Stenographisches Protokoll

664. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Dienstag, 9. Mai 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

664. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Dienstag, 9. Mai 2000

Dauer der Sitzung

Dienstag, 9. Mai 2000: 9.20 – 19.02 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Wahl eines Schriftführers für den Rest des ersten Halbjahres 2000

2. Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000)

3. Bundesgesetz über die Änderung des Bundesgesetzes über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft, des Postsparkassengesetzes 1969, des Bankwesengesetzes und des Bundesgesetzes über die Errichtung des Staatsschuldenausschusses

4. Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz, das Publizistikförderungsgesetz 1984, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Zivilprozessordnung, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundeshaushaltsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Elektrizitätsabgabegesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Gebührengesetz 1957, das Agrarverfahrensgesetz, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Innovations- und Technologiefondsgesetz, das Bundesbahngesetz 1992, das Schieneninfrastrukturgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981, das Altlastensanierungsgesetz, das Umweltförderungsgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Postgesetz 1997, das Wohnbauförderungsgesetz 1984 und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2000)

5. Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz geändert wird

6. Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen der Republik Österreich

7. Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich (EuRAG) sowie über Änderungen der Rechtsanwaltsordnung

8. Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für die Jahre 1997 und 1998, vorgelegt vom Bundeskanzler

9. Bericht über die soziale Lage 1997

10. Bericht über die soziale Lage 1998

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Ersten Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Umreihung von Mitgliedern und Wahlen von Ersatzmitgliedern in den Bundesrat 9

Angelobung der Bundesräte Gottfried Kneifel und Uta Barbara Püh-
ringer
10

Einwendungen gegen die Tagesordnung

Albrecht Konečny (zur Geschäftsbehandlung) 10

Debatte:

Ludwig Bieringer 12

Dr. Peter Böhm 12

Stefan Prähauser 13

Antrag der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen, die Tagesordnungspunkte 2 und 3 von der Tagesordnung abzusetzen 11

Ablehnung 14

Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung

Albrecht Konečny 30

Wahl eines Schriftführers für den Rest des ersten Halbjahres 2000 31

Unterbrechung 14

Personalien

Krankmeldungen 9

Entschuldigungen 9

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Ernennung der Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer gemäß Artikel 70 Abs. 1 B-VG zur Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport 29

Schreiben des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten betreffend Europäische Union; Wirtschafts- und Sozialausschuss; Nominierung von Herrn Dr. Kleemann; Unterrichtung des Bundesrates gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG 29

Schreiben des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten betreffend Europäische Union; Ausschuss der Regionen; Nominierung von Landtagspräsident Dörler; Unterrichtung des Bundesrates gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG 30

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 30

Ausschüsse

Zuweisungen 30

Fragestunde

Bundesministerium für Landesverteidigung 14

Dr. Vincenz Liechtenstein (1093/M-BR/00); Herbert Thumpser, Mag. Christof Neuner

Herbert Thumpser (1090/M-BR/00); Mag. John Gudenus, Peter Rodek

Mag. John Gudenus (1097/M-BR/00); Friedrich Hensler, Stefan Prähauser

Peter Rodek (1094/M-BR/00); Brunhilde Fuchs, Ulrike Haunschmid

Brunhilde Fuchs (1091/M-BR/00); Monika Mühlwerth, Josef Saller

Dipl.-Ing. Hannes Missethon (1095/M-BR/00); Johann Grillenberger, Ludwig Buchinger

Monika Mühlwerth (1098/M-BR/00); Maria Grander, Johanna Schicker

Stefan Prähauser (1092/M-BR/00); Ulrike Haunschmid, Alfred Schöls

Gottfried Kneifel (1096/M-BR/00); Stefan Prähauser, Wilhelm Grissemann

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Mag. Melitta Trunk, Albrecht Konečny und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend neuerliche Belastungen für die Länder und negative finanzielle Auswirkungen des Beschlusses des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der ÖIAG und der Post- und Telekom-Beteiligungsverwaltungs GmbH auf die Länder (1708/J-BR/00)

Begründung: Mag. Melitta Trunk 94

Beantwortung: Staatssekretär Dr. Alfred Finz 95

Redner:

Albrecht Konečny 99

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 101

Engelbert Weilharter 102

Mag. Dietmar Hoscher 104

Jürgen Weiss 106

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 107 und 115

Stefan Prähauser 109

Ferdinand Gstöttner 111

Leopold Steinbichler 113

Dr. André d′Aron 114

der Bundesräte Brunhilde Fuchs und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend rätselhafte Zahlenspiele im Bundesvoranschlag (1710/J-BR/00)

der Bundesräte Brunhilde Fuchs und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend rätselhafte Zahlenspiele im Bundesvoranschlag (1711/J-BR/00)

Begründung: Brunhilde Fuchs 122

Redner:

Mag. Michael Strugl (tatsächliche Berichtigung) 123

Beantwortung: Staatssekretär Dr. Alfred Finz 123

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 125

Redner:

Albrecht Konečny 126

Stefan Prähauser 128

Ludwig Bieringer 130

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 132

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(2) Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) (48 und 77/NR sowie 6094 und 6096/BR d. B.)

(3) Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über die Änderung des Bundesgesetzes über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft, des Postsparkassengesetzes 1969, des Bankwesengesetzes und des Bundesgesetzes über die Errichtung des Staatsschuldenausschusses (49 und 78/NR sowie 6097/BR d. B.)

Berichterstatter: Ludwig Buchinger 32

[Antrag, zu (2) und (3) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Johann Kraml 33

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 35 und 47

Dr. André d′Aron 38

Karl Drochter 39

Alfred Schöls (tatsächliche Berichtigung) 42

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 42

Mag. Dietmar Hoscher 44

Peter Marizzi 47

Antrag der Bundesräte Albrecht Konečny, Johann Kraml und Genossen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Erhebung eines Einspruches gegen den Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) (48 und 77 der Beilagen) 33

Ablehnung 48

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) und (3) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 49

(4) Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz, das Publizistikförderungsgesetz 1984, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Zivilprozessordnung, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundeshaushaltsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Elektrizitätsabgabegesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Gebührengesetz 1957, das Agrarverfahrensgesetz, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Innovations- und Technologiefondsgesetz, das Bundesbahngesetz 1992, das Schieneninfrastrukturgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981, das Altlastensanierungsgesetz, das Umweltförderungsgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Postgesetz 1997, das Wohnbauförderungsgesetz 1984 und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2000) (61 und 67 und Zu 67/NR sowie 6095 und 6098/BR d. B.)

Berichterstatter: Wilhelm Grissemann 49

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Dietmar Hoscher 50

Ing. Walter Grasberger 53

Dr. André d′Aron 55

Peter Marizzi 57

Mag. Christof Neuner 59

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 60

Antrag der Bundesräte Albrecht Konečny, Mag. Dietmar Hoscher und Genossen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Erhebung eines Einspruches gegen den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2000 betreffend das Budgetbegleitgesetz 2000 (61 und 67 der Beilagen) 52

Ablehnung 62

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 62

(5) Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz geändert wird (69 und Zu 69/NR sowie 6099/BR d. B.)

Berichterstatter: Dipl.-Ing. Hannes Missethon 62

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Brunhilde Fuchs 62

Christoph Hagen 65

und (tatsächliche Berichtigung) 69

Ferdinand Gstöttner (tatsächliche Berichtigung) 67

Anna Höllerer 68

Mag. Melitta Trunk (tatsächliche Berichtigung) 69

Dr. Peter Böhm 69

Horst Freiberger 70

Mag. John Gudenus 72

Josef Saller 73

Albrecht Konečny 75

Antrag der Bundesräte Albrecht Konečny, Brunhilde Fuchs und Genossen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Erhebung eines Einspruches gegen den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz geändert wird (69 und Zu 69 der Beilagen) 63

Ablehnung 75

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 75

(6) Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen der Republik Österreich (31 und 73/NR sowie 6100/BR d. B.)

Berichterstatter: Johann Grillenberger 75

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 76

(7) Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich (EuRAG) sowie über Änderungen der Rechtsanwaltsordnung (59 und 72/NR sowie 6101/BR d. B.)

Berichterstatter: Christoph Hagen 76

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ferdinand Gstöttner 76

Dr. Peter Böhm 77

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 80

(8) Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für die Jahre 1997 und 1998, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-205 und 6102/BR d. B.)

Berichterstatter: Alfred Schöls 80

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Dr. Robert Aspöck 80

Jürgen Weiss 82

Johann Kraml 84

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen (mit Stimmeneinhelligkeit) 85

Gemeinsame Beratung über

(9) Bericht über die soziale Lage 1997 (III-189 und 6103/BR d. B.)

(10) Bericht über die soziale Lage 1998 (III-204 und 6104/BR d. B.)

Berichterstatter: Karl Drochter 85

[Antrag, zu (9) und (10) die Berichte zur Kenntnis zu nehmen]

Redner:

Engelbert Schaufler 86

Monika Mühlwerth 88

Johanna Schicker 90

Alfred Schöls 92

Franz Koller 116

Horst Freiberger 117

Bundesministerin Dr. Elisabeth Sickl 119

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (9) und (10) die Berichte zur Kenntnis zu nehmen (mit Stimmeneinhelligkeit) 121

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Professor Albrecht Konečny und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Neuverteilung der Sitze im Europäischen Parlament (1707/J-BR/00)

der Bundesräte Mag. Melitta Trunk, Professor Albrecht Konečny und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend neuerliche Belastungen für die Länder und negative finanzielle Auswirkungen des Beschlusses des NR vom 26. April 2000 betreffend ein BG über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der ÖIAG und der Post- und Telekom-Beteiligungsverwaltungs GmbH auf die Länder (1708/J-BR/00)

der Bundesräte Alfred Gerstl und Kollegen an die Frau Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Sicherstellung des Betriebes der privaten Krankenanstalten in Österreich (1709/J-BR/00)

der Bundesräte Brunhilde Fuchs und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend rätselhafte Zahlenspiele im Bundesvoranschlag (1710/J-BR/00)

der Bundesräte Brunhilde Fuchs und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend rätselhafte Zahlenspiele im Bundesvoranschlag (1711/J-BR/00)

der Bundesräte Gottfried Kneifel und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend effiziente Gestaltung von Bauvorhaben an der Heeresunteroffiziersakademie in Enns (1712/J-BR/00)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und Kollegen (1559/AB-BR/00 zu 1684/J-BR/00)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1560/AB-BR/00 zu 1688/J-BR/00)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konečny und Genossen (1561/AB-BR/00 zu 1685/J-BR/00)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1562/AB-BR/00 zu 1686/J-BR/00)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Kollegen (1563/AB-BR/00 zu 1687/J-BR/00)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1564/AB-BR/00 zu 1689/J-BR/00)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Georg Keuschnigg, Maria Grander und Kollegen (1565/AB-BR/00 zu 1690/J-BR/00)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ludwig Bieringer und Hans Ager (1566/AB-BR/00 zu 1691/J-BR/00)

 

 

Beginn der Sitzung: 9.20 Uhr

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich eröffne die 664. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 663. Sitzung des Bundesrates vom 6. April 2000 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Hedda Kainz und Wolfgang Hager.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Klaus Gasteiger, Mag. Harald Himmer und Dr. Ferdinand Maier.

Angelobung

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt ist ein Schreiben der Ersten Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Umreihung von Mitgliedern und Wahlen von Ersatzmitgliedern in den Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Die Erste Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages Angela Orthner

An die Präsidentin des Bundesrates

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

1. Ich teile mit, dass der Oberösterreichische Landtag am 6. April 2000 eine Umreihung bei den von Oberösterreich an erster und siebter Stelle gewählten Mitgliedern vorgenommen hat. Das bisher an erster Stelle entsandte Mitglied Gottfried Kneifel wurde an die siebte Stelle und das bisher an siebter Stelle gereihte Mitglied des Bundesrates Uta Barbara Pühringer wurde an erste Stelle gereiht.

2. Bezüglich der Ersatzmitglieder des Bundesrates hat der Oberösterreichische Landtag ebenfalls Ersatzwahlen durchgeführt. Im Zusammenhang mit der unter Z. 1 mitgeteilten Umreihung hat das an siebter Stelle entsandte Ersatzmitglied Landtagsabgeordnete Elisabeth Freundlinger auf ihre Ersatzmitgliedschaft im Bundesrat verzichtet. Bei der Nachwahl wurden gewählt:

Als Ersatzmitglied an erster Stelle: Mag. Gerhard Tusek

Als Ersatzmitglied an siebter Stelle (wie bisher): Elisabeth Freundlinger

Mit freundlichen Grüßen"

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Verlesung dieses Schreibens und werde die Angelobung von Frau Bundesrätin Pühringer und Herrn Bundesrat Kneifel sogleich vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um die Verlesung der Gelöbnisformel.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Gottfried Kneifel.

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP): Ich gelobe.

Schriftführerin Ilse Giesinger: Uta Barbara Pühringer.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP): Ich gelobe, so wahr mir Gott helfe.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich begrüße die wieder gewählten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte und darf noch hinzufügen: Ich freue mich besonders darüber, eine Frau an erster Stelle des Bundeslandes Oberösterreich zu sehen. Ich gratuliere ganz herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Konečny. – Bitte.

Einwendungen gegen die Tagesordnung

9.23

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Wir haben heute neben anderen Vorlagen unter Tagesordnungspunkt 2 das ÖIAG-Gesetz und unter Tagesordnungspunkt 3, um es kurz zu sagen, die Novelle zum Post- und Telekom-Beteiligungsgesetz zu behandeln.

Ich glaube, dass wir in unserer Funktion als Länderkammer Meinungsäußerungen aus den Bundesländern außerordentlich ernst zu nehmen haben. Ich glaube auch, dass wir – gerade im Fall des ÖIAG-Gesetzes – schon deshalb dazu verpflichtet sind, weil auf Grund der Vorgangsweise der Bundesregierung bei der Einbringung dieses Gesetzes, zu dem kein ordnungsgemäßes Begutachtungsverfahren durchgeführt wurde, die Möglichkeit der Länder, sich mit dieser Materie im Detail auseinander zu setzen, stark verkürzt wurde.

