Stenographisches Protokoll

661. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 18. Februar 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier

Stenographisches Protokoll

661. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 18. Februar 2000

Dauer der Sitzung

Freitag, 18. Februar 2000: 11.04 – 21.50 Uhr

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Tagesordnung

Erklärung der Bundesregierung

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Ersten Präsidentin des Wiener Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes 5

Personalien

Krankmeldungen 4

Entschuldigungen 4

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der mit der Fortführung der Verwaltung betrauten Bundesregierung und der Staatssekretäre 4

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Ernennung der neuen Mitglieder der Bundesregierung und der Staatssekretäre 4

Ausschüsse

Zuweisungen 6

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Wolfgang Hager und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Fertigstellung des Semmering-Basistunnels (1682/J-BR/00)

Begründung: Wolfgang Hager 65

Beantwortung: Bundesminister Dipl.-Ing. Michael Schmid 68

Redner:

Johanna Schicker 71

Dr. André d'Aron 73

Georg Keuschnigg 74

Mag. Melitta Trunk 75

Mag. Karl Wilfing 77

Peter Marizzi 78

Bundesminister Dipl.-Ing. Michael Schmid 79

Albrecht Konečny 80

Entschließungsantrag der Bundesräte Johanna Schicker und Genossen betreffend rasche Realisierung des Semmering-Basistunnels 72

Ablehnung 81

Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen betreffend rasche Realisierung des Semmering-Basistunnels 80

Ablehnung 82

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung 82

der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Wissensstand des nunmehrigen Bundeskanzlers zu Reaktionen des Auslandes auf eine Regierungsbeteiligung der FPÖ (1683/J-BR/00)

Begründung: Albrecht Konečny 83

Beantwortung: Staatssekretär Franz Morak 87

Redner:

Stefan Prähauser 89

Dr. Ferdinand Maier 92

Dr. Peter Böhm 95

Dr. Günther Hummer 96

Erhard Meier 99

Ulrike Haunschmid 101

Mag. John Gudenus 103

Verhandlungen

Erklärung der Bundesregierung

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel 7

Debatte:

Albrecht Konečny 13

Ludwig Bieringer 19

Dr. Peter Böhm 21

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer 25

Karl Drochter 30

Alfred Schöls 35

Engelbert Weilharter 37

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 39

Johanna Schicker 41

Peter Rodek 44

Dr. André d'Aron 48

Stefan Prähauser 50

Mag. Harald Himmer 55

und (tatsächliche Berichtigung) 125

Mag. John Gudenus 58

Peter Marizzi 60

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 62

Georg Keuschnigg 64

Brunhilde Fuchs 106

Johann Ledolter 108

Erhard Meier 112

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 115

Horst Freiberger 117

Uta Barbara Pühringer 120

Mag. Melitta Trunk 122

und (tatsächliche Berichtigung) 138

Ing. Franz Gruber 125

Johann Grillenberger 127

Maria Grander 129

Hans Ager 131

Jürgen Weiss 132

Ing. Kurt Scheuch 136

Ilse Giesinger 139

Ferdinand Gstöttner 139

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Wolfgang Hager und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Fertigstellung des Semmering-Basistunnels (1682/J-BR/00)

der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Wissensstand des nunmehrigen Bundeskanzlers zu Reaktionen des Auslandes auf eine Regierungsbeteiligung der FPÖ (1683/J-BR/00)

der vom Tiroler und vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Hans Ager, Georg Keuschnigg, Klaus Gasteiger, Wilhelm Grissemann, Maria Grander, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Erleichterung grenzüberschreitender Such- und Rettungsflüge (1684/J-BR/00)

der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Beschaffungsvorhaben des Österreichischen Bundesheeres (1685/J-BR/00)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Inneres betreffend Einsicht der Gemeindesicherheitswachen in die Kfz-Zulassungsevidenz (1686/J-BR/00)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Christoph Hagen und Kollegen (1553/AB-BR/00 zu 1677/J-BR/99)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Hans Ager und Kollegen (1554/AB-BR/00 zu 1678/J-BR/99)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Georg Keuschnigg, Maria Grander und Hans Ager (1555/AB-BR/00 zu 1672/J-BR/99)

Beginn der Sitzung: 11.04 Uhr

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich eröffne die 661. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 660. Sitzung des Bundesrates vom 3. Februar 2000 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Hedda Kainz, Mag. Harald Repar und Mag. Christof Neuner.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Dr. Vincenz Liechtenstein und Engelbert Schaufler.

Einlauf und Zuweisungen

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt ist ein Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Amtsenthebung der mit der Fortführung der Verwaltung betrauten Bundesregierung und der Staatssekretäre.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 4. Februar 2000, Zl. 300.000/1-BEV/2000, die mit der Fortführung der Verwaltung betraute Bundesregierung sowie die Staatssekretäre im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten und den Staatssekretär im Bundeskanzleramt vom Amte enthoben hat.

Mit freundlichen Grüßen

Der Bundeskanzler"

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Verlesung.

Das dient zur Kenntnis.

Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Ernennung der neuen Mitglieder der Bundesregierung und Staatssekretäre.

Ich darf wieder die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens ersuchen.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich beehre mich mitzuteilen, dass der Herr Bundespräsident mit Entschließung vom 4. Februar 2000, Zl. 300.000/3-BEV/2000, mich gemäß Artikel 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz zum Bundeskanzler ernannt hat.

Weiters hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz auf meinen Vorschlag ernannt:

Dr. Susanne Riess-Passer zum Vizekanzler,

Dr. Benita Ferrero-Waldner zur Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten,

Dr. Martin Bartenstein zum Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten,

Dr. Elisabeth Sickl zur Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales,

Mag. Karl-Heinz Grasser zum Bundesminister für Finanzen,

Dr. Ernst Strasser zum Bundesminister für Inneres,

Dr. Michael Krüger zum Bundesminister für Justiz,

Herbert Scheibner zum Bundesminister für Landesverteidigung,

Mag. Wilhelm Molterer zum Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,

Elisabeth Gehrer zur Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten,

Dipl.-Ing. Michael Schmid zum Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr.

Ferner hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 78 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz

Franz Morak zum Staatssekretär ernannt und ihn mir zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung beigegeben,

Mares Rossmann zur Staatssekretärin ernannt und sie zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten beigegeben,

Universitätsprofessor Dr. Reinhart Waneck zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales beigegeben,

Dr. Alfred Finz zum Staatssekretär ernannt und ihn zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung des Bundesministers für Finanzen beigegeben.

Schließlich hat der Herr Bundespräsident gemäß Artikel 70 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 77 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz bis zu einer Änderung des Bundesministeriengesetzes Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer mit der vorläufigen Leitung des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie betraut.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Schüssel"

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Verlesung und bitte Sie, auch dieses Schreiben zur Kenntnis zu nehmen.

Es liegt weiters ein Schreiben der Ersten Präsidentin des Wiener Landtages betreffend Wahl eines Ersatzmitgliedes vor.

Ich darf die Schriftführerin um Verlesung des Schreibens ersuchen.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Ich bringe das Schreiben zur Verlesung:

"Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Herr Abgeordneter Professor Josef Rauchenberger hat sein an sechster Stelle gereihtes Mandat im Bundesrat zurückgelegt. Auf dieses Mandat rückte das an gleicher Stelle gereihte Ersatzmitglied, Frau Brunhilde Fuchs, nach.

Auf Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats wurde in der Sitzung des Wiener Landtags vom 4. Februar 2000 Frau Abgeordnete Mag. Christine Lapp als neues Ersatzmitglied für die sechste Stelle gewählt.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Maria Hampel-Fuchs"

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Verlesung.

Auch dieses Schreiben dient zur Kenntnisnahme.

Eingelangt sind drei Anfragebeantwortungen, 1553/AB bis 1555/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Den eingelangten Kulturbericht 1998 der Bundesregierung weise ich dem Ausschuss für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten und den eingelangten Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich – es ist dies der Sicherheitsbericht 1998 – weise ich dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zu.

Ankündigung von dringlichen Anfragen

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Wolfgang Hager und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Fertigstellung des Semmering-Basistunnels vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Weiters gebe ich Ihnen bekannt, dass eine dringliche Anfrage von Professor Albrecht Konečny und Genossen an den Herrn Bundeskanzler betreffend Wissensstand des nunmehrigen Bundeskanzlers zu Reaktionen des Auslandes auf eine Regierungsbeteiligung der FPÖ vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung dieser dringlichen Anfrage an den Anschluss der Behandlung der ersten dringlichen Anfrage.

1. Punkt

Erklärung der Bundesregierung

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und gelangen zur Erklärung der Bundesregierung.

Ich begrüße Herrn Bundeskanzler Dr. Schüssel, Frau Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer, Herrn Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Bartenstein und Herrn Bundesminister für Inneres Dr. Strasser.

Ich höre gerade, dass der Herr Bundesminister für Justiz, der sein Kommen angekündigt hat, bereits unterwegs ist.

Weiters begrüße ich Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer, Frau Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer, Herrn Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dipl.-Ing. Schmid sowie die Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten Mares Rossmann sehr herzlich in unserer Mitte! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bevor ich dem Herrn Bundeskanzler das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass mir ein schriftliches Verlangen von fünf Bundesräten im Sinne des § 37 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates vorliegt, im Anschluss an die vom Herrn Bundeskanzler namens der Bundesregierung abgegebene Erklärung eine Debatte durchzuführen.

Da dieses Verlangen genügend unterstützt ist, werde ich diesem ohne weiteres stattgeben.

Ich erteile nun dem Herrn Bundeskanzler zur Regierungserklärung das Wort. – Bitte.

11.15

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie mit der auf den Tag genau vor 14 Tagen neu angelobten Bundesregierung hier begrüßen. Wir haben uns ausgemacht, dass wir, weil nicht genügend Plätze vorhanden sind, turnusmäßig hier präsent sein werden.

Ich habe die schriftliche Rede, die das gesamte Programm enthält, verteilen lassen und habe darum gebeten, dass ich in einer kürzeren, verdichteten Form in freier Rede dazu Stellung nehmen darf. Ich bitte daher um Verständnis, dass ich jetzt nicht alles vorlese. Ich glaube, dass das sicherlich auch im Sinne einer parlamentarischen Diskussion zweckmäßiger ist.

Österreich ist am Beginn dieses Jahrhunderts mit sehr guten Voraussetzungen angetreten und ausgestattet. Ich würde sagen: Wir haben bessere Voraussetzungen denn je zuvor. Wir haben eine ökonomische Erfolgsbilanz, und wir haben eine soziale und eine demokratische Erfolgsbilanz. Wir haben uns innerhalb der letzten Jahre sehr gut positioniert. Wir haben die Ostöffnung vor zehn Jahren hervorragend verkraftet und die seit fünf Jahren bestehende Integration in die Europäische Union zu einem Erfolg gemacht. Wir stehen daher gut gerüstet am Beginn dieses neuen Millenniums!

Dennoch – das will ich hier nicht verschweigen – ist diese Regierung unter sehr schwierigen Voraussetzungen angetreten. Einerseits haben wir im Inneren große Probleme, was das Budget und die Sicherheit der Altersvorsorge betrifft. In diesen Tagen erreichen uns beunruhigende Meldungen über ein Defizit in den Krankenkassen, das praktisch von Woche zu Woche höher wird. Noch im Dezember hieß es: Es beträgt 2 Milliarden. Für heuer sollen es plötzlich 6 Milliarden sein, und für die Jahre 2001 und 2002 werden es möglicherweise noch höhere Beträge sein. Daher ist es sehr wichtig, dass wir am Beginn dieser Regierungsarbeit einen Kassasturz machen und auch offen und ehrlich darüber informieren, wo wir stehen.

Noch viel schwieriger aber ist – darauf möchte ich zu Beginn meiner Erklärung eingehen –, dass wir bei Übernahme der Regierung und zu Beginn der Regierungsarbeit mit massivem öffentlichen Druck im Inland konfrontiert sind, aber vor allem auch durch die Maßnahmen der Vierzehn. Seit dem absehbaren Ende der Verhandlungen zwischen der Freiheitlichen Partei und der Österreichischen Volkspartei und der Aufnahme der Regierung wird im In- und Ausland so getan, als ob sich Österreich deutlich verändert hätte. Und das ist nicht wahr! Österreich war und ist ein stabiles und offenes Land, und wir werden dies immer bleiben. Daran darf überhaupt kein Zweifel bestehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wer die internationale Presse und auch die Inhalte der Maßnahmen der 14 anderen EU-Staaten beurteilt, kommt zur Auffassung, dass Österreich ganz anders dasteht, als wir uns selbst sehen. Vielleicht haben wir uns manches auch vorgemacht, das will ich durchaus auch einräumen. Aber ich kann nicht glauben, dass wir dem Zerrbild auch nur einigermaßen entsprechen, das in manchen internationalen Medien von uns gezeichnet wird.

Ich sage hier sehr offen: Härte, Ausmaß und Geschwindigkeit der Maßnahmen und die Art des Vorgehens von 14 EU-Staaten haben Österreich schockiert. Diese Maßnahmen waren nicht gerechtfertigt. Sie sind nicht fair. Sie sind nicht in einem demokratischen Verfahren eingeleitet worden, an dem Österreich seine eigene Position selbst darstellen können hätte. Diese Maßnahmen entsprechen daher auch nicht dem Geist und dem Wortlaut der Verträge der Europäischen Union, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich halte der Kritik des Auslands und manchmal auch jener des Inlands entgegen: Alle Parteien in diesem Haus, sei es im Nationalrat, sei es hier im Bundesrat, stehen zu den Grundwerten der Demokratie!

Wir haben die schärfsten Verbotsgesetze in ganz Europa, und gäbe es einen Zweifel an der demokratischen Legitimität – man kann einzelne Parteien mögen oder nicht mögen –, gäbe es einen Zweifel an der demokratischen Grundhaltung dieser Parteien, dann wären in Österreich jene Rechtsinstrumente da, um ein Kandidieren und ein Zulassen zu den Wahlen zu verhindern, und das sind Offizialdelikte. Sie sind niemals angewandt worden.

Daher möchte ich als Bundeskanzler ganz eindeutig klarstellen, dass es da einen demokratischen Grundkonsens gibt, der sämtliche Parteien im National- und im Bundesrat mit einschließt.

Aber ich verschweige nicht – auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu –, dass es ein Problem der Worte, der Sprache und der Tonlage gibt, und es ist für uns alle wichtig, dass wir in Zukunft mehr Sensibilität in unseren Äußerungen walten lassen und Feingefühl gegenüber anderen zeigen. Jeder muss bei sich selbst beginnen. Ich möchte aber auch auf Grund der Wortmeldungen und mancher Schriften in den letzten Tagen diesen Appell in alle Richtungen verstärken, denn wir sind kein Regime, wie es manche plötzlich sagen. Wir auf dieser Regierungsbank sind eine demokratisch legitimierte Regierung, die sich auf eine breite Mehrheit stützt. Wir sind nicht vergleichbar mit Regimes anderer Länder. Ich brauche hier nicht auf Beispiele einzugehen, wir lehnen allein schon den Vergleich ab. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es gefällt mir auch nicht, wie undifferenziert man mit Vokabeln wie "Faschismus" umgeht. Gerade angesichts der Gräuel, die Nationalsozialismus und Faschismus im vorigen Jahrhundert angerichtet haben, ist es eine unerträgliche Banalisierung dieses Horrors, wenn man diese Worte am Beginn des 21. Jahrhunderts auf einzelne Politiker oder politische Bewegungen anwendet. Auch dieser Punkt muss, so glaube ich, gemeinsam von allen Demokraten in diesem Haus zurückgewiesen werden.

Wir sagen in dieser Regierungserklärung Ja zum Vertreiben der Sorgen und Ängste, die es natürlich gibt. Mir ist sehr wohl bewusst, dass es Menschen gibt – ältere, jüngere, politisch interessierte oder weniger interessierte –, die sich in einer solchen Zeit, in der etwas Neues entsteht, Sorgen machen und Angst haben, und es wird unsere Aufgabe sein, gemeinsam, als Bundesregierung und sicherlich auch als Vertreter der Parlamentarier im National- und Bundesrat, Ängste zu nehmen und Sorgen zu mildern.

Ich verstehe sehr gut, dass sich, wenn beispielsweise gestern auf dem Naschmarkt Flugblätter in türkischer Sprache verteilt wurden, in denen es quasi heißt, dass in Österreich Türken in Hinkunft ausgewiesen werden, ausländische Staatsbürger oder auch inländische Staatsbürger, die nicht in Österreich geboren sind, angesichts solcher Propaganda Sorgen machen.

Ich sage Ihnen auch ganz offen, und ich sage es hier offiziell: Als Bundeskanzler und als Bundesregierung werden wir gemeinsam dafür sorgen, dass sich in diesem Land niemand fürchten muss, der sich legal hier aufhält und entsprechend aufführt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Eine meiner wichtigsten Aufgaben wird es eben sein, die Sorgen, Nöte und Ängste zu mindern. Ich bitte Sie alle als verantwortliche Politiker, die Emotionen, die natürlich in diesen Tagen besonders hoch fliegen – manchmal liegen auch die Nerven blank –, dass wir Ruhe ausstrahlen, dass wir Besonnenheit zeigen, dass wir mit Gelassenheit und auch Festigkeit auftreten, wie dies gerade in den ersten beiden Reden die neue Sozialministerin Dr. Sickl und die neue Außenministerin Benita Ferrero-Waldner in meiner Meinung nach hervorragender Weise getan haben. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ.) Das ist der richtige Weg, und diesen Weg wollen wir gemeinsam und konsequent weitergehen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir sagen Ja zu Europa, Ja zur Mitgliedschaft Österreichs zur Europäischen Union. Immerhin hat sich eine Zweidrittelmehrheit der Bevölkerung in einer Volksabstimmung – mehr als in jedem anderen Land Europas! – zu dieser Mitgliedschaft bekannt, und deswegen haben wir auch ein Recht darauf, einzufordern, dass unsere Rechte innerhalb dieser Europäischen Union nicht gemindert werden. Das ist unser Recht, das ist nichts, worum wir demütig bitten müssen, und die anderen Vierzehn haben es uns zu geben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir sagen Ja zur Teilnahme Österreichs an der europäischen Währung, weil sie eine große Chance zur Stabilisierung des Geldwertes und zur Entstehung eines europäischen Kapitalmarkts ist, und wir sagen Ja zur Erweiterung, denn es ist eine historische Chance für das Herz Europas, wenn man diese Erweiterung richtig begreift, richtig verhandelt und auch wirklich gemeinsam zu einem Erfolg für die Kandidaten und natürlich auch für die 15 EU-Mitgliedstaaten macht.

Wir sagen Ja zur multilateralen Einbindung Österreichs in die Vereinten Nationen, zur Abrüstung, zu Fragen der Kernkraftkontrolle, zu Fragen der Bewahrung der Menschenrechte und der Minderheitenrechte, und wir werden da mehr tun, als so manche andere der 14 Kritiker in ihren eigenen Ländern bisher getan haben. Wir sind dazu bereit, und wir werden uns hier von niemandem beschämen lassen.

Wir sagen Ja zur OSZE, die ihren Sitz in Österreich hat und bei der jetzt gerade Österreich und damit die Außenministerin den Vorsitz führt – eine besonders schwierige und wichtige Aufgabe, die wir gerne wahrnehmen, denn die OSZE ist die Plattform für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, und ich bin sicher, Benita Ferrero-Waldner wird mit all ihrem Wissen, ihrem Mut, ihrer Kraft diese Vorsitzführung zu einem großen Erfolg machen.

Wir sagen im Bereich der Staatsfinanzen Ja zu einem stabilen Budget. Ich habe am Anfang gesagt, wir haben da sehr viele Probleme übernommen, und es war auch eines der Hauptthemen und auch eine der Hauptschwierigkeiten in den Verhandlungen zwischen Volkspartei und Sozialdemokratie, wie wir in Bezug auf die Budgetdefizite, die ohne Gegenmaßnahmen drohen – im heurigen Jahr 109 Milliarden und in den nächsten Jahren, in den Folgejahren, bis 125, 130 Milliarden Schilling ansteigend –, gegensteuern.

Wir wollen dies in einer sozial verträglichen Art tun, wir wollen die kleinen Leute schonen. Wir wollen mit dem Sparen bei uns selbst beginnen, daher haben wir weniger Ministerien denn je zuvor. Dies ist die kleinste Regierung, was die Zahl der Ministerien betrifft – zwölf an der Zahl –, und wir werden auch bei den Ermessensausgaben, auch bei den Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit, zu sparen beginnen. Wir haben im vergangenen Jahr in diesem Bereich Zahlen gesehen, die, ehrlich gesagt, in dieser Höhe absolut unvertretbar waren. Mit dem Sparen beginnen wir bei uns, nicht beim kleinen Mann! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dazu gehört, dass wir natürlich auch den Mut haben müssen, die Bürokratie insgesamt schlanker und effizienter zu machen. Ich bin sicher, gerade der öffentliche Dienst wird dies besonders begrüßen, denn am meisten leiden die Beamten selbst unter den Doppelgleisigkeiten, unter den Vielfach-Zuständigkeiten, unter dem Gewirr von Kompetenzen innerhalb der Ministerien, aber auch mit Ländern und mit Gemeinden.

Daher werden wir den Mut haben müssen, bei uns selbst in der Verwaltung zu sparen. Als ersten Schritt haben wir schon in den ersten 14 Tagen im Ausschuss eine neue, moderne Kompetenzverteilung beschlossen, die Jahrzehnte alte Wünsche befriedigt, etwas, was früher nie möglich gewesen ist. (Bundesrat Konečny: Wollten wir schon immer die Forschung auf fünf Ressorts aufgliedern?)

Herr Kollege Konečny! Zum ersten Mal werden alle drei Forschungsfφrderungsfonds, der ITF, der FFF und der FWF, in einem Ressort bei Minister Schmid gebündelt. Damit ist zum ersten Mal das verwirklicht, woran Viktor Klima und seine Minister immer gescheitert sind, weil niemand bereit gewesen ist, über das eigene Ressort, über die eigene Ressortgrenze hinaus zu denken. Zum ersten Mal ist Forschung in einer Hand! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie erinnern sich sicher an die vielfachen Forderungen, dass es ein Infrastrukturministerium geben möge, in dem Schiene, Straße, Wasserwege und Luftverkehr in einer Hand sind. Warum ist es nicht gemacht worden? – Wir haben es innerhalb von zehn Tagen beschlossen, und es wird demnächst Gesetz.

Zum ersten Mal gibt es ein faszinierendes Ressort, das die gesamte Arbeits- und Wirtschaftswelt bündelt und in einer ganzheitlichen Betrachtung auch wirklich löst. Denn: Warum soll ich eigentlich eine künstliche Unterscheidung in der Wirtschafts- und Arbeitswelt aufbauen? – Das Ressort Wirtschaft und Arbeit ist ein faszinierendes Modell, wie man zukünftig mit Fragen der Arbeitsplätze, der Standortpolitik vorgehen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben zum ersten Mal ein übergreifendes Generationenministerium, in dem die Jungen, die Alten, die Familien, die Frauen in einer Hand sind, was die Kranken- und Pensionsversicherung angeht; ebenfalls eine faszinierende Aufgabe. Ich habe auch in meinem eigenen Ressortbereich versucht, die Mehrfachkompetenzen zu beenden. Heute gibt es einen , der für die Anti-Atom-Politik und für die nukleare Sicherheit zuständig ist: Das ist der Minister für die gesamten Lebens- und Umweltbereiche, Boden, Wasser, Luft und Wald. (Bundesrat Payer: Das passt eh gut zusammen!)  – Das passt hervorragend zusammen, möchte ich ganz offen sagen, das sind nämlich die Lebensgrundlagen unserer Gesellschaft, meine Damen und Herren! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe auch die Doppelgleisigkeit zwischen Bundeskanzleramt und Außenministerium, die nicht gut gewesen ist, beseitigt. Es wird heute die gesamte EU-Vorarbeit in der Sektion der Sektionsleiterin Eva Nowotny konzentriert, was, so glaube ich, auch ein sehr wichtiges Signal ist, dass da Parteigrenzen keine Rolle spielen. Wir wollen eine professionelle Vorarbeit für alle Ressortbereiche und keine Parallelitäten, keine künstlichen Doppelgleisigkeiten.

Ich glaube, das ist eine sehr gute Arbeitsgrundlage für uns selbst. Wir beginnen also nicht nur zu sparen, sondern auch modern zu reformieren in diesem Bereich.

Wir wollen mit den Personalvertretern – da wird der öffentliche Dienst sehr wichtig sein – als Sozialpartner, Regierung und Arbeitnehmervertreter gemeinsam, vernünftige Gehaltsrunden und neue Jahresarbeitszeitmodelle aushandeln. Wir wollen durch vernünftige und wirtschaftlich vertretbare Ausgliederungen etwa den Universitäten oder anderen Bereichen mehr Selbständigkeit einräumen, mehr Freiräume ermöglichen. Ich bin sicher, dass sich dadurch die Qualität der Arbeit insgesamt verbessern wird.

Wir müssen auch – ich sage das hier offen und mit Bedauern – auf der Einnahmenseite kleine Anpassungen und Erhöhungen vornehmen. Ich spreche das hier offen aus. Es wäre ganz unseriös, würde man das verstecken. Finanzminister Edlinger hat etwa die Frage einer Gebührenerhöhung immer in einem allgemeinen Einnahmenbereich verstecken wollen. Wir sprechen das offen aus: heuer 6 Milliarden mehr Einnahmen über Gebühren, über eine Stromdurchleitungsgebühr und über eine Versicherungssteuer. Wir rechnen damit, dass durch die sinkenden Strom- und Gaspreise im Zuge der Liberalisierung die Haushalte nicht belastet werden, aber trotzdem für das Budget etwas hereinkommt.

Uns scheint das, ehrlich gesagt, auch sozial verträglicher zu sein als der alte Vorschlag des früheren Finanzministers, die Mineralölsteuer zu erhöhen, denn das hätte jeden Pendler direkt betroffen, ohne jede Form der Einkommenskompensation. Ich glaube, unser Vorschlag ist moderater und sozial verträglicher. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Vergessen Sie nicht, dass es ab dem 1. Jänner dieses Jahres, sicherlich durch frühere Beschlüsse von National- und Bundesrat abgesichert, eine wesentliche Einkommensstärkung für jeden Haushalt gibt. Im Schnitt sind das insgesamt 30 Milliarden Schilling Einkommensverbesserungen durch Steuersenkungen und bessere Familienleistungen. Das heißt, es gibt pro Haushalt ein um etwa 10 000 S höheres Einkommen. (Bundesrätin Schicker: Das ist aber schon beschlossen! Das war schon vorher!) – Das habe ich gesagt! Das ist also ein mehrfaches Kompensat gegenüber dem, was hier notwendig sein wird.

Meine Damen und Herren! Wir wollen darüber hinaus einen großen Schritt in Richtung Privatisierung, mehr privat, weniger Staat setzen. Die ÖIAG muss dauerhaft von ihren Schulden herunterkommen, und zwar ohne jede Belastung des Steuerzahlers. Wir wollen daher das mutigste Privatisierungsprogramm in der Geschichte Österreichs einleiten. Es unterscheidet sich in Details von dem, was mit der SPÖ schon vorbesprochen wurde, aber wir wollen hier ganz bewusst auch ein Signal an den Kapitalmarkt geben.

Die Spekulationssteuer, die für den Kapitalmarkt schwere Nachteile gebracht hätte, wird ausgesetzt. Wir wollen eine faire und vernünftige Kampfmaßnahme gegen die Geldwäsche setzen durch Bewahrung des Bankgeheimnisses – ja sogar Verbesserungen in manchen Bereichen –, aber durch Abschaffung der Anonymität, wobei auch diese Maßnahme in den letzten Monaten bereits außer Streit gewesen ist und insgesamt dem Kapitalmarkt sicherlich helfen wird.

Wir wollen im Bereich des ländlichen Raums die Lebenschancen und die Einkommensmöglichkeiten für Bauern und alle vor- und nachgelagerten Wirtschaftszweige deutlich erhöhen. Daher muss die Agenda gesichert sein. Es müssen alle Programme, die aus Brüssel finanziert werden, auch national – Bund und Länder – mitfinanziert werden. Wir werden jeden Euro, der aus Brüssel kommt, für unsere Bevölkerung umsetzen, zum Wohl der Lebenschancen im ländlichen Raum. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Für die Wirtschaft nehmen wir uns eine Entfesselung von nicht mehr notwendigen Vorschriften vor. Ich sage aber auch dazu, die Wirtschaft wird auch bei sich selbst liberaler sein müssen. Wir brauchen ein modernes Unternehmensrecht, eine neue Gewerbeordnung. Da gibt es immer noch Relikte, die absolut überprüfungsnotwendig sind. Wir müssen jungen Unternehmern die Barrieren wegräumen: Die Eintragungsgebühr soll fallen. Die sehr hohen Kosten bei der Gründung eines Unternehmens über Notariats- und Rechtsanwaltskosten sollen reduziert werden.

Über alle diese Punkte wollen wir einen mutigen Dialog auch mit den Interessenverbänden führen.

Die Senkung der Strom- und Gaspreise, die Liberalisierung für Gewerbe, Mittelstand und Haushalte ist ein ganz wichtiger Punkt. Innerhalb der ersten 100 Tage soll bereits ein neues und modernes Anlagenrecht dem Parlament vorgelegt werden, und es wird hoffentlich noch vor dem Sommer verabschiedet werden.

Meine Damen und Herren! Ich meine, dass darüber hinaus im Laufe der Periode durch eine Senkung der Lohnnebenkosten keine Geschenke an die Unternehmen gegeben werden sollen, sondern dass wir die Arbeitsplätze sichern wollen. Wir stehen heute in einem global enorm hart gewordenen Wettbewerb. Es ist wichtig, dass gerade die Wirtschaft, die Klein- und Mittelbetriebe die Arbeitsplätze besser halten können, dass sie nicht unnötige Belastungen auf jedem Job mit tragen müssen. Daher ist dieses Programm der 15 Milliarden so wichtig. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Besonders wesentlich scheint uns zu sein, dass wir im Arbeitsmarkt offensiv vorgehen. Wir wollen Arbeitslosigkeit nicht einfach weiter verwalten, sondern es sollen Arbeitsplätze wirklich offensiv vermitteln werden. Das heißt, das Arbeitsmarktservice, das sich heute schon wesentlich besser darstellt als noch vor vier Jahren, muss noch freier werden und muss auch mehr Möglichkeiten bekommen, jeden Arbeitsfähigen auch wirklich vermitteln zu können, wobei ich weiß, dass es Problemgruppen gibt: Ältere, in manchen Bereichen Jüngere, die nicht die erforderliche Qualifikation haben, und besonders Behinderte.

Ich meine überhaupt, dass wir im Bereich der Behinderten ein modernes Aktionsprogramm, das alle Ministerien mit einbinden sollte, entwickeln sollen, damit wir in diesem Bereich ein mutiges Reformprogramm für die nächste Zeit erstellen können.

Es muss auch gerade im Zusammenhang mit der Pensionsreform, die notwendig ist, der Bedeutung und auch den Problemen älterer Mitarbeiter großes Augenmerk geschenkt werden. Wir wollen nicht haben, dass Mitarbeiter, die ein bestimmtes Alter überschritten haben und arbeiten wollen, von den Betrieben auf die Straße gesetzt oder in die Arbeitslosigkeit geschickt werden. Erstens wäre das ein Verlagern von der Pensionsversicherung in die Arbeitslosenversicherung, und zweitens wäre es auch nicht fair. Die menschliche Arbeit ist so wichtig, dass wir alles tun müssen und auch alles tun wollen, um in einem Begleitprogramm für die älteren Mitarbeiter die Folgen einer notwendigen Pensionsreform auch wirklich abzumildern.

Auch an dieser Stelle ein sehr offenes Wort: Wir haben eines der besten Pensionssysteme der Welt. Gott sei Dank! Es muss ausgebaut werden durch ein zweites Bein, die Betriebspensionskassa. Das ist die Idee, die in der Umwandlung der Abfertigung liegt, ohne dass jemandem, der heute schon einen Anspruch hat, auch nur ein Iota genommen werden soll. Aber pro futuro könnte man aus dieser Abfertigung ein faszinierendes neues Modell eines zweiten Standbeins für ein Betriebspensionskassensystem machen, zusätzlich individuelle Vorsorge, sodass auch die Eigenvorsorge gestützt wird.

Wir müssen in den nächsten Jahren das Pensionsantrittsalter für die Frühpension schrittweise anheben. Edlinger, Klima wollten zwei Jahre in vier Jahren, ohne Begleitmaßnahmen; ich war dabei. Unser neuer Vorschlag ist sozial verträglicher: 18 Monate in Vierteljahresschritten, und diese 18 Monate begleitet durch Schutzmaßnahmen für ältere Menschen auf dem Arbeitmarkt, damit die Betriebe eben nicht so leicht kündigen können. Weiters müssen lange Versicherungszeiten abgesichert sein, so dass befürchtete Effekte nicht eintreten, und durch ein Zuschlags- und Abschlagssystem soll ein zusätzlicher Anreiz gegeben werden, länger in Beschäftigung zu bleiben.

Vor allem Frauen werden natürlich Schwierigkeiten haben, lange Versicherungszeiten zu erbringen. Daher haben wir ein Modell, das übrigens in den früheren Verhandlungen mit der SPÖ nie andiskutiert wurde: Wir wollen etwa die Kindererziehungszeit – zumindest als ersten Schritt – während der Karenz als pensionsbegründende Zeit einsetzen. Das ist ein ganz großer Schritt in Richtung Wahlfreiheit und Stärkung der Rechte der Frauen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Im Bereich der Familien haben wir überhaupt einen ganz großen Schritt vor. Wir haben heute schon sehr viele Familienleistungen, von denen andere Länder nur träumen, dennoch glaube ich, dass wir weitergehen müssen. Es gibt heute noch immer ganze Berufsgruppen, die vom Karenzgeld ausgeschlossen sind. Das ist unfair. Wir wollen daher Studentinnen, Hausfrauen, Bäuerinnen, mittätigen Ehefrauen von Selbständigen das volle, das gleiche Karenzgeld geben, wie es alle anderen Gruppen bekommen.

Wir wissen, dass es vor allem in den ersten drei Jahren einen großen Nachholbedarf gibt. Daher werden wir einer langjährigen Forderung von vielen NGOs, Familienverbänden und auch – ich sage es ganz offen – Frauenorganisationen nachkommen, indem wir die Karenzzeit von heute 18 Monaten für einen Partner auf volle 24 Monate für einen Partner ausweiten. Das zweite Karenzjahr ist also damit für alle Wirklichkeit. Wir wollen darüber hinaus die Karenzzeit für den Partner – das ist ein Thema, das mir besonders wichtig ist –, wer immer es ist, Mann oder Frau, von heute sechs Monaten auf zwölf Monate erhöhen, sodass wir zusätzlich zwölf Monate und damit auch den Einstieg in ein volles drittes Betreuungsjahr haben. Selbstverständlich wird auch mit den Ländern und Gemeinden darüber zu reden sein, dass die Maßnahmen, die sie heute schon darüber hinaus haben, weiter in Geltung bleiben, sodass es hier wirklich einen Quantensprung positiver Art für die Familien, für die Wahlfreiheit der Frauen gibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Und Mütter ohne Partner sind keine Mütter?)

Meine Damen und Herren! Im Bereich der Demokratie wird sich diese Bundesregierung durchaus bereit finden, neue Akzente zu setzen. Wir wollen auch die direkte Demokratie stärken: Wenn ein Volksbegehren eine bestimmte Anzahl von Unterschriften erreicht – wir sprechen etwa von 15 Prozent der Wahlberechtigten; über diese Themen kann und soll man, so glaube ich, auch noch weiterverhandeln –, National- und Bundesrat aber die Forderungen nicht erfüllen, dann soll zwingend eine Volksabstimmung darüber abgehalten werden. Ich finde, das ist eigentlich eine sehr sinnvolle Ergänzung der parlamentarischen Demokratie, sicherlich keine Schwächung in diesem Bereich.

Eine Direktwahl von Versicherungsvertretern in die Sozialversicherung ist ebenfalls ein Thema, das wir uns vornehmen wollen, ebenso die Einführung der Briefwahl. – Insgesamt, so glaube ich, sind das hochinteressante Ergänzungen unseres demokratischen Qualitätsniveaus.

Erlauben Sie mir, noch auf einen Punkt einzugehen, der uns wichtig ist und den wir gleich zu Beginn außer Streit stellen wollen. Österreich hat eben – anders als vielleicht andere Länder Europas – eine sehr schmerzliche und auch dunkle Phase in der Geschichte des vorigen Jahrhunderts gehabt, und wir wollen Ihnen ganz bewusst am Beginn unserer Zusammenarbeit Vorschläge machen, wie wir – vielleicht mutiger als in früheren Zeiten – mit diesen dunklen Seiten der Geschichte umgehen wollen.

In der Regierungserklärung, in unserem gemeinsamen Programm findet sich ein klares Ja zu einer Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern. Es sind mittlerweile erschütternde Dinge zu Tage gekommen. Die Historikerkommission hat einen Zwischenbericht präsentiert – wenn es das Haus will, können wir die Kurzfassung gerne zirkulieren lassen –: Es leben von der einstmals einen Million Zwangsarbeiter – es war immerhin jeder zweite oder dritte Arbeitnehmer in der damaligen Zeit ein Zwangsarbeiter – noch etwa 240 000. Zum Teil sind das bereits sehr alte Menschen. Davon sind etwa 20 000 KZ-Insassen, 20 000 Roma und Sinti. Es gibt ein entsetzliches Zusatzkapitel: Viele Frauen haben in dieser Phase Kinder geboren, kleine Kinder gehabt: Fast alle wurden umgebracht, ganz wenige haben überlebt. Und ich finde, es ist ein Gebot der Stunde, dass wir jetzt sofort zu handeln beginnen. Wir haben in der letzten Ministerratssitzung gemeinsam beschlossen, dass Maria Schaumayer die Regierungsbeauftragte für diesen Teil der Verhandlungen mit den Opferverbänden, mit der Wirtschaft, die primär gefordert ist, sein wird. Wir wollen aber auch subsidiär von Seiten des Staates oder anderer staatlicher und öffentlicher Institutionen mithelfen.

Ähnliches gilt für den Bereich von Themen die Holocaust-Opfer betreffend, die noch nicht abgehandelt sind. Elisabeth Gehrer hat sehr viel gemacht im Bereich der Kunst-Restitution, was Bundes-Sammlungen betrifft; Ähnliches wird für andere Sammlungen zu gelten haben. Wir werden uns bemühen, die Archive zu öffnen, wir werden uns bemühen, mit den Versicherungsgesellschaften eine Kulanzlösung zu finden. Ich meine, dass auch hinsichtlich dieses Themas noch einiges an Arbeit auf uns wartet, und wir wollen bewusst diese Fragen der Vergangenheitsbewältigung an den Beginn dieser unserer Zusammenarbeit stellen.

Meine Damen und Herren! Ich bin damit am Ende meines kurzen – hoffentlich nicht zu kurzen oder zu langen – Berichts. Ich wollte Ihnen berichten, was wir in den ersten 14 Tagen gemacht haben. Wir haben ein mutiges, ambitioniertes Reformprogramm ausgearbeitet. Es liegt bereits eine neue Kompetenzverteilung vor. Das Budget für das Jahr 2000 wurde präsentiert und ist ausverhandelt. Wir haben in der Vergangenheitsbewältigung die ersten Schritte gesetzt. Und trotz allen Drucks von innen und von außen: Diese Regierung wird sich nicht beirren lassen, sie wird mutig einen demokratischen, österreichischen, europäischen Weg gehen, und sie wird unser Motto "Österreich neu regieren" mit Leben erfüllen. Das heißt sozial regieren, das heißt effizient regieren, das heißt sparsam regieren, aber auch mutig regieren. – Ich danke Ihnen. (Anhaltender Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.46

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Konečny. – Bitte.

11.47

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren von der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! (Der soeben in den Saal gekommene Bundesminister Dr. Krüger ist auf der Suche nach einem Sitzplatz.) – Wir können nichts dafür, unser Sitzungssaal ist so klein, Herr Justizminister!

Es wird der Amtsantritt dieser Regierung vermutlich wirklich ein geschichtliches Datum sein, und es wird dieser Regierung für die politische Entwicklung dieser Republik gar nicht genug Anerkennung gezollt werden können. Wir erleben – ich halte das für eine wirkliche Errungenschaft dieses Landes – eine rasante Entwicklung der politischen Zivilgesellschaft, einen Demokratieschub und eine enorme Anstrengung der politischen Bildung. Wenn sich in diesem Lande vor allem junge Menschen – viele davon noch ohne Wahlrecht –, die die Politik mit Verachtung, mit Gleichgültigkeit betrachtet haben, heute gerufen fühlen, das wirkliche Österreich zu verkörpern, dann ist das der große, aber auch schon einzige Erfolg dieser Regierungsbildung! (Beifall bei der SPÖ.)

An der Spitze dieser Debatte zwischen uns 66, die wir dieser Kammer angehören, erscheint es mir wichtig (Bundesrat Bieringer: 64!)  – ja, 64 (Bundesrat Dr. Nittmann: Das zum Wahrheitsgehalt Ihrer Rede, Herr Professor!)  –, den 10 000, die heute auf den Straßen von Wien – junge Menschen! – zum Ausdruck bringen, dass sie diese Regierung und ihre Pläne ablehnen, unsere Solidarität und unseren Gruß zu übermitteln. Diese jungen Menschen sind die Zukunft dieses Landes – nicht diese Regierung! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Sie sind von gestern, Herr Professor!)

Ich habe Herrn Dr. Schüssel in all seinen Funktionen immer sehr gerne zugehört  – auch heute –, und es ist bemerkenswert, dass uns hier ein nicht nur zeitlich, sondern vor allem auch sachlich verkürzter Ausschnitt aus der Regierungserklärung oder aus dem Programm dieser Regierung vorgelegt wird.

Ich glaube, dass wir guten Grund haben, uns nicht allein mit den hier gesprochenen Worten, sondern mit all dem auseinanderzusetzen, was unterschriebene Absicht dieser beiden Parteien ist und was eine gefährliche Drohung für die Menschen dieses Landes darstellt.

In einem hat Herr Dr. Schüssel zweifelsfrei Recht – er hat es hier herausgestrichen –: Jawohl, an der Schwelle dieses neuen Jahrhunderts kann Österreich auf hervorragenden Wirtschaftsdaten, auf einem beispielgebenden Sozialsystem, auf einem weltweit bewunderten Pensionssystem aufbauen. Es kann sagen, dass es in fünf Jahren die Eingliederung in die Gemeinschaft der EU auf auch in anderen Ländern Bewunderung hervorrufender Art und Weise über die Bühne gebracht hat. Aber dabei kann nicht übersehen werden, wer die hauptsächlich gestaltende Kraft auf all diesen Gebieten war. Es ist das das Erbe, das Sie übernehmen und von dem ich nur hoffen kann, dass es nicht leichtfertig von dieser Regierung verschleudert wird. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Hagen: Schulden übernehmen wir! – Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

Kollege Bieringer! Du hast ganz Recht: Das war über manche Strecken der letzten Jahrzehnte auch unser gemeinsames Werk, und ich habe überhaupt kein Problem, das anzuerkennen. Aber die Herrschaften, die jetzt mit Ihnen in der Regierung sitzen, Herr Dr. Schüssel, haben an dieser soliden Basis wahrhaft keinen Anteil, denn sie sind an jeder politischen Weggabelung den falschen Pfeilen nachgelaufen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Oder wer!)

Es ist eigenartig, wenn man die Stellungnahmen der einzelnen Regierungsmitglieder in diesen ersten Tagen beobachtet, denn sie erwecken nicht gerade den Eindruck, man hätte es mit einer Regierung zu tun. Da gibt es offenbar ein paar, die unterschiedliche Politiken verfolgen.

Wir haben gehört – Sie haben dieses Wort in den Mund genommen –, dass Sie mit einer desaströsen Budgetlage konfrontiert seien. Der Herr Finanzminister hat gestern auf 1 Prozent Unterschied jene Ergebnisse bestätigt, die Rudolf Edlinger der damaligen Bundesregierung als Grundlage seiner Überlegungen vorgestellt hat, wenn wir auch zu unterschiedlichen Resultaten in der Bewältigung des Problems gekommen sind. (Bundesrat Dr. Böhm: Er hat von 25 Milliarden gesprochen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die Suche nach den Leichen im Keller war ein absolut erfolgloses Unterfangen. (Beifall bei der SPÖ.) Es gibt keine desaströse Budgetlage. Was es gibt, ist ganz offensichtlich eine desaströse Fehleinschätzung des neuen Finanzministers über das, was ihn da erwartet. (Bundesrat Prähauser: Mangelnde Erfahrung! Wen wundert es?)

Aber wir bekommen natürlich hier in wesentlichen Bereichen semantischen Unterricht. Wir haben auch von Seiten unseres Koalitionspartners immer gehört, es sei notwendig, das Budget ausgabenseitig zu konsolidieren. Ich habe jetzt gelernt, dass ausgabenseitig etwas ganz anderes heißt, als man eigentlich annehmen sollte. Ihre Budgetsanierung heißt nämlich, dass die Leute mehr ausgeben müssen in dem Land, damit Sie ein Budget zusammenbringen.

Sie können sich in allen Tageszeitungen den Vergleich zwischen dem Konsolidierungsvorschlag Rudolf Edlingers und dem, den Sie jetzt in aller Hast geboren haben, anschauen. Es wird weniger eingespart, und es wird mehr auf die Menschen dieses Landes überwälzt, als unsere beiden Parteien SPÖ und ÖVP ausverhandelt hatten. Ich wünsche Ihnen dabei nicht sehr viel Erfolg, denn die Österreicherinnen und Österreicher haben ein Recht darauf, vor diesem Griff in ihre Taschen beschützt zu werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe auch mit einigem Erstaunen – aber wir werden heute noch Gelegenheit haben, darüber zu sprechen – Ihre starken Worte über das, was die Europäische Gemeinschaft Österreich antut, gehört. Das ist ein bisschen eine Bunkermentalität, die mit Sicherheit diesem Land nicht gut tut. Es ist richtig, dieses Land ist nicht ein Nazi-Land, dieses Land ist nicht ein Land, in dem die große Mehrheit der Bevölkerung die demokratischen Werte über Bord zu werfen bereit ist. Das ist richtig! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Scheuch: Wieso stellen Sie es dann so dar?)

Aber es ist ebenso richtig, dass diese Regierung gut daran täte, auf jene Warnungen zu hören –Sie persönlich hätten gut daran getan, vorher auf jene Warnungen zu hören –, die quer durch das politische Spektrum des demokratischen Europa klar zum Ausdruck gekommen sind. (Bundesrat Wolfinger: Die SPÖ hat sich aber schon bemüht! – Ruf bei der ÖVP: Sozialistische Internationale! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege! Als jemand, der sich dieser Organisation mit großer Intensität verbunden fühlt, freue ich mich auf die bevorstehenden Beitrittsansuchen der Herren Aznar und Chirac zur Sozialistischen Internationale. Ich werde diese Bereicherung unserer Breite sehr begrüßen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie es in Europa tatsächlich aussieht, das haben Sie gestern demonstriert bekommen: Wenn es im Rat der Regionen, wo im Übrigen der Herr Haider Fahnenflucht begangen hat, weil er sich lieber über den Atlantik als nach Brüssel begeben hat, acht Mitglieder gibt, die gegen eine Verurteilung dieser Regierung stimmen, und sechs davon von der ÖVP stammen, dann zeigt das wohl die Breite der Meinung in Westeuropa, was von dieser Regierungsbildung zu halten ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler! Sie können sicher sein, dass dort, wo Initiativen gesetzt werden, die unserem Politik- und Demokratieverständnis entsprechen, diese Opposition nicht eine Opposition des Nein-Sagens sein wird. Jawohl, es gibt eine Reihe von Initiativen, über die bei den Verhandlungen zwischen der Sozialdemokratie und der ÖVP Einvernehmen erzielt wurde. Es ist richtig, dass wir in den Fällen, in denen es sich bei diesen Vereinbarungen nicht um einen gegenseitigen Kompromiss – auch das hat es gegeben – gehandelt hat, sondern um Vorschläge ging, die wir in ihrem vollen Inhalt und aus voller Überzeugung mit tragen konnten, jetzt nicht sagen werden, diese unsere Auffassung gilt nicht mehr.

Es ist richtig, dass im Bereich der Sozialpolitik neue Initiativen erforderlich sind, aber da beginnt schon wieder meine Verunsicherung: Ich habe mit großer Verblüffung gestern den Herrn Finanzminister gehört, der gemeint hat, die Treffsicherheit der Sozialleistungen sei eine geringe, und Leute wie er brauchten nun wirklich keine Kinderbeihilfe. Das sagt der Vertreter einer Regierung, die gerade das Karenzgeld für alle ohne jede Begrenzung einzuführen ankündigt!? Wo geht denn das zusammen? Also entweder Treffsicherheit oder Geschenke! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Bundeskanzler hat uns jetzt gerade gesagt – ich erinnere bescheiden daran, wer diese Historiker-Kommission gemeinsam eingesetzt hat –, dass es eine Verpflichtung dieses Landes ist, jenen Menschen, die der Nationalsozialismus auf österreichischem Boden zu Zwangsarbeit gezwungen hat, spät, sehr spät, aber, soweit sie noch leben, nicht zu spät eine Entschädigung zu gewähren. (Bundesrat Ing. Scheuch: Warum haben Sie denn das nicht gemacht?)

Herr Kollege! Wir haben genau das auf die Schiene gesetzt. (Bundesrat Ing. Scheuch: Sehr spät! Sehr spät! Sehr spät!) Aber Sie waren es, die diese Frage mit einer völlig anders gearteten verknüpft haben und damit drohen, das erneut zu verzögern! Die Frage der Vertriebenen, die Frage der Heimkehrer, die in einem Atemzug hier in Ihrer Regierungserklärung vorkommt, hat damit nichts zu tun! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid: 30 Jahre lang habt ihr Zeit gehabt! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie sind die Letzten, die in diesem Zusammenhang das Wort "spät" anzubringen haben! Spät ist besser als nie, das ist richtig. Wir haben damit begonnen, und Sie, Herr Kollege, sollten sehr zurückhaltend sein, hier etwas für sich in Anspruch zu nehmen, wogegen Sie in unzähligen Stellungnahmen von Funktionären Ihrer Partei gewettert haben. (Bundesrat Mag. Gudenus: Zuerst schreit er, jetzt flüstert er!)

Sie haben wahrlich keinen Grund, sich hier als Vorkämpfer der Opfer des Nationalsozialismus aufzuspielen. Wenn es etwas gibt, wofür Sie keinerlei Legitimation haben, dann ist das dies. (Bundesrätin Haunschmid: Wir haben die Gelder nicht verteilt, lieber Herr Konečny!)

Die Reaktion Europas, die Reaktion der 14 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, hat vor allem mit einem zu tun: mit der gnadenlosen Missrespektierung der Verbrechen, die zwischen 1938 und 1945 in Österreich verübt wurden, mit dem ständigen Anstreifen an den Sprachgebrauch und mit dem ständigen Anstreifen an die Verharmlosung des Nationalsozialismus.

Niemand hat hier die europäische Reaktion anders begründet als damit, dass eine Koalition mit einer Partei eingegangen wurde, die in den Äußerungen ihrer Spitzenvertreter deutlich gemacht hat, dass sie dieser Zeit, ihren Verbrechen und ihrem Gedankengut nicht mit der notwendigen Distanz gegenübersteht. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist eine Unterstellung! – Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist eine ganz miese Unterstellung!)  – Herr Kollege, Sie können gerne hier herauskommen und diese Unterstellung mit klaren Worten berichtigen. Aber Ihr Parteiobmann war es, der die kritische Öffentlichkeit in Österreich und in Westeuropa so misstrauisch gemacht hat.

Wer die Beschäftigungspolitik der Nationalsozialisten als beispielgebend ansieht, wer die Angehörigen der SS als anständige Menschen lobt (Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist nicht wahr! Das ist unterstes Niveau, Herr Professor!), wer hier die notwendige Distanz vermissen lässt, der muss sich sagen lassen, dass er als Politiker und Repräsentant eines demokratischen Landes zumindest mit größtem Misstrauen aufgenommen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Dr. Schüssel hat sich, wie Beobachter geschrieben haben, dafür entschieden, unter diesem Mann Bundeskanzler sein zu wollen. Sie, Herr Bundeskanzler, oder Sprecher dieses Kabinetts haben in den letzten Tagen wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass das, was Haider sagt, für die Politik dieser Regierung bedeutungslos sei. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Das hat niemand gesagt!)  – Die Frau Außenministerin war in dieser Hinsicht außerordentlich deutlich, und wenn es etwas gibt, dem ich zustimmen kann, dann war es das, und ich würde mir wünschen, dass sie Recht hat, obwohl ich die Erfolgsaussichten als nicht sehr hoch einschätze.

Können Sie, Herr Bundeskanzler, mir erklären, warum es notwendig war, dass die Unterschrift dieses Mannes, der angeblich überhaupt keine Bedeutung für die Politik der Bundesregierung hat, in der "Herald Tribune" sozusagen als Indossament auf einem Wechsel auf die Zukunft dieses Landes – um teures Geld, wie ich gehört habe – publiziert wird? Also wer rettet da wessen Ehre? Sie die des Herrn Haider, oder der Herr Haider die dieser Bundesregierung? (Bundesrat Drochter: Was hat das gekostet? – Bundesrätin Fuchs: 660 000 S!)

Das könnte sein, Medienberichte sprechen davon. Auch die Frage, ob vielleicht das Amt der Kärntner Landesregierung einen gebührenden Anteil übernimmt, ist eine berechtigte, weil ja Herr Dr. Haider, soweit ich die Regierungsbildung überblicke, keine Staatsfunktion auf Bundesebene ausübt und daher nicht gerade zu jenen gehört, die vom Bundespressedienst entsprechend herauszustellen wären. Aber wir werden sicher noch eine entsprechend präzise Information darüber erhalten. (Bundesrätin Mag. Trunk: Aus dem Sozialfonds!)

Vielleicht gibt es da eine Förderungspolitik ungeklärter Art und Weise, aber vielleicht ist es auch gar nicht wahr, und der Herr Dr. Haider hat sehr wohl eine besondere Staatsfunktion, nur ist diese in der Bundesverfassung halt nicht vorgesehen: die eines Zuchtmeisters dieser Regierung! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Drochter: Schattenkanzler!)

Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren dieser Regierung! Ich wiederhole: Sie werden uns nicht auf der Seite jener finden, die in keinem Einzelfall bereit sind, überlegenswerten Gedanken zu folgen und Initiativen, von denen man sich eine Verbesserung der wirtschaftlichen, der sozialen, der kulturellen Situation, der Forschung in diesem Land, erwarten kann, zu unterstützen. Natürlich werden wir das tun!

Wir werden uns nicht verstellen und jenes Verantwortungsbewusstsein, das wir in den letzten Jahrzehnten gezeigt haben – in denen wir auch eine Menge von Beschlüssen mitgetragen haben, die im Kompromiss mit anderen Parteien entstanden sind –, jetzt auf einmal aufgeben. Jawohl, dieses Land hat einen Modernisierungsbedarf, und wenn diese Bundesregierung Bereiche aufgreift, in denen er sichtbar wird, dann kann sie sich unserer kritischen, aber erforderlichenfalls unserer Unterstützung sicher sein.

Aber Sie können ebenso davon überzeugt sein, dass Sie dort, wo es um die Interessen der Menschen dieses Landes geht und wo wir das Gefühl haben, dass die Zukunft unseres Landes, die wohlbewährten Strukturen, schlicht und einfach das Lebensschicksal der Menschen hier aufs Spiel gesetzt werden, mit unserem harten Widerstand rechnen müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube nicht, dass Sie allein mit jener selbstgerechten Haltung, mit der man beispielsweise sagt, die anderen 14 tun etwas, was sie nicht tun dürften, zu Rande kommen. Ich glaube auch nicht, dass eine nette kleine Werbekampagne der Bundeswirtschaftskammer in der Lage ist, jene Sorgen, die sich unsere Wirtschaft zu Recht über die internationalen Reaktionen macht, auszuräumen. (Bundesrat Buchinger: Seit wann sorgen Sie sich um die Wirtschaft?!)

Herr Kollege, wir sorgen uns seit 30 Jahren darum, dass die Wirtschaft dieses Landes international konkurrenzfähig ist und beste Marktbedingungen vorfindet. Und das ist der Grund, warum wir für die EU waren, und Sie nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir bemerken mit der gleichen Besorgnis wie Sie, dass es Stornos im Fremdenverkehr gibt und welche Schwierigkeiten wir auf internationalen Märkten vorfinden, weil es dabei letztlich um Arbeitsplätze, um Lebensschicksale in unserem Land geht.

Ich bin etwas vorzeitig von einer Auslandsreise zurückgekommen, und zwar von einem Wetterwinkel, der von all dem scheinbar nicht berührt ist. Ich habe aber auch dort – im arabischen Raum – merken müssen, wie schwierig es ist, unter den gegenwärtigen Bedingungen österreichische Produkte zu promoten, weil eben doch ein Unsicherheitselement in das Image dieses Landes eingebracht wurde. (Bundesrat Dr. Nittmann: Vielleicht haben Sie nachgeholfen! Das reden Sie herbei! Die Sozialistische Internationale!)

Wir reden gar nichts herbei. Die Bereitschaft ausländischer Politiker, sich von der SPÖ anschaffen zu lassen, was sie tun sollen, ist vernünftigerweise sehr begrenzt. Aber dass wir in der gleichen Weise, wie das gegenüber der Bundesregierung geschieht, mit diesen Sorgen, mit diesen Bedenken, mit diesen Einwänden konfrontiert werden, das ist wohl wahr. Das ist auch der Grund, warum wir sagen: Nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter! Bunkern Sie sich nicht ein! Reden Sie sich nicht gegenseitig ein, dass das alles sich schon beruhigen wird, sondern nehmen Sie es ernst: als politische Warnung an diese Regierung und damit indirekt auch an dieses Land.

Denn so sehr wir uns auch bemühen werden, es wird nicht leicht sein, dieses Land davor zu bewahren, dass es von dieser Regierung in Geiselhaft genommen wird. Die internationalen und die nationalen politischen Fehler dieser Regierung werden wir alle auszubaden haben, und es werden die Menschen in diesem Land sein, die leiden, nicht ein paar Minister und nicht ein paar Bundesräte! (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der ÖVP: Lesen Sie ...!)

Was soll ich lesen? Ich lese so viel, aber ich nehme gerne noch etwas dazu. (Bundesrat Mag. Wilfing: Ist das die neue Sprache der SPÖ? "Geiselhaft"? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Nein, ich bestimme nicht, wer ein Demokrat ist.

Natürlich ist die Sprache der Opposition eine andere als die einer Regierungspartei, Herr Kollege. Aber die FPÖ ist die letzte Partei, von der ich mir sagen lasse, dass ich mich in meiner Sprache mäßigen soll. (Beifall bei der SPÖ.) Wer den Unrat in die politische Sprache dieses Landes eingeführt hat, darf sich nicht wundern, wenn andere sich ein wenig anpassen! (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Dr. Nittmann: Herr Professor Unrat!)

Wie wohl Sie sich alle in dieser Nachbarschaft fühlen, will ich hier nicht diskutieren. Das ist etwas, was jeder von Ihnen mit sich selbst ausmachen muss; vielleicht auch durch Fernbleiben von der Sitzung. Aber ich schlage Ihnen vor, dass Sie nicht jetzt versuchen, sich in die Rolle des Biedermanns zu begeben, nachdem Sie den Brand gestiftet haben. (Widerspruch bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)  – Nicht Sie, die Kollegen von der FPÖ! (Bundesrätin Haunschmid: Wer hat den Brand gestiftet?!)

Kollege Schüssel, Herr Bundeskanzler! ... (Neuerliche lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Unruhe im Saal.)  – Oh, das Nervenkostüm ist aber heute sehr dünn ausgefallen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Grissemann: Der Brandstifter ist gestern zurückgetreten! – Weitere Zwischenrufe bei allen drei Fraktionen.)

Meine Damen und Herren! Ich habe überhaupt kein Problem mit Zwischenrufen. Es gibt nur das Problem, dass zu viele gleichzeitige Zwischenrufe es einem schwer machen, auf sie zu antworten. Ich entschuldige mich. (Bundesrat Prähauser: Bei manchem ist es besser, man hört es nicht!) Naja, vielleicht könnten wir sie schriftlich einreichen. (Heiterkeit.) Aber ich entschuldige mich wegen der Zwischenrufe der letzten paar Minuten. Ich habe keinen einzigen davon verstanden, aber vielleicht können wir das im Dialog gerne besprechen. (Ruf bei der ÖVP: Nicht gehört oder nicht verstanden?)  – Sie haben sich gegenseitig leider aufgehoben. Herr Kollege, dann müssen Sie sich die Rednerordnung bei Zwischenrufen ausmachen.

Meine Damen und Herren! Wir stehen tatsächlich an der Schwelle einer neuen politischen Auseinandersetzung. Die Regierung hat ihre Rolle, und sie wird sie im Rahmen der Möglichkeiten, die sich selber schafft, erfüllen; ich hoffe – und das meine ich ehrlich – so, dass dieses Land nicht den Schaden nimmt, der zu befürchten ist.

Die Opposition hat eine Rolle zu übernehmen, und sie wird diese ausfüllen: nicht in einer Art und Weise – ich sage es noch einmal –, in der sie alles, was diese Regierung tut, kritisiert, sondern in einer Art und Weise, in der sie ihrer staatspolitischen Verantwortung sehr wohl gerecht wird, aber mit der notwendigen Schärfe dort auftritt, wo sie zu warnen hat und wo sie versuchen muss, Gefahren abzuwehren. Wir wissen uns dabei einig mit vielen, vielen Menschen in diesem Land.

Ich komme nun auf das zurück, womit ich meine Ausführungen begonnen habe. Es ist eindrucksvoll und wird für die Zukunft unseres Landes mehr Bedeutung haben als diese Regierungsbildung, wie sich zivilgesellschaftliche Strukturen aufbauen und Demokratie und Politik in diesem Land eine neue Qualität geben.

Die Sozialdemokratie will es nicht und ist auch nicht in der Lage, diese Strukturen gewissermaßen einzufangen. Sie sind unabhängig von uns, was sie politisch nicht weniger wirksam macht, sie sind vielleicht oder manchmal Partner, aber dies ist eine neue Republik nicht durch die Regierungsbildung, sondern durch die Proteste dagegen: eine Republik, in der die Menschen bereit sind, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen!

Sehen Sie, und das ist es, was mir so entsetzlich weh tut: Die Tatsache, dass Menschen ihre Meinung artikulieren, wird von Seiten vieler – ich sage nicht aller – Abgeordneter und Politiker der Regierungsparteien in einer Art und Weise diffamiert und heruntergemacht, dass einem ganz schlecht werden kann, und diesem Protest wird eine parteipolitische Vereinnahmung unterstellt. (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Pirker hat gestern im Europäischen Parlament verkündet, man solle Schengen zeitweilig außer Kraft setzen, weil Rudolf Scharping auf der Internetseite der Sozialdemokratischen Partei Europas die "Chaoten aus Deutschland" zu der Demonstration am Samstag eingeladen hat. Damit ist ein Punkt erreicht, bei dem es zwei Möglichkeiten gibt. Entweder muss man feststellen, dass die Grenze der Geschmacklosigkeit überschritten wurde oder dass die Grenze rationalen politischen Handelns von der anderen Seite nicht überschritten wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass diese Regierung auf eine breite Welle der Ablehnung stößt! Versuchen Sie nicht, hier Geschichten zu erzählen, wer da wem etwas vortäuscht! Sprechen Sie mit den Menschen, die da draußen stehen, wenn Sie sich trauen! (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Eine Unverschämtheit!)

Na, der Kollege Haider hat sich nicht getraut! Er ist ja nicht zum Rat der Regionen gefahren – obwohl er dort unser Land zu vertreten hätte und nicht seinem Privatvergnügen nachgehen sollte –, sondern er hat um "politisches Asyl" in Kanada angesucht! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Das hätten Sie wohl gerne!)

Also, wenn Sie den Mut haben, sich mit kritischen Stimmen auseinanderzusetzen, dann sprechen Sie mit den Menschen. Diffamieren Sie sie nicht! Nehmen Sie die Bedenken ernst und versuchen Sie, sie politisch zu berücksichtigen. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Ich hätte so gern einmal einen verstanden! Redet nicht immer allerweil zu viert, oder wenn, dann im Chor, das geht auch!

Diese Regierung wird sich vor diesen Menschen – wann auch immer – zu verantworten haben. Und in aller Demut vor diesem Zitat: Bruno Kreisky hat das Herrn Dr. Klaus im Jahr 1966 gesagt: "Bei Philippi sehen wir uns wieder!" (Beifall bei der SPÖ.)

12.18

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte.

12.18

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoch geschätzter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren Bundesministerinnen und Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Herr Kollege Konečny! Du gehst hier heraus und wirfst dieser Regierung vor, dass sie Mauern aufbaut. Du gehst hier heraus und stellst fest, dass die Schόler, die heute demonstrieren, das wirkliche Φsterreich vertreten.

Ich weiß nicht, was "das wirkliche Österreich" ist, ich würde es mir aber niemals anmaßen, zu behaupten, dass eine Gruppe – ganz gleich, wie groß sie ist – das wirkliche Österreich vertritt. Ich möchte das mit aller Entschiedenheit zurückweisen! (Bundesrat Dr. Nittmann: Bravo! – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Als Christgewerkschafter brauche ich auch keine Belehrungen in Causa Pensionen. Denn dieses österreichische Pensionsmodell ist maßgeblich durch die erste Bundesministerin, die diese Republik gehabt hat, nämlich Frau Grete Rehor, maßgeschneidert worden und hat heute noch die Gültigkeit, wie sie von der ÖVP-Alleinregierung beschlossen wurde. Das möchte ich mit aller Deutlichkeit feststellen! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich lasse daher nicht zu, dass man vorweg verurteilt. Auch das ist einmalig in der Geschichte unseres Landes: Diese Regierung hat noch nicht einmal zu arbeiten begonnen, da haben Sie schon alles Mögliche heruntergeredet, heraufbeschworen und dieser Regierung in die Schuhe geschoben, was es überhaupt nicht gibt!

Werter Herr Kollege Konečny, wenn du sagst, dass die FSG oder die SPΦ niemanden aufgefordert hat, zu demonstrieren (Bundesrat Konečny: Das habe ich nicht gesagt! Warum soll ich das sagen?), dann zeige ich dir ein Schreiben der FSG-Bundesfraktion, in dem aufgerufen wird ... (Bundesrat Konečny: Wer hat das gesagt?!)  – Du hast hier gerade gesagt, dass die SPÖ niemanden zum Demonstrieren aufgefordert hat. Dazu gibt es aber ein Schreiben der FSG, und ich glaube, die FSG ist ja Bestandteil der Sozialdemokratischen Partei.

Diesem zufolge ist dem Kollegen Holzer und dem Kollegen Pendl mitzuteilen, was an Transparenten, Fahnen, Megaphonen und dergleichen zur Verfügung zu stellen ist. (Beifall bei der SPÖ.) Herr Kollege Konečny, es mόssen auch zu jeder Tages- und Nachtzeit die Genossinnen und Genossen erreichbar sein, damit sie zu Demonstrationen gehen kφnnen. (Bundesrat Konečny: Jawohl!)

Herr Kollege Konečny! Wir machen niemandem das Recht streitig, demonstrieren zu gehen. Wir machen niemandem das Recht streitig, in diesem Land zu marschieren. Nur bitten wir um eines: Wenn man demonstriert, dann mit Stil. Unter Stil verstehe ich, dass man Pflastersteine und dergleichen vergisst. (Bundesrat Freiberger: Bundesheer! – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Du hast dich heute intensiv mit Fragen der Wortwahl, der Sprache und Wahl des richtigen Tones auseinandergesetzt. Wir sind sicher nicht mit allem einverstanden, was in der Vergangenheit gesagt wurde. Ich würde nur bitten, bleiben wir beim guten Ton, und das gilt für alle in diesem Lande, denn es geht um Österreich und nicht um ein wenig politisches Kleingeld! (Beifall bei Bundesräten von der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einer gewiss sehr schwierigen Zeit hat der Herr Bundeskanzler heute hier im Bundesrat eine Regierungserklärung in verkürzter Form abgegeben. Ich halte das für gut und bin dem Herrn Bundeskanzler sehr dankbar dafür. Es hat schon Zeiten gegeben, in denen eine neue Bundesregierung keine Regierungserklärung hier im Bundesrat abgegeben hat. Aber für Herrn Bundeskanzler Dr. Schüssel war es selbstverständlich, dass er auch im Bundesrat, der zweiten Kammer des Hohen Hauses, eine Regierungserklärung abgibt. Dafür darf ich mich im Namen der ÖVP-Fraktion sehr herzlich bei dir, Herr Bundeskanzler, bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Blicken wir zurück: Am 3. Oktober wurde der österreichische Souverän aufgerufen, die Zusammensetzung des Nationalrates zu bestimmen. Entsprechend dem Wahlergebnis sind vier demokratische Parteien im Nationalrat vertreten. Die Österreichische Volkspartei hat in Person ihres Bundesparteiobmannes erklärt, dass sie, wenn sie Dritte werden wird, den Gang in die Opposition vorbereiten wird. (Bundesrätin Fuchs: Der Dritte ist Erster geworden!) Die Österreichische Volkspartei hat dies in einer Sitzung des Bundesparteivorstandes, die am Dienstag nach dieser Wahl stattfand, auch beschlossen. (Bundesrat Freiberger: Sie haben das gebrochene Wort gehalten!)

Über Drängen des Herrn Bundespräsidenten (Rufe bei der SPÖ: Wo?) haben wir mit allen Parteien Sondierungsgespräche geführt: mit der SPÖ, mit der FPÖ und so weiter. In den Gesprächen mit der FPÖ hat sich weitestgehende Übereinstimmung gezeigt.

Wiederum über Drängen des Herrn Bundespräsidenten und auf Wunsch des damaligen Bundeskanzlers Klima hat die ÖVP Regierungsverhandlungen mit der Freiheitlichen Partei (Rufe bei der SPÖ: Oh, oh! – Bundesrat Meier: So war es! – demonstrativer Beifall bei der SPÖ) – mit der Sozialistischen Partei, Entschuldigung – geführt.

Werter Herr Kollege Konečny, wir haben natόrlich mit der Freiheitlichen Partei Regierungsverhandlungen gefόhrt, aber erst nachdem die Verhandlungen mit der SPÖ gescheitert sind, und zwar – der Wahrheit zuliebe sei auch noch einmal festgehalten – gescheitert an der SPÖ und nicht an der ÖVP. (Beifall bei der ÖVP.) Die SPÖ hat die Verhandlungen abgebrochen und nicht die ÖVP, das muss man auch sagen. Was wäre dieses Papier wert gewesen (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe) – das ist nämlich das so genannte Koalitionsübereinkommen zwischen SPÖ und ÖVP –, wenn es einer, der mitverhandelt hat, nicht einmal unterschrieben hat? Wer hätte denn annehmen können, dass einer der Verhandler, der immerhin 22 der 65 sozialistischen Nationalräte vertritt, nicht unterschreibt? (Bundesrat Gasteiger: Fasslabend!) Wie soll denn so eine Regierung zustande kommen und auf dieses Papier zurückgegriffen werden?

Eines sage ich Ihnen: Dieses Papier werden wir Ihnen noch oft zeigen (Bundesrat Meier: Ist nicht angenommen!), es wird noch genügend Gelegenheiten dafür geben, denn das neue Regierungspapier, das Regierungsprogramm dieser Bundesregierung ist in weiten Teilen fast wortidentisch mit dem Papier, das mit Ihnen ausverhandelt wurde. (Bundesrat Gasteiger: Frechheit!)

Meine Damen und Herren! Etwas, was in allen Demokratien üblich ist, nämlich dass demokratisch gewählte Parteien zusammengehen, darf anscheinend in Österreich nicht der Fall sein. (Ruf bei der SPÖ: Oh ja!) Und ich sage Ihnen eines: Der Herr Bundespräsident hat immer gesagt, für ihn seien alle im Parlament vertretenen Parteien demokratische Parteien und regierungsfähig. Das hat er immer betont. Nunmehr sind zwei demokratische Parteien zusammengegangen. Es wird nun von Dingen gesprochen, die es nicht gibt. Es wird versucht, alles mögliche hinein zu interpretieren, und dergleichen mehr.

Meine Damen und Herren! Diese Regierung verfügt über 104 von 183 Mandaten im Nationalrat. Diese Regierung verfügt über 42 von 64 Bundesräten. Diese Regierung – das muss man auch mit aller Deutlichkeit sagen – steht auf demokratischen Füßen und wird von zwei demokratischen Parteien gebildet.

Ich bin kein Freund – das möchte ich ausdrücklich sagen – von Dr. Jörg Haider, das bin ich bei Leibe nicht, aber eines muss ich schon sagen, um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich hoffe sehr, es kann der deutsche Außenminister Joschka Fischer von sich genau so behaupten, wie dies Jörg Haider tun kann, dass er niemals einen Molotowcocktail geworfen hat. Und ich hoffe sehr, es wird der deutsche Innenminister Schily von sich aus genau so behaupten können wie Jörg Haider, dass er niemals Pflastersteine gegen eine ausländische Vertretung geworfen hat.

Meine Damen und Herren! Eines möchte ich schon auch noch sagen: Sie bekommen jetzt einen neuen Parteivorsitzenden, einen Parteivorsitzenden, der sich in Russland niedergekniet, den Boden geküsst und geschrien hat, er ist in der Heimat. Das ist Ihr Problem und nicht unseres! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass diese österreichische Bundesregierung eine gute Politik betreiben wird, dass diese österreichische Bundesregierung alles daran setzen wird, dass in diesem Land der Wohlstand aufrecht erhalten bleibt. Und ich gehe davon aus, dass sich diese Bundesregierung – und hier sind Sie aufgefordert, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie – gemeinsam mit uns Gedanken darüber macht, den Bundesrat zu reformieren. Dazu lade ich Sie heute schon ein, dass wir das gemeinsam machen, damit dieser Bundesrat das wird, was er sein soll, nämlich eine echte österreichische Länderkammer.

Meine Damen und Herren! Ich lade Sie sehr herzlich ein: Gehen wir gemeinsam ein Stück des Weges, gehen wir gemeinsam einen guten Schritt, den diese Bundesregierung vorgezeichnet hat! Für mich ist Dr. Wolfgang Schüssel der Garant dafür, dass es in diesem Land auch in Zukunft aufwärts gehen (Bundesrat Konečny: Kein Stolpern dabei!) und dieses Land auch in Zukunft blühen und gedeihen wird. Glück auf der neuen österreichischen Regierung! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.30

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Professor Böhm. – Bitte.

12.30

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Sehr geehrte Damen und Herren von der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokratischen Partei hat den feierlichen Augenblick der Regierungserklärung in diesem Hohen Haus dazu missbraucht, sich zu ungeheuerlichen Unterstellungen hinreißen zu lassen. Er hat mich aufgefordert, hier am Rednerpult dazu Stellung zu nehmen.

Ich sehe nicht den geringsten Anlass dafür, meine persönliche demokratische Grundhaltung als Rechtslehrer und die über jeden Zweifel erhabene demokratische Grundhaltung der Freiheitlichen Partei Ihnen gegenüber erst ausweisen zu müssen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Konečny: Wenn Sie glauben!) Die Zweifel aber, die Sie haben durchklingen lassen, dass meine Fraktion nicht klar und eindeutig die unfassbaren Untaten des Nationalsozialismus verurteilt hätte, diese Zweifel weisen wir auf das allerschärfste zurück! (Ruf bei der SPÖ: Wo ist das passiert?) Nicht minder fordere ich Sie auf, Epitheta wie "Brandstifter" ein für alle Mal zu unterlassen, eine Redeweise, die eine deutliche Rüge von Seiten der Vorsitzführung verdient hätte. (Bundesrat Konečny: Sagen Sie das dem Herrn Bundeskanzler!)

