatsterroristen? – Dem habe ich nichts hinzuzufügen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.08

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Kollege Tremmel, zu einer tatsächlichen Berichtigung.

16.09

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Klubobmann Bieringer! Lieber Ludwig! Ich habe nicht über die Bezahlung der Soldaten gesprochen, sondern ich habe darüber gesprochen, daß das österreichische Bundesheer beim Assistenzeinsatz, daß die Soldaten beim Betreten der ehemaligen Bundesforste, die jetzt ausgegliedert sind, derzeit 125 S pro Mann und Tag zahlen müssen. Und das empfinde ich als sehr verquere Situation. (Bundesrat Bieringer: Bei Übungen!) – Auch beim Assistenzeinsatz. Man sollte ihnen dieselben Rechte zubilligen wie den Grenzgendarmen. Nicht mehr und nicht weniger habe ich verlangt. (Bundesrat Bieringer: Ist vorhanden!)

16.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Klärung der sicherheitspolitischen Situation Österreichs vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.


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Der Antrag auf Fassung einer Entschließung ist daher abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Dr. Bösch und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Steigerung der inneren und äußeren Sicherheit Österreichs im Fall bewaffneter Konflikte in Europa vor.

Auch über diesen Entschließungsantrag lasse ich abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung einer Entschließung ist daher abgelehnt.

Ich gebe noch bekannt, daß in der heutigen Sitzung zwei weitere Anfragen, nämlich 1598/J und 1599/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 15. April 1999, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat verabschiedet hat, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen sowie der schon früher eingelangte Beschluß des Nationalrates vom 25. Februar 1999 betreffend ein Übereinkommen über die Markierung von Plastiksprengstoffen zum Zweck des Aufspürens samt Anhang und Erklärung der Republik Österreich.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 13. April 1999, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluß der Sitzung: 16.12 Uhr