Wenn uns also ein Bundesland darauf aufmerksam macht, dass die im betreffenden Gesetz vorgesehene Nichtanwendbarkeit bundesgesetzlich geregelter Abgabenvorschriften für Umstrukturierungsmaßnahmen, Verschmelzungsvorgänge, Umgründungsmaßnahmen, Vermögensübertragungen und Privatisierungen nicht den üblichen bundesgesetzlich geregelten Abgabenvorschriften unterliegt und dass das nicht nur Sache des Bundes ist, der zugegebenermaßen aus diesen Vorgängen auch Erlöse lukriert, sondern dass es sich hier auch um gemeinschaftliche Bundesabgaben handelt, wodurch es zu Ertragsausfällen für die Länder und Gemeinden in einem, was sicher richtig ist, nicht abschätzbaren Ausmaß kommt, dann ist das ein ernst zu nehmender Einwand.

Es ist dieser Einwand umso ernster zu nehmen, wenn er vor dem Hintergrund einer höchst aktuellen Diskussion erhoben wird, in der das Finanzministerium, der Finanzminister, von diesen Körperschaften, von Ländern und Gemeinden, einen positiven Stabilisierungsbeitrag in der Höhe von 0,5 Prozent einfordert, während diese selbst auf Grund ihrer Budgetsituation öffentlich bekundet haben, dass von ihnen ein negativer Stabilisierungsbeitrag von 0,3 Prozent zu erwarten ist. Der Unterschied von 0,8 Prozent ist in Wirklichkeit das Gelingen oder das Scheitern der Einhaltung der Maastricht-Kriterien.

Wenn also nun der Bund, ohne dass das unter Einhaltung der mühsam ausgehandelten Regelungen über gegenseitige Be- und Entlastungen irgendwo behandelt wurde, einseitig Maßnahmen setzt, dann ist, auch wenn an dieses Monitum keine ausdrückliche Aufforderung an den Bundesrat geknüpft ist, von unserer Seite meiner Einschätzung nach eine Nachdenkpause einzuschalten.

Dass dieses Monitum jenes des Bundeslandes Kärnten, unterzeichnet von Landeshauptmann Dr. Haider, ist, soll auf unserer Seite die Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung mit dieser Meinung nicht schmälern. (Bundesrat Dr. d′Aron: Was heißt das? Was soll das heißen?) – Das heißt, dass wir hier ... (Bundesrat Prähauser: Das war ja ein Lob! – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Der Grad Ihrer Nervosität ist geradezu klinisch.

Wenn also jemand, mit dem wir in schwerster politischer ... (Bundesrätin Haunschmid: Haben Sie ein persönliches Problem mit Herrn Dr. Haider? – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Frau Präsidentin! Wäre es möglich, die Herrschaften so weit zu beruhigen, dass die Verhandlungen fortgesetzt werden können?

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es hat jeder die Möglichkeit, dann in der Debatte das Wort zu ergreifen.

Bundesrat Albrecht Konečny (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin!

Ich stelle noch einmal fest, dass der Grad der Aufgeregtheit bemerkenswert ist. (Ruf bei den Freiheitlichen: Die Aussage war bemerkenswert!) Aber auch die Nervosität eines Kärntner Bundesrates, wenn wir uns eines Einwandes des Landes Kärnten annehmen, ist einigermaßen überraschend. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich würde Sie höflich ersuchen, Ihre Aussagen von diesem Mikro aus vorzubringen. Der Saal ist nicht sehr dazu geeignet, Kollektivdiskussionen abzuhalten, und ich habe nicht die Absicht, das, was ich sagen möchte, in der Form vorzubringen, dass ich Sie überschreie – das gehört nicht zu den demokratischen Vorgangsweisen, zumindest nicht von meiner Seite. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Gudenus: Also nehmen Sie es sich zu Herzen!)

Wenn also das Land Kärnten, dessen Landeshauptmann tatsächlich nicht unsere besondere Wertschätzung genießt – das ist eine Feststellung, die niemanden zu überraschen vermag –, eine solche Einwendung erhebt, dann ist das – das sagte ich bereits – nichtsdestoweniger für den Bundesrat sicherlich eine Veranlassung, hier darüber nachzudenken, ob die Einwendungen oder das Monitum, wie ich es noch einmal nennen möchte, genügend sachliche Rechtfertigung hat, um die Länderkammer dazu zu bewegen, eine andere Stellungnahme als eine Zustimmung zu diesem Gesetz abzugeben. (Bundesrat Dr. d′Aron: Sie haben also schon die Wertschätzung, wenn Sie das heranziehen!) Ich möchte daher, Herr Kollege ...

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege! Ich darf Sie bitten, es zu ermöglichen, dass jetzt Kollege Konečny seine Ausführungen zu Ende bringt.

Bundesrat Albrecht Konečny (fortsetzend): Sie werden merken, falls Sie in der Lage sind zuzuhören, dass wir einen Antrag einbringen, und dieser beinhaltet auch, dass eine Debatte abgehalten werden möge. Sie haben dann reichlich Möglichkeit, Ihre Aussagen zu formulieren.

Ich möchte also namens meiner Fraktion gegen die Tagesordnung der heutigen Sitzung Einwendungen erheben und die Absetzung der Tagesordnungspunkte 1 und 2 verlangen. Unter einem verlange ich, dass über unser ... (Bundesrat Payer: 2 und 3!) – 2 und 3, Entschuldigung; alte Fassung.

Unter einem verlange ich, dass darüber eine Debatte abgehalten wird.

Sie werden also Gelegenheit haben, all Ihre Bemerkungen vorzubringen. Wir werden uns vorbehalten, auf all diese Bemerkungen in gebührender Art zu antworten. (Beifall bei der SPÖ.)

9.31

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Sie haben die Einwendung gegen die Tagesordnung gehört.

Es wurde eine Debatte verlangt.

Gemäß § 39 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates beschränke ich die Redezeit jedes Redners auf 5 Minuten.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte.

9.32

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte für die ÖVP-Fraktion ausdrücklich fest, dass Debatten zur Geschäftsordnung beziehungsweise zur Tagesordnung an und für sich nur mit einer sachlichen Begründung, aber nicht mit Erläuterungen oder sonstigen politischen Beiträgen zu garnieren sind. Das ist die erste Feststellung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zweite Feststellung: Über die Durchführung einer Debatte müsste meiner Meinung nach eine Abstimmung erfolgen.

Dritte Feststellung: Für die ÖVP-Fraktion ist keine Veranlassung gegeben, sich dem Antrag der SPÖ-Fraktion anzuschließen und die beiden Punkte von der Tagesordnung der heutigen Sitzung abzusetzen. Das Schreiben des Kärntner Landeshauptmannes, das hier angeführt wird, ist allen Fraktionen vor den gestrigen Ausschussberatungen – das möchte ich ausdrücklich festhalten – vorgelegen und hätte daher im Ausschuss ohne weiteres in Verhandlung genommen werden können.

Vierte Feststellung: Das Schreiben des Kärntner Landeshauptmannes besagt nicht, dass wir etwas zurückstellen sollen, geschweige denn, dass schärfste Mittel angewendet und ein Einspruch erhoben werden sollen.

Daher ist für die ÖVP keine Veranlassung gegeben, sich dem Antrag der SPÖ-Fraktion anzuschließen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.34

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Böhm. – Bitte.

9.34

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Auch meine Fraktion sieht sich nicht veranlasst, diesem Antrag näher zu treten.

Ich stimme Herrn Kollegen Konečny durchaus zu, dass der Kärntner Landeshauptmann namens der Kärntner Landesregierung auf eine Tatsache hingewiesen hat. Es heißt hier wörtlich: Auf die im Gesetzentwurf vorgesehenen Umstrukturierungsmaßnahmen, Verschmelzungsvorgänge, Umgründungsmaßnahmen, Vermögensübertragungen und Privatisierungserlöse werden bundesgesetzlich geregelte Abgabenvorschriften als nicht anwendbar erklärt.

Ich verweise darauf, dass das bei vergleichbaren Gesetzen stets der Fall war. Erinnern Sie sich an das Bundesbahngesetz, auch dort wurden bundesgesetzliche Abgabenvorschriften nicht zur Anwendung gebracht. Meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion! Sie wissen, dass Sie diesem Gesetz gleichfalls Ihre Zustimmung erteilt haben.

Diese Feststellung des Kärntner Landeshauptmannes schließt mit dem Resümee: Somit werden Erträge auch aus gemeinschaftlichen Bundesabgaben umsatzsteuergeschmälert, was zur Folge hat, dass Ertragsausfälle in einem nicht abschätzbaren Ausmaß auch für Länder und Gemeinden zu erwarten sind.

Wie Herr Kollege Bieringer schon zu Recht bemerkt hat, ist das eine reine Tatsachenfeststellung, auf die der Kärntner Landeshauptmann pflichtgemäß in Wahrung der Interessen seines Bundeslandes hingewiesen hat. Offensichtlich war ihm aber die Bedeutung dieses legistischen Vorhabens im Rahmen der Bundesgesetzgebung bewusst. Er hat daran nicht die Folgerung geknüpft, dass das Land Einspruch erhebt. Er hat nicht einmal in Frage gestellt, dass vielleicht keine ausreichende Begutachtungsfrist vorgesehen gewesen sei. Das wäre auch unlogisch, denn er hat diese Stellungnahme rechtzeitig abgegeben. (Bundesrat Meier: Was nützt sie dann?)

Wir haben in der Präsidiale diese Begutachtungsfrist keineswegs als zu kurz erachtet. Wenn Herr Kollege Konečny einwendet, zu diesem Zeitpunkt sei ihm diese Stellungnahme noch nicht vorgelegen, dann verweise ich wie mein Vorredner Kollege Bieringer darauf, dass uns spätestens bei den gestrigen Ausschusssitzungen diese Stellungnahme vorlag. Wir haben sie ausreichend bedacht. Wir haben keinen Anlass gesehen, deswegen von den bundesgesetzlichen Vorhaben Abstand zu nehmen. Es besteht daher keinerlei Grund, hier davon abzugehen.

Ich stelle mit Freude fest, dass Herr Kollege Konečny die sachlichen Ausführungen des Kärntner Landeshauptmannes ernst nimmt. Es hätte sich daher erübrigt, darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um Herrn Dr. Haider handelt. (Bundesrat Konečny: Wieso? Ist er das auch nicht mehr?)

Es ist die Frage: Wer ist stärker: ich oder ich?, nämlich ob hier Ihre sachliche Wertschätzung oder Ihre politische Begründung, wie Sie zur Person von Herrn Dr. Haider stehen, im Vordergrund steht. Jedenfalls haben Sie damit bewiesen, dass es Ihnen ein willkommener Vorwand ist. Für solche taktischen Spiele stehen wir nicht zur Verfügung. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

9.37

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich appelliere an alle hier im Hause, wenn von Fraktionen Einwendungen, Anregungen oder Ähnliches kommen, dies nicht als taktische Spiele zu qualifizieren. Wir sind in einem Parlament, dem ganz bestimmte Spielregeln für die Durchführung von Debatten und ähnlichem zur Verfügung stehen. (Zwischenrufe.) Aber ich würde wirklich bitten, nicht von "taktischen Spielchen" zu reden, denn die Liste der Spielchen, die man aufzählen könnte, wäre unendlich lange. Ich meine, dass es dem Parlamentarismus an sich nicht gut tut, wenn von "Spielchen" die Rede ist.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Prähauser. – Bitte.

9.39

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Eine demokratische Diskussion als taktische Spielerei zu bezeichnen, ist, gelinde gesagt, Herr Kollege Böhm – Sie wissen, dass ich Sie besonders schätze –, leicht hochmütig. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. )

Ich meine, meine Damen und Herren, Nachdenken sollte in einer Demokratie möglich sein. Wenn die Regierungsparteien dazu nicht willens sind, weil sie sich selbst Zwänge auferlegt haben, ist das ihre Angelegenheit. Unsere Aufgabe als Opposition ist es, zum Nachdenken anzuregen, auf Probleme hinzuweisen, die dann unvorbereitet, überraschend möglicherweise Länder und Gemeinden treffen können. Das ist unsere Aufgabe, und davon werden wir uns nicht abhalten lassen. (Bundesrat Dr. d′Aron: Warum haben Sie das nicht im Ausschuss gemacht?) Wenn Sie das auch in Zukunft als taktische Spielereien sehen, so dürfen Sie das, meine Damen und Herren! Wir glauben, es ist ein wichtiger demokratiepolitischer Beitrag, wenn Diskussionen über derartige Punkte angeregt mit Aufmerksamkeit in diesem Hause geführt werden.

Meine Damen und Herren! Es ist noch gar nicht so lange her, als uns eine andere Steuer etwas durcheinander gebracht hat, ich denke da an die Getränkesteuer. Was war dann die Maßnahme? Wer zahlt es denn, meine Damen und Herren? – Wir wissen das inzwischen: jeder, der seine Familie zum Essen ausführt, jeder, der möglicherweise einmal ein Wochenende der Erholung in irgendeinem Hotelbett sucht. Das sind jene, die zur Kasse gebeten werden, aber nichts dafür können.

Meine Damen und Herren! Diese Dinge gilt es in Zukunft zu verhindern. Da wird es eben notwendig sein, miteinander zu diskutieren, ohne dass das Wort des Anderen als "taktische Spielerei" bezeichnet wird.