Lassen Sie mich aber zum Anlass dieser historischen Stunde zurückkommen. Mit vollem Recht hat der Herr Bundeskanzler die substanziellen Inhalte des von ihm präsentierten Regierungsübereinkommens als ein Erneuerungsprogramm für Österreich charakterisiert. In der Tat, Erneuerung im Sinne konstruktiver Reform hat das Land wahrlich nötig, sind doch angemessene Antworten auf die Herausforderungen unserer Umbruchzeit zu finden.

Ein nicht zu unterschätzendes positives Signal sehe ich bereits in der Form des neuen Regierens. Dabei meine ich die partnerschaftliche Vorbereitung der Entscheidungen und die Art ihrer medialen Offenlegung, kurz die neue Transparenz der Regierungspolitik. Aus der Fülle der reformorientierten Zielvorgaben dieses anspruchsvollen Regierungsprogramms greife ich an erster Stelle bewusst die erklärte Absicht heraus, die demokratische, die rechtsstaatliche und die bundesstaatliche Struktur unserer Republik weiter auszubauen.

So bedeutet es zweifellos eine bemerkenswerte Stärkung des Elements der direkten Demokratie, wenn in Zukunft eine Volksabstimmung verpflichtend durchzuführen wäre, sofern ein Volksbegehren von mehr als 15 Prozent der stimmberechtigten Bürger unterstützt wird. Der Weiterentwicklung unserer rechtsstaatlichen Ordnung wird es im besonderen Maße dienen, wenn endlich die im Zuge der bis heute vernachlässigten Bundesstaatsreform vorgesehenen Landesverwaltungsgerichte eingerichtet werden.

Nicht zuletzt soll die Stellung des Bundesrates verstärkt werden. Und das muss gerade uns, meine Damen und Herren, ein echtes Anliegen sein, zumindest all jenen Fraktionen dieses Hauses, die sich dem föderalistischen Prinzip unseres Gemeinwesens voll verpflichtet fühlen! Wir müssen in Zukunft unsere institutionelle Aufgabe als Länderkammer ernster als bisher nehmen. Mit dem Vizepräsidenten Weiss stimmen wir darin überein, dass die politische Rückbindung an das entsendende Land grundsätzlich der fraktionellen Bindung vorgehen muss.

Mit dieser staats-, demokratie- und verfassungspolitischen Hinweisen bin ich freilich bei einer zentralen Zielvorstellung der heutigen Regierungserklärung angelangt. Es muss zu einer grundlegenden Neubestimmung der Aufgaben kommen, die der Staat künftig zu erfüllen hat. All jene Funktionen, die privatwirtschaftlich ebenso gut oder meist besser gewährleistet sind, gilt es auszugliedern. Das ist für mich primär ein gesellschaftspolitisches Anliegen, das sich sozialphilosophisch sowohl vom Subsidiaritätsprinzip her, wie wir es aus der katholischen Soziallehre kennen, als auch aus dem liberalen Modell einer Bürgergesellschaft begründen lässt. Einer solchen zeitgemäßen Durchforstung der Staatsaufgaben hätte dann eine adäquate Verwaltungsreform zu folgen.

Sie sehen, meine Damen und Herren, dass es uns dabei vorrangig um den prinzipiellen Gesichtspunkt einer uns sachgerecht erscheinenden Organisationsstruktur des Staates und der Verteilung seiner Aufgaben geht. Erst in zweiter Linie soll damit das allerdings höchst aktuelle und brisante Problem angesprochen werden, dass der überkommene Wohlfahrtsstaat und sein allzu undifferenziertes Sozialsystem an ihre finanziellen Leistungsgrenzen gestoßen sind.

Mit diesem Stichwort sind wir freilich mitten in die größte Malaise geraten, in der sich die neue Bundesregierung befindet, und das ist das enorme Budgetloch, das ihr der frühere Finanzminister hinterlassen hat. Ich will nichts dramatisieren, und ich erachte mich auch keineswegs als Experte des Haushaltsrechts, doch zweifle ich nicht an den gestern nach einem konsequent vollzogenen und professionell begleiteten "Kassasturz" von Finanzminister Grasser und Staatssekretär Finz der Öffentlichkeit bekannt gegebenen Budgetdaten. Neben dem nach dem Vertrag von Maastricht, also nach den Stabilitätskriterien der EU eben noch tolerierten Nettodefizit von 62 Milliarden Schilling fehlen gegenwärtig ohne entsprechende Gegenmaßnahmen 47 Milliarden Schilling.

Daraus ergibt sich meines Erachtens zweierlei: Zum einen versteht sich von selbst, dass die so unerlässliche wie undankbare Aufgabe, den Staatshaushalt im Sinne der Konvergenzkriterien zu sanieren oder wenigstens zu konsolidieren, der neuen Bundesregierung bis zur Erreichung dieses vorrangigen Zieles keinen ausreichenden Spielraum für innovative politische Gestaltung eröffnet, soweit diese nicht bloß aus intelligenter Einsparung erfolgt, sondern zudem einer Neufinanzierung bedarf. Zum anderen muss es als Heuchelei bezeichnet werden, wenn gerade jene Partei, der die Fiskalpolitik der letzten Legislaturperioden primär zuzurechnen ist, jetzt ungeachtet des angedeuteten Sanierungsbedarfs von "Einschnitten" im Sozialsystem, von "Belastungspaketen" oder gar vom Bruch von Wahlversprechen redet!

Geschätzte Damen und Herren von der SPÖ! Wie Sie wissen, haben führende Repräsentanten der ÖVP, also Ihres vormaligen Koalitionspartners, strikt in Abrede gestellt, diese Dimension des Haushaltsabganges gekannt zu haben beziehungsweise vom Finanzminister darüber ausreichend informiert worden zu sein. Dass uns Freiheitlichen die maßgeblichen Budgetziffern und sonst relevanten Daten der finanzpolitischen Lage zugänglich gewesen wären, werden ja nicht einmal Sie selbst behaupten.

Aus all diesen Gründen erklärt sich daher, dass die Sanierung des aus Verschulden des von der SPÖ gestellten Finanzministers aus dem Ruder gelaufenen Budgets jetzt auch gewisse Härten bedingt. Meine Fraktion wertet es jedoch in diesem Zusammenhang als äußerst positiv, dass das Defizit weitaus überwiegend ausgaben seitig und zum wesentlich geringeren Teil aus Steuer- und Gebührenanhebungen, also einnahmenseitig, ausgeglichen werden soll. (Bundesrat Prähauser: Steuer gibt es keine!) Auch das unterscheidet die neue gesellschaftliche Gesamtpolitik – und nicht etwa bloß die Finanzpolitik – grundlegend und vorteilhaft von jener, die bisher von der sozialdemokratischen Umverteilungs- und paternalistischen Klientelpolitik geprägt war! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Aber lassen Sie mich nach diesen ernsten und aus der Sorge um unser Gemeinwesen geäußerten kritischen Bemerkungen zu den positiven, mich durchaus optimistisch stimmenden Leitmotiven der heutigen Regierungserklärung zurückkehren. Gerne greife ich einige Zielsetzungen heraus, von denen so manche ein langjährig verfolgtes Anliegen von uns Freiheitlichen darstellt. In Bezug auf die bereits erwähnte Verwaltungsreform ist das vor allem die richtungsweisende Tendenz: weg vom Verwaltungsstaat hin zum Bürger- und Leistungsstaat, aber insbesondere auch die verstärkte Bemühung um eine Objektivierung der Besetzung von Planstellen im öffentlichen Dienst, dies sogar bis hinauf zur Ebene der Bestellung von Höchstrichtern an den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts.

Von der Neuordnung der Ressorts und ihrer Kompetenzen, die einer besseren Abrundung der sachlichen Wirkungsbereiche dienen soll, verspreche ich mir erhöhte Effizienz, bessere Synergieeffekte und die wünschenswerte interne Koordination und Kooperation. Auch dazu ein plakativer Vergleich: Während wir unter der letzten Bundesregierung ein Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr hatten – ein wahrhaft abwegiges Konstrukt! –, werden wir mit der neuen Regierung zu einem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gelangen, das überhaupt erst eine bundesweit einheitliche Verkehrspolitik ermöglicht, weil die Verantwortung für Schiene und Straße erstmals wieder unter einem Dach vereint ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Trotz aller Kritik aus den betroffenen Interessengruppen erwarte ich mir aus der Zusammenführung von Unterrichts- und Wissenschaftsbereich eine integrierte Bildungspolitik, die endlich wieder einem Gesamtkonzept folgt, und dies – davon bin ich überzeugt – unter hohen Qualitätsanforderungen, das heißt nach dem Leistungsprinzip.

Aus ähnlichen, wenngleich komplexeren Erwägungen begrüße ich auch die Zusammenführung von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik in einem Ressort. Wir gehen eben davon aus, dass nicht der Staat, sondern allein die Wirtschaft Arbeitsplätze schafft; dies gewiss in Verbindung mit für die Wirtschaft förderlichen Rahmenbedingungen, für die das staatliche Recht verantwortlich ist, und natürlich nicht mit primärem Bezug auf die multinationalen Großkonzerne, sondern auf die für die österreichische Wirtschaft repräsentativen Klein- und Mittelbetriebe. Mit anderen Worten geht es weder um einen klassenkämpferischen Gegensatz noch um die Verwischung unterschiedlicher Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, vielmehr um die übergreifende nationalökonomische Synthese, mittels entsprechenden Wirtschaftswachstums auch Arbeitsplätze zu sichern und zu mehren.

Desgleichen habe ich mit der früher auch schon von der Freiheitlichen Partei vorgeschlagenen Verbindung von Landwirtschafts- und Umweltpolitik innerhalb eines Ressorts nicht das geringste Problem, werden doch dadurch fortschreitend Tendenzen und Maßnahmen im Sinne einer kleinräumigen, ökologischen und Aufgaben des Landschaftsschutzes wahrenden Agrarpolitik sichergestellt.

Es wird Sie auch nicht überraschen, dass wir der entscheidend verbesserten Förderung der Familien durch das künftig vorgesehene Kinderbetreuungsgeld uneingeschränkt zustimmen; entspricht das doch einer zentralen Forderung freiheitlicher Familienpolitik, die uns mit jener der Österreichischen Volkspartei verbindet und die wir im Rahmen der – freilich begrenzten – budgetären Möglichkeiten in weitem Umfang durchsetzen konnten.

Auch dazu erlaube ich mir eine plakative gesellschaftspolitische Wertung. Im Gegensatz zur polemischen Kritik von SPÖ und Grünen im Nationalrat, dass es den beiden Regierungsparteien dabei nur um die Tendenz gehe, die Frauen wieder verstärkt an den heimischen Herd zurückzudrängen (Bundesrätin Fuchs: Sondern?), – nein! – ist daran festzuhalten, dass die geplanten Förderungsmaßnahmen – ganz im Gegenteil! – zur Wahlfreiheit der Frauen, aber auch der Männer beitragen sollen und werden (Bundesrat Prähauser: Blanker Zynismus!), sich der familiären Betreuung der Kinder zu widmen oder andere Wege einzuschlagen, die Verantwortung für die Familie und die eigene außerhäusliche Berufstätigkeit miteinander zu vereinbaren.

Die weiters geübte Kritik an der angeblichen sozialen Unausgewogenheit dieser Lösung erklärt sich meines Erachtens aus einer verfehlten Einordnung der entsprechenden Förderungen. Sie verstehen sich aus unserer Sicht eben nicht mehr als primär sozialpolitische Transferleistung, bei der die Einziehung von Einkommensgrenzen durchaus geboten erschiene, vielmehr werten wir das Kinderbetreuungsgeld als typisch familienpolitische Maßnahme. (Bundesrat Konečny: Das hat nichts miteinander zu tun?)  – Das ist zu trennen; es lässt sich allerdings auch verbinden. (Heiterkeit des Bundesrates Konečny. ) Ökonomisch betrachtet wirkt es sich ohnehin degressiv aus, wenn Sie zugleich bedenken, dass sich die Rechtsprechung zur Unterhaltsbemessung bis zur Luxusgrenze am Einkommen des Unterhaltspflichtigen orientiert. Vergessen Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, daher auch nicht, dass ja gerade Sie immer propagiert haben: "Uns ist jedes Kind gleich viel wert"! (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Zur Kritik an den im Pensionsrecht vorgesehenen Änderungen sage ich, ohne auch hier Experte zu sein, nur so viel: Wenn Sie sich, meine Damen und Herren von der SPÖ, an das von der ehemaligen Frau Bundesministerin Hostasch eingeholte Gutachten des Ihnen nahestehenden Experten Professor Bert Rürup erinnern, so werden Sie erkennen, dass Maßnahmen zur Sicherung des Pensionssystems – insbesondere für die nachfolgende junge Generation – unerlässlich sind. Im Regierungsprogramm begrüße ich daher die ersten Ansätze zu dem von uns geforderten "Drei-Säulen-Modell" und die Absicherung der in Familienbetreuung tätigen Elternteile in pensionsrechtlicher Hinsicht. Nicht ernsthaft bestreitbar ist auch, dass im Rahmen eines Umlagesystems ein aus demographischen, generativen und altersstrukturell bedingten Gründen folgender Anpassungsfaktor so sachgemäß wie finanziell geboten erscheint.

Bezüglich der die Ausländer betreffenden Politik wird an dem bewährten Grundsatz festgehalten, dass Integration den Vorrang vor Zuwanderung genießt. Die Familienzusammenführung im Inland bildet dabei durchaus eine zielführende politische Integrationsmaßnahme, ohne dass sie – das sei hier erneut klargestellt! – einem expliziten Gebot der Europäischen Menschenrechtskonvention entspricht.

An der Kunst- und Kulturpolitik der neuen Regierung anerkenne ich, dass sie erstmals eine Sozialversicherung für Künstler einführt. Hervorzuheben sind auch die steuerlichen Begünstigungen und die bessere, das heißt gerechtere, regionale Verteilung der Förderungsmittel.

Zur Verteidigungs- und Sicherheitspolitik kann ich mich gleichfalls kurz halten, habe ich mich doch in diesem Haus bereits mehrfach und eindeutig gegen die so genannte Neutralitätslüge ausgesprochen. Meine Fraktion war und ist dazu bereit, an einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft beziehungsweise Sicherheitsarchitektur vorbehaltlos mitzuwirken, und sie ist stets für eine in diesem Rahmen vorgesehene wechselseitige Beistandsgarantie – etwa im Rahmen der mit der EU zu verschmelzenden WEU – eingetreten.

Vieles wäre noch zu würdigen. Aus Zeitgründen muss ich dies jedoch beiseitelassen.

Abschließend wünsche ich unserer neuen Bundesregierung die Erreichung ihrer Ziele, also ein volles Gelingen in der Umsetzung ihres ambitionierten Erneuerungsprogramms; all das für unsere gemeinsame Heimat, die Republik Österreich. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.46

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer das Wort. – Bitte.

12.46

Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Danke, Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Kollegen! Hohes Haus! Herr Kollege Bartenstein hat beim Hereinkommen zu mir gesagt: Für Sie muss das ja eine Art Heimkehr hier in den Bundesrat sein. – Ein bisschen ist es auch so. Ich habe ja diesem Hause sieben Jahre lang angehört, und ich bin sehr froh darüber und stolz darauf, heute auch in meiner neuen Funktion hier sein zu dürfen. Ich verspreche auch, als Regierungsmitglied – was nicht immer so im Verhältnis zwischen Regierung und Bundesrat war –, dass die Anliegen, die ich hier als Mitglied des Hauses, nämlich als Bundesrätin, vertreten habe, mir auch als Regierungsmitglied selbstverständlich weiterhin am Herzen liegen werden (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), und ich an der Umsetzung der Vorstellungen, die wir in diesem Haus vielfach gemeinsam erarbeitet haben, entsprechend weiterarbeiten werde.

Der Wiedererkennungseffekt ist trotz der neuen Sitzordnung groß. Besonders wenn ich Herrn Professor Konečny am Rednerpult erlebe, dann weiί ich, dass der Bundesrat immer noch jene Aussagekraft hat, die er zu der Zeit hatte, als ich hier als Bundesrδtin war. Auf die Δuίerungen des Herrn Kollegen Konečny werde ich jedoch spδter noch zu sprechen kommen.

Eines der wichtigen Anliegen, die sich diese neue Bundesregierung vorgenommen hat – und das ist ein Anliegen, das wir auch in diesem Hause immer wieder vielfach, leider erfolglos, vertreten haben –, ist die Realisierung der Bundesstaatsreform. Das ist ein Thema, das seit – ich weiß gar nicht – mehr als zehn Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten, auf der Tagesordnung steht, immer wieder in neuen Anläufen diskutiert wurde, ohne letztendlich umgesetzt worden zu sein. Unter "neu regieren" verstehen wir, dass wir uns vorgenommen und dazu verstanden haben, das auch wirklich in die Tat umzusetzen.

Ich war daher sehr froh, in den Sondierungsgesprächen, die alle drei Parteien miteinander geführt haben, vom Herrn Bürgermeister von Wien, von Dr. Häupl, gehört zu haben, dass auch ihm die Bundesstaatsreform ein großes Anliegen ist. Ich bin hoffnungsfroh, dass er diese Zuversicht auch an Herrn Kollegen Konečny weiterleitet, denn er wird ihn sicher leichter όberzeugen kφnnen, als wir das tun kφnnen. Aber Herr Bόrgermeister Hδupl hat sich ausdrόcklich dazu bekannt – was mich also hoffnungsfroh stimmt –, dass wir in dieser Frage auch gemeinsam mit der Sozialdemokratischen Partei zu einer Lösung kommen werden.

Nachdem ich gesehen habe, dass sich Herr Kollege Konečny die Mόhe gemacht hat, das Regierungsprogramm sehr selektiv zu lesen, mφchte ich auf einige Punkte eingehen, die vielleicht ein bisschen untergegangen sind, die aber gerade hier für den Bundesrat, wie ich meine, von besonderer Bedeutung sind.

Wir haben, was das Verhältnis zwischen Bund und Ländern und die Neudefinition dieses Verhältnisses im Sinne der Effizienz und besseren Kompetenzaufteilung betrifft, wie ich meine, eine Reihe von sehr ambitionierten Anliegen in diesem Regierungsübereinkommen festgehalten, das heißt, die Qualität der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden soll neu geregelt und verbessert werden durch eine Bereinigung der Kompetenzverteilung in jenen Bereichen, in denen es Querschnittsmaterien gibt, die teilweise mehr zur Verkomplizierung beitragen und damit auch zum Schaden des Bürgers sind. Die Gesamteffizienz der Verwaltungsabläufe unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips in der Kompetenzaufteilung ist so zu regeln, dass die Entscheidung immer dort fällt, wo sie sinnvollerweise dem Bürger am nächsten zu treffen ist. Das ist ein wichtiges Anliegen dieser Bundesregierung, ebenso wie die Auflassung der mittelbaren Bundesverwaltung in den Bereichen, in denen sie nicht notwendig ist. Auch das ist etwas, was schon lange hier in diesem Haus immer wieder diskutiert wurde und wobei es hoch an der Zeit ist, dass das auch umgesetzt wird.

Die Stärkung der Verfassungsautonomie der Länder ist ein ganz wichtiger Punkt, weil wir hier für die Länder die Möglichkeit schaffen, in Bereichen des Wahlrechtes – und zwar nicht nur im Bereich des Briefwahlrechts, sondern generell – sozusagen in Eigenkompetenz auch gestaltend tätig zu sein. Das ist ein richtungsweisender Schritt und hat auch die Zustimmung, wie ich meine, aller Bundesländer gefunden. Das ist mir persönlich ein ganz wichtiges Anliegen, weil ich, wie gesagt, auch hier in diesem Hause viele Jahre für eine Reform des Bundesrates gekämpft und darüber diskutiert habe.

Ich möchte noch dazu sagen, es soll nicht so sein, dass nun eine neue Bundesregierung da ist, die dem Bundesrat vorschreibt, wie er sich definieren soll, sondern der Bundesrat soll im Zusammenwirken mit dem Nationalrat und der Regierung einen neuen Weg einschlagen in Richtung mehr Selbstbewusstsein, auch dieser Länderkammer, zur Vertretung der Länderinteressen, was natürlich mit einer entsprechenden Ausweitung der Kompetenzen in vielen Bereichen verbunden sein muss. Mein wirkliches Versprechen in dieser Angelegenheit – auch bezüglich der Unterstützung aller Anliegen, die dieses Haus hat – gebe ich hiemit offen ab. Ich meine, dass daran kein Zweifel bestehen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Ich glaube, dass das auch ein wichtiger Punkt in der Neudefinition des Verhältnisses zwischen Regierung und Opposition generell ist.

Es sind schon von meinen Vorrednern wichtige Anliegen der Regierung, wie die Frage des Ausbaus der direkten Demokratie, angesprochen worden. Ich verstehe ehrlich gestanden nicht, warum es diesbezüglich Widerstand seitens der sozialdemokratischen Fraktion gibt. Hätte es diese Regelung betreffend Volksbegehren, Volksabstimmung, so wie wir sie vorgesehen haben, schon früher gegeben, wären wichtige Anliegen – auch der sozialdemokratischen früheren Regierungsmitglieder wie das Frauen-Volksbegehren, das Gentechnik-Volksbegehren – natürlich ganz anders umgesetzt worden, als das jetzt der Fall ist. Ich würde mir an Ihrer Stelle ... (Bundesrat Prähauser: Die Mindestzahl an Unterschriften wurde bisher erst ganz wenige Male erreicht!)  – Bitte? (Bundesrat Prähauser: Jetzt ist es schwieriger als vorher!)  – Aber die beiden Beispiele, die ich genannt habe, wären zwei solche Beispiele gewesen, die nach der Regelung, die wir in diesem Regierungsprogramm haben, auch umgesetzt hätten werden können. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Die Unterschriften, für die Sie und Frau Prammer geworben haben, wären nicht umsonst gewesen (Zwischenruf der Bundesrätin Fuchs ), Frau Kollegin, wenn die Sozialdemokraten die direkte Demokratie ähnlich ernst genommen hätten, wie die neue Regierung dies tun wird. (Bravorufe bei den Freiheitlichen. – Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Die Stärkung des Parlamentarismus ist ein wichtiges Anliegen dieser neuen Regierung. Ich betone das ausdrücklich, weil es nicht selbstverständlich für Regierungen ist, dass sie auch am Ausbau der Minderheits- und Oppositionsrechte in einem Parlament interessiert sind. Das ist ein wichtiges und großes Anliegen von uns, zu dem wir uns auch bekennen. Das ist auch der Unterschied, so glaube ich, zu 30 Jahren von von Sozialdemokraten geführten Regierungen.

Dieser Umstand erklärt auch ein wenig, warum die Angst, der Schrecken und die Panik vor dem Gang in die Opposition bei Ihnen so groß sind, weil Sie wahrscheinlich ein bisschen (Bundesrätin Schicker: Die Angst ist in der Bevölkerung, Frau Vizekanzler!) davon ausgehen, dass auch Sie so, wie Sie die Opposition jahrelang behandelt haben, nämlich als lästiges Anhängsel im parlamentarischen Alltag, behandelt werden. Ich kann Ihnen – ich habe das auch im Nationalrat gesagt – versichern, dass wir uns auch in diesem Fall an Ihnen kein Beispiel nehmen werden, sondern wir werden einen sehr offenen und direkten Diskurs auch mit den Oppositionsparteien pflegen. Das gilt für die gesamte Bundesregierung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich begrόίe es sehr, Herr Kollege Konečny, dass Sie gesagt haben, Sie werden eine harte und durchsetzungsfδhige, aber auch konstruktive Opposition sein. Bis jetzt habe ich jedoch auίer dem verbalen Bekenntnis zur konstruktiven Zusammenarbeit mit den Regierungsparteien noch nicht viel davon bemerkt (Bundesrat Konečny: Wir haben ja noch nichts gesehen! – Bundesrat Prähauser: Sie haben noch nichts getan!), aber ich hoffe, dass Ihr Wort bei Ihren Kollegen hier in diesem Hause und auch im Nationalrat Gehör findet. Kritik der Opposition an der Regierung ist natürlich legitim, auch harte Kritik ist legitim, aber was nicht legitim ist (Bundesrätin Schicker: Das haben Sie ja auch gemacht! Nichts anderes!), meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ist, diese Kritik umzumünzen in eine Spaltung der Gesellschaft – und das ist genau das, was Sie derzeit tun! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es gibt nämlich in diesem Lande seit zwei Wochen zwei Wirklichkeiten: Es gibt die veröffentlichte Meinung auf der einen Seite, und es gibt die öffentliche Meinung auf der anderen Seite. Diese beiden Meinungen divergieren gravierend. Die Darstellung der medialen Berichterstattung lautet so: Das ganze Land ist in Aufruhr gegen diese Regierung, niemand will diese Regierung haben (Bundesrätin Schicker: Wir reden mit den Menschen! Wir wissen, dass ...!), alles, was sich diese Regierung vorgenommen hat, ist schlecht. – Die tatsächliche Wirklichkeit ist anders. Herr Kollege Konečny, Sie haben uns anempfohlen, mit den Bόrgern zu reden. Das tun wir jeden Tag. (Im Sitzungssaal ist das Läuten eines Handys zu vernehmen. – Bundesrat Konečny: Sogar mit Handy!) Ich weiß nur nicht, mit wem Sie sprechen, denn meine Erfahrung, Herr Kollege Konečny – das hat auch das Wahlergebnis vom 3. Oktober gezeigt –, ist, dass viele, viele Menschen in diesem Land, die Mehrheit der Bόrger dieses Landes (Bundesrätin Schicker: Die FPÖ wollen!) einen Wandel und einen Wechsel in dieser Demokratie gewählt und auch gewünscht haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Dieser Wandel hat stattgefunden, und das ist in einer Demokratie auch zu akzeptieren.

Sie, Herr Kollege Konečny, haben davon gesprochen, dass jemand in Geiselhaft genommen wird. Ich weise das wirklich mit Nachdruck zurück, denn das Einzige, was ich bisher in Verbindung mit Menschen, die in Geiselhaft genommen werden, gesehen habe, ist die Organisation, die von Seiten der SPÖ und vieler ihr nahe stehenden Organisationen im Zusammenhang mit den Demonstranten wahrgenommen wird. Herr Kollege Bieringer hat schon auf einiges hingewiesen. Es ist – man braucht sich das nur anzusehen – vom VSStÖ über die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter bis hin zur SPÖ als Partei täglich auch der direkte Konnex zwischen den Organisatoren – angeblich unabhängigen Organisatoren – der Demonstrationen und den Parteiorganisationen der SPÖ auf verschiedener Ebene evident.

Ich habe jetzt gerade die jüngste Meldung aus der APA bekommen, in der von einem Schulstreik berichtet wird. Es heißt hier: "Demonstrierende Volksschüler sorgten für Konflikte." – APA-Meldung vom 18. Februar (Ruf bei den Freiheitlichen: Kinder!) Es heißt weiter: Kinder – also Volksschüler – der "Freien Schule Wien" waren mit Sprüchen ausgerüstet wie "Wir fordern eine Grüne Regierung" oder mit Transparenten, auf denen zu lesen war: "Streik: Heute die Schüler, morgen der ÖGB."

Da muss ich Ihnen sagen, ich weise es mit Nachdruck zurück, dass Sie Volksschüler, Schüler in Geiselhaft Ihrer Kritik gegen diese Regierung nehmen. (Anhaltender Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Das hat, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, mit einem demokratischen Diskurs und mit einer legitimen Kritik an einer neuen Regierung wirklich nicht das Geringste zu tun! (Bundesrat Konečny: Kann ich da heraushören, dass das Wahlalter angehoben wird auf 60?) Ich würde Sie dringend ersuchen, in diesem Bereich für ein Überdenken Ihrer Vorgangsweise zu sorgen.

Das Demokratieverständnis, das immer wieder eingefordert wird, ist eine Selbstverständlichkeit. Es darf aber auch die legitime Kritik am politisch anders Denkenden, die selbstverständlich zulässig ist, nicht dazu führen, dass man immer auf einem Auge blind ist. Das bitte ich, auch einmal zur Kenntnis zu nehmen!

Herr Kollege Konečny! Wir kennen uns jetzt schon seit vielen Jahren – auch in diesem Hause –, und Sie sind jemand, der immer den sorgfδltigen Umgang mit der Sprache einmahnt. Ich stimme hier mit Ihnen όberein. Aber ich wόrde bitten, das auch an die eigene Adresse zu richten. Es kann nicht sein, dass hier eine gewisse Diktion verwendet wird, dass im Zusammenhang mit der Kritik an dieser Regierung immer wieder von "Widerstand", von "Destabilisierung" gesprochen wird, dass es Funktionäre der Sozialdemokratischen Partei gibt – zum Beispiel in Salzburg –, die öffentlich sagen: Gewalt gegen diese Regierung ist legitim, weil diese Regierung illegitim ist – und das, ohne dass ich ein Wort des Widerspruches von irgendeinem sozialdemokratischen Vertreter höre. (Bundesrat Dr. Böhm: Unerhört!) Das ist gesagt worden. Selbstverständlich! Und das können Sie auch nachlesen.

Hier würde ich mir (Bundesrat Konečny: ...! Der Widerstand erfolgt! ..., und das von der Regierungsbank! Es ist erfolgt! Längst!)  – Sie können das ja in den Medien nachlesen – ein klares Wort auch von Ihrer Seite erwarten, weil man das in der Art und Weise einfach nicht hinnehmen kann. Das ist mein Appell auch an Sie, kritische Opposition, aber nicht Destruktion zu betreiben! Das ist eine Vorgangsweise, die Sie in den letzten zwei Wochen gewählt haben, dass Sie nämlich alles, was diese Regierung in ihrem Programm vereinbart hat, von vorneherein pauschal ablehnen, ohne zu differenzieren. (Bundesrat Konečny: Punkt für Punkt! – Zwischenruf der Bundesrätin Schicker. ) So kann es nicht sein, denn der Ort der demokratischen Auseinandersetzung ist hier, meine sehr geehrten Damen und Herren, und nicht auf der Straße! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Der erhobene Zeigefinger der nunmehrigen Oppositionspartei SPÖ gegen die neue Bundesregierung muss in den Bereichen natürlich schon hinterfragt werden, die heute schon angesprochen wurden.

So haben Sie etwa mehrfach die Budgetsituation angesprochen. Herr Kollege Konečny! Ich mφchte schon darauf verweisen, dass die Finanzminister der letzten 30 Jahre und damit auch die Verantwortlichen fόr die Situation, vor der wir heute stehen, alle samt und sonders einer einzigen Partei angehφrt haben, nδmlich der Sozialdemokratischen Partei. (Bundesrätin Schicker: Gott sei Dank! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Diese Ressortführung in den letzten 30 Jahren hat uns in einen Zustand geführt, der alles andere als erfreulich ist, der schwierig ist, der zu sanieren ist, der auch saniert werden kann (Bundesrat Konečny: Daher hat Ihr Herr Grasser bestätigen müssen, dass die Zahlen stimmen!), und Sie können sich auch darauf verlassen, dass wir das tun werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Konečny: Sie haben aber gesagt, dass es 100 Milliarden sind!)

Das ist auch so. Herr Kollege Konečny! Wenn Sie die Gόte haben wόrden, einmal die Einnahmen und Ausgaben der Bundesregierung nachzurechnen, dann wόrden Sie sehr schnell feststellen, dass dazwischen eine Differenz in der Hφhe von 109 Milliarden Schilling klafft, die durch entsprechende Maßnahmen ausgeglichen werden muss. Das ist ein einfaches Rechenbeispiel; es wird Ihnen möglich sein, das nachzuprüfen. (Bundesrat Konečny: Sie brauchen nur die Edlinger-Rechnung nachzuvollziehen!)

Der erhobene Zeigefinger von Seiten der Sozialdemokratie gegen diese neue Bundesregierung, was die Frage des sozialen Zusammenhalts, des sozialen Ausgleichs und der Sozialpolitik insgesamt betrifft, Herr Kollege Konečny, ist auch hφchst unangebracht. Ich brauche nur das Programm, das Sie in Ihren Regierungsverhandlungen mit der ÖVP vereinbart haben, mit dem Programm zu vergleichen, das jetzt vereinbart wurde. (Bundesrat Konečny: Ihres ist brutaler!) Denn das, was diese neue Regierung gemacht hat, ist, dass sie das Edlinger-Paket in Pensionsfragen ... (Bundesrat Konečny: Nein, es findet sich keine Pensionskürzung im Edlinger-Papier!)

Das Edlinger-Pensionspaket hätte zur undifferenzierten Erhöhung des Frühpensionsalters in diesem Lande geführt und besonders jene getroffen, die schon lange gearbeitet und 45 Versicherungsjahre und mehr beisammen haben. (Bundesrat Konečny: Denen nehmen Sie etwas weg!) Jenen hätten Sie kalt lächelnd das Pensionsalter um zwei Jahre hinaufgesetzt, ohne die geringsten Skrupel zu haben. (Bundesrat Konečny: Denen kürzen Sie die Pensionen! Das ist wirklich Ihr Verdienst! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich kann Ihnen sagen, dass in unserem Regierungsprogramm enthalten ist (Bundesrat Konečny: Aber nicht die gleiche Pension!), dass all jenen, die mit 15 oder 16 Jahren in den Arbeitsprozess eingestiegen sind, die Pensionen selbstverständlich ungekürzt auch zum früheren Pensionsantrittsalter erhalten bleiben. Ich bitte Sie, das einmal entsprechend zur Kenntnis zu nehmen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Was das von Ihnen so kritisierte Kinderbetreuungsgeld und die Verlängerung der Karenzzeit betrifft, so muss ich sagen, es erstaunt mich besonders, dass das gerade von einer Partei wie den Sozialdemokraten kommt, die immer besonders für eine Besserstellung der Situation und der Rahmenbedingungen für Frauen in diesem Land eingetreten sind. Ich glaube, dass dieser Anspruch legitim ist, und diese Ansicht teilen wir alle auch. (Bundesrat Konečny: So nicht!) Aber dann kann es doch bitte nicht so sein, dass Sie eine Maßnahme ablehnen, die im Interesse der Frauen ist (Bundesrätin Schicker: Nicht für alle!), weil sie ihnen die Wahlfreiheit gibt, berufstätig zu sein und eine Kinderbetreuung in diesem Ausmaß sicherzustellen oder selbst zu Hause bei ihrem Kind zu bleiben. (Bundesrätin Schicker: Das stimmt ja nicht! So ist es ja nicht!)

Wir wollen zum Unterschied von Ihnen den Frauen in diesem Lande nicht vorschreiben, wie sie ihre persönliche Lebensplanung zu machen haben, sondern wir wollen ihnen die Rahmenbedingungen geben, damit sie die Chance dieser Wahlfreiheit haben, die sie heute nicht haben. Das ist ein Faktum! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrätin Schicker: Mit Ihrem Modell haben sie die auch nicht!)

Abschließend ein Punkt, Herr Kollege Konečny, der mir besonders wichtig ist – auch Sie haben ihn herausgestrichen und tun das nicht zum ersten Mal –, nδmlich die Frage des Umganges aller φsterreichischen Parteien mit unserer Vergangenheit. Ich glaube, dass man das auch einmal so sehen muss: Wir müssen, wenn wir über den Umgang mit der Vergangenheit sprechen, über das Verhältnis aller Parteien in diesem Lande zu dieser Vergangenheit sprechen.

Sie haben die Frage der Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter angeschnitten. Ich halte es für ein wirklich großes Signal dieser Bundesregierung, dass wir das als einen der ersten Verhandlungspunkte in völligem Konsens in dieses neue Regierungsprogramm hineingenommen haben. (Bundesrätin Fuchs: Das haben wir schon lange vorbereitet!) Nein! Wenn Sie sagen, Frau Kollegin, das sei schon lange vorbereitet gewesen, dann muss ich Ihnen leider widersprechen. Tatsache ist, dass die frühere Bundesregierung Klima – denn zuständig für diese Frage war Herr Bundeskanzler Klima persönlich – in dieser Frage säumig war. (Bundesrat Konečny: Sie können auf dem Bericht der Kommission aufbauen, die er eingesetzt hat!) Nein, das ist kein Vorwurf, den ich gegen Sie erhebe (Bundesrätin Fuchs: Wer hat die Kommission eingesetzt?), sondern das ist eine Tatsache. Sämtliche Vertreter der Opferverbände haben darunter gelitten, dass sie über ein Jahr lang vom früheren Bundeskanzler nicht einmal angehört wurden, wodurch auch eine Lösung dieser Problematik nicht möglich war.

Herr Kollege Konečny! Wenn Sie sich einmal ehrlich mit dieser Sache auseinander setzen und den Umgang Österreichs mit seiner Vergangenheit betrachten, dann müssen wir alle an unsere eigene Adresse sagen, dass wir heute vor diesem Problem nicht stünden, wenn Österreich nach 1945 mit den Ansprüchen der Opfer anders umgegangen wäre. Das ist ein Versäumnis dieser Republik, das wir alle zur Kenntnis zu nehmen haben, das uns aber heute unserer Verantwortung nicht enthebt.

Der historischen Richtigkeit halber erlaube ich mir festzuhalten, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, dass es ein sozialdemokratischer Minister war, nämlich Oskar Helmer, der im Zusammenhang mit den Restitutionsansprüchen und mit der Einladung, jene, die vor den Nationalsozialisten aus diesem Land und aus ihrer Heimat flüchten mussten, zurückzuholen, damals gesagt hat: Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen. – Das ist ein Schandfleck in der Geschichte dieser Republik, den wir zur Kenntnis zu nehmen haben und an dessen Bereinigung wir alle gemeinsam mitzuarbeiten haben – aber nicht im Wege gegenseitiger Schuldzuweisungen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich glaube auch nicht, dass es für die Zukunft Österreichs, dieser Bundesregierung und der Zusammenarbeit im Parlament sinnvoll ist, dass wir jetzt ein Schema von Gut und Böse errichten. Das ist es jedoch, was in den letzten zwei Wochen tatsächlich passiert ist. Diese Diskussion ist nicht dadurch entstanden, dass jetzt die FPÖ in dieser Regierung ist, sondern der Ursprung und die Wurzel dieser Diskussion liegen darin, dass die Sozialdemokratie jetzt nicht mehr in dieser Regierung vertreten ist, nachdem sie ihr 30 Jahre lang in führender Position angehört hat. Das ist der Ausgangspunkt der vielen Diskussionen, die wir heute haben.

Mir geht es einfach darum, dass wir zur Kenntnis nehmen, dass wir eine bessere Moral nicht mit einer Politisierung der Moral verwechseln dürfen. Denn das ist es, was ich in den Diskussionen der letzten Wochen immer wieder festgestellt habe und was auch heute hier wieder der Fall gewesen ist. Es ist ganz einfach: Wenn man einen Bösen gefunden hat, vermeint man im Umkehrschluss, dass man selbst automatisch der Gute ist. So einfach ist das in der demokratischen Auseinandersetzung aber nicht.

Hier ergeht auch mein Appell zu mehr Wahrheit und Ehrlichkeit in der politischen Auseinandersetzung, und zwar nicht nur hier in diesem Lande, sondern auch auf Ebene der Europäischen Union, denn selbstverständlich kann es nicht so sein, dass in einer Gemeinschaft von 15 Mitgliedstaaten 14 eine Maßnahme gegen ein anderes Mitgliedsland setzen, ohne die Mindestprinzipien der Rechtsstaatlichkeit, die für jedes der Mitgliedsländer selbstverständlich sind, zu beachten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn es uns gemeinsam darum geht, Sorgen abzubauen, die man selbstverständlich ernst nehmen muss – dazu bekennen wir uns auch –, dann müssen wir uns bewusst werden, dass es eine gemeinsame Verantwortung von Opposition und Regierung für dieses Land und die Zukunft dieses Landes gibt. Diese Regierung wird alles dazu beitragen, diese Sorgen abzubauen, indem sie gute Arbeit für dieses Land leistet. Das ist die Chance, die uns die Wähler am 3. Oktober eröffnet haben; das ist die Chance auf einen Wandel in Richtung einer demokratischen Normalisierung in diesem Land, die darin besteht, dass es immer wieder wechselnde Mehrheiten geben wird und soll und dass nicht eine einzige Partei – wie auch immer sie heißen mag – auf Dauer pragmatisiert in einer Regierung vertreten sein kann.

Diese Chance, die uns der Wähler am 3. Oktober gegeben hat, versuchen wir nach bestem Wissen und Gewissen wahrzunehmen, und dafür bitten wir Sie um Ihre Unterstützung. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.09

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile ihm das Wort.

13.09

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren der Bundesregierung! Frau Vizekanzlerin! Ich kann Sie beruhigen: Die SPÖ war in ihrer Regierungszeit nicht von Panik befallen und wird das sicherlich auch nicht in der Opposition sein.

Zu Ihren letzten Anmerkungen betreffend Entschädigung darf ich nur festhalten, dass wir Sozialdemokraten eine notwendige Entschädigung nie in Frage gestellt haben. Ich hätte mir aber erwartet, dass sich der Herr Bundeskanzler zu diesen Äußerungen der Frau Vizekanzlerin gemeldet hätte, denn für mich als Österreicher und Sozialdemokrat beginnt die Geschichte Österreichs nicht erst ab 1945.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir dürfen es uns nicht so leicht machen und die Jahre des Beginns der Zweiten Republik und vor allem das Jahr 1934 und die Jahre 1938 bis 1945 aus dem Gedächtnis verdrängen, denn das war die Ursache für ein verbranntes Europa mit Millionen Toten. (Bundesrat Mag. Gudenus: 1918 nicht zu vergessen!) Erst das war der Anlass, dass es Menschen gibt, denen wir eine Entschädigung zahlen müssen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Was sagen Sie zu 1918, Herr Kollege?)

Dass die Frau Vizekanzlerin dieser Regierung in Panik ist, verstehe ich, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Ich bin überhaupt nicht in Panik! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich erlaube mir nicht, Ihre Meinung oder Ihr Empfinden zu interpretieren, ich interpretiere das nach meinem Empfinden. (Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Sie haben das falsch interpretiert!) Sie müssen mich aber auch den Grund sagen lassen: Sie sind in Panik, weil Sie nämlich von der Österreichischen Volkspartei bei diesen Regierungsverhandlungen sehr kräftig über den Tisch gezogen worden sind und in den Ministerien eigentlich nichts übrig geblieben ist außer leere Hülsen. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. ) Sie werden es schon lernen, wenn Sie Gelegenheit dazu haben. Aber da müssen Sie besser werden.

Einige Anmerkungen zu Kollegen Bieringer als christlichem Gewerkschafter. (Bundesrat Bieringer: Ich bin stolz darauf!) – Ja, darauf kannst du stolz sein. Du sollst auch stolz sein auf Kollegin Grete Rehor. Sie war nämlich eine ausgezeichnete Sozialministerin – weit besser als ihre Ministerkollegen. Aber ich muss schon der Wahrheit gerecht werden und sagen, dass das ASVG, die Grundlage der Sozialpolitik in Österreich, nicht von Frau Ministerin Rehor geschaffen worden ist, sondern im Jahr 1956. (Bundesrat Schöls: Bei der Jahreszahl hast du Recht, aber sonst nicht!) Ich bin aber dafür, dass man auch sagt, dass Frau Kollegin Rehor darauf aufgebaut hat. Die Grundlagen wurden aber schon von einem sozialdemokratischen Gewerkschafter, der damals auch Sozialminister sein konnte, geschaffen.

Ich erlaube mir, noch einige Anmerkungen beziehungsweise eine Richtigstellung zu den Ausführungen des Kollegen Bieringer zu machen. Kollege Nürnberger, seines Zeichens Vorsitzender der sozialdemokratischen Gewerkschafter, vertritt nicht die 22 Gewerkschafter oder Arbeiterkammer-Angestellten im Nationalrat, sondern er ist gewählter Mandatar des Wiener Bezirks Brigittenau. Außerdem ist er sehr wohl Vorsitzender der sozialdemokratischen Gewerkschafter. Auf die unterschiedlichen Verhaltensweisen des Kollegen Nürnberger und des ÖAAB-Obmannes Fasslabend bei den Regierungsverhandlungen bin ich das letzte Mal sehr präzise eingegangen. Ich möchte mich daher nicht wiederholen, ich darf nur das Stichwort "roter Kopf" in Erinnerung bringen. (Bundesrat Schöls: Und steinerner Gast!) – Das hast du gesagt. (Bundesrat Schöls: Das ist der Gegenpol zum "roten Kopf"!) – Nein, das ist ein Unterschied.

Sehr geehrte Damen und Herren! Aber nun einige Anmerkungen zur Regierung und zum Regierungsübereinkommen. Da möchte ich doch die eine oder andere Frage auch an den Herrn Bundeskanzler stellen.

Ich frage mich schon seit einiger Zeit, warum der Parteivorsitzende der Österreichischen Volkspartei und jetzige Bundeskanzler, Dr. Schüssel, gemeinsam mit dem Parteiobmann der Freiheitlichen Partei, Dr. Haider, bevor er Bundeskanzler werden durfte, eine Deklaration mit dem Titel "Verantwortung für Österreich, Zukunft in Europa" unterschreiben musste.

Wir alle kennen die Erklärung. Ich finde das, was darin steht, so selbstverständlich, dass es eigentlich für einen Politiker, für einen künftigen Bundeskanzler, für einen Parteiobmann der Österreichischen Volkspartei gar nicht notwendig wäre, dass er, bevor er Bundeskanzler in der Zweiten Republik werden darf, eine solche Erklärung mit dem Parteiobmann der Freiheitlichen Partei unterschreiben muss.

Bundeskanzler Schüssel musste wahrscheinlich schon gehen. Ich weiß, dass Bundeskanzler viel Arbeit haben, aber ich wollte ihn doch fragen – es gibt noch genügend Bundesräte der Österreichischen Volkspartei, die ihm diese Frage weiterreichen können –, ob er als Parteiobmann der Österreichischen Volkspartei in einer sozialdemokratisch geführten Regierung unter Vranitzky oder Klima auch eine solche Deklaration unterschreiben musste. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Eine Frage, die für mich und wahrscheinlich für viele Österreicherinnen und Österreicher zu klären wäre.

Aber nun zum FPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm. Es fragen sich seit Tagen einige Hunderttausend Österreicherinnen und Österreicher, was sie sich mit dieser FPÖ-ÖVP-Regierung eigentlich eingehandelt haben.

Ich darf die "Presse" zitieren: Ein Dilemma für alle. Nicht jeder Abschied ist auch ein Aufbruch, nicht jeder Wandel ist auch eine Wende zum Besseren. Von der neuen Regierung kennen wir nach zehn Tagen seit ihrer Angelobung eigentlich nur das Risikokapital. – Zitatende.

Ich erlaube mir aber weiter zu zitieren: Arbeitnehmer sind kein Freiwild zur Budgetsanierung. Wir passen auf euch auf. – Inserat der Arbeiterkammer Tirol, Präsident Dinkhauser, ÖVP- und ÖAAB-Mitglied.

Zu jung für die Pension, zu alt für den Job. Nur das Pensionsalter zu erhöhen funktioniert nicht. Gegen einseitige Sparpakete. – Wieder Präsident Dinkhauser, Mitglied der Österreichischen Volkspartei und des ÖAAB.

"Vorarlberger Nachrichten" vom 9. 2. 2000: AK-Präsident Fink kritisiert erneut die Einseitigkeit des Belastungspaketes.

"WirtschaftsBlatt" 9. 2.: Ein Vertreter der freiheitlichen Arbeitnehmer ist zumindest bereit, mit den sozialdemokratischen Gewerkschaftern in einem Punkt den Schulterschluss zu finden, bei den Krankenkassen nämlich.

"WirtschaftsBlatt" vom 2. 2.: Reformpläne von ÖVP und FPÖ sorgen für Unbehagen bei den FP-Gewerkschaftern. Sie wagen eine vorsichtige Kritik. (Bundesrat Dr. Maier: Musst du alles aus den Zeitungen vorlesen, weil du sonst nichts weißt?)

"Salzburger Nachrichten", lieber Herr Kollege: Ein Betrug an den Wählern. Widerstand gegen das Belastungspaket der Regierung forderte AK-Präsident Dinkhauser. Hier hat ein Betrug an den Wählern stattgefunden. Österreicher werden abgezockt und für dumm verkauft. (Bundesrat Dr. Maier: Aber geh!)

Ich habe mir heute vorgenommen, nicht Zitate aus der Sozialdemokratie zu bringen, sondern aus Ihrer eigenen Partei, geschätzter Herr Maier! (Bundesrat Steinbichler: Ausgerechnet Dinkhauser!) Ich weiß schon, dass das am meisten schmerzt.

Aber nun einige Anmerkungen zum Regierungsprogramm, das schon zu unrühmlichen Ehren gelangt ist, weil es die Arbeitsplätze im hohen Maße gefährdet und Milliardenbelastungen für die Arbeitnehmer bedeutet – Milliarden, die an Unternehmer, Bauern und Zinshausbesitzer umverteilt werden sollen. Es gibt auch keine konkreten Ansätze für eine Konsolidierung. (Bundesrat Steinbichler: ... Herr Kollege, für unsere Bauern! Die haben eh solche Überschüsse! Könnte man da auch noch irgendetwas machen?)

Ich wollte Ihnen noch etwas sagen, aber das brauche ich Ihnen nicht zu sagen, denn Sie wissen es ganz genau: 266 Großbauern oder Großagrarier in ganz Österreich bekommen 80 Prozent der Förderungen. Aber sie will ich nicht vertreten, das ist Ihre Angelegenheit. Ein großes Anliegen sind mir die Nebenerwerbsbauern, aber diese sind für Sie nicht von Bedeutung.

Ich möchte auch noch ein bisschen etwas zu den Selbstbehalten sagen. Ich möchte der Wahrheit die Ehre geben und sagen, dass die Arbeitnehmer, wenn sie nach dem ASVG versichert sind, schon jetzt Selbstbehalte haben, und durchaus keine geringen – zum Beispiel: Krankenscheingebühr, Rezeptgebühr, Selbstbehalt beim Zahnersatz, bei den Brillen. Das macht jetzt schon etwa 10 Milliarden Schilling aus, und die neue ÖVP-FPÖ-Regierung erhöht diesen Selbstbehalt um noch einmal 6 Milliarden Schilling.

Laut Regierungsprogramm kommt es auch zu wesentlichen Verschlechterungen im Pensionssystem. Davon betroffen sind vor allem ältere Kolleginnen und Kollegen, vor allem Kranke, Verunfallte und Langzeitarbeitslose. Es gibt auch keine Ansätze, für die wir immer plädieren, Maßnahmen dafür zu treffen, dass die älteren Kolleginnen und Kollegen sicher auf dem Arbeitsplatz verbleiben können. Außer Worthülsen gibt es keine Erklärungen. Ich glaube, dass Sie mit diesem Regierungsprogramm den älteren Menschen und insbesondere den älteren ArbeitnehmerInnen jede Hoffnung nehmen, Ihnen keine Chancen geben und vor allem keine Perspektiven aufzeigen.

Ich muss weiters sehr klar und deutlich sagen – die Frau Bundesministerin, die für Schulen und Universitäten zuständig ist, ist leider nicht hier –, dass durch dieses Regierungsprogramm, wenn man es sich genau anschaut, auch die Aus- und Weiterbildung sehr gefährdet ist. Durch die geplanten Maßnahmen wird das sehr schwierig werden, vor allem das Einlösen des Rechts auf Bildung wird bedeutend erschwert. Aber auch die sozialen Bindungen für Schüler und Studenten sehe ich massiv gefährdet. Reduziert werden die Mittel vor allem für Weiterbildung, was vor allem für jüngere Angestellte, Arbeiter, aber auch für Beamte von großer Bedeutung sein wird.

Ich glaube außerdem, dass das notwendige Auffangnetz für Lehrlinge, das uns in den letzten Jahren vor einer großen Jugendarbeitslosigkeit in diesem Land bewahrt hat, nicht mehr das erforderliche Ausmaß haben wird.

Erschütternd ist für mich, mit welcher Leichtigkeit, um nicht zu sagen, Unbekümmertheit sich die Regierung von der Vollbeschäftigungspolitik verabschiedet hat. Die Beschäftigungsprogramme im NAP, die die vergangene Regierung nach langem Tauziehen, in schwierigen Verhandlungen mit den Sozialpartnern beschlossen hat, werden ausgehungert. Der öffentliche Dienst verliert 9 000 Planstellen. (Bundesrat Ledolter: Wer sagt das? Wo nehmen Sie das her?)  – Sie brauchen sich nur mit den Verantwortungsträgern des AMS auseinander zu setzen, Sie brauchen sich nur die Aussendungen Ihrer Regierung anzuschauen, Herr Kollege! Ich unterstelle Ihnen, dass Sie rechnen, lesen und auch vergleichen können. Wenn Sie das machen würden, dann würden Sie nicht solche Zwischenrufe machen.

Es ist unbestritten, dass 9 000 Planstellen im öffentlichen Dienst abgebaut werden, dass zusätzliche Arbeitskräfte nach Österreich geholt werden, Saisoniers; ich weiß, das freut Sie. (Bundesrätin Haunschmid: Das wollten Sie!) Ich sage Ihnen aber, dass die Schwarzarbeit steigen wird (Bundesrat Weilharter: Haben Sie hellseherische Fähigkeiten?), dass die älteren Österreicherinnen und Österreicher, die im Dienstleistungsbereich und im Gastgewerbe tätig sind, und auch die Gastarbeiter, die seit Jahrzehnten in dieser anstrengenden Branche tätig sind, durch diese Maßnahmen arbeitslos werden. Dazu fällt Ihnen nichts anderes ein, als mit den Schultern zu zucken. Das ist Ihre Einstellung – das überrascht mich nicht, ich will sie auch nicht ändern. Es wird auch ein quasi Arbeitsdienst eingeführt.

All diese Maßnahmen, die ich hier aufgezählt habe, werden zum besonderen Bedauern der Sozialdemokratie zu vermehrter Arbeitslosigkeit führen. Ich weiß schon, dass Ihnen die Wahrheit wehtut und dass Sie vermeintlich in der Vorstellung leben, dass die Wirtschaft für diese Regierung Vorrang hat. Aber dazu werde ich noch kommen.

Ich habe heute schon einen Zwischenruf getätigt, als die Vizekanzlerin den Herrn Finanzminister so gelobt hat: Ich würde etwas vorsichtiger sein. Einen Finanzminister, der Probleme hat, zwischen Brutto- und Nettodefizit zu unterscheiden, möchte ich nicht in meiner näheren Umgebung haben, und ich möchte auch nicht, dass ein solcher Finanzminister auf mein Geld aufpasst beziehungsweise es verwaltet.

Den Arbeitnehmern – das ist schon gesagt worden – werden allein im Jahr 2000 14 Milliarden Schilling abgeknöpft. Die Pensionisten werden durch Kürzungen 15 Milliarden Schilling zur Konsolidierung beitragen, und der öffentliche Dienst wird durch höhere Beiträge nochmals zur Kasse gebeten. Diese Maßnahmen sind notwendig, um die Begünstigungen der Unternehmer und Bauern und der Zinshauseigentümer in der Höhe von 20 Milliarden Schilling zu finanzieren. (Ruf: Das stimmt ja nicht! – Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer verlässt den Saal. – Bundesrat Konečny: Jetzt haben wir eine Scheibner-Alleinregierung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Die Regierung ist ganz lustig: Der Herr Bundeskanzler, die Frau Vizekanzlerin haben auf diese Argumente hin fluchtartig den Bundesrat verlassen. Jetzt ist der Herr Bundesminister für Landesverteidigung hier, der auch auf 20 Milliarden Schilling wartet, um sich Abfangjäger besorgen zu können. (Bundesrat Payer: Flieger will er kaufen! – Bundesminister Scheibner: Das habt ihr schon beschlossen!) – Ich beneide Sie nicht um den Schrotthaufen, den Sie jetzt zu verwalten haben. Aber Sie haben sich freiwillig gemeldet, es hat Sie niemand gezwungen.

Um meine Ausführungen abzuschließen, darf ich die Belastungen der Arbeitnehmer und der Familien an einem Beispiel für einen Durchschnittshaushalt mit vier Personen aufzeigen. Die durchschnittliche monatliche Mehrbelastung kann mindestens 300 S betragen. Sollte in dieser Familie ein Krankheitsfall auftreten, kann die Belastung noch höher sein.

Rauchen wird in manchen gesellschaftlichen Bereichen, in manchen Familien zum Luxus. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)  – Auf den man sicher verzichten kann, weil es sehr gesundheitsgefährdend ist.

Abschließend – das habe ich erst gestern in einer Presseaussendung und dann in Ihren Unterlagen gelesen – erlaube ich mir auch einige Anmerkungen zur Neuverteilung der Kompetenzen zu machen. Das ist, so glaube ich, auch unverzichtbar.

Wir bedauern es sehr, dass es zur Zerschlagung des Sozialministeriums kommt. Die Bereiche Arbeitsrecht, Arbeitnehmerschutz, Arbeitsmarktpolitik wandern zum Wirtschaftsminister Dr. Bartenstein. Die Bedeutung der geplanten Kompetenzverteilung zeigt sich insbesondere daran, dass das Wirtschaftsministerium unter der Leitung eines ehemaligen Großunternehmers steht, der für die Wirtschaft verantwortlich zeichnet und nunmehr gleichzeitig für den Schutz der Arbeitnehmer zuständig sein soll. Es gilt ab sofort, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Wirtschaft nicht mehr den Menschen, sondern die Menschen der Wirtschaft zu dienen haben. Diese Vorgangsweise kann insgesamt sehr eindeutig als negatives Signal gesehen und als solches empfunden werden.

Die Zusammenlegung von Landwirtschafts- und Umweltbelangen, so glaube ich, ist eine ganz besondere Spitzfindigkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei und von der Österreichischen Volkspartei! (Bundesrat Konečny: Sie brauchst du nicht anzureden, sie sind nicht da!) Interessenkollisionen zwischen Umwelt und Landwirtschaft – das erlaube ich mir hier zu behaupten – sind vorprogrammiert. Ich frage mich nur mehr: Wer wird Sieger sein, wenn es um den Einsatz von Düngemittel geht? (Zwischenruf des Bundesrates Hensler. )  – Ich will Ihnen helfen, schreien Sie nicht so! Ich will Ihnen ja helfen! Ich frage nur. Ich kann den Herrn Landwirtschaftsminister nicht fragen, ich kann die Frau Vizekanzlerin nicht fragen, ich kann den Herrn Bundeskanzler nicht fragen. (Bundesrat Hensler: Fragen Sie mich, ich bin ein Bauer! – Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage: Wer wird Sieger sein, wenn es um den Einsatz von Düngemittel, Pflanzenschutzmittel, Tierarzneimittel geht? Die Landwirtschaft? Die Umwelt? Oder die Konsumenten? – Wir alle wissen, wer das kürzere Hölzel in der Hand hat. Ich darf wieder ein Sprichwort gebrauchen: Hier macht man den Bock zum Gärtner.

Der Herr Bundeskanzler hat sich schlauerweise auch sehr rasch aus der Verantwortung für die Nuklearkoordination, sprich aus der Verantwortung betreffend Atomkraftwerke, etwaige Gefahren für Österreich, gezogen und diese Kompetenzen irgendwohin verlagert: natürlich in ein Ministerium, das ohnehin schon alles hat und in das es auch hinpasst – das habe ich heute von ihm gehört –: ins Landwirtschaftsministerium. Wie das zusammenpasst, weiß ich nicht. (Bundesrat Dr. Maier: Da können Sie etwas lernen!) Ich interpretiere das so, dass er ein bisschen – ich formuliere es nobel – Angst hat vor der Verantwortung, die auf ihn in diesem Bereich zukommen kann. (Zahlreiche Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann Sie beruhigen. Wir müssen diese ÖVP-FPÖ-Regierung nur mehr maximal 42 Monate lang ertragen. Ich persönlich bin der Meinung, dass es dafür ein früheres Ablaufdatum geben wird. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konečny: Ich komme wieder, wenn die zweite Regierungspartei auch anwesend ist! Das ist eine Missachtung des Bundesrates!)

13.32

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Bundesrat Alfred Schöls. (Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)  – Am Wort ist Herr Bundesrat Schöls! – Bitte.

13.33

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorneweg sagen: Ich bekenne mich klar zu dieser Bundesregierung. (Bundesrat Konečny  – schickt sich an, den Saal zu verlassen –: Wenn sie nur da wäre!)  – Herr Kollege Konečny! Bleiben Sie bitte noch 3 Minuten da, ich habe Ihnen noch etwas zu sagen. (Bundesrat Payer: Kollege Schöls! Auf Ihre Ausführungen bin ich jetzt neugierig! Ich habe Sie immer geschätzt!)

Ich bekenne mich zu dieser Bundesregierung ganz einfach deswegen, weil sie auf demokratischem Weg zu Stande gekommen ist. Ich bekenne mich zu dieser Bundesregierung, weil sie in den Kammern des Hauses eine entsprechende Mehrheit hat. (Bundesrat Prähauser: Ich mache mir heute schon Sorgen um die nächste Regierung, wie diese miteinander umgehen werden!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich halte es für sehr bedauerlich, wenn die Gewalt der Worte, der ich nicht das Wort rede – ich bin gegen die Gewalt der Worte –, und wenn die Gewalt der Steine einen qualitativ höheren Stellenwert in diesem Land haben. (Bundesrat Payer: Das darfst du uns nicht vorwerfen!) Das stimmt mich bedenklich. Es stimmt mich bedenklich, wenn in einer Demokratie Parlamentarier zur außerparlamentarischen Opposition aufrufen. – Heute, von dieser Stelle aus geschehen, schriftlich auch von anderen Parlamentariern vorgebracht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich halte es für bedenklich, und ich muss ehrlich sagen, ich möchte mich nicht näher auf die Aussagen des Herrn Alt-Alt-Bundeskanzlers Vranitzky ... (Bundesrat Payer: Ich kann mich noch erinnern, als du auf die Straße gegangen bist! Du und ich, gemeinsam!)  – Herr Vizepräsident! Einen Augenblick! Ich werde dir noch etwas sagen.

Ich spreche von der Gewalt der Straße. Ich bekenne mich zur Demonstrationsfreiheit. Du hast schon Recht: Es wird vielleicht auch der Augenblick kommen – ich werde mich heute noch darauf beziehen –, in dem ich sage: Jawohl, wir wollen in einem Augenblick, in dem alle demokratischen Möglichkeiten ausgereizt sind und in dem das in der Vergangenheit funktionierende System der Sozialpartnerschaft scheinbar nicht mehr greift, Möglichkeiten suchen, uns zu artikulieren! Dazu bekenne ich mich. Ich brauche dazu keine Aufforderung von irgendjemandem. Ich habe mich schon vor Tagen, vor Wochen klar dazu bekannt. Das sage ich ganz offen.

Es ist kein Zufall, dass im Klubsaal der Österreichischen Volkspartei vis-à-vis vom Präsidium das Gemälde des großen Christgewerkschafters Kunschak hängt. Es war der Christgewerkschafter Staud, der als Erster für sein Einbekenntnis für Gewerkschaftsfreiheiten in den unmenschlichen Konzentrationslagern sein Leben gelassen hat. – Also ich habe es nicht notwendig, mich als Christgewerkschafter hier auf meine gewerkschaftliche Position einschwören zu lassen. Ich bin eingeschworen! Ich bekenne mich dazu! Ich mache den Mund dann auf, wenn ich das Bedürfnis habe, "roter Kopf" hin und "roter Kopf" her, völlig egal. Ich bin kein "steinerner Gast", darüber haben wir in der letzten Bundesratssitzung gesprochen. Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch einmal: Ich bekenne mich zu dieser Bundesregierung, weil sie einige Punkte in ihrem Programm festgehalten hat, die ich durchaus unterstütze und unterschreibe.

Der Herr Sekretär der Angestellten-Gewerkschaft, Kollege Reichelt, hat noch vor wenigen Monaten erklärt, dass die GPA über die Öffnungszeiten im Handel gesprächsbereit ist und dass die Gewerkschaftsfront gegen die Sonntagsöffnung bröckelt. Und dann soll ich ein Regierungsvorhaben ablehnen, in dem man sich klar dazu bekennt, dass die Unverrückbarkeit des Sonntags gegeben ist? – Ich frage mich wirklich, in welcher Welt wir leben. Wir haben gemeinsam, Schulter an Schulter, Kollege Payer und Kollege Drochter, für die "Aktion Fairness" gekämpft, und dann soll ich ein Regierungsprogramm ablehnen, in dem man sich zur "Aktion Fairness" bekennt?

Wir haben gemeinsam für die Gleichstellung von Mann und Frau in der Arbeitswelt gekämpft. Ich bekenne mich dazu! Und dann soll ich ein Regierungsprogramm ablehnen, in dem man sich zu dieser Chancengleichheit bekennt!? – Ich würde also meinen, die differenzierte Betrachtung ist durchaus angebracht.

Wir haben noch einen Klubobmann, der den 3. Oktober und die folgende Regierungsbildung als Klubobmann überlebt hat, was in anderen Parteien nicht der Fall ist (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), und daher kann ich mich auf das Wort meines noch immer Klubobmannes Andreas Khol verlassen, der sich im Gegensatz zu dem, was angedacht ist und von manchen diskutiert war, was die Frage der ungerechtfertigten Kräfteverschiebung, der überbetrieblichen Kollektivvertragsfähigkeit zur Kollektivvertragslösung in den Betrieben betrifft, klar positioniert.

Ich brauche meine Hand nicht von dieser Stelle aus neu zu reichen, denn ich bin als Gewerkschafter nach wie vor in der Gewerkschaftsbewegung, im überparteilichen, keineswegs unpolitischen Gewerkschaftsbund. Ich bekenne mich zu jedem arbeitsrechtlichen Streik, ich lehne es aber ab – damit bin ich wieder beim Beginn meiner Ausführungen –, mich vom ehemaligen Bundeskanzler Vranitzky, der meint, er bestimme, wer gut und wer böse, wer anständig und wer unanständig ist – wenn er das so genau nimmt wie beim Zählen der Privatflüge, dann muss ich sagen, die Treffsicherheit ist ohnehin sehr gering, und dann habe ich kein Problem damit, denn dann grenzt er mich nicht aus –, beurteilen zu lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich bin nicht deswegen, weil ich an diesem Sonntag, hinsichtlich dessen Herr Vranitzky gemeint hat, dass alle Anständigen auf der Straße stehen, nicht auf der Straße gestanden bin, ein unanständiger Mensch, denn ich bekenne mich zur Demokratie, muss mich dafür aber nicht auf die Straße stellen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir ein Bedürfnis, am Ende meiner Ausführungen daran zu erinnern, dass wir es in der Gewerkschaftsbewegung, lieber Herr Leitender Sekretär und Kollege Karl Drochter, eigentlich immer so gehalten haben, dass wir uns zuerst die Positionen angeschaut und dann versucht haben, Lösungen zu diskutieren.

Du hast gesagt, du zitierst keine SPÖ-Geschichten: Ich weiß schon, du tust dir schwer, Bruno Aigner zu zitieren, der meint, dass sich die SPÖ quasi selbst entmannt hat. Es schmerzt dich, Bruno Aigner zu zitieren, der meint, dass die SPÖ von der Hand in den Mund lebt. (Zwischenrufe der Bundesräte Drochter und Winter. ) Es schmerzt dich, Bruno Aigner zu zitieren, der im Zusammenhang mit der jetzigen Bundesregierung sagt: Aber auch der Zustand der SPÖ ist ein Schlüssel zum Problem. Die SPÖ hat ihre soziale Verantwortung vernachlässigt und dadurch viele Wählerinnen und Wähler an Haider verloren. Sie ist heute weniger eine Partei des "kleinen" Mannes, sondern eher des Unternehmers Stronach, dem Gewerkschaften ein Gräuel sind, und der Wechsel von Andreas Rudas zu Stronach ist symbolhaft. – Zitatende. (Bundesrat Payer: Aber der jetzige Herr Finanzminister kommt auch von Stronach!) Das sage nicht ich – ich bin aber auch dieser Meinung –, sondern das schreibt Bruno Aigner, ein Vordenker. (Rufe bei der SPÖ: Grasser!)

Es ist nicht mein Problem, dass Grasser, weil er bei Stronach war, stigmatisiert ist und schon jetzt als schlechter Finanzminister gesehen wird, Rudas aber, der jetzt bei Stronach ist, und Herr Vranitzky, der von Stronach ein Taschengeld bekommt – wie auch andere exponierte Sozialdemokraten heißen mögen –, besser sind, trotzdem aber: Wird jetzt Stronach als positiv oder als negativ gesehen? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Wir stehen heute wenige Stunden vor einem Ereignis, das nicht ganz zufällig zu Stande kommt. Der VSStÖ meint in einem Flugblatt, dass seit Wochen tagtäglich Zehntausende Menschen auf den Straßen sind, und ruft zum Schluss dazu auf, gemeinsam mit Hunderttausenden Menschen aus ganz Österreich diesen 19. Februar zu begehen.

Lassen Sie mich am Schluss meiner Ausführungen die Hoffnung ausdrücken, dieser Bundesregierung eine Chance zu geben. Wir haben in jeder Konstellation unsere Probleme gehabt (Bundesrat Gasteiger: Die ÖVP!); ich sage es heute noch einmal: Ich habe mit dem Boden-Küssen des Alfred Gusenbauer so wenig am Hut wie mit dem "Hühnerstall" des Herrn Haider! Das sage ich in aller Deutlichkeit! Lassen wir dieser Bundesregierung die Chance, und hoffen wir, dass sich das Feuer, in das manche blasen, nicht so entwickelt, dass Funken zurücksprühen!

Ich bedanke mich bei den Tausenden Exekutivbeamten, die die Nerven bewahrt haben und bewahren werden. Ich warte schon darauf, dass dann vielleicht in den Zeitungen zu lesen ist, wie viele Überstunden die Exekutivbeamten gemacht haben; Überstunden, die sie unter Einsatz ihrer persönlichen Sicherheit gegen gewaltbereite Chaoten, die vor nichts zurückschrecken, leisten. Mein Dank geht daher an die Exekutive! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie Beifall der Bundesräte Drochter und Grillenberger. )

Mein Dank geht aber auch, meine sehr geschätzten Damen und Herren, an die Tausenden Österreicherinnen und Österreicher, die hohes demokratisches Verständnis beweisen. Denn es ist keine Selbstverständlichkeit, dass jemand, der seit Jahrzehnten mit der Straßenbahn eine bestimmte Route fährt, dass jemand, der seit Jahrzehnten mit dem Auto eine bestimmte Route fährt, nur deswegen, weil manche meinen, immer wieder demonstrieren zu müssen, ständig Umleitungen in Kauf nimmt. Ich wünsche mir – das sage ich jetzt auch anklagend an mich selbst gerichtet, weil ich mir vorgenommen hatte, meine Stimme zwar vom Inhalt, aber nicht von der Lautstδrke her stark zu erheben; es ist mir leider Gottes nicht gelungen, so wie heute auch Kollegen Konečny –, dass das auch weiterhin der Fall sein wird, und danke allen Autofahrern, allen Fußgängern und allen Straßenbahnfahrern, die nicht ausrasten nur deswegen, weil sie meinen: Was geht mich der Marsch einiger exhumierter Achtundsechziger an, die eine Fahne mit Che Guevaras Bild entrollen? Was hat diese Fahne auf Österreichs Straßen zu tun? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Die Solidarisierung mit der Fahne des Che Guevara in Österreich verlangt viel Geduld von unseren Staatsbürgern. Ich danke ihnen für diese!

Ich danke noch einmal den Exekutivbeamten, weil es nicht lustig ist, mit dem Vollvisierhelm und dem Schild vorne zu stehen und nicht zu wissen, ob nicht vielleicht der leitende Polizeibeamte Wiens in der dritten Reihe steht und dann unter irgendeinem Vorwand, weil vielleicht sein Maßsakko nass geworden ist oder weil vielleicht seine Tochter beim Exekutiveinsatz, weil sie von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht hat, gegen diese Regierung aufzutreten (Bundesrat Payer: Das ist schon eine tiefe Lade!), von einem Exekutivbeamten verletzt wurde, Maßnahmen setzt. (Bundesrat Payer: Das ist ein Niveau!)

Ein Danke allen, die Verständnis dafür haben, dass wir unsere Meinung sagen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.48

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Engelbert Weilharter das Wort. – Bitte.

13.48

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Fraktionschef der Sozialdemokratie ist leider nicht im Saal (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger ), ich hätte gerne auf seine Ausführungen repliziert; aber ich gehe davon aus, dass es ihm seine Fraktionskollegen ausrichten werden beziehungsweise er sich das Protokoll zu Gemüte führen wird.

Verwundert bin ich όber sein Verhalten insofern, als er sich im Hinausgehen darόber mokiert hat, dass der Groίteil der Mitglieder der Bundesregierung nicht mehr anwesend ist. Herr Kollege Konečny! Unabhδngig davon, wie viele und welche Regierungsmitglieder hier anwesend sind: Es tagt der Bundesrat. – Sagen Sie ihm das bitte, liebe Sozialdemokraten!

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Konečny hat in seinen Ausfόhrungen seine Sorge hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung auf Grund der neuen Bundesregierung geäußert. Ich meine, wir sollten diese Sorge durchaus ernst nehmen. Dass die neue Bundesregierung dieses Kapitel Wirtschaft sehr ernst nimmt, ist in der Regierungserklärung dokumentiert, da ein Beitrag der Wirtschaft gewidmet ist.

Verwundert bin ich vielmehr darόber, dass diese Sorge des Kollegen Konečny und der Sozialdemokratie nicht in der Vergangenheit vorgebracht wurde, etwa beim Niedergang des “Konsum”. Verwundert bin ich darόber, dass diese Sorge der Sozialdemokratie um die Wirtschaft nicht in den letzten 30 Jahren vorgebracht wurde, da Österreichs Wirtschaft in den letzten 30 Jahren die größte Insolvenz- und Pleitenrate aufwies. Das ist ein Faktum, meine Damen und Herren!

Niemand von der SPÖ fühlt sich für diese Vergangenheit, in der Sie dominiert und regiert haben, verantwortlich (Bundesrat Meier: Für das Positive schon!), obwohl diese Pleiten, Herr Kollege Meier, speziell die "Konsum"-Pleite, rein in Ihrem Einflussbereich gelegen sind. Das, was Sie heute betreiben, ist Kindesweglegung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Kollege Drochter hat die Vereinbarung, die die beiden Parteiobmänner Dr. Schüssel und Dr. Haider unterschrieben haben, angesprochen und gemeint, dass dies für die Sozialdemokratie ein Selbstverständnis ist. Herr Kollege Drochter! Er ist auch abwesend. (Bundesrätin Schicker: Er ist auch essen!) Wenn diese Aussagen nur einen Deut an Glaubwürdigkeit besitzen und ihnen nur ein Funke Wahrheit zu schenken ist, dann gilt der Aufruf an die SPÖ: Halten Sie sich zurück, und rufen Sie nicht zum Widerstand auf, sondern suchen Sie den Dialog dort, wo er zu führen ist, und stellen Sie sich nicht auf die Straße, um dort Angst und Panik zu verbreiten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Demgegenüber ist die Regierungserklärung doch sehr wohltuend und angenehm – angenehm deshalb, weil nach 30 Jahren endlich eine Regierungserklärung erfolgt ist, die sehr deutlich eine Abkehr vom Sozialismus darstellt. Es ist die Wende zum Besseren! (Bundesrat Meier: Nach rechts! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Diese Regierungserklärung gibt auch Antwort auf die Bedürfnisse und Erfordernisse unserer Menschen und unseres Landes. Es ist auch angenehm, eine Regierungserklärung zu vernehmen, die durchaus realistische Ziele beinhaltet, die viele Perspektiven hat (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger ), die den Bürgern, den Menschen dieses Landes wieder Mut und Glauben gibt, die Reformen und Erneuerung zum Inhalt hat. Es ist dies eine Regierungserklärung, die die Menschenrechte und die damit verbundenen Aufgaben zum zentralen Thema macht. Das unterscheidet diese Regierungserklärung von vergangenen.