Ich meine, dass es einer Koalition nicht gut ansteht, Diskussionen im Ansatz abzuwürgen. Meine Damen und Herren! Das sind Maßnahmen von Zweidrittelmehrheiten aus anderen Gegenden dieses Europas, die wir bei uns nicht haben wollen. Sie werden es sich gefallen lassen müssen, dass wir, wenn wir der Meinung sind, im Sinne Österreichs und der Bevölkerung ist ein Gesetz noch zu überdenken, dies auch tun werden. Ich bitte Sie, auch hier mit dazu beizutragen, dem Vorschlag unseres Vorsitzenden Konečny Folge zu leisten und die Punkte 2 und 3 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

9.41

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der Vorsitzende der FPÖ-Fraktion in diesem Hause hat die Abhaltung einer Präsidiale verlangt. Ich komme diesem Ersuchen gerne nach, schlage aber trotzdem vor, dass wir, nachdem die Liste der Wortmeldungen zu den Ausführungen des Kollegen Konečny erledigt ist, jetzt über den Antrag des Kollegen Konečny abstimmen.

Ich lasse über den Antrag der Bundesräte Professor Konečny und Genossen, die Tagesordnungspunkte 2 und 3, also das ÖIAG-Gesetz 2000 und ein Bundesgesetz über die Änderung des Bundesgesetzes über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft, von der Tagesordnung abzusetzen, abstimmen.

Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag der Bundesräte Professor Konečny und Genossen auf Absetzung der Tagesordnungspunkte 2 und 3 zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist nicht die erforderliche Mehrheit. Aber ich ersuche die Schriftführerin um Auszählung der Stimmen. – Es sind 18 Stimmen zu Gunsten des Antrages Professor Konečny abgegeben worden. Das ist nicht die erforderliche Mehrheit.

Der Antrag ist daher nicht angenommen.

Ich unterbreche jetzt die Sitzung zur Abhaltung einer Präsidiale, die von Professor Böhm gewünscht wird. Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wann wir die Sitzung wieder aufnehmen werden. Es wird aber sicherlich nicht sehr lange dauern.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 9.43 Uhr unterbrochen und um 10.16 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Fragestunde

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Ich beginne jetzt – um 10.16 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Landesverteidigung

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen zur 1. Anfrage, 1093/M, an den Herrn Bundesminister für Landesverteidigung.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Liechtenstein, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1093/M-BR/00

Wie sieht der weitere Fahrplan betreffend die Hubschrauberbeschaffung aus?

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Bundesrat! Sie wissen, dass die Bundesregierung nach Beiziehung des Landesverteidigungsrates voriges Jahr die Beschaffung von neun bewaffneten Mehrzweckhubschraubern – mit einer Option von weiteren drei Hubschraubern – beschlossen hat. Die Bewertungskriterien liegen vor. Das Finanzministerium hat am 10. April dieses Jahres die Einleitung des Beschaffungsvorganges genehmigt. Die Aufforderung, ein so genanntes "last best offer" zu stellen, befindet sich gerade auf dem Postweg an die zwei Firmen, die in einer Vorausscheidung als Anbieter übrig geblieben sind. Wir hoffen, dass die Antwort darauf so rasch kommt, dass wir noch vor dem Sommer eine Entscheidung treffen können.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Herr Bundesrat Liechtenstein! Sie wünschen eine Zusatzfrage, wie ich sehe. – Bitte.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Herr Minister! Wie sehen Sie im Speziellen den Ankauf der Hubschrauber? Ist die Beschaffung der Hubschrauber budgetär sichergestellt oder nicht?

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Bundesrat! Die neue Bundesregierung hat sich – wie auch schon die letzte Bundesregierung – dazu verständigt, dem Landesverteidigungsbudget eine jährliche Tranche von 400 Millionen Schilling zuzumessen. Es wird ein Gesamtvolumen in der Höhe von zirka 2,5 Milliarden Schilling erforderlich sein, um die Hubschrauber zu finanzieren. Für heuer ist auf Grund der Budgetknappheit keine derartige Tranche vorgesehen, aber es gibt eine Garantie des Finanzministeriums, dass ab dem nächsten Jahr die Tranche in der Höhe von 400 Millionen Schilling jährlich zur Verfügung stehen wird.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Thumpser gewünscht. – Bitte.

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Welche Kompensationsgeschäfte mit positiver Auswirkung auf die österreichische Wirtschaft werden von den beiden Firmen in Aussicht gestellt?

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Bundesrat! Ein Kriterium für die Entscheidung ist es, dass Kompensationsgeschäfte entsprechend abgeboten werden. In diesem Fall jedoch würde ich eher von Kooperationen sprechen, denn bei Kompensationsgeschäften stellt sich immer die Frage, wie sie bewertet werden. Wir sollten daher dahin gehend agieren, dass wir wirtschaftliche Kooperationen mit einem bestimmten Beschaffungsvorgang verbinden. Es liegen derzeit noch keine Angebote in diesem Bereich vor. Das Ganze liegt in der Kompetenz des Wirtschaftsministeriums. Mit der Aufforderung, das "last best offer" zu legen, werden gleichzeitig als Antwort die entsprechenden Kompensationspakete eingebracht.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Neuner. – Bitte.

Bundesrat Mag. Christof Neuner (Freiheitliche, Kärnten): Herr Bundesminister! Welche Hubschraubertypen stehen zur näheren Auswahl, und welche Leistungskriterien und Vorteile weisen diese Typen im Vergleich auf?

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Bundesrat! Es wurden ursprünglich insgesamt fünf Hubschraubertypen einer ersten Bewertung untergezogen. Zwei davon sind in das engere Auswahlverfahren gezogen worden. Das ist – ich glaube, dass das bekannt ist – zum einen "Super-Puma", ein Produkt der Firma Eurocopter, und zum anderen "Black-Hawk", ein Produkt der Firma Sikorsky. Eine genaue Beurteilung kann man selbstverständlich erst dann abgeben, wenn die "last best offer" bei uns eingelangt sind. Aber beide Hubschraubertypen entsprechen grundsätzlich den Anforderungskriterien, denn sonst wären sie nicht in die engere Wahl gekommen.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen nun zur 2. Anfrage, die Herr Bundesrat Thumpser stellt. Ich bitte ihn um die Formulierung seiner Anfrage.

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1090/M-BR/00

Welche Einsatzkriterien sind bei der anstehenden Beschaffung von Transporthubschraubern maßgebend?

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wie schon gesagt, hat bereits die letzte Bundesregierung ganz klare Kriterien festgelegt, nämlich einen bewaffneten Mehrzweckhubschrauber zu beschaffen, wobei der Transportkapazität absolute Priorität zukommt, aber neben dieser Transportkapazität auch eine aktive beziehungsweise passive Verteidigungsfähigkeit gegeben sein muss. Mit "passiv" ist hier die Frage der Beschusssicherheit der sogenannten Zelle, das heißt des Hubschraubers selbst, gemeint, also die Frage, wie die Mannschaft gesichert ist, wenn etwa – das wäre durchaus vorzusehen – im Kosovo Transporthubschrauber eingesetzt werden. Derzeit sind wir auf die Kapazität anderer Armeen angewiesen.

Es ist aber auch die aktive Selbstverteidigungsfähigkeit vorzusehen, also die Frage der Bewaffnung, wobei ich aber betone, dass es sich – egal, wie die Komponenten in der Realität dann aussehen werden – auf keinen Fall um einen Kampfhubschrauber handeln wird, denn dieser müsste ganz anders konfiguriert sein. Die Ausschreibungskriterien gehen jedenfalls in die Richtung bewaffneter Mehrzweckhubschrauber.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Wurden in diesem Zusammenhang die Erfahrungen der letzten Katastrophenfälle vor allem in Galtür berücksichtigt – beziehungsweise wenn sie berücksichtigt wurden, mit welchen Auswirkungen?

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Bundesrat! Eine der Erfahrungen war, dass es uns an derartigem Gerät mangelt. Es wurde auch ganz offensichtlich, dass mit der derzeitigen Transportkapazität des Bundesheeres eine derartige Katastrophensituation nicht zu bewältigen ist. Wir waren daher sehr dankbar dafür, dass andere Länder mit ihren Hubschraubern Österreich zu Hilfe gekommen sind. Und das war auch der Anlass dafür, in diesem Bereich tätig zu werden; deshalb auch klare Priorität in Bezug auf Transportkapazität.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister. – Eine weitere Frage wünscht Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Wie lange könnte noch – ohne Zulauf neuer Maschinen – mit dem derzeit vorhandenen Hubschraubern im Bereiche des Lufttransports ein ordentlicher Flugbetrieb aufrechterhalten werden?

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Bundesrat! Was ein "ordentlicher Flugbetrieb" ist, müsste man genau definieren. Sie kennen die "Jahresringe" unserer Hubschrauberflotte. Ein Teil, nämlich die Bell 204, muss heuer noch ausgeschieden werden, weil eben das Ende ihrer Einsatzdauer erreicht ist. Die Hauptkomponente sozusagen, die Bell 212, von der jetzt noch über 20 Stück in Betrieb sind, hat noch eine relativ gute Lebensdauer, das heißt, in diesem Bereich der mittleren Transportkapazität ist das Bundesheer entsprechend ausgestattet. Was jedoch größere Transportkapazitäten anlangt, gibt es derzeit nichts – und deshalb auch diese Beschaffung, die unbedingt notwendig ist.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister. – Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Rodek. – Bitte.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Der politische Wille, diese Hubschrauber anzuschaffen, ist vorhanden. Wann werden Ihrer persönlichen Einschätzung nach diese Hubschrauber tatsächlich der Truppe zur Verfügung stehen?

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Ab Vertragsabschluss ist – da es sich um neue Geräte mit einer Zulaufzeit von etwa eineinhalb Jahren handelt – im Schnitt mit plus/minus einem halben Jahr zu rechnen, wobei in den Ausschreibungskriterien auch der Punkt gegeben ist – da müssen wir aber noch abwarten, was uns die Firmen anbieten –, ob nicht eine Überbrückungshilfe mit einigen Geräten möglich ist. Dies wurde uns auch schon angeboten, sodass wir bereits im nächsten Winter zumindest einen Teil der Transportkapazitäten mit diesem Gerät abdecken können.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Wie kommen nun zur 3. Anfrage, die Herr Bundesrat Gudenus stellt. Ich bitte ihn um die Formulierung seiner Frage.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1097/M-BR/00

Ist es zweckmäßig, nach mehr als 10-jährigem Assistenzeinsatz des Bundesheeres mit jeweils sechsmonatiger Prolongierung dieses Einsatzes, diesen rechtlichen Zustand beizubehalten?

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Bundesrat! Sie indizieren damit die Problematik des sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatzes des österreichischen Bundesheeres. Wir bekennen uns dazu, dass dann, wenn eben andere öffentliche Institutionen verschiedene Aufgaben nicht übernehmen können, das Bundesheer Hilfestellung gibt. Der Rechnungshof hat jedoch bereits angemerkt, dass dieser Assistenzeinsatz keine Dauerleistung sein kann; das wäre auch verfassungsrechtlich bedenklich.

Es sind zwei Kriterien angesprochen: zum einen keine unbegrenzte Dauer und zum anderen, dass die eigentlich damit befasste Institution auch einen entsprechenden Beitrag für die Aufgabenerfüllung zu leisten hat. Das ist in diesem Fall gegeben. Wir alle hoffen, dass die Grenzsicherung im Burgenland und zum Teil auch in Niederösterreich nicht auf unbegrenzte Zeit notwendig sein muss. Dass es sich dabei bereits um eine sehr lange Zeit handelt, ist richtig. Es erfolgt diese Verlängerung aber jetzt nicht mehr im Halbjahresrhythmus, sondern in einem Einjahresschritt. (Im Sitzungssaal ist Handy-Läuten zu hören.)

Ich meine jedenfalls, dass die Probleme eher im Bereich von Materialausstattung und Budgetierung liegen; diesbezüglich gibt es einen eindeutigen Handlungsbedarf. Grundsätzlich bekenne ich mich als Verteidigungsminister jedenfalls dazu, dass das Bundesheer dort hilft, wo andere Institutionen das nicht mehr tun können – und deshalb auch ein grundsätzliches Bekenntnis zum Assistenzeinsatz unseres Heeres an der burgenländischen und niederösterreichischen Grenze.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns zwar nicht in einem Flugzeug, in dem die Handys abgeschaltet sein müssen, aber ich würde doch ersuchen, dass Handys hier entweder abgestellt oder, wenn es ganz dringend ist, auf Vibrieren geschaltet werden, sodass die Sitzung des Bundesrates nicht unbedingt gestört wird. Ich bitte Sie, das zu beachten!

Wünschen Sie eine Zusatzfrage, Herr Bundesrat Gudenus? – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Bundesminister! Was hindert Sie daran, eine verfassungskonforme Regelung dieser Frage in absehbarer Zeit anzuregen, was eine Verlängerung des Assistenzeinsatzes des Heeres, eben diesen Dauerzustand betrifft, verfassungsmäßig zu regeln?

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Bundesrat! Ich glaube nicht, dass es sinnvoll wäre, diese Assistenzleistung in einen Dauerzustand umzuwandeln, denn dann hätten wir wieder Probleme, wenn jener Fall eintritt, den wir alle erhoffen, nämlich dass diese Grenzsicherung nicht mehr notwendig ist, wenn sich eben die Lage so darstellt, dass es keine illegalen Grenzübertritte mehr geben wird. Wo es aber absoluten Handlungsbedarf gibt, ist selbstverständlich im Bereich des Materials und der Infrastruktur und bei der Struktur insgesamt des Assistenzeinsatzes. Da geht man nach wie vor von einem Provisorium aus.

Eine diesbezügliche Arbeitsgruppe wurde von mir bereits initiiert, die bis zur Jahresmitte eine Neuordnung des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres vorschlagen soll, damit man eben auch darauf ausgerichtet ist, dass dieser Einsatz wahrscheinlich noch einige Jahre notwendig sein wird.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister. – Eine Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Hensler gewünscht. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Wie viele Soldaten befinden sich derzeit im Grenzeinsatz? Ist daran gedacht, diesen Assistenzeinsatz auf ganz Niederösterreich und teilweise auch auf Oberösterreich auszudehnen?