Meine Damen und Herren! Es gibt in dieser Regierungserklärung auch – das ist klar feststellbar – ein Programm zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Die neue Bundesregierung will neue Wege gehen und den Betroffenen Hilfe zukommen lassen, ihre persönlichen Fähigkeiten aktivieren und sie dadurch wieder in den Arbeitsprozess integrieren.

Ziel der neuen Regierung ist es, eine Erneuerung des österreichischen Sozialsystems zu schaffen; zum Beispiel im gesamten Abfertigungs- und Pensionskassenbereich – nicht nur, dass die Arbeitgeber einzahlen, sondern die Beiträge gehen in eine überbetriebliche Kasse, und der Arbeitnehmer nimmt die erworbenen Ansprüche mit. Meine Damen und Herren! Das ist ein wesentlicher Punkt vor allem für Kleinbetriebe, generell aber eine Verbesserung auch für die Arbeitgeber, weil dadurch die Abfertigungen nicht existenzgefährdend sind und vor allem für den Arbeitnehmer die Ansprüche weiterhin gesichert sind.

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Schwerpunkt dieser neuen Regierung ist die Bekämpfung der Armut. 30 Jahre SPÖ-Regierung haben jeden achten Österreicher (Zwischenruf der Bundesrätin Schicker ) – das sind 1 Million Menschen, Frau Kollegin – an die Grenze der Armut gebracht. Hier heißt es gegensteuern, und es bedarf der Koordinierung der Aufgaben von Bund, Ländern und Gemeinden, damit es in Hinkunft in diesem Bereich mehr soziale Treffsicherheit gibt.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Sie werden sich diesen Themen nicht verschließen können. Wenn Sie nur einen Funken an sozialem Gewissen haben, werden Sie helfen, Ihre Fehler aus der Vergangenheit auszubessern und zu beseitigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die Entgeltfortzahlung für Arbeiter und Angestellte ist in diesem Regierungsprogramm erwähnt und festgeschrieben – im Hinblick auf einen Krankheitsfall. Das ist ein von der neuen Regierung definiertes Ziel, das heißt: weg von der sozialistischen Klassen- und Kastenbildung! Das ist der erste Schritt zur Gleichstellung und Gleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten, das ist eine Uraltforderung der Gewerkschaft. In diesem Zusammenhang heißt es, Herr Kollege Drochter – er ist noch nicht hier im Saal, aber sagen Sie es ihm bitte (Bundesrat Gasteiger: Essen!)  –, meine Kollegen der Sozialdemokratie und der Gewerkschaft: Rasch in Verhandlungen eintreten, weg von der Straße, hinein in den Dialog, damit Ihren Gewerkschaftern noch ein Funken an Glaubwürdigkeit bleibt!

Meine Damen und Herren! Die Reform der Sozialversicherungen ist auch als Regierungsziel definiert, etwa durch ein stärkeres Mitspracherecht der Versicherten bei der Entsendung der Vertreter in die Sozialversicherung. Der wesentliche Unterschied im Sozialversicherungssystem wird sein, dass nicht mehr – wie in der Vergangenheit – das Parteibuch das Qualifikationskriterium sein wird, sondern dass die Betroffenen eine Mitsprache und ein Mitbestimmungsrecht haben. Das ist eine Wende zum Besseren und vor allem auch eine Abkehr vom Sozialismus. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Hoscher. )

Meine Damen und Herren! Ziel der gesamten Bundesregierung ist es, den gesamten Bereich der Krankenversicherung zu reformieren. Es wird mehr Kostenbewusstsein geben müssen. Es wird keine Selbstbehalte für den Spitalsaufenthalt geben. Es wird keinen Selbstbehalt – entgegen den Aussagen der Sozialdemokraten – für die Pensionisten geben, es wird keinen Selbstbehalt für sozial Bedürftige geben, und es wird auch keinen Selbstbehalt für Kinder geben. – Das sind klare Ansagen, meine Damen und Herren, und das unterscheidet uns von sozialistischen Modellen.

Meine Damen und Herren! Die Sicherung der Pensionen ist ein Schwerpunkt der Regierung. Es wird in die bestehenden Pensionsrechte nicht eingegriffen. Das so genannte Drei-Säulen-Modell mit staatlicher Grundvorsorge, einer betrieblichen Vorsorge durch das Pensionskassenmodell und einer individuellen Vorsorge ist im Regierungsprogramm festgeschrieben. Das heißt aber auch, dass in die bestehenden Pensionen nicht eingegriffen wird und dass für uns und für die nachkommende Generation auch in Zukunft die Pensionen gesichert sind.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die heutige Regierungserklärung ist nicht nur ein Aufbruch in ein neues Jahrtausend (Bundesrätin Mag. Trunk: Da ist jetzt Begeisterung dahinter!), sondern, Frau Kollegin Trunk, auch eine Wende zum Besseren, die die Österreicherinnen und Österreicher am 3. Oktober in einer demokratischen Weise eingeleitet haben. Jetzt ist es die Aufgabe, diesen neuen Weg zu gehen. Jetzt sind wir aufgefordert, nicht auf der Straße, sondern im Parlament und in den Gremien den Dialog zu suchen und zu leben. Nützen wir, meine Damen und Herren, diese Chance für Österreich! Gehen wir den Weg des Besseren mit der neuen Regierung! Die Österreicherinnen und Österreicher werden es uns lohnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.59

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Elisabeth Gehrer. – Bitte.

13.59

Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe Ihrer Diskussion über weite Strecken sehr interessiert zugehört: Es ist sehr viel Sachliches gesagt worden – ich bedanke mich für die sachlichen Darstellungen des Regierungsprogramms –, es ist auch viel Kritisches gesagt worden.

Ich meine, es ist eine sehr wichtige Aufgabe von uns Erwachsenen, der Jugend ein Vorbild zu sein. Als Bildungsministerin – in meinem Ministerium sind nun Schule, Unterricht, Universitäten vereint – möchte ich an Sie alle appellieren und sagen, dass die Bildung der Jugend nicht nur von den Schulen, von Lehrern oder von Universitätsprofessoren wahrgenommen werden kann, sondern dass das Vorbild der Erwachsenen, der Eltern und der Menschen in unserer Gesellschaft einen sehr wichtigen Anteil an der Entwicklung der Jugend hat.

Zu diesem Vorbild gehört es, dass wir demokratisch agieren, dass wir Demokratie ernst nehmen, dass wir ein Wahlergebnis akzeptieren, das auf demokratischer Basis zu Stande gekommen ist, dass wir eine Regierung akzeptieren, die auf demokratischer Basis gebildet wird und eine Mehrheit im Parlament hat, und dass wir diese Regierung arbeiten lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Zu einer Vorbildwirkung gehört es auch, dass wir wahrhaft sind, dass wir uns bemühen, den Jugendlichen die Wirklichkeit zu zeigen, dass wir uns bemühen, die Jugendlichen positiv zu motivieren, sich für Ziele und Werte einzusetzen. Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen ehrlich, ich mache mir sehr große Sorgen. Ich mache mir große Sorgen darüber, was manche in unserer Republik losgetreten haben, indem sie zu Demonstrationen und Streiks aufrufen und indem sie Jugendliche instrumentalisieren. (Bundesrat Winter: ... diejenigen, die die Regierung gebildet haben!)

Ich zeige Ihnen ein Ergebnis dessen, ich zeige Ihnen ein Ergebnis, das von der AKS unter den Jugendlichen herumgeschickt wird und das fatal an Zeiten erinnert, die wir eigentlich längst überwunden geglaubt hätten. (Die Rednerin hält eine Broschüre in die Höhe. – Bundesrat Dr. d′Aron: Unerhört! – Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist der Stil der SPÖ!) Meine Damen und Herren! Das ist kein Stil, in dem wir unsere Jugendlichen heranbilden dürfen! Ich werde dieses Flugblatt auch der Staatsanwaltschaft zur Beurteilung übermitteln. (Vizepräsident Payer übernimmt den Vorsitz.)

Jeder, der Sorgen hat, der Ängste hat, wird von mir sehr ernst genommen. Ich meine, wir sollen uns auch in die Diskussion mit der Jugend begeben. Das Ziel der Schule kann es aber nicht sein, die Jugendlichen zu animieren, auf die Straße zu gehen, die Jugendlichen zu Streiks aufzurufen und die Jugendlichen zu instrumentalisieren. Ich bitte Sie: Nehmen Sie Ihre Verantwortung der Jugend gegenüber wahr! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es haben heute etwa 3 500 Jugendliche an den Demonstrationen in Wien teilgenommen. Wissen Sie, was sie geschrien haben? – Es ist live in den Nachrichten von Ö3 gekommen: "Widerstand, Widerstand, Schüssel, Haider an die Wand!! (Bundesrat Dr. d'Aron: Unerhört! – Bundesrat Weilharter: Ungeheuerlich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das wurde in den Nachrichten um 11 Uhr in Ö 3 gesendet. Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie ganz dringend, auch zu einer Mäßigung der Sprache beizutragen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Wer hat denn damit begonnen?)

Als Bildungsministerin ist es mir ein besonderes Anliegen, Jugendliche zu informieren. Wir haben daher im Ministerium eine Hotline eingerichtet, damit alle Fragen über die Regierungsbildung oder über demokratische Entwicklungen gestellt werden können. Dort können alle diese Fragen gestellt werden: Wie kommt eine Regierung zu Stande? Wie ist es möglich, dass die Zweiten und die Dritten zusammen eine Regierung bilden? – Das ist übrigens legal und demokratisch, das geschieht in allen demokratischen Ländern dieser Welt. (Bundesrat Meier: Das haben wir eh nie bestritten!)

Oder: Wie schaut es mit dieser Präambel aus, die unterschrieben wurde? – Meine Damen und Herren! Da zuerst von einem sozialdemokratischen Bundesrat gesagt wurde, dass es traurig ist, dass diese Präambel unterschrieben werde musste, meine ich: Es ist traurig, dass von gewissen Seiten angezweifelt wird, dass es in Österreich so ist. Das ist traurig! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Die brauchen wir ja gar nicht! Das ist eh selbstverständlich! – Bundesrätin Schicker: Wundert es Sie, Frau Bundesministerin? – Bundesrat Winter  – in Richtung Freiheitliche –: Warum hat der Bundespräsident so etwas von euch verlangt? – Weitere Zwischenrufe.)

Wir wissen auch, dass diese Regierung auf einer demokratischen Basis, auf der Grundlage der Menschenrechte, der Toleranz und der positiven Zukunftsbewältigung gebildet wurde. Ich bitte alle positiven Kräfte in diesem Hohen Haus, uns dabei zu unterstützen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.05

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile ihr dieses.

14.05

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Frau Bundesministerin! Ich bin bei Ihnen, wenn Sie sagen: Wir sollen eine andere Sprache sprechen, wir sollen diese rohen Worte weglassen. – Aber ich darf Sie daran erinnern, dass Sie mit einer Partei in der Regierung sitzen, die diese Sprache in diesem Land eingeführt hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf Sie daran erinnern – ich entschuldige mich dafür –, dass ich dazwischengerufen habe, aber Sie müssen auch unsere Emotionen verstehen, wenn Worte wie "Hühnerstall" und "Fuchs" verwendet werden. (Bundesrat Meier: Das ist noch das Zarteste!) Alles, was danach kommt, kann man sich vorstellen. Dass wir dann ... (Bundesrätin Mühlwerth: ... ist in Ordnung? – Weitere Zwischenrufe.) Frau Bundesministerin! Dass wir dann auch unseren Emotionen teilweise freien Lauf lassen, aber nicht mit den gleichen Worten ... (Bundesrat Dr. Böhm: "An die Wand stellen" ...!) Aber nicht mit den gleichen Worten – Herr Dr. Böhm, Sie kennen mich –, nicht mit den gleichen Worten! (Bundesrätin Haunschmid: ... den Hund auf die Wurst aufpassen lassen, damit nicht die ÖVP ...! – Weitere Zwischenrufe.)

Frau Kollegin! Sie können dann ruhig ans Rednerpult kommen und Ihren Beitrag von hier aus abgeben. (Bundesrat Prähauser: Das wäre mir lieber, dann hätte ich es hier ein bisschen ruhiger!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zukunft im Herzen Europas, Österreich neu regieren – so lautet die wunderschöne Überschrift des Regierungsprogramms der neuen, blau-schwarzen Regierung. (Bundesrat Bieringer: Schwarz-blau!) – Danke, Herr Klubobmann, ich hätte es nicht gewusst!

Der Inhalt desselben ist aber leider alles andere als wunderschön. Das Herz Europas – wie der Herr Bundeskanzler unser Land nennt – leidet, es ist krank, und das, meine Damen und Herren, seit dem 4. Februar diese Jahres. (Bundesrat Mag. Himmer: Die Sozialdemokratie ist verschnupft! – Heiterkeit.) An diesem Tage, Herr Kollege Himmer, wurde durch die Bildung einer blau-schwarzen Regierung Unsicherheit geschaffen, es wurden einem Großteil der Österreicherinnen und Österreicher Zukunftsängste beschert. Dadurch wurde aber auch das Ansehen Österreichs im Ausland schwer beschädigt. (Bundesrat Dr. Nittmann: Von der SPÖ! – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. )

Herr Dr. Böhm! Seit diesem Tag schlägt das Herz Europas anders. Es schlägt unrhythmischer, und es leidet. (Bundesrat Dr. Nittmann: Es schlägt links!) Alle spüren es, nur Sie spüren es nicht. (Bundesrätin Haunschmid: Sozialistisch schlägt es!) Nur der Herr Bundeskanzler und die Mitglieder der Bundesregierung spüren es nicht und wollen es nicht zur Kenntnis nehmen. Sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass sie damit Österreich nicht nur keinen Bärendienst erwiesen haben, sondern dass sie damit Österreich ins europäische Out gestellt haben. Dem können Sie nicht widersprechen. (Bundesrätin Haunschmid: Dank Ihrer ...!)

Man kann das natürlich – so, wie Sie meinen, Frau Kollegin – sehr harmlos sehen. (Bundesrat Bieringer: Frau Kollegin! Ich war drüben über der Grenze! Ich war drüben in Deutschland und habe dort nichts gehört, dass ...! – Weitere Zwischenrufe.) Man kann das alles sehr harmlos sehen, es ist aber nicht zu verharmlosen. Wir alle wissen, Herr Kollege Bieringer, dass über unserem jetzigen Bundeskanzler – "unserem" sage ich, weil er das Land Österreich vertritt, aber nicht, weil er die SPÖ vertritt – ein Gegenkanzler in Klagenfurt thront. Das wissen auch Sie, das wissen alle in Ihrer Fraktion! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bieringer: Es gibt keinen "Gegenkanzler"!)

Dieser Gegenkanzler, bitte, dirigiert die Bundesregierung von Klagenfurt aus. (Bundesrat Weilharter: Meinen Sie das Schattenkabinett von Gusenbauer? – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. ) Herr Kollege Himmer! Sie haben es in der Vorwoche miterlebt. Da können noch so viele Erklärungen vom Herrn Bundeskanzler und von der Frau Außenministerin, die ich sehr schätze, kommen, es nützt nichts. Sie geben laufend Erklärungen ab und betonen, dass Herr Haider nur Landeshauptmann in Kärnten ist. (Bundesrat Weilharter: Das ist er ja!) Das wissen wir. Aber darüber hinaus, bitte, ist er der steinerne Gast am Ballhausplatz. Auch das wissen wir. (Bundesrat Mag. Himmer: ... Bodenküsser Gusenbauer! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Teil dieser Bundesregierung –damit spreche ich nicht die Frau Bundesministerin an – wird immer wieder in Klagenfurt residieren – wir haben es auch in der Vorwoche schon gemerkt – und wird von dort Befehle entgegennehmen. (Bundesrätin Mühlwerth: Wer denn? Wo denn?) Das ist nicht abzustreiten. In der Bevölkerung besteht eben mehrheitlich die Meinung: Dieser Bundeskanzler und diese Bundesregierung haben Österreich verraten und verkauft. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber nur Ihre Meinung!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nicht verwunderlich, wenn die Erregung und die Empörung zum vorliegenden blau-schwarzen Pakt so groß sind. Denn dieser Pakt bedeutet Sozialabbau, er bedeutet Umverteilung von unten nach oben, von arm zu reich, und er bedeutet Umverteilung von Arbeitnehmern zu Unternehmern. (Bundesrat Bieringer: Aber geh!) Es wird die breite Masse zur Kasse gebeten, die Spitzenverdiener bleiben verschont. Die Armen werden immer ärmer, und die Reichen werden immer reicher. Damit wird die gute Regierungsarbeit von 30 Jahren – sozialer Frieden, Stabilität, Wohlstand – und das Ansehen im Ausland zerstört. (Bundesrat Weilharter: 30 Jahre SPÖ – 1 Million Menschen unter der Armutsgrenze! – Ruf bei der ÖVP: Glauben Sie das selbst, was Sie da sagen? – Weitere Zwischenrufe.)

Das glaube ich. Ich bin länger als Sie in der Politik, und ich rede viel mit den Leuten, lieber Herr Kollege! Ich weiß nicht, wie lange Sie sich damit beschäftigen. Österreich – das müssen Sie zugeben – steckt in der schwersten Krise seit 1945. (Bundesrat Weilharter: 30 Jahre SPÖ-Regierung!) Ihre Regierung hat es in diese Isolation geführt!

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich nun zu einigen Inhalten des vorliegenden Regierungsübereinkommens, im Besonderen natürlich zur Frauen- und Familienpolitik, kommen. Fest steht, dass dieses blau-schwarze Koalitionsabkommen eine Verzichtserklärung auf die Errungenschaften von 30 Jahren moderner Frauenpolitik darstellt. (Bundesrat Bieringer: Na geh!) Der Verzicht auf ein eigenes Frauenministerium dokumentiert, Herr Kollege Bieringer, welchen Stellenwert Frauen in der FPÖ und in der ÖVP haben. Sie haben nämlich keinen Stellenwert! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn die neue Bundesregierung vorhat, das Karenzgeld für alle einzuführen, und dazu meint, für die sozial Schwächeren beziehungsweise für diejenigen, die bis jetzt noch keinen Anspruch darauf hatten – wie Studentinnen und Bäuerinnen –, dieses Karenzgeld zu bezahlen, so stimme ich dem zu. Wir waren auch vorher schon dafür. Wir haben auch gesagt: für diejenigen, die es brauchen. (Bundesrat Ledolter: Nur geschaffen habt ihr es nicht!) Es tut mir wirklich sehr Leid, dass Herr Bundesminister Bartenstein nicht mehr da ist. Wir haben hier – es ist keine paar Monate her – eine dringliche Anfrage an ihn gerichtet. Er hat damals unseren Vorschlägen zugestimmt, als wir gesagt haben: Jawohl, für diejenigen, die es brauchen!

Er war auch damit einverstanden, dass eine Deckelung eingezogen wird. (Bundesrat Ledolter:  ... das erste Mal von einer Sozialistin, dass auch die Bauern einbezogen sind!) Wir haben uns dazu bekannt, und nicht erst seit heute. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Dann haben Sie einiges verschlafen. Entschuldigen Sie, dann haben Sie einiges verschlafen. – Herr Minister Bartenstein hat damals hier zugestimmt beziehungsweise Wärme für unseren Vorschlag gezeigt, eine Deckelung einzuführen. Es waren 40 000 S oder 50 000 S an Monatseinkommen im Gespräch. Was ist jetzt im Koalitionsübereinkommen davon übrig geblieben? – Er hat sich über den Tisch ziehen lassen.

Es kommt das Karenzgeld für alle, auch für diejenigen, die es nicht brauchen. "Für alle" heißt eben: für alle! Auch für die Reichen kommt das Karenzgeld. Gerade Ihr Minister Grasser hat gestern anlässlich der Vorstellung des Budgets gesagt: Wir müssen wieder auf die soziale Treffsicherheit schauen. Er bräuchte keine Transferleistungen, er könnte darauf verzichten – er hat ja ein schönes Einkommen. Aber was geschieht jetzt? – Es wird das Gegenteil von dem gemacht, was er meint. Entschuldigung, wenn das nicht Unglaubwürdigkeit ist, dann weiß ich nicht mehr, was da passiert! (Bundesrat Saller: Die Verwirrung ist groß!)

Meine Damen und Herren! Ich habe es schon gesagt, einerseits überschüttet man Frauen mit Geld, die es höchstens als Körberlgeld verwenden. (Bundesrat Mag. Himmer: Studentinnen, Bäuerinnen! – Bundesrat Rodek: Hausfrauen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Herr Kollege! Ich habe vor zwei Minuten gesagt, dass ich zu dem stehe: Wenn es welche brauchen, dann sollen sie es bekommen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Aber Sie haben es bis zum Letzten bekämpft!) Jetzt rede ich von denjenigen, die es nicht brauchen, und das sind die Frauen der reichen Männer, der Millionäre. Wo ist da die soziale Treffsicherheit? (Ruf bei den Freiheitlichen: Jedes Kind ist gleich viel wert! – Bundesrat Mag. Himmer: Und was ist mit ihrer Unabhängigkeit? – Weitere Zwischenrufe.)

Jedes Kind, so haben wir gesagt, ist uns gleich viel wert. (Bundesrat Mag. Himmer: Was ist mit der Unabhängigkeit der Frau? Das gilt nur für Frauen von ärmeren oder von mittleren Einkommen; ab 60 000 brutto ist dann die ...!) Herr Kollege Himmer! Ich habe Ihnen das schon einige Male erklärt. Ich möchte im Gegensatz dazu sagen: Auf der einen Seite überschüttet man mit diesem Karenzgeld auch reiche Familien, die es gar nicht benötigen und die es ablehnen, so wie es gestern Ihr Finanzminister gemacht hat. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. ) Andererseits lässt man Alleinerzieherinnen im Regen stehen. Bitte, wo hat die Alleinerzieherin das dritte Karenzjahr? – Sie hat keinen Partner, aus welchen Gründen immer; jeder von uns kennt viele Alleinerzieherinnen, die nicht freiwillig aus einer Partnerschaft hinausgegangen sind. Sie hat man vergessen; sie haben keinen Partner, sie können kein drittes Karenzjahr in Anspruch nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Anscheinend gibt es Alleinerzieherinnen in der ÖVP und in der FPÖ nicht, oder es darf sie nicht geben. Es darf sie nicht geben, weil Sie ein anderes Familienbild haben. Sie gehen damit aber wirklich an der Realität unserer gesellschaftlichen Veränderungen vorbei. Wir alle wissen, dass jede dritte Ehe geschieden wird. Viele Partnerschaften, die lebenslang sein sollten, gehen früher auseinander. Daher sind Alleinerzieherinnen wirklich mehr als andere mit Unterstützungen zu versorgen. (Bundesrätin Mühlwerth: Wo habt ihr den Alleinerzieherinnen Unterstützung gegeben? – Bundesrat Mag. Himmer: ... die Familien einen größeren Stellenwert!) Ich stehe zur Familie, Herr Kollege! Ich habe kein Problem mit der Familie. (Bundesrat Ledolter: Frau Kollegin! In der Regierungserklärung ...! – Weitere Zwischenrufe.)

Nein, Herr Kollege, ich habe kein Problem. Nur weiß ich aus meiner Tätigkeit, wer die wirklich Armen sind: die Alleingelassenen, die zwei, drei Kinder allein aufziehen müssen, die vom Partner allein gelassen worden sind, vom Finanziellen her und sonst auch. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) Also, Herr Kollege, mir brauchen Sie auf Grund meiner langjährigen Praxis nicht zu erzählen, wer die Armen in diesem Lande sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt weg von der Familien- und Frauenpolitik, und ein Wort noch zu den geplanten Privatisierungen. In der Obersteiermark – und in meinem Bezirk – gibt es große Sorgen wegen der weiteren Privatisierungsbestrebungen auf Grund des neuen Koalitionsübereinkommens. (Bundesrat Ledolter: Wieso?) Das werde ich Ihnen gleich erklären, Herr Kollege! Die Beschäftigten in der VOEST-Alpine, die zum Teil schon privatisiert ist, haben große Ängste, dass es unter Umständen auch so weit kommen kann, wie es vor einiger Zeit bei Semperit der Fall war. Wenn nämlich für diese Betriebe die Sperrminorität fällt, dann kann das Gleiche wie bei Semperit passieren. Dort hat man damit angefangen, die Forschung auszulagern, dann hat man angefangen, die Konzernleitung ins Ausland zu geben, und dann hat man auch angefangen, Produktionszweige auszulagern. Davor fürchten sich die Beschäftigten der Stahlbetriebe in unserem Bezirk.

Deshalb – ich möchte nicht sagen: warne ich, sondern – ersuche ich die neue Bundesregierung und ersuche ich die beiden Herren, die hier auf der Ministerbank sitzen. (In Richtung des auf der anderen Seite sitzenden Bundesministers Scheibner:) Auch Sie, Herr Minister – ich habe Sie zunächst nicht gesehen –, ersuche ich, dort wirklich vorsichtigst vorzugehen, unter den ohnehin schon schwierigen Verhältnissen in der ehemaligen verstaatlichten Industrie, in unserer Wirtschaftslage in der Obersteiermark, wo wir mit massiven Bevölkerungsabwanderungen zu rechnen haben beziehungsweise mittendrin sind, damit dort nicht noch weiter verkauft wird.

Der Vorstandsdirektor unserer Betriebe in Donawitz sagt uns immer wieder, er verbringt schon die Hälfte seiner Arbeitszeit damit, in der Welt herum zu reisen, um die Aktionäre zu befriedigen und neue Aufträge entgegenzunehmen, aber nicht Aufträge für das Werk, sondern um die Rendite noch zu steigern, um noch mehr Personal abzubauen und und und. Darum ersuche ich Sie, Herr Minister (Bundesminister Scheibner: Ist ja gut!), dort wirklich sorgsam vorzugehen, damit diese Arbeitsplätze in der Obersteiermark erhalten bleiben können. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bundeskanzler Dr. Schüssel und die Damen und Herren der Bundesregierung erklären immer wieder, man solle dieser neuen Bundesregierung eine Chance geben und diese an den Taten messen. Mit dem vorliegenden Regierungsprogramm haben Sie, so meine ich, Ihre Chancen erstmals vertan, Vertrauen in der Bevölkerung zu gewinnen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.21

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Peter Rodek. Ich erteile ihm dieses.

14.21

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Staatssekretäre! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben nun diese Regierungserklärung gehört – eine Regierungserklärung, meine sehr geehrten Damen und Herren – ich sage es ganz offen –, zu der ich dem Bundeskanzler, aber nicht nur dem Bundeskanzler, sondern auch ganz Österreich nur gratulieren kann! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Es war eine Regierungserklärung mit einem klaren Bekenntnis zu Toleranz und Menschenrechten, einem Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort Österreich, einem Bekenntnis zur Europäischen Union und der Europäischen Integration. (Bundesrätin Mag. Trunk: Möge es so bleiben!) Trotz dieser bereits im Nationalrat festgehaltenen und im Bundesrat wiederholten Erklärung werden Österreich und seine Regierung weiterhin schlecht gemacht. Ich möchte mich damit gar nicht befassen, wer Österreich und seine Politik im Ausland tatsächlich vernadert hat. Hier wird – so, wie es im Falle von Präsident Waldheim gewesen ist – die Zeit mehr Licht in dieses Dunkel bringen.

Viel mehr erschüttern mich – wie es heute in diesem Hohen Haus schon des Öfteren zum Ausdruck gekommen ist – diese vielen Demonstrationen im Inland und die Art, wie diese Demonstrationen abgeführt werden und wie wir sie heute von Schülern, von Volksschülern erlebt haben. Wenn Sie sich das "News" von der vergangenen Woche angeschaut haben: einen Demonstranten mit einem Schnuller im Mund und einem Taferl gegen diese Regierung in der Hand – das kann es ja wirklich nicht sein!

Es kann vor allem nicht sein, dass ein Kollege aus der Bundesrepublik Deutschland, der deutsche Verteidigungsminister Scharping, via Internet die Berliner Chaos-Szene aufgerufen hat, an dieser Demonstration morgen in Wien teilzunehmen. Ich finde das – im Gegensatz zu Herrn Kollegen Konečny – sehr verwerflich, und ich denke, dass mit diesem Aufruf die Grenze der Geschmacklosigkeit erreicht worden ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich warne daher von dieser Stelle aus die Veranstalter vor einer Eskalation der Gewalt. Denn Demonstrieren und Demonstrationen – das ist eine Sache und durchaus legitim. Gewalt aber, noch dazu, wenn sie von Berufsdemonstranten aus Deutschland importiert wird, hat in unserem Lande absolut nichts verloren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wogegen wird da eigentlich so heftig demonstriert? – Ich kann es Ihnen sagen. Lesen Sie das "Format" von voriger Woche, darin analysiert Siegfried Mattl, einer der Organisatoren, diese Demonstrationen, und daraus darf ich zitieren: "Damals ging es den jungen Leuten" – Demonstrationen hat es auch schon immer gegeben – "um die Zerschlagung marktwirtschaftlicher Strukturen. Den jetzigen Demonstranten geht es um die Erhaltung der parlamentarischen Demokratie." – Zitatende. (Bundesrat Dr. Böhm: Auf der Straße, ja?)

Haben denn diese Menschen nicht begriffen, dass mit diesem Regierungswechsel einer der grundlegendsten Begriffe, eines der grundlegendsten Rechte der Demokratie, nämlich eine durch demokratische Wahlen von den Wählern gewünschte Änderung der Regierungszusammensetzung, vollzogen worden ist? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es! Richtig!)

Das ist ein Vorgang, der in anderen Ländern eine Selbstverständlichkeit und gang und gäbe ist, jedoch in Österreich, offensichtlich durch den Machtverlust der SPÖ – der sicherlich sehr schmerzt (Bundesrat Prähauser: Den Sie sich noch erhalten konnten, Herr Kollege!)  –, Krawalle und Demonstrationen hervorruft, Herr Kollege! Haben denn diese Menschen nicht begriffen, dass hier im Hohen Haus die parlamentarische Demokratie in Reinkultur praktiziert wird, während draußen das Diktat der Straße geprobt wird? – Ja, so ist es leider.

Wissen die Schüler, die heute demonstriert haben, dass sie eigentlich gegen ihre eigene Zukunft protestiert haben, gegen eine angeblich reaktionäre Schulpolitik? (Bundesrat Prähauser: Sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass junge Menschen für sich selbst nachdenken und danach Handlungen setzen!) Das ist richtig. Aber diesen jungen Menschen muss man auch Rahmenmöglichkeiten geben, damit sie sie frei gestalten. (Zwischenruf der Bundesrätin Fuchs. )

Wenn Sie sich das Regierungsprogramm von Ministerin Gehrer anschauen, sehen Sie, dass darin eine Bildungsoffensive enthalten ist, wie sie in der Vergangenheit wegen Ihrer Einsprüche eigentlich nie möglich gewesen ist, auf allen Ebenen, bis hinauf zu den Hochschulen, und dass darin vorgesehen ist, den Jugendlichen durch hervorragende Ausbildung überhaupt erst eine Zukunftschance zu geben und zu ermöglichen. Liebe Freunde! Wir haben in Österreich leider zu wenig oder fast keine Bodenschätze. Aber wir haben einen gewaltigen Reichtum in Österreich, das ist das Wissen und die Bildung unserer Jugend. Ich möchte Sie bitten: Gehen wir sehr sorgfältig damit um!

Wogegen demonstrieren diese Studenten und vor allem die Studentinnen denn noch? – Ich hoffe nicht, Frau Kollegin Schicker, gegen dieses Karenzgeld, das jetzt endlich für alle eingeführt wird und das es auch für die Studentinnen geben wird. (Bundesrätin Schicker: Für alle, auch für die Reichen!) Ich komme gleich dazu, auch zu diesen Reichen: nicht nur für die Reichen, sondern auch für die Hausfrauen und die Bäuerinnen, Frau Kollegin Schicker! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es wird nicht nur dieses Karenzgeld verlängert – wenn Sie aufpassen, dann sage ich Ihnen, Kollegin Schicker, warum das mit den Reichen etwas zu tun hat. (Bundesrätin Schicker: Ich passe auf! Entschuldigen Sie!)

Es wird von 18 auf 24 Monate respektive unter Umständen auf 36 Monate verlängert. Aber es wird – das ist neu – auch trotz einer erwerbsunabhängigen Leistung gewährt. Somit entsteht für die Eltern – das ist der Punkt – sicherlich eine völlig neue Wahlfreiheit ihrer Lebensgestaltung und eine neue Qualität in der Eigenverantwortung der Kindererziehung. (Bundesrätin Schicker: Sie haben mir nicht geantwortet ...!)

Ich nenne Ihnen ein Beispiel dazu, warum das wegfallen muss. Denn Sie haben gesagt: auch für die Bäuerinnen. Bitte, warum denn nicht? – Aus meiner eigenen Praxis weiß ich, dass es um das Karenzgeld bis jetzt Einkommensgrenzen gegeben hat. (Bundesrätin Schicker: Gott sei Dank!) Das wissen Sie auch. Diese Einkommensgrenzen haben dazu geführt, dass viele von den Bäuerinnen, wenn man es so gelassen und nicht erwerbsunabhängig gestellt hätte, wiederum kein Karenzgeld erhalten hätten, weil sie eine gewisse Einheitswertsgrenze haben. (Zwischenruf des Bundesrates Thumpser. )

Frau Kollegin Schicker! Es gibt nicht nur Reiche, sondern auch viele erwerbstätige Mütter in den niedrigen und kleinen Einkommensbereichen. (Bundesrätin Schicker: Verkäuferinnen haben gar kein Einkommen ...!) Daher ist diese Ausrede mit dem Karenzgeld für alle, für die Reichen ... (Bundesrätin Schicker: Das ist keine Ausrede! Wir haben mit Minister Bartenstein darüber diskutiert!) Wo fängt bei Ihnen der Reichtum an, und wo hört er eigentlich auf? Wer braucht Karenzgeld? (Bundesrätin Schicker: 40 000 – Minister Bartenstein hat es gesagt! – Bundesrätin Mag. Fuchs: Die Arbeitnehmer ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ach, nur die Arbeitnehmer? – Das ist aber gut, dass Sie das sagen. Sie wissen offensichtlich nicht, dass die Bäuerinnen und die Bauern auch in den Familienlastenausgleichsfonds einzahlen und daher auch das Recht haben, aus dem Familienlastenausgleichsfonds etwas zu erhalten. (Bundesrätin Fuchs: Aber das ist doch ...! – Bundesrates Steinbichler: Frau Kollegin! Machen Sie endlich einmal eine Landwirtschaft ... machen Sie es einmal in der Praxis, bitte sehr! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Melden Sie sich bitte zu Wort, sonst überschreite ich meine Redezeit wesentlich. (Bundesrat Prähauser: Zwiegespräche müssen wir uns nicht anhören! Das ist kein Zwischenruf!)

Vizepräsident Johann Payer: Herr Bundesrat Rodek ist am Wort.

Bundesrat Peter Rodek (fortsetzend): Aber, Frau Kollegin Schicker, Sie werden sicherlich nicht dagegen sein, dass es auch möglich ist, dass diese Kindererziehungszeiten beziehungsweise das Karenzgeld dann auch als Pensionsbegründung angerechnet werden und dass die Frauen die Möglichkeit haben, auf diese Art und Weise Beitragszeiten zu erwerben. (Bundesrätin Schicker: Der Vorschlag ist ja von der SPÖ gekommen, der ist von der SPÖ übernommen worden!) Denn das ist sicherlich eine Gleichstellung zwischen Mann und Frau. (Bundesrätin Schicker: Der Vorschlag ist von uns gekommen, der ist ins neue Koalitionsübereinkommen übernommen worden!) Sie hätten ihn schon längst umsetzen können. Wir hätten gerne zugestimmt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was mich an dieser Sache ein bisschen stört – ich vergönne es den Frauen, dass sie diese Beitragszeiten erwerben –, ist auf der anderen Seite ein Punkt, der vielleicht auch den Verteidigungsminister angeht. Das ist der Präsenzdienst. Es tut mir ein bisschen weh, was die Erreichung von 540 Versicherungsmonaten betrifft, wie es heute schon zum Ausdruck gekommen ist.

Wenn man 45 Versicherungsjahre vorzuweisen hat, wenn man mit 15 Jahren zu arbeiten beginnt, dann kann man mit 60 in Pension gehen. Es wird hier aber immer von Beitragszeiten gesprochen. Daher ist es nicht ganz ehrlich, zu sagen: Er kann mit 60 Jahren ohne weiteres in Pension gehen. Die meisten haben Präsenzdienst oder Zivildienst oder, so wie ich als Milizoffizier, noch dazu wesentliche Waffenübungen geleistet. (Bundesrätin Schicker: Da bin ich bei Ihnen! – Bundesminister Scheibner: Das war ein Resultat des vorigen Sparpakets!) Also kann es nicht sein, dass zum Beispiel die Männer mit 60 Jahren in Pension gehen, außer denjenigen, die vom Bundesheer und von sämtlichen Leistungen befreit waren. Ich glaube, darüber muss man nachdenken, da ist sicherlich noch Handlungsbedarf gegeben.

Handlungsbedarf besteht auch bei der gesamten Pensionsreform. Tun Sie nicht so, als ob Sie von der Pensionsreform nichts wissen wollten! Sie haben es selbst im ausgehandelten, aber nicht zu Stande gekommenen Übereinkommen mit der ÖVP enthalten gehabt, dass eine Verlängerung um zwei Jahre auf jeden Fall notwendig ist. Hier muss etwas geschehen, und die Gründe dafür sind Ihnen auch bekannt. Ich möchte es aber nur wiederholen, weil es so interessant ist.

1970 war das Pensionseintrittsalter bei Männern das 62. Lebensjahr, und im Durchschnitt konnten die Männer die Pension fünf Jahre genießen. Die Frauen sind damals mit 60 Jahren in Pension gegangen, also durchaus mit dem Regelalter, und konnten die Pension 13 Jahre genießen.

1980 ist das Pensionseintrittsalter dramatisch gesunken. Statt mit 62 sind die Männer schon mit 59 Jahren in Pension gegangen, und statt fünf Jahre haben sie die Pension im Durchschnitt zehn Jahre genießen können. Die Frauen traten mit 58 Jahren in den Ruhestand, und die Pensionsdauer betrug bereits 16 Jahre.

Im vergangenen Jahr, 1999, war das Pensionseintrittsalter bei den Männern das 58. Lebensjahr, und sie können die Pension in Durchschnitt 16,5 Jahre genießen. Bei den Frauen ist das Eintrittsalter das 57. Lebensjahr, und sie können ihren wohlverdienten Ruhestand bereits 24 Jahre genießen. (Bundesrätin Schicker: Fragen Sie auch, warum?) Ich denke, da klafft die Schere doch sehr weit auseinander, und Handlungsbedarf ist gegeben.

(Der Redner deutet auf das rote Licht vor dem Pult.) Da ich mich schon im "Rotlicht-Milieu" bewege (Bundesrat Prähauser: Oho, für einen christlich-sozialen Politiker!) und momentan mit dem Roten nur in Form von Wein Freude habe, aber sonst nicht mit unbedingt vielem – wenn ich mir die Diskussionen und die Demonstrationen so anschaue –, jetzt ganz kurz noch zum eigentlichen Thema und dem eigentlichen Kapitel.

Als Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses möchte ich noch kurz auf den ländlichen Raum – dieser ist heute schon angeklungen – zu sprechen kommen. Ich möchte mich recht herzlich bei Herrn Bundeskanzler Schüssel dafür bedanken, dass er sich in der Regierungserklärung ausdrücklich zu einer bäuerlich strukturierten, flächendeckenden Landwirtschaft, zu einer Stärkung des ländlichen Raums bekannt hat und damit die Leistungen der Landwirtschaft für die Allgemeinheit gewürdigt worden sind.

Kollege Drochter ist jetzt nicht da, sonst hätte ich ihm ins Stammbuch geschrieben (Bundesrat Marizzi: Da müssen Sie aber Frau Kollegin Aumayr anrufen!), dass sich die Bauern und Vertreter der Landwirtschaft sehr wohl zur Nachhaltigkeit bekennen und sich dessen sehr wohl bewusst sind, dass sie gesunde Lebensmittel produzieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Liebe Freunde! Natürlich gibt es nicht alles zum Nulltarif. Dass die Senkung der Mineralölsteuer auf das Niveau von Heizöl eine erhebliche Wettbewerbsbenachteiligung der österreichischen Bauern beseitigt und dass es auch auf dem Düngemittel- und Pflanzenschutzsektor Verbesserungen gibt, ist nur eine logische Konsequenz. Dass die weitere Forcierung der nachwachsenden Rohstoffe eine wichtige Einkommenschance für die Landwirtschaft darstellt, das können, so glaube ich, nicht einmal die Sozialdemokraten bestreiten.

Was mich aber besonders freut, ist die Verbesserung im sozialen Bereich der Landwirtschaft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Sozialdemokraten auch dagegen sind, wenn es soziale Besserstellungen gibt, zum Beispiel für die Arbeitslosen bei den Nebenerwerbsbauern. Sie haben etwa einen Betrieb mit 3 Hektar geführt und sind arbeitslos geworden, sie haben Arbeitslosenbeiträge geleistet, und wenn sie arbeitslos geworden sind – etwa bei mir zu Hause im Bezirk Braunau –, dann haben sie keine Arbeitslosenentschädigung erhalten. Es kann mir niemand einreden, dass ich mit einem landwirtschaftlichen Betrieb von 3 Hektar meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Diese Grenze wird jetzt Gott sei Dank so weit hinaufgesetzt, dass in etwa 90 Prozent der Fälle nicht Großbauern, sondern 90 Prozent unserer Nebenerwerbsbauern in den Genuss des Arbeitslosengeldes kommen werden. (Bundesrätin Schicker: Da hätten Sie umverteilen müssen, von den Großbauern zu den Kleinbauern!)

Beim fiktiven Ausgedinge – viele dieser 3- oder 4-Hektar-Kleinbetriebe hören zu arbeiten auf und können sich kein Ausgedinge mehr leisten – muss ein Ausgleich geschaffen werden. Bis jetzt haben sie keine Ausgleichszulage erhalten können, weil das fiktive Ausgedinge so hoch angesetzt worden ist, dass sie nicht einmal eine Ausgleichszulage zu einer Pension von 3 000 S bis 4 000 S im Monat erreichten. Dass nun diese Ungerechtigkeiten beseitigt werden, ist mit ein Grund dafür, dieser Regierungsbildung nur zustimmen zu können.

Wie gesagt, es gäbe dazu noch vieles zu sagen. Der Herr Verteidigungsminister ist hier anwesend; mich freut es, dass jetzt auch im Hinblick auf das Verteidigungsbudget Fortschritte gemacht werden. (Bundesminister Scheibner: Hoffentlich!) – Ja, hoffentlich! Zumindest Ansätze dafür sind vorhanden, und ich würde mich freuen, wenn es tatsächlich so kommen würde.

Ich wünsche daher dieser Regierung, dass sie trotz des Druckes von der Straße eine faire Chance bekommt, alle diese vorgesehenen Maßnahmen umsetzen zu können. Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, bitte ich recht herzlich, sich als echte Demokraten zu erweisen und das Gespräch, nicht aber das Chaos zu suchen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Gasteiger: Eine Unterstellung ist das!)

14.37

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Bundesrat Dr. d'Aron. Ich erteile ihm dieses.

14.37

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Wir hörten hier die Regierungserklärung, zunächst vorgetragen durch den Herrn Bundeskanzler und anschließend näher ausgeführt durch die Vizekanzlerin. Der Eindruck, der sich uns vermittelt hat, war, dass wir das Gefühl hatten: Beide Persönlichkeiten wollen etwas Neues aus diesem österreichischen Staat schaffen, aus alten Gleisen ausbrechen, um diesen neuen Staat, unsere Heimat Österreich, zu neuen Ufern zu führen. Das ist auch etwas ganz Wesentliches.

Es wurde erwähnt, dass die Ministerien reduziert wurden, es wurden Zusammenlegungen diskutiert. Ich persönlich habe immer mit der Schwierigkeit zu tun gehabt, dass wir in Österreich kein Verkehrsministerium hatten, dass der Straßen- und der Schienenbereich wegen des Hickhacks zwischen SPÖ und ÖVP nicht koordiniert waren, dass bei Verkehrsministertreffen in der EU unterschiedliche, nicht abgestimmte Standpunkte zum Straßen- und zum Schienenverkehr eingenommen wurden und dass die einzelnen Gesetze und Verordnungen nicht zusammengeführt wurden.

Es wurde erwähnt, dass das Arbeits- und Sozialrecht in das Wirtschaftsministerium übergeht. Das macht Sinn. (Bundesrat Freiberger: Nein!) Denn Sie als SPÖ glauben noch immer, dass man Arbeitsplätze verordnen kann: dass man eine Verordnung schreibt, und es gibt so und so viele Arbeitsplätze mehr auf der Welt. Das ist aber in keiner Weise der Fall. Das wird niemals eintreten, das ist eine kommunistische Auffassung, das ist keine Auffassung eines westlichen Staates, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir haben im Regierungsprogramm stehen, dass wir uns für die Sozialversicherungsträger etwas Neues überlegen werden und dass wir dort zu Kosteneinsparungen finden wollen. Na klar, das war auch notwendig, das ist dringendst notwendig! Warum ist das dringendst notwendig? – Weil diese Frage so lange hinausgezögert worden ist und weil es nicht möglich war, eine Einigung zwischen SPÖ und ÖVP herzustellen. Denn da ist es um Positionen gegangen – um Positionen der entsprechenden Obleute und Obmannschaften, der leitenden Sekretäre, der entsprechenden Kommissionen und Kontrollkommissionen. Dort mussten die Leute entsprechend versorgt werden. Auch dort kommt es zu einem neuen Beginn.

Selbstverständlich waren wir nach dem Kassensturz, den unser Finanzminister Grasser durchgeführt hat, ein bisschen konsterniert darüber, was dabei herausgekommen ist. Wir sind noch mehr konsterniert nach den letzten Meldungen, die gestern und heute vorliegen. In diesem Kassensturz – das darf ich hier vielleicht dem Herrn Staatssekretär in Erinnerung rufen und zum Thema machen – sind gewisse Bereiche natürlich noch gar nicht enthalten. So ist der Brocken Verkehr, Verschuldung, Schieneninfrastruktur und so weiter nicht enthalten, nicht enthalten ist auch der Verschuldungsgrad einzelner staatlicher Firmen. (Bundesrat Drochter: Ausgegliedert!) Das alles ist nicht gelöst, das sind keine gelösten Themen.

Das heißt, Sie haben mit Ihrem Finanzminister – den Sie seit 30 Jahren besetzt haben – diese Themen hinausgeschoben, und diese haben sich natürlich akkumuliert. Wenn ich in Ihrem Programm, das zwischen ÖVP und SPÖ vereinbart war, die Punktation Verhandlungsergebnisse durchschaue, dann sehe ich, dass dort keinerlei Vision steht, wie man diesen Staat geändert hätte und wie man diesen Staat verbessert hätte, sondern bloße Schlagworte, auf denen man überhaupt nicht aufbauen kann. (Bundesrat Thumpser: Etwas anderes haben wir bei euch auch nicht gelesen!)

"Es sind tiefgreifende Strukturreformen notwendig" – das haben Sie schon in Uralt-Regierungspapieren enthalten. "Es ist eine umfassende Privatisierungsoffensive nötig" – heute sagen Sie, es ist unerhört, dass Privatisieren eintritt, aber das haben Sie hier drinnen, das war mit Ihrem seinerzeitigen Bundeskanzler vereinbart. Sie haben hier auch stehen, dass Sie die Gleitpension in Halbjahresschritten um zwei Jahre anheben wollen. Sie haben stehen, dass Sie die Pensionsbeiträge um 0,95 Prozent erhöhen wollen. – Da haben Sie zugestimmt. (Bundesrat Meier: Haben wir nicht zugestimmt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Nur Nürnberger hat gesagt, er unterschreibt das nicht, aber Sie, als SPÖ, waren dafür. Sie als SPÖ wollten das machen. Da hat sich der Herr Bundeskanzler noch gerühmt, dass er sagte: Zu meinem Wort kann doch die Partei stehen!

Meine Damen und Herren! Wenn Sie Wirtschaftsüberlegungen ausführen, die mit der Wirtschaftsrealität nichts zu tun haben, wenn ich also höre: Wir müssen diesen Standort absichern, oder das Herbeibeten von Arbeitsplätzen, von Arbeitsleistung in einer Region – wie Sie es jetzt wieder ausgeführt haben –, dann sehe ich, dass Sie noch immer nicht verstanden haben, worum es in der Wirtschaft geht. In der Wirtschaft geht es darum, dass wir Investoren finden. Glauben Sie mir, Geld ist auf der Welt sehr mobil. Sie können Geld auf der Welt jederzeit überall hin verschieben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das Regierungsprogramm, das wir nunmehr vorliegen haben, macht den österreichischen Standort erstmals wieder attraktiv. Das ist ein Regierungsprogramm zur Schaffung von Arbeitsplätzen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Diese Attraktivität schaue ich mir an!)

Ich möchte noch etwas zur österreichischen Bundesverfassung sagen und zu dem Verständnis, das Sie von der österreichischen Bundesverfassung haben. Als Sie hier als Bundesrätin beziehungsweise Bundesrat angefangen haben, haben Sie ein Gelöbnis ablegen müssen, nämlich das Gelöbnis, zu dieser Verfassung und zu dieser Republik stehen zu müssen. Wir haben einen Artikel 1 der Bundesverfassung, den ich Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen möchte: "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus." – Nicht von der SPÖ, auch nicht von der Sozialistischen Internationale! (Bundesrat Meier: Kennen wir! Brauchen Sie uns gar nicht zu sagen! Das wissen wir! – Bundesrat Prähauser: Und nicht von Jörg Haider!)

Ihr derzeitiger Vorsitzender ist, wie ich gehört habe, Funktionär in der Sozialistischen Internationale. Ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Können Sie ausschließen, dass der derzeitige designierte Vorsitzende der SPÖ im Rahmen der Sozialistischen Internationale Österreich negativ dargestellt hat? (Zwischenruf des Bundesrates Thumpser. ) Können Sie das ausschließen? Können Sie sich hier dazu bekennen, dass der derzeitige designierte Vorsitzende der SPÖ im Rahmen der Sozialistischen Internationale für unser Land, für unsere Heimat kämpfen und unser Land bestmöglich darstellen wird? – Denn schließlich sind Sie auch Österreicher. (Bundesrat Meier: Wir stellen es auch gut dar, das Land! Wir stellen das Land gut dar!) Mir scheint, Sie haben das längst vergessen, und Sie haben längst vergessen, dass Sie Demokraten sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich fordere Sie daher auf, die österreichische Bundesverfassung wahrzunehmen und sich auch dementsprechend ... (Bundesrat Meier: Nehmen wir sie nicht wahr? Sagen Sie, dass wir sie nicht wahrnehmen?) Sie nehmen sie nicht wahr, denn Österreich ... (Bundesrat Meier: Nehmen wir die Bundesverfassung nicht wahr? Unerhört, wir nehmen die Bundesverfassung nicht wahr!) Das ist zutreffend. Denn sonst würden Sie nicht einen demokratischen Beschluss nicht anerkennen. Anerkennen Sie die Demokratie! (Bundesrätin Fuchs: Überlegen Sie, was Sie sagen!)

Meine Damen und Herren! Ich habe somit folgenden Eindruck: Sie wollen – das ist auch in Ihren Debattenbeiträgen zum Ausdruck gekommen – dieses Land Österreich, unsere Heimat, nicht bestmöglich im Ausland darstellen. (Bundesrat Meier: Das stimmt ja nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie wollen keine konstruktive Zusammenarbeit. (Bundesrat Meier: Sie stellen es dar, wir nicht! Das getrauen Sie sich zu sagen, dass Sie es gut darstellen!) Wir von unserer Seite werden Sie als Opposition jedenfalls nicht so behandeln, wie Sie uns seinerzeit als Opposition behandelt haben. Wir werden auf Ihre konstruktiven Vorschläge eingehen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Thumpser: Ja, nur hören wir keine!)

14.45

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile ihm dieses. (Bundesrat Mag. Gudenus: Mach’s gut, aber schimpf nicht so!)

14.45

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hoher Bundesrat! Ich habe heute, als Kanzler Schüssel das Regierungsprogramm vorgetragen hat, den Eindruck gehabt, es handelt sich hier um einen Parteitag einer neuen Einheitspartei, der FÖVP. Ich möchte aber natürlich nicht die Polemik an die vorderste Stelle setzen, sondern mich auf das konzentrieren, was heute unsere Sache ist, nämlich über die Regierungserklärung und über die Inhalte eines Regierungspapiers zu reden.

Ich möchte ausnahmsweise mit Dank beginnen. Ich möchte mich bei der Regierung dafür bedanken, dass sie namens der Unternehmer ordentlich zu ihren Gunsten eingespart hat. Ich möchte mich dafür bedanken, dass sie sich namens der Bauern – nicht der kleinen Bauern und der Gebirgsbauern, wie wir das immer wieder auch von uns erwarten, dass wir diese stützen – für sie eingesetzt hat. Ich möchte mich auch dafür bedanken, dass die Spekulanten und die Reichen in diesem Lande in Zukunft weniger Sorgen haben werden.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Die Umverteilung ist Ihnen gelungen. Dazu möchte ich Ihnen gratulieren und mich noch einmal dafür bedanken, dass Sie Farbe bekannt haben, dass also hier auf der einen Seite eine Partei die Maske der Arbeitnehmervertretung abgelegt hat und die andere Partei bei ihren Werten geblieben ist, nämlich für diejenigen einzutreten, die sie immer vertreten hat: diejenigen, die die Besitzenden sind. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Die Arbeiter haben Sie am 3. Oktober abgewählt! – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Meine Damen und Herren! Da ich mich bedanke, sehe ich es nicht ein, mich immer durch Zwischenrufe unterbrechen lassen zu müssen. Das andere, was ich Ihnen zu sagen habe, wird dann noch Zeit und Raum genug dafür bieten.

Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen auch sagen, dass auf der einen Seite 19 Milliarden Schilling stehen, die Belastungen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sind, und auf der anderen Seite 13 Milliarden Schilling an Einsparungen. Was dazwischen ist, kann man aus dem Programm locker herauslesen: nichts Gutes für diese Republik in der Mehrheit! (Bundesrat Weilharter: Wer hat das verursacht? 30 Jahre Sozialismus, Sie haben Recht!)

Ich stehe aber nicht an, zu sagen, dass es notwendig ist, die Staatsfinanzen so zu gestalten. Eine Zeit lang waren Sie, Herr Kollege, mit Ihrer Partei dabei – allerdings war sie damals in der Öffentlichkeit nicht so gebrandmarkt wie heute –, und der andere Koalitionspartner hat uns noch wesentlich längere Wege begleitet. Allerdings scheint er einer Art Amnesie verfallen zu sein und hat es vielleicht auch schon vergessen. (Bundesrat Weilharter: Das war die Wende zum Besseren!) Wir als Opposition werden sicher dazu beitragen, Sie immer wieder, bei jeder Gelegenheit, daran zu erinnern, allerdings auf einer Ebene der gegenseitigen Wertschätzung – bei allem Trennenden, das uns hier in diesem Hause eigentlich trotzdem wieder verbindet.

Ich glaube, dass eine Senkung von Lohnnebenkosten, wie sie immer wieder auch von den Freiheitlichen und von der ÖVP gefordert wurde, die ja jetzt mit zirka 15 Milliarden Schilling stattfindet, aber auf der anderen Seite wieder zu einer Belastung der Arbeitnehmer um 2,5 Milliarden Schilling führt, nicht genau das ist, was sich der Staat an wirtschaftlicher Gestaltungsfreiheit für die Zukunft eigentlich vorgestellt hat. Ich habe nämlich die Befürchtung, nicht nur die bessere Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Markt wird das Ausschlaggebende sein, sondern die Gewinnmaximierung auf der anderen Seite wird das sein, was die heutige Koalition irgendwann auch zu vertreten haben wird.

Ich danke noch einmal für die wirklich klaren Positionen von ÖVP und FPÖ, weil wir als Sozialdemokraten dadurch in der neuen Aufgabe als Opposition, als erfolgreiche Opposition von Ihnen echt unterstützt werden. Dafür noch einmal danke, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der Koalition! Sie können aber von einem oppositionellen Redner nicht ausschließlich Dank erwarten. Daher gehen wir jetzt auf jene Themen ein, die mich als Sozialdemokraten an diesem Programm wirklich – gelinde gesagt – stören und mir Sorge bereiten – um nicht zu sagen, dass die Kaufkraft, die Massenkaufkraft darunter so leidet, dass die Wirtschaft letztendlich nicht den Erfolg haben wird, den Sie sich mit Ihren Maßnahmen für sie erwarten.

Meine Damen und Herren! Ich fange losgelöst mit ein paar Punkten an, die mir besonders ans Herz gehen und die mir besonders nachdenkenswert erscheinen. Ich erwarte mir von einer Regierung, die Maßnahmen setzt – man kann dazu stehen, wie man will; wir wissen, eine demokratische Mehrheit in diesem Land ist mit einer Aufgabe betraut und angelobt worden –, dass sie auch bereit sein sollte, für ihre Maßnahmen einzustehen, nicht jedoch einen 20-prozentigen Selbstbehalt bei Arztbesuchen – wir wissen, dass auch ambulante Behandlungen in Tageskliniken nicht davon ausgenommen sind – und diese Verantwortung, freibleibend für sich selbst, letztendlich den Krankenkassen unterzuschieben.

Meine Damen und Herren! Auf der einen Seite sagen Sie: Die Krankenkassen müssen es nicht tun; wenn sie effizient wirtschaften und arbeiten, werden sie diese 20 Prozent sicherlich nicht einheben müssen – wohl wissend, meine Damen und Herren, dass die Krankenkassen gar nicht umhinkommen werden, entsprechende Anpassungen – das ist ein Lieblingswort der Freiheitlichen Partei geworden – in der nächsten Zeit durchführen zu müssen. Hiermit haben Sie einer Belastung von zirka 6 Milliarden Schilling für kranke Österreicherinnen und Österreicherinnen, kranke Männer und Frauen, auch Kinder, in diesem Land Vorschub geleistet – aber die Verantwortung sollen andere tragen. Das werden wir als Opposition bei jeder Gelegenheit allen Menschen in diesem Land immer wieder sagen, so lange, bis entsprechend in der Bevölkerung darüber genug Bescheid gewusst wird!

Weiters hat die schwarz-blaue Regierung – hier allerdings federführend die Freiheitliche Partei – ausgeschlossen, dass es zu Steuererhöhungen kommt. Eine Zeit lang ist es mit dem Wort "Anpassung" recht gut gelaufen. Ich denke dabei an die Strompreise. Sie wissen, die Liberalisierung der Strompreise hat zu einer merklichen Entlastung geführt – mit dem Einser-Schmäh: Wenn wir uns ein bisschen etwas von dem einbehalten, was wir ihnen nachlassen müssen, merken es die Leute nicht so. Dann kann man damit wieder entsprechend hausieren gehen: Wir haben die Strompreise gesenkt. – Tatsächlich ist es aber so, dass Sie den österreichischen Haushalten und auch den Unternehmungen wieder 6 Milliarden Schilling an Kosten aufbürden und mit dem Mäntelchen "Anpassungen" den Mut zur Wahrheit einer Steuererhöhung nicht finden.

Meine Damen und Herren! Ein beliebtes Beispiel ist auch immer wieder: Wir haben den Benzinpreis oder die Mineralölsteuer nicht erhöht. – Das kann schon sein, meine Damen und Herren, aber die anderen Maßnahmen sind so gravierend, dass es besser gewesen wäre, möglicherweise bei der Mineralölsteuer nachzudenken, als bei der Vignette und bei den Versicherungen die Hand dorthin zu halten, wo es den Menschen wirklich wehtut. (Bundesrat Dr. d′Aron: Aber Sie wissen, Herr Kollege, dass die Mineralölsteuer hätte erhöht werden sollen von SPÖ und ÖVP! Das wissen Sie!) Sie wissen, in erster Linie fährt die Masse mit dem Auto und ist darauf angewiesen, zu pendeln, um täglich zum Arbeitsplatz zu kommen. Das ist eine Umverteilung, wie wir sie sicherlich nicht mittragen werden, Herr Kollege! (Bundesrat Dr. d′Aron: Wo steht das?) Sie wissen ganz genau, dass das Letzte, was diese Regierung will, eine zweckgebundene Verwendung sein wird.

Sie können auf der anderen Seite die Eisenbahn aushöhlen und die Autofahrer letztendlich noch einmal mit zirka 4 Milliarden Schilling schröpfen, wenngleich Sie eine andere Möglichkeit auslassen, nämlich das Road-Pricing-System in aller Konsequenz so einzuführen, dass nach dem Verursacherprinzip diejenigen, die die Straße am stärksten beanspruchen und nutzen, auch die Kosten dafür zu tragen haben. Den Mut wünsche ich Ihnen für die nächste Zeit! Wir werden Ihnen dabei behilflich sein, dass Sie diesen vielleicht – wenngleich im Hinblick zur nächsten Wahl – dann doch noch finden werden. Aber ich glaube eben, die Angst vor einer LKW-Lobby und Wirtschaftslobby lässt hier die Regierung nicht handeln.

Meine Damen und Herren! Besonders bemerkenswert ist die Variante der Pensionen. Ich setze mich jetzt gar nicht damit auseinander, wer, was, mit welchen Aufschlägen und sonst etwas der Leidtragende ist. Ich bitte, einmal zu bedenken – es ist auch aus diesem Programm herauszulesen –, dass es Ruhensbestimmungen in der Form nicht mehr geben wird. Es ist herauszulesen, dass jene, die nicht in Pension gehen, durch Bonus ordentlich entlohnt werden. Gleichzeitig haben Sie aber keine Lösungen dafür, wie junge Menschen entsprechende Arbeitsplätze für die Zukunft finden werden. Ferner geht dieses Programm sogar so weit, in Aussicht zu stellen – dabei ist es von der Idee her gar nicht so abwegig und würde mir eigentlich gefallen, aber letztendlich ist es nicht dienlich –, dass Arbeitsplätze älterer Menschen weniger an Einkommen bringen sollen, weil die Jungen vorher mehr haben.

Meine Damen und Herren! Was glauben Sie, wohin das führen würde? – Das ist unser Problem, das wir heute haben: Man wird auf die gut ausgebildeten, bewährten Mitarbeiter plötzlich nicht mehr verzichten können, weil sie dann möglicherweise billiger als Junge kommen. Auf der anderen Seite haben wir das Problem, dass junge Arbeitskräfte, die Familien gründen wollen und Familien erhalten müssen, nicht in der Lage sein werden, adäquate Arbeitsplätze zu bekommen. (Bundesrat Ing. Scheuch: Was wollen Sie jetzt?)

Herr Scheuch! Wir werden Ihnen dabei behilflich sein, bessere Lösungen zu finden. Warten Sie es ab! Wir freuen uns auf die kommende Arbeit. (Bundesrat Dr. d′Aron: Die haben Sie ja nicht gefunden!) Bitte? (Bundesrat Dr. d′Aron: Sie haben 30 Jahre Zeit gehabt! – Bundesrat Weilharter: Die Konsum-Lösung nicht! Diese bieten Sie uns nicht an!)

Ich möchte Ihnen jetzt nicht jene Unternehmungen vor Augen führen, Herr Kollege Weilharter, die Ihnen nahe stehen und die es auch nicht mehr gibt. Wenn wir anfangen, diese jetzt gegenseitig aufzurechnen, dann werden wir heute in diesem Raum mit unserer Argumentation nicht mehr fertig werden. Das gibt es auch bei den Konservativen, der ÖVP: ähnliche Unternehmer, die schon das Zeitliche gesegnet haben. Sie wissen das auch.

Meine Damen und Herren! Damit Österreich funktioniert, braucht es Ansehen. Wir wissen das: Ansehen im Inland, Ansehen im Ausland. Ich glaube, dass bei aller Hysterie, die es in der Vergangenheit gegeben hat, eines ein Ende haben muss: gegenseitige Schuldzuweisungen vor allem dann, wenn sie durch nichts begründbar, haltbar und beweisbar sind. Einem Herrn Bundespräsidenten in Aussicht zu stellen, wegen Hochverrats angeklagt zu werden, dient nicht dem sozialen Frieden in Österreich. Es dient vor allem einem nicht: Ansehen im Ausland zurückzugewinnen, ein Ansehen im Ausland, das dadurch geschwunden ist, dass das Ausland durch Wortspenden, die entbehrlich waren, erst aufgebracht wurde und für Österreich hellhörig und empfindlich gemacht wurde.

Meine Damen und Herren! Nach solchen Entgleisungen zu jammern: Wie die bösen Ausländer auf Österreich schauen, da kann man nicht entsprechend arbeiten!, ist Heuchelei. Das sollte in der Vergangenheit bleiben und vergessen werden. Wir haben heute die Aufgabe, gemeinsam für ein Land zu arbeiten, mit geänderten Rollen. Ich gebe zu, dass es mir nicht sehr gut gefällt, hier jetzt auf der Seite der Opposition eine andere Ausgangslage vorzufinden. Aber ich finde mich damit mit Sicherheit sehr gut ab, weil das Programm dieser Partei geradezu ein Fundbrunnen für gute Argumente, wie es anders geht, ist.

Meine Damen und Herren! Ich glaube auch, dass die Glaubwürdigkeit im Inland der Vater oder die Mutter des Gelingens unserer Politik sein wird. Wenn die Freiheitliche Partei keine Steuern verspricht, gleichzeitig aber in Zeitungen zu lesen sein wird, dass es ab Juni nicht mehr mit Anpassungen, sondern mit der Steuererhöhung losgehen wird, dann habe ich hier ein erstes Anzeichen dafür, dass wir zur Ehrlichkeit zurückkehren.

Wenn ein Herr Bundesminister für Finanzen von 100 Milliarden Schilling an Defizit spricht und Interpretationsprobleme hat, aber in einer Pressekonferenz eingesteht, dass die ursprünglichen Angaben von Minister Edlinger korrekt sind, dann habe ich zumindest so viel an Anstand herausgelesen, dass er nicht mehr auf seiner vorherigen Meinung sitzen geblieben ist. Das ist auch ein erstes Anzeichen für ein Einbekenntnis von Überreaktionen.

Das, was ich von Ihnen verlange, wird auch uns gut anstehen. Wir werden uns da in der nächsten Zeit sicherlich auch entsprechend üben.

Meine Damen und Herren! Wenn in der Opposition immer wieder über Glaubwürdigkeit diskutiert wird, meinen wir damit natürlich auch Politiker von der ÖVP, die sagen: Wenn es zu einer blau-schwarzen Regierung kommt, werden wir unser Mandat zurücklegen. – Bei einem stimmt es auch, er hat es zurückgelegt; allerdings nur, um ein Regierungsmandat anzunehmen. Da ist es wieder ein bisschen anders, was mit der Glaubwürdigkeit zu tun hat. Nur eines möchte ich festhalten: Es ist für jeden seine persönliche Freiheit, Entscheidungen zu revidieren, zu überlegen oder zu vollziehen.

Meine Damen und Herren! Der fehlende Mut zur Wahrheit und zur Realität ist es nicht, was in der nächsten Zeit den richtigen Weg für unsere Republik entstehen lassen wird. Wir haben hier dafür zu sorgen, dass die Akzeptanz dieser Bundesregierung steigt, die jetzt im Ausland denkbar schlecht ist, aber nicht, weil Sozialdemokraten und Verschwörer irgendwelche Dinge angezettelt haben, sondern, meine Damen und Herren, das liegt an Wortspenden von Regierungsparteiangehörigen Schattenkanzlern aus diesem Land.

Da kann es nicht Entschuldigung genug sein, dass eine Außenministerin sagt: Hören Sie doch nicht auf Haider, das ist ein Landeshauptmann aus Kärnten! – Das ist auch eine Abwertung, meine Damen und Herren! Denn ein Landeshauptmann muss man auch erst werden und sein. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das hat sie aber nicht gesagt! Sie hat gesagt: Hören Sie nicht nur auf ihn!) Ich habe das selbst gehört, bitte schön! (Bundesrat Mag. Gudenus: Weil das ein Übersetzungsfehler ist, wegen eines Wortes! – Heiterkeit bei der SPÖ.) Herr Kollege John Gudenus! Ich habe das selbst gehört! (Bundesrat Mag. Gudenus: Ich habe den original französischen Text gehört! – Bundesrat Konečny: Ja, ja, Sie waren der Dolmetsch! – Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Gudenus: Non seulement – auf Französisch!)

Herr Kollege Gudenus! Dass Sie hier so echauffiert sind, mag vielleicht darin begründet sein (Bundesrat Mag. Gudenus: Ein jeder echauffiert sich halt einmal!), dass Sie die französische Übersetzung gehört haben, ich hingegen habe gehört, was auf Deutsch gesagt wurde. (Bundesrat Konečny: Mit gespaltener Zunge!) Möglicherweise spricht sie in Frankreich anders als in Deutschland und in Österreich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es kann auch nicht zur Stabilität einer Regierung beitragen, wenn letztendlich zu Maßnahmen, die man eigenhändig unterschreibt, aus Kärntner Sicht Ratschläge in Richtung Regierung gemacht werden. Das betrifft auch den amtierenden Bundeskanzler, ich möchte gar nicht sagen Schattenkanzler, wobei Schattenkanzler sogar eine Auszeichnung ist. Ich möchte das eher in die Nähe des Professors Aicher – darum habe ich "Auszeichnung" gesagt – rücken. Wer ihn nicht kennt, dem sei zur Allgemeinbildung gesagt: Aicher war ein sehr profunder Kenner und Ausüber des Marionettentheaters in Salzburg. Meine Damen und Herren! Er war ein Meister im Fäden ziehen und hat sich dabei unvergessliche Verdienste erworben. Ich hoffe nur, dass jene Verdienste, die sich ein anderer Marionettenspieler hier verdient, bald vergessen werden und dass sich die Bundesregierung emanzipiert und loslöst (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer ), weil jene Ansätze im Programm, die gut sind, schon morgen umgesetzt werden sollten.

Herr Kollege Himmer! Sie wissen doch so gut wie ich, dass Sie bei der ersten Reaktion der Öffentlichkeit auf eine Maßnahme der Regierung nicht von der Opposition auf den richtigen Weg gebracht werden, sondern es wird Herr Haider versuchen, die Regierung zu maßregeln und zu leiten. Wir werden ihn dann auch unterstützen, ich sehe das heute schon kommen. (Bundesrat Mag. Himmer: Flexibel in der Zusammenarbeit!) So passiert es auch bei der Pension. Wir haben genug Gelegenheit, in Zukunft miteinander zu arbeiten. Wir freuen uns darauf, und wir bedauern es keinesfalls, momentan nicht in dieser Regierung zu sitzen. Der Tag dafür wird nicht so fern sein, wie manche glauben.

Meine Damen und Herren! Es geht auch darum, Glaubwürdigkeit und Akzeptanz zu schaffen, vor allem wenn es um Aussagen geht wie: Das Parlament ist ein Theater! Es geht jetzt gar nicht darum, dass in der Vergangenheit schon jemand das Parlament als Quatschbude bezeichnet hat. Daran lehne ich mich jetzt gar nicht. Aber zur heutigen Rede des Kollegen Bieringer kann ich nur sagen, ich habe für den Herrn Finanzminister fast Verständnis. Ich gehe einmal davon aus, dass Kollege Bieringer mit Herrn Grasser seine heutige Rede abgesprochen hat, darum hat er auch nicht genau gewusst, wohin er sich bewegen muss.

Meine Damen und Herren! Der Unterschied zum Theater ist der, dass dort Schauspieler Inhalte verkörpern, die sie nicht selbst vertreten müssen. Aber in den Parlamenten und im Bundesrat haben wir davon zu reden, wofür wir persönlich stehen. Wir haben nicht das Recht, jeden Tag unsere Meinung wie ein Chamäleon die Farbe zu ändern. Daran werden wir gemessen werden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Natürlich wird auch in der nächsten Zeit darüber zu diskutieren sein, wie lange es in Österreich gedauert hat, bis Wasserwerfer eingesetzt werden mussten. Es ist dem neuen Innenminister vorbehalten gewesen, ein paar Stunden nach Amtsantritt entsprechend tätig zu werden, das heißt aber nicht, meine Damen und Herren, damit es keine Missverständnisse gibt, dass ich Gewalt ... (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) – Herr Kollege! Ich habe Sie jetzt wirklich nicht verstanden, aber das macht auch nichts. Ihre Kollegen haben auch nicht applaudiert, daher wird es nichts Wichtiges gewesen sein.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass Österreich so reif ist, dass wir nicht aufeinander mit Wasserwerfern, aber auch nicht mit Pflastersteinen losgehen sollten – das sage ich, damit es hier kein Missverständnis gibt. Aber eines sage ich Ihnen, und ich bitte Sie, sich daran auch festzuhalten: In Österreich muss es möglich sein, für eine Sache auf die Straße zu gehen, wenn dem Einzelnen danach ist. – Ich erinnere nur an eine kleine Fernsehdiskussion. Kollege Westenthaler von den Freiheitlichen war ebenfalls dabei und hat den Sozialdemokraten unterstellt, sie würden der Gewalt das Wort reden und Demonstrationen vom Zaun brechen. Das hat es bei der Freiheitlichen Partei nie gegeben. Sie sind demokratisch – selbstverständlich demokratisch – in die Regierungsverantwortlichkeit gekommen. Dann hat man ihn dort an die Demonstration von ein paar tausend Leuten in Klagenfurt erinnert, als Haider nach seiner wirklich katastrophalen und bedauernswerten Wortspende abgewählt wurde. Im selben Atemzug meinte er, aber da waren 20 000 Menschen dabei. Da war er plötzlich auf etwas stolz, was er vorher gar nicht geschehen hat lassen wollen. (Bundesrat Buchinger: Gab es auch Verletzte?)

Herr Kollege Haider hat auch in Salzburg demonstriert, als Schnell abgewählt wurde. Herr Kollege Bieringer weiß, dass er damals zu Recht gehen musste. Er hat sogar von Wien und von Kärnten entsprechende ... (Bundesrat Dr. Böhm: Gerichte! – Bundesrat Dr. Aspöck: Verletzte Polizisten hat es da nicht gegeben! – Bundesrat Dr. Böhm: Er ist dann freigesprochen worden!)

Herr Professor Böhm! Sie wissen genau, wie das gehandhabt wurde und worum es damals gegangen ist. Das ist nach wie vor zu verurteilen. Das ist überhaupt keine Frage. Der tatsächlich Verantwortliche, der damalige Landesrat Schnell, hat die Konsequenzen zur Kenntnis nehmen müssen, denn er wurde abgewählt. Es ist niemals darum gegangen, abhängige Mitarbeiter anzuschwärzen oder vor Gericht zu stellen. Das hat Herr Schnell im Rahmen der Selbstreinigung gemacht. Sie wissen das ganz genau. (Bundesrat Dr. Aspöck: Karl Schnell hat niemanden angezeigt, aber es ist Tatsache, dass sämtliche Verfahren aus dem so genannten Datenklau, wie es von der Sozialdemokratischen Partei behauptet wurde, für die Freiheitliche Partei mit Freispruch geendet haben! Das sind die Fakten!)

Herr Kollege Aspöck! Das Problem der Freiheitlichen ist, dass Sie die Dinge einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen, Sie wollen nur ablenken und irgendetwas herauspicken, was nicht Sache war. Herr Schnell hat damals die Verantwortung insofern übernommen, indem er abgewählt wurde. Er hat gesagt – das hat niemand untersucht –: Herr Buchleitner! Was soll ich machen? – Aus deinem Büro sind mir geheime Unterlagen geschickt worden! – Damit ist er an die Öffentlichkeit gegangen. Die geheimen Unterlagen sind schon aus dem Büro Buchleitner gekommen, aber nicht von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter, sondern über einen angezapften Computer. Und dafür hat er die Verantwortung zu übernehmen, dafür wurde er abgewählt, und dazu hat er auch zu stehen. Es geht uns niemals um Mitarbeiter, Herr Kollege Aspöck! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Aspöck: Sagen Sie das bitte dazu, dass das die Postenschacherliste der SPÖ für die nächsten Jahre war, die heute bereits zu 90 Prozent erfüllt ist! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Aspöck! Ich wollte Ihnen jetzt eigentlich ein Kompliment machen, aber das kann ich in dieser Form nicht. Ich wollte auch dem Herrn Bundeskanzler nicht näher treten. Es wurde seine Rede als Parteitagsrede zitiert. Ich habe die Rede der Frau Vizekanzlerin, die ich persönlich sehr schätze, heute nicht gewertet, sie war zwar über jene des Kanzlers zu stellen, aber trotzdem wäre sie an Herrn Professor Böhm wesentlich besser gerichtet gewesen. Sie hat wie eine Oppositionelle von der Regierungsbank aus gesprochen. Sie, Herr Kollege Aspöck, haben die Opposition noch nicht hinter sich gebracht. Sie sind in der Regierung, falls Sie das nicht wissen sollten. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Aspöck: Im Salzburger Landtag sind wir noch immer in Opposition!)

Meine Damen und Herren! Kollege Dr. Nittmann hat sich heute Sorgen gemacht, er meinte, die Erosion der SPÖ hätte schon begonnen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Sorgen habe ich mir nicht gemacht, ganz im Gegenteil!) – Na ja, ich habe aber die Sorge herausgehört, und so viel Empfinden darf man mir wohl zugestehen, meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen hier sagen, diese Regierung wird Folgendes mit sich bringen: Sollte ein leichter Rostansatz bei den Sozialdemokraten feststellbar gewesen sein, dann wird dieser einer Politur weichen, die sich darin "erschöpfen" wird, dass wir diese Regierung immer dann zur Verantwortung ziehen werden, wenn wir es im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes für notwendig erachten. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.08

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Bundesrat Mag. Harald Himmer. Ich erteile ihm dieses.

15.08

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Ich glaube, es hat sich aus der Diskussion und den Ereignissen der letzten 14 Tagen ganz eindeutig ergeben, wenn die Sozialdemokratie nicht an der Macht ist, dann muss per Prinzip alles zusammenbrechen. Dann bricht alles zusammen, weil dann fehlt der notwendige ... (Bundesrat Prähauser: Nicht muss! Wir befürchten! – Bundesrätin Fuchs: Hoffentlich nicht! Wir bemühen uns!)

Katastrophe, Rechtsrutsch, es ist einfach alles schlimm geworden. Jetzt diskutieren wir hier heute die Regierungserklärung, jetzt kann man sich die Regierungserklärung anschauen, man findet darin aber nichts Rechtsradikales. Es gibt ein Koalitionsübereinkommen. Man findet auch darin nichts Rechtsradikales. Im Gegenteil, man findet ein ganz normales Regierungsübereinkommen von einem Mittebündnis. (Bundesrat Kraml: Man findet überhaupt nichts drinnen! – Bundesrat Marizzi: Man findet nur Belastungen! – Bundesrätin Fuchs: Etwas Besonderes habe ich mir erwartet!) Jetzt wird auch dieses Parlament ganz normale Gesetze beschließen, wie sie in diese Zeit, in der wir leben, passen. Ich muss sagen, ich bin kein besonderer Romantiker (Bundesrat Prähauser: Romantiker, also menschlich!), aber wenn ich die Mitglieder der SPÖ so reden höre, dann merke ich, ihr seid das, und in diesem Zusammenhang hören wir euch natürlich gerne zu.

Bundeskanzler Schüssel hat gemeint, es gäbe ein Problem der Worte, der Sprache und der Tonlage. Dem möchte ich hinzufügen: Es gibt auch die Thematik der Symbolik. Als einer, der auch aus der Jugendvertretung kommt, habe ich zwar nicht viele Berührungspunkte mit Gusenbauer gehabt, weil er doch fünf Jahre älter ist als ich und als Vorsitzender der Sozialistischen Jugend gerade abgetreten ist, als ich JVP-Obmann geworden bin, kenne ich nicht nur diese Geschichte mit Russland, wo er den sowjetischen Boden geschleckt hat. (Bundesrat Prähauser: Wo übrigens auch die Freiheitlichen mit dabei waren, Herr Kollege!) Man hat auch gesehen, wie er optisch aufgetreten ist: Er hat praktisch ausgesehen wie der Zwillingsbruder von Ché Guevara. (Bundesrat Prähauser: Er hat nie behauptet, ein Juso zu sein!) Hiezu muss man schon sagen: Welche Symbolik war das damals, und wie ist diese aufgearbeitet worden? – Wenn man den sowjetischen Boden küsst, dann frage ich mich: Was küsst man da, und was will man damit ausdrücken? – Das war damals ein Heiligtum. Man schreit: Heimat! – Heimat hat er geschrien. (Bundesrat Gasteiger: Waren Sie dabei?)

Heute erfahren wir, dass er einen Scherz machen wollte. Es war nur ein Scherz, den er machen wollte. (Bundesrat Dr. Nittmann: So ein Humorist! Sage ich ja, ein Humorist ist Gusenbauer!) Diese Version habe ich auch von wohlmeinenden Journalisten gehört, die über Gusenbauer geschrieben haben, er sei solch ein humorvoller Typ, weil er einmal den sowjetischen Boden geküsst hat. (Bundesrat Ledolter: Geleckt!) Dazu muss man schon einmal feststellen: Das war der Boden eines Regimes, das zur damaligen Zeit schwerste Menschenrechtsverletzungen zu verantworten gehabt hat, aufgrund dessen es unendliches individuelles Leid und einen Gesinnungsterror der schlimmsten Art und Weise gegeben hat. Genau dort wollte der Ché Guevara der Vergangenheit, der SPÖ-Parteiobmann der Gegenwart, einen Scherz machen, weil es gerade so lustig war. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei den Freiheitlichen: Bravo! – Prähauser: Denken Sie an den Bonzenjäger Himmer! Auch er hat in seiner Jugend Dinge gesagt, die er niemals verwirklicht hat!)

Ich möchte Kollegen Gusenbauer nicht unterstellen, dass er, als er gerade die sowjetische Erde bearbeitet hat, zu diesem Zeitpunkt an die vielen Menschenrechtsverletzungen gedacht hat und an das, was das sowjetische Regime alles verursacht hat. Ich möchte ihm auch eine Besserung nicht absprechen, aber ich fordere hier gleiches Recht für Haider und für Gusenbauer. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Hoffentlich ist das eine Koalitionsaussage von Ihnen!)

Meine Damen und Herren! Jeder Mensch hat seine eigene Realität. Für viele ist das Realität, was sie in zehn Minuten "Zeit im Bild" sehen, für manche ist das Realität, was der Fraktionsvorsitzende sagt. Wir leben gegenwärtig – vor allem wenn man das internationale Umfeld betrachtet – in einer Zeit, in der beispielsweise Menschen in Argentinien glauben, dass bei uns in Österreich die Katastrophe ausgebrochen ist. In diesem Zusammenhang sind auch alle Demonstrationen und ähnliche Maßnahmen, die zurzeit gesetzt werden, zu sehen. Niemand streitet ab, dass das Demonstrationsrecht eines der fundamentalsten demokratischen Rechte ist. Das ist überhaupt keine Frage. Wenn morgen – es sieht vom Wetter her an sich, so glaube ich, ganz gut aus, das ist für solche Demonstrationen nicht unbedeutend – 150 000 Menschen kommen sollten ... (Bundesrat Drochter: Nicht verknoffeln! – Bundesrat Konečny: Heldenplatz wollte er sagen! – Bundesrat Prähauser: Es werden mehr sein!)  – Ja, das glaube ich Ihnen. Sie kommen nicht nur auf den Heldenplatz, Sie kommen immer nach einem System von mehreren Einfallstraßen, und man weiß nicht ... (Bundesrat Prähauser: Sternmarsch nennt man das!)  – "Sternmarsch"! Okay!

Ich bin bei euch noch nicht so oft mitmarschiert. (Bundesrat Konečny: Das glaube ich Ihnen aufs Wort!) Ich glaube auf jeden Fall ... (Bundesrat Prähauser: Herr Himmer! Ich lade Sie herzlichst ein, teilzunehmen! – Bundesrat Konečny: Gegen Rassismus zu demonstrieren, ist eine Sache ...!)  – Sie demonstrieren gegen Rassismus, fein, Herr Konečny! Aber niemand hat Rassismus geplant. Die Regierung hat keinen Rassismus geplant, das Parlament hat keinen Rassismus geplant, aber Sie demonstrieren dagegen. (Bundesrätin Fuchs: Es gab doch den rassistisch geführten Wahlkampf der Freiheitlichen! – Bundesrat Konečny: 149 999 !) Reden wir über die Regierungserklärung, das Programm der Regierungserklärung: Darin ist nichts Rassistisches zu finden. (Bundesrat Konečny: Ihr redet von den Demonstrationen!)  – Ich weiί, Herr Konečny, Sie sind ein ganz Lustiger.

Sollten 150 000 Menschen kommen, werde ich es Ihnen glauben. Ich glaube Ihnen auch, dass 150 000 Menschen gegen diese Regierung sind. Ich glaube, dass sogar noch mehr als 150 000 ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir können es gemeinsam durchrechnen. 150 000 Menschen entsprechen ungefähr sieben Mandaten; Sie haben sogar 65. Ein Teil derer, die Sie unterstützt, wird dorthin kommen. (Bundesrätin Fuchs: Auch andere!)  – Fein. Sie werden ihre Meinung zum Ausdruck bringen, und auch das ist in Ordnung.

Meine Damen und Herren! Wovor ich aber tatsächlich warnen möchte, ist die stattfindende Radikalisierung. In diesem Zusammenhang muss man schon fragen: Was induzieren Sie eigentlich, was soll bei dem Ganzen herauskommen? Wenn beispielsweise Jugendliche, Kinder auf die Straße gehen und schreien: Schüssel, Haider an die Wand!, dann sollten Sie einmal innehalten und darüber nachdenken, was Sie damit eigentlich auslösen. Das ist für mich wirklich dramatisch. (Bundesrat Konečny: Wer hat das geschrien? – Das ist Diffamie!)

Wenn beispielsweise jemand im Burgtheater dem Staatssekretär das Gesäß zeigt, dann finde ich das auch nicht besonders höflich. (Bundesrat Konečny: Zwischen "an die Wand stellen" und das Gesäß zeigen besteht aber doch ein Unterschied!) Ich glaube, der Staatssekretär weiß, wie ein Gesäß ausschaut und verarbeitet das, ohne schlecht zu schlafen. Aber andere Dinge, die stattfinden, sind wesentlich kritischer zu betrachten. (Bundesrat Marizzi: Sind Sie jetzt vorsichtig!)

Sie sagen immer: Die Lösung, dass die Frau Außenministerin etwas sagt, sei zu wenig, auch das Bekenntnis sei zu wenig, die Präambel sei zu wenig, aber auch dass im Regierungsübereinkommen kein Rassismus vorkommt, sei zu wenig. Ich weiß schon, was Sie damit meinen. So lange nicht die Sozialdemokratie in Österreich regiert, so lange ist alles zu wenig. Da müssen Sie sich einen anderen Weg suchen, damit Sie wieder auf die Regierungsbank zurückkommen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Im Regierungsübereinkommen sind etliche Dinge enthalten, die wir gerade im Zusammenhang mit der Bundesstaatsreform hier oft diskutiert haben. Es wundert mich aber schon, dass kein einziger Redner der Sozialdemokratie das positiv erwähnt hat.

Ich freue mich sehr, dass es im Rahmen dieser Regierungskoalition zu einer Offensive in der Familienpolitik kommt, weil da zwei Parteien zusammengefunden haben, die ein anderes Familienbild haben, als es von der Sozialdemokratie gelebt wird. Als wesentlich möchte ich betonen: Es wird in der Zeit, in der wir leben, entscheidend sein, dass eine offensive Bildungspolitik – kombiniert mit einer konsequenten Wettbewerbs- und Standortpolitik – in Österreich dazu führt, dass die Menschen auch im Wettbewerb Luft zum Atmen haben. Sie werden sehen, wie viel kreatives Potential in den Österreicherinnen und Österreichern steckt. Dieses wird sehr viel mehr bewegen als Ihre klassenkämpferischen Ansagen.

Zum Beispiel zu Kollegen Drochter: Optisch ist er für mich in dem Bereich angesiedelt, den ich als "Glockenhosen" bezeichnen würde, er verkörpert also die siebziger Jahre. Ich meine damit das, was er inhaltlich von sich gibt. Das war nett, das war auch einmal ziemlich trendy, aber es entspricht nicht der Gegenwart. Frau Kollegin Schicker meinte, die verstaatlichte Industrie solle zusammengehalten werden. Kollege Prähauser hat gegen den Wettbewerb gesprochen und versucht, Gewinnmaximierung als Schimpfwort zu gebrauchen. (Bundesrat Prähauser: Aber wirklich nicht! Worum es geht, ist, dass unter der schwarz-blauen Koalition die Gewinnmaximierung der einzige Aspekt ist, der zählt!)

Oder ganz schlimm ist: Die Regierung hat die Spekulationssteuer ausgesetzt. Glauben Sie, der Grund für diese Entscheidung war, dass man möchte, dass den paar Spekulanten ein paar Prozent mehr bleiben? – Es geht darum, den Kapitalmarkt zu beleben, damit in dieses Land und damit in die Wirtschaft investiert wird, denn dahinter stecken Arbeitsplätze. Aber das sind Zusammenhänge, die in Ihrer Dogmatik und in den Worten und Vokabeln, die Sie verwenden, nicht vorkommen.

Daher möchte ich zusammenfassend sagen: Eine gute Ausbildung, eine starke ökosoziale Marktwirtschaft mit weniger Regulativen, die den Menschen die Freiheit zum Atmen gibt, werden zeigen, wie viel Kraft in den Österreichern steckt, wie viel innovatives Potential in den Österreichern steckt und was die Österreicher selbst alles bewegen können. Bei dieser Gelegenheit wird ihnen eines am wenigsten abgehen, nämlich die Sozialdemokratie in der Regierung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.20

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm dieses.

15.20

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Kolleginnen und Kollegen! 50 Jahre lang, in runden Zahlen gerechnet, war die Sozialdemokratie Regierungspartei. 30 Jahre lang, in runden Zahlen gesehen, stellte sie den Bundeskanzler. Es hat eine Verkrustung stattgefunden, und manch einer hat gesagt, diese Verkrustung habe zu einer Katastrophe geführt. Ich schließe mich dem Wort "Katastrophe" nicht an, weil das vielleicht übertrieben ist. Aber Sie werden zugeben, Kolleginnen und Kollegen, Demokratie besteht im Wechsel. (Bundesrat Konečny: Gedeckt sollte er sein!) Die Katastrophe ist, dass der Wechsel 50 oder 30 Jahre lang nicht stattgefunden hat. Das ist die demokratiepolitische Katastrophe! (Bundesrat Prähauser: Natürlich hat er manchmal stattgefunden!)

Ich mache den Kollegen von den Sozialdemokraten nicht den Vorwurf, dass sie an der Katastrophe des ausbleibenden demokratiepolitischen Wechsels in den letzten 50 respektive 30 Jahren beteiligt waren. Das waren eben die Stärkeverhältnisse. Ich mache Ihnen aber jetzt den Vorwurf, dass Sie diesen Wechsel nicht verkraften können. Sie sind, wie man beim Fußballspiel oder im Sport allgemein sagt – lieber Freund Gerstl, wie sagt man? –, Bad Looser. Bad Looser werden an und für sich auch mit einem bisschen scheelen Blick betrachtet. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrätin Fuchs: Wer wird mit scheelen Blicken betrachtet?)

Diese Regierungserklärung liegt vor uns – Grüß Gott, Frau Ministerin! Guten Tag! –, sie ist eine in Worten und Seiten gefasste Absichtserklärung, in ihrer Genauigkeit und Präzision fast an eine Dürerskizze gemahnend, aber noch immer eine Skizze. Jetzt liegt es an Ihnen, verehrte Kollegen und Freunde der Sozialdemokraten: Lassen Sie diese Skizze Wirklichkeit werden! (Bundesrat Gasteiger: Freunde sind wir keine! Das ist eine Unterstellung!)

Herr Kollege! Wenn Sie meine Freundschaft ablehnen, wird es Sie bis an den jüngsten Tag reuen! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Wir können damit leben. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Diese Absichtserklärung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist – nicht durch Verschulden der FPÖ, auch nicht durch das der ÖVP – unter Zeitdruck zu Stande gekommen. Vier Monate nach einer Wahl braucht man wieder einmal eine Regierung! Sie haben drei Monate sondiert und herumgetändelt (Bundesrat Grillenberger: Auftrag vom Bundespräsidenten!) und haben sich nicht entschließen können, ein bisschen von dem, was Sie bei der Wahl an Machtverlust erlitten haben, auch in Ihrer zukünftigen Regierung wegzustecken. Sie sind eine große Verliererpartei gewesen. Sie haben 5 Prozent verloren, das ist gigantisch, das ist ein Erdrutsch, das muss sich doch auswirken. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Winter: Ihr habt verhandelt und wisst nicht was!)

Kollegen! Man muss eine Niederlage demokratiepolitisch einstecken können. Akzeptieren Sie, dass andere Parteien stärker geworden sind! Es tut weh, aber es ist gut für die Demokratie. Damit sollen Sie sich trösten, das meine ich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Regierungserklärung gibt auch allen drei Parteien, die hier im Hohen Haus sind, die Möglichkeit, die Grundsätze ihrer Parteiprogramme auszuleben. Präsident Gerstl gab mir vorhin seine Rede vom 26. Jänner 1994, die ich jedoch nicht verlese. Darin sind die Grundsätze der ÖVP enthalten, darin sind die Grundsätze der SPÖ enthalten, und darin sind die ebenso hehren Grundsätze der Freiheitlichen Partei enthalten. Sie brauchen keine Angst zu haben. Machen Sie die neue Regierung nicht schlecht! Tragen Sie im Ausland dazu bei, dass diese Regierung ein Ansehen hat, indem Sie eine konstruktive Opposition betreiben und nicht immer alles schlecht machen, was die neue Regierung vorhat. (Bundesrat Marizzi: Das wird uns nie gelingen! – Bundesrat Winter: Ihr habt ja keine Grundsätze!)

Wenn sich Kollege Konečny όber die Seite 12 der Regierungserklδrung aufregt, in der es um die Wiedergutmachung fόr Zwangsarbeit, Kriegsgefangene und Vertriebene geht, und einen roten Kopf bekommt, als ob er sein Regierungsprogramm auf den Kopf geschrieben hδtte, dann muss ich sagen, ich habe wenig Verstδndnis dafόr. Unrecht bleibt Unrecht, Herr Kollege Konečny! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir mόssen das gesamte Unrecht ausbaden, Herr Kollege Konečny! (Bundesrat Konečny: Sie haben vorher von 1918 gesprochen in dem Zusammenhang! Wie haben Sie das gemeint?)

Herr Kollege Konečny! Wenn Sie die Friedensvertrδge von 1918 unbedingt als gerechte Friedensvertrδge bezeichnen wollen, dann habe ich den Eindruck, Sie haben ein schlechtes Geschichtsverstδndnis. (Bundesrat Konečny: Und das vergleichen Sie mit 1938?) – Ich rede von 1918, Sie reden von 1938. (Bundesrat Konečny: Als hier von 1938 die Rede war, haben Sie 1918 gerufen!) Ja, gut ... (Bundesrat Konečny: Ich würde gerne wissen, was Sie damit meinen!)

Herr Kollege! Das ist keine Geschichtsstunde! Wir haben die Regierungserklärung zu behandeln. Ich bin aber gerne bereit, mit Ihnen über das Jahr 1918 zu sprechen. (Bundesrat Konečny: Hat 1918 für Sie etwas begonnen, was mit 1938 vergleichbar ist?) – Nein, ich rede nicht damit! (Bundesrat Konečny: Sie reden nicht damit?) Ich habe gesagt: 1918 war der Sündenfall. Ich bin nicht bereit, mit Ihnen über das zu reden. Sie sind hier nicht der Staatsanwalt, Herr Kollege! Sie führen sich als Staatsanwalt und Richter in einer Person auf. (Bundesrat Konečny: Ich gestatte mir, Sie zu fragen, was Sie meinen in Ihrer wolkigen Ausdrucksweise!)

Ich habe auch nicht gefragt, was Sie gemeint haben, als Sie einen roten Kopf bekommen haben, als Sie die österreichischen Kriegsgefangenen nicht einbezogen haben wollten. Das geht doch ein bisschen weit! (Bundesrat Konečny: Das ist eine glatte Unwahrheit! Ich habe gesagt: Dadurch, durch diese Verbindung verzögern Sie die Entschädigung von Leuten, die über 70 Jahre lang alt sind!) Sie haben sie seit dem Jahr 1945 nicht entschädigt. Ihr Kollege Helmer hat es im Jahr 1945 gesagt. (Bundesrat Konečny: Herr Kollege! Ich weiß, was ich sagen darf, ohne einen Ordnungsruf zu bekommen! Sie haben hier die Unwahrheit gesagt!)

Nein, ich habe nichts Unwahres gesagt. Sie haben verzögert, Sie und Ihre Partei. Sie sind ein älterer Mensch, Sie hätten längst auf Ihre Partei einwirken können. (Beifall und Heiterkeit bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Alt sein heißt aber noch lange nicht senil sein!)

Kollege Prähauser hat einleitend in seinen Ausführungen gesagt: Österreich braucht ein Ansehen. – Jawohl, Herr Kollege Prähauser, Österreich braucht Ansehen. Dieses Ansehen können wir nur gemeinsam schaffen – die Opposition wie die Regierungsparteien. Österreich braucht Selbstvertrauen! Dazu können wir alle gemeinsam beitragen.

Österreich braucht aber auch gesunde Staatsfinanzen. Zu diesen gesunden Staatsfinanzen kann ich Ihnen nur sagen: 50 Jahre Sozialismus und 30 Jahre Kanzlerschaft waren wahrlich eine schwere Last, denn das Nettodefizit in der Höhe von 109 Milliarden Schilling, welches aufgrund der Konsolidierungsmöglichkeiten und des Stabilitätsziels von 62 Milliarden auf 47 Milliarden heruntergerechnet wird, wird den österreichischen Steuerzahler und Bürger noch lange treffen. (Präsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Hat es nicht der ehemalige Finanzminister Edlinger versäumt, dem Nationalrat bis Ende Oktober einen Budgetentwurf zu übermitteln, diesen vorzulegen? – Jetzt muss ein Provisorium erarbeitet werden, und Kollege Edlinger ist nicht mehr im Dienst. Das ist kein Kavaliersdelikt, meine Damen und Herren! Artikel 51 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes sieht vor: "Die Bundesregierung hat dem Nationalrat spätestens zehn Wochen vor Ablauf des Finanzjahres den Entwurf eines Bundesfinanzgesetzes fόr das folgende Finanzjahr vorzulegen.” – Das ist nicht geschehen. Diesen Vorwurf muss man den Sozialdemokraten auch machen, Herr Kollege Konečny, dass hier nichts geschehen ist. Man darf nicht immer nur mauern.

Haben wir Mut, Kollegen, diese neue Regierung mit Optimismus zu tragen! (Bundesrat Konečny: So schauen Sie nicht aus!) Alles wird ihnen nicht gelingen. Haben Sie auch Mut, diese Regierung wohlmeinend zu unterstützen – für Österreich! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.29

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marizzi. – Bitte.

15.29

Bundesrat Peter Marizzi (SPÖ, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Sehr geschätzte Staatssekretäre! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Gudenus! Natürlich wird es uns nicht immer gelingen, diese Bundesregierung zu unterstützen. Sie werden noch sehen, welche Belastungspakete von dieser Bundesregierung auf die Österreicherinnen und Österreicher zukommen. Wir müssen die Österreicherinnen und Österreicher vor dieser Bundesregierung schützen!

Vielleicht eine lustige Bemerkung am Anfang: Kollege Himmer hat zehn Minuten über die Jugendscherze von Alfred Gusenbauer gesprochen. Er war damals ein junger Mann, und wir alle haben in unserer Jugend, Herr Kollege Gudenus, Sie auch noch im mittleren Alter, Scherze gemacht. Wir alle haben dafür gebüßt.

Aber jetzt komme ich zu etwas anderem, meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP! Ich kann mich noch an den Tag erinnern, an dem die Europawahl geschlagen wurde. Heute wurde schon von Ché Guevara und von der Internationalen gesprochen. Damals hat Ihr Vizekanzler Busek die Internationale in allen drei Strophen perfekt mitgesungen. (Bundesrat Konečny: Können nicht alle!) Dazu muss ich ihm wirklich herzlich gratulieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Er hat wahrscheinlich, wie Gusenbauer eine Ausbildung als Ministrant gehabt hat, Vizekanzler Busek eine Ausbildung in der linken Schule oder wo immer gehabt, aber solche Dinge soll man im Raum stehen lassen. (Bundesrätin Mühlwerth: Bei den Roten Falken! – Zwischenruf des Bundesrates Buchinger. )

Herr Kollege Bieringer! Sie haben heute von Brandstiftung, Flächenbrand, von der rhetorischen Abrüstung und so weiter geredet. Ich lese Ihnen ein Zitat vor: Haider ist einer, der die Brandfackel der nationalen Stereotypen – ich will nicht sagen: des Hasses –, ganz bewusst verwendet. – Wer, glauben Sie, hat das gesagt? Wer, glauben Sie, hat das gesagt – da man von der "rhetorischen Abrüstung" redet? – Das war Ihr jetziger Bundeskanzler Schüssel. (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Wenn Sie heute von Bränden reden, dann reden wir auch von Bränden. Natürlich hat sich das Land Österreich in kürzester Zeit verändert, Herr Staatssekretär Morak! Das Land der Berge, ein kleines Alpenvolk – alle gehen auf dieses Alpenvolk los! – Auf uns Österreicher geht überhaupt niemand los. Es gehen alle auf diese Regierung los, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Mir ist noch nicht bewusst geworden, dass die 14 EU-Staaten auf Österreich losgehen, sondern sie gehen auf die Regierung los. Welche Ursache hat das? Welche Wirkung hat das? – Man kann sagen, vielleicht irren sich die Historiker, vielleicht irren sich die Journalisten, vielleicht irren sich die Staatsmänner. Es ist so, dass diese Regierung mit ihrem tatsächlichen Chef jetzt vor allem international sehr schwer unter Beschuss steht.

Die Ursache ist klar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Schüssel wollte Bundeskanzler werden. Der Preis ist sehr hoch. Er hat es bereits 1995 probiert. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Klima nicht? "Auf den Bundeskanzler kommt es an"! – Bundesrat Winter: Wer ist die stärkste Partei?) Vom Sondieren bis zum Platzen, vom Sondieren bis zum Parallelslalom – das war tatsächlich eine strategische Meisterleistung. Es war eine strategische Meisterleistung: Zuerst wollte man in Opposition gehen, wie beim Sport, dann holte ihn Klima ins Boot, und dann schickte der Dritte den Ersten in Opposition.

Demokratisch ist es, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ob das der Wählerwille ist, weiß ich nicht. Das wird sich bei den nächsten Auseinandersetzungen herausstellen. Wenn man in der "Herald Tribune" um 660 000 S Inserate setzen muss, damit man weiß, dass wir eine Demokratie sind, dann muss man schon nachdenklich werden, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bundesrätin Haunschmid: Da gibt es Inserate in der "Süddeutschen Zeitung", die teurer sind! – Zwischenruf des Bundesrates Bieringer .)

EU-Kommissar Fischler hat gesagt, dass sich Österreich auf ein hartes Jahr vorbereiten muss und dass die Sanktionen bis zum Jahr 2001 dauern werden. Die Amerikaner sind gegen uns. Sie können sich die Zeitungsartikel anschauen: Ich glaube, es war wirklich eine zu harte Aussage – das sage ich auch ganz offen –, dass Schüssel nicht wie Milosevic argumentieren soll, denn das sagte der EU-Vorsitz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, auf unsere Republik kommen harte Zeiten zu. Herr Kollege Himmer hat gemeint, keines der Mitglieder des Bundesrates habe heute über den Föderalismus gesprochen. Das mag schon sein. Herr Hirschmann spricht immer davon. Herr Hirschmann will die Länder abschaffen, Herr Hirschmann will den Bundesrat abschaffen, will die Regionen zusammenfassen, und man redet immer von der Abrüstung und von der Mäßigung der Sprache. Wir haben hier bei der letzten Sitzung gesagt, die rhetorische Abrüstung solle Platz greifen. Drei Tage später, meine sehr geehrten Damen und Herren, im steirischen Landtag – ich zitiere – sprach Herr Hirschmann von "Chirac und seiner Heuchlerpartie". – Das ist sehr nett und sehr willkommen in dieser außenpolitischen Situation, in der wir uns befinden. (Bundesrat Prähauser: Herr Kollege Marizzi! Er muss nicht verstehen, was er sagt, er ist nur Politiker! – Bundesrat Buchinger: So wie Sie!)

Wir haben einmal in einer Dringlichen über die Wirkungen der Außenpolitik auf die Innenpolitik diskutiert. Beim letzten Mal hat Herr Bundesminister Farnleitner gesagt: Nehmt das nicht alles so ernst! Es wird sich alles ergeben. Wir werden keine Probleme im Tourismus haben. Die Börse renkt sich ein. – Zwei Tage später sind 75 Milliarden an der Börse vernichtet worden. Es sind natürlich Standorte in Frage gestellt, und, meine sehr geehrten Damen und Herren, daran haben wir noch lange zu arbeiten. Außenpolitisch ist es momentan eine fatale Situation, die Wirtschaftspolitik ist "brandgefährlich" gefährdet, und innenpolitisch ist es eine mittlere Katastrophe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schaut die Belastungslawine aus? – Sie erwarten sich folgende Einnahmen aus folgenden Belastungen: Erhöhung der Energiesteuer: 1,6 Milliarden, Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer: 3,8 Milliarden, Erhöhung der Tabaksteuer: 1 Milliarde, Verteuerung der Vignette: 1,3 Milliarden, geplante Einsparungen bei den Sozialtransferzahlungen: 2,3 Milliarden, Ausgabenkürzung bei der Arbeitslosenversicherung: 2,6 Milliarden, Streichung des Bundesbeitrags beim Arbeitsmarktservice, Frau Ministerin: 2,8 Milliarden, Selbstbehalte bei der Krankenversicherung: 6 Milliarden, Pensionskürzungen im ASVG-Bereich: 10 Milliarden, Pensionskürzungen im öffentlichen Dienst: 5 Milliarden, Urlaubsaliquotierung: 2,3 Milliarden, Entfall des Postensuchtages: 0,3 Milliarden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Österreicherinnen und Österreicher werden sich wundern, inwieweit diese Bundesregierung in der nächsten Zeit ein Belastungspaket und eine Belastungslawine auf diese Bevölkerung losprasseln lassen wird.

Jetzt zu den Freiheitlichen: Ich muss Ihnen eines sagen: Vielleicht gilt das gebrochene Wort. (Heiterkeit des Bundesrates Konečny. ) Ich lese es jetzt nicht vor. (Der Redner hält ein Papier in die Höhe.) Da sind alle Wahlversprechen aufgelistet, die Sie in der letzten Zeit bei den Wahlen, egal ob Landtags- oder Nationalratswahlen, gegeben haben.

Sie haben einmal auf einem Parteitag beschlossen: Wenn Wahlversprechen nicht eingehalten werden, dann kommt man vor ein Parteischiedsgericht. – Wahrscheinlich wird es so sein, dass das nächste Mal die Bundesräte 5 000-mal schreiben müssen: Wir haben euch nicht belogen!, die Nationalräte müssen es 10 000-mal und die Mitglieder der Bundesregierung nach der Gehaltspyramide 25 000-mal schreiben. Summa summarum sage ich Ihnen, Sie haben plakatiert: Wir haben die Lösung: Steuer senken, Arbeit schaffen. – Jetzt haben Sie die Macht: Steuern erhöhen, Sozialleistungen kürzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist bange. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.39

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Finz. – Bitte.

15.39

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Verehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Nachdem jetzt so viel vom Budget gesprochen worden ist, möchte ich das Ergebnis des gestrigen Kassasturzes auch hier mitteilen. Es hat gestern eine Pressekonferenz gegeben, und einige Punkte sind schon angeschnitten worden.

Wir haben den vorigen Bundesminister selbst bei der Amtsübergabe nicht mehr angetroffen. Er hatte bereits das Haus verlassen, als wir kamen. Wir wurden "nur" – unter Anführungszeichen – von den Beamten empfangen. Sie haben sich sehr bemüht und verhalten sich sehr loyal.

Wir haben kein Budget für das Jahr 2000 vorgefunden, obwohl es in der Bundesverfassung – es sind die Bestimmungen zitiert worden – eindeutig vorgeschrieben wäre. Aber was haben wir vorgefunden? – Wir haben per 31. 12. 1999 einen Finanzschuldenstand in der Höhe von 1 623,4 Milliarden vorgefunden.

Im Jahr 1970, als eine sozialdemokratische Regierung die Amtsgeschäfte übernahm, betrugen die Finanzschulden 47,1 Milliarden. Das entspricht einer Steigerung um 3 723 Prozentpunkte. (Bundesrat Dr. Böhm: Eine reife Leistung!) In dieser Zeit sind die Einnahmen des Staates um 800 Prozentpunkte gewachsen. (Zwischenruf des Bundesrates Prähauser. ) Es sind also die Finanzschulden rund viermal so rasch gewachsen wie die Staatseinnahmen. (Bundesrätin Mühlwerth: Danke, SPÖ!)

Daneben gibt es aber auch außerbudgetäre Finanzschulden. Im Jahr 1970 gab es hingegen überhaupt keine außerbudgetären Finanzschulden. Die außerbudgetären Finanzschulden betragen in etwa 280 Milliarden Schilling. Diese kommen noch zu den genannten Finanzschulden hinzu. (Bundesrat Ledolter: Wie viel kommt noch hinzu?) 280 Milliarden außerbudgetäre Schulden!

Jetzt haben wir einen Kassasturz gemacht und Wirtschaftsprognosen eingeholt. Außerdem gibt es schon einen vorläufigen Rechnungsabschluss. Danach stellte sich für uns das Budgetdefizit in folgender Form dar: Den prognostizierten Einnahmen in der Höhe von 691 Milliarden stehen vorgesehene Ausgaben von 800 Milliarden gegenüber. Dabei handelt es sich um vorläufigen Zahlen beziehungsweise Rechenwerke der Buchhaltungen; den Bundesrechnungsabschluss 1999 kann man noch nicht zeigen, weil diesen der Rechnungshof macht. Das ergibt ein Budgetloch beziehungsweise ein Nettodefizit in der Höhe von 109 Milliarden. Zu diesen 109 Milliarden müssen noch die Tilgungen für die Finanzschulden – sie betragen im Jahr 2000 rund 160 Milliarden – dazu gerechnet werden. – Das ist der berühmte Trennbereich von 109 Milliarden Schilling.

Jetzt gibt es natürlich Maastricht-Vorgaben. Aufgrund dieser Vorgaben darf das Budgetloch im Jahr 2000 nur 62 Milliarden betragen. Das heißt, 47 Milliarden müssen durch bestimmte Maßnahmen abgedeckt werden. Das war unsere Ausgangsposition. Da wir die Maastricht-Vorgaben zu erfüllen haben, ist das der Konsolidierungsrahmen.

Zu diesem Zweck wollen wir erstmals bei uns in der Verwaltung und nicht beim Staatsbürger stark einsparen. Obwohl wir auf den Zahlen des Jahres 1999 aufbauen und hiebei nicht berücksichtigen können, dass es eine Inflation gibt, wollen wir trotzdem vor allem bei den Ermessensausgaben und durch Personalaufnahmestopps beziehungsweise eingeschränkte Personalaufnahme insgesamt 11 Milliarden einsparen. Wir wollen – was auch schon der vorige Finanzminister gemacht hätte – bestimmte Überschüsse in einzelnen Fonds, die überdotiert waren, zurückführen und hievon 13 Milliarden umwidmen.

Weiters gibt es bestimmte Sondermaßnahmen. Dazu gehört zum Beispiel die Vergabe einer Handylizenz. Damit wollen wir 17 Milliarden hereinbringen.

Ganz zuletzt wollen wir bei einem Budget mit 691 Milliarden an Einnahmen 6 Milliarden durch gewisse Steuererhöhungen wie zum Beispiel Tabaksteuer, Elektrizitätsabgabe, motorbezogene Versicherungssteuer und dergleichen mehr hereinbringen. Wir bezeichnen diese 6 Milliarden deshalb als einnahmenseitige Maßnahmen, weil wir vorrangig die Ausgabenseite behandeln. Es muss der Ausgabenhaushalt auf ein normales ausgeglichenes Niveau im Vergleich zu den Einnahmen zurückgeführt werden. Diese Maßnahmen greifen aber nicht sehr rasch. Wenn man erst am 4. Februar 2000 angetreten ist, dann kann man nicht erwarten, dass schon bestimmte Konsolidierungseffekte durch Umorganisation und den Wegfall von bestimmten Aufgaben eintreten. Es müssen also vor allem das Jahr 2000 und die erste Hälfte des Jahres 2001 überbrückt werden. Nur zu diesem Zweck dienen diese Sondermaßnahmen.

Bis zum Jahre 2004 wollen wir 9 000 Dienstposten durch Nichtersetzen des natürlichen Abgangs abbauen. Wir wollen durch ein neues Jahresarbeitsmodell im öffentlichen Dienst Überstunden im Ausmaß von 1,2 Milliarden einsparen. Wir wollen im Zuge einer Aufgabenreform alle Aufgaben kritisch durchleuchten und evaluieren, welche wegfallen könnten und welche wir benötigen.

Ich möchte aus meiner früheren Verwendung beim Rechnungshof ein Beispiel anführen: Sie alle haben gehört, dass der Rechnungshof, obwohl er eine Einrichtung der Finanzkontrolle ist und prüfen sollte, damit er als Organ des Parlaments diesem Berichte vorlegen kann, jetzt mühevoll unter Beteiligung all seiner geprüften Rechtsträger eine Einkommenserhebung machen muss, die dann unter anderem darin mündet, dass eine riesige Liste mit den 80 000-Schilling-Entgeltsbeziehern erstellt wird. Allein die Erhebung dieser Dienste behindert derzeit ungefähr ein Drittel des Prüfungsdienstes. Daher soll man sich im Hinblick auf solche Aufgaben in einer Kosten-Nutzen-Relation überlegen, ob man diese tatsächlich braucht oder ob man die entsprechenden Ressourcen sinnvoller für etwas anderes frei machen kann. Ebenso gibt es in anderen Bereichen vielerlei Aufgaben, die günstiger gemacht werden sollen.

Wir wollen die Mitwirkungsrechte und Kompetenzlisten erneuern: Etwa bei größeren Beschaffungsvorhaben können die Dienststellen nicht allein handeln, sondern müssen den gesamten Beschaffungsakt dem Finanzministerium zuleiten. Ein derartiger Beschaffungsakt trägt bis zu zehn oder zwölf Unterschriften! Man weiß am Schluss nicht mehr, wer eigentlich für eine Beschaffung die Verantwortung trägt. – Derartige Dinge müssen abgebaut werden, damit der Staat grundsätzlich in ein Gleichgewicht gebracht werden kann. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich hoffe, dass wir mittels eines gezielten Budget-, Personal- und Verwaltungscontrollings, das sich auch auf die ausgegliederten Rechtsträger bezieht, eine neue Form der Einhaltung des Budgets mit rechtzeitigem Vorwarnen, wo Ausgaben entstehen könnten, einrichten können. In der Bundesministeriengesetz-Novelle ist für das Finanzministerium eine derartige Aufgabe vorgesehen.

Bei allen größeren Gesetzesvorhaben, welche mit bestimmten höheren finanziellen Auswirkungen verbunden sind, wollen wir ebenfalls ein Controlling einziehen, damit wir beurteilen können, ob sich das Gesetz in dem bestimmten Rahmen bewegt. Die Erwähnung dieser neuen Aufgabe verbinde ich mit der Einladung an die Parlamentarier, dazu beizutragen, den Informationsfluss zu verbessern. Außerdem sollte auch – auch das ist eine Einladung an die Parlamentarier – in bestimmten Zeitabschnitten eine inhaltliche Evaluierung von derartigen Gesetzesvorhaben stattfinden, damit man prüfen kann, ob die gesetzten Ziele auch tatsächlich erreicht werden. – Ich danke für die Worterteilung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.48

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Keuschnigg. – Bitte.

15.48

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Diese neue Bundesregierung hat ein klares Bekenntnis zu einer intakten, wettbewerbsfähigen Land- und Forstwirtschaft ausgesprochen. In diesem Regierungsvertrag findet sich aber auch eine Formulierung, die auf eine Veränderung des Finanzausgleiches zu Gunsten der kleineren und kleinen Gemeinden abzielt. – Ich möchte heute versuchen, diesen Bogen zu erläutern und die Hintergründe etwas darzustellen.

Vorab aber noch ein Wort zu einer – wie ich glaube – doch sehr ärgerlichen Propagandawalze, mit der die SPÖ diese Legislaturperiode begonnen hat, und zwar zu dem bösen Wort von den Steuergeschenken für die Großbauern. Die Betonung liegt dabei auf "groß". – Sie haben wohl nicht mitbekommen, was in den letzten Jahrzehnten gelaufen ist. Ehemalige Großbauern ringen derzeit um ihren Arbeitsplatz. Was nützt es, wenn jemand einen Ackerbaubetrieb von 50 Hektar hat, wenn er dann aber merkt, dass er davon nicht leben kann? Was nützt es, wenn jemand 50 Kühe im Stall hat – das war früher beziehungsweise sogar noch vor sehr wenigen Jahren der Inbegriff dessen, was ein großer Bauer ist –, wenn er aus den Gummistiefeln von der Früh bis am Abend nicht mehr herauskommt? Diejenigen, die früher Mitarbeiter gehabt haben, die für sie das Geschäft gemacht haben, dürfen heute nicht mehr krank sein, weil sie allein im Betrieb stehen und sich das Kranksein und ein Ausfallen nicht leisten können.

Wenn jemand in der Landwirtschaft das verdienen will, was heute ein Abteilungsleiter, ein mittlerer Angestellter, ein Lehrer oder ein Beamter verdient, dann muss er zwei bis drei Erwerbe kombinieren beziehungsweise selbst mit seiner Familie bis an die Leistungsgrenze arbeiten. – Diese Entwicklung sollte man nicht ignorieren. Von allen Vergleichen ist nur jener mit dem Einkommen der Arbeiter zutreffend, und das ist ein Ehrenvergleich.

Dieses Bild, das Sie aus ausschließlich taktischen, strategischen Gründen strapazieren, um in der Propaganda zu punkten, ist ein Bild der Vorkriegszeit und ist eine Beleidigung für einige Hunderttausend Bauernfamilien, die nichts anderes tun, als um ihren Arbeitsplatz zu ringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Was ist nun der Hintergrund dieser Regierungspolitik für die Landwirtschaft und für den ländlichen Raum? – Das – schon wiederholt dargelegte – Ziel ist klar. Es geht um funktionierende ländliche Regionen, es geht um intakte Landschaften, die auch verkaufbar sind und Nutzen für den Tourismus und für die Lebensqualität der Bevölkerung haben, also um wirtschaftlich, sozial und kulturell gleichwertige Lebensbedingungen und um Lebensqualität auf dem Land.

Die Realität, mit der wir zu kämpfen haben, ist aber rundherum von den Spuren der Liberalisierung der Wirtschaft und der Globalisierung gezeichnet. Auf dem Land werden jeden Tag ein Lebensmittelgeschäft oder eine Tankstelle, ein Postamt, ein Gendarmerieposten oder eine Linie des öffentlichen Verkehrs geschlossen. Das ist die Kehrseite der Liberalisierung.

Selbstverständlich bringen die Kräfte des Marktes auch Vorteile. Das wurde nie bestritten. Sie bringen aber nicht für alle die gleichen Vorteile. Dort, wo weniger Menschen auf großen Distanzen wohnen, spielt der Markt nicht dieselbe Rolle wie dort, wo an einem Straßenzug mehr Konsumenten und mehr Abnehmer gefunden werden können als in manchen oder vielen Gemeinden im ländlichen Raum insgesamt.

Liebe Kollegen von der SPÖ! Darauf möchte ich besonders hinweisen: Der Klassenkampf, der hier angetönt wird, funktioniert nicht. Denn unter diesen Vorzeichen macht es keinen Sinn, die einen gegen die anderen auszuspielen. Auf dem Land müssen die Arbeiter, die Gewerbetreibenden und die Bauern vielmehr zusammenarbeiten, weil sie alle zusammen letztlich die Verlierer einer Entwicklung sind; ich bezeichne sie gelegentlich als die "Liberalisierungsverlierer". Es gibt zum Beispiel keinen Unterschied zwischen einem Bauernkind und einem Arbeiterkind, wenn die Gemeinde den Schülertransport einstellt, weil sie es sich nicht leisten kann, dass zwei oder drei Kinder irgendwo da oben abgeholt werden.

Wenn jetzt die Stromliberalisierung kommt, dann werden klarerweise auch in diesem Bereich die Marktkräfte in Summe für die gesamte Nation und Republik Vorteile bringen. Aber diese Vorteile werden wiederum nicht dieselben sein, wenn es einerseits sozusagen ein paar Krabbler und andererseits große Marktgebiete als Abnehmer gibt.

Um es umgekehrt zu formulieren: Es gibt Bereiche, in welchen im positiven Sinn keine Märkte entstehen. Heute beabsichtigt man, ganze Städte zu verkabeln und ans Netz zu hängen. Wer denkt da letztlich an die ländlichen Räume? – Dort ist das wirtschaftlich sehr oft nicht interessant.

Ich will darauf hinaus, Ihnen klarzumachen: Es ist unsere Aufgabe, hier gegenzusteuern. Der Markt tut es nicht, daher muss es die Politik machen. Die Politik hat viele Möglichkeiten, aber das wichtigste Instrument in dieser Richtung ist natürlich der Finanzausgleich, bei dem es darum geht, die kleinen Gemeinden besser zu stellen. Die ländlichen Gemeinden müssen in die Lage versetzt werden, dort gegenzusteuern, wo der Markt versagt.

Ich darf Sie heute schon um Ihre Unterstützung in diesem Zusammenhang ersuchen und Sie bitten, weniger in Reflexen zu denken, sondern sich dessen bewusst zu sein, dass das Wort Solidarität auch in dieser Richtung Geltung hat. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.55

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Die nächste Rednerin wäre Frau Bundesrätin Fuchs.

Ich darf Sie fragen: Werden Sie länger als 5 Minuten sprechen, denn ich muss um 16 Uhr unterbrechen? – Es wird bei Ihnen länger dauern. Daher schlage ich vor, sofort mit der Behandlung der dringlichen Anfrage zu beginnen.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Wolfgang Hager und Genossen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend die Fertigstellung des Semmering-Basistunnels (1682/J-BR/00)

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Da der Herr Bundesminister im Saal anwesend ist, rufe ich die dringliche Anfrage bereits jetzt auf. Laut Geschäftsordnung muss ich sie bis spätestens 16 Uhr aufrufen, und es ist in 5 Minuten 16 Uhr.

Ich darf daher jetzt Herrn Bundesrat Hager um die Begründung der dringlichen Anfrage und im Anschluss daran den Herrn Bundesminister um seine Antwort bitten.

15.56

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister Schmid! Für mich als steirischen Bundesrat ist es natürlich sehr erfreulich, dass ein steirischer Minister auf der Regierungsbank Platz genommen hat, wenn über den Semmering-Basistunnel debattiert wird. (Bundesrat Meier: Er wird uns nicht viel helfen können!) Ich muss sagen: Mich erfüllt das mit der Hoffnung, dass sich der Herr Bundesminister seiner Heimat besinnen und die Interessen der Steiermark nicht ganz aus den Augen verlieren wird! (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Jawohl!)

Für Sie als ehemaligen steirischen Landesrat – das ist noch nicht so lange her! – ist, wie ich annehme, der Wirtschaftsstandort Steiermark nicht nur ein Schlagwort, sondern ein Begriff, der mit Leben erfüllt ist. Aus Ihrer eigenen Erfahrung werden Ihnen die Sorgen der Obersteirer nicht ganz unbekannt sein.

Die Südbahn mit dem Semmering-Basistunnel ist unbestreitbar die Lebensader der steirischen Wirtschaft und unverzichtbar für unser Bundesland. Die baldige Realisierung des Semmering-Basistunnels ist für die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Steiermark von immenser Bedeutung, und ich glaube, das wissen Sie, Herr Bundesminister, ganz genau.

Die Nichtrealisierung des Semmering-Basistunnels hätte katastrophale Auswirkungen auf die Steiermark und auf ganz Südösterreich. Wir brauchen zeitgemäße Verkehrswege, um im Zeitalter der Regionen mit der internationalen Entwicklung Schritt halten zu können. Es gibt nun einmal eine ganz klare Formel, die da lautet: keine zeitgemäßen Verkehrswege – keine wirtschaftliche Weiterentwicklung.

Herr Bundesminister! Das veranlasst mich, ganz kurz vom Semmeringtunnel und der Südbahn abzuweichen und Ihnen ein ähnliches Problem in Erinnerung zu bringen, nämlich die nicht zeitgemäßen Verkehrswege in meinem Heimatbezirk Murau. – Sie sind ein reger Besucher des Bezirkes Murau, wie ich weiß, und dürften daher die Straßensituation sehr genau kennen. Die neue Ressortverteilung bringt es mit sich, dass Sie nun auch für den Straßenbau zuständig sein werden, und ich hoffe sehr, dass Sie anders als Ihr Vorgänger Bundesminister Farnleitner mit den Sorgen und Anliegen der dortigen Bevölkerung umgehen werden. Denn Exminister Farnleitner – Kollege Weilharter wird es Ihnen bestätigen – haben 10 000 Unterschriften, die wir in einem Bezirk mit nur 32 000 Einwohnern gesammelt haben, nicht sonderlich berührt. Daher hoffen wir auf Ihre Tatkraft und Ihre Entschlossenheit als neuer Minister.

Nun zurück zum Semmering: Die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft hängt zu einem sehr hohen Prozentsatz von den Verkehrswegen ab. Was hilft unseren Arbeitnehmern in der Steiermark ihre gute Qualifikation, wenn die Konzerne an der Steiermark vorbei denken, weil sie von hier aus die internationalen Märkte nicht Zeit und Kosten sparend erreichen und deshalb keine neuen Betriebe ansiedeln oder gar, was sehr oft auch im Raum steht, bestehende schließen werden?

Allein 50 000 steirische Arbeitnehmer – ich nehme an, in Kärnten werden es auch einige sein – sind derzeit in Branchen beschäftigt, die ihre Waren über den Semmering transportieren müssen. Es ist ein Faktum, dass, selbst wenn irgendwann eine andere Variante gebaut wird, unser obersteirischer Zentralraum weiträumig umfahren und damit von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt werden würde.

Die Auswirkungen sind also ganz konkret jene, dass bei Nichtrealisierung der neuen Südbahn die Wirtschaftlichkeit in der Steiermark sinkt, dass Arbeitsplätze verloren gehen und dass die Steiermark zu einem unattraktiven Wirtschaftsstandort im Europa der Regionen wird.

Die Südbahn insgesamt ist ein notwendiges und zentrales Anliegen unseres Wirtschaftsraumes und auch für ganz Österreich von enormer Bedeutung. In den letzten Jahren stieg das Güterverkehrsaufkommen auf dieser Strecke sogar um 10 Prozent, und für Fachleute ist es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis das Nadelöhr Semmering ernsthafte Behinderungen der Wirtschaft mit sich bringen wird.

Herr Bundesminister! All das ist Ihnen bekannt, und deshalb muss ich Ihnen gestehen, ich bin auch etwas verwirrt über Ihre widersprüchlichen Aussagen zum Thema Semmering. Da ich ein positiv denkender Mensch bin, nehme ich an, dass Ihre Aussagen darauf zurückzuführen sind, dass Sie erst sehr kurz als Minister tätig sind. Sie haben selbst bei Ihrem Amtsantritt gesagt, dass Sie etwas vom Regieren verstehen, Ihnen aber die sachliche Kompetenz für dieses Ressort fehlt.

Was die Semmering-Geschichte betrifft, kann ich das nicht ganz so gelten lassen. Als steirischer Landesrat und als Obmann der steirischen FPÖ haben Sie sich mehrfach zu diesem Thema geäußert. Aber darauf will ich später noch etwas ausführlicher eingehen.

Der Semmering-Basistunnel – die unendliche Geschichte. Ich erspare Ihnen und mir die nochmalige chronologische Aufführung dieses Hickhacks, das sich bisher in dieser Sache abgespielt hat, denn bei dem ganzen Theater, das sich seit über einem Jahrzehnt hinzieht, war der dramatische Handlungsfaden selbst für Insider nicht immer ganz genau zu erkennen. Mit der Zeit hat sich nur eines klar herausgestellt: Sachliche Entscheidungen waren unerwünscht. Blanke Machtspiele waren das einzige Leitmotiv, das sich durch die gesamte Geschichte gezogen hat: Es gibt einen Landeshauptmann auf der einen Seite, der nur im Sinn hat, seine Muskeln spielen zu lassen, und eine Landeshauptfrau auf der anderen Seite, die in der Steiermark "Durchgesetzt!"-Plakate aufhängen lässt, sich aber im Übrigen von ihren Parteifreunden über dem Semmering am Gängelband herumführen lässt.

Herr Bundesminister! Ihre Haltung zum Semmering-Basistunnel ist mir trotz Ihrer zahlreichen Aussagen zu diesem Thema – ich habe es bereits gesagt – noch immer nicht ganz klar. Es geht nicht an, so sagten Sie, dass 800 Millionen bereits investiert wurden, um nun Neues zu finden. Weiters sagten Sie: Es geht nicht nur um die Steiermark, sondern auch um Ostösterreich. – Das war aber noch in Ihrer Zeit als steirischer Landesrat.

Vor einigen Tagen – da waren Sie schon Minister – hörte man, dass der Tunnel für Sie kein besonderes Anliegen sei. Wenn ich jetzt alles richtig verstanden habe, sind Sie jetzt wieder für den Tunnel.

Verzeihen Sie, wenn ich mit der Chronologie und den Inhalten Ihrer Aussagen nicht mehr ganz mitkomme. Ihre Gesinnungswechsel sind nämlich wirklich atemberaubend, und Sie stehen eigentlich Ihrem Bundesparteichef in nichts nach. (Beifall bei der SPÖ.) Denn auch Parteiobmann Haider – man muss das besonders betonen: Partei obmann Haider – ist oder war immer gegen den Tunnel (Bundesrat Meier: Das sind jetzt zwei verschiedene!)  – ich komme schon darauf zu sprechen –, und der Kärntner Landes hauptmann Haider ist meist für den Tunnel. Da kennt man sich nicht so genau aus.

Im Kärntner Memorandum an die österreichische Bundesregierung, aus dem Jahr 1991 datiert, verlangt der damalige Landeshauptmann Haider (Ruf bei den Freiheitlichen: Und jetzige!)  – er war es dann nicht mehr lange – wörtlich den Ausbau der bestehenden Südbahn, um die unzumutbaren Fahrzeiten zwischen Kärnten und der Bundeshauptstadt sowie zwischen den Bundesländern Niederösterreich und Steiermark erheblich kürzen zu können. Und jetzt kommt es: Dazu zählt auch der Bau des Semmeringtunnels. (Bundesrat Ing. Scheuch: Sie haben nichts weitergebracht!)

Man kann sich aussuchen, was man dann von diesen Aussagen ernst nimmt. Man wird es sehen.

Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Ihr Parteikollege Schimanek aus Niederösterreich ist gegen den Tunnel und kann sich nicht vorstellen, dass Sie, Herr Minister – ich zitiere wieder –, der Geldvernichtung ersten Ranges zustimmen. Ich bin gespannt, was Sie jetzt machen werden.

Als Frau Landeshauptmann Klasnic im Juni 1999 hier im Bundesrat eine Stellungnahme abgab, meinte sie auf die Frage, ob sie mit Amtskollegen Pröll in dieser Sache geredet habe, dieser sei nicht ihr Ansprechpartner, sondern die Bundesregierung, der zuständige Verkehrsminister und der Herr Bundeskanzler.

Herr Bundesminister! Jetzt würde mich natürlich brennend interessieren, ob die Frau Landeshauptmann Klasnic mit Ihnen als zuständigem Minister bereits gesprochen hat, denn ich könnte mir vorstellen, dass sie sich mit Ihnen etwas leichter tut als mit Ihrem Amtsvorgänger. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Schicker: Das war jetzt gemein!)

Herr Bundesminister! Oder müssen wir annehmen, dass Sie jetzt als Minister – ich betone: als Noch-Parteiobmann der FPÖ Steiermark – die Gelegenheit beim Schopf packen, um den Steirern zu beweisen, dass die Frau Landeshauptmann Klasnic mit ihren "Durchgesetzt!"-Plakaten nicht so ganz Recht hat? – Ich glaube fast, dass Sie bereit sind, steirische Arbeitsplätze zu opfern, um für die steirische FPÖ damit schon in den Landtagswahlkampf zu ziehen und den Landtagswahlkampf zu beginnen. Diese Chance, den Steirern zu zeigen, dass die ÖVP-Spitzenkandidatin Klasnic sie auf ihren Plakaten, so würde ich sagen, ein wenig an der Nase herumführt, lassen Sie sich nicht entgehen. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Das ist der Plabutschtunnel auf den Plakaten!) Na ja, sie plakatiert auch "Durchgesetzt!" für den Semmeringtunnel.

Während sich im SPÖ-Positionspapier für die Koalitionsgespräche mit der ÖVP noch die Forderung nach der – ich zitiere wörtlich – sofortigen Umsetzung des Regierungsbeschlusses zum Bau des Semmering-Basistunnels fand, fehlt im blau-schwarzen Regierungspakt jeder Hinweis zu dem Tunnel. Ich habe den Verdacht, dass für Sie, Herr Bundesminister, trotz gegenteiliger Beteuerungen die ganze Sache gestorben ist. Ich habe den Verdacht – um es jetzt etwas dramatisch zu formulieren –, dass Blau-Schwarz drauf und dran ist, das Semmeringloch zuzuschütten. Und ich habe den Verdacht, dass Sie, Herr Bundesminister, schon die Schaufel dazu in der Hand haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundesminister! Ich meine, mit Ihrer sehr wendigen Art, Politik zu machen, fallen Sie in FPÖ-Kreisen nicht aus der Rolle. Das verwundert mich auch nicht. Dass Sie aber als steirischer Minister die Umfahrung unseres Bundeslandes riskieren und die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Steiermark massiv gefährden, entsetzt mich. Das muss ich Ihnen schon sagen. Denn Sachargumente beurteilen Sie, so scheint es, je nach Tageslaune. (Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid: Ich habe Ihre Fragen noch nicht beantwortet! Warten Sie einmal die Fragebeantwortung ab und nicht die Aussagen der "Neuen Zeit"!) – Aber aus Ihren Aussagen, die Sie in den letzten Tagen (Bundesrat Prähauser: Herr Minister! Das ist eine Begründung! Das darf er! Er begründet seine Sorgen!) getätigt haben, kann man das schließen.

Ich möchte abschließend noch einmal zusammenfassen: Entlang der Südachse wird sich bis 2015 der Personenverkehr verdoppeln und der Güterverkehr sogar verdreifachen. Am Semmeringtunnel hängt die Zukunft Zehntausender steirischer Arbeitsplätze und einiger tausend Kärntner Arbeitsplätze an jenen Unternehmen, die ihre Produkte per Container in Richtung Wien und dann weiter in den europäischen Osten transportieren müssen.

Wie gehen Sie mit diesen Sachargumenten um? – Einmal so und einmal so. Ich beziehe mich nur auf Ihre Aussagen als Landesrat und später als Minister. Speziell für meine Region, die Obersteiermark, aber auch für Kärnten ist der Semmeringtunnel lebenswichtig. Herr Bundesminister! Geben Sie uns Antworten! Tun Sie etwas, Herr Bundesminister! Vergessen Sie die taktischen Spielchen und setzen Sie sich für die Menschen in der Steiermark ein! (Beifall bei der SPÖ.)

16.08

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich Herr Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dipl.-Ing. Schmid gemeldet. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

16.08

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dipl.-Ing. Michael Schmid: Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Es hat mich zunächst gefreut, als mich Herr Bundesrat Hager sehr nett steirisch begrüßt hat. Ich habe mich wie im Landtag gefühlt, in dem wir beinahe nebeneinander oder hintereinander gesessen sind, wenn Sie den Landtag besucht haben.

Ich habe mich dann allerdings im weiteren Verlauf Ihrer Ausführungen doch etwas gewundert. Sie sprechen immer von "Aussagen", die ich getätigt habe, die unterschiedlich zu interpretieren sind. Ich ersuche Sie, diese Aussagen meinerseits in irgendeiner Form zu präzisieren, und zwar zitierte Aussagen von mir. Was Sie zitiert haben, sind Aussagen oder Meldungen zum Beispiel aus der "Neuen Zeit", dem steirischen Zentralorgan der Sozialdemokratie. Es freut mich, dass ich jetzt endlich jemand kennen gelernt habe, der diese Zeitung noch liest. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ihr Parteiobmann Dr. Peter Schachner hat das Abonnement abbestellt, wie Sie wissen. Er bezieht sich nicht mehr auf diese Darstellungen.

Ich halte dezidiert fest, dass ich in all meinen Aussagen den Semmeringtunnel betreffend eine durchgehend schlüssige und nie geänderte Haltung habe. Ich halte das mit Nachdruck fest! Jede Behauptung dagegen ist unrichtig. Sie können alle meine Aussagen in der Steiermark und auch jene, die ich in Wien getroffen habe, nachvollziehen. Ich sage noch einmal: Das sind meine Aussagen und nicht die Behauptungen und Meldungen, die in verschiedenen Medien wiedergegeben werden. In aller Deutlichkeit, in aller Klarheit: Hören Sie sich auch meine Interviews an, und wenn ich dann Ihre Fragen beantworte, werden Sie die Bestätigung dafür finden.

Ich komme gleich zur Frage 1: "Wie stehen Sie zu den derzeit bestehenden Beschlüssen der Bundesregierung über den Bau des Semmering-Basistunnels?"

Ich stehe zu den Beschlüssen unverändert und werde das Meinige dazu beitragen, dass diese Beschlüsse eingehalten werden. Ich hoffe, dass das Ihren Vorstellungen entspricht.

Frage 2: "Finden Sie es gerechtfertigt, dass im Bundesverkehrswegeplan der Semmering-Basistunnel ausgewiesen ist?"

Ich bin zwar erst kurz in der Regierung und habe auch zugegeben, dass ich bisher nicht Verkehrspolitik betrieben habe, aber ich konnte in diesen 14 Tagen keinen Bundesverkehrswegeplan in irgendeiner Beschlussform finden. Ich weiß nicht, welchen Plan Sie damit meinen. Den von Ihnen hier angeführten gibt es nicht.

Frage 3: "Welche konkreten Maßnahmen werden Sie setzen, um eine rasche Realisierung des Semmering-Basistunnels voranzutreiben? Wann werden Sie diese einzelnen Maßnahmen setzen?"

Die Frage, die sich mir jetzt zuerst in aller Dringlichkeit aufdrängt, ist: Welche Perspektiven haben die Rechtsmittel des Landes Niederösterreich? – Die Experten sind der Meinung, dass die Möglichkeit der Anrufung des EuGH, die Ausnützung von "Natura 2000" unter Umständen eine jahrelange – ich betone: jahrelange! – Verzögerung einer endgültigen Rechtssicherheit beziehungsweise einer entsprechenden positiven Entscheidung nach sich ziehen könnten. Ich habe daher veranlasst, dass diese Perspektive umgehend – umgehend, sofort! – über ein Rechtsgutachten untersucht wird.

Wenn ich davon spreche, dass jahrelange Verzögerungen eintreten können, dann werden Sie mir sicherlich auch als Steirer Recht geben, dass es zunächst einmal gilt, diesen Punkt aufzuklären, und dass bis dort hin keine weiteren Maßnahmen gesetzt werden können.

Frage 4: "Welche definitiven Entscheidungen ... werden Sie konkret wann treffen?"

Konkrete, definitive Entscheidungen werde ich treffen, soferne überhaupt Entscheidungen seitens des Bundesministers erforderlich sind. Ich sage noch einmal, es gibt die entsprechenden Beschlüsse der Bundesregierung, des Nationalrates; siehe Frage 1. Ich werde sie dann treffen, wenn – Punkt 3 – dieses Gutachten mit der zeitlichen Perspektive vorliegt. Meine Entscheidungen, meine weiteren Veranlassungen werden natürlich auch davon abhängen, welche Perspektiven sich da ergeben.

Frage 5: "Was werden Sie unternehmen, um die unterschiedlichen Positionen der Bundesländer, insbesondere der Steiermark und Kärnten einerseits und Niederösterreich andererseits, in Einklang zu bringen?"

Wir können einmal grundsätzlich davon ausgehen, dass eine gemeinsame Positionierung der betroffenen Bundesländer nicht in unmittelbarer Zeitfolge gegeben sein wird. Meine Versuche werden auf gut steirisch so sein, dass ich meine: Beim Reden kommen d’ Leut’ z’sam’.

Damit komme ich gleich zur Frage 6: "Haben Sie schon Termine mit Vertretern dieser Länder in der Sache Semmering-Basistunnel vereinbart? Wann werden Sie wen treffen?"

Ich habe heute um 6.45 Uhr den niederösterreichischen Landeshauptmann bei mir im Büro gehabt. Wir haben ein sehr ausführliches Gespräch geführt. Von steirischer Seite hat sich Herr Landesrat, Freund Joachim Ressel am Montag bei mir gemeldet und mir viel Erfolg für meine politische Tätigkeit gewünscht und liebe Grüße ausgerichtet. Ich gehe davon aus, dass Joachim Ressel sehr wohl weiß, dass ich die Interessen der südlichen Bundesländer vertrete, und daher noch um keinen Termin bei mir ersucht hat. (Bundesrat Meier: Aber mit Pröll war kein Erfolg beim heutigen Gespräch? Hat er seine Meinung nicht geändert, Herr Landeshauptmann Pröll?)

Ich habe in meiner Beantwortung der Frage 5 bereits darauf hingewiesen, Herr Bundesrat, dass nicht davon auszugehen ist, dass sich die Positionen der Bundesländer Kärnten, Steiermark auf der einen Seite und Niederösterreich auf der anderen Seite durch den Eintritt des Michl Schmid in die Bundesregierung wesentlich ändern werden. Dort sind Positionen bezogen, das ist einmal so. Aber ich sage Ihnen auch eines: Ich werde dafür sorgen, dass jeder in seiner Rechtsmeinung respektiert wird, und es handelt sich hier um Rechtsmeinungen. Ich glaube, das sind wir einem demokratischen Rechtsstaat schuldig. – Das zu dieser Frage. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Vielleicht eines noch: Ich bin auch kein Hypnotiseur, dass ich Herrn Pröll um 6.45 Uhr in der Früh durch Hypnose oder sonst etwas eine Gehirnwäsche machen könnte. Viele Steirer würden sich darüber freuen, das weiß ich. (Heiterkeit.)

Zur Frage 7: "In welcher Weise werden die Bundesländer Steiermark, Kärnten und Niederösterreich in die weiteren Arbeiten eingebunden werden?"

Kurz noch eines: Ich will auch keine Gehirnwäsche bei Herrn Pröll, damit da kein Missverständnis auch in diese Richtung aufkommt.

Zurück zur Frage 7: Ich glaube, es ist allgemein bekannt, dass es eine Expertengruppe für die neue Südbahn gibt, in der alle Beteiligten vertreten sind, in der sich alle regelmäßig treffen und ihre Positionen austauschen.

Frage 8: "Welche Möglichkeiten bestehen, nach Vorlage der Genehmigung die Bauzeiten abzukürzen? Wie sehen diese Möglichkeiten im Detail aus?"

Zunächst noch einmal: Die gefährlichste oder die unbekannteste Perspektive ist die Verfahrensdauer. Um das nachher abzukürzen, gäbe es verschiedene Möglichkeiten, beidseitig mit dem Bau zu beginnen. Es gäbe auch die Möglichkeit in Niederösterreich, über zwei Bereiche den Tunnel in Angriff zu nehmen. Aber auch der zweite Bereich bedarf einer naturschutzrechtlichen Genehmigung. Ob es dann zu einer Verzögerung oder zu einer Forcierung kommt, darüber können Sie sich selbst ein Bild machen.

Frage 9: "Wann wird der Semmering-Basistunnel endlich zur Verfügung stehen?"

Die Bauzeit wird von der HL-AG mit zirka neun Jahren geschätzt. Ich sage noch einmal, die Zeit bis zu einem Baubeginn, bis zur Vorlage aller Rechtsbescheide kann unterschiedlich beurteilt werden. Die Niederösterreicher rechnen mit einigen Jahren. Es sind hier schon fünf, sechs, sieben – unter Umständen sogar mehr – Jahre als zuzurechnender Zeitraum erwähnt worden. Ich hoffe, dass das nicht der Fall ist.

Zur Frage 10 gibt es ein ganz interessantes Detail. Ich habe mein Ministerium ersucht, die dringliche Anfrage der sozialdemokratischen Bundesratsfraktion zu beantworten. Ich habe die neun Fragen hingeschickt und bekomme zehn Antworten zurück. Man mag sich darüber ein Bild machen, vielleicht hat man nicht aussortiert, welche Fragen man vorher abgegeben hat.

In der Beantwortung gibt es noch eine 10. Frage, die lautet: "Welche zusätzlichen Kosten sind durch die bisherigen Bauverzögerungen entstanden?"

Ich beantworte auch diese Frage, denn es könnte ein Tippfehler aus der Fraktion sein oder was immer.

Jedes Jahr Verzögerung des Baus kostet allein durch die Baupreisindexsteigerung zirka 240 Millionen Schilling. Die anfallenden Erhaltungs- und Konservierungskosten pro Monat betragen zirka 2,5 Millionen Schilling. Der Sondierstollen hat bis jetzt 560 Millionen Schilling gekostet. Die Gesamtkosten für das Semmeringprojekt betragen1 Milliarde 50 Millionen Schilling.

Es sei mir abschließend eine Bemerkung gestattet. Ich habe vor, in meiner Funktion als Bundesminister für Verkehr und Infrastruktur eine neue Chance für die Zusammenführung von Straße und Schiene – und hier auch wieder für Murau: ich bin da ganz Ihrer Meinung – zu eröffnen und das in eine sachliche – sprich: parteipolitisch unabhängige – Diskussion zu bringen. Ich gebe niemandem die Schuld daran, dass bisher die Schiene als rote Schiene und die Straße als schwarze Straße bezeichnet worden sind.

Ich hoffe, dass wir Vorurteile in diese Richtung abbauen und eine Gesamtschau machen können. Meine Aufgabe ist es, Perspektiven für die Zukunft aufzuzeigen. Ich habe nicht vor – ich sage das mit aller Deutlichkeit und im Wissen, dass ich da unter Umständen auch Kritik einheimse –, ein Diskussionsminister für den Semmering-Basistunnel oder sonstige Umfahrungen zu werden. Diesbezüglich gibt es klare Entscheidungen, Perspektiven im Rechtsbereich.

Der Rechtsstaat ist zu respektieren, und zwar jeder in seiner Position, seien es die Steirer auf der einen Seite, die Niederösterreicher auf der anderen Seite. Sie alle verdienen den Respekt des Rechtsstaates. Aber Österreich hat auch das verdammte Recht, und ich habe die Verpflichtung, in die Zukunft zu schauen und eine vernünftige Verkehrspolitik zu machen. Unsere Energie, unser Aufwand und all unsere Kraft dürfen nicht damit verloren gehen, dass wir längst getroffene Entscheidungen neu aufrollen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.20

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Schicker. – Bitte.

16.21

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Zuerst darf ich dem Herrn Bundesminister etwas sagen: Es tut mir Leid, und es tut auch den Steirern Leid, dass Sie nicht mehr Landesrat bei uns sind – und das über alle Parteigrenzen hinweg. Daran können Sie sich alle ein Beispiel nehmen, wie wir Steirer miteinander umgehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid  – Beifall spendend –: Danke!)

Herr Bundesminister! – Ich habe Sie vorhin draußen im Foyer noch mit "Herr Landesrat" angesprochen, weil ich es so gewohnt bin. – Sie haben als Wohnbau-Landesrat gute Arbeit in der Steiermark geleistet, und ich hoffe, dass Sie diese gute Arbeit ... (Bundesrat Prähauser: Das ist moderne Oppositionspolitik! – Allgemeine Heiterkeit.) Ich und wir alle hoffen, Herr Bundesminister, dass Sie auch als Infrastrukturminister gute Arbeit für die Steiermark und für das Land Österreich leisten. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Für die Steiermark und für unser Land Österreich, habe ich gesagt, für die Steiermark natürlich vordringlich. (Bundesrat Ing. Scheuch: Vordringlich für Österreich!)

Herr Bundesminister! Auch ich bin eine Vertreterin der Obersteiermark, das wissen Sie, und wir in der Obersteiermark haben große Sorge hinsichtlich der Realisierung des Semmering-Basistunnels. Wir haben auch im Landtag schon des Öfteren darüber diskutiert, es hat auch Sondersitzungen gegeben. Leider konnten wir als Bundesräte uns dort nicht zu Wort melden, weil das eben die Geschäftsordnung nicht vorsieht. Aber heute haben wir die Möglichkeit, Ihnen diese unsere Sorgen hier vorzutragen.

Mein Kollege Hager hat die Begründung der dringlichen Anfrage schon vorgenommen, ich darf ein paar Ergänzungen hinzufügen. Ich glaube, dass es für die Steiermark insgesamt, aber für die Obersteiermark und für Kärnten im Besonderen ungemein wichtig ist, dass in diesem Bereich leistungsfähige Schienenverbindungen errichtet werden, damit wir wirtschaftlich und auch gesellschaftlich mit keinen negativen Entwicklungen rechnen müssen.

Herr Bundesminister! Sie wissen, es gibt eine Studie der Österreichischen Raumordnungskonferenz – das fällt auch in Ihren ehemaligen Wirkungsbereich –, in der die Prognose gestellt wurde, dass ohne gegensteuernde Maßnahmen mit einem bis zu 30-prozentigen Bevölkerungsrückgang in den obersteirischen Zentralräumen zu rechnen ist. Wir merken es in unseren Städten, in unseren Orten, in unseren Gemeinden bereits: Seit der letzten Volkszählung haben wir einen Bevölkerungsrückgang von durchwegs rund 10 Prozent zu verzeichnen, und Sie wissen, was das auch im Hinblick auf die finanziellen Mittel heißt. Wir haben die große Sorge, dass es zu noch größeren Abwanderungen kommen wird, wenn die Infrastruktur bei uns nicht verbessert, wenn der Semmering-Basistunnel nicht verwirklicht wird.