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Bundesrat! Derzeit befinden sich rund 2 200 Soldaten permanent im Grenzeinsatz, und zwar im Burgenland und teilweise auch in Niederösterreich. Ich weiß, dass die Landeshauptmänner von Niederösterreich und Oberösterreich eine Ausweitung dieses Assistenzeinsatzes wünschen. Auf Grund der Ressourcen und auch auf Grund eben des Umstandes, dass es sich dabei um eine Aufgabe handelt, die wir für das Innenministerium übernehmen, muss ich allerdings sagen, dass eine Ausweitung in dem Sinn, dass wir mit unserem Heer die gesamte Grenze abdecken, infolge unseres Personalstandes und der Materialressourcen sicherlich nicht möglich ist.

In der von mir vorhin angesprochenen Arbeitsgruppe wird aber auch überprüft werden, ob mit einer Art flexibleren Handhabung des Assistenzeinsatzes – also keine permanente Überwachung der gesamten Grenze, sondern punktuell, sozusagen in Form von Planquadrataktionen – Maßnahmen gesetzt werden können, mit denen eine solche Überwachung gleichfalls möglich sein würde.

Ich weise aber noch einmal darauf hin, dass all diese Dinge im derzeitigen Budget nicht enthalten sind.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister. – Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Prähauser. – Bitte.

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Bundesminister! Könnte man diesen Assistenzeinsatz nicht als fixen Übungsteil, solange es sich dabei um EU-Außengrenzen handelt, bei der Ausbildung einplanen?

Ich glaube, dass bei einem solchen echten ernsten Einsatz mehr gelernt wird als bei fiktiven Übungen; Rechtsnormen hiefür natürlich vorausgesetzt.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Bundesrat! Es ist richtig, dass durch den Assistenzeinsatz des Bundesheeres – es ist ein Einsatz – viele Ausbildungsinhalte, die auch für andere Einsätze notwendig sind, vorhanden sind und auch geübt werden können, wobei das aber nur dann der Fall ist, wenn es sich um einen einmaligen Einsatz handelt, also sechs Wochen lang. Die Betroffenen sagen mir – das hängt natürlich auch von den Aufgaben der jeweiligen Truppen ab –, dass es da einen positiven Effekt gibt.

Wenn es aber so ist – das ist derzeit aufgrund der knappen Personalressourcen manchmal notwendig –, dass Truppenteile zwei Mal in einen Assistenzeinsatz gehen, dann schadet das der Ausbildung, denn dann sind Ausbildungsinhalte nicht mehr vermittelbar, die für andere Einsatzaufgaben notwendig sind. Das hat auch der Rechnungshof schon kritisch angemerkt. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Wir versuchen deshalb, die Einsatzdauer auf diese einmalige Entsendung zu beschränken und das durch die schon angesprochene flexiblere Handhabung auch entsprechend zu garantieren. Aber ein einmaliger Assistenzeinsatz hat sicherlich positive Auswirkungen, wenn es auch vor allem bei hochtechnisierten Verbänden manchmal das Problem gibt, in diesen sieben bis acht Monaten alle Ausbildungsinhalte zu vermitteln.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen nun zur 4. Anfrage des Herrn Bundesrates Peter Rodek. Ich bitte ihn, die Frage zu formulieren.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1094/M-BR/00

Wann soll den Frauen der Zugang zur Milizlaufbahn im Bundesheer ermöglicht werden?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Ich bedanke mich für die Frage, Herr Bundesrat! Die Heiterkeit von anderen Kollegen nehme ich als Zustimmung für dieses Anliegen auf. Ich glaube, es ist eine sehr wichtige Aufgabe, zu signalisieren, dass auch Frauen auf freiwilliger Basis – ich betone: auf freiwilliger Basis – einen Beitrag zur Landesverteidigung leisten können, und zwar nicht nur so wie bis jetzt in Form der Berufslaufbahn, sondern auch in Form einer Miliztätigkeit. Ich werde dem Nationalrat noch heuer eine Vorlage zumitteln, in der diese Möglichkeit vorgesehen sein wird.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Können Sie mir sagen, ob es dafür schon Interessentinnen gibt, und wenn ja, wie viele?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Da es derzeit diese Möglichkeit nicht gibt, gibt es auch keine Erhebung darüber, wie groß das Interesse dafür wäre. Ich weiß aus meinen persönlichen Kontakten, dass dieses Interesse durchaus vorhanden ist, dass Frauen so wie auch viele Männer sagen, dass sie zwar nicht die Berufslaufbahn beim Bundesheer einschlagen wollen, aber sehr gerne nach einer Grundausbildung neben ihrem Beruf eine derartige Miliztätigkeit umsetzen wollen. Wir werden selbstverständlich auch Anreizsysteme dafür überlegen. Es gibt auch eine eigene Arbeitsgruppe dafür, um eben diesen freiwilligen Dienst beim österreichischen Bundesheer so attraktiv wie möglich zu gestalten.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Fuchs gewünscht. – Bitte sehr.

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Werden Sie diesbezüglich das Prinzip der Freiwilligkeit beibehalten?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Selbstverständlich! Wie Sie wissen, hat sich die österreichische Bundesregierung sogar zum Ziel gesetzt, die Wehrpflicht insgesamt mittel- bis langfristig zu sistieren. Wenn Rahmenbedingungen vorhanden sind, die das ermöglichen, ist selbstverständlich nicht daran gedacht, die Wehrpflicht auszuweiten. Die Möglichkeit für Frauen, neben der Berufslaufbahn auch in der Miliz Tätigkeiten für die Landesverteidigung zu erbringen, ist selbstverständlich auf absoluter Freiwilligkeit zu belassen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage wünscht Frau Bundesrätin Haunschmid. – Bitte.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Minister! Welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um den Ausbildungsdienst von Frauen noch besser zu gestalten?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Wir haben derzeit erste Erfahrungen mit dem Ausbildungsdienst, die sehr positiv sind. Es gibt kaum Probleme, wie sie etwa im Bereich der Infrastruktur oder bei der Ausbildung befürchtet worden sind. Das Ausbildungsniveau und auch das Leistungsniveau der Frauen, die derzeit beim Bundesheer Dienst machen, sind ausgezeichnet. Das hat auch sogar positive Anreize für die Leistungsbereitschaft der Männer.

Ich habe aber eine Maßnahme verfügt, die, wie ich meine, für diese Einrichtung sehr wichtig ist. Es hat sich ein bisschen eingebürgert, dass man die Frauen sehr gerne hergezeigt hat. Bei Übungen, bei Manövern, überall ist man "zufällig" auf Frauen in Uniform gestoßen. Ich halte das für nicht zielführend, sondern wir sollten auch diesbezüglich zu einem Zustand der Normalität kommen. Die Frauen sollten auch nicht aus ihrem Dienstbetrieb herausgerissen werden. Das ist auch, wie ich meine, eine wichtige Maßnahme zur Gleichstellung. Ansonsten glaube ich – auch daran gemessen, dass es kaum Beschwerden aus dem Dienstbetrieb gibt, auch nicht von den Frauen selbst –, dass all das bis jetzt im Großen und Ganzen zur Zufriedenheit der Beteiligten abläuft.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke, Herr Bundesminister.

Wir kommen nun zur 5. Anfrage, 1091/M, der Frau Bundesrätin Brunhilde Fuchs. Ich bitte sie, die Anfrage zu verlesen.

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Herr Minister! Meine Frage lautet:

1091/M-BR/00

Sind die in Zypern und am Golan eingesetzten österreichischen UN-Kontingente in der heißen Jahreszeit mit Uniformsorten ausgestattet, die den klimatischen Gegebenheiten und dem internationalen Standard entsprechen?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Frau Bundesrätin! Unsere UNO-Soldaten sind zwar optisch gesehen scheinbar mit der gleichen Uniform ausgestattet wie unsere Soldaten hier in Österreich, aber vom Material und von der Zusammensetzung her handelt es sich um eigens für diesen Einsatz angeschaffte Bekleidungsstücke. Diese sind zu 100 Prozent aus Baumwolle und auch von leichterer Konsistenz, wurden also extra für diesen UNO-Einsatz beschafft.

Wir haben auch für den Einsatz in der ehemaligen Spanisch-Westsahara in Afrika eigene Uniformen in der Stückzahl von rund 300 Stück angeschafft, die dort bis jetzt aber noch nicht in Verwendung kommen konnten, weil das Referendum leider nicht terminisiert ist. Diese Uniformen sind jetzt zum Einsatz in Mosambik gekommen.

Wir überprüfen gerade, ob es heuer auch budgetär noch möglich ist, ein größeres Kontingent dieser Spezialuniformen anzuschaffen. Diese werden dann so rasch wie möglich unseren Kontingenten in Zypern und am Golan zugemittelt.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Ist bei dieser Neuanschaffung, die Sie jetzt eben genannt haben, auch die Möglichkeit inkludiert, dass speziell für Frauen Uniformen angeschafft werden, damit diese Einsätze auch Frauen angeboten werden können?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Es gibt bei uns keine Unterschiede im Dienst für Frauen und Männer. Das heißt, grundsätzlich haben alle Frauen die Möglichkeit, jeden Dienst im österreichischen Bundesheer zu verrichten, daher auch den Auslandseinsatz. So wie im Inland wird selbstverständlich auch im Ausland auf die Bedürfnisse der Frauen Rücksicht genommen werden.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine Zusatzfrage wird von Frau Bundesrätin Mühlwerth gewünscht. – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Ist angesichts der Höhe des Landesverteidigungsbudgets geplant, die UN-Einsätze zu verkleinern beziehungsweise in den nächsten Jahren an andere Nationen zu übergeben?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Frau Bundesrätin! Ich glaube, es ist bekannt, dass ich im Zuge der Budgetverhandlungen darauf hingewiesen habe, dass auch diese Auslandseinsätze ein Beitrag Österreichs für ein anderes Ressort sind – für diese Einsätze ist das Außenministerium verantwortlich –, dass aber diese Einsätze in der Vergangenheit nicht dem Landesverteidigungsbudget zugerechnet worden sind und es deshalb Probleme gibt. Es ist aber in den Budgetverhandlungen gelungen, diese Einsätze für heuer budgetär abzusichern. Für die nächsten Jahre wird es selbstverständlich eine Erhöhung dafür geben müssen.

Abgesehen davon wird es aber auch notwendig sein, die Auslandseinsätze in der Zukunft zu konzentrieren, denn die österreichische Bundesregierung hat sich dazu verständigt, vollberechtigt am Aufbau einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union teilzunehmen. Es ist gefordert, bis 2003 einen Gesamtrahmen von 60 000 Mann in Europa bereitzustellen. Der österreichische Beitrag dazu wird bis Jahresende zu definieren sein, und in diesem Ausmaß – die Personalressourcen sind nicht unbegrenzt erweiterbar – müssen wir dann selbstverständlich auch andere Einsätze diskutieren.

Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit der Rotation, der Zusammenarbeit mit anderen Staaten. Ich meine, es wäre im Zuge einer stärkeren Integration in Europa auch sinnvoll, gerade jenen Ländern die Möglichkeit zu geben, sich an einem derartigen Einsatz zu beteiligen, die etwa vor zehn Jahren aufgrund ihrer politischen Situation noch nicht die Möglichkeit dazu hatten.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine Zusatzfrage wünscht noch Herr Bundesrat Saller. – Bitte sehr.

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Welche Erfahrungen konnten beim jüngsten Einsatz in Mosambik für andere Auslandseinsätze gewonnen werden?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Zum einen, Herr Bundesrat, war das wieder ein klares Signal, dass das österreichische Bundesheer einsatzbereit ist und auch in wichtigen Nischen wichtige Aufgaben erfüllen kann. Das österreichische Bundesheer hat in diesem Bereich tausendfach Leben gerettet, indem zum Beispiel gutes Trinkwasser zur Verfügung gestellt werden konnte.

Wir haben aber gesehen, dass wir gerade im Bereich der Transportkapazität große Probleme haben. Weil das österreichische Bundesheer, wie Sie wissen, über keine eigenen Transportflugzeuge verfügt, muss man im Bedarfsfall kurzfristig – derartige Katastropheneinsätze kündigen sich nicht lange vorher an – versuchen, auf dem freien Markt Transportkapazität zu mieten.

Wir haben gesehen, dass die UNO und auch andere Armeen kaum in der Lage sind, uns derartiges Gerät zur Verfügung zu stellen. Das ist mit exorbitant hohen Kosten verbunden. Wir haben erst jetzt wieder gesehen, dass Staaten und Privatfirmen die Kosten verdoppeln, wenn sie sehen, es ist ein knapper Markt vorhanden. Auch das sollten wir in unsere künftigen Beschaffungsprioritäten mit einbeziehen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur 6. Anfrage, 1095/M, des Herrn Bundesrates Dipl.-Ing. Hannes Missethon. Ich bitte ihn, die Anfrage zu verlesen.

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1095/M-BR/00

Wie werden Sie den Assistenzeinsatz des Bundesheeres an den österreichischen Grenzen auch weiterhin sicher stellen?

Diese Frage ist schon weitreichend beantwortet worden, ich möchte daher meine Zusatzfrage stellen: Wie viele illegale Grenzgänger wurden bisher von den Soldaten aufgegriffen?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Wenn ich mich recht erinnere, haben wir in den fast zehn Jahren, die dieser Assistenzeinsatz dauert, etwa 43 000 illegale Grenzgänger aufgegriffen, wobei natürlich die Dunkelziffer der Abhaltewirkung sicherlich ein Mehrfaches dieser Zahl beträgt.