Wir setzen daher – ich sage es noch einmal, Herr Bundesminister – große Hoffnungen in Sie, dass Sie dieses große Vorhaben des Semmering-Basistunnels durchbringen. Wir werden Sie auch daran messen, wie Sie gegen Ihre eigenen Parteikollegen aus Niederösterreich, die sich in der Zwischenzeit auch schon zu Wort gemeldet haben, aber auch gegen den niederösterreichischen Landeshauptmann durchsetzen werden. Auch wir von Seiten des Bundesrates wollen Sie in diesen Ihren Bemühungen unterstützen, und aus diesem Grund möchte ich folgenden Entschließungsantrag einbringen, den ich Ihnen hiemit zur Kenntnis bringe:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Johanna Schicker, Wolfgang Hager, Mag. Melitta Trunk, Peter Marizzi und Genossen betreffend rasche Realisierung des Semmering-Basistunnels

Der Bundesrat wolle beschließen:

1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle notwendigen und möglichen Maßnahmen zu setzen, um eine rasche Realisierung des Semmering-Basistunnels zu gewährleisten.

2. Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Bundesrat einen umfassenden Bericht über die in Ziffer 1 genannten Maßnahmen, die sie gesetzt hat, bis 1. Mai 2000 vorzulegen.

3. Die Bundesregierung wird insbesondere aufgefordert, Gespräche mit den Landeshauptmännern der Steiermark, von Kärnten und Niederösterreich über die rasche Realisierung des Semmering-Basistunnels zu führen und über den Inhalt dieser Gespräche ebenfalls dem Bundesrat einen umfassenden Bericht bis 1. Mai 2000 vorzulegen.

4. Die Bundesregierung wird schließlich aufgefordert, dem Bundesrat bis 1. Mai 2000 einen weiteren Bericht vorzulegen, mit dem sie alle Maßnahmen darstellt, die sie in Folge setzen wird, um die rasche Realisierung des Semmering-Basistunnels zu gewährleisten.

*****

Damit bin ich am Ende meiner Ausführungen. – Herr Bundesminister! Ich wünsche Ihnen viel Glück. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesminister Dipl.-Ing. Schmid  – Beifall spendend –: Danke schön!)

16.26

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Schicker und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend rasche Realisierung des Semmering-Basistunnels ist genügend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. d'Aron. – Bitte.

16.27

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! (Bundesrätin Schicker: Das ist es, wie die FPÖ mit den Frauen umgeht: Da gibt es keine weiblichen Formen!) – Frau Bundesrätin! Gestatten Sie mir trotzdem, dass ich etwas zu Ihrer Rede sage, auch wenn Sie diesen Einwurf gemacht haben.

Ich fand es von Ihrer Seite sehr fair, sehr demokratisch, als Sie ausgeführt haben, dass Sie in der Steiermark eine sehr konstruktive Zusammenarbeit mit unserem neuen Herrn Bundesminister hatten. Das ist in Ordnung, und ich hoffe und wünsche es mir sehr, dass wir diese Form der Politik verstärkt hier im Bundesrat haben dürfen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Wie war es denn vor dem 3. Oktober Ihrerseits?) Ich und meine Fraktion werden jedenfalls versuchen, es so fortzusetzen und konstruktiv mit der Opposition zusammenzuarbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Wir sind für alles offen!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Worum geht es eigentlich? – Es geht um die Bewertung der einzelnen Verkehrsträger im Rahmen der Volkswirtschaft, die Begutachtung einzelner Projekte für die Verkehrsträger, letztlich um die Frage des Modal-Split, wie also die einzelnen Verkehrsträger im Rahmen der Gesamtwirtschaft positioniert sind, und um die Frage des Marktanteils der Verkehrsträger.

Sie haben ein Thema herausgenommen, das natürlich ein wesentliches Thema ist: Das ist die Frage des Semmering-Basistunnels. Diese Angelegenheit kann natürlich durch das neue Regierungsprogramm und das neue Bundesministeriengesetz, das letztlich eine Veränderung der Kompetenzen der einzelnen Ministerien vorsieht, viel besser behandelt werden, als das in der Vergangenheit möglich war. Wie war denn das in der Vergangenheit? – Wir haben das heute auch schon diskutiert. Sie haben zum Beispiel in Ihrer Anfrage stehen, dass der Semmering-Basistunnel Bestandteil des Bundesverkehrswegeplanes ist. Wir wissen, es hat einen Entwurf eines Bundesverkehrswegeplanes des seinerzeitigen Verkehrsministeriums gegeben. Dieser ist aber nie beschlossen worden. Warum ist er nicht beschlossen worden? – Weil die Straße nicht beinhaltet war. Dann hat es von Seiten des Wirtschaftsministeriums Straßenverkehrswegepläne gegeben, die wiederum in keiner Weise mit dem so genannten Bundesverkehrswegeplan abgestimmt waren.

Wenn nun dem Verkehrsminister vorgehalten wird, er solle sich um die Verkehrswege insgesamt bemühen, dann muss ich sagen, er hat heute eine viel bessere Ausgangsbasis als in der Vergangenheit. Es sind sicherlich auch Fragen wie Murau zu behandeln. Da muss natürlich überlegt werden, welche Straßen in die Kompetenz des Bundes, der Länder und der Gemeinden fallen. Der weiteren Diskussion müssen sicherlich entsprechende Überlegungen zugeführt werden. (Bundesrätin Schicker: Wir wissen es, Herr Kollege d'Aron, wir wissen es!) – Wenn Sie es wissen, ist es gut, dann können Sie im Rahmen der Diskussion Ihre Vorstellungen einbringen.

Nun konkret zum Semmering-Basistunnel: Wie Ihnen der Herr Bundesminister ausgeführt hat, gibt es in dieser Angelegenheit einen bestehenden Regierungsbeschluss. Es gilt Artikel 18 der Bundesverfassung; auch ein Minister ist ein Verwaltungsorgan und muss sich an die bestehenden Gesetze und Verordnungen halten und diese vollziehen. Das ist existent und wird selbstverständlich erfolgen.

Sie haben hier nun einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem Sie die Bundesregierung zu etwas auffordern, zu dem es einen bestehenden Regierungsbeschluss gibt; auch die Vorlage eines Berichtes wird darin gefordert. Seitens unseres Bundesministers wurde zum Ausdruck gebracht, dass derzeit ein Rechtsgutachten eingeholt wird, um den weiteren Vorgang zu prüfen. Auch wenn ein Bundesminister mit Herz und Seele an einem Projekt hängt, ist er an die Gesetze gebunden, er kann sich nicht außerhalb der Gesetze bewegen. Deswegen ist diese Vorgangsweise, ein Rechtsgutachten einzuholen, sicherlich richtig.

Ich freue mich darüber, dass sich unser Bundesminister – früher gab es diese Schonfrist; für diese Bundesregierung gibt es keine Schonfrist – bereits mit dem Herrn Landeshauptmann von Niederösterreich in Verbindung gesetzt hat und mit ihm über dieses Thema diskutiert. Das betrifft Punkt 3 Ihres Entschließungsantrages. Das heißt, dieser Punkt 3 ist ohnehin zum Teil bereits erfüllt.

Wenn nach Ihrem Entschließungsantrag bis 1. Mai 2000 ein Bericht vorgelegt werden soll, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass wir – das ist sicherlich abzuklären, was kurzfristig nicht möglich ist ... (Bundesrätin Schicker: Geben Sie die Antwort für den Herrn Bundesminister oder wie? – Das wird der Herr Bundesminister abzuklären haben!) – Ich stelle Ihnen jetzt den Standpunkt meiner Fraktion dar und bitte Sie, dass wir unsere demokratischen Gepflogenheiten, die Sie jetzt eingeleitet haben, auch weiter fortsetzen können. Der Standpunkt meiner Fraktion ist schon der, dass wir davon ausgehen, dass dieses Rechtsgutachten abzuwarten ist, und dann werden wir weitersehen, wohin die Reise geht, damit wir uns wirklich an die Gesetze Österreichs halten können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.33

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Keuschnigg. – Bitte.

16.33

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Herren Minister! An der Dringlichkeit dieser Anfrage habe ich so meinen Zweifel. Übertriebene Hektik wird hier wohl mehr schaden, als dass sie nützt. Bei einem so schwierigen, so komplexen und so strittigen Thema wird man wohl auch die nötige Zeit brauchen dürfen. (Bundesrat Meier: Nach zehn Jahren Hektik! Das ist wirklich Hektik!) Ihr Kollege, Herr Bundesrat Hager, hat selbst von der unendlichen Geschichte geredet. Es wird wohl nicht gehen, dass man diese Sache übers Knie bricht.

Aus der Sicht der Volkspartei möchte ich feststellen, dass es für meine Partei eine Selbstverständlichkeit ist, die Voraussetzungen für eine starke Wirtschaft und damit für hochwertige Arbeitsplätze in allen Landesteilen, in allen Bundesländern zu schaffen. Einen nicht zu unterschätzenden Fortschritt in der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik sehe ich auch darin, dass nunmehr die Kompetenzen für die Straße und die Schiene in einem Ministerium zusammengefasst sind. Der Herr Bundesminister hat es schon kurz angeführt. Denn eines ist klar: Über die Qualität eines Wirtschaftsstandortes entscheidet nicht, ob ein Einzelprojekt verwirklicht werden kann, so groß und so wichtig es in Summe auch sein mag. Wenn einzelne Bundesländer und Regionen Probleme damit haben, dann gibt es vermutlich – wie immer – viele Möglichkeiten, Schritt für Schritt und Punkt für Punkt Verbesserungen herbeizuführen.

Der neue Herr Bundesminister wird Mittel und Wege finden, auch bereits vor der Verwirklichung einer Lösung für den Semmering Verbesserungen für die Steiermark und Kärnten zu erreichen. (Bundesrat Meier: Wie schauen diese aus? Haben Sie Vorschläge?) – Die Anfragebegründung beinhaltet so viele Punkte, dass es dem Herrn Bundesminister ein Leichtes sein wird, daraus Schritt für Schritt etwas weiterzubringen.

Nun zum konkreten Projekt: Wir leben in Österreich Gott sei Dank in einem Rechtsstaat, der klare Verfahrensregeln hat. (Bundesrätin Schicker: Sie haben wahrscheinlich keine Probleme, weil Sie so locker über die Probleme hinwegreden!) – Sie brauchen mir das eigentlich nicht zu sagen, da wir in Tirol schon seit Jahren und Jahrzehnten darauf hinarbeiten, dass wir einen Brenner-Basistunnel bekommen, dass wir die Zulaufstrecken durch das Unterinntal realisieren können, dass wir den Ost-West- und den Nord-Süd-Verkehr in den Griff bekommen. (Bundesrätin Schicker: Dann wundert es mich umso mehr, dass Sie sich so locker darüber hinwegschwindeln!) Wir können auch nicht Fristsetzungen bis 1. Mai verlangen und sagen: Bis dahin muss es geschehen sein! – So einfach ist es nicht. Ich kenne das Geschäft schon seit 10, 15 Jahren und weiß, wie es am Brenner läuft. Aus diesem Grund würde ich mir eigentlich diese Ratschläge verbieten.

Wir leben in einem Rechtsstaat, der klare Verfahrensregeln hat, und diese müssen eingehalten werden. Im Rahmen dieser Regeln ist zu entscheiden und sind die Argumente letztlich abzuwägen. Es gibt keinen anderen Weg. Der Herr Bundesminister wird Punkt für Punkt und Schritt für Schritt die Verfahren weitertreiben und dabei auch die Erfahrungen der letzten Jahre, die bei Gott – jetzt sage ich dazu: leider – nicht auf eine Renaissance der Bundesbahnen hinweisen, mit berücksichtigen müssen.

Ich möchte noch eines sagen: Ich habe in "News" gelesen, dass ein schönes Konzept vorgelegt worden ist, wie das Ganze bezahlt wird. Dazu kann man wahrscheinlich auch nur sagen: Konzepte sind schnell da – das Geld deswegen aber noch lange nicht. Auch da wird man Punkt für Punkt und Schritt für Schritt versuchen müssen, die Sache weiterzuverfolgen.

Mehr gibt es aus meiner Sicht dazu nicht zu sagen. Das Projekt ist aus der Sicht der Volkspartei für richtig und notwendig erklärt worden (Bundesrätin Schicker: Aus der Sicht der Tiroler Volkspartei vielleicht!), und nun muss man schauen, dass Punkt für Punkt die Entscheidungen in dieser strittigen Materie gefunden werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

16.37

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Trunk. – Bitte.

16.37

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Anwesende Regierungsmitglieder! Erlauben Sie mir drei Vorbemerkungen.

Punkt 1: Es verwundert mich doch, dass sich die Kollegen der VP und der ÖVP (Bundesrätin Haunschmid: "VP"?) aus dem Kärntner Landtag zu diesem Punkt nicht zu Wort melden (Bundesrat Meier: Für die ÖVP redet ein Tiroler, ein neutraler Tiroler!), denn es ist eine Tatsache, dass der Kärntner Landtag in seiner Sitzung am 3. Februar, bei der Sie wahrscheinlich auch nicht anwesend waren, über Antrag der FPÖ – in Kurzzeitanwesenheit des Landeshauptmannes Jörg Haider – und über Antrag der ÖVP ein Maßnahmenpaket an die neue Bundesregierung verabschiedet hat. Wesentlicher Bestandteil dieses Maßnahmenpaketes ist die Umsetzung des Semmering-Basistunnels und des Koralm-Tunnels. Daher verwundern mich schon das verbissene Schweigen insbesondere der ÖVP-Fraktion und die Wortmeldung des Kollegen Keuschnigg, der logischerweise natürlich regional andere Interessen hat.

Punkt 2: Kollege d'Aron! Sie fordern die Wahrung der politischen Kultur und sind sehr froh, dass die neuen Minister keine Schonzeit brauchen. Aber ich würde Sie jetzt auffordern, als FPÖ-Kollege des neuen Ministers doch ein bisschen weniger oberlehrerhaft zu sein, denn wir im Bundesrat wissen, dass Sie ein Schienen-Experte, ein ÖBB-Experte sind, denn bis zum Antritt des neuen Ministers haben Sie sich hier als Experte kontra Schiene und kontra ÖBB hervorgetan. (Bundesrat Dr. d′Aron: Das ist unrichtig!) Jetzt haben Sie ein Problem und mutieren zum Befürworter. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt teilen Sie hier Ihrem neuen, frischen Minister mit, was der Ministerrat beschlossen hat. Sie haben wieder einmal nicht Recht, denn Sie haben nämlich schon wieder Schiene und Straße verwechselt und beides zusammengeworfen. Faktum ist, dass dieser Masterplan des Bundesverkehrswegeplanes betreffend Schiene sowohl vom Ministerrat als auch vom Nationalrat beschlossen wurde und dass auch seitens der Länder Steiermark und Kärnten diese Maßnahmen in der Landesverkehrskonzeptplanung vorgesehen sind.

Das heißt, Ihre Oberlehrermanier gegenüber dem neuen FPÖ-Minister ist in dieser Sache, in dieser Frage überhaupt nicht angebracht gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dritter Punkt: Ich bin froh, obwohl ich nicht dazu neige, überschwängliche Glückwünsche auszusprechen, dass Elisabeth Sickl, heute Ministerin, hier im Bundesrat ist. Frau Ministerin Sickl, damals Landesrätin, ist meine Zeugin dafür, dass die SPÖ-Fraktion im Kärntner Landtag bereits vor elf Jahren – in der Zeitung war es nachzulesen; sie war damals noch nicht im Landtag, aber sie war später lange in der Landesregierung und auch lange genug im Landtag – gemeinsam mit den sozialdemokratischen Ministern auf Bundesebene diese Anträge permanent eingebracht hat.

Wir waren überhaupt nicht beleidigt, als zwei, drei Jahre lang weder die ÖVP noch die FPÖ im Kärntner Landtag diesen Anträgen zugestimmt haben. Heute, nach vielen Jahren, sind wir so weit. Ich möchte sagen, das ist wahrscheinlich einer der wenigen Glücksmomente, dass Jörg Haider unser Landeshauptmann ist. Jetzt ist er Landeshauptmann, und jetzt stimmt er unserem Antrag von seinerzeit zu, denn jetzt hat er eine andere Funktion.

Frau Ministerin Sickl ist meine Zeugin, wenn ich sage, dazwischen hat auch die ÖVP ihre Gründe gehabt, dem nicht zuzustimmen. Sie konnte nicht. Damals war nämlich Christof Zernatto Landeshauptmann, und er hat sich – gegen ein lautes Veto der Industriellenvereinigung, gegen ein lautes Veto der Handelskammer! – dann kurzfristig auch für ein Nein, also gegen Semmeringtunnel und gegen Koralmtunnel, entschieden. Mittlerweile ist aber auch er wieder eingeschwenkt, und zwar nicht, weil er als Landeshauptmann "gegangen" wurde, sondern weil die gesamte ÖVP eingeschwenkt ist und nicht nur in dieser Frage atomisiert ... (Bundesrat Konečny: Das ist eine kurvenreiche Strecke!)  – Das ist eine kurvenreiche Strecke.

Aber es gab eine einzige Irritation, und ich halte es für den neuen Minister für wichtig, dass er diesen politischen Slalom nicht nachvollziehen muss. Es hat immer nur einen Punkt gegeben. Als Jörg Haider kurzzeitig – seinerzeit, vor zehn Jahren – Landeshauptmann war, da war er dafür. Dann ist er nach Wien gejettet und war im Nationalrat, und dann war er dagegen. Jetzt ist er wieder Landeshauptmann – wie gesagt, in dieser Frage Gott sei Dank! –, jetzt ist er dafür. Daher teile ich ausnahmsweise die Befürchtungen meines Genossen Hager nicht. So lange Haider Landeshauptmann ist und der Herr Minister in dieser Frage entscheidet, solange werden sie eine Sprache sprechen. Die Kollegen Schimanek und Pröll werden, so nehme ich an, wie es in der FPÖ meist der Fall ist – Pröll gehört zwar nicht zu euch, aber der andere schon –, schon zur Räson gebracht werden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Na ja, habt ihr ein Paktum, oder habt ihr kein Paktum?

Jedenfalls ersuche ich den zuständigen Minister, diesen dringlichen Antrag, der mittlerweile der vierte des Kärntner Landtages ist, tatsächlich ernst zu nehmen und den sehr mühsamen, mit sehr viel Rückgrat und sehr viel offener Auseinandersetzungs- und Konfliktbereitschaft beschrittenen Weg der vorigen Minister Klima und Einem erfolgreich fortzusetzen. In diesem Sinne wartet das Land Kärnten auf die Entscheidung.

Sie, Herr Minister, wissen – auch als Steirer wissen Sie es –: Das ist eine entscheidende Frage für unser Land. Noch so viele Wirtschaftsentwicklungskonzepte, noch so viele Arbeitsplatzmodelle und -konzepte werden uns nicht helfen, wenn diese verkehrspolitische Maßnahme nicht gesetzt wird. Wenn das nicht geschieht, dann wird Kärnten – die Steiermark hat noch ein paar Auswege – letztlich – ich meine das nicht böse, aber man könnte es so sagen – der Blinddarm dieser Republik Österreich.

Ich denke, es besteht die Gefahr, dass Kärnten dann nicht mehr im Herzen Europas liegt und nicht mehr die Verbindung zum Osten und Süden darstellt, sondern dass es letztlich in der Sackgasse endet, und das wünsche ich mir für mein Bundesland nicht! Ich erwarte es ganz besonders auch deshalb nicht, weil der Kärntner Landeshauptmann diesen Pakt mit unterschrieben hat. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.44

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Wilfing. – Bitte.

16.44

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der österreichischen Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Wir alle wissen, dass eine der wesentlichsten Voraussetzungen für den Wirtschaftsstandort und damit natürlich auch für die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen – neben Bildung, Ausbildung, Know-how, Technologie und so weiter – die nötige Infrastruktur ist. Es ist unbestritten, dass daher auch in diesem Jahrtausend viele Maßnahmen und auch viele Milliarden Schilling in den Ausbau der Bahn, der Straße und der Wasserversorgung investiert werden müssen.

Da dies voraussichtlich meine letzte Rede als Bundesrat sein wird, möchte ich als Weinviertler hier noch einmal die Gelegenheit nützen, um dem neuen Infrastrukturminister mit auf den Weg zu geben, dass neben vielen anderen wesentlichen Verkehrsinvestitionen auch die A5, die Nordautobahn, bitte nicht vergessen werden möge, weil im Lückenschluss zwischen Wien und Prag gerade auch diese Straßenverbindung neben dem Ausbau der Bahn, der in diesem Bereich ebenfalls notwendig ist, eine der notwendigsten Voraussetzungen für die Zukunft dieses Wirtschaftsraumes und Wirtschaftsstandortes Weinviertel ist.

Gleichzeitig – auch aus diesem Grund habe ich mich zu Wort gemeldet, und zwar bewusst in aller Sachlichkeit – möchte ich noch etwas anmerken: Wenn heute zum Beispiel Herr Landeshauptmann Erwin Pröll und viele andere in Österreich, nicht nur in Niederösterreich, dem Bau des Semmering-Basistunnels sehr kritisch gegenüber stehen, dann ist das nicht darin begründet, dass es dabei um Machtspiele geht, sondern es gibt eben bei vielen betroffenen Bürgerinnen und Bürgern – das betrifft auch Grüngruppierungen – an der Grenze zwischen Niederösterreich und der Steiermark die Angst, dass dort ökologisch viele Probleme ausgelöst werden könnten. Ich erwähne in diesem Zusammenhang nur die Frage des Quellwassers, das dort in Mengen von 200 Litern pro Sekunde ausrinnt, seit mit dem Bau des Sondierstollens begonnen wurde.

Es gibt aber auch die offene Frage der Finanzierung, und es gibt vor allem die Frage, ob nicht andere Alternativen sinnvoller und sogar finanziell günstiger wären. Aus diesem Grund werde ich dem Entschließungsantrag nicht zustimmen.

Ich möchte aber, da ich am kommenden Donnerstag in den Niederösterreichischen Landtag wechseln werde, doch auch die Gelegenheit nützen, mich hier für die vier Jahre Mitgliedschaft im Bundesrat bei allen Kolleginnen und Kollegen zu bedanken. Mein Vater war ebenfalls einmal im Bundesrat und ist dann später in den Landtag gewechselt. Als ich im März 1996 angelobt wurde, hat er mir in einem der ersten Gespräche darüber mitgegeben, dass er beim Vergleich dieser beiden gesetzgebenden Körperschaften gefunden hat, dass für ihn die Zeit im Bundesrat die viel schönere Zeit war, und zwar deshalb, weil hier bei allen gegensätzlichen parteipolitischen Meinungen trotzdem immer ein Klima geherrscht hat, in dem man versucht hat, miteinander das Beste für die Bundesländer, das Beste für die Bevölkerung zu erreichen. (Bundesrätin Schicker: Das war noch eine andere Zeit!)

Frau Kollegin Schicker hat das gerade angeschnitten und es mit "eine andere Zeit" bezeichnet. – Ich verstehe schon, dass es derzeit gewisse Irritationen gibt, aber ich bin der großen Hoffnung, dass diese positive Stimmung, die ich vier Jahre lang erlebt habe – obwohl ich zugeben muss, dass in den letzten zwei Sitzungen vielleicht eine andere Spannung geherrscht hat –, doch auch in Zukunft wieder hier einkehren wird.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass vieles von dem, was für mich zu Beginn der verschiedensten Diskussionen völlig klar war, durch die offene Aussprache, die wir hier gepflogen haben, auch bei mir zu neuen Erfahrungen und damit auch zu Änderungen und neuen Denkweisen geführt hat. Ich möchte mich dafür bei allen Kolleginnen und Kollegen der Sozialistischen Partei, der Freiheitlichen Partei, vor allem aber für die große Freundschaft und Kameradschaft der Kolleginnen und Kollegen der Österreichischen Volkspartei bedanken, insbesondere bei unserem Obmann Ludwig Bieringer. Ich wünsche euch und Ihnen für die weitere Arbeit viel Erfolg, alles Gute und hoffe, dass ich in Zukunft auch im Niederösterreichischen Landtag für unser Heimatland sehr positiv wirken kann. – Danke und alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

16.49

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Wilfing! Ich darf Ihnen von dieser Stelle aus im Namen der Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates ganz herzlich für Ihre sehr freundlichen Worte danken. Sie waren ein angenehmer Kollege in unserer Runde. Ich wünsche Ihnen für Ihre Zukunft alles erdenklich Gute, vor allen Dingen auch persönlich alles Gute. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marizzi. – Bitte.

16.50

Bundesrat Peter Marizzi (SPÖ, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Meine sehr geschätzten Herren und Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mein Bezirk grenzt unmittelbar an die Steiermark an, daher ist die Verbindungsstelle natürlich der Semmering.

Ich möchte dazu ein paar persönliche Vorbemerkungen machen. Herr Bundesminister! Die sachliche Diskussion mit Ihnen und auch Ihr Diskussionsbeitrag haben mir sehr gefallen, aber in der Vergangenheit wurde das Thema Semmeringtunnel nie richtig durchargumentiert. Es ist immer nur das Argument der 20 Minuten Fahrtzeitverkürzung übrig geblieben, aber es ist nie die Standortfrage geklärt, es sind nie die internationalen Verkehrsentwicklungen berücksichtigt und es ist nie darüber gesprochen worden, wie wichtig dieser Tunnel für die österreichische – speziell für die niederösterreichische und steirische – Wirtschaft ist.

Das Thema wurde parteipolitisch missbraucht. Es wurde verpolitisiert, egal, auf welcher Seite man gestanden ist. Gleichgültig, ob es der Kärntner Landeshauptmann war oder ob der Herr Landeshauptmann von Niederösterreich, Pröll, das Thema in den Wahlkampf gebracht hat: Es hat die Sachdiskussion gefehlt, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Glauben Sie mir eines, und das wissen wir alle: Faktum ist, dass die Ghega-Bahn Weltkulturerbe geworden ist. Jeder kann sich daher an den fünf Fingern abzählen, dass man auf dieser Strecke keine baulichen Veränderungen treffen kann, dass keine Veränderungen möglich sind.

Was mir in der letzten Zeit noch aufgefallen ist, ist: Es gab sozusagen den "guten Tunnel", nämlich den Straßentunnel, und es gab den "bösen Tunnel", nämlich den Bahntunnel, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Dann kamen die Alternativen, angefangen mit der Südspange, der sogenannten "Kukuruz-Trasse". Wir wissen ganz genau: 30 Milliarden, 30 Jahre – alles sehr nett, aber sie wird wahrscheinlich nie gebaut werden. Dann kam der Vorschlag, die Aspang-Bahn auszubauen und diese als Verkehrsweg in den Süden zu benutzen. – Wer dort wohnt – ich wohne in der Nähe –, soll sich das anschauen. In Wahrheit – ich verwende jetzt ein böses Wort – ist die Aspang-Bahn eine "Pimperlbahn", und man müsste wahrscheinlich Milliarden hineinstecken, um die betreffenden Verkehrsströme zu erfassen.

Ich lasse jetzt das ganze technische Drumherum weg. Herr Bundesminister! Sie haben von der Verfahrensdauer gesprochen, aber Sie haben kein Datum genannt. Es kann sein, dass das Verfahren noch drei, vier, fünf, sechs Jahre dauert. Plus Bauzeit ergibt das 15 Jahre! Wir werden noch öfter über den Tunnel diskutieren, und wir haben schon Hunderte Male darüber diskutiert. Aber wissen Sie, Herr Bundesminister, was ich glaube, was passieren wird? – Die EU-Beitrittskandidaten Ungarn, Tschechien, Slowenien und so weiter – wir wissen aus der Geschichte, dass es rund um die Monarchie eine Ringbahn gegeben hat – werden sich wahrscheinlich um Österreich überhaupt nicht pfeifen, Herr Bundesminister! Diese Länder werden sich um uns nicht pfeifen, sondern sie werden den Korridor 5 ausbauen, und der heißt: Berlin – Prag – Budapest – Laibach – Triest.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, speziell von der ÖVP! Wir haben soeben von 15 Jahren gesprochen. Sobald diese Beitrittsstaaten wissen, wie ihre Wirtschaftsräume versorgt werden, werden sie wahrscheinlich eines tun: Sie werden diese Bahntrasse bauen, egal, ob das den Österreichern Recht ist oder nicht. Sie werden das machen. Dafür wird es dann einen Schuldigen geben, aber er wird bis dahin schon in der politischen Pension sein: nämlich Erwin Pröll, der das Projekt immer wieder verhindert hat.

Man wird das Verfahren weiter hinaus zögern, und darüber werdet ihr euch in der Steiermark überhaupt nicht aufregen können. In Niederösterreich werden wir einen sogenannten Blinddarm haben, wir werden Industriestandorte in der Steiermark verlieren, und wir werden klarerweise auch die wichtige Nord-Süd-Transversale verlieren.

Herr Bundesminister! Warum wurde diese dringliche Anfrage an Sie gerichtet? – Weil Sie gleich zu Beginn Ihrer Regierungstätigkeit gesagt haben: Ich bin für den Tunnel. – Sie müssen jetzt nur noch das Match zwischen Herrn Pröll, Ihrem Herrn Schimanek und anderen austragen. Unsere Unterstützung haben Sie dabei. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.55

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

16.55

Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr Dipl.-Ing. Michael Schmid: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Begrüßt habe ich schon alle. Zunächst einmal ein herzliches Dankeschön für die wirklich persönlich nette Begrüßung von meiner steirischen Kollegin, Frau Bundesrätin Schicker. Es ist berührend, und es tut gut, wenn man über den Semmering in ferne Lande kommt, dass man da auch sozusagen von anderer Seite freundlich begrüßt wird. (Bundesrat Marizzi: Das wird nicht immer so sein!)  – Das ist mir völlig klar. Auch ich bin nicht immer streichelweich, in dem Punkt braucht ihr keine Angst zu haben.

Zu einigen Details in aller Kürze: Die Klarstellung meinerseits, das Ja zu Punkt 1, ist zweifelsfrei.

Zur Anfrage und zum Entschließungsantrag: Zur Frage: Was werden Sie unternehmen?, folgende Klarstellung meinerseits: Die Verordnungen liegen vor, es existiert alles. Im Augenblick ist allerdings der Handlungsspielraum der Bundesregierung, nachdem der Rechtsweg beschritten wurde, eingeschränkt. Ich finde, dazu muss man auch in aller Deutlichkeit stehen. Wenn das Land Niederösterreich – es kann dieses Recht wahrnehmen – zum EuGH geht und ein "Natura 2000"-Verfahren anstrengt, dann kann die Sache, wie Herr Bundesrat Marizzi völlig richtig ausgeführt hat, unter Umständen noch Jahre dauern. Das ist der springende Punkt in dieser Angelegenheit. (Bundesrätin Schicker: Sie werden das verhindern!)

Ich kann ein Verfahren in Brüssel nicht beschleunigen. Das kann die österreichische Bundesregierung nicht, und das kann niemand. Es wäre auch ein Musterverfahren, nachdem es hiezu noch keine entsprechenden Entscheidungen gibt. Wir wissen auch nicht, welche Zeithorizonte sich dort auftun.

Das Wichtige für uns ist, dass wir die Situation ganz klar erkennen. Ich bin nicht dafür, dass wir in den niederösterreichischen Industriebereichen wie etwa in der Heimat von Peter Marizzi und bei allem, was sich im Süden Österreichs abspielt, nur beobachtend zuschauen und dass keine Maßnahmen gesetzt werden. Das ist der Punkt, der uns in der Steiermark und in Kärnten jeweils so berührt hat.

Noch etwas zur Klarstellung: Ich weiß nicht, wer jemals auf die Idee gekommen ist, mich so zu interpretieren. Es ging um meine Aussage, ob der Semmeringtunnel der Weisheit letzter Schluss ist oder nicht. Das ist für mich unerheblich, er ist eine Verbesserung der Infrastruktur. Aus dieser Aussage wurde gefolgert, er sei nicht der Weisheit letzter Schluss. Es ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn ich irgendwo eine Milliarde ohne Rechtssicherheit investiere. Darüber sind wir uns wohl alle im Klaren. Das hat dann zu dieser Fehlinterpretation, aber nicht zu einer anderen Aussage meinerseits geführt. Ich glaube, das haben wir vom Tisch, und ich habe das bei jeder Gelegenheit noch einmal betont.

Genau das wollen wir nicht: dass wir dort jetzt weitere fünf, sechs, sieben Jahre lang zuschauen und diskutieren, aber überhaupt nichts davon haben. Daher ist mein jetziger Schritt, sofort einmal abzuklären, welche Perspektiven tatsächlich gegeben sind. Der eine sagt, das ist vielleicht im Mai erledigt, wenn Sie so wollen, und der andere sagt, das Ganze kann so und so lange dauern. Wir werden sehr offen und auch sehr eindeutig darüber reden.

Ich habe auch kein Problem mit den Forderungen des Entschließungsantrages, wie auch immer hier darüber abgestimmt wird. Ich werde das Meinige dazu beitragen, dass der Informationsfluss in der von Ihnen gewünschten Form aufrechterhalten wird und Sie die Antworten von meiner Seite bekommen.

Bei einem Punkt bitte ich um Präzision in der Formulierung. Es heißt immer, der hat so entschieden, und jener hat so entschieden. Es entscheidet jetzt niemand! Es ist entschieden. Alles andere sind politische Meinungsäußerungen, aber keine Entscheidungen. Die Verordnung ist da, die eisenbahnrechtlichen Genehmigungen sind da, und so weiter. Es hängt nur noch am Naturschutzverfahren. Diese Entscheidung ist rechtlich durchzubringen, aber sonst gibt es keine Entscheidungen, weil sie bereits gefallen sind, und wir stehen dazu. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.59

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nδchster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konečny. – Bitte. Ich hoffe, das Pult schnalzt nicht wieder in die Hφhe. Es hat irgendetwas.

16.59

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Ich werde rechtzeitig zurücktreten, wenn die Formulierung "zurücktreten" nicht falsch verstanden wird. (Heiterkeit.)  – Frau Präsidentin! Herzlichen Dank für die Obsorge.

Meine Damen und Herren der Bundesregierung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Schicker hat namens der sozialdemokratischen Fraktion einen Entschließungsantrag eingebracht, der in einigen Punkten unsere politische Meinung – auch zur notwendigen Vorgangsweise – klar zum Ausdruck bringt. Selbstverständlich steht die sozialdemokratische Fraktion zu diesem Entschließungsantrag und wird für ihn stimmen.

Es geht uns aber nicht darum, einen Punkt zu sammeln, sondern es geht uns darum, eine politische Meinungsäußerung dieser Kammer zu Gunsten des Semmering-Basistunnels zum Ausdruck zu bringen. Es geht nicht darum, Recht zu haben. Es geht darum, zu verhindern, dass Österreichs Zukunft "verpröllt" wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf daher einen weiteren Entschließungsantrag einbringen, der kurz und bündig ist:

Entschließungsantrag

der Bundesrδte Albrecht Konečny, Wolfgang Hager, Johanna Schicker, Mag. Melitta Trunk, Peter Marizzi und Genossen betreffend rasche Realisierung des Semmering-Basistunnels

Aus der Begründung der dringlichen Anfrage und der Debatte darüber haben sich wichtige Argumente für die rasche Realisierung des Semmering-Basistunnels ergeben.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Bundesrat hat beschlossen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit aller Kraft für den raschestmöglichen Bau des Semmering-Basistunnels einzutreten."

*****

Ich mache die Kolleginnen und Kollegen von den beiden anderen Fraktionen darauf aufmerksam, dass es sich nach Austausch des Wortes "Landesregierung" gegen "Bundesregierung" hiebei um jenen Text handelt, dem die drei auch in diesem Haus vertretenen Parteien im steirischen Landtag bereits zugestimmt haben. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich ergänze politisch, dass "raschest möglich" natürlich einschließt, dass rechtliche Rahmenbedingungen zu respektieren sind. Aber wenn diese Diskussion eines gezeigt hat, dann ist es das, dass es ein weitestgehendes, wenn auch nicht völliges Einverständnis darüber gibt, dass diese wichtige infrastrukturelle Maßnahme nicht nur für die Zukunft der Steiermark, vor allem der Obersteiermark und Kärntens, sondern für die gesamte Republik erforderlich ist.

Ich darf Sie daher bitten, diesem Entschließungsantrag, den ich hiermit überreiche, zuzustimmen, und ich darf gleichzeitig gemäß § 54 Abs. 3 auf diesen Antrag bezogen, um das klarzustellen, das Verlangen stellen, dass über diesen Entschließungsantrag namentlich abgestimmt wird.

Ich glaube, dass wir jenseits der politischen Differenzen in der Lage sein sollten, diesen Basiskonsens zu Gunsten einer wichtigen Infrastrukturmaßnahme in der Länderkammer des österreichischen Parlaments zu Stande zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.02

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Der von den Bundesräten Albrecht Konečny und Genossen eingebrachte Entschlieίungsantrag betreffend rasche Realisierung des Semmering-Basistunnels ist ausreichend unterstόtzt und steht somit in Verhandlung.

Wir kommen zur Abstimmung über die beiden eingebrachten Entschließungsanträge.

Es liegt zunächst ein Antrag der Bundesräte Schicker und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend rasche Realisierung des Semmering-Basistunnels vor.

Ich lasse über diesen Antrag abstimmen.

Wer diesem Antrag zustimmt, möge bitte ein Zeichen mit der Hand geben. – Das ist die Stimmenminderheit .

Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen, zu dem eine namentliche Abstimmung verlangt wurde. Dieses Verlangen war ausreichend unterstützt. Es ist daher so vorzugehen.

Ich bitte die Schriftführung um Verlesung der Namensliste.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerin Giesinger geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mit "Ja" oder "Nein" bekannt. – Bundesrat Konečny: Die Steirer haben die Flucht ergriffen!)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Die Stimmabgabe ist geschlossen. Wir warten nun auf das Ergebnis der Auszählung.

Ich gebe nun das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Mit "Ja" stimmten 19 Mitglieder des Bundesrates, mit "Nein" 28. Der Antrag ist somit abgelehnt.

*****

Mit "Ja" stimmten die Bundesräte:

Boden;

Drochter;

Freiberger, Fuchs;

Grillenberger, Gstöttner;

Hager, Haselbach, Mag. Hoscher;

Konečny, Kraml;

Marizzi, Meier;

Payer, Prähauser;

Schicker;

Thumpser, Mag. Trunk;

Winter.

Mit "Nein" stimmten die Bundesräte:

Ager, Dr. Aspöck;

Bieringer, Dr. Böhm, Buchinger;

Giesinger, Grander, Ing. Grasberger, Grissemann, Mag. Gudenus;

Hagen, Haunschmid, Hensler, Mag. Himmer, Dr. Hummer;

Keuschnigg;

Ledolter, Dr. Linzer;

Dr. Maier, Mühlwerth;

Dr. Nittmann;

Pühringer;

Rodek;

Saller, Schöls, Steinbichler;

Mag. Wilfing, Wolfinger.

*****

Dringliche Anfrage

der Bundesrδte Professor Albrecht Konečny und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Wissensstand des nunmehrigen Bundeskanzlers zu Reaktionen des Auslandes auf eine Regierungsbeteiligung der FPÖ (1683/J-BR/00)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesrδte Professor Albrecht Konečny und Genossen an den Bundeskanzler.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Professor Albrecht Konečny als erstem Fragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

17.09

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Abgesehen davon, dass man den steirischen und Kärntner Kollegen von den Regierungsfraktionen ausrichten könnte, dass sie ohne die Gefahr, Position beziehen zu müssen, den Sitzungssaal wieder betreten können, geht es bei dieser dringlichen Anfrage um die Fortführung einer Debatte, die wir bereits am 3. Februar hier hatten. Ich glaube, dass es eine falsche Sicht der politischen Situation der Republik ist, wenn uns die damalige Staatssekretärin Ferrero-Waldner versucht hat glauben zu machen, dass es zwar im Vorfeld kritische Äußerungen gegeben hat, dass aber die Reaktion der 14 für die österreichische Außenpolitik eine ungeheure Überraschung dargestellt hat.

In der Zwischenzeit haben sich so viele ausländische Staatsmänner zu Wort gemeldet, dass unsere damalige Behauptung, hier gehe es um eine Realitätsverweigerung, nicht nur bestätigt ist, sondern dass ich mich langsam zu fragen beginne, ob wir am 3. Februar vielleicht absichtlich falsch informiert wurden. Da haben Politiker, die in dieser Auseinandersetzung überhaupt keinen Grund haben, von einer klaren und präzisen Information über die Wahrheit abzuweichen – wie der belgische Außenminister, wie der portugiesische Außenminister, wie Staatspräsident Chirac, wie neuerdings auch GASP-Koordinator Solana –, klar und deutlich zum Ausdruck gebracht: Ja, wir haben namhafte Vertreter des österreichischen Staates – den Herrn Bundespräsidenten in einigen Fällen, aber insbesondere den damaligen Außenminister und jetzigen Bundeskanzler – nicht nur davor gewarnt, dass eine Koalition mit der FPÖ Folgen haben werde, sondern auch sehr präzise deutlich gemacht, um welche Folgen es sich handeln würde und in welcher Richtung die 14 reagieren würden.

Ich habe es schon am 3. Februar ein bisschen als Attacke auf den gesunden Menschenverstand angesehen, als uns die Staatssekretärin und nunmehrige Außenministerin als Chefin einer großen und durchaus in vielen Bereichen sehr wirkungsvollen österreichischen Diplomatie glauben machen wollte, all das sei in irgendeinem Hinterzimmer ausgekocht worden, und niemand – nicht die österreichischen Diplomaten, nicht Regierungsmitglieder – hätte das gewusst. Die Wahrheit scheint ganz deutlich anders zu sein: Jene, die an der Bildung dieser Bundesregierung gearbeitet haben, haben diese Warnungen gehört. Sie wurden ihnen präzise vorgetragen. Aber sie haben beschlossen, sich nicht darum zu kümmern. (Beifall bei der SPÖ.)

Insbesondere der damalige Außenminister und jetzige Bundeskanzler hat ganz offensichtlich sehenden Auges diese Schädigung österreichischer Interessen in Kauf genommen. Ich betrachte das als einen Bärendienst – um nicht zu sagen: einen Bärentaldienst –, den er diesem Land erwiesen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich weiß schon: Die offizielle Lehrmeinung dieser Regierung ist – ich habe das schon in meiner ersten Rede heute gesagt –: Jetzt lassen wir das Ausland ein wenig herumschreien. Das dauert ein paar Wochen, und dann wird wieder Ruhe sein. Ich halte das – falls jene, die diese Meinung zum Ausdruck bringen, das tatsächlich glauben – für eine Selbsttäuschung. Aber ich fürchte auch in diesem Fall: Der Respekt vor der Intelligenz der Mitglieder der Bundesregierung verführt mich dazu, anzunehmen, dass sie das gar nicht wirklich glauben, sondern dass sie nur ihren beunruhigten Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Österreich das weismachen wollen. Denn es ist ganz klar: Mit dem Beschluss der EU-14 – so paradox das ist – haben sich die 14 Mitgliedstaaten der EU erstmals zu einer politisch inhaltlichen Stellungnahme entschlossen. Es hat eine Reihe von führenden Politikern aus diesem Kreis klar gesagt: Ja, es hat frühere Fälle gegeben – etwa die Berlusconi-Fini-Regierung in Italien –, da war die EU in ihrer Entwicklung noch nicht so weit. Das hat nichts mit der Größe Italiens zu tun, sondern das hat damit zu tun, dass die Integration Europas inzwischen erfreulicherweise fortgeschritten ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Dr. Nittmann. )

Herr Kollege! Diese Diskussion hatten wir heute schon einmal, hatten wir das letzte Mal, und bestimmte Argumente werden durch pausenlose Wiederholung nicht intelligenter. Präsident Chirac hat nach allgemeinem Zeugnis – ich war dort nicht dabei – zu den ganz entscheidenden "Heavy-Weights" gehört, die in dieser Frage mitgesprochen haben. Es ist mir bis jetzt unbekannt, dass Chirac, Aznar, der belgische Regierungschef, der holländische Regierungschef seit der letzten Sitzung der Internationale, an der ich teilgenommen habe, Beitrittsansuchen gestellt haben. Nein! Es handelt sich um eine Reaktion des demokratischen Westeuropa. Ob uns dies gefällt oder nicht: Die hausbackene Ausrede, dass das die Perfidie der Sozialistischen Internationale ist, mag wieder einmal Sie selbst beruhigen, meine Damen und Herren, mit der Realität hat es allerdings nichts, aber auch schon gar nichts zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie versuchen in dieser Debatte und auch vis-à-vis dem neuen Vorsitzenden der österreichischen Sozialdemokratie so zu tun, als ob die Sozialistische Internationale eine Organisation ist, die es darauf abgestellt hat, Österreich und anderen Ländern zu schaden – eine Art Weltverschwörung. Nein! Das ist ein demokratischer Bund von selbständigen Parteien, in dem wir uns selbstverständlich darum bemühen, politischen Konsens zu erreichen, und bei dem wir uns ganz konkret und augenblicklich ... (Bundesrat Dr. Nittmann: Wie im Fall Waldheim! Wiederholungstäter! – Ruf bei der ÖVP: Argentinien!)  – Ja, selbstverständlich, und wir freuen uns darüber, dass mein Parteifreund Fernando de la Rúa der Präsident Argentiniens geworden ist. Wir freuen uns darüber, dass mein Parteifreund Lagos Präsident von Chile geworden ist, und ich bin stolz darauf, dass Sozialdemokraten überall auf der Welt stärker werden. Ich hoffe, dass die österreichische Sozialdemokratie da auch wieder Schritt fassen kann! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind die Einzigen – das ist es, worum es geht –, die sich bemühen und wirkungsvoll bemühen, Nachteile für unser Land und jene Furcht erregenden politischen Fehler, die diese Bundesregierung und ihr Nahestehende – um das einmal so zu umschreiben – gemacht haben, in ihrer Wirkung einigermaßen gering zu halten. Sie merken es Tag um Tag, in welch verzweifelte außenpolitische Situation diese Bundesregierung Österreich gebracht hat.

Betreffend unsere berechtigten und auch unbestrittenen Anmerkungen zur Osterweiterung haben wir Bedingungen zu stellen. Was ist die Realität der letzten Ratssitzung? – Die Außenministerin kann die berechtigten Einwände in dieser politischen Situation überhaupt nicht mehr in die Debatte einbringen, weil sich diese Regierung mit ihren Äußerungen und mit den Äußerungen eines Parteiobmanns, der diese Regierung trägt, so ins Eck manövriert hat, dass man nur mehr Wohlverhalten mimen kann. Da gibt es die wichtige Frage der Diskussion mit der tschechischen Republik. Da muss die Frau Außenministerin natürlich in einem Telefongespräch mit Jan Kaván all das, was gesagt wurde, zurücknehmen, damit wir überhaupt noch eine Gesprächsbasis haben. Hier gräbt sich Österreich bei seinen eminentesten Interessen das Wasser ab. Das ist es, was wir für schädlich und gefährlich halten. (Beifall bei der SPÖ.)

Glauben Sie mir: Kollege Präsident Fischer, Kollege Gusenbauer und ich selbst in meiner Funktion bemühen uns, dass im internationalen Leben sehr klar zwischen den Interessen dieses Landes und dieser Regierung unterschieden wird.

Es kann nicht so sein, dass dieses Land – das Wort "Geiselhaft" ist mir übel genommen worden, was mir sonst noch durch den Kopf geht, wäre allerdings noch ein bisschen ärger (Heiterkeit bei der SPÖ); bleiben wir daher bei der Geiselhaft – in Geiselhaft ... (Bundesrat Schöls: Das zeigt Ihre Einstellung!)  – Nein, aber Sie ... (Zwischenruf der Bundesrätin Fuchs. )  – Gut, dann öffne ich das.

Hier laufen wir Gefahr, dass die Interessen dieses Landes auf dem Altar der Machterhaltung dieser Regierung geopfert werden. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schöls: Von wem?)  – Von dieser Regierung! Wir sind jene, die darum kämpfen, dass Österreich im Konzert der Völker noch jenen Stellenwert einnimmt, der ihm zukommt. (Zwischenrufe der Bundesräte Dr. Nittmann und Mag. Himmer. )

Sie werden wenig Gelegenheit haben, die Entscheidungsträger über Ihre Standpunkte zu informieren. Die Europäische Demokratische Union, die im Prinzip Sie als eine Mitgliedsorganisation dieser Internationale vertritt, musste gerade einen Besuch bei Präsident Chirac absagen, weil Chirac gesagt hat: Nein, ÖVPler kommen mir keine mit. Mit denen will ich nichts zu tun haben. (Bundesrat Schöls: Da sehen Sie die Solidarität der Europäischen Volkspartei! Da können Sie ...!)  – Chirac ist in der Volkspartei! Das Wort "Solidarität" habe ich eigentlich immer anders verstanden.

Da gibt es also – ich habe heute schon darüber gesprochen – eine Abstimmung im Rat der Regionen, der ungefähr zur Hälfte von der Europäischen Volkspartei mitbestimmt ist, was den Stärkeverhältnissen in Europa entspricht, und da gibt es 13 Stimmenthaltungen und acht Gegenstimmen, und sechs dieser Gegenstimmen kommen von Mitgliedern der ÖVP! Eine "gewaltige" Welle der Solidarität ist da dahergeschwappt! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie täuschen sich selbst, und Sie täuschen unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Eine Offensive gegenüber dem Ausland – was eine schreckliche und unpräzise Formulierung ist –, gegenüber den Menschen und den Regierungen unserer europäischen Partnerländer und darüber hinaus ist notwendig. Aber sie kann nicht darin bestehen, dass gegenüber dem Ausland eine andere Wahrheit angesprochen wird als jene, die im Inland gilt. Ich will jetzt gar nicht von den absolut beispiellosen Beschimpfungen des französischen Präsidenten und der belgischen Regierung durch den Kärntner Landeshauptmann sprechen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Zitieren Sie diese doch!)  – Herr Kollege! Sie sind allgemein bekannt. (Bundesrat Dr. Nittmann: Nein! Nein! Zitieren Sie sie! Sie können es nicht!)  – Gut, fragen Sie ihn selbst! Vielleicht hat er für Sie eine freundlichere Version parat.

Herr Kollege! Wir brauchen nur in die aktuelle Diskussion einzusteigen, um festzustellen, in welch fürchterlicher Art und Weise hier vorgegangen wird. Da sagt doch tatsächlich der Bundeskanzler dieser Regierung gestern in einem BBC-Interview – ich zitiere das –: "The Social Democrats tried to form a government with the Freedom Party. They failed. By the way did you hear any international protest? The third alternative was a coalition between the Christian Democrats and the Freedom Party."

Das ist, wie Sie wissen, eine glatte Unwahrheit! Zu unterstellen, dass die ÖVP-SPÖ-Verhandlungen gescheitert sind, dann hätte die SPÖ versucht, eine Koalition mit den Freiheitlichen zu schließen, und weil das schief gegangen ist, habe sich eben die ÖVP opfern müssen, ist eine Unwahrheit beispiellosen Ausmaßes! (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Und jeder, der glaubt, gegenüber einem uninformierten Ausland mit Unwahrheiten durchzukommen, täuscht sich! (Empörter Widerspruch bei der ÖVP. – Präsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Wir haben (Bundesrat Schöls: Keine Mehrheit bekommen!), Herr Kollege, uns in dieser Phase redlich bemüht, als die tatsächlich dritte Möglichkeit bestand, nämlich eine Minderheitsregierung zu bilden, mit allen zu sprechen. Wir haben mit der ÖVP gesprochen, wir haben mit der FPÖ gesprochen, und wir haben mit den Grünen gesprochen. Selbstverständlich! Wie soll eine Minderheitsregierung zu Mehrheiten kommen, wenn die anderen Fraktionen des Parlaments nicht bereit sind, sie zu unterstützen? – Das bestreitet auch niemand, weil das offen ausgesprochen wurde, dass das unsere Absicht und unser Wille war.

Wir haben von den beiden größeren Parteien – im Verhältnis zu den Grünen größeren Parteien – ein glattes Nein bekommen, womit dieses Projekt gescheitert war. Das mussten wir durchaus mit Bedauern eingestehen, aber daraus den Versuch einer Regierungsbildung mit der Freiheitlichen Partei zu machen, ist ein starkes Stück! (Bundesrat Dr. Aspöck: Was ist dann das Angebot, vier Minister stellen zu dürfen?)  – Dieses Angebot hat es, wie Sie sehr genau wissen, nie gegeben. (Rufe des Erstaunens bei den Freiheitlichen.)  – Natürlich nicht!

Herr Kollege! Wenn Sie sich selbst Wahrheiten besorgen wollen, dann können Sie auch das machen. Es ist Ihnen unbenommen (Bundesrat Bieringer: Aber nicht die Wahrheit der Sozialistischen Internationalen!), sich selbst zu täuschen, so viel Sie wollen. Aber die Österreicherinnen und Österreicher wissen sehr genau, was da gelaufen ist. (Bundesrat Dr. Aspöck: Gott sei Dank!)

Wir konnten in den letzten Monaten – ich habe nicht die Absicht, das vorzulesen –, seit tief im vergangenen Jahr, eine große Menge von kritischen, aber auch sehr sympathievollen Stimmen aus dem Ausland zur Kenntnis nehmen, wobei vor der Entwicklung, die jetzt eingetreten ist, gewarnt wurde. Wer sagt, all das war eine Überraschung, hat Informationsverweigerung betrieben. Ich gebe allerdings zu, ich habe mir letztes Mal überlegt, weil ich noch eine APA-Meldung auf den Tisch bekam, ob ich mich vielleicht zu einer tatsächlichen Berichtigung melden sollte. Ich habe es unterlassen, aber ich möchte das jetzt bis zu einem gewissen Grad nachholen.

Es ist nicht so, dass die Bildung dieser Bundesregierung nicht auch sehr viel Zustimmung bekommen hat. Am 27. Jänner hat Le Pen die Aufnahme der Koalitionsverhandlungen begrüßt. Am gleichen Tag hat eine Dame namens Alessandra Mussolini Haiders Regierungsbeitritt einen sehr positiven Faktor genannt. (Bundesrätin Fuchs: Noch besser!) Am selben Tag hat die italienische Lega Nord aus Anlass der Regierungsverhandlungen eine engere Kooperation mit Haider angekündigt.

Es hat am 3. Februar der Pressesprecher der Sozialistischen Partei Serbiens, das ist die Partei von Milošević, zum Ausdruck gebracht, dass das, was jetzt in Φsterreich passiere, eine Fortsetzung der Politik ist, die der Westen gegen Jugoslawien angewendet habe. Seit diese Welt Serbien überrannt habe, seien nun andere Länder an der Reihe. Und am gleichen Tag hat – aus demselben Land – auch Vizepremier Šešelj diese Bundesregierung heftig gegen internationale Angriffe in Schutz genommen.

Der Chef der anderen Hälfte des Front National, Bruno Megret, hat anlässlich einer Demonstration vor der österreichischen Botschaft am 3. Februar in Paris betont, dass er sich mit den Österreichern – mit welchen auch immer –, aber jedenfalls mit dieser Regierung solidarisch erklärte. Am 4. Februar hat die Restgruppe des Movimento Sociale Italiano, also diejenigen, die die relative Öffnung des Herrn Fini in Italien nicht mitgemacht haben, für den 5. Februar zu einer Solidaritätskundgebung mit Haider vor der österreichischen Botschaft in Rom aufgerufen. Am 5. Februar haben sich noch einmal die Freunde von Bruno Megret vor der österreichischen Botschaft in Paris getroffen.

Meine Damen und Herren! Es ist nicht so, dass es keine Zustimmung gibt. Die Frage ist nur, ob das tatsächlich jene zukunftsweisenden Partner sind, die sich diese Bundesregierung in Europa aussucht. Ich glaube, es sind die falschen Partner. Ich glaube, dass diese Regierung allen Grund dazu hat, beschämt zu Boden zu blicken und eine Politik zu versuchen, die all das revidiert. (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. )  – Ja, beschämt niederzublicken oder besser noch zurückzutreten! (Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist lächerlich!) Es geht nicht um Machtinteressen, es geht um die Interessen dieses Landes. Wer diese aufs Spiel setzt, handelt in einer verantwortungslosen und riskanten Art und Weise! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben nicht die geringste Absicht – in irgendeiner Form –, Interessen Österreichs zu schädigen, aber ich sage Ihnen Folgendes: Es ist unter den Bedingungen dieser Regierung sehr schwierig geworden. Ich sage Ihnen das als jemand, der die Hälfte seiner Zeit im Ausland damit verbringt, für die Interessen Österreichs tätig zu sein. Das sollten Sie bedenken, und da sollten Sie einmal ganz kräftig vor Ihrer eigenen Regierungstüre kehren! (Beifall bei der SPÖ.)

17.30

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der dringlichen Anfrage erteile ich Herrn Staatssekretär Franz Morak das Wort. – Bitte.

17.30

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Hohes Haus! Einleitend möchte ich kurz festhalten, dass der Text der dringlichen Anfrage manchmal den Eindruck erweckt, als ob die gegen Österreich gesetzten Maßnahmen auf Grundlage der EU-Verträge erfolgen. Wie heute hinlänglich klar ist und mittlerweile auch von niemandem mehr bestritten wird, handelt es sich um Maßnahmen, die ausschließlich das bilaterale Verhältnis Österreichs zu den 14 Staaten betreffen und die dem Geist der Verträge der EU widersprechen. Dies wurde auch in der Reaktion der Europäischen Kommission deutlich, deren Erklärung sich substanziell von jener des portugiesischen EU-Vorsitzenden unterschieden hat.

Die gegenwärtige Bundesregierung möge, so wie dies die Kommission als Hüterin der Verträge zum Ausdruck gebracht hat, an ihren Taten gemessen werden, nicht aber an Mutmaßungen, Vorverurteilungen, Vermutungen und Vorurteilen. Mit der Regierungserklärung und der darin enthaltenen Präambel hat die österreichische Bundesregierung ein eindeutiges Signal gesetzt und diesem Signal mit der Einsetzung einer Regierungsbeauftragten in der Frage der Entschädigungen ehemaliger Zwangsarbeiter auf dem Gebiet der heutigen Republik Österreich eine erste Initiative gesetzt, der weitere Schritte folgen werden, die ein Beleg dafür sein werden, dass die von den 14 Partnerländern der EU geäußerten Vorbehalte gegenüber der österreichischen Bundesregierung unbegründet sind.

Zu den einzelnen Fragen die Antwort.

Zu Frage 1:

Ja. In seiner Beantwortung der dringlichen Anfrage vom 8. des Monats hat der Bundeskanzler im Nationalrat erklärt – ich zitiere –: Mich hat am Montag, den 31. Jänner dieses Jahres, mein damaliger Amtskollege da Gama offiziell über die Maßnahmen informiert. Ich habe vorher nicht gewusst, dass die portugiesische Präsidentschaft einen Text hat. Wir haben gerüchteweise gehört, und zwar aus einer vertraulichen Quelle, dass es auf Grund eines belgischen Ansuchens an die Präsidentschaft einen Brief der Belgier gab, der eine gemeinsame Aktion im Sinne von "observation", "monitoring" und eine Darstellung des österreichischen Programms fordern sollte.

Deshalb haben wir in der portugiesischen Hauptstadt angefragt, ob es dazu schon eine Position der Präsidentschaft gibt. Den Inhalt der Erklärung der portugiesischen Präsidentschaft in Lissabon haben wir erst um 17 Uhr erfahren. Mündlich wurde ich um 13 Uhr direkt vom Außenminister in Kenntnis gesetzt.

Wir hätten es nicht für möglich gehalten, dass eine Gruppe von Mitgliedstaaten Maßnahmen gegen einen Partner verhängt, ohne überhaupt offiziell mit diesem ein Gespräch zu suchen. Weder die Vierzehn noch die Präsidentschaft haben vor Abgabe dieser Erklärung ein offizielles Gespräch mit Österreich gesucht, und dies steht meiner Meinung nach im klaren Widerspruch zu Artikel 11 des EU-Vertrages, demzufolge die Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, "um die gegenseitige politische Solidarität zu stärken und weiterzuentwickeln".

Es waren auch einige der Mitgliedstaaten kaum konsultiert, was deren Erstaunen über diese Vorgangsweise – man liest es ja auch in internationalen Zeitungen sehr direkt – hervorgerufen hat. – Ende des Zitats.

Das Gespräch mit dem portugiesischen Außenminister am 27. Jänner war von Sorge gekennzeichnet, wobei der Wunsch Belgiens nach einer gemeinsamen Reaktion der Vierzehn ebenfalls zum Ausdruck gebracht wurde. Das im "Standard" vom 16. Februar 2000 erwähnte Telefongespräch mit dem belgischen Außenminister Michel fand über Betreiben des damaligen Außenministers Dr. Schüssel am 28. Jänner 2000 statt. Auch hier gab es über den Inhalt der Maßnahmen keine konkreten Hinweise.

Zu Frage 2:

Ich glaube nicht, dass man in diesem Zusammenhang von "aufgewogen" sprechen kann oder soll. Es geht hier nicht um eine wechselseitige Aufrechnung.

Die Maßnahmen sind, wie der Bundeskanzler in seiner Beantwortung der dringlichen Anfrage ausgeführt hatte, dem Geist und den Buchstaben der Verträge nicht angemessen, sondern Verletzungen gerade von Geist und Solidarität der europäischen Verträge, zu denen wir uns bekannt haben.

Mit dieser Überzeugung stehen wir nicht allein: So sprach sich laut APA vom 4. des Monats EU-Kommissar Vitorino gegen den Eingriff in die interne Politik eines Mitgliedstaates aus; diese Überstürzung begünstige Xenophobie, wobei der Kommissar auf Beispiele in Dänemark und in den Niederlanden hinwies.

Der portugiesische Oppositionsführer Barroso bezeichnete die Maßnahmen als "unnotwendigen, gefährlichen und kontraproduktiven Hieb für das Funktionieren der Institutionen, wobei die EU als solche geschwächt wird. Die EU erlaubt ein Entgleiten der wirtschaftlichen und sozialen Kohäsionswerte, ironischerweise legen gerade die Sozialisten diese Kohäsion in die Schublade."

Der italienische Außenminister Dini erklärte laut APA vom 10. des Monats: "Angesichts der Persönlichkeit des Bundeskanzlers Schüssel sind wir der Ansicht, dass er eine Garantie für eine Politik der vollen Erfüllung der europäischen Prinzipien ist. Seitdem Österreich der EU beigetreten ist, hat es stets als musterhaftes Land gehandelt."

Auch Kommentare in der italienischen Presse – "Corriere della Sera", "La Stampa, "La Repubblica", "Il Messaggero" und andere – halten es für zweifelhaft, dass die Quarantäne, welche die EU Österreich verpasse, das richtige Mittel sei.

Ein Kommentar der spanischen Zeitung "El País" vom 6. des Monats stellt fest, dass jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates jeglicher gemeinschaftsrechtlicher Grundlage entbehrt und spricht von einer Wiederbelebung der Breschnew-Doktrin der begrenzten Souveränität.

Der Sprecher des griechischen Außenministeriums hatte am 1. Februar von einem "übereilten Schnellschuss aus Brüssel und einer vorauseilenden Sanktionsdröhnung" gesprochen.

"Svenska Dagbladet" – Schweden – schreibt in einem Kommentar am 7. Februar, dass durch "kopfloses Akzeptieren der groben EU-Intervention in Österreichs parlamentarische Angelegenheiten" die schwedische Regierung eine unmögliche Situation schaffe. "Dagens Nyheter" schreibt am 16. Februar, "der Gedanke einer lang anhaltenden Isolierung Österreichs ist unhaltbar. Die Konsequenzen werden absurd. Dies sei ohne Sinn und Verstand."

Lord Weidenfeld fragt sich in der angesehenen Londoner "Times" vom 16. Februar, ob die Vierzehn die Angelegenheit durchdacht haben und was die Optionen für die Lösung der Krise sind, die eine unberechenbare Gefahr für die echten Werte und Zielsetzungen sind, welche die Maßnahmen zu erzielen vorgeben.

Ein dem belgischen Premierminister nahe stehender Dekan hat in der belgischen Wochenzeitschrift "Trends" die Maßnahmen und den Versuch einer kollektiven Bestrafung mittels eines Tourismus-Boykotts als Hysterie bezeichnet. "Die Dynamik der Hysterie ist bekannt. Es genügt, dass eine Person oder eine Gruppe brutal genug ist, um mit rhetorischem Terror andere einzuschüchtern, sodass die Ängstlichen sich anschließen und sogar versuchen, den Initiator des Terrors noch zu überbieten." (Bundesrat Konečny: Sagen Sie auch etwas über politische Maßnahmen, oder lesen Sie nur Zeitungen vor? – Bundesrat Dr. Nittmann: Hören Sie nur zu!)

Auch zahlreiche deutsche Medien kritisieren die Maßnahmen der Vierzehn. Der bayerische Ministerpräsident spricht von einem Amoklauf der EU. Der Chefredakteur der "Rheinischen Post" schreibt von der "arroganten Reaktion der Europäer", und der bayerische Europaminister hat die "Vorverurteilung einer durch demokratische Wahlen legitimierten Regierung" massiv kritisiert. (Bundesrat Konečny: Ich habe Ihnen keine Zeitungsausschnitte vorgelesen! – Bundesrat Dr. Linzer: Die Wahrheit hört man bekanntlich nicht gerne! – Präsident Weiss gibt das Glockenzeichen.) Hier werde ein Staat verurteilt, ohne dass ihm irgendwelche Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht vorgehalten werden könnten; die Souveränitätsrechte eines kleinen Landes würden ohne jegliche Grundlage im EU-Vertrag verletzt. "Focus" titelt am 14. Februar: "Mit ihrem Verhalten gegen Österreich streift die EU den Rand der Hysterie."

Selbst die französische "Libération" berichtet heute über einen Konflikt zwischen den Verfechtern einer harten Linie innerhalb der Regierung und jenen eines Verhaltens im Sinne der Realpolitik.

Ich könnte noch weitere Zitate anführen, die durchaus unterschiedliche Bewertungen der EU-Maßnahmen verdeutlichen. Ich meine aber, dass diese kurze Aufzählung bereits einen hinreichenden Eindruck über die keineswegs einhellige Stimmungslage in Europa vermittelt. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.40

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass nach der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile es ihm.

17.41

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren der Bundesregierung! Bundeskanzler Schüssel hat durch seine Abwesenheit den Bundesrat nicht gerade ausgezeichnet. (Bundesrat Bieringer: Klima war auch nicht da! – Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Der hat nicht einmal geantwortet!) Selbstverständlich weiß ich, dass es sein legitimes Recht ist, sich vertreten zu lassen; aber in einer Frage, die ihn persönlich betrifft, würde es ihm anstehen, auch persönlich Stellung zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch wäre es gar nicht notwendig gewesen, eine solch ausschweifende Antwort zu formulieren. Zweimal das Wörtchen "nein" hätte der Kultur in diesem Lande zur Ehre gereicht: Das eine "Nein" in dem Sinne, dass er die Vorausinformationen sehr wohl vernommen, aber die Reaktionen unterschätzt hat, und das zweite "Nein" im Sinne der Feststellung, dass wir mit jenen Regierungen, jenen Politikern, die keinen Schaden an Österreich sehen, aus österreichischer Sicht nichts gemeinsam haben.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wenn wir wollen, dass Österreich wieder geschätzt wird, dass wir wieder auf jenen Stellenwert zurückkehren, den wir schon eingenommen haben, dann sollten wir als Österreicher mit gutem Beispiel vorausgehen, indem wir auch im Inland entsprechend für Signale sorgen und diese dann über Österreich hinaus mitteilen.

Wenn wir unsere Probleme in Österreich so aufarbeiten, dass wir uns gegenseitig vorwerfen, für eine Sache zu protestieren oder nicht, dann ist das der falsche Weg. Ich meine, dass Wasserwerfer kein Auslagenprodukt für eine Demokratie sind, wie sie in Österreich bisher stattgefunden hat und wie ich sie, so hoffe ich, auch in Zukunft wieder finden werde. Ich glaube auch, dass es im Ausland keine Reklame für Österreich ist, dass das Parlament abgeriegelt wird, dass aus der Besorgnis heraus, aufgrund der eigenen, durch unkontrollierte Worte eingeschlagenen Politik Demonstrationen hinnehmen zu müssen, die Bevölkerung von den Sitzungen fern gehalten wird. (Bundesrätin Haunschmid: Aber Demonstranten mit Steinen! Das ist es vielleicht? – Ruf bei den Freiheitlichen: Aber demonstrierende Schlägertrupps! – Bundesrätin Haunschmid: Demonstranten mit Pflastersteinen!)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist höchst an der Zeit, dass der Herr Bundeskanzler die Fäden, die Geschicke Österreichs in die Hand nimmt und sich zum Ersten beim Präsidenten dieser Republik, bei Dr. Klestil, für jene Unterstellungen entschuldigt, die zwar nicht von ihm, Schüssel, gekommen sind, die aber – das ist in der bisherigen Geschichte einzigartig – von einer Regierungspartei, einem Führer einer Regierungspartei gegen den Bundespräsidenten gerichtet wurden und in denen er diesem Hochverrat unterstellt und einen Prozess in Aussicht stellt.

Meine Damen und Herren! Das ist schlimmste Politik zum Nachteil Österreichs, und das wird mit Sicherheit im Ausland so gesehen. Wir lassen das nicht zu! Wir alle wissen genau: Klestil kommt nicht aus der SPÖ. Ich habe mitunter auch schon gehört, wie jemand seine Meinung mit der Frage zum Ausdruck brachte: Was weiß die SPÖ über diesen Bundespräsidenten, dass er diesen eigenartigen Kurs fährt?

Meine Damen und Herren! Klestil bewegt sich auf dem Boden der Demokratie und hat mit seiner Wahl eine Verantwortung für diesen Staat übernommen. Die Auslegung seiner Geschäftstätigkeit ist ihm zu überlassen, und diese ist auch zu akzeptieren.

Ich glaube, dass diese Entschuldigung der erste Schritt zu einer Entkrampfung der derzeitigen Situation und der Beginn der Arbeit dafür wäre, dass jene Meldungen, die uns aus dem Ausland erreichen, und jene Probleme, die wir in der Wirtschaft jetzt schon zur Kenntnis nehmen müssen, hintangestellt werden und nicht in all ihrer Konsequenz auf Österreich und auf unsere Wirtschaft hereinprasseln.

Meine Damen und Herren! Die Frage war eigentlich schlicht und einfach: Hat der jetzige Herr Bundeskanzler und damalige Vizekanzler Signale aus dem Ausland erhalten: Ja oder nein? – Er hat es in Abrede gestellt. Wir haben das gehört. Mancherseits, irgendwo ist irgendetwas geunkt oder gesagt worden: Er selbst weiß nichts.

Ich weiß schon, meine Damen und Herren, dass Sie Probleme haben, wenn wir aus Zeitungen von Ländern zitieren beziehungsweise aus Ländern berichten, in denen Sozialdemokraten Regierungschefs sind. Damit haben Sie ein Problem. Damit wird automatisch unterstellt, die Sozialistische Internationale wäre möglicherweise ein "Verbund" (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Wo ist denn Herr Klima mit seinen Antworten gewesen?)  – jetzt setze ich es unter Apostroph, ich spreche das Wort gar nicht aus. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Wo ist Herr Klima mit seinen Antworten gewesen?)

Herr Kollege Missethon! Hören Sie einfach zu, dann wissen Sie, wovon ich rede. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: ... Fragen gestellt hat? Er ist nie mehr aufgetaucht in diesem Hohen Haus!) Im Gegensatz zu Herrn Schüssel war er bei der letzten Bundesratssitzung anwesend, mein lieber Herr Missethon! Nicht wahr? (Bundesrätin Schicker: Bei uns war er da! Er war da, während Schüssel gar nicht gekommen ist! – Weitere heftige Zwischenrufe.)

Meine Damen und Herren! Wir haben es letztes Mal bereits gehört. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Leider nein! Leider nein!) Wir kennen auch die Meldungen aus Portugal. Wir kennen auch den Irrglauben – in einem Teil dieses Plenums kann ich diesen feststellen –, dass sich das in der nächsten Zeit ohnehin von selbst wieder legen wird. – Dazu kann ich Ihnen jetzt schon sagen: Das glaube ich nicht! (Bundesrat Bieringer: Dafür werdet ihr schon sorgen!) Herr Kollege Bieringer! Als Fraktionsvorsitzender wirst du in die Überlegungen deines Bundeskanzlers wesentlich mehr eingebunden sein, und daher ist das, was ich dir jetzt sagen werde, nichts Neues (Bundesrat Bieringer: Dafür werdet ihr schon sorgen, nicht wahr?): Die Portugiesen werden bis zum Sommer den Vorsitz innehaben, dann kommen die sozialdemokratisch verwalteten Franzosen dran – Chirac, so haben wir gehört, hat möglicherweise unbemerkt von uns bereits um die Aufnahme in die Sozialistische Internationale ersucht (Bundesrat Ledolter: Das ist ja der Beweis dafür! – Zwischenruf des Bundesrates Konečny ), dann kommt Schweden an die Reihe, und die Belgier sind die Nächsten.

Meine Damen und Herren! (Weitere Zwischenrufe.) Ich habe das ganz bewusst gesagt, weil Sie das so von sich geben und anscheinend daran glauben. Wenn ich das von diesem Pult aus sage, darf ich Ihnen unterstellen, dass Sie mich sehr wohl verstehen, und daher bitte ich Sie, das auch so zur Kenntnis zu nehmen.

Die Frau Außenministerin hat uns damals erklärt, worum es geht. Wir wissen, meine Damen und Herren, dass sie Europa gesagt hat: Hören Sie nicht auf Kärnten, hören Sie nicht auf Haider – der ist irgendwo –, hören Sie doch nur auf den Herrn Bundespräsidenten – welch wahres Wort: Der Herr Bundeskanzler sollte das als Erster tun –, hören Sie auf mich – sie hat das auf sich bezogen.

Ich habe meine Probleme. Beim Herrn Bundespräsidenten unterstütze ich diese Aussage. Wenn sie aber sagt: Hören Sie auf Dr. Schüssel!, dann habe ich ein Problem, denn Schüssel hat selbst mitgeteilt – ich durfte das via Fernsehen auch sehen –: Ein guter Ratschlag aus Kärnten ist jederzeit willkommen – besonders dann, wenn er selbst etwas anderes auspaktiert hat. Das ist eigentlich eine gesunde Auffassung von Unterwürfigkeit, die ich von einem Bundeskanzler nicht erwartet hätte und bei einem solchen auch nicht sehen möchte.

Bei der Frau Kollegin Außenministerin habe ich das Problem in Bezug auf ihre Eigenständigkeit. Sie ist ein Vollzugsorgan der Bundesregierung, ein Sprachrohr des Bundeskanzlers. Daher schließt sich der Kreis: Wir lügen uns selbst in die Tasche. Das sollte endlich aufhören, meine Damen und Herren!

Damit uns nicht unterstellt werden kann, nur die Sozialdemokraten seien jene, die möglicherweise durch Verschwörung Unfrieden gestiftet haben, erlaube ich mir, aus öffentlichen Meldungen zu zitieren, allerdings ausschließlich aus solchen, die Stellungnahmen aus konservativen Kreisen betreffen. Ich werde keinen einzigen Sozialdemokraten zitieren, damit mir nicht unterstellt werden kann, diesbezüglich einseitig informiert zu sein. Es tut mir allerdings Leid, dass ich von der Freiheitlichen Partei überhaupt keine Interventionen vorbringen kann, weil die Freiheitlichen natürlich in Europa isoliert sind und Le Pen und der Vlaams Blok nicht jenen Einfluss in Europa haben, dass deren Meinung tatsächlich interessant wäre. (Bundesrat Dr. Nittmann: Und mit uns nichts zu tun haben – vergessen Sie das nicht!)

Das sind aber die Einzigen, die Sie loben! – Ich weiß schon, Lob tut gut, von wem es auch immer kommt – das ist keine Frage. Ich will nur sagen, dass ausschließlich von den konservativen Parteien Informationen gekommen sind, und ich darf sie Ihnen jetzt noch einmal in Erinnerung rufen. Dann sieht möglicherweise die Erklärung, dieses Festhalten an derselben Aussage, doch ein bisschen anders aus.

Am 26. 1. erging eine ernste Warnung aus der CDU an die ÖVP. (Bundesrat Ing. Scheuch: ... Zeitungsartikel!) Das ist ein Protokoll eines CDU-Politikers, der das den Zeitungen zur Verfügung gestellt hat, und daraus zitiere ich Ihnen! Herr Kollege Scheuch! Sie als Parteisekretär müssen doch wissen, dass gerade diese Unterlagen die wertvollsten sind! (Bundesrat Ing. Scheuch: Gerade von Ihnen ist der Zwischenruf gekommen, dass wir nicht ... Sachen vorlesen sollen aus der Zeitung!)  – Ich lese auch aus keiner Zeitung, ich lese Originalzitate vor. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. )

Herr Kollege Scheuch! So viel müssen Sie mir zubilligen, dass ich wenigstens in Ansätzen versuche, Sie auf die richtige Bahn zu bekommen! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Es wird ohnedies aussichtslos sein, so nehme ich an, aber ich lasse mich darin nicht beirren. Sollte der eine oder andere in diesem Haus dann auch eine andere Sicht der Dinge haben, dann soll es ein erster Erfolg der neuen Opposition, die unter einem ganz anderen Klima stattfindet, sein. Als das sollten Sie es verstehen.

Daher noch einmal: Keine Zitate von Sozialdemokraten, sondern ausschließlich von Konservativen, zumal es keine von den freien Demokraten gibt.

Die erste Warnung erging also am 26. 1. von Seiten der CDU. Die nächste kam am 26. 1. von Generalsekretär Schwimmer, der der ÖVP ja kein Unbekannter sein dürfte. Er berichtet, dass es – daran würde kein Zweifel bestehen – Vorbehalte quer durch alle Parteien gäbe. – Ich muss umblättern, denn dazwischen gibt es auch andere Meinungen. – Am 27. 1. warnte der Präsident der Europäischen Volkspartei Wilfried Martens die ÖVP nachdrücklich. Am 28. 1. warnte die Christliche Volkspartei die ÖVP noch einmal vor einer Koalition. "Eine christliche Partei darf nicht mit Haider zusammengehen", sagte der ehemalige belgische Premierminister Mark Eyskens. Spaniens Aznar hatte, wie wir schon gehört haben, Klestil auch persönlich gewarnt – das war am 28. 1. Wir wissen, dass Klestil die ÖVP informiert hat. Wir wissen, dass Klestil die Landeshauptleute informiert hat. Dann zu sagen, davon haben wir nichts gewusst, ist eine eigene Auslegung von Wahrheit. Ich kann dem nicht folgen.

Am 29. 1. gab es die erste Überlegung in der europäischen EVP-Vereinigung, über einen eventuellen Ausschluss der ÖVP nachzudenken. Am 29. 1. warnte noch einmal Chirac und, meine Damen und Herren, am 31. 1. noch einmal Aznar – sie alle sind keine Sozialisten – und am 1. 2. der OSZE-Medienbeauftragte Duve. (Bundesrat Mag. Himmer: Ich habe geglaubt, jetzt kommt etwas Neues!) In der OSZE hat auch Schüssel sicher Vertrauensleute – das dürfte Ihnen kein Geheimnis sein, mein lieber Herr Kollege Himmer –, daher kann er das nicht auf die Seite stellen! Am 2. 2. war es dann Gil-Robles, der auch entsprechend gewarnt hat.

Meine Damen und Herren! (Bundesrat Mag. Himmer: Und Sie haben doch auch gewarnt! Oder haben Sie das vergessen?) Ich habe für mich in der nächsten Zeit nur eine Sorge (Bundesrat Mag. Himmer: Ihre Partei  ...!): die Glaubwürdigkeit in diesem Lande wieder herzustellen. Wir müssen den Eindruck vermitteln, dass wir eine Bundesregierung haben, die von einem Bundeskanzler geführt wird, der nicht am Gängelband der Kärntner FPÖ, der Kärntner Führung unter Haider hängt. Wir müssen nach außen hin signalisieren, dass die ÖVP hier in Verantwortung um Österreich allen diesen Ansinnen widerstehen kann.

Wenn uns das gelingt, wenn der Herr Bundeskanzler diese Größe hat, auch Fehler einzugestehen und nicht nur irgendwelche Aussagen verlautbaren zu lassen – ich bin gar nicht sicher, ob er diese Aussagen auch kennt oder ob sie nur sein Büro geschrieben hat; das weiß ich nicht, da er selbst keine Auskunft geben kann –, wenn er in der Lage ist, uns das in Zukunft mitzuteilen, dann bin ich optimistisch, dass wir in der Aufarbeitung der Fehler für Österreich gemeinsam den richtigen Weg einschlagen können.

Unser Angebot steht. Wir sind bereit, Fehler zu akzeptieren und auch zu entschuldigen, wenn die andere Seite bereit ist, sie auch einzusehen und einzugestehen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.53

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Ferdinand Maier das Wort. – Bitte.

17.53

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Meine Herren der Regierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gegenständliche dringliche Anfrage ist – Herr Bundesrat Konečny hat das sogar auch erkannt – in Wirklichkeit die Fortsetzung jener dringlichen Anfrage vom letzten Mal. (Bundesrat Konečny: Selbstverständlich! Das steht auch drinnen!) Sie werden sich vielleicht daran erinnern können, Herr Kollege, dass ich damals davon gesprochen habe, dass es, wenn schon dieser tragische Verlust – nämlich der Verlust der Macht – eintritt, notwendig ist, auch ein wenig Augenmaß zu haben. Ich glaube, dass gerade dieser Machtverlust ein derart harter Schlag gewesen sein muss, dass dieser Herr Bundeskanzler Viktor Klima, der hier saß, nicht einmal ein Wort gesagt hat! Sie haben ihn zwar noch mit Standing Ovations begrüßt (Bundesrätin Schicker: Dafür, dass er da war! Denn Ihr Außenminister ist nicht gekommen!), aber hinausgegangen ist er grußlos, ohne von Ihnen verabschiedet zu werden. Offensichtlich ist so etwas wie Machtverlust für Sie auch gleichbedeutend mit Verlust von Funktionen. – Das ist der Stil der Sozialdemokratischen Partei. (Bundesrätin Schicker: An den Herrn Außenminister war es gerichtet!)

Ich möchte nur in Erinnerung rufen, dass Sie Ihrem Bundeskanzler außer Dienst jene Fragen stellen hätten können, die ich ihm gestellt habe: Was hat er denn am 26. Jänner am Abend in Stockholm bei dieser Rede gesagt? (Bundesrätin Schicker: Ich war nicht dabei!) Welch Initiativen hat er denn ergriffen, als er noch das Amt des Bundeskanzlers innehatte? (Bundesrat Konečny: Das hat Ihnen Kollege Meier vorgelesen!) Wo hat er die internationale Sozialdemokratie gebeten, zu Hilfe zu kommen? – Ihre dringliche Anfrage von heute erfolgt auf die gleiche Art und Weise wie das letzte Mal: Man hat den Eindruck, Sie freuen sich geradezu darüber, welche Reaktionen im Ausland entstehen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Solch ein Machtverlust, wie Sie ihn zur Kenntnis nehmen mussten – ich verstehe, dass das nicht so lustig ist, nach 30 Jahren Machtausübung plötzlich nur mehr mit einem Präsidenten des Nationalrates und zwei Landeshauptleuten in diesem Lande als Machtfaktoren ausgerüstet zu sein –, führt zu gewissen Irritationen. Das kann ich mir vorstellen. Ich war daher sehr interessiert, wie Ihre Partei reagiert und sich auch den dementsprechenden kommenden Herausforderungen stellt.

Das erste Beispiel, so habe ich mir gedacht, werden Sie sicherlich in Kärnten exerzieren. Ihre Kollegin, Frau Mag. Trunk, die leider jetzt nicht da ist, hat sich, wie ich glaube, sehr tapfer hingestellt und wollte eine Führungsfunktion in Ihrer Partei, in ihrem Bundesland Kärnten erreichen, um auch diese Offenheit, die Sie in Ihrer Partei immer vorgeben zu leben, zu signalisieren.

Was aber ist passiert? – Ein Rückfall – ich möchte die Medien gar nicht zitieren –: Sie haben wieder irgendeinen exhumiert und versuchen jetzt Ihr Glück! Das ist die Verengung, in der Sie leben! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe, nachdem ich in der letzten Sitzung erkannt habe, dass Sie Ihren Bundeskanzler bereits abgeschrieben haben, gefürchtet, dass Sie noch auf Fred Sinowatz zurückgreifen und ihn für den kommenden Parteivorsitz vorschlagen werden! (Heiterkeit bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Sie haben einen anderen Weg gewählt und haben sich eines Ex-Jusos bedient, der jetzt für Sie wahrscheinlich sehr unbedankt – das behaupte ich heute schon – eine Funktion wahrnehmen wird müssen. Irgendwann – dann werden Sie wahrscheinlich nicht mehr im Amt sein – wird er wieder weggehen – ohne Dank, so wie Viktor Klima dieses Haus ohne Ihren Dank verlassen musste.

Ich glaube aber, Herr Kollege Konečny, dass mit der Auswahl von Herrn Dr. Gusenbauer natόrlich schon auch wieder eine Weichenstellung passiert ist. (Bundesrat Konečny: Ja! Für eine neue Generation!)  – Ja, genau, Sie sagen es! Ich lese Ihnen nur ein Zitat Ihres Kollegen Gusenbauer vor, und ich bitte Sie, sich dieses auf der Zunge zergehen zu lassen. Sie können dann auch explodieren und schreien, wie Sie wollen. Er hat Folgendes gesagt: "Den politischen Einfluss auf die verstaatlichte Industrie zu reduzieren, ist exakt die falsche Schlussfolgerung aus der VOEST-Krise, die vor allem durch freiunternehmerisches Spekulantenwesen hervorgerufen wurde." (Ruf bei den Freiheitlichen: "Bravo"! – Bundesrat Konečny: Das Wort haben Sie noch nie gehört!)

Ich sage Ihnen: Das ist großartig! Einen Mann an dieser Spitze, der noch immer für die verstaatlichte Industrie steht, brauchen wir! Das ist genau das, was wir in Europa brauchen! Sie sind, wie Sie gerade erklärt haben, so sehr daran interessiert, dass auch das Standing Österreichs in Europa besonders ist. Da brauchen wir solch einen Mann, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich! Aber gut – das soll nicht meine Sorge sein, Herr Kollege! (Bundesrat Konečny: Das wird Ihre Sorge werden! )

Sie haben heute schon bewiesen, dass Sie aus dem 3. Oktober in Wirklichkeit nichts gelernt haben. Darin liegt die Tragik. (Bundesrat Konečny: Oja, wir haben etwas gelernt! – Bundesrat Marizzi: Da waren Sie Dritter!) Der 3. Oktober, so würden die Amerikaner sagen, Herr Kollege, ist in Wirklichkeit das Zeichen für: Time to change! (Bundesrat Marizzi: Dritter waren Sie!)

"Time to change" ist in Österreich im Rahmen eines demokratischen Prozesses erfolgt. Dass Sie damit ein Problem haben, ist Ihr Problem. (Bundesrat Konečny: Ihre Wähler haben damit ein Problem, aber nicht wir!) Aber es sind auf demokratischem Wege ein Wandel und eine Änderung eingetreten. Im Rahmen eines solchen Änderungsprozesses aber – Herr Kollege, es steht mir nicht zu, Ihnen das zu sagen, aber es ist ein Tipp; Sie können damit machen, was Sie wollen – sollten Sie auch Ihre Art und Weise, politisch zu agieren, überdenken. Insbesondere Ihre zwei Wortmeldungen bei der ersten und bei der zweiten dringlichen Anfrage aber sind nicht dazu angetan, den Eindruck zu erwecken, dass sich Ihre Partei ändert. Auch das ist nicht mein Problem. Nur wenn Ihre Partei dadurch, dass Viktor Klima die Fragen nicht beantwortet hat, im Verdacht steht, im Ausland so zu agieren, dass das Ausland in jener Art und Weise über uns hereinfällt, wie es hereingefallen ist, dann haben Sie ein Problem!

Nehmen Sie jetzt diese dringliche Anfrage her, und lesen Sie die zweite Frage. Wenn ich ein paar Damen und Herren Ihres Klubs vorgestern oder Ende vergangener Woche gefragt hätte, wozu es sie wirklich drängt, hier eine dringliche Anfrage zu stellen, so wären auf die zweite Frage viele nicht kommen. Auf so eine Idee kann nur jemand kommen, der in jenem Eck steht, aus dem auch Gusenbauer kommt.

Okay, diese Frage ist gestellt. (Bundesrat Konečny: Sie wurde auch beantwortet!) Der Herr Staatssekretär hat sie in einer sehr charmanten und, wie ich meine, auch richtigen Form beantwortet, aber in Wirklichkeit zeigt das auch, dass es Ihnen um Polemik geht. Die Frage müsste doch sonst lauten: Was unternimmt die Regierung, welche Aktionen werden gesetzt – auf Regierungsebene, auf Sozialpartnerebene, auf Bundesländerebene et cetera –, um aktiv im Ausland diesen teilweise von Ihrer Partei inunzierten Aggressionen und aggressiven Haltungen entgegenzuwirken? (Bundesrat Konečny: Kollege, wir sind diejenigen, die Maßnahmen setzen!) Wo machen Sie denn das? – Gar nichts machen Sie! Ich sage Ihnen, Van der Bellen ist noch besser als Sie. Der geht jetzt hinaus und trifft den Außenminister. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wo ist denn Ihre Fraktion? Wo ist Herr Gusenbauer, der eine Funktion hat (Bundesrat Konečny: Er hat sie seit gestern!) innerhalb der Sozialistischen Internationale? Was macht denn der da? (Bundesrat Konečny: Das sage ich Ihnen! Er wird am 9. Gespräche führen!)

Wie glaubwürdig, Herr Kollege, Ihre Argumentation ist (Bundesrat Konečny: Wenn Sie mich fragen, kriegen Sie eine Antwort! Er wird am 9. Gespräche mit der Kommission führen!), leite ich von der Haltung des Herrn Bürgermeisters Häupl ab, der in dieser Stadt Folgendes gemacht hat – daran ersehen Sie, wie glaubwürdig Ihre Fraktion ist –: Der Herr Bürgermeister Häupl – ich halte es für notwendig und richtig, dass man wichtiger Termine in diesem Land auch dementsprechend gedenkt; so glaube ich auch, dass ein Gedenken, ein Bedenken an den 12. Februar 1934 gerade in dieser Zeit angebracht und wichtig ist – gedenkt am 4. Februar des 12. Februar, weil am 4. Februar die neue Bundesregierung angelobt wird.

Wissen Sie, wenn dann dort noch von "Ausbeuterregierung" geredet wird, von der ach so verantwortungsbewussten Haltung der Sozialdemokraten, dann ist Ihre ... (Bundesrätin Fuchs: Waren Sie dort?) – Das ist im Fernsehen gewesen. (Bundesrätin Fuchs: Ah, auch Sie zitieren!) Schauen Sie, da werden Sie manchmal keine Freude haben: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat bisher das gebracht, was Sie wollten, diesmal hat er vielleicht einmal das gebracht, was Sie nicht wollten, und vielleicht wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk etwas objektiver, als er es bisher in Ihrer Machtperiode war. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Konečny. ) Sie hätten sich das nur anzuschauen brauchen. (Bundesrat Konečny: Ist das eine Drohung gegen den ORF?) – Ich würde doch bitten – und lade auch Ihre Fraktion ein, Herr Kollege –, alles dazu beizutragen, dass die Objektivität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhalten bleibt. (Bundesrat Konečny: Der Herr Westenthaler hat das heute schon angekündigt! Dem ORF wird ein Maulkorb umgehängt! Schließen Sie sich dem an?) Sie haben doch auch teilweise gezeigt, dass die Objektivität aus Ihrer Sicht in Gefahr ist.

Ich lade Sie ein, ein bisschen nachdenklich zu werden, sollten Sie morgen "Herald Tribune International" lesen. Darin werden Sie ein halbseitiges Inserat finden – 50 000 DM wird es kosten oder hat es schon gekostet –, in dem zum legalen und friedlichen Widerstand gegen Österreich aufgerufen wird.

Es ist heute schon einmal gesagt worden: Allein das Wort "Widerstand", noch dazu gegen Österreich, ist in Wirklichkeit das Problem. Ich sage Ihnen, ich habe noch ein anderes Problem, denn wenn die Informationen stimmen, die ich habe, ist das Inserat von der Firma Megacard finanziert worden. Das ist eine 100-prozentige Tochter der Bank Austria. (Ruf bei den Freiheitlichen: Na bum!) Ob das wirklich Sinn und Zweck ist, lasse ich dahingestellt.

Das Zweite, womit ich auch ein Problem habe, ist, wenn man hört, dass es aus dem Kreis der Mitarbeiter des Parlaments angeblich Anordnungen und Aufträge gibt, Ausrüstungsmaterialien für die Demonstration, die morgen stattfindet, vorzubereiten. (Bundesrätin Haunschmid: Das ist ungeheuerlich!) Das, meine Damen und Herren, ist nicht in Ordnung! Es wird auch eine dementsprechende Anfrage geben. (Bundesrat Konečny: Da gibt es eine Untersuchung!) Ich lade alle, insbesondere auch die Ihrer Fraktion angehörende Präsidentin ein, mit dem Ersten Präsidenten des Nationalrates zu reden, um aufzuklären, dass das nicht stimmt, was ich da sage. Das wollen wir doch hoffen. (Bundesrat Konečny: Ich weiß es nicht, Sie wissen es nicht! Es wird untersucht!) Es ist schon bedenklich genug – das macht mir Sorge, Ihnen scheint das Wurscht zu sein –, dass dieses Gerücht überhaupt besteht (Bundesrat Konečny: Wer hat das Gerücht in die Welt gesetzt?), dass hinsichtlich des österreichischen Parlaments der Verdacht entsteht, einseitige Vorbereitungen für die Demo, die morgen stattfindet, zu leisten. Das ist das Problem, das ich habe. (Bundesrat Konečny: Wenn Kollege Khol das Gerücht verbreitet, ist das eine starke Sache!)

Ich sage Ihnen, Sie sollten etwas vorsichtiger sein. Wenn Sie heute wissen, dass es morgen eine Demonstration geben wird, dann wäre es richtig gewesen, hier keine Inszenierung zu machen. Ich halte diese Dringliche, die Sie da stellen – Sie haben sie schon das letzte Mal gestellt und heute noch einmal –, für eine Inszenierung im Vorfeld der morgigen Demonstration.

Wenn uns wirklich daran liegt – ich habe in meiner letzten Rede zur letzten Dringlichen davon gesprochen, dass alle Demokraten in diesem Lande dazu aufgerufen sind –, einen positiven Beitrag zu leisten, um gegenzusteuern, so ist die zweite Frage Ihrer heutigen Dringlichen eine Provokation und kein wirklicher Beitrag. Aber das ist Ihr Problem. (Bundesrat Konečny: Warum distanzieren Sie sich dann nicht von der ungebetenen Unterstützung?) Ich glaube nur, wenn wir wirklich einen Beitrag leisten wollten, hätten wir für morgen zu einer Demonstration für Österreich aufrufen müssen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Aber das haben Sie auch nicht unternommen, sondern Sie stehen im Verdacht, noch jene Elemente zu unterstützen, die in Wirklichkeit destabilisierend wirken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Dr. Peter Böhm. Ich erteile ihm das Wort.

18.07

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Der heute von der sozialdemokratischen Fraktion gestellten dringlichen Anfrage fehlt der Reiz des Neuen. Aber auch durch die stereotype Wiederholung des bereits am 3. Februar in diesem Hause Ausgeführten werden die darin enthaltenen Unterstellungen nicht eher wahr und zutreffend.

Es wundert mich, dass Herr Kollege Konečny es dem damaligen Auίenminister Dr. Schόssel und der damaligen Staatssekretδrin Ferrero-Waldner nicht glauben will, dass die Reaktion der anderen 14 EU-Mitgliedstaaten in dieser Form, mit diesem Inhalt und in diesem Ausmaί nicht absehbar gewesen ist. Vorbehalte oder Besorgnisse zu δuίern, hat ja mit derartigen Maίnahmen noch lange nichts zu tun.

Erklδrt sich sein Zweifel daraus, dass er von vornherein mit einem so vφlkerrechts- wie europarechtswidrigen, undemokratischen Eingriff in die inneren Angelegenheiten Φsterreichs gerechnet hat? Ist das sein Vorverstδndnis vom demokratischen und rechtsstaatlichen Niveau der Europδischen Union? Oder rόhrt seine Skepsis etwa daher, dass ihm Insiderinformationen aus der Sozialistischen Internationale und ihrem Netzwerk zugδnglich waren, die dem Auίenamt und unseren Diplomaten fehlten?

Wenn sich die dringliche Anfrage unter anderem auch auf einen Bericht des “Standard” bezieht, wonach der franzφsische Staatsprδsident Chirac seine Position – ich zitiere – “mit ultimativen Worten” klargestellt habe, so fδllt auf, wie wertneutral, wenn nicht gar affirmativ eine dermaίen schlimme Meldung wiedergegeben wird. Wir unterstellen es einem Staatsmann wie Chirac durchaus nicht, dass er unseren Auίenminister mit Ultimaten unzulδssig unter Druck gesetzt hat. Ich vermisse es aber, dass sich die sozialdemokratische Fraktion davon klar und deutlich distanziert – wie auch immer, wie ich meine, von der Unterstellung an Staatsprδsidenten Chirac, oder, sollte es keine Unterstellung sein, dann von einer derartigen Vorgangsweise, die ich mir unter gesitteten Diplomaten nicht vorstellen kann.

Freilich bestδrkt all das den misslichen Eindruck, dass das Auslandsecho nicht zuletzt auf die das Bild der Freiheitlichen Partei jahrelang verzerrende Darstellung durch die SPΦ im In- und Ausland zurόckzufόhren ist. Das ist nicht etwa bloί mein persφnlicher Eindruck. Ich erinnere Sie daran, dass ich hier an diesem Rednerpult in der letzten Sitzung unwidersprochen auf Folgendes hingewiesen habe, wie nach mir auch Kollege Maier – ich zitiere –: “Es kann ja wohl nicht reiner Zufall sein, wenn seriφse internationale und auslδndische Medien dem scheidenden Bundeskanzler Klima unterstellen, dass er” – ein “Presse”-Zitat – “zur Pflege eigener Interessen eine mφgliche Regierungskoalition von FPΦ und ΦVP als gesamteuropδische Gefahr beschworen hat.” Der in der Sitzung anwesende Bundeskanzler Klima – es war sein letzter Tag als Bundeskanzler – hat dazu mit keinem Wort Stellung genommen. Ein wahrlich beredtes Schweigen mit eindeutigem, objektivem Erklδrungswert.

In der Tat – ich darf mich nochmals wiederholen –, wenn man, wie heute schon zutreffend ausgefόhrt wurde, am Rande der Stockholmer Konferenz zum Holocaust – genau diese Thematik sollte man mit entsprechender Sensibilitδt behandeln – oder am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos die Gefahr beklagt hat, dass die Freiheitliche Partei Φsterreichs an der Regierung beteiligt werden kφnnte, dann darf man sich nicht wundern, wenn das in anderen europδischen Staaten Besorgnis auslφst. Das umso mehr, wenn man zuvor die Freiheitliche Partei Φsterreichs andauernd als rechtsextreme Partei denunziert hat.

Auch deshalb vermag ich es – genauso wie mein Vorredner – nur als finsterste Polemik zu bezeichnen, wenn der Bundeskanzler in der zweiten Anfrage dazu Stellung nehmen sollte, ob fόr ihn die Fόlle der besorgten Reaktionen aus dem Ausland durch die positiven Reaktionen von Le Pen, Alessandra Mussolini, Megret oder Šešelj aufgewogen werden. Da stimme ich mit Kollegen Maier absolut όberein: Das ist Polemik, das ist Provokation, das ist keine sachliche Anfrage. Sie verdient sich daher auch gar keine sachliche Antwort. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Erneut muss ich daher abschließend wie schon am 3. Februar das bedauerliche Resümee ziehen: Die Rolle, die die Sozialdemokratische Partei Österreichs im Zuge der grenzüberschreitenden Informationspolitik gespielt hat, raubt ihr jede Glaubwürdigkeit, wenn sie in dieser dringlichen Anfrage die außen- und europapolitische Situation Österreichs beklagt. Das ist Scheinheiligkeit! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dr. Günther Hummer das Wort. – Bitte.

18.13

Bundesrat Dr. Günther Hummer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage, die sich hier aufdrängt, ist nicht so sehr, ob die Bundesregierung wissen konnte, dass die übrigen Staaten – nicht die EU, die übrigen Staaten – des Verbandes der Union der 15 so reagieren würden, sondern die Frage, die sich mir aufdrängt, ist eigentlich die, ob man solch einem Verhalten der Europäischen Union überhaupt noch zusehen kann.

Als ich gehört habe, dass die 14 sich zusammengefunden haben, um gewissermaßen Österreich zu boykottieren, da meinte ich, nicht recht gehört zu haben, und meine erste Reaktion war: Die können nicht bei Trost sein! Die würden mich an einen Hausherrn erinnern, der voll Mühe ein Haus errichtet hat und dann eine entzündete Fliegerbombe ins Wohnzimmer legt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich trete immer diesem Irrglauben entgegen, dass die Europäische Union nur so ein Vorgang des Zusammenwachsens wäre, gewissermaßen eine Art biologischer Prozess, in dem wir eben immer näher zusammenwachsen. In Wahrheit ist jede Union unter Schmerzen geboren worden. Erinnern wir uns daran, dass die größte Union, die Vereinigten Staaten, durch einen mörderischen Bürgerkrieg vor weniger als hundert Jahren fast noch zerrissen wurde, und auch die Europäische Union mit den abendländischen Staaten mit einer langen Tradition und einer reichen Gliederung ist von diesem Zerreißproblem durchaus gefährdet. Es ist daher in hohem Maße töricht, in diesem Haus, das auf dem genialen Gedankenwerk Robert Schumans beruht, sozusagen zu zündeln oder den Eindruck zu erwecken, als würden die Mächtigen die anderen ins Schlepptau nehmen und Druck ausüben können.

Es ist vielleicht immer so: Um einen Sachverhalt beurteilen zu können, muss man sich nur vorstellen, wie wir an diese Europäische Union herangegangen sind. Ich und viele meiner Freunde aus der Österreichischen Volkspartei sind zu Scharen hinausgeströmt und haben versucht, Menschen zu überzeugen, dass es richtig und notwendig ist, das gemeinsame Haus Europa zu bauen, und wir haben immer wieder hoch und heilig ... (Bundesrat Konečny: Nicht alle!) – Ich schon, Herr Professor! (Bundesrat Konečny: Du schon, aber nicht der Koalitionspartner!) Viele Sozialdemokraten sind auch hinausgegangen und haben versucht, ihre Mitbürger zu überzeugen. Wenn Sie es dementieren, so nehme ich es zur Kenntnis. (Bundesrat Konečny: Du schon, das habe ich ja gesagt!) – Also schon.

Es wurde das Argument gebracht: Dann sind wir nicht mehr Herren im eigenen Haus! Die reden uns überall drein, die mischen sich überall drein! Hier wird sich eine große Bürokratie unseres kleinen Österreichs annehmen, sodass wir zuletzt jede Souveränität und jede Spur der Souveränität verlieren! Wir jedoch haben hoch und heilig versichert, dass im Amsterdamer Vertrag das Subsidiaritätsprinzip verankert ist, das heißt, dass sich die Gemeinschaft nur dort einmischt, wo es notwendig ist, um eben ein gemeinsames Europa in einer großen Welt, die immer mehr zusammenwächst, als einen wirtschaftlichen und politischen Faktor entstehen zu lassen. Und dass es da des großen Respekts voreinander, vor den Nationen bedarf, dass es des Respekts, des Abstandes und des Verständnisses füreinander bedarf, das liegt wohl auf der Hand und wurde nie ernstlich bestritten.

Wenn in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein Journalist gemeint hat – nur ganz kurz –, es war eine große Dummheit, es zu machen, so kann ich mich dieser Aussage nur vollinhaltlich anschließen. Dass wir uns trotzdem mühen müssen, Verständnis zu erwecken, das liegt auf der Hand. – Aber worum geht es? Warum wollen uns die 14 boykottieren? Oder: Warum tun sie so, als wollten sie uns boykottieren? – Weil wir sozusagen eine faschistische Regierung haben.

Meine lieben Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Professor Konečny! Geben Sie mir in meiner Pension doch einmal ein Privatissimum, und erklδren Sie mir, was Sie unter Faschismus verstehen oder worin der Faschismus der φsterreichischen Regierung besteht. Auch auf Ihren Transparenten bei Umzόgen wird immer wieder von Faschismus gesprochen, oder es wird auch so in den Raum gestellt, es kφnnten hier alte Sympathien fόr den Nationalsozialismus bestehen. Dann sagen Sie es doch offen: Wo sind die Faschisten? Wo ist das gefδhrlich Schwarz-Blaue? – Ich mφchte endlich sehen, welch gefδhrlicher Bόrgerblock hier entsteht, das soll mir nun endlich jemand erklδren. (Bundesrat Konečny: Zur Hälfte haben Sie es schon gehört! Die andere Hälfte kommt noch!)

Oder geht es nur einfach darum, dass man es nicht hinnehmen will, dass man einmal nicht in der Regierung ist? – Das mag schmerzhaft sein, das freut keine politische Partei, das liegt im Wesen einer demokratischen Partei, aber vielleicht sind Sie auch nur schlechte Verlierer. Das könnte so sein – im schlimmsten Fall. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine lieben Damen und Herren! Sie alle sind in der jüngsten Geschichte gut bewandert und wissen sehr wohl, was im Jahr 1970 geschehen ist, als Bruno Kreisky, respektvoll, liebevoll und auch kritisch als "Sonnenkönig" bezeichnet, damals seine Minderheitsregierung eingerichtet hat. Da mussten wir zur Kenntnis nehmen – das wird auch Ihnen sicher in Erinnerung sein –, dass sein Partner ein gewisser Friedrich Peter, der damalige Obmann der Freiheitlichen, gewesen ist, der einen hohen Rang als SS-Sturmbannführer innegehabt hat – das darf respektvoll, was die Person anlangt, in Erinnerung gebracht werden –, und Sie meinten damals, eine solche Mithilfe wäre eben politisch angezeigt.

Ich weiß nicht, dass damals die Roten Falken oder die Sozialistische Jugend mit Trillerpfeifen und Kochtöpfen aufmarschiert wären, um gegen diesen Verrat des Herzens zu revoltieren und den Geist der Sozialdemokratie zu beschwören. Es war damals offensichtlich recht. Sie nahmen so etwas in Kauf. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Scheinbar ist überhaupt vergessen, dass es bekanntlich einmal eine rot-blaue Regierung gegeben hat, von 1983 bis 1986. Auch das mussten wir zur Kenntnis nehmen, wie unsere Generation schon lange einen roten Bundeskanzler ertragen muss. Es war für uns nämlich keine feine Sache, als damals im Jahr 1970/71 das neue Strafgesetz entstanden ist, dass man mit einer hauchdünnen Mehrheit unter anderem die so genannte Fristenlösung durchgezogen hat. Das war zum Beispiel für mich als Katholiken so etwas wie ein moralischer Faustschlag ins Gesicht, und wir mussten damit leben. Vielleicht, so könnte man sagen, müssen auch Sie einmal einen Bundeskanzler Schüssel ertragen, müssen Sie eine Regierung, in der Sie nicht entscheidend mitwirken können – aber als Opposition mitwirken können –, hinnehmen. Das ist so etwas, was man in der Politik und im privaten Leben immer wieder sucht: Fairness.

Ich würde überhaupt sagen, man muss in der Politik wieder den Geist der Fairness etwas beschwören. Wir haben andere Regierungen akzeptiert, wir sind nicht auf die Straße gegangen, und jetzt erwarten wir, dass Sie der jetzigen Regierung wenigstens einen winzigen Spielraum geben, sich zu bewähren. Eine Chance! Ich bin nicht so überzeugt davon, dass das, was sich hier tut – Demonstrationen auf der Straße, mit Trillerpfeifen, mit Kochtöpfen, Kochlöffeln und Schneebesen bestückt; Sie sehen, dass ich auch im Haushalt fit bin, aber ich gehe damit nicht auf die Straße –, unbedingt das Zeichen des neuen Österreich, der Intelligenz ist, die wir herannahen sehen. Ich hätte mir eher vorgestellt, da kommen Menschen mit einem Laptop, mit Papier und Bleistift, mit einem Rucksack voller Bücher, vielleicht mit dem "Kapital" von Karl Marx, um die neue Intelligenz, die neuen Intellektuellen zu präsentieren. Aber mit Trillerpfeifen werden wir nicht weiterkommen.

Ich bin jetzt seit mehr als 25 Jahren Mitglied der Gewerkschaft und muss schon sagen, dass es mich mit einem gewissen Grimm erfüllt, wenn eine Gewerkschaft, an die man monatlich 160 S zahlt, ohne jemals auch nur die geringste Gegenleistung erhalten zu haben, auf Grund der Tatsache, dass es eine neue Regierung gibt, erklärt, mit der Bundesregierung nicht einmal reden zu wollen. Ein Arbeitspapier allein genügt schon, dass keine Gespräche geführt werden. Ist das fair? Ist das eines unabhängigen Gewerkschaftsbundes würdig? – Diese Frage stelle ich von Mensch zu Mensch. Und wenn Sie mir nachher noch ins Auge schauen können, dann muss ich sagen, haben Sie zumindest eine große seelische Stärke. Das möchte ich in dem Fall sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich hoffe, dass es nicht so kommt. (Bundesrat Konečny: Aber Sie sind schon bei der christlichen Gewerkschaftsfraktion!)  – Da bin ich, selbstverständlich. (Bundesrat Konečny: Das wollte ich nur klarstellen!) Dass ich bei der christlichen Gewerkschaft bin, ist wohl selbstverständlich, ebenso, dass ich auch immer fόr einen unabhδngig agierenden Gewerkschaftsbund gewesen bin. Ich bin bei keiner Richtungsgewerkschaft, Herr Professor Konečny! Ich bin beim unabhδngigen ΦGB, der meine Interessen als Arbeitnehmer vertritt. Das und sonst nichts! Ich verlange, dass dieser unabhängige ÖGB mit jeder Regierung Gespräche führt, um das Bestmögliche herauszuholen. Nicht mehr und nicht weniger erwarte ich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich bin ein Gegner des Nachsagens von Phrasen. Wir Österreicher sind ein hilfsbereites Volk. Das hat sich gezeigt. Wir sind ein spendenfreudiges Volk. Bei uns werden Menschen auf der Straße, in den öffentlichen Verkehrsmitteln kaum einmal angepöbelt, weil sie Ausländer sind, sondern der Alltag ist ein gutes Miteinander oder auch Nebeneinander. Wenn jemand es wagt, das Wort "Rassismus" in den Mund zu nehmen und dabei die anderen politischen Parteien nennt, so nenne ich das Infamie. Seien Sie mir nicht bös: schlicht und einfach Infamie! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Was waren die Wahlplakate der FPÖ in Wien Ihrer Meinung nach?)

Herr Professor! Wenn Sie glauben, Sie hätten sozusagen den Humanismus gepachtet, dann ist das nicht korrekt. Meine Freunde in der Österreichischen Volkspartei haben sich nie in irgendeiner Weise rassistisch geäußert oder rassistisch gehandelt – nie und nimmer! (Bundesrätin Fuchs: Dann müssen Sie sich auch nicht betroffen fühlen! – Bundesrat Konečny: Warum regen Sie sich dann auf?)  – Ich rege mich nicht auf. Wenn von Rassismus im Zusammenhang mit einer neuen Regierung gesprochen wird, dann frage ich mich ... (Bundesrat Konečny: Gegen die Salonfähigmachung von Rassismus! Jawohl!)  – Sie unterstellen den anderen Rassismus, ohne es konkret zu sagen, sonst könnte man Sie nämlich sofort auf Ehrenbeleidigung klagen, und dann kφnnten Sie den Wahrheitsbeweis fόhren, Herr Professor Konečny!

Ich bin dagegen, die anderen in solche Schemata einzuordnen. Wir haben unsere Demokratie gehegt und gepflegt, und wir möchten Sie miteinander in die Zukunft tragen, in den politischen Parteien, in einer fest gefügten Demokratie. Wenn jemand schon glaubt, etwas Faschistisches in unserem Staat erblicken zu müssen, dann könnte ich vielleicht an die Verfassungsnovelle aus dem Jahr 1929 erinnern, die ein Relikt eines echten Faschismus ist, die unter dem Einfluss des Mussolini-Faschismus gestanden ist; ein Relikt, das noch niemand zu beseitigen versuchte. Und wenn jemand glaubt, man sollte an Stelle der fest gefügten politischen Parteien überall die Direktwahl einführen, dann ist er sozusagen auch ein Spätfaschist, weil es ein typischer Gedanke aus dem Bereich des Faschismus ist, dass man alle Organe direkt vom Volk wählen lässt. Darauf darf ich auch noch in aller Kürze hinweisen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie also, Fairness walten zu lassen und der neuen Regierung eine echte Chance zu geben – eine Chance, die sicherlich der politischen Härte begegnen kann und muss, daran besteht gar kein Zweifel. Politik ist kein Mädcheninternat, Politik hat immer Härte. Politik entzweit immer auch ein Stückchen, und unsere Aufgabe ist es, das Entzweiende immer wieder aufs Neue zu überwinden. Das ist mein Aufruf, meine Bitte, die ich hier in diese Diskussion einbringen wollte! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Erhard Meier. Ich erteile ihm das Wort.

18.29

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Herren der Regierung! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich habe mich zu Wort gemeldet, um meinen Diskurs mit Dr. Hummer hier weiterzuführen und vielleicht auch auf einige Dinge einzugehen, die heute hier schon gesagt worden sind.

Zuerst möchte ich noch einmal betonen, dass eine Mehrheit des Nationalrates eine Regierung selbstverständlich stützen kann und dass diese Regierung legitim ist. Das hat auch niemand bezweifelt, ich zum Beispiel sicherlich nicht.

Ich verwahre mich auch dagegen, dass heute Herr Bundesrat d'Aron gesagt hat, die Sozialdemokraten verletzen den Artikel 1 der österreichischen Bundesverfassung. Ich würde Sie wirklich ersuchen, sich solche Aussagen zu überlegen. (Bundesrat Dr. d′Aron: Das war nicht das Zitat!)  – Sie haben den Artikel 1 und die Sozialdemokraten zitiert, vielleicht schwächen Sie es jetzt wiederum ab. (Bundesrat Dr. d′Aron: Ich habe das in Verbindung gesetzt, aber ich habe nicht gesagt: verletzt!)

Wenn es heute Anschuldigungen in diese oder jene Richtung gibt, Anschuldigungen, die Sie von der Koalition an die SPÖ richten, dass wir in Europa diese Haltung verursacht, angezettelt oder was immer hätten, dann muss ich sagen: Meine Damen und Herren! Das stimmt nicht, und das kann nicht stimmen, weil die Sozialdemokratische Partei Österreichs nicht in der Lage wäre, alle jene, die das durch irgendein Verhalten vielleicht zum Ausdruck gebracht haben, dahin gehend zu beeinflussen. Sie wollen also mit diesem Angriff eigentlich nur ablenken von den Ursachen, die diese Problematik hervorgerufen haben.

Herr Dr. Hummer! Ich bin mit Ihnen einer Meinung, was die Begriffe "Fairness" und "Einhaltung menschlicher Werte" betrifft. Es wird immer wieder gesagt: Mäßigen wir uns in der Wortwahl! Das steht auch in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers Schüssel. Ich gebe Ihnen Recht. Ich gebe zu, dass im Parlament wahrscheinlich von allen Parteien, die hier vertreten sind, auch Worte gewählt werden, die eigentlich nicht notwendig wären.

Meine Damen und Herren, vor allem von der Österreichischen Volkspartei! Überlegen Sie, was der Bundesobmann der FPÖ schon alles gesagt hat, auch gegen Persönlichkeiten aus Ihren Reihen, aber auch gegen viele andere! Wollen Sie wirklich behaupten, dass auch Vertreter anderer politischer Parteien in gleichem Maße, in oft verächtlicher Weise, Personen der gegnerischen Parteien angegriffen haben? (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Man könnte das alles aufzählen.

Herr Dr. Hummer! Das ist der Grund dafür – die Medien schreiben das europaweit und darüber hinaus –, dass in Europa – sicherlich ohne Einfluss der SPÖ! – diese Aversionen aufgetreten sind. (Bundesrat Dr. Böhm: Also Sippenhaftung!)

Meine Damen und Herren! Herr Professor Böhm! Glauben Sie wirklich, dass der Rat der Regionen, der gestern eine Entschließung, deren Text ich gar nicht kenne, gefasst hat, diese Entschließung in dieser überwältigenden Mehrheit gefasst hätte, wären sie nur von uns beeinflusst gewesen? (Bundesrat Dr. Böhm: Das sind lauter Verleumdungen! Sage ich ja!)  – Das ist keine Verleumdung! Ich meine, dass man all das ins Kalkül ziehen müsste.

Ich bin der Meinung, dass wir Österreich zu verteidigen haben (Beifall bei der SPÖ), auch seinen Wert, der auch im Vorwort zur Regierungserklärung von Bundeskanzler Schüssel dezidiert angeführt wurde. Wir haben hohe soziale Standards – ich will das hier nicht alles wiederholen –, und diese sozialen Standards, meine Damen und Herren, müssen irgendwann entstanden sein, von jemandem geschaffen worden sein, von mehreren geschaffen worden sein. (Bundesrat Dr. Nittmann: Von Menschen!)  – Zweifellos, zweifellos auch von der Sozialdemokratischen Partei in diesem Lande, und ich bitte die ÖVP, zur Kenntnis zu nehmen, dass jetzt nicht nur alles gut sein kann, woran sie mitgewirkt hat, und alles schlecht ist, woran sie nicht mitgewirkt hat; obwohl sie auch in der letzten Koalitionsregierung daran mitgewirkt hat.

So meine ich, dass wir alles tun müssen, um den Menschen in Europa zu sagen: Österreich ist und bleibt das, was es vorher gewesen ist, mit all seinen Werten! Dass aber – ich schreibe das niemand anderem vor – Meinungen speziell zu dieser Regierung, auf Grund der Beteiligung einer Partei, und aufgrund bisher bekannter Aussprüche Aversionen entstanden sein können, muss auch legitim sein, meine Damen und Herren!

Ich sage es noch einmal: Ich bin gegen jegliche Gewalt bei einer Demonstration. Ich würde nie einen Stein oder sonst etwas erheben. Demonstrationen, wenn sie stattfinden, sollten ruhig, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend abgehalten werden. Ich war heute bei den Studenten- oder Schülerdemonstrationen nicht dabei, weil ich hier war, wer sie organisiert hat, weiß ich nicht. (Bundesrat Ledolter: Ich kann es Ihnen zeigen! Da steht "Sozialismus" drauf!)  – Ja, ja, das stimmt aber nicht.

Dass wir als Sozialdemokraten, wie heute schon gesagt wurde, was den morgigen Samstag betrifft, auch zum Mitdemonstrieren aufgerufen haben – aber ich unterstreiche von meiner Seite wirklich das friedliche Element dabei –, braucht überhaupt nicht bestritten zu werden. Lassen Sie uns doch! – Lieber Herr Dr. Hummer! Ich gehe jetzt nicht näher auf die Abtreibungsfrage ein, aber auch damals gab es diesbezüglich sicherlich Protestaktionen. Auch noch in den letzten Jahren haben solche stattgefunden. Das ist korrekt, das ist einfach möglich und sogar zu befürworten in einem Staat!

Herr Dr. Hummer! Sie haben gesagt, wir werden Bundeskanzler Dr. Schüssel ertragen müssen. Ich hätte es gar nicht so ausgedrückt: ertragen, wie: eine Last tragen. Diese Regierung besteht, und sie ist legitim. Sie legt ein Programm vor, sie wird Gesetze initiieren. Die Gesetze werden in den beiden Kammern dieses Hauses beschlossen werden, und das ist legitim und in Ordnung. Wenn ich aber aus irgendwelchen Gründen mit diesen Gesetzen oder Teilen dieser Gesetze nicht einverstanden bin, dann kann ich das auch zum Ausdruck bringen. Lassen Sie doch ab von dieser Idee, dass wir jetzt alles bekämpfen, und zwar nicht nur im Sinne der soliden Worte – ich tue das jetzt auch, aber ich glaube, Sie können mir zuhören –, und dass dieses Kämpfen in Hass umschlägt oder in andere negative Erscheinungen. (Vizepräsident Payer übernimmt den Vorsitz.)

So meine ich, dass diese Regierung natürlich auch arbeiten soll. Sie wird Gesetze vorschlagen, sie wird von uns, von anderen, von den österreichischen Bürgerinnen und Bürgern beobachtet werden, und angeblich richtet auch die EU eine Beobachtungsstelle ein, um verfolgen zu können, wie sich denn diese österreichische Regierung verhält. Es freut mich nicht, wenn Österreich beobachtet wird, aber ich bitte noch einmal, genau zu unterscheiden. Ich finde es nicht gut, wenn eine Schulklasse, die nach Frankreich fahren wollte, wegen dieser Ereignisse ausgeladen wird, denn diese jungen Menschen haben damit sicherlich nichts zu tun. Das ist die negative Auswirkung. (Bundesrat Dr. Nittmann: Sehen Sie, die Maßnahmen richten sich nicht gegen die Regierung, sondern gegen die Bevölkerung!) Versuchen Sie nicht, uns zu unterstellen, dass wir das veranlasst hätten! Dagegen verwahren wir uns ganz eindringlich.

Wir bitten um sachliche Diskussionen, um sachliche Auseinandersetzungen über die zu beschließenden Gesetze in dieser Legislaturperiode. Das möchte ich sagen. Aber bitte unterstellen Sie uns nicht, dass wir die Verfassung nicht einhalten, dass wir Dinge anzetteln, wie Sie es jetzt wiederum versuchen – was wir gar nicht könnten –, denn dann verhärten sich auch unsere Standpunkte.

Herr Dr. Hummer! Wir verstehen uns persönlich, glaube ich, sehr gut, wenn ich das sagen kann. Ich betone, dass das Christliche auch seinen Wert hat, ich will es eigentlich aus der Politik am liebsten draußen haben, aber ich hoffe doch, dass Sie verstehen, was ich gemeint habe. Ich habe auch vieles verstanden, was Sie gemeint haben, allerdings nicht bis hin zu den Konsequenzen, die Sie, die du daraus letzten Endes gezogen hast.

Die Österreichische Volkspartei bildet mit der Freiheitlichen Partei Österreichs eine Koalition. Dass man jetzt aufzeigt, wie so manche Persönlichkeiten dieser Parteien miteinander und auch mit Vertretern anderer Parteien umgehen, wird wohl selbstverständlich sein! – Es gäbe noch viele Argumente anzuführen, ich möchte aber die Diskussion jetzt beenden. Ich wollte das nur noch zum Schluss gesagt haben. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

18.39

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid. – Bitte.

18.39

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Vizepräsident! Herr Minister! Meine Herren Staatssekretäre! Wenn ich all die Verleumdungen und όblen Nachreden von Seiten der SPΦ in den letzten Tagen, aber vor allem des heutigen Tages, insbesondere die Anschuldigungen des Kollegen Konečny Revue passieren lasse, so kann ich nur hoffen, dass der Tag nicht mehr weit ist, an dem Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, endlich einmal zur Besinnung kommen, um diesem wunderbaren Land nicht noch mehr Schaden zuzufügen, und sagen: Ich nehme alles zurück! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Das tun wir nicht!)

Ich zitiere Ihnen einen meiner Gastwirte-Kollegen aus Wien, der nebenbei ein Parteikollege von Ihnen ist und der, so glaube ich, teilweise schon zur Besinnung beziehungsweise zur Einsicht gelangt ist – anhand einiger Zwischenbemerkungen macht er deutlich, dass er aus der Sozialistischen Partei Österreichs kommt – und sagt: Was eigentlich wird im Ausland jetzt vom einzelnen Bürger Österreichs erwartet? Sollen wir Hoteliers und Gastronomen, nur um ein konkretes Beispiel zu nennen, ein Schild vor die Türe hängen: Zutritt für Hunde und Freiheitliche verboten!? – Ich glaube, das ist ein bißchen zu untergriffig.

Aber er schreibt auch: Der Wählerauftrag der Österreicherinnen und Österreicher vom 3. Oktober läßt sich mit einem einfachen Satz interpretieren: Baut endlich dieses Land um! Aus dieser Sicht der österreichischen Bevölkerung erscheinen die aktuellen Reaktionen völlig ungerechtfertigt und absurd. Jene, die mit einem Boykott Österreichs den Anfängen wehren – passen Sie jetzt ganz genau auf, meine Damen und Herren der SPÖ! –, erreichen mit einer solchen Maßnahme wenn überhaupt etwas, dann das Gegenteil davon. Denn pauschale Boykottdrohungen sind Sippenhaftung, die Öl ins Feuer gießt und schon von ihrem Wesen her unfair und kontraproduktiv ist. Noch niemals in der Geschichte der Menschen wurde mit Sippenhaftung ein Beitrag zu Humanität und Toleranz geleistet. Daher sollte man die aufgeheizte Stimmung nicht weiter eskalieren und die neue Regierung in Österreich arbeiten lassen. Das Grundrecht auf freie und demokratische Wahl einer Nation, welches eine Demokratie erst möglich macht, darf nicht durch Boykott von außen ins Zwielicht geraten. – So einer Ihrer Parteikollegen, meine Damen und Herren!

Mir ist als Antwort darauf eine kleine Geschichte in die Hände gefallen, die nicht besser das Verhalten der SPÖ in Gestalt eines gekränkten und enttäuschten Nachbarn widerspiegeln könnte. Der Unterschied ist jedoch, dass dieser Nachbar bereits sein Unrecht eingestanden hat.

Es heißt in der Geschichte: Ich werde es bestimmt nicht wieder tun, versprach der Nachbar alias SPÖ, ich nehme alles zurück, was ich über Sie erzählt habe. Künzelmann sah den anderen ernst an. Ich habe keinen Grund, meinen Nachbarn in ein Unglück zu stürzen, erwiderte er, jedoch verlangt jede böse Tat ihre Sühne. Ich bin gerne zu allem bereit, sagte der Nachbar. Künzelmann erhob sich, ging in den Stall und kam mit einem geschlachteten Hahn zurück. Tragt diesen Hahn in euer Haus, das 100 Schritte von meinem entfernt steht, sagte er, dann kommt wieder zurück und rupft dem Hahn unterwegs immer eine Feder nach rechts und eine Feder nach links werfend! Dies ist der Sühne erster Teil. Der Nachbar tat, wie ihm geheißen. Als er wieder vor Künzelmann stand und ihm den gerupften Hahn überreichte, fragte er: Und der zweite Teil meiner Buße? – Geht jetzt wieder den Weg in euer Haus zurück und sammelt alle Federn wieder ein! Der Nachbar stammelte verwirrt: Ich kann doch die Federn unmöglich wieder einsammeln, ich streute sie wahllos aus, warf eine hier hin und eine dort hin, inzwischen hat der Wind sie in alle Himmelsrichtungen getragen, wie könnte ich sie alle wieder einfangen? Künzelmann nickte ernst: Dies wollte ich nur hören. Genauso ist es mit der üblen Nachrede und den Verleumdungen: Einmal ausgestreut, laufen sie durch alle Winde, wir wissen nicht wohin – wie kann man sie also einfach wieder zurücknehmen? – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Vielleicht macht das die neue SPÖ-Regierung, die "SPÖ neu" haben wir seit gestern. Die größte Entscheidung der "SPÖ neu" liegt jetzt darin, dass sie ihr Leben ändert, indem sie ihre Geisteshaltung ändert. Jawohl, Ihre Gedanken, meine Damen und Herren von der SPÖ, sind frei – wie angenehm oder unangenehm sie sind, liegt an Ihnen.

Der römische Kaiser Marc Aurel sagte bereits (Bundesrat Meier: Über die SPÖ?): Die Seele nimmt mit der Zeit die Farbe unserer Gedanken an! – Nun: Wie schwarz Ihre Seelen bereits sind (Bundesrätin Fuchs: Rot!), machen Ihre Gedanken, wie Sie sie heute hier vor uns ausgebreitet haben, deutlich.

Viele Menschen haben ein besonderes Talent darin entwickelt, ungünstige Geschehnisse oder Erlebnisse aus der Vergangenheit immer wieder aufzuwärmen und erneut zu durchleben. Diese Menschen, meine Damen und Herren, haben leider das Vertrauen zu sich selbst verloren, weil sie selbst versagt oder Misserfolg geerntet haben – so wie Sie, meine Damen und Herren der SPÖ, bei der letzten Wahl. Es ist erwiesen, dass sich ein negativer Gedanke, dem man dem Dünger häufiger Wiederholungen angedeihen lässt, zu einem echten Ungeheuer entwickeln kann, und Sie, meine Damen und Herren der SPÖ, haben in den letzten Wochen versucht, das zu erreichen. – Ist das gut für dieses Land? Ist es wirklich so schlimm, einmal Fehlentwicklungen einzugestehen? – Fehlschläge und Niederlagen kann doch niemand vermeiden. Sie haben es doch sich selbst zuzuschreiben!

Ich zitiere aus der heutigen "Kronen Zeitung": Jene nämlich, die uns die Misere beschert haben, demonstrieren gegen jene, die sich an die Beseitigung dieses Scherbenhaufens machen möchten.

Sie erinnern mich an einen Autofahrer, meine Damen und Herren der SPÖ! Das Autofahren ist ein Vorgang, der mechanisch abläuft. (Bundesrat Drochter: Ferrari, bitte! – Bundesrätin Schicker: Porsche – Steiermark!) Durch die Gewohnheit hat sich eine gewisse Routine eingeschlichen. Jemand, der es sich allerdings zur Gewohnheit gemacht hat, immer ein wenig weiter links zu fahren, wird das so lange machen, bis ihm ein hoffentlich glimpflicher Unfall die falsche Fahr- und Verhaltensweise deutlich macht. Wer spätestens dann erkennt, dass nicht die anderen schuld sind, sondern er etwas an seinem Tun und Verhalten, das er wie Sie, meine Damen und Herren der SPÖ, 30 Jahre lang praktiziert hat, ändern muss, der hat daraus gelernt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Fuchs: Nicht alles, was wiegt, ist ein Vergleich!)

Im Zusammenhang mit unserer neuen Regierung und ihrer Arbeit kann ich Ihnen nur sagen: Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen, an dem sich die Menschen, die dieses Land bewohnen, erfreuen und worin sie sich in geordneten Verhältnissen frei bewegen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.47

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm dieses.

18.47

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Herren Staatssekretäre! Kollegen und Kolleginnen! "Freunde" soll ich nicht sagen, das wird mir hier zum Teil untersagt; ich bedauere das sehr. Aber hier (in Richtung Freiheitliche) sitzen meine Freunde. (Bundesrat Bieringer: Jetzt ist Ihr Chef hier, jetzt dürfen Sie nicht vorlaut sein, Herr Kollege!) – Unser Chef! (Bundesrat Bieringer: Unser Chef!) Nicht so vorlaut, Herr Kollege! (Heiterkeit.)

Es wurde von einem der sozialdemokratischen Vorredner, dem Klubobmann der Sozialdemokraten Professor Konečny, hier davon gesprochen – auch Herr Kollege Prδhauser hat davon gesprochen –, dass die internationale, europδische Staatengemeinschaft Warnungen an Φsterreich ausgesandt und ausgesprochen hatte, ja nicht mit den Freiheitlichen in eine Regierung einzutreten. Beide Vorredner haben es aber vermieden, die Frage: Was wäre die Alternative gewesen? zu beantworten. Was wäre die Alternative gewesen, um diese Warnungen zu befolgen? – Es steht nichts darüber in den europäischen Akten, nichts in der europäischen Gesetzgebung, nichts in den Verordnungen. Wie sollte man daher diese Warnungen auffassen?

Ich kann daher Warnungen eigentlich nur dahin gehend verstehen, dass man sich regelkonform zu verhalten hat – und diese Republik Österreich hat sich regelkonform verhalten! Vielleicht nicht jedes der ehedem Regierungsmitglieder oder höchsten Staatsrepräsentanten, aber das war nicht regelwidrig im Sinne der europäischen Gesetze und Verordnungen. Daher stehen wir vor dem Dilemma, dass uns die Kollegen Warnungen vorhalten und sagen, dass diese nicht beachtet wurden, aber nicht das Rezept bekannt geben, was sie mit diesen Warnungen eigentlich herausholen wollten! Das kann doch nur heißen: Hättet ihr die Sozialdemokraten weiter regieren lassen! Nichts anderes kann diese Warnung bedeutet haben. (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es!) Diese Spielregel haben wir aber nicht aufgegriffen, weil sie in keiner der Akten enthalten ist. Wir waren so demokratisch – das habe ich heute schon gesagt –, dass wir nach 30 Jahren wirklich Demokratie haben sein lassen, indem das Spielfeld gleich gelassen wurde, die Spieler aber ausgetauscht wurden. Ich meine, das ist richtig. 30 Jahre waren lange genug! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Alle Spieler haben Sie aber nicht ausgetauscht!)

Vertreter von 14 Staaten führen sich auf, als wären sie Staatsanwalt und Richter in einer Person. Sie haben Anklage erhoben, obwohl die Tat weder vorliegt noch bewiesen ist. Vermutungen, Zitate, Mutmaßungen werden angestellt, aber wo ist die Tat? Diese 14 haben dann auch ein Urteil gefällt. Nicht nur das, sie haben auch gleich den Vollzug vorgenommen. Also in einer Person gewissermaßen – das muss man sich vorstellen –: Staatsanwalt, Richter und Scharfrichter. Das ist eigentlich etwas, was in der Geschichte, glaube ich, nur in ganz wenigen Regimen praktiziert worden ist. Aber hier haben wir eine moderne "demokratische" Vorgangsweise, glaube ich, kennen gelernt. Demokratie in einer Person: Staatsanwalt, Richter, Vollzug.

Ich hoffe – es beginnt schön langsam; vielleicht bin ich zu optimistisch –, dass das Zurückrudern bald beginnen wird. Die erste Regierung, die zum Zurückrudern beginnt, hat den geringsten Gesichtsverlust zu befürchten. Die letzte Regierung, die zugibt, dass kein objektiver Tatbestand und kein Verstoß gegen die Rechtsordnung und Werteordnung der Europäischen Union stattgefunden hat, und damit auch zugibt, dass es eigentlich eine Domestizierung einer unliebsamen Regierung war, könnte dann ins Abseits geraten. Ich weiß nicht, welche es sein wird, ich weiß auch nicht, welche die erste Regierung sein wird, die damit beginnt.

Meine lieben Freunde von der ÖVP und von der FPÖ! Verehrte Kollegen von den Sozialdemokraten! Ich habe Heimweh, ich habe Heimweh nach de Gaulles Europa der Vaterländer! Wo ist dieses Europa der Vaterländer geblieben, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen?

Die europäischen Vormünder haben die Österreicher hier im Lande damals vor der Volksabstimmung betreffend den EU-Beitritt nicht gewarnt, nicht gesagt, dass sie sich einmal bilateral zu richten hätten, wenn ihnen einmal etwas nicht passt; dies nämlich unter Umgehung der EU-Spielregeln. Heißt bilateral heute: Hände hoch!?, so schreibt ein Kommentator in einer Zeitung. Man hat vor der Abstimmung auch nicht gesagt, dass die österreichischen Bundeskanzler stets Sozialdemokraten sein müssten und dass man weiters nicht rechts wählen dürfe – wobei die Begriffe "rechts", "links" und "Mitte" sowieso dehnbar sind. Aber all das hat man den Österreichern nicht gesagt!

Man hat auch bei der Euro-Volksabstimmung nicht gesagt, dass der Euro plötzlich um 20 Prozent abgewertet sein wird. Aber wir schlucken all das!

Eine groteske Internationale macht Österreich zu einem Prügelknaben. Unsere Hoffnung richtet sich daher nicht darauf, dass wir Recht gesprochen bekommen, und nicht nach der Wahrheit, sondern einfach darauf, dass die EU einen nächsten Prügelknaben aufbauen wird. Wer könnte der nächste Prügelknabe sein? – Etwa Spanien, die fackeln Ausländerheime ab, oder Belgien, dort ist der Vlaams Blok im Vormarsch. Es gibt noch einige andere, man könnte eine Liste anfertigen, wer der nächste Prügelknabe ist, und vielleicht Wetten darüber abschließen. Wenn es einen neuen Prügelknaben gibt, dann geht es uns vielleicht wieder besser.

Es berührt auch befremdlich, wenn man nicht EU-kritisch sein darf. Warum darf man nicht EU-kritisch sein? – Ein vernünftiger Menschenstandpunkt ist ja, kritisch zu sein, auch gegenüber dem Standpunkt, den man einnimmt. Man darf vielleicht auch der französischen Revolution – eine der blutigsten Revolutionen der letzten Jahrhunderte – nicht kritisch gegenüberstehen. Freiheit, Brüderlichkeit und – wie heißen diese drei Symbole? (Ruf: Gleichheit!) – Gleichheit, wenn man das nicht akzeptiert in allen Bereichen – es ist sehr schwierig, all das überall zu akzeptieren; das weiß jeder, der rechtskundig ist, und jeder, der philosophisch ist –, bekommt man vielleicht auch Schwierigkeiten. Oder: Müssen wir alle Ausländer gleich als Freunde empfinden? – Das war auch nicht vorgesehen und ist auch gar nicht notwendig und nicht zweckmäßig. Oder: Reduktion des Zuzugs, wobei Österreich sowieso jenes Land Europas ist, welches pro Kopf – möglicherweise auch den größten Anteil pro Staat gesehen – den größten Ausländeranteil aufgenommen hat. Man kann Österreich in dieser Hinsicht überhaupt nichts vorwerfen. Wir sind auf diesem Gebiet Vorbild für viele europäische Staaten! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nur: Die Sozialdemokraten sind vielleicht nicht bereit, das in diesem Sinne zu propagieren. Wir haben während mehrerer Revolutionen und Bürgerkriege, die in unserer Umgebung stattgefunden haben, die Ausländer wirklich mit großem Herzen und offenem Portemonnaie – das darf man ruhig auch sagen, denn: Tue Gutes und rede davon! – aufgenommen.

Wir werden daher gut daran tun, auf das Einstimmigkeitsprinzip im Rahmen der Europäischen Union, im Rahmen des Parlaments und bei den verschiedenen Abstimmungen, zu achten. (Bundesrat Meier:  ... gibt es kein Einstimmigkeitsprinzip!) Das Einstimmigkeitsprinzip ist das Einzige, welches einem Kleinstaat die Möglichkeit gibt, gleichberechtigt neben den Großstaaten zu stehen. Dieses Einstimmigkeitsprinzip sollten wir mit Händen, Füßen und Zähnen verteidigen! Das ist vielleicht das einzig Grimmige, das ich heute hier sage: Das Einstimmigkeitsprinzip ist zu verteidigen!

Viele tun so, als wären die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erst vor zehn Jahren vergangen, übersehen dabei aber, dass 70 Jahre lang eines der blutigsten Terrorregime, nämlich das des Kommunismus, Europa überzogen hatte – nicht nur Europa – und erst vor zehn Jahren geendet hat, dass jene, die dieses Regime in ihrer Jugend gepredigt, verteidigt und gelobt haben, in vielen Regierungen Europas, in – wie man heute sagt – feinem Zwirn gekleidet, sitzen und sich als Freunde der großen Weltgemeinschaft darstellen. Ich akzeptiere das. Sie haben dazugelernt. Wer in der Jugend kein Revolutionär war, hat kein Herz! Wer nicht, wenn er älter wird, konservativ wird, hat kein Hirn! Also insofern stehe ich diesen Leuten durchaus positiv gegenüber, denn sie haben dazugelernt, sie haben Hirn. Aber man soll nicht einen anderen Staat, dessen schlechte Vergangenheit viel länger zurückliegt, ständig an den Pranger stellen. Das kann nicht die Aufgabe sein, speziell nicht jene von uns Parlamentariern, auch wenn wir uns hier nicht immer als Freunde, aber doch zumindest als Kollegen gegenübertreten.

Ich habe den Eindruck, dass zum Teil ein "europäischer Rinderwahnsinn" ausgebrochen ist; so ähnlich schreibt das Herr Bacher in der "Presse". Ich nehme gerne dieses Zitat auf: Dieser europäische, politische Rinderwahn muss erkannt werden! Diesen politischen Rinderwahn müssen wir erkennen und ausmerzen, den müssen wir los werden! Es muss wieder "Geschäft wie üblich" eintreten. Denn ein demokratischer Regierungswechsel in einem EU-Land, in Österreich, kann nicht als gefährliche Gefahr – ich nehme gerne dieses doppelte Wort in den Mund – gesehen werden. Wir sind keine gefährliche Gefahr – weder für einen Europäer noch für sonst jemanden auf der Welt. Bestenfalls sind hier in Österreich einige Österreicher eine Gefahr für ihr eigenes Land. Das soll auch ausgedrückt werden.

Die ehedem Kommunisten und linken Straßenkämpfer sitzen in europäischen Regierungen; kein Mensch betrachtet sie mehr als Gefahr. Ich erwarte mir aber jetzt auch einen aufrechten Gang von uns, da wir in der Regierung sind. Ich erwarte mir auch, dass die Herren, die unsere Politik nach außen tragen, auch nicht buckeln. Ich erwarte mir daher auch eine Reziprozität der Behandlung: Zieht ein Staat seinen Botschafter zur Berichterstattung ab, hätten wir das gleiche Recht, unter Selbstachtung die gleiche Pflicht, unseren Botschafter zur Berichterstattung herzuholen, unsere diplomatischen Beziehungen herunterzusetzen, wenn dies ein Staat, der uns früher besonders freundlich gegenübergestanden ist, macht. Wir machen es denen nach. Eines jedoch würde ich nicht nachmachen: Den Schüleraustausch sollten wir nicht aufgeben – darin hat Herr Kollege Meier völlig Recht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es ist eine unappetitliche Sache, wenn man Schüler in die politischen Auseinandersetzungen, von denen wir überzeugt sind, dass sie ungerecht geführt werden, hineinzieht. Würden sie auch gerecht geführt werden, hätten Schüler nichts in solchen Auseinandersetzungen zu suchen. Seit dem Zweiten Weltkrieg floriert der Schüleraustausch. Die Jugend vereinigt sich da und dort, und plötzlich gibt es wieder einige Leute, die das auf eine Ebene herabsetzen, welche schlichtweg als unappetitlich zu bezeichnen ist und die Jugend Europas wieder mit dem Keim vergiftet, dass man sich bei Kleinigkeiten wieder als Feinde gegenüberstehen müsste statt als Freunde, die miteinander gelernt haben, die gleichen Sprachen zu sprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Widerstehen wir dem kalten Staatsstreich, den die EU, indem sie vorgibt, die europäischen Grundsätze der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit zu schützen, in Österreich durchführen möchte! Österreich achtet die nationale Identität der Mitgliedstaaten genau so, wie dies Artikel 6 Abs. 3 des Vertrages über die EU den Mitgliedstaaten vorschreibt. Wir achten sie. Wir weigern uns, einen kalten Staatsstreich mitzumachen. Österreich wehrt sich. Das Eintreten einer freiheitlichen Partei in eine Regierung, in eine europäische Regierung, ist ein Zeichen der Selbstachtung der Europäischen Akte, weil wir die demokratischen Grundregeln einhalten und uns nicht von Ihnen, liebe Kollegen von den Sozialdemokraten, einreden lassen, dass es etwas Undemokratisches ist, wenn Freiheitliche in die Regierung kommen. Das sollte etwas Stinknormales sein, das muss ich Ihnen sagen.

Bei Ihrem Kollegen, bei dem auch von uns sehr geschätzten Tony Blair aus Großbritannien, findet alle paar Jahre ein Regierungswechsel, und zwar ein totaler, statt. Einmal regieren die Konservativen, einmal die Liberalen. Das dauert ein paar Jahre, und dann sind die anderen dran. Dort werden aber die Ministerien ordentlich übergeben. Dort werden nicht die Akten weggetragen und die Computer abgestellt. Dort gibt es unter Gentlemen das, was man Übergabe mit Shakehands und Bruderkuss nennt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Freiberger: Das Mehrheitswahlrecht wäre schön!)

Kollegen und Kolleginnen! Wir – so glaube ich, sagen zu dürfen – weisen die moderne Form, die modifizierte Form einer Breschnjew-Doktrin der begrenzten Souveränität zurück. Wir werden auch danach agieren, und dabei können Sie mithelfen. Weisen Sie die begrenzte Breschnew-Doktrin für Österreich zurück. Österreich darf die Regierung haben, die sie will, auch wenn sie nicht für jeden angenehm ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.03

Vizepräsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Vizepräsident Johann Payer: Wir setzen die Verhandlung über den Tagesordnungspunkt Erklärung der Bundesregierung fort.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Brunhilde Fuchs. Ich erteile ihr dieses.

19.03

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! – Bald brauche ich nicht mehr in der Mehrzahl zu sprechen. – Hoher Bundesrat! Ich darf wieder auf die Regierungserklärung zurückkommen und möchte mit einer positiven Seite dieser Regierung beginnen.

Positiv ist, dass diese neue Regierung unendlich viele Menschen, davon viele junge Menschen, politisiert, mobilisiert und sensibilisiert hat. Wer die friedlichen Demonstrationen der letzten Tage und Wochen miterlebt hat, kann mit Freude feststellen, dass sich sehr viele Menschen in unseren Städten treffen und gemeinsam gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus und für Toleranz und Humanität auftreten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Ledolter. )

Ich denke, Sie waren nie bei irgendeiner dieser Demonstrationen dabei. Das war am ersten Tag der Fall. Da wurden einige unangenehme Personen eingeschleust, die sich nicht korrekt verhalten haben. Wir haben das auf das Strikteste abgelehnt, und nunmehr sind sehr viele von uns dabei, die darauf achten, dass solche Leute bei diesen Demonstrationszügen ausgesondert werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie wissen ganz genau, dass dieser Vorfall nur an einem Abend stattgefunden hat und dann nie wieder passiert ist. Ich hoffe, dass morgen, am Samstag, die internationalen Medien das andere Österreich sehen werden, nämlich diese unzähligen Menschen, die auf ihre Republik stolz sind und die das Erreichte erhalten wollen, nämlich das hohe Maß an sozialem Frieden, die gute Beschäftigungssituation, das hervorragende Wirtschaftswachstum, die hohen Umweltstandards und die niedere Inflationsrate. All das haben wir gemeinsam, in gemeinsamer Arbeit in drei Jahrzehnten sozialdemokratischer Regierungsverantwortung in diesem Land geschaffen, und das gilt es, zu erhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihr Regierungsprogramm zeigt mir keine Fortschreibung dieses Erfolgskurses. Viele "No-na-net-Forderungen" sind zu lesen, und dazu gibt es Phrasen wie "geeignete Maßnahmen", "besondere Hilfestellung", "offizielle Unterstützung" und dergleichen mehr. Konkrete Maßnahmen werden nicht genannt.

Eine wichtige Sache fehlt komplett: das Frauenministerium und damit auch die Frauenpolitik. Mehr als 52 Prozent der Bevölkerung sind Frauen. Und jetzt soll Frauenpolitik zur Fußnote der Familienpolitik reduziert werden oder gar nicht mehr stattfinden? – Ich glaube, das darf es nicht geben. Die Frauen werden sich wehren, wenn es zu gefährlichen Rückschritten in der Frauenpolitik kommen sollte. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bieringer: ... nur weil es kein Frauenministerium gibt!) – Dieser Zwischenruf ist bezeichnend. Da klatschen jene Männer, die Frauen als Partnerinnen und als gleichwertige Mitglieder dieser Gesellschaft sehen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bieringer: Na geh!) – Ja, Sie sehen aber, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. (Bundesrat Bieringer: ... Frauenministerium, sonst gibt es keine Frau! Sie tun mir Leid!)

Ich habe es in dieser Regierungserklärung nirgendwo anders gefunden. (Bundesrat Bieringer: Sie tun mir Leid!) Wenn Sie es gefunden haben, dann zeigen Sie es mir bitte. Ich habe es mir genau durchgeschaut und mich informiert, und das ist das Ergebnis. Das, was ich jetzt sage, ist das Ergebnis dessen, was ich in den Unterlagen Ihrer Regierungserklärung gefunden und gelesen habe. Wir waren schon einiges gewöhnt. Die "Bartenstein-Zeit" hat schon ihre Schatten vorausgeworfen. Jetzt kommt noch das Haider’sche Frauenbild und Ihres wahrscheinlich auch dazu. (Beifall bei der SPÖ.)

In erster Linie sollen Hausfrauen und Mütter in ihrer natürlichen Rolle unterstützt werden. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) – Das ist schön, dass Sie das bestätigen. Es steht aber auch in der Regierungserklärung. Die Ausnahme stellen Karrierefrauen dar, für die der Aufstieg in die Führungsetagen erleichtert werden soll. Es steht aber nicht dabei, mit welchen Maßnahmen das geschehen soll, das wird nicht gesagt. – Man höre aber und staune, auch frau höre und staune: Man ist auch für eine höhere Repräsentanz von Frauen in politischen Gremien. Ich denke, das wird notwendig sein, weil der Anteil der weiblichen Abgeordneten in diesem Haus noch sehr gering ist, und ich denke, da kann man schon noch etwas dazu tun. Für unseren Anteil brauchen wir uns nicht zu schämen. Zählen Sie nach, Herr Kollege, das können Sie ganz leicht ausrechnen.

Aber ich denke, es könnte vielleicht doch an Parteiobmann Haider liegen – das ist vielleicht auch eines der Beispiele, warum sich manche Leute aufregen und diese Regierung nicht sonderlich mögen –, der gesagt hat – ich zitiere den "Kurier" vom 7. 10. 1984 –: Ich habe noch nie eine erotische Politikerin kennen gelernt. (Bundesrat Dr. Nittmann: 1984?) Fast alle werden davon verhärmt. Bitte, vielleicht gibt es Einzelfälle, bei denen der Politikerjob passt, aber eine richtige Frau? – Diese Aussage motiviert vielleicht doch nicht so richtig die freiheitlichen Frauen. Das könnte sein.

Aber es gibt noch ein zweites Zitat von Herrn Parteiobmann Haider: In einer Partnerschaft gibt es immer zwei Teile: ein herrschender und ein dienender Teil. – Das gefällt den Frauen wahrscheinlich auch nicht besonders. (Bundesrat Dr. Nittmann: Bei mir zuhause bin ich der dienende!)

Ich kann aber auch Herrn Klubobmann Dr. Khol zitieren, der in der Emanzipation der Frauen prinzipiell ein Dilemma sieht. In seinem Buch "Aufbruch zur Bürgersolidarität" schreibt er auf Seite 16: Wo die Selbstverwirklichung versprochen wird, bleibt immer Einsamkeit und Elend im Alter. Und mehr noch: Singles sterben früher! – Das sind schreckliche Zukunftsvisionen. Aber so stellen wir uns Partnerschaft und Frauenpolitik nicht vor.