Wenn ich auf Ihre Grundsatzfrage auch noch eingehen darf: Es sind in erster Linie budgetäre Maßnahmen zu treffen, um den Assistenzeinsatz sicher zu stellen, aber auch materielle Maßnahmen. Wir erstellen gerade jetzt eine Liste von notwendigen Geräten, die eine stärkere Effizienz auch des Assistenzeinsatzes und auch einen besseren Kontakt mit dem Innenministerium bringen würden, als das bisher der Fall war. Ich kann sagen, dass es schon sehr gute Gespräche mit meinem Amtskollegen gegeben hat und wir deshalb auch sicher stellen werden, dass dieser Assistenzeinsatz, wenn die budgetären Rahmenbedingungen gegeben sind, in diesem Umfang auch in Zukunft eine wichtige Aufgabe des Bundesheeres wird darstellen können.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Zusatzfrage: Herr Bundesrat Johann Grillenberger. – Bitte.

Bundesrat Johann Grillenberger (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werden die Assistenzsoldaten auch regelmäßig psychologisch betreut?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Bundesrat! Es gibt sowohl ein Freizeitprogramm für unsere Soldaten, sie verlassen auch teilweise in ihrer Ruhezeit den Einsatzraum und werden mit Bussen in ihre Heimatregion geführt, und es ist auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer psychologischen Betreuung vorhaben. Leider muss ich darauf hinweisen, dass es bedauerliche Fälle, auch Selbstmorde in diesem Bereich, gegeben hat. Es gibt auch eine Studie im Rahmen des österreichischen Bundesheeres, die besagt – das erklärt keinen Einzelfall, und wir reagieren auf jeden Einzelfall immer wieder –, dass die Selbstmordrate im österreichischen Bundesheer im Rahmen der Gesamtbevölkerung unterdurchschnittlich ist. Wenn wir davon ausgehen, dass wir fast einen Querschnitt zumindest der männlichen Gesamtbevölkerung bei uns im Bundesheer haben, dann heißt das, die Probleme, die beim Bundesheer auftreten, sind in Wahrheit Probleme, die die Gesamtgesellschaft betreffen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Bundesrat Buchinger. – Bitte.

Bundesrat Ludwig Buchinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Durch welche Maßnahmen kann die Effektivität bei der Grenzüberwachung des Bundesheeres weiter gesteigert werden?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Bundesrat! Ich bin schon bei meiner Beantwortung der ersten Frage darauf eingegangen. Noch einmal: Die budgetären Maßgaben müssen gesichert sein, und auch die materiellen Rahmenbedingungen müssen sichergestellt sein, damit dieser Einsatz entsprechend effektiv ist. Vor allem was die Überwachung der Grenzen in der Nacht anlangt, ist es unbedingt notwendig, mehr Wärmebildkameras und auch Radargeräte zur Verfügung zu haben, als das bisher der Fall war.

Wie gesagt, mit einer etwas flexibleren Rotation und auch Personalbewirtschaftung wird es, so glaube ich, möglich sein, auch hier eine stärkere Effizienz beim Personaleinsatz zu erzielen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zur 7. Anfrage, 1098/M, der Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich bitte sie, die Frage zu verlesen.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Minister! Wir haben heute von Ihnen schon viel Positives über die Akzeptanz der Frauen beim Bundesheer gehört. Daher lautet meine Frage:

1098/M-BR/00

Wie sieht der aktuelle Stand beim Projekt Frauen im Bundesheer aus?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Frau Bundesrätin! Wir haben derzeit genau 109 Frauen im österreichischen Bundesheer, sowohl im Ausbildungsdienst als auch schon aktiv bei der Truppe. Wir werden in Kürze die erste Kommandantin im österreichischen Bundesheer haben, nämlich eine Hauptmann-Ärztin. Es gibt meines Wissens auch schon die erste Frau, die sich für die aktive Berufsoffiziers-Laufbahn gemeldet hat und entsprechend in die Militärakademie integriert wird.

Die Zahl 109 klingt bei einer Gesamtzahl von über 26 000 Bediensteten im österreichischen Bundesheer selbstverständlich relativ niedrig, wobei hier auch die Zivilbediensteten mit eingerechnet sind. Bei den Zivilbediensteten haben wir einen sehr hohen Prozentsatz an Frauen, die im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung tätig sind.

Noch einmal muss ich sagen, dass die Erfahrungen äußerst positiv sind. Die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft der Frauen sind sehr gut, und wir hoffen, dass dieses Projekt in Zukunft auch noch von größerer Akzeptanz getragen sein wird.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Welche konkreten legistischen Maßnahmen sind im Bereich des Ausbildungsdienstes von Frauen geplant, um im Sinne der Gleichbehandlung und Gleichberechtigung weitere freiwillige Wehrdienstleistungen von Frauen zu ermöglichen?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Wie schon einmal angesprochen, Frau Bundesrätin, haben wir noch heuer im Rahmen einer Wehrgesetzänderung vor, auch für Frauen die Möglichkeit einer freiwilligen Tätigkeit bei der Miliz zu schaffen. Ich glaube, dass das auch einen Anreiz geben wird, sich zu überlegen, ob man dann nicht doch die Berufslaufbahn einschlägt, denn viele Frauen möchten sich ansehen, wie dieser Dienst läuft, und wenn es positive Erfahrungen gibt – ich lege Wert darauf, dass dieser Dienst sowohl für Männer als auch für Frauen so gestaltet wird, dass er positive Erfahrungsinhalte vermittelt –, dann werden auch die Anreize stärker sein, sich in weiterer Folge auch für eine Berufslaufbahn zu entscheiden.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Bundesrätin Grander. – Bitte.

Bundesrätin Maria Grander (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich ziehe meine Frage zurück, da sie bereits im Zusammenhang mit den anderen Anfragen betreffend Frauen beantwortet wurde. – Danke. (Bundesminister Scheibner: Ich glaube, ich antworte zu ausführlich!)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Frau Bundesrätin Schicker.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Ich entlasse den Herrn Bundesminister nicht aus seiner Verantwortung. – Auch aus den steirischen Kasernen höre ich nur Positives in Bezug auf das Projekt Frauen – auch von den Kommandanten. Wie Sie aber auch schon in einer Ihrer Anfragebeantwortungen gesagt haben, kommt es hie und da auch vor, dass sich Frauen an die Beschwerdekommission wenden. Könnten Sie mir Beispiele sagen, welcher Art diese Beschwerdefälle sind und wie viele bis jetzt vorgekommen sind?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Ich kann mich ehrlich gesagt an keine außerordentliche Beschwerde erinnern. Es gab ganz am Anfang Probleme mit zwei Frauen, die sich im Rahmen der Ausbildung beschwert haben. Wir sind all diesen Beschwerden nachgegangen und versuchen selbstverständlich, so weit es geht, diese Beschwerden auszuschalten. Ich werde mich aber noch einmal bei meiner Fachabteilung erkundigen, und sollte es doch etwas gegeben haben, werde ich Sie persönlich darüber informieren.

Generell kann ich noch einmal sagen, dass die Resonanz sehr gut ist. Man muss auch sagen, dass auch das österreichische Bundesherr sehr darauf bedacht ist, nur alles ordentlich umzu-setzen. Das sorgt manchmal bei den Männern für Unmut, die sich auch so gerne von allen Instanzen so gut behandelt fühlten, wie es derzeit bei den Frauen der Fall ist.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zur 8. Anfrage, 1092/M, des Herrn Bundesrates Stefan Prähauser. Ich bitte ihn, die Frage zu verlesen.

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1092/M-BR/00

Welche Maßnahmen werden von Ihnen getroffen, um die aufgeblähte Personalsituation im Bereich der Zentralstelle und oberen Verwaltungsebene zu Gunsten der Truppe zu reduzieren?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Bundesrat! Wenn man von einer Aufblähung spricht, dann muss man auch die Rahmenbedingungen beleuchten. Wir gehen davon aus, dass wir vor zehn Jahren noch einen Gesamtrahmen des österreichischen Bundesheeres von über 300 000 Soldaten bei einer Mobilmachung gehabt haben und wir derzeit durch die geänderten Rahmenbedingungen bei etwa einem Drittel dieser Mobilmachungsstärke stehen, Sie aber auch ganz genau wissen, dass wir beim österreichischen Bundesheer ein Beamten-Dienstrecht haben, sodass sich eine Reaktion auf derartige Umstellungen nur sehr langsam abzeichnen kann. Das ist in anderen Bereichen anders. Die schwedische Armee etwa hat hier andere Möglichkeiten. Sie verfügt ganz einfach binnen zwei oder drei Jahren eine Reduzierung von 20 bis 30 Prozent auf dem Personalsektor, und das wird dann auch umgesetzt. Das österreichische Bundesheer hat diese Möglichkeiten nicht.

Es gibt Vorteile und auch Nachteile von solch flexiblen Regelungen, wir versuchen aber, Schritt für Schritt in den Verwaltungsbereichen einzusparen. Viele Bereiche sind bereits umgesetzt, wie etwa eine 30-prozentige Reduzierung, diese Reduzierung befindet sich gerade im Endstadium der Realisierung bei den Militärkommanden. Sie wissen, dass mit der letzten Strukturanpassung ein Korpskommando eingespart wurde und dass wir gerade dabei sind, bei den Ämtern und Schulen zu straffen.

Das Heeres-Materialamt und das Amt für Wehrtechnik werden derzeit evaluiert, was eine Zusammenlegung anlangt. Auch hier gibt es immer wieder Gegenstimmen, die meinen, es sei besser, diese beiden Ämter getrennt zu lassen. Wir untersuchen das etwa auch im Bereich der Heeresversorgung; eine derartige Zusammenlegung von Heeresversorgungsschule und Heereskraftfahrschule wird überprüft.

Bereits umgesetzt haben wir die Reform der Heeressport- und -Nahkampfschule, und auch im Sanitätsbereich gibt es bereits eine Zusammenfassung. Ich glaube, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich sage noch einmal: Das Dienstrecht setzt uns Schranken, aber das Ziel ist es selbstverständlich, die Strukturen den Gegebenheiten anzupassen. Ich habe auch verfügt, dass bei den Personalnachbesetzungen in erster Linie auf die Bedürfnisse der Truppe Rücksicht zu nehmen ist, denn die Zentralstelle und die Verwaltung und letztlich auch der Bundesminister sind im Prinzip nur dazu da, der Truppe, dem Soldaten im Einsatz, die Möglichkeit zu geben, seinen Dienst bestmöglich zu erfüllen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Bundesminister! Ich unterstütze Ihre Aussagen. Ich möchte aber trotzdem wissen, welchen Zeithorizont Sie für diese Strukturverbesserung ins Auge fassen. Wir beide wollen nämlich, dass die Truppe davon profitiert.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Dieser Zeithorizont ist fließend. Etwa die 30-prozentige Reduzierung bei den Militärkommanden – wir sind jetzt gerade bei der Erstellung der Org-Pläne, das ist im Endstadium – wird heuer noch abgeschlossen. Die Reduzierung des Korpskommandos ist bereits abgeschlossen. Das Konzept für die Zusammenlegung des Heeres-Materialamtes und des Amtes für Wehrtechnik wird bis zum Herbst vorliegen. Wir sind auch jetzt gerade dabei, ein Konzept für die grundlegende Neuordnung auch der Zentralstelle, also meiner unmittelbaren Umgebung, auch der Sektionen auszuarbeiten. Auch das, so hoffen wir, wird heuer noch vorliegen.

Aber wir sind selbstverständlich als Heer, als Armee, bei der sich die Aufgaben ständig ändern, immer wieder gefordert, diese Strukturen den neuen Gegebenheiten anzupassen. Ich sehe nur jetzt auch in der kurzen Zeit meiner Amtstätigkeit, dass oft die äußeren Gegebenheiten die Strukturreformen überholen, nicht nur im Bereich der Zentralstelle, sondern etwa auch im Baubereich. Aber das ist eben dadurch gegeben, dass sich durch Rahmenbedingungen, die wir nicht beeinflussen können, etwa Bedrohungsszenarien, diese Aufgabenstellungen auch sehr rasch ändern können.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte sehr, Frau Bundesrätin Haunschmid.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Durch welche Schritte soll der Dienst bei der Truppe wieder attraktiver gemacht werden, um wieder mehr Personal zu den Verbänden zu bekommen?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Ich habe den Ausdruck "attraktiv" heute zwar selbst verwendet, sage aber normalerweise, der Dienst in einer Armee kann nicht attraktiv sein, letztlich auch schon von der Aufgabenstellung her, denn letztlich wird ein Soldat dazu ausgebildet, und er leistet auch ein Gelöbnis, im Ernstfall seine Gesundheit und auch sein Leben für die Sicherheit des Landes und der Bevölkerung einzusetzen, und die Vorbereitung auf einen derartigen Einsatz kann nicht attraktiv sein. Aber wir müssen den Dienst so sinnvoll und eben einsatzorientiert wie möglich gestalten.

Ich weise meine Offiziere und Unteroffiziere immer wieder an, dass sie auch dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass – bei aller Diskussion über Wehrpflicht – jeder, der Dienst beim österreichischen Bundesheer macht, es de facto freiwillig tut; die Berufslaufbahn ist selbstverständlich auf freiwilliger Basis, ebenso die Frage Wehrdienst. Jeder hat heute die freie Wahl: Leistet er den Wehrersatzdienst, den Zivildienst oder den Dienst mit der Waffe? – Deshalb ist es auch wichtig für die Arbeitsgruppe, die ich zur Erstellung von Rahmenbedingungen für die Umstellung des österreichischen Bundesheeres auf eine Freiwilligenarmee eingerichtet habe, genau diese Anreizsysteme zu beleuchten.

Wir haben auch eine Umfrage unter Grundwehrdienern laufen, von der wir uns Antworten erwarten auf Fragen wie: Was sind denn die besonderen Probleme, die Sie im Rahmen Ihres Grundwehrdienstes bewegen? Was wären Dinge, auf die Sie besonders Wert legen, wenn Sie sagen sollen: Das ist ein guter Dienst!?