Trotz allem wollen Frauen berufstätig sein; das ist ganz einfach erwiesen. Mehr als 70 Prozent aller Frauen wollen das, auch wenn ihr Partner alleine genug verdienen würde und obwohl Frauen bekanntlich durchschnittlich nur 68 Prozent eines Männergehalts bekommen. Das eigene Einkommen, die wirtschaftliche Unabhängigkeit werden von den meisten Frauen als Basis der persönlichen Eigenständigkeit angesehen.

Die neue Regierung setzt ihre Prioritäten allerdings anders. Sie setzt sie in die Rekonstruktion des Bildes der Frau als Hausfrau und Mutter. Sie negiert den Wunsch der Mehrheit der Frauen nach Eigenständigkeit aufgrund einer beruflichen Tätigkeit, ohne deshalb auf Kinder verzichten zu müssen. Daher lautet unsere sozialdemokratische Forderung: statt Karenzgeld für alle, Kinderbetreuungseinrichtungen für alle. (Beifall bei der SPÖ.)

8 Milliarden Schilling werden willkürlich, ohne soziale Differenzierung und ohne Einkommensgrenzen verteilt. Es wird sogar noch die Möglichkeit des Dazuverdienens eröffnet. Daher denke ich: Es ist ganz praktisch, der Vater beansprucht das dritte Karenzjahr, geht aber arbeiten, und die Mutter betreut währenddessen das Kind. Das geht allerdings nur in bestimmten Fällen so, nämlich bei Selbstständigen, bei Bauern, bei Unternehmern. Für eine arbeitende Frau ist es schon sehr schwer. (Bundesrat Dr. Böhm: Es arbeiten auch die Männer!) – Natürlich arbeiten alle. Entschuldigung! Zur Klarstellung: Eine berufstätige Frau, die außerhalb ihrer Wohnumgebung arbeiten muss, hat diese Möglichkeit nicht, daher ist das eine Ungleichbehandlung.

Meine Damen und Herren! Würde dieses Geld für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen verwendet werden, so könnte die bestehende Bedarfslücke geschlossen werden. Wien sollte in diesem Bereich wirklich allen Bundesländern Vorbild sein – sowohl in Qualität als auch in Quantität. Wir alle wissen, dass Kinderbetreuungseinrichtungen Bildungseinrichtungen sind, die eine gesunde Entwicklung unserer Kinder wesentlich unterstützen, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen und vor allem für Alleinerzieherinnen absolut notwendig sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Wort "Alleinerzieherinnen" scheint übrigens in diesem blau-schwarzen Regierungsprogramm nicht auf – wahrscheinlich deshalb, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Österreich gehört jetzt schon zu den Staaten mit den höchsten familienbezogenen Geldleistungen. Nicht berufstätige Frauen "gewinnen" viel Geld mit dem Karenzgeld für alle. Berufstätige Frauen verlieren viel, obwohl diese Leistungen aus ihren Beiträgen finanziert werden. Das ist eine schwere soziale Ungerechtigkeit.

Wir haben heute wiederholt vom Herrn Bundeskanzler gehört: Beim Sparen beginnen wir bei uns und nicht beim kleinen Mann. Von der kleinen Frau haben Sie kein Wort gesagt, denn diese treffen Sie voll. (Beifall bei der SPÖ.)

19.13

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Ledolter. Ich erteile ihm dieses.

19.14

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Vizepräsident! Meine verehrten Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir konnten heute eine von Bundeskanzler Schüssel vorgetragene, sehr engagierte, zukunftsweisende, dynamische und hoffnungsfrohe Regierungserklärung hören. Meine Damen und Herren! Diese Regierungserklärung ist dazu angetan, den Menschen in diesem Land wieder Mut zu machen, aufzuzeigen, dass es Lösungen fernab von sozialistischen Denkschemata und Ansätzen gibt, die wir bisher gewöhnt waren. Diese Lösungsvorschläge hat die Volkspartei mühsam aus dem linken Eck wieder ein bisschen zur Mitte zu zerren versucht, um sie für die Menschen in diesem Land erträglicher zu machen.

Diese Regierungserklärung dieses engagierten Bundeskanzlers und seines Teams, meine Damen und Herren, ist Ausfluss des Wahlergebnisses vom 3. Oktober letzten Jahres. Es ist dies ein Ergebnis, das offensichtlich von einigen in diesem Lande ignoriert beziehungsweise krass missverstanden wird; es ist dies ein Ergebnis, das auf demokratische Art und Weise zu Stande kam und das zum Ausdruck gebracht hat, dass eine Partei, die immer noch die größte in diesem Lande ist und sein möchte, radikal verloren hat, und zwar am meisten von allen wahlwerbenden Gruppen. Dieses Ergebnis war aber letztendlich auch ein klarer Auftrag für die Verantwortungsträger dieses Landes, einen anderen Stil in diesem Land, im Parlament einzuführen und vor allem auch nach Mehrheiten zu suchen.

Meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion! Ich gestehe Ihnen schon gerne zu, dass es einige von Ihnen gegeben hat, die sicherlich den Willen hatten, konstruktiv weiterzumachen, aber diesen Kräften in Ihrer Partei hat es an der Kraft und an Durchsetzungsfähigkeit gefehlt, um eine Fortsetzung des bisherigen Weges möglich zu machen. Die Antwort, die Sie, meine Damen und Herren von der sozialistischen Fraktion, geben, ist die inszenierte Staatskrise in einer bisher noch nie da gewesenen Art und Weise, mit einer Vehemenz und ohne Rücksicht auf die vitalen Interessen Österreichs.

Meine Damen und Herren! Die ausländische Fassette ist in Ihrer dringlichen Anfrage hinlänglich erörtert worden. Lassen Sie es mich so zusammenfassen: Selbst wenn für Sie die Unschuldsvermutung gelten möge, wobei aber die Parallelen zum Fall Waldheim zu erdrückend sind, als dass man das auch glauben könnte, und die internationalen Pressereaktionen eine andere Sprache sprechen, so demaskiert Sie doch die Schadenfreude, meine Damen und Herren, mit der Sie diese gegen Österreich gerichteten Aktionen zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Sie behaupten jetzt, Sie wüssten nicht, wer all diese Demonstrationen organisiert, die ach so spontan über dieses Land hereinbrechen, wer die Parolen ausgibt, wer da wohl dahinter stehen möge. Das ist Scheinheiligkeit, meine Damen und Herren! Sie müssten nur die Aussendungen Ihrer eigenen Partei und Ihrer Presseorgane lesen, dann wüssten Sie es, dann wären Sie informiert, dann könnte hier keiner Ihrer Abgeordneten behaupten, er wüsste nichts davon. (Bundesrat Freiberger: Das hat auch niemand behauptet! – Bundesrat Kraml: Das hat niemand gesagt!)

Ich halte das heutige Produkt der Sozialistischen Jugend Niederösterreichs in Händen, meine Damen und Herren! Sie reden auch immer wieder von der verbalen Abrüstung, von einem Zurücknehmen der Worte, von einer Deeskalation und all diesen schönen und wunderbaren Absichtserklärungen, die hier im Haus abgegeben werden, die aber die Menschen draußen nicht erreichen, weil sie gar nicht für die Menschen draußen bestimmt sind, sondern nur hier im Haus Schönwetter und gute Stimmung machen sollen. Die Sozialistische Jugend Niederösterreichs, beheimatet in St. Pölten, spricht eine andere Sprache – ich zeige es Ihnen dann gerne –: Jetzt erst recht: Nein zum Haider-Schüssel Pakt! (Bundesrat Kraml: Das war aber jetzt nur die Überschrift!)

Ich zitiere nur Schlagworte daraus: Aussteuerung. – Ist das wirklich sehr demokratisch, wenn man Begriffe aus einer längst überwunden geglaubten Zeit verwendet, um Jugendliche zum Demonstrieren zu motivieren? (Bundesrätin Fuchs: Die kennen das, die Jugendlichen kennen das!) – Selbstverständlich, wenn man es ihnen nur lange genug plausibel zu machen versucht, liebe Frau Kollegin!

Weiters: Betteln um Sozialhilfe! Arbeiterinnen müssen rund um die Uhr bereit sein, zu arbeiten. (Bundesrat Kraml: Das stimmt!) Unter dem Stichwort "Flexibilisierung der Arbeitszeit" und unter Androhung von Sanktionen würden verschiedene Möglichkeiten der Zwangsarbeit angestrebt. (Bundesrat Freiberger: Dagegen muss man kämpfen!) – Das ist Ihre Diktion, Ihre Sprachregelung, Ihr Umgangston mit jungen Menschen. Denken Sie darüber nach! (Bundesrätin Fuchs: Junge Menschen soll man nicht anlügen!)

Haider hat den Rechtspopulismus hoffähig gemacht. Schüssel macht ihn nun europafähig. – So geht es in diesem Pamphlet weiter. Das ist betrüblich und traurig und auch – das möchte ich noch hinzufügen – beschämend. (Bundesrat Dr. Böhm: Verantwortungslos!)

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Fuchs! Sie agieren jetzt wieder sehr wortgewaltig aus der Bank heraus. Sie haben hier vor diesem Auditorium zu verstehen gegeben, dass Sie sich über die demokratische Bewegung des Protests in der Jugend freuen. (Bundesrätin Fuchs: Über die Sensibilisierung!)

Richtig, "Sensibilisierung", so nennen Sie das! Glauben Sie denn wirklich, dass der Jugend damit geholfen ist? – Da hinten sind Jugendliche, Kinder aus Kärnten gesessen, liebe Kollegin Trunk, die offensichtlich zum Demonstrieren "eingefahren" wurden. (Bundesrätin Mag. Trunk: Nicht "eingefahren"!) Sie haben es mir bestätigt. Ich habe sie gefragt, und sie haben gesagt: Ja, wir sind zum Demonstrieren gekommen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Ich werde mich zu Wort melden!)

Wenn man Kinder aus Kärnten holen muss, damit in Wien gegen eine Regierung demonstriert wird, Freunde, dann das ist für dieses Land ein Armutszeugnis sondergleichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Ing. Gruber. )

Ich frage mich nur, wenn die Jugend, wenn diese Kinder, die offen in eine Zukunft gehen sollen, in eine Zukunft, die in dieser ... (Bundesrätin Mag. Trunk: Nein! Nein!) Ich hoffe doch, dass sie offen in eine Zukunft gehen können, dass sie nicht vergiftet werden (Bundesrätin Mag. Trunk: Nein! Nein!) und dass ihre Seelen nicht mit all diesem historisch überkommenen Kram infiltriert werden, meine lieben Herrschaften! (Bundesrätin Mag. Trunk: Persönlich kenne ich sie!) Mit all dem historischen Kram versuchen Sie, Stimmung in diesem Land zu erzeugen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Mit zwei Kindern aus Kärnten? – Beifall bei der SPÖ.)

Nicht nur zwei! Ich denke auch an die 3 500, die heute auf die Straße geführt wurden. Angekündigt – das zeigt die Bereitschaft der Jugend, diesen Verführungen nachzugeben – waren 15 000 bis 20 000. 3 500 oder nicht einmal 2 500 habt ihr zusammen gebracht! (Bundesrat Bieringer: Keine 2 500 nach Schätzung der Polizei!) – Meine Damen und Herren! Bleiben wir doch auf dem Teppich!

Ich glaube nicht, dass man der Jugend einen guten Dienst erweist, indem man sie dafür einspannt. (Bundesrätin Mag. Trunk: Freiwillig!) Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Wie lange glauben Sie, dass Sie diese Methoden im Inland noch fortsetzen werden können? – Die Hypothek, die Kanzler Klima hinterlassen hat, ist schon schlimm genug – für die Partei und auch für all das, was jetzt vom Zaun gebrochen wurde. (Bundesrätin Fuchs: Aber Macht haben wir anscheinend noch sehr viel!)

Ich glaube, Sie kommen dann ohnehin noch zu Wort, Frau Kollegin! Von mir aus können wir gerne den Disput aufrechterhalten, es wird nur zu einer Ausweitung der Redezeit führen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Sie haben sich nicht getraut, sich mit den Kindern zu unterhalten! Jetzt, als sie gegangen sind, haben Sie mit ihnen geredet!)

Nein, ich will die Sitzung nicht stören. Gleich als sie gekommen sind, habe ich sie gefragt, und das hat mir genügt. Das ist auch nachvollziehbar. Die Kollegen, die daneben gesessen sind, haben zugehört.

Meine Damen und Herren! Allein die Sprachregelung des sparsamen Umganges mit der Wahrheit, die da immer wieder durchkommt und auch nachvollziehbar ist, zeigt, dass Sie die Botschaft des 3. Oktober nicht verstanden haben.

Ich habe heute Zitate von Bruno Aigner gehört, und dieser Ihr Vor- und Querdenker hat etwas sehr Richtiges gesagt, und zwar zu mitternächtlicher Zeit in einer "Zeit im Bild"-Einschaltung. Er hat die SPÖ als eine "alte Partei" bezeichnet. Mit all diesen Methoden demonstrieren Sie, wie alt in Gedanken und wie alt in der Seele diese SPÖ ist. Ich mache mir langsam Sorge um Sie. Sie haben ein Defizit bei den Intellektuellen, Sie haben ein Defizit bei den Kulturschaffenden. Es laufen Ihnen die Wohlstandsverlierer davon. (Beifall der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Ich spreche nicht von den Staatskulturschaffenden, meine Damen und Herren (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), denn deren Protest nehme ich erst dann ernst, wenn sie von dieser Republik kein Geld mehr nehmen. Dann nehme ich ihren Protest auch ernst. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mag. Trunk: Unfassbar! – Bundesrat Freiberger: Das ist Ihr Verständnis von Kunst und Kultur! Skandalös!)

Auch die Arbeiter kommen Ihnen am rechten Rand abhanden, meine Damen und Herren! Es bleibt nicht mehr viel übrig von der von Bruno Aigner zu Recht so apostrophierten Rentner-Partei SPÖ. (Bundesrat Meier: Bei Ihnen sind noch viel weniger übriggeblieben!) Aber es werden auch bei euch weniger werden, meine Herrschaften! Wenn Sie auf diesem problematischen Weg weiter tun, wird es für Sie eng! (Bundesrat Konečny: Herr Staatssekretär Morak! Teilen Sie die Auffassungen des Redners, oder vertiefen Sie sich lieber in der Zeitung?)

Herr Kollege Konečny! Wenn ich jetzt noch das Klima-Wort des Exbundeskanzlers in Erinnerung rufe, der davongelaufen ist, weil wir ihn gefragt haben, warum diese Lawine vom Zaun gebrochen wurde (Bundesrätin Mag. Trunk: Gelaufen ist er nicht!), wenn ich mir sein Wort von den besten Köpfen erinnerlich mache, meine Damen und Herren, dann frage ich mich: Wo sind denn jetzt die besten Köpfe hingekommen? – Wir haben doch miterlebt, dass ein Bezirksparteisekretär aufgrund der dünnen Luft und der Schwierigkeiten bei der Nachbesetzung in einer Blitzaktion zum Landesparteisekretär berufen wurde. Wir haben ihn vor wenigen Stunden erlebt: bei seinem nahezu kometenhaften Aufstieg zum Bundesvorsitzenden, zum Vorsitzenden der SPÖ. (Bundesrat Freiberger: Schüssel hat auch als Klubsekretär angefangen!)

Ich gratuliere Ihnen, meine Damen und Herren! Wenn aber die Demontage, wie zum Beispiel bei Schlögl, der sich so wortreich angeboten hat, so weiter geht, dann mache ich mir schön langsam auch Sorgen um Niederösterreich, denn dann dauert es nicht mehr lange, bis auch in Niederösterreich kärntnerische Verhältnisse einziehen, zumindest im Bereich der SPÖ. (Bundesrat Meier: Um die SPÖ in Niederösterreich müssen Sie sich keine Sorgen machen! – Bundesrat Konečny : Finden Sie, dass die Kärntner Verhältnisse bedrohlich sind?)

Nein, aber man muss beginnen, Exhumierungen vorzunehmen, um die Funktionen nachbesetzen zu können. Denn jene, die sich selbst anbieten, werden demontiert – und das vor Publikum und laufenden Kameras. (Bundesrat Dr. Nittmann: Wenn man Frau Trunk anschaut – bei dem Potenzial? Was ist mit der Frauenregelung in Kärnten? – Bundesrätin Mag. Trunk: Schauen Sie sich Ihre Partei an!)

Ein Wort noch zum von Ihnen ach so hoch gelobten und gepriesenen Finanzminister. Wenn ich mich an die Performance, die Herr Edlinger in der letzten Zeit geboten hat, erinnere, dann kann ich sagen, das erinnert mich nachhaltig an das Bild von einem Patienten, dem man immer wieder sagt, was mit ihm geschehen soll, mit dem aber nichts geschieht. Sie waren wie auch Edlinger in dieser Regierung nicht im Stande, nachhaltige und vor allem zukunftsorientierte Lösungen zu bieten.

Die Desinformationspolitik des Finanzministers Edlinger haben wir heute vom Finanzstaatssekretär Dr. Finz kommentiert bekommen, und jeder, der bisher noch gemeint hat, auf das hören zu sollen, was aus Ihrer Ecke kommt, ist heute durch diese katastrophalen Zahlen und durch diese katastrophale Situation eines Besseren belehrt worden. Die Menschen in diesem Lande werden dafür dankbar sein, dass eine Regierung angetreten ist, sich die Ärmel hochgekrempelt hat und bereit ist, diesen Augiasstall auch in Ordnung zu bringen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit möchte ich noch einmal unterstreichen, dass es höchst notwendig ist, dass wir den Wirtschaftsstandort in Österreich stärken, dass wir Arbeitswelt und Wirtschaft, so wie in dieser Regierungserklärung verankert, als eine Einheit sehen und als eine einheitliche Vorgangsweise vertreten und dass wir weiters als gemeinsames Anliegen sehen, dass alle Denkansätze der Privatisierung und der daraus resultierenden Finanzierungsmöglichkeiten wahrzunehmen sind.

Meine Damen und Herren von der sozialistischen Fraktion! Ich hoffe doch sehr, dass es auch Ihnen gelingen möge, dass Sie in Zukunft etwas weniger Gebrauch machen von Angstparolen, von Scharfmacherei, von Radikalisierung, davon, die Menschen mit solchen Meldungen ins Bockshorn zu jagen und der Jugend etwas vorzugaukeln. Das sind Modelle und Antworten aus der Vergangenheit, und dem wohnt keine Zukunftsbewältigungskompetenz inne. Ich hoffe, dass Sie vor allem irgendwann wieder – hoffentlich recht bald – auf eine Linie zurück finden, die die österreichischen Interessen, die Interessen aller Menschen, die hier leben und arbeiten, im Vordergrund sieht (Bundesrat Meier: Das steht im Vordergrund!), damit Österreich wieder im Vordergrund steht. Ich hoffe, dass es nicht mehr notwendig ist, mit der Rute und dem moralisierend erhobenen Zeigefinger des Auslandes in österreichische Verhältnisse hinein zu regieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.30

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Erhard Meier. Ich erteile ihm dieses.

19.30

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! An meinen Vorredner und seine letzten Worten schließe ich mit dem an, was ich vorhin schon gesagt habe: Wir sind für Österreich und seine Interessen und lassen uns nicht sagen, dass dies nicht so sei. Das stimmt einfach nicht!

Zur heutigen Regierungserklärung von Herrn Bundeskanzler Schüssel: Er hat damit begonnen, die Haltung der 14 EU-Staaten zu kritisieren. Das ist sein Recht. Er hat gesagt, das sei den Verträgen der EU nicht entsprechend. Er möge das jenen sagen, die ihm das vorhalten, nicht der sozialdemokratischen Fraktion hier.

Bundeskanzler Schüssel sagte auch, in diesem Lande müsse sich wohl niemand fürchten. Das wäre ja noch schöner, wenn wir uns vor irgendetwas fürchten sollten! (Bundesrat Mag. Himmer: Aber Sie vermitteln es!) Ich glaube, die Sozialdemokraten waren auch nie Anlass, dass sich in diesem Lande jemand fürchten musste, und wir vermitteln das nicht. Das ist eben jene Unterstellung, die Sie uns einfach zuschieben. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon.  – Bundesrat Konečny: Wie Sie richtig sagen: Sie unterstellen!)

Der Herr Bundeskanzler sagte Ja zu den Vereinten Nationen, zur OSZE, zur EU. Natürlich, selbstverständlich sind wir genau der gleichen Meinung. Wenn es dann aber ins Detail der Vorhaben in dieser Regierungserklärung geht, muss ich doch sagen, dass manches sehr unglücklich ist. Wenn durch die Europäische Union und den Wettbewerb die Strompreise sinken – das wollten wir doch alle –, finde ich es schon sonderbar, dass man sie, weil sie sinken, sofort mit einer neuen Steuer belegt, um das Sinken nicht spürbar und wirksam werden zu lassen.

Er hat auch gesagt, es gebe natürlich keine Spekulationssteuer. Er hat das so bezeichnet. Das heißt also, Spekulanten brauchen für Spekulationsgewinne keine Steuern zu bezahlen. Darum ging es! Es ging nicht um andere Dinge, sondern darum, dort, wo übermäßig große Gewinne vorhanden sind, auch eine entsprechende – keine überdimensionierte – Besteuerung vorzunehmen.

Der Herr Bundeskanzler hat auch gesagt, Österreich hat ein sehr gutes Pensionssystem, und er hat daneben noch die zweite Säule angefügt. Er hat auch gesagt, bei uns gibt es Familienleistungen, von denen andere Länder nur träumen können. – Ja, ich stimme dem zu. Ich frage mich nur: Wie ist das entstanden? – Wenn wir nun zu dieser Regierungserklärung Stellung nehmen – das gestehen Sie uns sicherlich auch zu –, dann weisen wir darauf hin, wovon wir glauben, dass es von vornherein ungünstig sei und vielen Bürgerinnen und Bürgern Nachteile bringen wird. Das ist nicht gegen Österreich gerichtet, sondern gegen Vorhaben, die Sie in Ihrer Regierungserklärung und in Ihrem Regierungsübereinkommen festgeschrieben haben.

Die Regierung wird dann, wenn so etwas eintritt, keine Ausrede haben, dass wir sie nicht rechtzeitig auf einseitige Entwicklungen aufmerksam gemacht haben, die unverhältnismäßige Belastungen und Steuererhöhungen – in Ihrer Sprache: Anpassungen – bringen werden.

Bundeskanzler Schüssel führte aus – so steht es auch in der Regierungserklärung –:

Wir Österreicher und Österreicherinnen können am Beginn des 21. Jahrhunderts stolz sein, wir hatten noch nie so gute Voraussetzungen für unser Land. Wir sind wirtschaftlich stark und wohlhabend. Unsere Demokratie steht auf einem festen Fundament, und wir können unseren Bürgerinnen und Bürgern hohe soziale Sicherheit anbieten. Die Republik Österreich ist von sehr schwierigen Anfängen nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem wirtschaftlichen Musterland aufgestiegen. Die Österreicherinnen und Österreicher haben durch ihren Fleiß und ihren Einsatz das Land zum Blühen gebracht. Die Wirtschaft nützt heute ihre Chancen in Europa und weltweit. Die Arbeitslosigkeit sinkt und zählt zu den niedrigsten in Europa. Noch nie waren in Österreich so viele Menschen erwerbstätig wie heute. Die Prognosen für das Wachstum sind günstig und die Preise stabil wie nie zuvor. – Darunter steht: Das ist die ökonomische Erfolgsbilanz.

Im Weiteren wird auf die demokratische Erfolgsbilanz und auf die soziale Erfolgsbilanz eingegangen, mit Sätzen – ich will es nicht zu weit ausführen – wie: Österreich war und ist ein offenes Land; wir haben hohe humanitäre Standards; es gibt Solidarität zwischen Jung und Alt; es gibt hohe Standards bei der Altersvorsorge und ein gut funktionierendes Gesundheitssystem.

Ich stimme dem Bundeskanzler in dieser Einleitung zur Regierungserklärung, die er im Nationalrat gegeben hat, völlig bei. Sie glauben aber doch sicher nicht, dass dies schon eine Bilanz der schwarz-blauen Regierung sei, eine Bilanz dieser Tage, seit es diese Regierung gibt! Wenn dies eine beachtliche positive Erfolgsbilanz ist – ich habe wortwörtlich zitiert –, werden Sie doch nicht behaupten können, dass dies nur der ÖVP zuzuschreiben ist.

Die FPÖ hat übrigens diese sichtbaren Erfolge bisher immer kritisiert und gemeint, es sei so ziemlich alles in Österreich schlecht, und hat damit Sie, verehrte Damen und Herren der ÖVP, und uns von der SPÖ gemeint. Nun bestätigt Bundeskanzler Schüssel sehr wohl, in welchem ausgezeichneten Zustand sich unser Staat befindet. (Bundesrat Mag. Gudenus: Brave Bevölkerung!)

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie haben mit der SPÖ einen Regierungspartner verlassen, der wesentlich – ich würde sagen, wahrscheinlich mehr als Sie – zu dieser Erfolgsbilanz beigetragen hat. Aber darüber ließe sich streiten, und ich würde, wenn wir diskutieren wollten, auch von fifty-fifty ausgehen. Man kann das nie genau messen. – Sie schimpfen nun gemeinsam mit der FPÖ auf die vergangene Koalition und wollen alles auf die SPÖ abschieben, zum Beispiel auch die Situation in Bezug auf die Finanzen, die Sie angeblich nicht gekannt haben – als ob Sie nicht überall, vor allem auch bei den Forderungen, mit dabei gewesen wären!

Übrigens: Die jetzt festgestellten Finanzzahlen stimmen mit jenen, die Minister Edlinger genannt hat, überein. Es war nur die Frage, wie man rechnet: 100 Milliarden oder 45 Milliarden.

Meine Damen und Herren! Sie von der ÖVP haben das wohl auch mitgetragen. Sie wollen die finanzielle Situation jetzt deshalb drastisch darstellen, um a) nachher behaupten zu können, wie großartig Sie diese Situation gemeistert hätten – ich glaube durchaus, dass ein Budget erstellt werden kann und es in diesem Staate weiter geht; das glaube ich jetzt schon –, und um b) die Abschiebung der als Anpassungen umschriebenen Steuern – Abgaben – und Gebührenerhöhungen, die Sie vorhaben, auf jemand anderen, nämlich auf die SPÖ der vergangenen Regierungsperiode, rechtfertigen zu können.

Sie werden aber leider zuerst einmal viel Kraft und Energie aufwenden müssen, um Ihre Situation, in die Sie sich mit der FPÖ begeben haben, zu erklären und zu bereinigen. Der Fuchs, der in den europäischen Hühnerstall eindringen will, um dort seine Tätigkeit zu verrichten – das ist normalerweise für Hühner nicht angenehm, sondern grausam und lebensbedrohend –, kennt wahrscheinlich wenig Unterschiede bei Hühnerställen und wird auch Ihren Hühnerstall heimsuchen, wenn es ihm genehm sein sollte.

Ich sage gleich dazu: Mir ist es lieber, wenn es nicht geschieht. Ich bin wirklich neugierig, wie lange es sich der Fuchs gefallen lässt, dass er – wie zum Beispiel in Brüssel von der Frau Außenministerin – so dargestellt wird, als hätte er nichts mitzureden, denn er sei ohnehin nur Landeshauptmann von Kärnten und nicht Mitglied der Regierung. Chef sei dort Bundeskanzler Schüssel, und Außenministerin sei Frau Ferrero-Waldner. Angeblich sagte sie – ich war nicht dabei, ich zitiere aus einer APA-Meldung –: Lassen Sie Haider in Kärnten! Hören Sie ihm nicht zu! – Ich bin neugierig, wie lange er damit eine Freude hat.

Sie werben in Ihrer Regierungserklärung um Zusammenarbeit, nach dem Motto: Seid brav und lieb und höflich!, und treffen die Feststellung, dass es – Zitat aus der Regierungserklärung – ein Problem der Worte, der Sprache und der Tonlage gibt. Es gilt für uns alle – so schreiben Sie –, dass wir in Zukunft mehr Sensibilität in unseren Äußerungen walten lassen und mehr Feingefühl gegenüber anderen zeigen. – Ja, Herr Bundeskanzler! Sie haben Recht. Aber sagen Sie dies nicht nur uns, sondern auch Ihrem Koalitionspartner.

Ich könnte natürlich wiederum zu zitieren beginnen – ich habe es ohnehin schon getan –, was, mit welchen Ausdrücken und mit welchen Inhalten einige Vertreter der FPÖ – es sind nicht alle, das sage ich ganz offen – und vor allem ihr Bundesobmann etwas von sich gegeben haben. Sie würden vielleicht sagen: Das war einmal, jetzt haben Sie sich gebessert und sind brav geworden. – Aber was sagen Sie zu den Ausführungen Ihres Finanzministers Grasser, der sagte, er sei jetzt zum ersten Mal im Parlament gewesen, das er dann aber als "Theater" bezeichnet hat? Ist Ihnen nicht bewusst, dass er damit abfällig uns und Sie alle meint, die hier offenbar nur Theater spielten? Setzt sich nicht dadurch die Institutionen zerstörende, lächerlich machende Ausdrucksweise fort? (Bundesrat Dr. d′Aron: Das hat er nicht so gesagt!)

Auch Sie, Herr Bundeskanzler, tragen das jetzt mit! Ihre Appelle sind in den Reihen Ihrer Koalition nicht so fruchtbringend, wie Sie es fordern!

Einen Schauspieler haben wir auch in der neuen Bundesregierung. Herr Staatssekretär Morak! Sie haben einmal den Ausspruch getan, dass Sie mit Haiders FPÖ nie zusammenarbeiten wollen. Jetzt sind Sie Staatssekretär. – Ich sage, damit das nicht wieder falsch interpretiert wird: Das ist recht und in Ordnung. Verstehen kann ich Ihren Haltungswechsel jedoch nicht!

Dafür, dass die FPÖ intern ihre Einkommenshöchstgrenzen von 60 000 S für Politiker nicht einhält und ihr Obmann allein entscheiden kann, für wen es Ausnahmen gibt, können Sie nichts, meine Damen und Herren von der ÖVP! Aber es ist nicht neu, dass die FPÖ einen Rollenwechsel vornimmt, wenn es gerade angenehm ist.

Ich möchte noch ein ernstes Thema anschneiden, das die Europäische Union betrifft. Die Situation ist leider unerfreulich, wobei ich das Wort "leider" ausdrücklich betone. Ich erinnere mich noch gut an Aussagen Ihres FPÖ-Bundesobmannes, der die österreichischen Regierungsmitglieder auffordert: Sagt doch einmal in diesem Rat, in dem das Prinzip der Einstimmigkeit herrscht, Nein, damit wir es denen in Europa einmal sagen können! – In Anbetracht dessen bin ich neugierig, wie die weitere Entwicklung sein wird: Kommt dieses Nein von einigen FPÖ-Ministern bei Ratssitzungen? – Wir werden uns anschauen, ob das gerechtfertigt ist oder auch diesbezüglich eine Änderung eintritt und Sie Ja-Stimmen abgeben, wie es bisher bei anderen Regierungsmitgliedern kritisiert wurde!

Die Regierungserklärung enthält viel Unverbindliches. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Gruber. ) Ich meine, dass ohnehin manches nicht eingehalten werden wird. Das gilt grundsätzlich für alle Regierungserklärungen. Es wird manches gar nicht so durchgeführt werden, wie es jetzt in der Regierungserklärung steht. Ich bin überzeugt, dass Sie jederzeit nach Belieben, Augenblickssitutation und Stimmung in der Bevölkerung Änderungen vornehmen werden. Es besteht für mich also Hoffnung, dass sich in Anbetracht Ihrer schwankenden Haltungen einiges, was jetzt angekündigt wird, gar nicht so negativ auswirken wird.

Ich habe mich eigentlich zum Punkt Umwelt in der Regierungserklärung zu Wort gemeldet. Das, was dazu auf Seite 25 und 26 steht, ist jedoch kurz, unverbindlich, allgemein und nicht konkret. Das Gleiche gilt für das Regierungsprogramm, in dem dieses Thema auf drei Seiten unter 15 Punkten abgehandelt wird. Dort ist allerdings die Kritik geringer. Das ist klar: Denn für die Umwelt war bisher der ÖVP-Minister Bartenstein zuständig, und jetzt ist es Minister Molterer.

Übrigens: Ich habe nicht abgezählt, wie oft die ÖVP das Wort "neu" verwendet. Ihre Riege ist jedoch bis auf einen unverändert geblieben. Dadurch wird das Wort "neu" doch einigermaßen relativiert!

Meine Damen und Herren! Wenn man in die Details geht und sich ansieht, was nun besteuert werden soll, etwa dass bei Benzin jeder gleich viel mehr zahlt und für jeden die gleiche Grundbelastung gilt, dann muss ich sagen: Derjenige, der weniger verdient, zahlt im Verhältnis gesehen mehr als derjenige, der viel verdient. (Bundesrat Mag. Himmer: Sie wollten doch die Mineralölsteuer erhöhen!)

In Anbetracht Ihrer Politik, die zum Beispiel auf einer Flat-Tax aufbaut – flach ist auch nicht besonders erhebend –, die Sie jetzt aber ohnehin wieder zu Grabe tragen mussten, meine ich, dass vieles in diesem Regierungsprogramm "flat" ist. Wir werden uns anschauen, wie die Wirklichkeit ausschaut, und werden im Einzelnen noch dazu Stellung nehmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.45

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon. Ich erteile ihm dieses.

19.45

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bin mir ziemlich sicher, dass der politische Alltag nun wieder in dieses Hohe Haus eingezogen ist. In einem Punkt bin ich mit Kollegin Fuchs einer Meinung, nämlich, dass Politik draußen vor Ort bei den Menschen jetzt interessanter ist als je zuvor: Es wird diskutiert und gestritten, wo man hinkommt, und ich meine, das ist eines der positiven Ergebnisse dieser Veränderung.

Jetzt am Abend ist für mich auch sichtbar geworden, dass sich die inhaltliche Substanzlosigkeit der Sozialisten, die letztlich auch zu diesem Bruch der Koalition geführt hat, seitdem sie in Opposition sind, offensichtlich nahtlos fortsetzt. (Bravo-Ruf des Bundesrates Ing. Gruber. )

Dieser Wechsel war höchst notwendig, denn 67 Prozent der Österreicher haben eindeutig signalisiert, dass sie die Sozialisten nicht mehr in der Regierung wollen. Das war das Ergebnis des 3. Oktober. Wenn ich mir ansehe, wie Sie den Wandel vollziehen, dann verstehe ich das auch! (Bundesrätin Schicker: Aber 54 Prozent wollten auch diese Regierung nicht!)

Frau Kollegin Schicker! Für mich war gestern ein besonderer Tag. Denn seit gestern hat die SPÖ wieder eine Führungspersönlichkeit an der Spitze. Schwierig für uns war nur, dass wir uns nicht ausgekannt haben, was die SPÖ eigentlich will: Will sie mit uns, will sie mit den Freiheitlichen, will sie rückwärts, will sie nach vorn? (Bundesrat Meier: Mit den Freiheitlichen wollten wir sicherlich nicht!) – Das war wirklich problematisch. Aber seit gestern wissen wir es, und seit gestern wissen wir auch, dass es keinen Linksruck gibt, sondern ein Hechtsprung auf die Linksaußen-Position vollzogen wurde. Gelandet sind Sie mit Herrn Gusenbauer knapp vor der linken Outlinie des gesellschaftspolitischen Systems. Ich halte das für okay!

Heute ist mir auch einiges klarer, und es ist für mich schlüssig, wenn ich mir heute die Demonstrationen ansehe: Das ist eine Herzensgemeinschaft aus SPÖ, Grünen, Kommunisten, und voran wird die Fahne von Che Guevara getragen! (Bundesrätin Schicker: Darum beneiden Sie uns!) Ich halte es für sehr wichtig, dass das einmal klargestellt wird! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich habe heute in der Früh, als ich von Leoben nach Wien gefahren bin, das "Morgenjournal" in Ö1 gehört, in dem ein Porträt von Herrn Gusenbauer gebracht wurde. Ich will die Anekdote von Moskau jetzt gar nicht anschneiden. Für mich ist das allerdings kein Scherz, sondern ich hätte mir eine Distanzierung von Herrn Gusenbauer erwartet!

In diesem Zusammenhang möchte ich sagen: Wir sind zwar am rechten Rand durch Verbotsgesetze gut abgesichert, ich würde mir aber vom jetzigen Justizminister erwarten, dass wir auch die linke Outlinie sehr klar definieren und markieren! (Bundesrätin Schicker: Fremdenfeindlichkeit können Sie uns aber nicht vorwerfen!)

In diesem "Morgenjournal" in Ö1 wurde ein interessanter Aspekt beleuchtet: Vor Jahren hat Herr Altbundeskanzler Sinowatz einen groben Konflikt mit Herrn Gusenbauer gehabt. Sinowatz hatte nämlich Probleme mit dessen prokommunistischen Einstellungen. – Das halte ich für sehr bedenklich! Ich weise noch einmal darauf hin, dass ich mir eine klare linke Markierung erwarte! (Bundesrätin Mag. Trunk: Ist das der Jospin-Weg?) Frau Kollegin Trunk! Es ist gut, dass Sie diesen Zwischenruf machen! Wenn ich mir die Personalentscheidungen der SPÖ in Kärnten anschaue, dann habe ich meine Probleme. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. ) Ich hätte mir sehr gewünscht, dass Sie es werden! Das wäre ein Signal der Erneuerung gewesen. – In der "Kleinen Zeitung" schreibt Amanda Klachl jedenfalls, dass Ambrozy das Gleiche für die SPÖ-Kärnten ist wie Ötzi als Parteivorsitzender der Südtiroler Volkspartei! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Jetzt zu den Ankündigungen des Herrn Gusenbauer. Diese muss man sich einmal geben! Ich habe mir gestern Abend Teletext angeschaut und erfuhr, dass Herr Ambrozy in einem Interview gesagt hat, dass Gusenbauer Erneuerungen an Haupt und Gliedern vornehmen wird.

Dazu möchte ich nur feststellen: Das Haupt ist seit gestern er! Das will er schon wieder erneuern? – Das halte ich für eine starke Geschichte! Was bedeutet denn, fertig gedacht, dieser links-linke Weg für die SPÖ? – Konsequent fertig gedacht muss natürlich auch deren Corporate Identity umgebaut werden: Die Bundesgeschäftsführung heißt ab morgen wieder Zentralsekretariat, das Logo wird entfernt, für die nächsten vier Jahre kommen wieder die drei Pfeile, und wenn die nächsten Wahlen geschlagen sein werden, dann ist es durchaus möglich, dass auch Hammer und Sichel wieder vorkommen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Schicker! Spannend war auch die Ankündigung des Herrn Gusenbauer betreffend die Schattenregierung! Wo viel Licht ist – es gibt viel Licht bei der jetzigen Regierung –, gibt es auch viel Schatten. Ich danke daher dafür, dass die SPÖ diesen Schatten abdeckt! Ich begrüße den neuen Schattenkanzler Gusenbauer! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Er hat voller Selbstbewusstsein gesagt, dass er den Ministern dieser Regierung quasi Schattenminister entgegenstellen wird. – Ich hätte ein paar Vorschläge, und die möchte ich noch anbringen: Sie werden wahrscheinlich mit 33 Prozent eine Schattenkoalition mit den Grünen bilden müssen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Wie viel Prozent haben Sie? Ich habe es vergessen!) Moment! Lassen Sie mich fertig erzählen! Konsequent fertig gedacht: Das Gegenministerium des Innenministeriums wird bei Rot-Grün heißen: Ministerium für Staatssicherheit. Dafür haben wir einen Experten, nämlich Peter Pilz! (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Probleme habe ich bei der Landwirtschaft gehabt. Es fällt mir zwar ein Titel für die Schattenministerium ein, nämlich "Ministerium für Kolchosenwirtschaft". Ich habe allerdings keinen gefunden, der dieses Ministerium besetzt, weil sich die SPÖ und die Grünen bis jetzt für die Landwirtschaft nicht wirklich interessiert haben! (Bundesrat Mag. Wilfing: Kasparnaze Sima!)

Zwei Kandidaten hätten wir natürlich für das Außenministerium, wobei ich meine, dass auch hier eine Namensänderung wirklich gut tun würde. Wenn ich mir die Dinge anschaue, die jetzt rund um Herrn Voggenhuber und Herrn Swoboda passieren, dann würde ich dieses Ministerium auf "Außenbeschimpfungsministerium" umtaufen. Dann können zwei streiten, nämlich Herr Voggenhuber, der sich in den letzten Tagen und Wochen wirklich hervortut, und Herr Swoboda. (Bundesrätin Schicker: Es ist Fasching! Man merkt es!)

Es gibt natürlich auch neue Optionen, um den außenpolitischen Boykott, den Sie immer wieder darstellen, zu brechen: Da hätten wir beispielsweise in Berlin Herrn Gysi von der PDS, oder wir könnten natürlich auch in Kuba Fidel Castro anrufen, damit sie uns eventuell helfen, diese Boykottfront ein wenig aufzuweichen!

Lassen Sie sich mich jetzt aber ernsthafter werden. Ich glaube nämlich, dass es notwendig ist, dass wir uns genauer ansehen, warum es zu der Situation gekommen ist, in der wir uns heute befinden. Für mich persönlich hat die Generation der Achtundsechziger einen ganz wesentlichen Anteil daran. Mitglieder dieser so genannten intellektuellen Ebene in Österreich sind nämlich 1968 angetreten, um dieses System zu verändern. Heute sind sie die mächtigsten Systemverteidiger. Es sind dies jene, denen das Hemd näher ist als der Rock: Diese sind die wirklich Strukturkonservativen in diesem Lande! Es ist dies das Establishment der Achtundsechziger in Kunst und Medien, dessen Mitglieder durch Subventionen und Professorentitel ruhig gestellt wurden. Statt den Mut zu haben, der regierenden SPÖ den Spiegel vorzuhalten, haben sie die "Drecksarbeit" für die Machthabenden erledigt!

Die Rebellen von gestern sind träge geworden, sind müde geworden und haben selbst Angst, vom Wandel überrollt zu werden. Nur wenige bedienen sich auch in diesen Tagen – wie zum Beispiel Robert Menasse – einer anderen Zugangsweise und sind bereit, andere Lösungswege zu suchen und zuzulassen. Diese Leute begreifen diesen Regierungswechsel als Chance, gerade für die Kunst ein neues Profil zu entwickeln. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

19.55

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Horst Freiberger. Ich erteile ihm dieses.

19.55

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Meine Herren Staatssekretäre! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu Kollegen Missethon möchte ich eingangs sagen: Es ist bezeichnend, wenn du dich bei der Regierungserklärung eines ÖVP-Bundeskanzlers hauptsächlich mit dem neuen SPÖ-Parteivorsitzenden beschäftigst! Der Schock sitzt offenbar richtig in den Gliedern! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Es kommt anscheinend bei euch nicht sehr gut an, dass wir eine Erneuerung getroffen haben, dass wir einen neuen Weg gehen und unser Klientel in Hinkunft ordentlich und nicht so verwaschen wie in der Koalitionszeit mit Ihnen, sondern wieder klar mit Profil vertreten. Vor dieser Zeit fürchten Sie sich schon. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Zweiten: Man hat gemerkt, dass wir in der Faschingszeit sind! Denn wenn Sie dieses Rednerpult mit einem Büttenrednerpult verwechseln beziehungsweise vergleichen, dann grenzt das doch an leichtsinniges Verhalten, um es einmal vorsichtig auszudrücken! Dazu möchte ich sagen: So lustig ist all das, was jetzt auf uns zukommt, nicht! Ich werde in meiner Rede darauf eingehen, was vor allem den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bevorsteht. (Bundesrat Ing. Scheuch: Fürchten Sie sich nicht!) Ich fürchte mich nicht, denn wir werden uns zu wehren wissen! (Bundesrat Dr. d′Aron: Wie werden Sie sich zu wehren wissen?) – Jetzt müssen Sie ein bisschen zuhören, dann werden Sie feststellen, wie unser Widerstand sein wird!

Meine Damen und Herren! Nachdem die Sozialdemokratie 30 Jahre bestimmende Kraft in der österreichischen Regierung war, davon in den letzten 13 Jahren in einer rot-schwarzen Koalition, hat nun eine Parlamentsmehrheit der Rechtsparteien eine Bundesregierung gebildet, die für unsere Arbeitnehmer nichts Gutes erwarten lässt. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. d′Aron. ) Ich meine damit nicht die anhaltenden internationalen Proteste, die uns als Staatsbürger zwar in Sorge versetzen, die aber sicherlich zum Teil überzogen waren; aber diese waren eindeutig vorhersehbar, was mittlerweile auf dem Tisch liegt.

Meine Damen und Herren! Ich meine vielmehr das, was sich anhand des vorliegenden Regierungsprogramms und der heutigen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers schon jetzt abschätzen lässt. Denn das steht eindeutig unter dem Motto: Die Arbeitnehmer sollen zahlen, die Wirtschaft profitiert.

Der Parteichef der FPÖ hat das seinerzeit zwischen SPÖ und ÖVP ausgehandelte und von uns Gewerkschaftern vehement abgelehnte Regierungsprogramm ein "Papier der Grauslichkeiten" genannt. Ich behaupte, dass das nun vorliegende Regierungsprogramm noch viel grauslicher ist, um bei der Wortwahl Haiders zu bleiben. Es bestraft vor allem die von der FPÖ beschworenen braven und fleißigen Leute.

In diesem Zusammenhang mit diesem Thema möchte ich einen kürzlich erschienenen Zeitungsartikel zitieren. Diese Zeitung schreibt: "Den einfachen Arbeitern, deren Vertretungsanspruch der Chef der Freiheitlichen erhebt, wird der Weg in die Frühpension versperrt. ... Nämlich viel schneller und brutaler, als die alte Koalition es geplant hätte. Nicht nur die Altersgrenze wird erhöht, gleichzeitig wird auch noch die Pensionshöhe durch Abschläge saftig gekürzt. Frührentner verlieren jedes Jahr Tausende Schilling, und das für den Rest ihres Lebens." – So weit das Zitat. (Bundesrat Ing. Scheuch: Aus welcher Zeitung stammt das? Aus der "Prawda"?)

Diese Sätze stammen nicht etwa aus unserem Gewerkschaftsorgan, der "Solidarität", oder einer anderen Gewerkschaftszeitung, sondern aus dem "Standard"! Und die Pensionsfrage ist noch lange nicht alles! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. ) Der "Standard" schreibt sicherlich nicht von der "Solidarität" ab! (Bundesrat Dr. d′Aron: Stehen Sie zu den höheren Sozialversicherungsbeiträgen, die im SPÖ-ÖVP-Papier gestanden sind?) – Nein! Das Papier ist nie unterschrieben worden! Deshalb stehe ich auch nicht zu diesen Maßnahmen! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wenn alle durch die Gegend schreien, kann ich nicht auf Zwischenrufe eingehen! Ich stehe aber jedenfalls nicht zu diesem Papier! Als Gewerkschafter haben wir dieses vehement abgelehnt, weil es auch unsozial gewesen wäre! Aber das, was im vorliegenden Regierungspapier jetzt produziert wurde, ist viel grauslicher! (Bundesrat Dr. Böhm: Wie wollen Sie denn die Pensionen sichern?)

Es gibt dafür mehrere Lösungsansätze: Das Pensionsalter anzuheben und sozusagen die Jungen dadurch arbeitslos zu machen, ist sicherlich keine Lösung. (Bundesrat Ing. Scheuch: Was dann?) Die Anhebung des Pensionsalters wird sicherlich auf Sicht gesehen notwendig sein. (Bundesrat Ing. Scheuch: Hört! Hört!) Allerdings bedarf es dann begleitender Maßnahmen. Das ist aber nichts Neues, das haben wir immer behauptet. Das ist überhaupt nichts Neues! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Wilfing.  – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Abgewählt mit über 33 Prozent: Da sollte gerade die ÖVP ein bisschen vorsichtiger sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Pensionsfrage ist noch lange nicht alles. Der "Standard" schreibt dann nämlich weiter: Die Unternehmen können sich die Hände reiben. Im FPÖ-ÖVP-Regierungspapier konnten sie vieles durchsetzen, was ihnen die Sozialpartner aus Gewerkschaft und Arbeiterkammer seit Jahren verweigerten: die Senkung der Lohnnebenkosten, die Lockerung des Arbeitnehmerschutzes, den Wegfall des Arbeitsuchtages bei Jobwechsel und die Aliquotierung des Urlaubs. – Wie gesagt: Das schreibt der "Standard", der schließlich resümiert, dass der ÖVP-Wirtschaftsflügel die Freiheitlichen über den Tisch gezogen hat. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. )

Ein weiteres Beispiel der Grauslichkeiten möchte ich hier noch anführen. In Ihrem Regierungsübereinkommen findet man im Kapitel 1 ein Programm für Langzeitarbeitslose unter dem Titel "Helfen – aktivieren – integrieren". Ich möchte dazu nur ausführen, das im "News" dieses Kapitel als "Arbeitsdienst und Bürgergeld für Sozialhilfeempfänger" betitelt wurde, was dem tatsächlichen Inhalt Ihres Programms entspricht und von uns deshalb entschieden abgelehnt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Insgesamt verbreitet das Regierungsprogramm den kalten Hauch des Thatcherismus. Wie die so genannte "Eiserne Lady" in den achtziger Jahren in Großbritannien will die schwarz-blaue Koalition offenbar nun mit 20-jähriger Verspätung den Sozialstaat schwächen und tatsächlich eine Wende im negativsten Sinn des Wortes herbeiführen. (Bundesrat Dr. d′Aron: Wissen Sie, wie der Thatcherismus funktioniert hat?) – Er hat nicht funktioniert. Das ist das Problem. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ.)

Was Sie wollen, ist Privatisierung um jeden Preis, um Milliardengeschenke an die Wirtschaft zu machen. Das sind die wichtigsten wirtschaftlichen Programmpunkte. Dabei wandern Milliardenbeträge direkt von den Arbeitnehmern zu den Arbeitgebern. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. d′Aron. )

Dazu ein weiteres Beispiel aus dem Programm: Im Kapitel "Arbeit und Soziales" wird die Umsetzung der "Aktion Fairness" versprochen, allerdings mit dem gravierenden Schönheitsfehler, dass im Gegenzug für die gleiche Entgeltfortzahlung für Arbeiter und Angestellte der Urlaub grundsätzlich nur mehr aliquotiert wird. Damit sei die "Aktion Fairness" aufkommensneutral. – Aufkommensneutral bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch, dass eine Maßnahme gleich viel kostet, wie sie bringt.

Im Kapitel "Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich" stellt sich aber plötzlich heraus, dass die Angleichung der Entgeltfortzahlung 2 Milliarden Schilling kostet, die Urlaubsaliquotierung aber 4,3 Milliarden Schilling bringt. Anders ausgedrückt: Meine Damen und Herren von der FPÖ und von der ÖVP! Ihre schwarz-blaue Koalition hat den Unternehmern und Aktionären auf Kosten der Arbeitnehmer ein zusätzliches Geschenk von 2,3 Milliarden Schilling pro Jahr verschafft.

Das sind aber nur wenige Beispiele für einen ganzen Rattenschwanz an Verschlechterungen oder, besser gesagt, an Grauslichkeiten, um bei der Diktion des FPÖ-Führers zu bleiben. Wenn Sie mit dem gleichen Engagement auch die Staatsschulden der Unternehmer eintreiben würden, dann könnten Sie den Arbeitnehmern dieses Belastungspaket ersparen, und für diese Maßnahmen würden Sie selbstverständlich unsere Unterstützung bekommen. Das wäre soziale Treffsicherheit in unserem Sinne. (Bundesrat Mag. Himmer: Was meinen Sie mit "Staatsschulden"? – Bundesrat Marizzi: Er hat Steuerschulden gemeint! Er hat sich nur versprochen!) – Ich habe Steuerschulden gemeint. Es geht selbstverständlich um die Steuerschulden. Ich habe mich versprochen. – Das wäre soziale Treffsicherheit in unserem Sinne und vor allem im Ausgleich zwischen Arbeitnehmern und Unternehmern.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es stellt sich für uns also einmal mehr heraus, dass in Wahrheit die SPÖ und die Arbeitnehmervertretungen ÖGB und Arbeiterkammern letztendlich die Einzigen sind, die tatsächlich auf der Seite der ArbeitnehmerInnen stehen. Das weiß natürlich auch diese neue schwarz-blaue Koalition und hat daher den Arbeitnehmern und deren Organisationen massiv den Kampf angesagt.

Ich nenne zwei Beispiele. So übersiedeln die Kompetenzen für das Arbeitsvertragsrecht, den Arbeitnehmerschutz und – damit verbunden – auch die Arbeitsinspektorate, die Rechtsgestaltung im Arbeitsrecht und Angelegenheiten des Arbeitsmarktes vom Sozialministerium in das Wirtschaftsministerium. Wenn ureigenste soziale Angelegenheiten künftig dem Wirtschaftsministerium unterstehen, dann wird buchstäblich der Bock zum Gärtner gemacht.

Nehmen wir nur das Beispiel Arbeitsinspektorat her. Wenn Betriebsräte oder einzelne Arbeitnehmer wegen Problemen im Abeitnehmerschutz nach dem Arbeitsinspektor rufen, so können sie jetzt wahrscheinlich gleich zum berühmten Salzamt gehen.

Ein zweites Beispiel: Wenn mit "Reform der Sozialpartnerschaft" die Verlagerung von der überbetrieblichen in die betriebliche Mitbestimmung, insbesondere in Bezug auf die Arbeitszeit und das Kollektivvertragsrecht, gemeint ist, dann wissen wir Gewerkschafter, was das für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Landes bedeutet. (Präsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich brauche nicht extra zu betonen, dass diese Regierung mit massivem Widerstand unsererseits zu diesen Punkten zu rechnen haben wird. Denn wir werden nicht tatenlos zusehen, wie einige wild gewordene Wirtschaftslobbyisten und einige selbst ernannte Arbeitnehmervertreter mit einem Federstrich alles zerstören, was in Jahrzehnten für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieses Landes erkämpft wurde, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Zum Schluss darf ich noch ein Zitat Jörg Haiders aus der "ZiB 2" vom 1. März 1995 bringen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Haben Sie eine Zitatensammlung? – Zwischenruf des Bundesrates Dr. d′Aron. ) – Das ist aber ein sehr bedeutendes.

Jörg Haider sagte in dieser "ZiB 2": Ich war mit meiner Familie bei Freunden in Namibia, dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika, weil ich erproben wollte, wie das Zusammenleben mit den Schwarzen so ist, wenn sie die Mehrheit haben. Mit den Schwarzen ist das wirklich ein Problem. Selbst dort, wo sie die Mehrheit haben, bringen sie nichts zusammen. Da ist einfach wirklich Hopfen und Malz verloren. – Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren von der ÖVP! Diese Aussage des Parteiführers Ihres Koalitionspartners sollte Sie in zweifacher Hinsicht zum Nachdenken anregen. Erstens soll das die Katholiken und Christlichsozialen in Ihrer Partei daran erinnern, dass dieser Rassismus von Ihrem Partner kommt. Zweitens sollen Sie, meine Herren Staatssekretäre und die ÖVP insgesamt, eine Vorahnung über künftige Aussagen des eigentlichen Bundeskanzlers bekommen. – Ich danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

20.09

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Pühringer. – Bitte.

20.09

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Meine Herren Staatssekretäre! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte eingangs eine Anmerkung zu den Ausführungen meines Gewerkschaftskollegen Drochter machen. Mit dieser meiner Bemerkung werden wahrscheinlich viele unter Ihnen von allen drei Fraktionen und – wie ich meine – auch unser Staatssekretär Morak keine Freude haben. Kollege Drochter hat gesagt, dass eine Zeit kommen könnte, in der das Rauchen ein Luxus wird. – Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als dass eine Zeit kommt, in der das Rauchen ein solcher Luxus sein wird, dass es sich viele Leute nicht mehr leisten können und daher vielleicht abgewöhnen. Ich könnte mir vorstellen, dass viele dafür dankbar wären, weil das eine Möglichkeit wäre, sich das Rauchen abgewöhnen zu müssen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich wäre froh darüber. Ich bin überzeugte Nichtraucherin, allerdings – das sage ich dazu – erst seit acht Jahren, und jene, die selbst einmal geraucht haben, sind die aggressivsten Nichtraucher. Ich vertrage es einfach nicht, und ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als nicht mehr durch den Rauch von Rauchern belästigt zu werden. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Wenn ich jetzt klarerweise höre, welche Einnahmen dem Staat dabei entgehen werden, dann bin ich davon überzeugt, dass wir uns im Gesundheitsbereich sehr viel einsparen würden! Sicher würde sich das ausgleichen. (Zwischenruf der Bundesrätin Fuchs. )

Ich wollte meine Meinung als Nichtraucherin ein bisschen kundtun, und da habe ich mir gedacht, das ist eine Gelegenheit, hier anzuknüpfen, obwohl Kollege Drochter es nicht so gemeint hat. (Bundesrat Drochter: Sie haben das nicht verstanden! Ich habe das Rauchen nicht verherrlicht!) – Ich weiß, ich weiß! Ich habe den Wunsch angeschlossen, dass das Rauchen so teuer wird, dass es sich vielleicht dann viele abgewöhnen würden. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es hat heute vor allem kontroversielle Diskussionen gegeben, die teilweise sehr lautstark und auch sehr aggressiv waren, dazwischen gab es jedoch auch immer wieder – wie ich meine – ehrlich gemeinte Freundlichkeiten. Ich freue mich, dass auch das Platz hat. Die aggressiven Diskussionen haben jedoch überwogen, und ich erwarte, dass das in nächster Zeit so bleiben wird.

Ich habe mir vorgenommen, in meiner Wortmeldung etwas anderes in den Vordergrund zu rücken. Ich möchte ein einziges Beispiel anführen, damit ich nicht zu viel Zeit dazu brauche, um etwas, was ich in einigen Nebensätzen auch von den Kollegen Konečny und Meier gehφrt habe, zu bestδtigen. Sie sind jetzt beide nicht da und kφnnen mich nicht berichtigen; hoffentlich habe ich sie nicht falsch verstanden und interpretiere sie jetzt nicht falsch. – Kollege Konečny hat gesagt, dass er sich durchaus vorstellen kann, dass er auch in Opposition einigen Dingen aus diesem Paket seine Zustimmung geben und nicht deswegen Nein sagen wird, nur weil man in der Opposition ist. – Ich glaube, das impliziert, dass aus diesem Paket – auch wenn man heute hört, dass das Gesamtpaket abzulehnen ist – doch vielleicht auch für Sie einiges Gutes herauszulesen ist. Auch Kollege Meier hat gesagt, dass man, wenn man Gesetzesbeschlüsse nicht mitträgt und ablehnt, dies nur aus sachlichen Gründen und nicht aus Hass oder deswegen, weil man in der Opposition ist, tun wird. Ebenso wird man aus sachlichen Gründen bei bestimmten Bereichen auch mitgehen können. – Das stimmt mich optimistisch, und ich möchte das Bisschen, was ich an Positivem gehört habe, nicht fallen lassen, sondern herausstreichen.

Ich habe im Kapitel "Bildung" einen Satz gefunden, der sich, so glaube ich, als Beispiel hier sehr gut eignet. Es ist dies ein Anliegen, dem sicher von keiner Seite Widerstand entgegengesetzt werden wird. Es geht dabei um eine objektive Personalauswahl im öffentlichen Dienst und vor allem im Schulbereich. Ich glaube, dass dieses Kapitel wirklich allen ein Anliegen ist, denn das ist oft genug gefordert worden. Ich getraue mich, dieses Thema mit Überzeugung und mit Aufrichtigkeit anzusprechen, weil wir in diesem Zusammenhang im Lehrerbereich in Oberösterreich eine vorbildhafte Vorreiterrolle einnehmen und damit Erfahrung haben.

Ich weiß, dass es sehr verlockend ist, wenn man in der Position des Stärkeren ist oder einer bestimmenden Mehrheit angehört – ich glaube, jeder von uns ist in einem Bereich tätig, in dem er entweder in einer Minderheit oder in einer Mehrheit ist –, diese Situation auszunützen, um personelle Entscheidungen zu steuern oder zu beeinflussen. Manchmal fallen solche Entscheidungen gar nicht so leicht, weil man sehr stark bedrängt wird.

Mit objektiven Auswahlverfahren werden Einflussmöglichkeiten reduziert und gibt man Macht aus der Hand, was nicht jedem Verantwortungsträger leicht fällt. Ich meine das nicht zynisch, das ist aber so. Aber glauben Sie mir: Das entlastet, und es macht glaubwürdiger.

Wir haben in Oberösterreich im Lehrerbereich schon seit zirka 30 Jahren ein solches Objektivierungsverfahren in Form eines Punktesystems, das natürlich anfangs relativ einfach gestaltet war, das wir aber laufend immer dann, wenn wir Schwachstellen erkannt haben, verbessert haben und das wir auch an neue Gegebenheiten immer wieder anpassen mussten. Mittlerweile hat sich dieses Verfahren zu einem System entwickelt, das keinerlei Einflussnahme von Behörden, Parteien, Lehrervereinen, Eltern, Standesvertretung oder von anderen, die mit einbezogen sind, mehr zulässt, obwohl es – das muss ich auch wieder sagen – viele trotzdem weiterhin probieren. Einfluss nehmen kann bei diesem System jedoch nur der Bewerber selbst, indem er zeitgerecht Karrierevorbereitung und Karriereplanung betreibt, und ich glaube, das ist legal und auch im Sinne einer Vorbereitung auf eine Leitungsfunktion gut.

Unser Ziel war es, bei diesem System immer wieder Treffsicherheit betreffend die Qualifikation bei der Auswahl sowie Glaubwürdigkeit und Akzeptanz zu erreichen. Ich glaube, das ist uns gelungen. Das hat uns vor kurzem auch eine Studie der Universität Linz bestätigt, die wir durch das Landesschulratskollegium in Auftrag gegeben haben. Das Ergebnis war für uns äußerst positiv. Es hat im Großen und Ganzen die angestrebte Treffsicherheit und Glaubwürdigkeit bestätigt. Selbstverständlich wurden aber auch einige Verbesserungsvorschläge gemacht.

Die Bundesregierung hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, derartige Verfahren überall, aber zumindest einmal im Lehrerbereich einzuführen. Das ist tatsächlich ein positives Vorhaben, und ich meine, dass wir alle das mittragen können.

Wenn Ihnen dieses Thema ein Anliegen ist, dann lesen Sie sich die Charta durch, die der Regierungserklärung beigeschlossen ist. In dieser Charta scheinen nämlich alle Details auf, und sie trägt die Handschrift Oberösterreichs. Ich habe aus ihr haarscharf unser oberösterreichisches Modell herausgelesen, und ich denke, wir brauchen nichts Neues zu erfinden, wenn wir schon gute Beispiele kennen. Ich meine, wir sollten, wenn wir Objektivierung verlangen, diese nicht nur in einem Bereich verlangen, in welchem wir in der Minderheit sind und es für uns wünschenswert ist, sondern wirklich auch dort, wo wir in der Mehrheit sind und ehrlich sagen wollen: Wir wollen ein solches System, das allen gerecht wird.

Abschließend möchte ich noch eine Anmerkung zu den Ausführungen des Kollegen Meier über das Christentum machen. Er ist jetzt nicht da, vielleicht hört er mich aber draußen. Ich möchte das nicht unwidersprochen lassen. Er hat gemeint: Christentum hat sein Gutes, er wolle es aber aus der Politik heraushalten. Ich meine: Wenn man das sagt, hat man Christentum nicht verstanden. Denn wer Christentum ernst nimmt, der muss oder sollte es zumindest in all seinen Lebensbereichen leben, in der Familie, im Privatleben, natürlich auch im Beruf und in der Politik, wobei es da vielleicht am schwersten ist. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Das sollte sich vor allem daran zeigen, wie wir Menschen in allen Bereichen miteinander umgehen. Leider erkennt man uns Christen zu selten daran, wahrscheinlich deswegen, weil wir selbst zu wenig begriffen haben, was Christentum heißt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.19

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Trunk. – Bitte.

20.19

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Staatssekretäre! Ich nehme meine Vorrednerin bei allfälliger Kritik zu Wortmeldungen davor explizit aus, weil sich die letzte Wortmeldung tatsächlich auf die Sache konzentriert hat. Ich habe aus dem Inhalt Ihrer Wortmeldung und auch aus Ihrer Gestik und der Mimik empfunden, dass Sie ganz offensichtlich am allerwenigsten von einem Gewissen geleitet sind, das Sie nicht rechtfertigen können.

Ich sage jetzt zu Genossen Ledolter – ich bin sehr froh, dass am Anfang dieses Namens der Buchstabe "o" fehlt, da mir jetzt Genossin Leodolter eingefallen ist – und zu vielen anderen Kollegen vor allem von der ÖVP: Wenn man die Anzahl der Wortmeldungen von der ÖVP und die Anzahl der Wortmeldungen von der FPÖ und deren Vehemenz vergleicht, dann fällt einem Folgendes ein: Angriff ist die schlechteste Verteidigung im Sinne der politischen Kultur. Das heißt: Wer etwas vor sich selbst nicht rechtfertigen kann, muss es hundertmal wiederholen, um es selbst am Ende vielleicht doch nicht zu glauben. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. )

Herr Kollege Scheuch! Sie sind heute auffällig schweigsam, ebenso wie auch Herr Kollege Gruber aus Kärnten. Mir fällt nicht nur auf, dass Sie betreffend Semmering-Basistunnel zwar am 3. Februar im Kärntner Landtag einen Beschluss gefasst haben, sich heute hier aber der Abstimmung entzogen haben, sondern mir fällt auch auf, dass Sie sich auch zu dieser Regierung, zur Regierungskonstellation und zum Koalitionspaket bisher noch nicht zu Wort gemeldet haben. Das ist ziemlich interessant, Jörg Haider wird seine Freude haben.

Sie sind noch ein bisschen zu jung, aber Kollege Gruber ist mein Zeuge. Die Kärntner Minister sind jetzt nicht da, sonst wären sie es auch, denn wie Sie gemerkt haben, hat mir Elisabeth Sickl früher nicht widersprochen. – Zu Kollegen Ledolter: Die Kollegen von der ÖVP und leider auch Ministerin Gehrer beschimpfen letztlich die österreichische Jugend, die sich – ich zitiere – "die Frechheit herausnimmt", vom demokratischen Recht Gebrauch zu machen, sich an einer Demonstration zu beteiligen. – Das ist vorgekommen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. )

Jetzt kommt die Nervosität wieder aus der ganz anderen Ecke. Aber nur die ÖVP hat hier heute die Jugend – unter Anführungszeichen – "auch kollektiv kriminalisiert". Herr Kollege Scheuch müsste jetzt eigentlich grinsen. Herr Kollege Gruber! Ich gebe den ÖVP-Kollegen jetzt einen guten Rat: Sie kriminalisieren und beschimpfen die Jugend in Österreich, weil sie die Frechheit besitzt zu demonstrieren. Wissen Sie, was Haider macht? – Er geht derweil auf Stimmenfang, und zwar genau jener Jugendlichen, welche die ÖVP heute heftig attackiert hat.

Ich sage Kollegen Ledolter eines: Auch diese beiden demokratiemündigen Jugendlichen, die heute da hinten gesessen sind, auch 18-jährige GymnasiastInnen, können erstens Zeitung lesen, zweitens TV hören und sich drittens eine Meinung bilden. Wissen Sie, warum sie von dem Aufstand der Jugendlichen fasziniert sind? – Weil sie in eine österreichische Schule gehen und als Jugendliche sehr wohl merken, dass von Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit von Jahr zu Jahr weniger die Rede ist, weil wir mittlerweile in der Republik Österreich leider ... (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. ) – Nein! Unter Kreisky war das anders. (Beifall bei der SPÖ.) Unter Kreisky waren maximal 24 Kinder in einer Schulklasse, heute sind 36 Kinder in einer Schulklasse, und da sprechen wir nicht mehr von Chancengerechtigkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid: Das ist die Auswirkung der Integrationsarbeit!)

Diese Kinder sind an der Demokratie sehr interessiert, und sie wollten heute – ich sage es jetzt in ihrer Kinder- und Jugendsprache – ihre Chefin sehen, nämlich Ihre Ministerin. Was haben sie hier gehört? – Im Zusammenhang mit einem Flugblatt, das sie dort als Zuschauer der Demonstration nicht gesehen haben, wurden Zigtausende österreichische Jugendliche kollektiv beschimpft, dass sie sich die Frechheit herausnehmen, gegen diesen Bildungsabbau zu demonstrieren. Und sie wurden auch hier kollektiv beschimpft. Auch Herr Kollege Ledolter hat es getan. (Bundesrätin Haunschmid: Zigtausende waren es nicht! – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Diese Kinder haben Energieferien. Sie dürfen wohl Touristen in Wien sein. Danke schön für das Aufenthaltsrecht der Kärntner Kinder in Wien! (Heiterkeit des Bundesrates Konečny. )

Jetzt komme ich aber zur Regierungserklärung. (Bundesrat Hagen: Haben Sie auf dem Landesparteitag auch so viel Blödsinn geredet? Dann verstehe ich, dass Sie nur 46 Prozent bekommen haben!)

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Einen Moment bitte, Frau Kollegin Trunk!

Herr Kollege! Ich darf Sie darauf hinweisen, dass ein Zwischenruf mit den Worten "Haben Sie dort auch so einen Blödsinn geredet?" hier nichts verloren hat! Bitte merken Sie sich das!

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (fortsetzend): Jetzt aber zur eigentlichen Regierungserklärung des Bundeskanzlers. – Aus demokratischer Sicht respektiere ich grundsätzlich jede Regierung in jedem demokratischen Land. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP und der FPÖ! Sie werden aber verstehen, dass sich meine Wertschätzung in Grenzen hält.

Erstens: Als Demokratin ziehe ich das Resümee – insbesondere und nicht nur aufgrund der heutigen Debatte, sondern aufgrund der öffentlichen Debatten der letzten 14 Tage –, dass wir als Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in Österreich mit einer Regierung konfrontiert sind, die nicht den Mut hat, ans Tageslicht zu treten, um zur Angelobung zu gehen. Vielmehr sind wir in der Republik Österreich erstmals in der Geschichte mit einer Tunnelregierung konfrontiert, das heißt mit einer Regierung, die sich davor fürchtet, kritisiert zu werden, einer Regierung, die sich vor Kritik und vielleicht auch vor einer knallroten Tomate fürchtet! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck. ) Ich erinnere Sie an einen großen Bundeskanzler der Republik Österreich, der angesichts der Ortstafelkonflikte in Kärnten gesagt hat: Ein ordentlicher Demokrat verlässt keinen Saal durch die Hintertür! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich gebe nun nur am Rande dem für Tourismus zuständigen Minister einen Hinweis. Man könnte, würde man den Österreichern und den Touristen in Wien diesen Tunnel zeigen, wirklich Eintritt dafür verlangen. Denn nach diesem Ereignis hatten die Kinder Sehnsucht danach, diesen Tunnel kennen zu lernen. (Beifall bei der SPÖ.)

Trotz konservativer Bildungspolitik, aber als Demokratin, geschätzte Ministerin Gehrer und Bundeskanzler Schüssel, frage ich Sie, wobei ich jetzt bei dem Bild der Jugendlichen bleibe, über die heute so viel gesprochen wurde: Wie erkläre ich den Jugendlichen die unwahrscheinliche sprachliche Täter-Opfer-Umkehr, die ein gewisser Bundeskanzler Schüssel vorgenommen hat? Wie soll ich ihnen erklären, dass Hunderte Journalisten – ich bleibe jetzt in Kärnten – in Kärnten anwesend sind, nicht nur bei den Pressekonferenzen des Herrn Landeshauptmannes? Soll ich ihnen etwa erklären, dass es der Mittagskogel und der Faaker See waren, die Herrn Chirac beschimpft haben? – Sie werden es mir nicht glauben! (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) Soll ich vielleicht erklären, dass es die Gerlitzen und der Wörther See waren, die die ordentliche Beschäftigungspolitik als Muster für diese Republik hochgehalten haben? Soll ich diesen Jugendlichen vielleicht erklären ... (Bundesrat Ing. Scheuch: Ich sage nur: Schlag nach bei Arbeiter!)

Jetzt sage ich Ihnen Folgendes: Wegen eines Gebhard Arbeiter, der vor dem Schiedsgericht der SPÖ steht, der vor Gericht steht, muss niemand aus Kärnten flüchten und ein A-Pickerl tragen. Das ist der große Unterschied! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch.  – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wie soll ich all das diesem 18-jährigen Mädchen erklären, die Herrn Haider sehr gut kennt und auch schon mit ihm gesprochen hat und die auch Herrn Zernatto und Herrn Lexer kennt? – Vorige Woche hatten sie eine Unterredung. Wie soll ich erklären ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) – Sie war dabei, als ein gewisser – damals noch nicht Landeshauptmann – Herr gesagt hat – ich zitiere –: "Die schwarzen und die roten Filzläuse werden wir mit Blausäure vernichten!" (Bundesrat Ing. Scheuch: Wie erklären Sie das Verhalten eines Herrn Arbeiter?) Diese Jugendlichen können nicht verstehen ... (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) Nicht: aber geh! Das ist ein historisches Zitat, das sich auch die Jugendlichen gemerkt haben, die im Gegensatz zum Herrn Bundeskanzler ein Langzeit- und ein Kurzzeitgedächtnis haben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Nun komme ich zu Kollegen Himmer, der mittlerweile schon heftig gähnt, aber es ist auch schon Abend! Ich sage zu einem, der um Vorzugsstimmen mit dem Slogan "Bonzen quälen – Himmer wählen" gebuhlt hat: Sie sind heute ganz schön alt und sehr bonzig gewesen, Herr Kollege! (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. ).

Nun das vorletzte Resüme (Bundesrat Bieringer: Erklären Sie mir, was das mit der jetzigen Debatte zu tun hat!) – Natürlich! Haben Sie sich die Ausführungen Ihres Kollegen Himmer nicht gemerkt? – Das war eine Verteidigungsrede für das derzeitige System in dieser Regierung. – Ich bin sehr vorsichtig, ich bin sprachgewandt.

Aber ich anerkenne die neue Diktion und die neuen Richtlinien dieser neuen Regierung, die, wie gesagt, Demonstrationsrecht in Abrede stellt oder kriminalisiert. (Bundesrat Ing. Scheuch: Wer tut dies?) – Es ist dies heute zehnmal der Fall gewesen! (Bundesrat Bieringer: Wer stellt das in Abrede? Sagen Sie, wer das in Abrede stellt!) – Schauen Sie sich Ihre eigenen Reden an! (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Ich kann mindestens genau so laut brüllen wie Sie, allerdings ist dann Inhalt drinnen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bieringer: Das ist unerhört!)

Ich respektiere als Demokratin diesen neuen Stil, der nicht mein Stil ist. (Bundesrat Bieringer: Vor solchen Demokraten wie Ihnen müssen wir uns fürchten!) Daher frage ich Sie von der FPÖ und von der ÖVP: Wie ist aus dem Kinderscheck – jede Mutter bekommt für jedes Kind 5 700 S – in diesem Abkommen ein unsoziales Belastungspaket geworden? – Sie werden es mir beantworten.

Ich frage Sie: Wo bleibt die Solidarität mit den Betroffenen, nämlich mit den kranken Menschen, wenn sie zusätzlich einen Selbstbehalt bezahlen müssen, wenn sie krank sind und ein Röntgenbild brauchen? – Ich frage Sie: Wo ist die soziale Treffsicherheit?

Ich frage Sie: Wer hat denn, und zwar nicht nur in Kärnten, sondern landauf, landab, eine Strompreissenkung plakatiert? Womit sind wir heute konfrontiert? – Mit einem höheren Strompreis!