All diese Dinge werden wir heuer noch in entsprechende Maßnahmen umsetzen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Schöls. – Bitte sehr.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wiewohl ich natürlich die Schutzfunktion für die öffentlich Bediensteten, die das BDG bietet, schätze und auch nicht missen möchte, meine Zusatzfrage: Wie viele Planstellen im Bereich der Zentralstelle wurden seit 1. Jänner 1996 eingespart?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Es gab insgesamt beim österreichischen Bundesheer – das zeigt auch, dass es immer wieder Maßnahmen gegeben hat, und wir erfüllen all diese Maßnahmen bei der Personalreduzierung –, als die Zeitsoldaten in das Personalschema Militärperson auf Zeit übergeführt worden sind, einen Höchststand an Planstellen von über 30 000 im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung. Diese Zahl wurde jetzt reduziert auf knapp über 26 000, also eine Reduzierung von über 4 000 Planstellen. Jetzt kommen noch einmal über 1 000 Planstellen dazu, weil wir die BGV II in das österreichische Bundesheer integrieren. Im Bereich der Zentralstelle selbst hat es eine Reduzierung um über 170 Planstellen gegeben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur 9. Anfrage, 1096/M, des Herrn Bundesrates Gottfried Kneifel. Ich bitte ihn, die Frage zu verlesen.

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir haben heute schon sehr viel über die Beschaffungsvorgänge von Hubschraubergeräten für das österreichische Bundesheer gehört. Meine Frage lautet:

1096/M-BR/00

Wie sehen die weiteren Planungen betreffend die Nachbeschaffung von Luftraumüberwachungsflugzeugen aus?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Bundesrat! Zum einen möchte ich einmal auf die unbedingte Notwendigkeit einer Luftraumüberwachung, und zwar auch einer aktiven Luftraumüberwachung, für Österreich hinweisen.

Jeder Staat, der auf seine Souveränität wert legt und sie auch schützen möchte, muss dies – das ist, so glaube ich, unbestritten – auf dem Boden tun, aber auch in der Luft. Es ist noch nicht so lange her, und daran sollten wir uns immer erinnern, wenn man diese Frage auch in Diskussion stellt: 1991, als serbische Migs österreichischen Luftraum verletzt haben, ist sehr laut nach dem Draken gerufen worden. Es geht jetzt nicht um die Beschaffung von Kampfbombern oder Abfangjägern, sondern um Luftraumüberwachungsflugzeuge. Deshalb ist die Nachbeschaffung für den Draken, der absolut am Ende seiner Einsatzdauer steht, unbedingt notwendig.

Die letzte Bundesregierung hat dem Landesverteidigungsrat schon Ende 1998 einen Vorhabensbericht übermittelt, der davon in Kenntnis setzte, dass die Kriterien für ein derartiges Luftraumüberwachungsflugzeug erarbeitet werden. Diese Kriterien, die technische Leistungsbeschreibung werden im Herbst dieses Jahres vorliegen. Die neue österreichische Bundesregierung hat sich vorgenommen, eine Entscheidung so zu treffen, dass in dieser Legislaturperiode eine Nachbeschaffung möglich sein wird. Ich muss auch sagen, dass es notwendig ist, dies in diesem Zeitraum zu tun, denn sonst entsteht eine Lücke. Dann würden uns die mühsam ausgebildeten Piloten abwandern, auch das technische Personal, und dann wäre die gesamte Düsenfliegerei im österreichischen Bundesheer insgesamt in Frage gestellt.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünschen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Zum Teil ist diese schon beantwortet worden, aber ich möchte noch wissen: Können Sie den Zeitpunkt näher präzisieren, wann die neuen Luftraumüberwachungsfahrzeuge zur Verfügung stehen werden?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Sie müssen davon ausgehen, wenn es möglich ist, noch heuer die Grundsatzentscheidung oder die Typenentscheidung zu treffen, dann – auch die zur Verfügung stehende Infrastruktur muss dann entsprechend ausgebaut werden – wird es etwa drei bis vier Jahre dauern, bis das Gerät vollzählig zur Verfügung steht, wobei auch hier Möglichkeiten überprüft werden. Wie gesagt, all das ist erst im Werden, ob es auch hier Möglichkeiten gibt, auch von den entsprechenden Anbietern Übergangs-, Überbrückungshilfen zur Verfügung stellen zu lassen.

Das ist der normale Beschaffungsvorgang. Bezüglich der Lieferzeiten, wie gesagt, sind wir bestrebt, Überbrückungslösungen anzubieten, sodass dieses Gerät auch rascher zur Verfügung steht.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer weiteren Zusatzfrage meldet sich Herr Bundesrat Prähauser zu Wort. – Bitte.

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Minister! Denken Sie bei den Luftraumüberwachungsflugzeugen ausschließlich an so genannte Abfangjäger oder auch an andere Flugkörper, die für uns im Rahmen der Verfassung möglich sind?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Ich weiß jetzt nicht, was Sie unter "anderen Flugkörpern" verstehen; Lenkwaffen, nehme ich an. (Bundesrat Prähauser: Zum Beispiel!) Das österreichische Bundesheer verfügt über Fliegerabwehr-Lenkwaffen, zumindest über solche mittlerer Reichweite. Diese können aber Luftraumüberwachungsflugzeuge nicht ersetzen, denn mit diesen hätte man nur die Möglichkeit, per Radar eine Luftraumverletzung zur Kenntnis zu nehmen und mit entsprechend sehr drastischen Maßnahmen auf diese Luftraumverletzung zu reagieren.

Mit einem Luftraumüberwachungsflugzeug habe ich aber ein sehr breites Spektrum der Reaktionen. Da wird einmal gesichtet, um welches Flugzeug es sich handelt; das Flugzeug wird etwa zur Landung aufgefordert. Damit kann man also ein sehr breites Spektrum abdecken, deshalb ist es selbstverständlich notwendig. Auch in der Frage der Fliegerabwehr vom Boden aus haben wir zum Teil noch Nachholbedarf. Aber das ersetzt nicht den Bedarf an Luftraumüberwachungsflugzeugen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Eine weitere Zusatzfrage wünscht Herr Bundesrat Grissemann. (Bundesrat Prähauser: Das war ein Missverständnis!)  – Bitte. (Bundesrat Prähauser: Entschuldigung! Ich stehe zu den Abfangjägern, keine Frage! Nur ist es in der geographischen Lage Österreichs sowohl machbar als auch notwendig, andere Mittel einzusetzen ...!)  – Danke.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Da gebe ich Ihnen völlig Recht. Das ist auch im Gesamtkonzept mit beinhaltet.

Vizepräsident Jürgen Weiss:  Herr  Bundesrat  Grissemann,  zu  Ihrer  gewünschten  Zusatzfrage. – Bitte.

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Welche Flugzeugtypen mit welchen Leistungsmerkmalen stehen derzeit für die Nachbeschaffung von Abfangjägern zur näheren Auswahl?

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Wie gesagt, die Leistungskriterien sind noch nicht vollständig erstellt. Deshalb kann man diese Frage nicht abschließend beantworten.

Es wird für Österreich eine Grundsatzentscheidung darüber zu treffen sein, ob man wieder gebrauchtes Gerät anschafft oder jetzt eine neue Generation an Flugzeugen für das österreichische Bundesheer beschafft. Dafür gibt es eine ganze Palette, nämlich amerikanische Flugzeuge – F-16, F-18 –, ein schwedisches Produkt – Saab Gripen –, ein französisches Produkt – die Mirage – oder ein russisches Produkt – die MiG 29. Im Rahmen dieser Palette bewegt es sich, wenn wir sagen, dass wir in eine neue Generation gehen.

Ich sage ganz grundsätzlich, dass ich das für sinnvoll erachten würde. Denn das Konzept des Draken war eine Übergangslösung: ein gebrauchtes Gerät anzuschaffen, um dann in die neueste Generation einsteigen zu können. Das hätte den Vorteil, dass wir daraufhin diese Aufgaben in Wirklichkeit auf 30 Jahre hinaus erfüllt hätten, und es brächte selbstverständlich auch Vorteile im Bereich der Wirtschaftskooperation mit sich, da bei einem neuen Gerät die Frage der Zulieferung und der Schaffung von neuen Standorten in Österreich sowie auch die Schaffung von Arbeitsplätzen wesentlich leichter umzusetzen wäre als bei einem Gerät, das bereits vorhanden und seit vielen Jahren im Dienst gestanden ist.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Da alle eingebrachten Anfragen beantwortet sind, ist die Fragestunde geschlossen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Einlauf

Vizepräsident Jürgen Weiss: Eingelangt sind acht Anfragebeantwortungen, 1559/AB bis 1566/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden.

Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Eingelangt sind weiters drei Schreiben von Mitgliedern der Bundesregierung.

Ich bitte die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Ilse Giesinger:

"Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Der Herr Bundespräsident hat mit Entschließung vom 3. April 2000, GZ. 300.000/5-BEV/2000, Frau Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer gemäß Artikel 70 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz zur Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport ernannt.

Hievon beehre ich mich, Mitteilung zu machen.

Der Bundeskanzler"

Das zweite Schreiben stammt vom Bundeskanzleramt und vom Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten:

"Betrifft: Europäische Union; Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA); Nominierung von Herrn Dr. Kleemann; Unterrichtung des Bundesrates gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG können wir Ihnen mitteilen, dass die Bundesregierung bei ihrer Sitzung am 20. März 2000 aufgrund eines gemäß Artikel 23c Abs. 3 B-VG erfolgten Vorschlags der Industriellenvereinigung beschlossen hat, Dr. Johannes Kleemann, Mitglied des Vorstandes der Industriellenvereinigung, als Erstgereihten und DI Dr. Clemens Malina-Altzinger, ebenfalls Mitglied des Vorstandes der Industriellenvereinigung, als Zweitgereihten für die Nachfolge von Dr. Wolfgang Burkhard für die verbleibende Mandatsdauer als Mitglied des WSA zu nominieren. Dr. Wolfgang Burkhard war bis zum 17. Februar 2000 österreichisches Mitglied des Wirtschafts- und Sozialausschusses der Europäischen Union. Die Mitgliedschaft wurde aus Krankheitsgründen zurückgelegt.

Mit freundlichen Grüßen"

Das dritte Schreiben stammt ebenfalls vom Bundeskanzleramt und vom Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten:

"Betrifft: Europäische Union; Ausschuss der Regionen; Nominierung von Landtagspräsident Dörler; Unterrichtung des Bundesrates gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG können wir Ihnen mitteilen, dass die Bundesregierung bei ihrer Sitzung am 20. März 2000 beschlossen hat, aufgrund eines gemäß Artikel 23c Abs. 4 B-VG erfolgten Vorschlags der Vorarlberger Landesregierung den Präsidenten des Vorarlberger Landtages, Manfred Dörler, als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der Regionen zu nominieren.

Aufgrund des Ausscheidens von Landtagspräsident a. D. Dipl.-Vw. Siegfried Gasser als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss der Regionen war für die verbleibende Amtsperiode bis 2002 ein Nachfolger zu ernennen.

Mit freundlichen Grüßen"

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über die früher eingelangten und zugewiesenen Berichte (III-205-BR/00, III-189-BR/99 und III-204-BR/00) abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe daher alle diese Vorlagen sowie die Wahl eines Schriftführers für den Rest des ersten Halbjahres 2000 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Abstandnahme von der 24-stündigen Aufliegefrist

Vizepräsident Jürgen Weiss: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu nehmen.

Zur Geschäftsbehandlung, so nehme ich an, hat sich Herr Bundesrat Konečny gemeldet. – Bitte.

11.07

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Ich ersuche, hinsichtlich der die Tagesordnungspunkte 2 und 3 betreffenden Vorlagen gesondert darüber abzustimmen, ob wir auf die Aufliegefrist verzichten.

11.08

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich komme diesem Ersuchen nach und werde daher zuerst über das Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 2, der das ÖIAG-Gesetz 2000 betrifft, sowie hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 3, der die Novelle zum Bundesgesetz über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine AG betrifft, und dann hinsichtlich der restlichen Tagesordnungspunkte, 4 bis 10, gesondert abstimmen lassen.

Da einige Kolleginnen und Kollegen entschuldigt beziehungsweise krankheitshalber abwesend sind und eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, werde ich die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen.

Ich bitte, zunächst festzustellen, wie viele Bundesräte im Sitzungssaal anwesend sind. (Schriftführerin Giesinger nimmt die Zählung der anwesenden Mitglieder des Bundesrates vor.)

Es sind 54 Mitglieder stimmberechtigt anwesend.

 

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 2 und 3 gemäß § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung dem Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist des verteilten Ausschussberichtes zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben und so lange stehen zu bleiben, bis die Stimmen ausgezählt sind. (Neuerlich nimmt Schriftführerin Giesinger die Zählung vor.)

Ich bitte, sich zu setzen. – Es wurden für das Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist 40 Stimmen abgegeben. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit bei 54 anwesenden Mitgliedern betrug 36.

Die Zweidrittelmehrheit ist daher erreicht, und es ist wie vorgeschlagen vorzugehen.

Ich komme nun zum Verzicht auf die Aufliegefrist hinsichtlich der restlichen Tagesordnungspunkte 4 bis 10 und lasse darüber abstimmen.

Ich ersuche diejenigen Mitglieder des Bundesrates, die damit einverstanden sind, ein Zeichen mit der Hand zu geben. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Behandlung der Tagesordnung

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich beabsichtige weiters, die Debatte über die Punkte 2 und 3 sowie 9 und 10 der Tagesordnung jeweils unter einem abzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher so vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Vizepräsident Jürgen Weiss: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Mag. Trunk und Genossen betreffend neuerliche Belastungen für die Länder und negative finanzielle Auswirkungen des Beschlusses des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der ÖIAG und der Post- und Telekom-Beteiligungsverwaltungs GmbH auf die Länder an den Herrn Bundesminister für Finanzen vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

1. Punkt

Wahl eines Schriftführers für den Rest des ersten Halbjahres 2000

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Wahl eines Schriftführers für den Rest des ersten Halbjahres 2000. (Unruhe im Saal. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)  – Ich bitte, dem Ablauf der Sitzung die entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken.

Durch die längere Abwesenheit infolge Krankheit von Frau Bundesrätin Hedda Kainz und ihren daraus folgenden Rücktritt als Schriftführerin ist die Wahl dieser Funktion notwendig geworden.

Es liegt mir der Vorschlag vor, für den Rest des ersten Halbjahres 2000 Frau Bundesrätin Brunhilde Fuchs zur Schriftführerin zu wählen. Da nur ein Wahlvorschlag vorliegt, werde ich die Wahl durch Handzeichen vornehmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Frau Bundesrätin Brunhilde Fuchs ist für den Rest des ersten Halbjahres 2000 zur Schriftführerin gewählt.

Ich frage Sie, ob Sie die Wahl annehmen. (Bundesrätin Fuchs: Ja, ich nehme die Wahl gerne an!)  – Danke. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) (48 und 77/NR sowie 6094 und 6096/BR der Beilagen)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über die Änderung des Bundesgesetzes über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft, des Postsparkassengesetzes 1969, des Bankwesengesetzes und des Bundesgesetzes über die Errichtung des Staatsschuldenausschusses (49 und 78/NR sowie 6097/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über das ÖIAG-Gesetz 2000 und weiters

ein Bundesgesetz über die Änderung des Bundesgesetzes über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft, des Postsparkassengesetzes 1969, des Bankwesengesetzes und des Bundesgesetzes über die Errichtung des Staatsschuldenausschusses.

Die Berichterstattung über die Punkte 2 und 3 hat Herr Bundesrat Ludwig Buchinger übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

Berichterstatter Ludwig Buchinger: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000).

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Mai 2000 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich bringe weiters den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über die Änderung des Bundesgesetzes über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft, des Postsparkassengesetzes 1969, des Bankwesengesetzes und des Bundesgesetzes über die Errichtung des Staatsschuldenausschusses.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Mai 2000 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster Redner hat sich Herr Bundesrat Johann Kraml zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

11.15

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute mit der künftigen Situation der ÖIAG und der weiteren Vorgangsweise bei der Privatisierung. Die Bundesregierung hat ein Ziel, nämlich den Ausverkauf von Staatsvermögen, und das möglichst schnell.

Meine Damen und Herren! Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Antrag

der Bundesräte Albrecht Konečny, Johann Kraml und Genossen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Erhebung eines Einspruches gegen den Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) (48 und 77/NR der Beilagen)

Die unterzeichneten Bundesräte stellen den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Industrieholding Aktiengesellschaft und der Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (ÖIAG-Gesetz 2000) (48 und 77/NR der Beilagen) Einspruch zu erheben.

Der Einspruch wird wie folgt begründet:

Der vorliegende Gesetzentwurf stellt eine pauschale Ermächtigung zur Privatisierung dar, die vom Ziel des Schuldenabbaus dominiert wird. Industriepolitische Ansätze finden keine ausreichende Berücksichtigung, es fehlt der Ansatz zur Sicherung einer dauerhaften Kernaktionärsrolle der ÖIAG (strategisches Eigentum).

Das Ziel des Schuldenabbaus durch Privatisierung dominiert zu Lasten einer künftigen Industriepolitik, der Entwicklung der Unternehmen sowie zu Lasten der Beschäftigten.

Angesichts des innerhalb eines kurzen Zeitraums zu tilgenden Schuldenbestandes besteht die Gefahr des Ausverkaufs unter Zeitdruck. Damit sind Notverkäufe mit erheblichen volkswirtschaftlichen Nachteilen (Preisverfall) zu befürchten.

Durch die hundertprozentige Privatisierung unter anderem der Telekom Austria und Austria Tabak drohen Betriebsschließungen, Arbeitsplatzverluste sowie Verluste von Chancen auf technologische Entwicklungen im eigenen Land.

Darüber hinaus lässt dieses Gesetz befürchten, dass die Mitbestimmungsqualität für Betriebsräte, Personalvertreter sowie für die Gewerkschaften und die Bundesarbeitskammer reduziert beziehungsweise gefährdet wird.

Die Kollektivvertragsfähigkeit des Post- und Telekombereiches ist gefährdet.

Aus all den angeführten Gründen wird der Antrag auf Einspruch erhoben.

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Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Worum geht es Ihnen hier? – Bei der Aufsichtsratsbesetzung zum Beispiel geht es Ihnen darum, Ihnen genehme Leute zu installieren. Ich zweifle nicht die fachlichen Qualitäten der jeweiligen Personen an, die Sie entsenden. Es geht aber um die Art und Weise, wie das geschehen ist. Sie haben bereits bei der ersten Aktion die Katze aus dem Sack gelassen, und zwar in folgender Weise: Schwarz bleibt – natürlich – drinnen, Rot muss raus, und Blau muss rein – und mit "Blau" meine ich die Prinzhorn-Gefolgsleute.

Meine Damen und Herren! Das halte ich für besonders gefährlich. Da gibt es einen Großindustriellen, dessen größter Wunsch es seit 30 Jahren anscheinend war, der österreichischen Wirtschaft seinen Stempel aufzudrücken. Weil er das aus eigener Kraft nicht geschafft hat, versucht er es jetzt über sein politisches Mandat. – Wenn es wirtschaftlich schlecht geht, wird zwar die Hilfe des Staates in Anspruch genommen, aber wenn die Betriebe wieder saniert sind, dann ist der Staat der schlechteste Wirtschafter, den es gibt.

Meine Damen und Herren! All das ist Charaktersache. Was mich so betroffen macht, ist, dass das Interesse Österreichs nicht an erster Stelle steht, sondern dass das Befinden und die Psyche eines Großindustriellen für die Entsendungen ausschlaggebend zu sein scheinen. (Bundesrat Dr. d′Aron: Wer sind denn die Großindustriellen? – Beifall bei der SPÖ.)

Die Privatisierung um jeden Preis – koste es, was es wolle! – ist einzig und allein gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Betrieben gerichtet. An sich erfolgreiche Betriebe werden auf den Markt geworfen, obwohl man ganz genau weiß, dass in Österreich nicht das notwendige Kapital dafür vorhanden ist.

Wir haben zum Beispiel gestern im Ausschuss nach langem Fragen gehört, dass man ungefähr 200 Milliarden Schilling in der ersten Tranche hereinbringen möchte und dass der österreichische Kapitalmarkt maximal 90 Milliarden hergibt. Das heißt für mich, dass der Rest von ausländischen Konzernen kommt, das heißt für mich aber auch, dass es nicht mehr gesichert ist, dass die Konzernzentralen in Österreich bleiben.

Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Betrieben zu beruhigen, spricht man jetzt von Mitarbeiterbeteiligung. Der Mitarbeiter steht bei einer Kündigung zwar auf der Straße, kann sich dann aber zumindest über die paar Aktien, die er hat, freuen. Dass diese ihm den Job ersetzen, bezweifle ich.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! In Krisensituationen – diese kommen in der Wirtschaft oft schneller, als viele glauben wollen – werden Sie dann nichts anderes mehr tun können, als abzuwarten. Das hat zum Beispiel auch der Fall Semperit in eindeutiger Weise gezeigt. Da können sie im Werk noch so produktiv sein, da kann die Belegschaft auf noch so viel verzichten – wenn die Damen und Herren in der Konzernzentrale nicht wollen, geht gar nichts mehr! (Bundesrat Schöls: Aber der Flug des Herrn Vranitzky hat auch nichts genützt!) Er hätte nicht fliegen müssen, wenn die Konzernzentrale in Österreich gewesen wäre. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie, was Sie in solchen Krisensituationen tun werden. Was werden Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erklären, wenn es tatsächlich zu solchen Fällen kommt? – Wie ich Sie kenne und wie Sie die bisherigen Beschlüsse gefasst haben, werden Sie sich um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr wenig kümmern. All das interessiert Sie nicht.

Meine Damen und Herren! Es geht dabei meiner Meinung nach um die Gewichtung in der ganzen Angelegenheit. Was ist mir wichtiger? Ist es mir wichtiger, so schnell wie möglich zu Geld zu kommen, oder denke ich auch daran, dass ich künftig noch einen kleinen Spielraum haben will? – Bei diesen Entscheidungen, die wir jetzt treffen, liegen die Möglichkeiten bei null!

Meine Damen und Herren! Ihre Meinung, dass der Staat in allen Fällen der schlechtere Unternehmer und der Private auf alle Fälle der bessere ist, ist sehr voreingenommen. Die einzelnen Betriebe haben gezeigt, dass sie auch wirtschaften können, wenn sie die entsprechenden Freiheiten haben. (Zwischenruf des Bundesrates Ledolter. ) Wenn Sie heute noch immer Ihre Krokodilstränen über die ehemaligen Zuschüsse zu den Staatsbetrieben vergießen, dann darf ich Ihnen sagen, dass die VOEST schon seit vielen Jahren keine Zuschüsse mehr nötig hat und dass es auch eine ganze Reihe anderer Betriebe gibt, die keine Zuschüsse mehr brauchen, sondern – im Gegenteil – Gewinne abliefern.

Meine Damen und Herren! Als ich vorige Woche das "News" gelesen habe, habe ich gedacht, dass der Klubobmann der Österreichischen Volkspartei jetzt ein sehr glücklicher Mensch ist, denn er hat gesagt: Es ist jetzt alles ganz anders, wir können all das durchziehen, wir brauchen nicht mehr zu diskutieren, wie wir das mit den Sozialdemokraten tun mussten, es geht alles so, wie wir es uns vorstellen.

Das zeigt auch wieder einmal die demokratische Einstellung des Dr. Khol. Bei so viel Euphorie können selbstverständlich auch Maggie Thatcher, Ronnie Reagan und George Bush nicht mehr weit sein. (Bundesrat Dr. d′Aron: Auch Tony Blair!) Ich meine, dass die Österreichische Volkspartei daran denken sollte, wie das mit diesen politischen Kapazundern ausgegangen ist. (Bundesrat Schöls: Und Schröder ist der Genosse der Bosse!) Sie haben nämlich ihre Länder in wirtschaftliche Depressionen gestürzt und sind jetzt schon seit langem im Ausgedinge.

Meine Damen und Herren! Überhaupt scheint mir, dass die Psyche der österreichischen Bundesregierung ein bisschen leidet. Da gibt es die EU – unsere Freunde, die uns nicht mehr so mögen, wie sich das der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler vorstellen! (Bundesrätin Haunschmid: Dank der Sozialistischen Partei! – Weitere Zwischenrufe.) Und da gibt es auf der anderen Seite das einfache Parteimitglied Jörg Haider, das sich zumindest einmal im Monat einen gröberen Spaß auf Kosten des Bundeskanzlers erlaubt. Der Letzte dieser Späße war "Susi und Strolchi". Gemeint waren damit der Herr Bundeskanzler und die Frau Vizekanzlerin. In seiner Verzweiflung hat der Herr Bundeskanzler daraufhin die Psyche des Strolchis analysiert und ist zu dem Schluss gekommen, dass er ganz lieb und gescheit war und dass nicht das Halsband und die FPÖ-Leine damit gemeint waren! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. d′Aron: Zur Sache!)

Meine Damen und Herren! Nach diesem kurzen Ausflug in die Märchenwelt komme ich wieder auf die Realpolitik zurück. (Bundesrätin Haunschmid: ... das ist die Wahrheit! – Weitere Zwischenrufe.) Diese zeigt, dass die österreichischen Bundesregierung absolut kein Interesse an einer vernünftigen Industriepolitik hat, werden doch alle diesbezüglichen Anträge der SPÖ im Nationalrat abgelehnt, ja nicht einmal diskutiert.

Meine Damen und Herren! Österreichs Industrie wird auf den Markt geworfen – bediene sich, wer will! Die gefährdeten 120 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer interessieren Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, nicht. Wichtig ist Ihnen der Profit, und dieser muss möglichst hoch sein. (Bundesrat Rodek: ... die Schulden haben wir aber!) Die Sozialdemokratische Partei wird solch arbeitnehmerfeindlichen Beschlüssen keine Zustimmung geben! (Beifall bei der SPÖ.)

11.27

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon.

Bevor ich ihm das Wort erteile, gebe ich bekannt, dass der eingebrachte Einspruchsantrag ausreichend unterstützt und somit in Verhandlung zu nehmen ist. – Bitte, Herr Bundesrat.

11.27

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Bundesrat Kraml! Es ist zwar nicht meine Einstellung, aber ich schätze an Ihrer Einstellung sehr, dass Sie dieses Land industriepolitisch so heftig verteidigen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie es auch außenpolitisch gegen die ungerechtfertigten EU-Sanktionen so verteidigen würden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Aber statt dessen bieten Sie auf Ihrem Parteitag den Österreich-Angreifern offensichtlich noch Plattformen, dort kann Herr Scharping über Österreich herziehen. Das ist die SPÖ, wie sie leibt und lebt! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum vorliegenden Gesetzentwurf, dem ÖIAG-Gesetz 2000: Wir haben ohne Zweifel eine schwierige budgetäre Situation, die uns 30 Jahre sozialistischer Kanzlerschaft hinterlassen haben. Das ist ein Faktum, welches auch gestern beim Finanzminister-Treffen im Rahmen der Europäischen Union bestätigt worden ist. Karl-Heinz Grasser hat schlicht und einfach einen schweren Rüffel für seinen Vorgänger ausgefasst.

Unter diesem Aspekt ist selbstverständlich auch dieses neue ÖIAG-Gesetz zu betrachten, das ist überhaupt keine Frage. Die Verstaatlichten-Holding ÖIAG und die PTBG sitzen auf 80 Milliarden Schilling an Schulden. Das ist ein Faktum, das wir nicht wegdiskutieren können. – Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist selbstverständlich das Interesse der Betriebe und des Managements der Betriebe, aus dieser Eigentümerstruktur herauszukommen. Das muss man einmal sehr klar und deutlich sagen, und da muss man sehr klar und deutlich hinhören.