Wer hat denn von der Hilfe für Pendler und einer Erhöhung der Pendlerpauschalen geplaudert? – Heute haben wir eine doppelte Besteuerung der Kfz, der Vignette und vieler anderer Dinge auch. (Bundesrat Weilharter: Haben wir nicht!) Das heißt: Wo ist das Versprechen, das Sie nicht nur vorgestern, sondern auch gestern gegeben haben, und was ist die Wirklichkeit? (Beifall bei der SPÖ.)

Ganz zum Schluss: Ich lasse – weil mir Kunst und Kultur auch über diese Regierung hinaus ein Anliegen bleiben – Fragen, die ich Staatssekretär Morak stellen wollte, deshalb aus, weil er für mich ein Künstler ist und einen – unter Anführungszeichen – "besonderen" Schutz hat. (Heiterkeit des Bundesrates Mag. Himmer. ) Ich habe andere zu befragen. Ich frage ihn nicht, wie er sich als Kunstschaffender fühlt, der vorgestern noch beschimpft wurde und auch zu den Staatskünstlern gehört hat, von denen früher ein ÖVP-Kollege gesagt hat – du warst es! –: Wenn die Künstler keinen Steuerschilling mehr kosten, dann erst haben sie das Recht auf ihre Freiheit. – Haben Sie überlegt, was Sie mit diesem Satz ausgedrückt haben? – Das ist die größte Frechheit und der größte Angriff gegen die Kunst! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage den abwesenden Bundeskanzler und auch Frau Gehrer nichts, sondern ich sage Ichnen, was geschehen wird. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Das, was jetzt auf Bundesebene vor sich geht, hat vor zehn Jahren eins zu eins in Kärnten stattgefunden. Zuerst haben wir den Obmann der kleinsten Partei – das waren nicht wir, sondern ein gewisser jetziger Landeshauptmann! – zum Landeshauptmann gemacht. Dann hat dieser Landeshauptmann kurzfristig erkannt, dass er kein zweites Mal den 48-Stunden-Pakt eingehen wird. Jetzt hat Herr Haider nach dem gleichen Muster – die Grünen seien ausgenommen, und die Liberalen gibt es leider nicht mehr – den Kleinsten – nicht nur mit Mascherl –, die kleinste Partei auf den Bundeskanzler-Sessel gehievt. (Bundesrat Ing. Scheuch: 42 Prozent!)

Zweitens: Er hat es damals in Kärnten getan – was er jetzt nicht mehr tut, denn er ruft jetzt nur mehr von außen an, daher ist in Kärnten ein bisschen Ruhe eingekehrt –, und er wird es wieder tun, nämlich die Regierungsmitglieder und Minister wie Puppets on a String auswechseln. Ich sage Ihnen heute: Wenn der soziale Aufschrei in der Republik Österreich kommen wird, dann wird die Ministerin aus Kärnten wieder nach Kärnten zurückgehen müssen.

Einen einzigen wird es in dieser Regierung geben, der die Kraftprobe mit Jörg Haider angehen wird, nämlich den jetzigen Finanzminister. Ich habe ihn heute gesehen, und ich kenne ihn recht gut, wenn auch kürzer, weil er jünger ist als Haider. Er wird diese Kraftprobe angehen. Er genießt es heute schon, ihm damals mit seinen Sätzen und seiner Begründung Adieu gesagt zu haben. Er hat sich verabschiedet. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) – Sie haben damals auch zu den Buberln gehört, als Sie noch jünger waren, Herr Kollege Scheuch! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Glauben Sie mir: Grassers Vater hat einen Tag nach dessen Angelobung als Minister gesagt: "Mein Sohn ist zu Höherem in der Republik Österreich berufen und nicht nur zum Finanzminister." – Grasser musste gehen, als er plakatiert hat, dass er der Landeshauptmann-Kandidat für Kärnten sein wird. Grasser wird diesmal nicht gehen, wenn Haider eifersüchtig werden wird! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

20.35

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Mag. Himmer zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von fünf Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigenden Sachverhaltes zu beschränken. – Bitte, Herr Kollege Himmer.

20.35

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Auch wenn Kollegin Trunk schon so gut schreien kann wie Kollege Konečny, werden ihre Aussagen deswegen nicht richtiger. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Erstens: Niemand hat hier das Demonstrationsrecht als solches in Frage gestellt. Nennen Sie den Namen und das Zitat des Bundesrates oder der Bundesrätin, der oder die das gemacht hat. Sie werden es nicht finden, denn niemand hat das Demonstrationsrecht in Frage gestellt. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist keine tatsächliche Berichtigung!)

Zweitens: Sie haben sinngemäß gesagt, dass Kollege Missethon gesagt hätte, dass sich die Künstler erst dann, wenn sie keinen Schilling mehr aus öffentlicher Förderung bekommen, wieder artikulieren dürfen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Was heißt "sinngemäß"?)  – Was er gesagt hat, ist: Das Establishment von Kunst und Medien wurde durch Förderungen und Professorentitel, wie zum Beispiel auch hier in der vorderen Reihe, ruhig gestellt. Das war es, was Kollege Missethon gesagt hat. (Zwischenruf des Bundesrates Freiberger. )

Drittens: Da ich jetzt schon hier am Rednerpult stehe, sage ich auch etwas zu Ihrem Ausspruch betreffend die kleinste Partei: Die kleinste Partei ist mandatsmäßig die zweitstärkste Partei im Nationalrat und die stärkste Partei im Bundesrat! Unsere Minderwertigkeitskomplexe halten sich in Grenzen. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Mag. Trunk: Das hören wir!)

20.38

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Gruber. – Bitte.

20.38

Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Frau Präsidentin! Geschätzte Staatssekretäre! Hoher Bundesrat! Heute ist zwar schon sehr viel gesagt worden, aber noch nicht alles und – das ist Problem dabei – nicht von allen. Deswegen muss ich auch etwas sagen. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Dr. d′Aron: Das ist eine Drohung!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Rot wurde am 3. Oktober abgewählt. (Bundesrat Ing. Scheuch: Bravo! – Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Payer: Und ihr seid die Kleinsten geworden!)

Die Zeitwende durch den Wähler ist herbeigeführt worden, Schwarz-Blau ist eine Chance für Österreich. Der Staat soll nur mehr für die Rahmenbedingungen und dafür zuständig sein, dass Leistungsschwächere nicht unter die Räder geraten. – Das sagte am Vormittag unser Bundeskanzler Wolfgang Schüssel.

Zu den Leistungsschwächeren zählen sicherlich auch unsere Bauern, insbesondere die Bauern im benachteiligten Gebiet. Erfreulich ist, dass die Landwirtschaft und die Umwelt geclustert sind. Somit ist Willi Molterer ganzheitlich für Boden, Wald, Luft und Wasser zuständig. Und das, liebe Freunde, ist richtig so, bei meiner Ehr’! (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Sie werden sich noch wundern!)

Das Regierungsübereinkommen von ÖVP und FPÖ sieht insbesondere im Sozialbereich eine Beseitigung der bisherigen Schlechterstellung der Landwirte gegenüber anderen Berufsgruppen sowie eine Verbilligung von Agrardiesel vor. Die Landwirtschaft hat aber so wie alle anderen Berufsgruppen – das darf ich hier sagen – einen Beitrag zur Sicherung des Pensionssystems zu leisten.

Ein Wort zum Agrardiesel: Ihr von der SPÖ wollt eine Erhöhung der Mineralölsteuer. Die neue Regierung ist dagegen. Sie wird den Agrardiesel einführen, das heißt: Absenkung auf das Niveau von Heizöl extraleicht. Ich bin dafür, dass wir Bauern Heizöl für unsere Traktoren verwenden dürfen. Damit ersparen wir Administrationsaufwand und sehr viele Beamte. Unser lieber Freund Drochter wird sich nicht darüber aufregen können, dass die Bauern ihren Mercedes mit Agrardiesel betreiben. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Deshalb stimmen Sie zu: Heizöl für die Traktoren! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Was für viele Bauern im EU-Raum möglich ist – nämlich mit Heizöl zu fahren –, soll für uns in Österreich auch möglich sein. (Ruf bei der SPÖ: ... Abfangjäger! – Bundesrätin Mag. Trunk: ... mit Heizöl!)

Die bisherigen Schlechterstellungen beim Berufsschutz sollen beseitigt und das fiktive Ausgedinge soll nach ÖVP und FPÖ gesenkt werden. Bei Nebenerwerbslandwirten, die von der Arbeitslosigkeit betroffen sind, soll in Zukunft nicht mehr die Einheitswertgrenze von 60 000 S herangezogen werden, sondern die für alle Arbeitnehmer geltende Geringfügigkeitsgrenze von derzeit 3 900 S monatlich. (Bundesrätin Schicker: 60 000 S ist immer eine gute Höhe!) Dagegen wird auch Drochter nichts haben. Maßgeblich ist das steuerliche Einkommen, doch bis zu Einheitswerten von knapp 180 000 S wird es keine Probleme geben, weil das daraus abgeleitete steuerliche Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze liegt.

Für die Sanierung der Krankenkassen sieht das ÖVP-FPÖ-Papier auch die Einführung von Selbstbehalten vor, die kostensenkend wirken sollen. Die SPÖ hat nur auf Beitragserhöhungen und somit auf eine vermehrte Belastung der Versicherten gesetzt. (Bundesrat Konečny: Aber wer zahlt die Selbstbehalte? Das Christkind?)

Die Erntehelferregelung – wieder ein Fall für unseren Drochter aus der linken Reichshälfte (Heiterkeit bei der SPÖ)  – sieht nach dem ÖVP-FPÖ-Papier eine Verweildauer im Lande von bis zu sechs Wochen vor. Darüber hinaus sind für Erntehelfer keine Pensionsversicherungsbeiträge zu zahlen.

Die Stärkung der Finanzkraft des ländlichen Raumes wird von der ÖVP-FPÖ-Regierung mittels einer Reform des Finanzausgleichs zur Umsetzung zu bringen sein. Dies wird vor allem für unseren Bezirk St. Veit an der Glan von größter Notwendigkeit sein, da wir, was die Bevölkerungsentwicklung anlangt, der einzige Bezirk in Kärnten sind, der eine drastische Bevölkerungsentwicklung nach unten aufweist. (Rufe bei der SPÖ: Oje, oje!)

Jetzt zu dir, liebe Melitta Trunk: Wenn du von Chancengleichheit und von Chancengerechtigkeit redest, dann muss ich dich fragen: Wo ist die Chancengleichheit, wenn der kleine Hackler, der schon 45 Dienstjahre hat, noch einmal zwei Jahre dazulegen soll? – Dies gibt es im ÖVP-FPÖ-Regierungsübereinkommen nirgends! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Bundesräte Freiberger, Fuchs und Mag. Trunk. ) Wenn du sagst, dass in Kärnten Hunderte Journalisten sind, so kann ich mir vorstellen, dass das sicher dem Fremdenverkehr gut tun wird. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP.) Wenn du fragst, was mit dem Kinderscheck passiert ist, so muss ich dir sagen: Aus dem Kinderscheck ist das Karenzgeld für alle geworden, und das ist auch nicht schlecht! (Beifall bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.)

Zur Eins-zu-eins-Umsetzung darf ich dir sagen: Unser Parteiobmann (Bundesrätin Mag. Trunk: Welcher?)  – Lexer – hat mit dir einen Pakt geschlossen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Und Wurmitzer ...!) Das Problem war nur, dass dich deine Regierungsmitglieder im Regen stehen haben lassen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Da hat es nur geschneit!) Das ist nun einmal ein Problem.

Nun ein paar Worte zur linken Reichshälfte (Zwischenruf bei den Freiheitlichen)  – nun ja, "Hälfte" ist ein bisschen übertrieben, aber heute wollen wir sie nicht mehr so hart anpacken –: Herr Konečny! Herr Promotor! Sie sind, so haben Sie gesagt, im Ausland Promotor. Ihr erweist euch als schlechte Demokraten und als schlechte Verlierer! (Bundesrätin Mag. Trunk: Das musst du aber auch herunterlesen!) Ihr macht Politik der verbrannten Erde! (Rufe bei der SPÖ: Na, na!) Ist das Weichen vom Futtertrog wirklich so schwer? (Bundesrätin Mag. Trunk: Du siehst ganz schön satt aus! – Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit des Redners.) – Ordnungsruf! Ordnungsruf! So kann es nicht sein!

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es hätte schon so viele Gründe für Ordnungsrufe gegeben. Ich werde keinen Ordnungsruf erteilen.

Bundesrat Ing. Franz Gruber (fortsetzend): Da kann ich nur auf gut Kärntnerisch sagen: Was regt ihr euch über ein paar Aussprüche aus dem Bärental gar so auf? – Euer Sonnenkönig Kreisky hat gesagt: Friedrich Peter ist ein verdienstvoller Mann; Simon Wiesenthal ist ein politischer Winkeladvokat – und der Bruderkuss mit Gaddafi und Arafat war auch nicht so ohne.

Von Häupl stammt die Aussage: Wir werden die ÖVP in die Regierung zwingen, und jetzt spricht er – wir haben es heute schon ein paar Mal gehört – von einer "Ausbeuterregierung" und von "Reichsarbeitsdienst".

Edlinger lässt lieber den Hund auf seine Wurst aufpassen als die ÖVP auf das Budget (Bundesrätin Mag. Trunk: Da hat er Recht!), und unser Freund Bundesrat Drochter sagt, die ÖVP lege sich mit einem Hund ins Bett, da brauche sie sich nicht zu wundern, wenn sie Flöhe bekommt. (Heiterkeit der Bundesräte Payer und Fuchs. )

Ich glaube, ihr braucht euch nicht über den Bärentaler aufzuregen, denn die eben zitierten Aussprüche sind auch nicht von schlechten Eltern. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Dass sich bei euch die Begeisterung in Grenzen hält, ist verständlich. Aber Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wird mit der FPÖ Österreich neu regieren, und das wird unserem Land, unseren Bürgern gut tun. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.47

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Grillenberger. – Bitte.

20.47

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Meine beiden Herren Staatssekretäre! Meine Damen und Herren! Es ist schon sehr viel gesagt worden, und die Wortwahl ist heute sehr oft betont worden. Ich glaube, wir haben als Republik Österreich sehr viel zu verlieren. Ich möchte fast sagen, es ist schon Feuer am Dach. Seien wir, die wir einst die "Insel der Seligen" genannt wurden, doch ein bisschen stolz!

Es ist heute hier – ich glaube, aus gewissen Emotionen heraus – sehr viel gesagt worden, und ich meine, wir sollen uns doch zurücknehmen. Besinnen wir uns auf unsere Aufbauleistung, unsere Republik, die wir, alle demokratischen Kräfte gemeinsam, aufgebaut haben (Bundesrat Mag. Gudenus: Ja, das stimmt!), und seien wir stolz darauf! (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Wenn heute in einer Regierungserklärung, in einer Präambel steht, welche Haltung wir einnehmen, so ist das (Bundesrat Meier: Das ist eine Selbstverständlichkeit!) für mich selbstverständlich, denn sonst könnte man sagen, Papier sei geduldig. Die neue Regierung muss nur ihre ganze Kraft für viele notwendige Reformen, die jede Regierung – von welcher Konstellation oder Zusammensetzung auch immer – machen hätte müssen, mobilisieren. Sie wird darüber hinaus noch mehr Kraft und Zeit aufwenden müssen, um im Inland und Ausland aufzuklären. Sie muss den ausländischen und insbesondere unseren EU-Partnern rasch vor Augen führen, dass sie im europäischen Geist handlungsfähig ist.

Die ganze Welt sah zu, als die neue Regierung ins Amt eingeführt wurde. Ich sage einmal: Die schwarz-blaue Konstellation ist Realität. Wir sind Demokraten. Wir nehmen das zur Kenntnis. Es ist legitim, dass beide Parteien jetzt eine Regierungskonstellation bilden. Ob wir damit zufrieden sind, das können wir erst im Nachhinein feststellen, und der Wähler wird das auch feststellen, wenn wieder die Wahl ansteht.

Meine Damen und Herren! Es ist keine Frage: Auch bei einer sozialdemokratischen Mitregierung oder Regierungsbeteiligung hätte die Regierung ihr Augenmerk auf eine Sanierung des Budgets und auf viele Reformen und Änderungen legen müssen. Aber ich bin überzeugt, dass bei einer sozialdemokratischen Regierungsbeteiligung das Regierungsprogramm – im Vergleich zu dem schwarz-blauen Regierungspakt – von einer wesentlich sozialeren Komponente geprägt gewesen wäre.

Zu den erwarteten Belastungen ist heute schon sehr viel gesagt worden. Nehmen wir einmal zur Kenntnis, dass das in der Regierungserklärung steht! Alles weitere werden wir, wie ich schon gesagt habe, dann im Nachhinein feststellen können. Ich möchte aber etwas pointiert im Hollywood-Jargon sagen: Wir sollten nicht umverteilen in "Reich und Schön" (Heiterkeit des Bundesrates Konečny ), sondern wir sollten soziale Komponenten gelten lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Kollege Meier hat es heute schon erwähnt: Es wird wahrscheinlich nicht alles so heiß gegessen, wie es im Regierungspapier steht. Denn bisher hat noch keine Regierung alle Teile ihrer Regierungserklärung auf Punkt und Beistrich nachvollziehen und umsetzen können. Ich gehe auch in diesem Fall davon aus. Auch von den Versprechungen, die jede der beiden jetzt in der Regierung befindlichen Parteien vor der Wahl abgegeben hat – ich will jetzt gar keine Zitate bringen –, findet sich so manches nicht mehr in diesem Regierungspapier.

Genau so wird es sein, wenn wir – in beiden Häusern – demokratisch über verschiedene Komponenten diskutieren. Seien wir doch etwas stolz, und besinnen wir uns wieder auf unsere berühmte Sozialpartnerschaft, auf unsere demokratischen Diskussionen! Wenn die Häuser in demokratischer Weise das umsetzen, dann bin ich überzeugt davon, dass wir auch die Zukunft gut meistern werden. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Bieringer. )

Ich bin mit der neuen Regierung und deren Vorgangsweise – das muss ich schon sagen – nicht ganz einverstanden. Das ist doch legitim, das kann man mir zumuten. Die Reaktionen und Drohungen aus dem Ausland aber finde ich persönlich doch übertrieben. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie Beifall des Bundesrates Bieringer. )

Ich möchte nur aus burgenländischer Sicht – meine beiden Kollegen aus dem Burgenland, Herr Vizepräsident Payer und Herr Kollege Linzer, werden das bestätigen können – einige Dinge zitieren, die sich im Burgenland nach der Regierungserklärung ereignet haben:

Wir haben einen Wahlburgenländer, einen Künstler und Musiker: Toni Stricker ist sein Name. Nach der Regierungserklärung wurden 13 Konzerte abgesagt, und er fürchtet, dass auch ein weiteres Konzert in Amerika abgesagt werden wird. Diese Reaktionen sind unverständlich!

Beim nächsten Fall geht es um ein Schulaustauschprogramm, an dem eine Schule aus dem Burgenland teilgenommen hätte. Nach der Regierungserklärung kam ein Fax: abgesagt! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) Wir wollen damit nichts mehr zu tun haben! – Die Angehörigen des Lehrkörpers sind daraufhin persönlich nach England gefahren, haben Kontakt aufgenommen, und es kam bereits die Meldung zurück: Der Schulaustausch wird stattfinden. (Bundesrat Dr. Böhm: Bravo!)

Es ist nicht so, dass wir keine Schadensbegrenzung betreiben. Auch wir Sozialdemokraten sind nach außen hin dazu bereit. Aber eines, so glaube ich, können Sie nicht von uns erwarten: dass wir alles mit Fug und Recht mit tragen können! Das Recht auf unsere Meinung – sei es auch in der Form, sie jetzt gewaltfrei auf der Straße kund zu tun – müssen wir in einer Demokratie gelten lassen! – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

20.54

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Grander. – Bitte.

20.54

Bundesrätin Maria Grander (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Hohes Haus! Ich bin der Meinung, dass wir ein ambitioniertes Regierungsprogramm haben. Es wird momentan sicherlich sehr viel über Politik gesprochen, und ich finde das auch sehr positiv. Politik ist wirklich wieder zu einem Diskussionsthema geworden.

Mit den Aussagen von Frau Schicker bezüglich "verraten und verkauft" kann ich mich nicht identifizieren, weil zur Zeit sicher weder jemand verraten noch jemand verkauft worden ist. (Ruf bei der SPÖ: Zur Zeit!)

Was das Programm betrifft, so möchte ich nur kurz auf die Frauenpolitik eingehen. Kollegin Fuchs hat gemeint, es gibt einen Rückschritt in der Frauenpolitik dadurch, dass das Frauenministerium anderweitig untergebracht ist. Sie können im Programm sehr deutlich lesen, dass es Politik für Frauen gibt, die in acht Punkten festgelegt ist. (Bundesrätin Fuchs: Das ist aber ein bisschen wenig!) Ich glaube, das kann jeder lesen. Es kommt sicherlich auch auf die Interpretation an, Frau Kollegin!

Ich denke, dass im Regierungsprogramm sehr viel von dem festgeschrieben ist, was wir jetzt haben, ob es jetzt um Gleichberechtigung in der Partnerschaft für Frau und Mann oder um Frauen in Bildung und Ausbildung et cetera geht. Ich glaube, das kann wirklich jeder im Regierungsprogramm lesen. (Bundesrätin Fuchs: Wo sind die Maßnahmen? – Die fehlen! Die Maßnahmen fehlen!) – Sie kommen! Sie kommen sicher!

Weiters möchte ich auf die Karenzzeit eingehen. 24 Monate Karenzzeit und weitere 12 Monate für den Partner, sind sicher etwas, was sehr wünschenswert ist. Ich komme aus der Krankenpflege, einem Beruf, der frauenorientiert ist, in dem es also sehr wenige Männer gibt. Ich erlebe tagtäglich – ich habe das in diesem Raum auch schon ein paar Mal angesprochen –, dass Frauen, Mitarbeiterinnen von mir, mit eineinhalbjährigen Kindern vor mir sitzen und sagen, sie möchten die Karenz noch gerne um ein halbes Jahr verlängern, weil sie einfach ihr Kind mit eineinhalb Jahren nicht "institutionalisieren" wollen. Sie wollen es in keine Krippe geben. Teilweise ist es für Mütter – das erlebe ich – auch schon ein Problem, das Kind zur eigenen Mutter zu geben.

Ich finde diese Anhebung auf zwei Jahre sehr gut. Hier geht es überhaupt nicht darum, die Frauen zurück an den Herd zu bringen. Die Frauen entscheiden sehr wohl selbst, wie sie damit umgehen. Ich erlebe auch das Umgekehrte, nämlich dass man sich diese Aufgaben teilt. Was die Betreuung des Kindes bis zum dritten Lebensjahr betrifft, so weiß jeder, der selbst Kinder hat oder Kinder betreut, dass es bereits ein Problem ist – ich glaube, da ist es gleich, ob man ein Mann oder eine Frau ist –, ein Kind mit drei Jahren in den Kindergarten zu geben. Dreijährige Kinder, die von 7.30 Uhr bis 12.30 Uhr im Kindergarten sein müssen, halten das einfach nicht aus (Bundesrätin Schicker: Also, bitte!)  – ich sage es einfach, wie es ist –, vor allem dann nicht, wenn es lebhafte Kinder sind. Ich denke, diese Dinge sollte man sehr wohl bedenken. (Bundesrätin Fuchs: Ich bin Kindergärtnerin! Ich war 25 Jahre im Kinderdienst! Glauben Sie mir, sie halten das aus! Gesunde Kinder gehen sehr gerne in den Kindergarten!)

Ich kenne sehr wohl auch Kindergärtnerinnen. Ich kann hier von Tirol und von meiner Gemeinde Wattens sprechen. Wattens ist eine Gemeinde mit 7 000 Einwohnern, und wir haben viele Kindergärten. Wir haben Gott sei Dank in Tirol – ich empfehle das sehr – ein Familienpaket (Bundesrätin Fuchs: Sie brauchen keine Kindergärten!), mit dem der Mutter ermöglicht wird, ein halbes Jahr länger bei ihrem Kind zu sein. Wenn Frauen mit dem Erziehungszuschuss das Auslangen finden, dann ist das oft eine Lösung für viele Mütter, die sagen: Das ist fein für mich, jetzt kann ich ein halbes Jahr länger bei meinem Kind daheim bleiben.

Ich erlebe es sehr wohl, dass es nicht so einfach ist. (Bundesrätin Fuchs: Die Wahlmöglichkeit ...!) Ich habe selbst einen Siebenjährigen und einen Vierjährigen zu Hause – ich kenne also auch diese Dinge –, und ich bin selbst voll berufstätig. Ich habe Gott sei Dank einen Mann, der sich diesen Aufgaben stellt, ansonsten wäre das nicht möglich. Ich denke, es sind sehr viele Dinge, die bei dieser Entscheidung möglich sind.

Was diese ständigen Diskussionen über die hohen Einkommen betrifft, so stelle ich fest, dass es vor allem junge Familien sind, die das Karenzgeld brauchen. Wenn ein Mann oder auch eine Frau in eine höhere Gehaltsklasse kommt, dann ist diese Zeit meist vorbei. Es gibt auch sehr viele, die späte Erstgebärende sind (Bundesrätin Schicker: Immer mehr!)  – wenn ich das jetzt im Jargon der Krankenschwester sagen darf –, es sind immer mehr. Wenn ich mir das jetzt aber unter dem Gesichtspunkt des Verdienstes ansehe, dann sind das sicherlich nicht jene, die Höchstverdienste beziehen.

Das betrifft meines Erachtens eine ganz kleine Gruppe, über die man hier diskutiert. Es sind sehr viele junge Familien, egal ob sie jetzt mit 28 oder mit 25 Jahren heiraten. Es sind Familien, deren Einkommen nicht so hoch ist und für die ein höheres Lebens- und Berufsalter erst später einkommenswirksam wird.

Was für mich persönlich auch noch sehr wichtig ist, ist diese pensionsbegründende Wirkung der Kinderbetreuungszeiten, weil ich es jeden Tag im beruflichen Alltag erlebe, dass Frauen bis zum 60., 62. oder gar 65. Lebensjahr arbeiten müssen, um 15 Jahre zusammenzubringen und damit überhaupt in Pension gehen zu können. (Bundesrätin Schicker: Wenn sie überhaupt so lange behalten werden!)

Wenn das pensionsbegründend ist, dann ist diese Sache natürlich einfacher. (Bundesrat Konečny: Wenn es für sie eine Arbeit gibt! Das ist ja absurd! Das ist ja die Problemstellung!) – Nein, das ist keine Problemstellung, sondern mit der Pensionsbegründung können wir viele Dinge abfangen.

Die Erleichterung des Wiedereinstiegs in das Berufsleben gehört begleitend auch zur Karenz. Auch das ist im Regierungsprogramm festgeschrieben. Auch was die flexibleren Arbeitszeiten betrifft, so denke ich, dass es hier sicher etwas geben wird, was dann für alle wirksam werden wird. Auch Frauenförderungsprogramme sind für mich wichtig. Ich denke, dass mit diesen Maßnahmen Familie und Beruf vereinbar sind.

Ich möchte noch einmal auf die am 1. 1. 2000 in Kraft getretene Steuerreform hinweisen, durch die, wie heute bereits einmal erwähnt wurde, den Familien doch 10 000 S mehr pro Haushalt übrig bleiben. Wenn auch bei den Strom- und Mietpreisen noch Maßnahmen gesetzt werden, dann kann dadurch, so glaube ich, für die Familien sehr viel getan werden.

Weiters wird, wie aus dem Regierungsprogramm hervorgeht, die Mobilität in der Arbeitswelt erhöht und erleichtert. Ich nenne als Beispiel nur das Schlagwort "Abfertigung neu", möchte aber nicht weiter darauf eingehen.

Eine weitere wichtige Maßnahme wurde bei den Pensionssystemen gesetzt.

Dass im Rahmen der von unserem Bundeskanzler angesprochenen Behindertenaktionsprogramme etwas weitergeht, liegt mir sehr am Herzen.

Die Generationensolidarität ist für mich aus der Sicht meiner eigenen beruflichen Verantwortung ein sehr wichtiges Anliegen. Ihre Drehscheibe ist die Familie, und sie erstreckt sich von der Betreuung beziehungsweise Pflege der Kinder bis zur Betreuung beziehungsweise Pflege der älteren Generation, und ihr Stellenwert wird immer höher. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

21.01

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ager. – Bitte.

21.02

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Kollege Grillenberger hat genau die richtigen Worte gefunden. Ich werde mich befleißigen, diese Worte weiterzuführen, weil ich denke – das habe ich beim letzten Mal bereits gesagt –, dass wir uns gegenseitig brauchen.

Einen Satz vielleicht noch zu den "wild gewordenen Wirtschaftslobbyisten", die Kollege Freiberger erwähnt hat, der sich nicht so zügeln konnte. Dazu darf ich an dieser Stelle doch einmal anmerken: Bis jetzt hat man meiner Meinung nach immer lauwarme Geschichten gemacht, die nicht Fisch und nicht Fleisch waren. Offensiven für die Wirtschaft waren immer von Offensiven für die Sozialgeschichte begleitet. Beides gleichzeitig geht aber, wie wir wissen, nicht.

Ich denke, man sollte der Wirtschaft wirklich einmal die Luft geben, die sie braucht. Dann, so glaube ich – das kann ich hier auch versprechen –, können wir uns in der Zukunft viele Dinge in der Sozialgeschichte leisten. Auch das soll einmal gesagt werden.

Beginnen möchte ich mit der Tatsache, dass wir eine neue Regierung haben. (Bundesrat Konečny: Das ist uns schon aufgefallen!) Darüber, dass man sich dieser Tatsache endlich fügen soll und muss, ist auch schon gesprochen worden. Das ist eine Frage des Demokratieverständnisses, auch das ist schon angeklungen.

Dass in fast allen Ländern der Europäischen Union Sozialdemokraten regieren, war bisher kein Problem für uns. (Heiterkeit des Bundesrates Konečny. ) Wenn sich aber jetzt ein Land anschickt, den Trend nach freien und offenen Wahlen zu korrigieren, wenn sich die Sozialdemokraten in der Opposition wieder finden und daher ihre Muskeln spielen lassen, die Straße ein bisschen mobilisieren und moralische Entrüstung entfachen (Bundesrat Konečny: Herr Kollege, Sie betreiben Wahrheitsverweigerung!) und – jetzt komme ich zu dem Punkt – wenn selbst Schifahren in Österreich momentan fast eine Todsünde ist, dann möchte ich kurz etwas zum Tourismus sagen und damit wieder zur gemäßigten Sache zurückkommen: Vielleicht können wir hier in der Welt gemeinsam etwas bewirken, da der Tourismus sehr sensibel ist – das wisst ihr alle –, weil die Auswirkungen auf ihn direkt zum Tragen kommen. Denn was Herr Chirac von uns denkt, können wir nur unmittelbar beeinflussen; wenn aber französische Gäste nicht mehr zum Schifahren kommen, dann spüren wir das in der Geldtasche. Unsere Branche, der Tourismus, ist so wichtig für das Land, dass wir das nicht links liegen lassen können.

Bemühen wir uns, fernab der Politik – sie darf momentan nicht dabei sein, sondern das müssen unabhängige, berühmte Leute in der Welt sein, und davon haben wir genug – unseren Stammgästen zu sagen, dass sich in Österreich nichts zum Negativen verändert hat und dass Österreich nach wie vor ein sehr gastliches Land ist! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

An dieser Stelle möchte ich, wenn Sie mir gestatten, auch einmal ein Lob aussprechen. Ein solches gilt Herrn Kollegen Hummer – er ist jetzt leider nicht da –, der mit seinen Worten und mit seinem Schatz an Erfahrungen immer wieder auf die wichtigen Dinge hinweist. Gestatten Sie mir auch, Kollegen Scheuch dafür zu loben, welch schöne Krawatte – falls es Ihnen nicht aufgefallen ist – er heute anhat. Das ist auch einmal einen Applaus wert. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Nun noch kurz zur EU. Man hat uns das gemeinsame Haus Europa in den glühendsten Farben geschildert – das ist heute auch schon durchgekommen –, sonst hätten nicht so viele Österreicher, so wie auch ich, der EU zugestimmt. Man hat uns aber nicht gesagt, dass die europäische Hausordnung bestimmt, dass die Guten jetzt nicht mehr zur rechten, sondern zur linken Hand Gottes sitzen und dass derjenige, der das nicht glaubt und nicht danach handelt, mit der viel gepriesenen Freundschaft der Völker nicht mehr rechnen kann.

Das wollen wir nicht. Diesbezüglich werden wir einiges an Selbstbewusstsein an den Tag legen müssen, und zwar gemeinsam! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Schluss möchte ich noch sagen, die Regierungsmannschaft hat jetzt, wie wir gesehen haben, die Arbeit aufgenommen. Ich bin zufrieden damit, wenn ich das so sagen darf. Schonfrist haben wir keine bekommen, Herr Staatssekretär, aber das werden wir auch überleben.

Zum Abschluss möchte ich nun in Abwandlung nicht eines Wahlslogans, sondern eines Werbeslogans sagen: Bundeskanzler Schüssel und sein Team – mehr können Sie für Österreichs Zukunft nicht tun! Guten Abend! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

21.07

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Weiss. – Bitte.

21.07

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Meine Herren Staatssekretäre! Dass der SPÖ angehörende Mandatare – wir haben vorhin gehört, nicht alle – nicht nur im Nationalrat, gegenüber dem Ausland oder auf der Straße, sondern auch hier in der Länderkammer des Parlaments gegen die neue Bundesregierung opponieren, ist ihr gutes demokratisches Recht. Ich verstehe aus Gründen der PR-Professionalität natürlich auch, dass man mit zwei dringlichen Anfragen versucht hat, ein bisschen den Eindruck zu erzeugen, als ob es im Bundesrat eine besonders kritische Stimmung zu dieser Regierungsbildung gäbe. Daher sage ich: Es ist natürlich auch das gute Recht der überwiegenden Mehrheit des Bundesrates, zu sagen, dass sie hinter den Arbeitsvorhaben dieser Bundesregierung steht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das ergibt sich nicht nur, wie Sie jetzt vordergründig vermuten werden, aus der Zugehörigkeit zu den Regierungsparteien, sondern in erster Linie wohl aus der Antwort auf die Frage, wie die Interessen der hier zu vertretenden Bundesländer im Regierungsprogramm berücksichtigt sind. Ich denke, man sollte, da das heute gar keine große Rolle gespielt hat, die Diskussion nicht vorübergehen lassen, ohne das auch noch zu erwähnen.

Die Kritik an der Regierungsbildung ist in unserem eigenen Land zu einem Teil von dem Anliegen getragen, die eine oder – aus Gründen der Glaubwürdigkeit – auch die andere Partei nicht in Regierungsverantwortung sehen zu wollen, ungeachtet der Zusammenarbeit in den meisten Landesregierungen und ungeachtet der Einladung an die Freiheitliche Partei, mit einer von der SPÖ gebildeten Minderheitsregierung zu kooperieren. Das wurde auch nicht in Abrede gestellt.

Ein erheblicher Teil des Widerstandes ist aber offenkundig nicht dadurch geprägt, dass die FPÖ nach 14 Jahren wieder in der Bundesregierung vertreten ist, sondern dadurch, dass nach 30 Jahren die SPÖ nicht mehr in der Bundesregierung repräsentiert ist. Der in einer Demokratie stets möglich sein müssende Wechsel soll natürlich nicht zum Selbstzweck stilisiert werden. Er wird aber notwendig, wenn die Reformkraft erlahmt ist und das Wahlergebnis die Grundlage zur Veränderung geschaffen hat. Die sozialdemokratisch geführte Regierung sei zuletzt sklerotisch gewesen – laut "Duden" heißt das "krankhaft verhärtet" –, hat der links-liberale "Tagesanzeiger", eine Schweizer Zeitung, in seinem jüngsten Samstagmagazin diagnostiziert. Bruno Aigner hat die SPÖ kürzlich in der "ZiB 3" "ausgepowert" genannt – auch nicht gerade ein Attest für die notwendige Kraft zu Reformen.

Die eine große Herausforderung für unser Land – nicht nur für die Regierung – darstellende Kritik aus dem Ausland ist zu einem erheblichen Teil die teilweise bewusst herbeigeführte und stark verzerrte Widerspiegelung unserer innerstaatlichen Auseinandersetzung. Wenn bekannte Abgeordnete den Obmann einer Partei als Faschisten bezeichnen, dürfen wir uns natürlich nicht wundern, wenn das im Ausland – teilweise gerne – geglaubt wird.

Ganz ohne Einfluss wird auch die politische Solidarität des rot-grünen Spektrums in Europa nicht gewesen sein. Ich sage jetzt nicht einmal, dass das von Österreich aus befördert werden musste; da gibt es genügend internationale Eigeninteressen. In anderen weltanschaulichen Lagern, die es natürlich auch gibt, mag wohl eine Rolle spielen, dass damit innerstaatliche Probleme nach Österreich abgeschoben werden können. (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es!)

Es ist in diesem Zusammenhang auch bemerkenswert, dass in den Mitgliedstaaten der EU – von den anderen Staaten habe ich Reaktionen lediglich seitens der Tschechischen Republik, aus einer besonderen Sensibilität her, im Ohr – kein einziger Satz des Regierungsprogramms bisher auf Kritik gestoßen ist. Da ist auch gar nichts zu finden, was mit der plötzlich so stark beschworenen europäischen Wertegemeinschaft im Widerspruch stünde. Nicht einmal in den Parteiprogrammen (Bundesrat Payer: Papier ist geduldig, Herr Kollege!) und Wahlprogrammen (Bundesrat Payer: Papier ist geduldig!) der die Bundesregierung stellenden Parteien: Auch da wird nichts zu finden sein! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was die EU selbst betrifft, auf die sich der portugiesische Ratsvorsitzende – das wurde schon erwähnt – in vertragswidriger Weise berief, ist natürlich zu sehen, dass die Grenzen zwischen Innen- und Gemeinschaftspolitik sowie zwischen nationaler Souveränität und den Interessen anderer Staaten fließend geworden sind. Das mag man mögen oder nicht: Wir selbst haben das gegenüber Beitrittsländern auch schon geltend gemacht, wenn wir ehrlich sind.

Keinesfalls gutheißen kann man allerdings, wie und auf welchen Grundlagen solche Interessen durchzusetzen versucht werden. Man fühlt sich plötzlich in die Zeit vor der Gründung der Gemeinschaft zurückversetzt. Es wird neben Österreich auch die EU selbst viel Anstrengung kosten, berechtigtes Misstrauen in eine solche Vorgangsweise abzubauen. Dabei wird, als Gegengewicht zur Kabinettspolitik hinter verschlossenen Türen und zulasten der Kleinen, der unabhängig von dieser Vorgangsweise schon lange zurückgeforderten Transparenz der Entscheidungsfindung große Bedeutung zukommen und darauf hinzuwirken sein, dass die Spitze der Gemeinschaft nicht eigenmächtig so weit vorausschreitet, dass die Bürgerinnen und Bürger aus Europa nicht mehr nachkommen können. Das ist übrigens auch ein Anliegen, das im Regierungsprogramm zu finden ist und das ich sehr unterstütze.

Zurück zum Regierungsprogramm und zu dem Maßstab, der im Bundesrat aus der Sicht der Länder anzulegen ist. Am 18. November hat der Vorarlberger Landeshauptmann im Namen seiner Kollegen hier darüber informiert, welche Erwartungen die Länder an die künftige Bundesregierung haben. Sie müsse Stabilität gewährleisten, aber auch verstärkt Reformen in die Wege leiten. Dieser von stabilen Mehrheitsverhältnissen im Nationalrat getragene Reformwille ist so deutlich erkennbar, dass er manchen schon wieder zu weit geht. Wenn wir einen Blick ins Budgetloch und auf die Rahmenbedingungen der Währungsunion werfen, ist es aber wohl unausweichlich, dass die von den Ländern geforderten Reformen in der staatlichen Aufgabenerfüllung auch tatsächlich kommen.

Herr Finanzminister Edlinger hat in einer wichtigen und sehr sensiblen Phase der Regierungsverhandlungen, des Bemühens um eine Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP gemeint, dass er lieber seinen Hund als die ÖVP auf seine Wurst – gemeint ist wohl das Budget – aufpassen lassen würde. Das war aus seiner Interessenlage verständlich, denn sonst wäre wohl schon früher sichtbar geworden, dass gar keine Wurst mehr da ist (Heiterkeit bei Bundesräten der Freiheitlichen), ja im Gegenteil, dass wir aufschreiben ließen!

Die Länder haben in ihre Erwartungen auch eingeschlossen, dass sie nicht weiter geschwächt, sondern dass die Zusagen einer wirksameren Gewaltenteilung und tief greifender Reformen im Staatsgefüge endlich eingelöst werden. Die Bilanz der letzten Gesetzgebungsperioden war für die Länder bekanntlich bis auf den Konsultationsmechanismus klar negativ.

Das Regierungsprogramm bekennt sich erfreulicherweise zu einer klaren Trendwende. Das wird nicht nur am ausführlichen Kapitel "Bundesstaat" deutlich, sondern auch bei vielen anderen Vorhaben, die nicht mehr von Bevormundung, sondern von Kooperation und Dialog geprägt sind.

Die tatsächliche Umsetzung des Regierungsprogramms wird in diesem Bereich im Gegensatz zu den meisten anderen Programmpunkten weniger von den Regierungsparteien selbst als vielmehr von der SPÖ abhängen, weil ohne sie die erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht zu Stande kommen kann. Dabei hat sich die SPÖ selbst den Maßstab gegeben, an dem sie zu messen sein wird.

Hinsichtlich des Kapitels "Bundesstaat" entspricht das Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ nahezu deckungsgleich, bis auf ganz wenige Worte (Bundesrat Konečny: Nicht ganz unwichtige!), dem Verhandlungsergebnis von ÖVP und SPÖ für die dann nicht zustande gekommene Zusammenarbeit. Wenn das also keine Scheinverhandlungen und keine Scheinzugeständnisse waren, dann wird das, was gestern politisch richtig war, nicht über Nacht plötzlich sachlich falsch geworden sein können. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. d′Aron: Ja, das ist richtig!)

Der SPÖ-Verhandler Rudolf Nürnberger hat als Gewerkschaftsvertreter offen gesagt, dass er einen wichtigen, zentralen Punkt des Verhandlungsergebnisses zur Pensionsreform nicht mittragen könnte. Das verdient persönlichen Respekt, und dieser wurde hier auch schon von anderen Kollegen ausgedrückt. Der erste Verdruss ist mir allemal lieber als der letzte. Andere haben sich erst im Nachhinein geoutet und damit die Berechtigung der massiven Skepsis in die Tragfähigkeit des Reformwillens der SPÖ nachträglich bestätigt. Ich zitiere die Aussendung der "Parlamentskorrespondenz" über eine Pressekonferenz von Nationalratspräsident Fischer: "Er zeigte sich erfreut darüber, dass" – offenkundig mangels Zweidrittelmehrheit mit der SPÖ – "das Forderungsprogramm der Bundesländer ... nun endgültig ,beerdigt‘ werden könne." – Es ist erfreulich, dass in diesem Zusammenhang wenigstens die Regierungsparteien zur Unterschrift des früheren Bundeskanzlers Vranitzky stehen, wenn schon seine eigene Partei, oder jedenfalls der Nationalratspräsident, nichts mehr davon wissen will.

Natürlich ist völlig klar, dass die aus 1994 stammende Regierungsvorlage nicht einfach nur eingebracht und beschlossen werden kann. Wir sind heute um die Erfahrung von sechs Jahren reicher und gut beraten, darüber eine gründliche Diskussion zu führen. Das ändert aber nichts daran, dass aus dem seinerzeitigen Paket mehrere Punkte unverändert entscheidungsreif und dringend zu lösen sind. Ich erwähne nur die Verfahrensvereinfachung bei Betriebsanlagen, die Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes durch Landesverwaltungsgerichte, die Einführung der Briefwahl und schließlich eine Bremse gegenüber einer ausufernden Verfassungsgesetzgebung außerhalb der Bundesverfassung. Hier ist keine Zeit zu verlieren. Es wird interessant sein zu sehen, ob die SPÖ zur ursprünglichen Ankündigung des bisherigen Klubobmannes Kostelka steht, Verfassungsgesetzen, die im Interesse des Landes seien, selbstverständlich zuzustimmen.

Ich möchte die Bundesregierung ermuntern, zu diesen auch mit der SPÖ schon weitgehend – teilweise bis ins Detail – ausverhandelten Punkten rasch eine Regierungsvorlage einzubringen und einfach einmal die Probe aufs Exempel zu machen.

Ich sehe noch einen weiteren Bereich, bei dem man ohne die Notwendigkeit einer Zweidrittelmehrheit in doppelter Hinsicht zu raschen Fortschritten kommen kann, nämlich zu einer länderfreundlichen Dezentralisierung bei gleichzeitiger Bereinigung eines zu sehr ins Kraut geschossenen Verwaltungsaufwandes des Bundes. Dazu gehört nicht nur ein Gegensteuern gegen die Detailverliebtheit der Grundsatzgesetze, sondern auch die Eindämmung ausufernder Vorlagepflichten an die Bundesministerien.

Ein kleines Beispiel: Nach § 170 des Forstgesetzes müssen Bescheide der Landesverwaltungen für bestimmte Rodungen unter Anschluss aller Unterlagen – das heißt mit dem ganzen Aktenkonvolut – dem Bundesministerium vorgelegt werden, damit dieses allenfalls Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben kann. Was heißt das in der Praxis? – Allein in der Steiermark, wo man sich die Mühe des Zählens gemacht hat, fallen im Jahr rund 1 500 solcher Bescheide an, wobei es dann in 2,7 Promille der Fälle zu Beanstandungen kommt. Wenn man sich den damit verbundenen Verwaltungsaufwand vor Augen hält und weiß, dass solche Vorschriften auch noch in mehreren anderen Bundesgesetzen enthalten sind, lässt sich unschwer ein erhebliches Einsparungspotential erkennen.

Der Herr Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, dass sich diese Bundesregierung als erste seit langer Zeit dazu bekennt, den Bundesrat in seiner Stellung als Länderkammer zu stärken, was ursprünglich auch schon zu den Zusagen von Herrn Bundeskanzler Vranitzky gehört hatte. Das Zustimmungsrecht soll, wie von uns selbst auch schon mehrfach gefordert, ausgedehnt werden. Die Länder sollen auch – auch das war schon mit der SPÖ ausverhandelt – Gewähr erhalten, dass sich in wichtigen Fragen ihre Haltung im Abstimmungsverhalten der von ihnen entsandten Bundesräte auch tatsächlich widerspiegelt. (Bundesrat Payer: Das ... verhandeln die Landeshauptleute, bitte!) Das war das Verhandlungsergebnis mit der SPÖ, nachzulesen in dem von Nürnberger nicht – von den anderen aber sehr wohl – unterschriebenen Papier. (Bundesrat Payer: Die Exekutive war das und nicht die Legislative!) Haben bei Ihnen keine Mitglieder der Legislative verhandelt, oder wie ist das? Sind der Herr Nationalratspräsident und andere Mitglieder des Verhandlungskomitees denn keine Angehörigen der Exekutive, oder wie sehe ich das?

Sie geben mir aber ein wichtiges Stichwort: Das Regierungsprogramm bekennt sich auch zu einer verfassungsrechtlichen Verankerung der Landeshauptmännerkonferenz. Manche sehen darin einen Widerspruch zu einer Stärkung des Bundesrates. Hier ist einer der ganz wenigen Unterschiede zwischen dem Verhandlungsergebnis von SPÖ und ÖVP beziehungsweise jenem von ÖVP und FPÖ wichtig.

Die SPÖ hatte sich in diesem Papier dazu bekannt, die Landeshauptmännerkonferenz als – ich zitiere – "Institution zur Vertretung der Interessen der Länder" zu verankern. Das Arbeitsprogramm von ÖVP und FPÖ, Herr Kollege Payer, schränkt diese Vertretung ausdrücklich auf den Bereich der Vollziehung ein, was einerseits sachgerecht und andererseits eine bloße Klarstellung gesetzlich längst getroffener Regelungen ist. Hier hat also das Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ eine wesentlich legislativfreundlichere Regelung vorgeschlagen, als es bei der SPÖ der Fall gewesen wäre.

Ich fasse die Bilanz aus unserer eigenen Sicht und aus der Sicht der Länder zusammen: Es ist mit Blick auf das Ausland wohl richtig, dass Kommentare und Forderungen aus einzelnen Parteien nicht nur wegen ihrer ungewohnten neuen Rolle einer besonderen Aufmerksamkeit – einer durchaus wachsamen Aufmerksamkeit – bedürfen, aber nicht einer vorauseilenden Kritik und einer Vorverurteilung. Die Vorhaben des Arbeitsprogramms der neuen Bundesregierung zur Stärkung der Länder und die Reformziele des Herr Bundeskanzlers und der Frau Vizekanzlerin, die wir heute auch gehört haben, verdienen nicht nur Vertrauen, sondern aus unserer Sicht auch tatkräftige Unterstützung. Wir werden dazu unseren Beitrag leisten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.22

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Scheuch. – Bitte.

21.22

Bundesrat Ing. Kurt Scheuch (Freiheitliche, Kärnten): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hochgeschätzter Bundesrat! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich habe mich heute absichtlich am Ende der Rednerliste angereiht, um Ihnen einen Kurzbericht zu geben – einen Kurzbericht, der gerade die Mitglieder der SPÖ ein wenig beschämen sollte, weil er ein Kurzbericht aus einem Land ist, welches zu über 42 Prozent FPÖ-Wähler hatte, welches einen Landeshauptmann stellt, der von der FPÖ kommt und der von Ihrer Seite gerade scharf kritisiert wurde, welches einen Landeshauptmann-Stellvertreter Matthias Reichhold, der unter anderem für den Sport zuständig ist, hat und welches einen Finanzlandesreferenten hat. Nicht zuletzt bringe ich diesen Kurzbericht, Herr Professor Konečny, um Ihnen Zukunftsδngste, die anscheinend sehr stark sind, zu nehmen: Zukunftsδngste betreffend das Land Φsterreich. Zukunftsδngste betreffend Ihre Partei mφchte ich Ihnen nicht nehmen, denn ich glaube (Bundesrat Konečny: Diese nehmen wir uns schon selbst!), diese sind durchaus berechtigt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Abwarten!)

Was ist eigentlich (Bundesrat Drochter: Mit Ihnen geht die Phantasie durch!)  – nein, ich werde Ihnen reale Zahlen liefern – in Kärnten passiert? – Man hat uns gesagt, wenn die FPÖ in Kärnten die Macht übernehmen wolle, dann werden die Urlauber im "Nazi-Land" ausbleiben. (Bundesrätin Mag. Trunk: Haben wir ein Plus?) Wir haben ein Plus in der Höhe von 2,69 Prozent! Frau Trunk, das sollten Sie als Vertreterin wissen! (Bundesrätin Mag. Trunk: Wo?) Im Tourismus bei den Nächtigungen im Zeitraum von Jänner bis Juli. (Bundesrätin Mag. Trunk: In welchem Vergleichsraum?) Im Vergleich zu den Zahlen letzten Jahres! (Bundesrat Meier: Es hat ganz Österreich eine Steigerung!) Ja, aber Sie haben uns geweissagt, meine Damen und Herren, und aus dem Kaffeesud gelesen, dass Kärnten das Schlusslicht sein wird! (Bundesrätin Mag. Trunk: Leider! Ja, leider!)

Ihnen, Frau Trunk, möchte ich schon eines ganz klar sagen: Nachdem Sie es gewagt haben, Ihr eigenes Land Kärnten als "Nazi-Land" zu bezeichnen – was sicherlich nicht zur Förderung des Tourismus beigetragen hat –, ist das, so glaube ich, ein sehr respektables Ergebnis. (Bundesrätin Haunschmid: ... ein "Nazi-Land", haben Sie wortwörtlich gesagt! Das haben wir alle gehört!) Man hat uns geweissagt, dass die Künstler Kärnten verlassen werden. In diesem Bereich wäre vielleicht zu sagen, dass wir unter einem Kulturreferenten Jörg Haider eine Seebühne gebaut haben, dass wir zurzeit in Kärnten gerade Marc Chagall ausstellen, dass wir nicht die Kolig-Fresken abgeschlagen haben, Frau Trunk, ganz im Gegenteil! (Bundesrätin Mag. Trunk: Das können Sie nicht mehr! Diese gibt es nicht mehr, die Kolig-Fresken!) Dann korrigiere ich mich hiermit: den Kolig-Saal entsprechend den Kolig-Fresken.

Man hat auch gesagt, Frau Trunk, wir werden kein Budget zusammenbringen. Wissen Sie, mit wem wir das Budget gemacht haben? Wissen Sie, mit wem Sie in Kärnten das Budget gemacht haben, Frau Trunk? (Bundesrätin Mag. Trunk: Gott sei Dank habe ich kein Stimmrecht gehabt! Ich hätte im Gegensatz zur SPÖ nicht zugestimmt!) Nein, Frau Trunk! Um das zu relativieren: Sie wurden eben nicht mit dem Vertrauen Ihrer Kärntner Funktionäre ausgestattet, und das wurde leider auch am Landesparteitag manifestiert. (Bundesrätin Mag. Trunk: Wie viele Stimmen haben Sie auf Ihrem Landesparteitag bekommen, als einer von vielen?)

Frau Trunk! Wir unterscheiden uns darin, dass ich nicht kandidiert habe, und zwar aus dem Grund, dass mich vielleicht auch niemand vorgeschlagen hat. Sie hat auch niemand vorgeschlagen, Sie haben kandidiert – aber was soll das!

Man hat gesagt, Slowenien wird uns die Freundschaft aufkündigen, und wir werden sozusagen das Bundesheer verstärkt einsetzen müssen. In manchen Gazetten wurde vor der Wahl geschrieben, Slowenien werde uns beinahe den Krieg erklären, wenn Jörg Haider die Macht übernimmt. Gerade Slowenien mit Janez Drnovsek hält in dieser Phase zur FPÖ, weil er sagt, Dr. Jörg Haider ist ein Mann, der Handschlagqualitäten hat. Er sagt wortwörtlich: Die Suppe wird nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wird. – Auch der außenpolitische Sprecher Dimitrij Rupel sagt das Gleiche. Übrigens auch Antonione hat sich sehr positiv zu uns geäußert. Das heißt letztendlich wiederum, dass Leute, die mit uns zu tun haben, die wissen, wo Freiheitliche Macht ausüben, das sehr viel gelassener sehen, weil sie auch wissen, dass wir wirklich gute Partner sind.

Man hat uns auch gesagt, dass Kärnten unregierbar wird. – Nein, es ist aber nicht so, ganz im Gegenteil, weil in der ÖVP Kärntens mit Landesrat Wurmitzer ein durchaus verlässlicher Mann installiert ist, der seine Arbeit recht brav und gut macht.

Aber auch über die Lage der SPÖ in Kärnten möchte ich schon noch ein paar Worte verlieren. Man hat es eigentlich an der Rede von Melitta Trunk, meiner hoch geschätzten Kollegin, gesehen: Die Lage der SPÖ in Kärnten ist eigentlich – wie teilweise auch deine Rede – sehr desorientiert. Ich glaube, dass dort junge, sehr gute Politiker wie Mock, Seifried oder Köfer – der ein Freund von mir ist –, die durchaus auch in der SPÖ Reformvorschläge einbringen könnten und das auch tun würden, durch alte Apparatschiks sozusagen an die Mauer gedrückt werden – obwohl ich der Wahl von Herrn Ambrozy natürlich auch etwas Positives abgewinnen kann, denn er ist zumindest eine Korrektur einer zu starken Linkslastigkeit. Das muss man hier sagen.

Eines aber möchte ich noch mit aller Schärfe feststellen – das betrifft auch die Bundes-SPÖ –: Es ist eine besondere Pikanterie, dass Herr Gebhard Arbeiter – jemand, der nachweislich Goebbels zitiert hat – noch immer im Kärntner Landtag sitzt. Ich habe mir die Arbeit gemacht und ein bisschen im SPÖ-Statut geblättert, und ich frage Sie ganz offiziell, Herr Konecny: Wo ist der Antrag der Bundes-SPÖ auf Ausschluss von Herrn Gebhard Arbeiter? (Bundesrat Konečny: Es ist ein Landesschiedsgericht anhängig!) Das würde mich interessieren. Oder können Sie mit diesen Zitaten leben? Oder geht Sie das nichts an? (Bundesrat Konecny: Solange ein Landesschiedsgericht anhängig ist: nein!) Sie überlegen das auch? (Bundesrat Konečny: ... das Verfahren beendet ist!) Es freut mich, das zu hören (Bundesrat Konecny: Darüber gibt es keine Diskussion!), weil Sie hier auch als Humanist auftreten. Ich hoffe auch, dass das Ausland das nicht sieht.

Es gibt aber auch in Kärnten eine FPÖ, die dort letztendlich als einzige staatstragende Partei übrig geblieben ist, die die Mieten gesenkt hat, die den Strompreis gesenkt hat (Bundesrätin Mag. Trunk: Lüge! Lüge!), die die KELAG entpolitisiert hat.

Das ist für mich so schön: Ich habe bei der gleichen Geschichte einen Ordnungsruf kassiert, als ich von "Lügen" sprach. Aber ich werde mich auch damit abfinden! Es wird immer mit ungleichem Maß gemessen, aber was soll’s! (Zwischenruf der Bundesrätin Haunschmid. ) – Danke, Frau Präsidentin!

Die Entpolitisierung der KELAG kann man gar nicht oft genug erwähnen. Deswegen hat sich die SPÖ-Kärnten wahrscheinlich auch so für Herrn Ambrozy in der KELAG eingesetzt! Denn Sie hatten Angst, dass er an die Spitze der SPÖ zurückkehrt!

Wir haben eine Technologie-Offensive eingeleitet, wir haben ein Volksbegehren für die Einführung des Kinderschecks vorbereitet, weil das einmal direkte Demokratie in diesem Land ist. Sie können sich auf die Pressekonferenz freuen, die ich kommende Woche geben werde, Frau Trunk! Es ist uns zum Beispiel gelungen, dass es ein gemeinsames Auftreten der Regionen Kärntens und der Nachbarländer in der EU gibt und so weiter und so weiter und so weiter.

Ganz glücklich und erfreut sind wir natürlich über die Sehnsucht, die so viele SPÖ-Abgeordnete nunmehr nach Dr. Jörg Haider haben: Ist er einmal einen Tag im Land, dann scheint die Staatskrise auszubrechen! Aber keine Sorge: Auch das kann Jörg Haider managen!

Das Schönste für uns ist eigentlich, dass wir gemäß vieler Umfragen in Kärnten – mir ist gerade die aktuellste zugegangen – schon jenseits der 50 Prozent angesiedelt sind. Das heißt: Dort, wo wir in Verbindung mit guten Partnern regieren – das beziehe ich jetzt auch auf den Bund –, geht es den Menschen gut! (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Drochter. )

Abschließend möchte ich noch von einer Demonstration in Kärnten berichten. Mir wurde der Bericht der Bundespolizeidirektion, der Gendarmerie und des Sicherheitsdienstes übermittelt. Es waren gezählte sechs Demonstranten, die vor die Landesgeschäftsstelle in Klagenfurt/Kärnten gekommen sind! – Ich bedanke mich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.32

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, dass es 21.30 Uhr ist und dass heute schon sehr viel gesagt worden ist, manches lauter, manches leiser.

Ich erinnere an die 655. Sitzung. Wir haben heute die 661. Sitzung, es ist also noch nicht so lange her. Damals hat Herr Kollege Scheuch zu Bundesrätin Trunk gesagt: "Das ist eine Lüge!" – Heute ist die Retourkutsche gekommen. Ich bin auch heute durchaus bereit, ebenfalls einen Ordnungsruf zu erteilen, obwohl ich zuerst gesagt habe, dass zum Teil harte Worte gefallen sind und ich keinen Ordnungsruf erteilen werde.

Herr Kollege Scheuch! Wie gesagt: Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass Sie einen Ordnungsruf "ausgefasst" haben. – Ich glaube, ich muss jetzt den Ordnungsruf einmal in die andere Richtung geben.

Ich appelliere jedoch an Sie, obwohl es schon 21.30 ist und manche Nerven durchaus blank liegen: Bitte mäßigen wir unsere Sprache! Man kann politische Inhalte auch so transportieren, dass man einen anderen Menschen nicht verletzt!

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Bundesrätin Mag. Trunk gemeldet. Da diese Wortmeldung sofort aufzurufen ist, erteile ich ihr vor Bundesrätin Giesinger das Wort.

Ich weise darauf hin, dass die Berichtigung lediglich die Dauer von 5 Minuten haben darf und sich auf die Darstellung des behaupteten Sachverhalts beschränken muss. – Bitte.

21.35

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Was Herr Bundesrat Scheuch gemacht hat, hat mir ein Aha-Erlebnis verschafft. Heute weiß ich, wer die fünf Leserbrief-Schreiber in Kärntner Medien sind.

Denn es ist eine Tatsache, dass in allen Medien ordnungsgemäß berichtet wurde, dass Melitta Trunk gesagt hat: Ein Land Kärnten lässt sich von einem Landeshauptmann, der von 42 Prozent der Menschen in Kärnten gewählt wurde, nicht in Geiselhaft nehmen. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter.) Kärnten ist kein Nazi-Land, und Kärnten ist kein Haider-Land. – Wer das bestreitet und andere Zusammenhänge herstellt, der lügt und diffamiert! Und das lasse ich nicht zu!

Zweitens bringe ich eine tatsächliche Berichtigung zur Causa Arbeiter: Wir haben ein Schiedsgericht eingerichtet. (Bundesrat Dr. Böhm: Sie haben wieder "Lüge" gesagt! – Zwischenruf des Bundesrates Ing. Scheuch. ) Sie haben hier am Rednerpult behauptet: Melitta Trunk hat ihr Land diffamiert und gesagt, Kärnten sei ein Nazi-Land. – Das habe ich nicht gesagt! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sie können nicht hören! Ich sage es jetzt zum zehnten Mal: Kärnten ist kein Haider-Land, und Kärnten ist kein Nazi-Land!

Punkt zwei – zur Sache Arbeiter (Bundesrat Mag. Himmer: Sie sind ja schon bei Punkt zehn!): Diese Sache ist durch Abgeordneten Arbeiter selbst gerichtsanhängig, und es ist auch ein Schiedsgerichtsverfahren anhängig. – Tatsache ist aber, dass es einen Abgeordneten im Nationalrat namens Gaugg gibt, der Nazi-Buchstabierer ist und dem weder eine Rüge noch sonst etwas seitens der FPÖ erteilt wurde!

Zum Bericht berichtige ich nichts, denn Ihr inhaltsleerer Bericht über die Regierungsära der FPÖ und Haider hat sich selbst erledigt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Scheuch: 42 Prozent der Wähler!)

21.37

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Kollegin Giesinger! Sie sind am Wort. – Bitte.

21.38

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Staatssekretäre! Hoher Bundesrat! Heute haben einige Redner gesagt, dass diese Regierung der Wirtschaft und den Bauern gibt und den Schwachen nimmt. – Dies ist meiner Meinung nach ein Pauschalurteil, das ich so nicht im Raum stehen lassen möchte. Die Wirtschaft zu stärken bedeutet auch, dass die Arbeitnehmer gestärkt werden und dass Arbeitsplätze gesichert sind. Ich hoffe, dass auch die Gewerkschaft dies eines Tages einsehen wird.

Herr Freiberger! Wenn Sie als Beispiel angeführt haben, dass man den Schwachen nimmt, wenn der Arbeitssuchtag bei Kündigung wegfällt, dann muss ich dazu sagen: Dieser Arbeitssuchtag wurde eingerichtet, als man mehr als 38 oder 40 Stunden in der Woche gearbeitet hat und als man weniger als fünf Wochen Mindesturlaub im Jahr hatte. – So gibt es viele Regelungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern beziehungsweise in den Kollektivverträgen, die aus einer Zeit herrühren, als ganz andere Bedingungen herrschten.

Ich glaube, dass es notwendig ist, auch diese Bestimmungen einmal zu ändern! Wir haben die alten Regelungen immer mitgenommen und verbessert und haben sie nicht der neuen Zeit angepasst!

Zweitens haben Sie die Vorhaben betreffend Urlaubsaliquotierung bemängelt. Dazu möchte ich sagen: Es ist praktisch möglich, dass ein Arbeitnehmer jedes halbe Jahr den Betrieb wechselt und zehn Wochen Urlaub hat. (Bundesrat Freiberger: Nein!) Ist das richtig? – Das möchte ich Sie einmal fragen! Darum geht es! (Bundesrat Freiberger: Seit drei Jahren ist das Gesetz novelliert! Im ersten Arbeitsjahr wird sowieso aliquotiert! Das ist Ihnen offenbar entgangen!) Das stimmt, Entschuldigung!

In den anderen Jahren wird jedoch nicht aliquotiert, oder? (Zwischenruf des Bundesrates Freiberger.) Eben! Daher ist es, so glaube ich, richtig, wenn ... (Bundesrat Freiberger: Jemand kann doch nichts dafür, wenn der Chef ihn kündigt!) Ich möchte sagen: Auch dann ist es richtig, wenn aliquotiert wird.

Ich bin der Meinung, wenn es der Wirtschaft und den Betrieben gut geht, dann geht es auch den Arbeitnehmern gut. Wir haben in Österreich viele verantwortungsvolle Unternehmer und Unternehmerinnen und auch viele verantwortungsvolle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, und das gegenseitige Miteinander dient letzten Endes beiden. Ich glaube, auch das muss einmal gesagt werden!

Ich bin vom heutigen Tag und von der Diskussion und davon, wie alles abgelaufen ist, tief betroffen. Es geht doch uns politisch Tätigen darum, unser Land lebenswerter zu machen. Dies ist aber nicht möglich, wenn wir einander dauernd bekämpfen, sei es verbal oder durch Taten. Unser schönes Österreich lebenswerter zu machen ist nur möglich, wenn wir aufeinander hören, miteinander überlegen und dementsprechend handeln. Ich meine damit alle im Parlament vertretenen Parteien, und ich träume davon, dass dies in Zukunft vielleicht auch hier im Bundesrat der Fall sein könnte! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. )

21.40

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gstöttner. – Bitte

21.40

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren Staatssekretäre! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mich haben drei Punkte zu dieser Wortmeldung veranlasst.

Erstens die Bemerkung eines Kollegen von der ÖVP über eine "hoffnungsfrohe Regierungserklärung" und vor allem die Bemerkung von Lösungen, die "vom linken Eck in die Mitte gerückt wurden": Das hat mich ein bisserl gestört, weil ich der Meinung bin, dass in den 13 Jahren SPÖ-ÖVP-Regierung doch eine anerkannte Koalitionsarbeit geleistet wurde, die man ohne weiteres auch etwas anders darstellen hätte können.

Zweitens: Mir sind in den Diskussionsbeiträgen die Pensionsregelungen ein wenig zu kurz gekommen. Die Altersgrenze für den Pensionsantritt soll, beginnend mit 1. Oktober 2000, um 18 Monate angehoben werden, und zwar bei Frauen von 55 auf 56,5 und bei Männern von 60 auf 61,5. Im Text heißt es: Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass Versicherte mit einer Beitragsdauer von mindestens 45 Jahren weiterhin mit 60 in Pension gehen können.

An einer Stelle findet man in Klammer die Feststellung: "(keine Ersatzzeiten)". – Dieser Punkt hat mich tatsächlich betroffen gemacht, denn es ist nicht geklärt, ob zum Beispiel Lehrzeiten mit eingerechnet werden. Eine weitere Frage in diesem Zusammenhang ist, wie die neunmonatige ordentliche Präsenzdienstzeit behandelt wird, die viele von uns abgeleistet haben und hinsichtlich welcher immer klar war, dass diese in die Pensionsberechnung einbezogen wird. Jetzt findet sich diese Regelung offenbar nicht mehr.

Ich muss sagen, dass mich das sehr enttäuschen würde! Denn ich verstehe nicht, dass alle, die ihrer Staatsbürgerpflicht selbstverständlich nachgekommen sind, jetzt auf diese Weise bestraft werden sollen, dass diese Zeit nicht in die Pensionsberechnung einbezogen wird! (Beifall bei der SPÖ und Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Ich würde das sogar für abenteuerlich halten!

Die Neuregelung des Pensionsalters ab Oktober 2000 wird also bereits in sieben Monaten wirksam. Letztere trifft die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die kurz vor der Pensionierung stehen, sehr hart und eigentlich überfallsartig. Es besteht kein Zweifel, dass diese Regelung mit jener, die von uns, der SPÖ, besprochen wurde – ich weiß, dass auch bei uns von zwei Jahren die Rede war – überhaupt nicht verglichen werden kann.

Ein Beispiel: Für einen 58-Jährigen – zu dieser Gruppe gehöre ich, und viele Personen meiner Altersstufe haben mich angesprochen – wird es sich so verhalten, dass er zwar weiterhin mit 60 in Pension gehen kann, wenn man 45 Beitragsjahre hat. Jetzt bin ich wieder beim Präsenzdienst und bei der Wehrzeit. Das ist eine grundsätzliche Frage, die in diesem Zusammenhang zu klären ist.

Wenn man dann davon ausgeht, dass diese Zeit eingerechnet wird, dann würde bei einer Bemessungsgrundlage für die Pension von 30 000 S die Pension nach dem derzeitigen Recht 24 000 S bei Pensionierung mit 60 Jahren betragen, nach dem FPÖ-ÖVP-Modell jedoch nur 21 000 S! Das bedeutet ein Minus von 3 000 S, meine Damen und Herren! Ich will nicht sagen, dass deswegen jetzt alle in Armut gestürzt werden, aber für jemanden, der Alleinverdiener ist und eine Familie hat und sich in der Pension auch ein bisschen etwas leisten möchte, ist das meiner Meinung nach ein gewaltiger Eingriff! Das ist ein Abschlag, den man nicht so einfach zur Kenntnis nehmen sollte! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Letzten Endes wurden auch die Hinterbliebenenpensionen bislang noch zu wenig erwähnt. Auch in diesem Zusammenhang muss eine ganz klare Regelung getroffen werden. Es ist nämlich sowohl für berufstätige als auch für nicht berufstätige Frauen wichtig, dass diese Regelung so getroffen wird, dass niemand Sorgen hat. – Darauf möchte ich besonders hinweisen.

Die Anhebung des Pensionsalters hat auch massive negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, vor allem für ältere Personen. Besonders im ländlichen Bereich wird ein Ansteigen der Altersarbeitslosigkeit befürchtet, und das nicht zu Unrecht.

Es wird auch zu noch mehr Freisetzungen – wie es im heutigen Sprachgebrauch so schön heißt – kommen, vor allem von älteren Arbeitnehmern, die in etwa Mitte fünfzig sind, und es erhebt sich die Frage, wie diese Personen dann noch in einem Beruf unterkommen sollen. Wenn ich dann höre: Diese Leute müssen halt etwas anderes tun!, dann möchte ich betonen: Es hat auch mit der Würde des Menschen zu tun, wenn man jemandem, der mehr als 40 Jahre seinen Beruf ausgeübt hat, zumutet, dass er dann als Hilfsarbeiter arbeiten soll. Das halte ich für mehr als eine Zumutung!

Die zwei Jahre habe ich schon erwähnt. Dass mir das auch nicht gepasst hat, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Die Tatsache, die jetzt jedoch mit den eineinhalb Jahren geschaffen wird, ist für meine Begriffe nicht zumutbar!

Ich habe jetzt stellvertretend nur ein paar der in der Regierungserklärung vorgesehenen Maßnahmen genannt, die sicherlich noch zu überarbeiten sind. Vor allem muss auch danach getrachtet werden, dass keine spürbare Schlechterstellung für kranke oder invalide Menschen zu Stande kommt. Denn auch solche gibt es leider im Alter zwischen 50 und 60 Jahren zur Genüge. Wir kennen diesbezügliche Beispiele von unseren Sprechtagen, dass uns die Haare zu Berge stehen! Auch in diesem Zusammenhang muss man darauf achten, dass der richtige Weg eingeschlagen wird; der jetzige ist der falsche Weg. Daher richte ich den dringenden Appell an die Bundesregierung, zum Wohl der Betroffenen nicht nur die Maßnahmen in diesem Bereich, sondern auch andere Maßnahmen noch einmal zu überdenken! Denn die jetzige Regelung ist nicht zumutbar!

Drittens: Bei der Bundesratssitzung vor 14 Tagen sind gewisse Auswirkungen, die im Zusammenhang mit der Regierungsbildung beziehungsweise der Regierung stehen, zur Sprache gekommen, insbesondere ist über die Vorwürfe aus dem Ausland, die uns jetzt gemacht werden, berichtet worden. Ich sage dazu: Mir passt es auch nicht recht, dass sich das Ausland so massiv einmischt. Ich stelle allerdings fest, dass es nicht nur sozialdemokratische Länder sind, die in diesem Zusammenhang etwas zu sagen hatten, sondern vor allem andere. Das sollte man nicht vergessen!

Ich wollte dazu noch etwas erwähnen: Als ich am nächsten Tag ins Büro kam, lag die Mitteilung des Schärdinger Tourismusverbands auf meinem Tisch, welche besagte, dass unsere Freunde von der Messe in Belgien ausgeladen sind. – Und das war für mich eine andere Sache. Hinsichtlich der Tatsache, dass wir ganz einfach ausgeladen wurden, bin ich doch sehr nachdenklich geworden! In der Zwischenzeit langen leider auch aus Frankreich der Reihe nach Abmeldungen von Reisegruppen ein. Das stimmt mich, wie gesagt, nachdenklich, hat aber mit Schadenfreude von Seiten der SPÖ nichts zu tun! Ich meine, dass man diese Entwicklung von der richtigen Seiten her betrachten und sich um Schadensbegrenzung bemühen muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Heute war auch von schönen Worten die Rede, die nicht ankommen, und es waren auch sehr ruppige Bemerkungen dabei. Bekanntermaßen gilt der Grundsatz, dass man im Parlament Meinungs- und Redefreiheit hat, und das ist auch gut so. Ich meine aber trotzdem, dass wir mit den Worten behutsam umgehen und daran denken sollten, dass auch die Einhaltung einer gewissen Menschenwürde – auch Politiker sind Menschen – berücksichtigt werden muss. Wir sollten manchmal vor der eigenen Tür kehren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich werde das selbstverständlich tun, denn ich weiß, dass man nur zu gerne eventuelle Fehler anderswo sucht. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ und der ÖVP! Empfindlichkeit ist eigentlich nicht angebracht! Ihr teilt nämlich manchmal auch ganz ordentlich aus! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf zum Schluss sagen: Ich gebe zu, dass es ich es gern sehen würde, dass die SPÖ nach wie vor Regierungsverantwortung trägt. Es wurde aber eine andere Entscheidung getroffen, und als Demokrat muss ich diese zur Kenntnis nehmen.

Im Laufe meiner aktiven Politikerzeit – das ist schon eine ganze Weile – habe ich mich immer bemüht, Brücken zu bauen. Das möchte ich auch in Zukunft tun und mit allen demokratischen Kräften zum Wohle unseres Heimatlandes zusammenarbeiten.

Ich meine, dass es sich auf Seiten der SPÖ von selbst versteht, dass man der neuen Bundesregierung sehr genau auf die Finger schauen wird. Bei allen Handlungen müssen wir uns aber auch ins Auge sehen können! (Beifall bei der SPÖ.)

21.49

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe Ihnen noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt fünf Anfragen eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Weg erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 16. März 2000, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, so weit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 14. März 2000, ab 14 Uhr vorgesehen.

Ich wünsche Ihnen allen eine gute Heimreise!

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 21.50 Uhr