Ich zitiere aus dem "Österreichischen Industriemagazin", welches unter der Headline "Umstrittene 25-Prozent-Grenze" – ich zitiere – schreibt: "Selbst die in der Regierungserklärung festgelegten 25 Prozent Kernaktionärs-Anteilsgrenze ist bei einigen Managern nicht unumstritten. ‚Ich halte diese 25-Prozent-Grenze eher für eine Schimäre‘, sagt VA-Stahl-Generaldirektor Peter Strahammer, dessen Unternehmen demnächst von weiteren Anteilsverkäufen der ÖIAG betroffen sein wird. ‚Selbst bei Thyssen-Krupp hält die Krupp-Stiftung nur mehr 17 Prozent.‘ Die VA Stahl, deren Börsewert derzeit weit unter dem Buchwert liegt und daher ein potentieller Übernahmekandidat wäre, fürchtet sich jedenfalls nicht vor einer feindlichen Übernahme, wenn der Streubesitz auf über 50 Prozent steigt."

Ich glaube, das ist der Punkt: Wir sollten schon hinhören, was die Führungskräfte, das Management sagen. Sie definieren im Grunde genommen gute Bedingungen für das Weiterwachsen und das Weiterentwickeln des Unternehmens.

Ich bin auch sehr froh, dass das sehr konsequent umgesetzt wird. Im heutigen "Standard" sagt der Generaldirektor der ÖIAG, Rudolf Streicher – das ist sicher keiner, den man als ehemaligen Bundespräsidentschaftskandidaten der Sozialistischen Partei der Regierung zuordnen kann –, es werden im heurigen Jahr noch 40 Milliarden aus Privatisierungen erlöst werden. Ich halte es für wichtig, dass diese Zielsetzung auch sehr rasch lukriert wird.

Der zweite Punkt – das ist mir besonders wichtig zu betonen –: Sie haben diese Mitarbeiterbeteiligungen ein bisschen zur Seite geschoben. (Bundesrat Marizzi: Nein, hat er nicht!) Sie haben gesagt. Damit wollten wir quasi die Mitarbeiter einkaufen. – Ich halte das für einen ganz wesentlichen Punkt, und ich bin sehr froh, dass dieser auch entsprechend in diesem Gesetz verankert ist, damit auch die Mitarbeiter am Erfolg dieser börsenotierten Firmen, die zum Gewinnemachen verdammt sind, partizipieren können.

Ich komme jetzt auf die regionale Bedeutung zu sprechen. Wir stehen heute nicht am Beginn eines Privatisierungsprozesses, hat doch dieser Privatisierungsprozess eigentlich schon vor Jahren begonnen, und das muss man auch dazusagen. Ich möchte aber trotzdem noch auf die regionale Entwicklung eingehen, weil wir hier im Bundesrat den regionalen Aspekt zu betrachten haben.

Ich komme aus der Obersteiermark, aus der Mur-Mürz-Furche, nämlich aus Leoben, wo früher noch die Hütte Donawitz von der Verstaatlichten war. (Bundesrat Meier: Die schon zugesperrt wäre, wie Sie ja wissen!) Sie tun so, als ob es hier nicht tiefe Einschnitte mit dem Eigentümer Staat gegeben hätte. Ich nenne Ihnen ein paar Kennzahlen: Wir haben im Jahre 1980 in der Hütte Donawitz 7 000 Arbeitnehmer gehabt. Wir haben heute 1 500 Arbeitnehmer, mit Beteiligung über 25 Prozent. Wir haben dort rund 5 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren. Also tun wir nicht so, als ob das quasi verloren ...! (Bundesrat Meier: Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, gäbe es sie überhaupt nicht mehr!)

Ich sage Ihnen, welche Auswirkungen das auf die Stadt Leoben gehabt hat, weil solche Konzerne natürlich wesentlicher Bestandteil einer Stadt sind. Wir haben 1980 in der Stadt Leoben 36 000 Einwohner gehabt. Wir haben nach der letzten Volkszählung 26 000 Einwohner gehabt. Und wenn der Trend so weitergeht, erwarten wir bei der nächsten Volkszählung 22 000 bis 23 000 Einwohner – unter dem Eigentümer Staat! Also tun Sie nicht so, als ob das da nicht möglich wäre! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Es gäbe diesen Standort heute nicht mehr, wenn ihn nicht der Staat erhalten hätte, er wäre heute ein Museum!)

Ihre Zielsetzung ist schlicht und einfach, Macht und Einfluss in solchen Strukturen weiter aufrechtzuerhalten. Es hat im Rahmen dieser Privatisierung eine Dreiteilung gegeben, und wir haben die skurrile Situation, dass wir heute dreimal so viele Betriebsräte im bestehenden Rest haben als 1980. (Bundesrat Weilharter: Unglaublich! Unglaublich!) Das ist, so glaube ich, das beste Kennzeichen dafür. All das unter massiver Beteiligung des Staates und all das unter einem großen Einfluss von Gewerkschaft und Arbeiterkammer und all das in der Vorzeigeregion der Sozialdemokratischen Partei: in der Mur-Mürz-Furche! (Bundesrat Meier: Sie wollen also weniger Betriebsräte?!)

Nebenbei – das hören Sie wahrscheinlich auch nicht gerne – war die Mur-Mürz-Furche natürlich das Paradespielfeld des Konsum. Da haben Sie mit Ihrer Partei große Verantwortung, Sie haben nämlich den Konsum mit einem Federstrich eliminiert! So dramatisch kann ein ausländischer Eigentümer gar nicht vorgehen, wie Sie von der Sozialdemokratischen Partei in Österreich in diesem Bereich agiert haben.

Was sich nicht entwickeln konnte – damit kämpfen wir heute noch im Raum Leoben –, ist eine gesunde Struktur an kleineren und mittleren Unternehmen.

Ich möchte aber auch auf eine zweite positive Entwicklung hinweisen. Wir haben in Leoben auch das Leiterplattenwerk AT & S – einen Verlustbringer par excellence im Rahmen der Verstaatlichten. Dann hat das Management, Herr Dörflinger und Herr Zoidl, irgendwann einmal gesagt: Das machen wir alleine! – Dazugekommen ist noch – das ist nicht parteipolitische Polemik, was ich jetzt gesagt habe – der ehemalige Finanzminister Hannes Androsch. Dieses Unternehmen boomt, entwickelt sich hervorragend, weil es private Eigentümer gibt, die wissen, wie man Geschäfte macht. Die Unternehmer durften erst vor kurzer Zeit den tausendsten Mitarbeiter begrüßen.

Was haben Hannes Androsch und das Management gemacht? – Sie haben frühzeitig bei dieser Herauslösung aus der Verstaatlichten die Mitarbeiter beteiligt. Diese sind dann an die Börse gegangen, und es gibt etliche Mitarbeiter, die heute Millionäre sind. Ich glaube, das könnte das Beispiel sein, um weiter zu denken. Das ist moderne Industriepolitik, bei der sich a) die Unternehmen gut entwickeln und b) die Mitarbeiter etwas davon haben – und nicht nur die sozialistischen Betriebsräte. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Freiberger: Zeig mir die Putzfrau, die Millionärin geworden ist!)

Ich kann dir das schon sagen, ich kritisiere vor allem die sozialistischen Betriebsräte. Ich möchte hier auch einen ganz konkreten Fall nennen, Herrn Dobnigg, der jetzt im Nationalrat sitzt. Dieser ist auch Betriebsrat, aber jetzt aufgrund der Fülle von Tätigkeiten quasi nur mehr halbtags. Daran sieht man auch die Einstellung, denn die Vertretung der Mitarbeiter ist nicht so wichtig, davon können wir ruhig einen halben Tag abgeben, weil er halt auch noch Bürgermeister werden wollte. So schaut das aus! Er kassiert 150 000 S, und das sind dann jene, die auf die kleinen Unternehmer schimpfen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich habe ihn das letzte Mal gefragt, ob er im Bezirk Leoben einen Unternehmer kennt, der 150 000 S im Monat verdient. Mir ist außer Herrn Androsch keiner eingefallen.

Zum Schluss: Ich halte dieses ÖIAG-Gesetz für einen wichtigen und richtigen Schritt, und ich bitte, es auch mit der entsprechenden Konsequenz zu vollziehen.

Geschätzte Damen und Herren der Sozialdemokratischen Partei! Wenn Sie wollen, dass sich die Mitarbeiter am Unternehmen beteiligen und am Erfolg mit partizipieren können, wenn Sie wollen, dass dieses Budget nachhaltig saniert wird, und wenn Sie auch wollen, dass der Wirtschaftsstandort Österreich gestärkt wird und damit Arbeitsplätze geschaffen werden, dann stimmen Sie diesem Gesetz zu! – Glück auf! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.38

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. André d'Aron. Ich erteile ihm das Wort.

11.38

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Ich bedanke mich für das Wort.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Entwurf zum ÖIAG-Gesetz 2000 sehen wir einen umfangreichen Privatisierungsauftrag an die ÖIAG und eine Neuorganisation ihrer Organe vor. Es sollen nach diesem Gesetzentwurf neue Eigentümer für Staatsbetriebe gefunden werden. Die ganze Sache muss man schon ein bisschen historisch betrachten.

Wie Sie wissen, auch Sie von der SPÖ, war es nach dem Zweiten Weltkrieg so, dass ein verstaatlichter Bereich geschaffen wurde, um Eigentumsverhältnisse definitiv zu klären, und wurde in Übereinstimmung mit der ÖVP ein entsprechendes Verstaatlichten-Gesetz verabschiedet.

In weiterer Folge hat sich die verstaatlichte Industrie entwickelt und sind Schwachstellen aufgetreten. Da gab es diese wesentliche Kreisky-Äußerung: Es ist ihm lieber, Schulden zu machen und Arbeitsplätze zu sichern, als den Marktregeln zu entsprechen. – Es ist letztlich zu einer ÖIAG-Gesetzesnovelle 1993 gekommen, bei der Sie von der SPÖ mitgestimmt haben. Mit dieser wurden zum Beispiel privatisiert: Böhler-Uddeholm AG, OMV AG, VOEST-Alpine-Stahl AG, VA-Technologie AG. Da frage ich mich, Herr Bundesrat Kraml: Wie haben Sie als Sozialdemokraten den Arbeitnehmern 1993 erklärt, dass ihre Betriebe nunmehr privatisiert werden?

Hier geht es natürlich schon um eine wesentliche Frage. Die wesentliche Frage heißt: Glaubt man daran, dass Arbeitsplätze seitens einer Bundesregierung verordnet werden können, was Sie von der SPÖ glauben, oder glaubt man, dass Arbeitsplätze durch die Wirtschaft geschaffen werden? – Wir Freiheitliche und auch die ÖVP sind der Ansicht, dass nur die Wirtschaftsmechanismen letztlich langfristig Arbeitsplätze schaffen und sichern. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Aber um noch einmal zurückzukehren: Wo sind wir jetzt aufgrund Ihrer Politik, die Sie jahrzehntelang gemacht haben? – Wir haben bei den vorliegenden Schulden derzeit eine Belastung pro Staatsbürger Österreichs in der Höhe von 10 000 S durch die verstaatlichte Industrie. Das ist sehr viel Geld. Ich hoffe, Sie haben Ihre 10 000 S als begeisterter Sozialdemokrat bereits an die Republik überwiesen, weil Sie auch die Philosophie, die jahrzehntelang praktiziert wurde, vertreten haben. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Die müssen erst die Parteischulden zurückzahlen!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Staat ist die Summe der Staatsbürger, und der Staat hat sich auch als ordentlicher Treuhandnehmer für das Staatsvermögen, das er letztlich vom Staatsbürger, vom Steuerzahler treuhänderisch übergeben bekommen hat, zu verhalten. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Konečny: Die Mehrheit dürfte nicht Ihrer Meinung sein!) Und er muss dieses Staatsvermögen auch ordentlich verwalten.

Sie finden im vorliegenden Entwurf zum ÖIAG-Gesetz eine Passage – weil Sie etwas über die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder gesagt haben –, in der steht: Die zehn Mitglieder des Aufsichtsrates sollen für ihre Leistungen allgemein anerkannte Unternehmer aus der Wirtschaft, Geschäftsführungsmitglieder von Gesellschaften des Handelsrechts oder Persönlichkeiten mit langjähriger Erfahrung im Wirtschaftsleben sein. – Das ist eine Auflage, die nunmehr zu erfüllen ist. Da geht es nicht darum, dass einer jahrzehntelang Gewerkschaftsfunktionär und Staatsfunktionär war und dann Aufsichtsratspräsident ist. Ich möchte jetzt nichts über die Person sagen, aber es gibt Qualifikationen für bestimmte Funktionen, die zu erfüllen sind, wenn das treuhänderisch übergebene Staatsvermögen im Rahmen der Verstaatlichten ordentlich verwaltet werden soll.

Denn worum geht es in Wirklichkeit? – Das findet auch in diesem Gesetz nunmehr verstärkt Ausdruck, denn das Gesetz, um das es hier geht, ist nämlich ganz klar. Es geht hier um eine professionelle Abwicklung der Verwaltung des derzeitigen Vermögens und der Privatisierung. Da muss man Merchandising- und Acquisition-Tätigkeiten beherrschen. Man muss wissen, wie eine Due-Diligence geht. Man muss wissen, wie man eine Portfolio-Analyse anstellt. Man muss wissen, wie man eine Lebenszyklusbetrachtung in den entsprechenden Varianten anschaut, wann das Produkt kippt, wie sich das weiterentwickelt hat. Über diese Fähigkeiten muss man verfügen, sonst kann man keine ordentliche Verwaltung durchführen. Und das wird von langjährigen Vertretern der Wirtschaft schon vorausgesetzt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, dass Österreich aufgrund der langjährigen, jahrzehntelangen Regierungsbeteiligung der SPÖ in einer äußerst schwierigen Situation ist, nicht nur deswegen, weil möglicherweise, und zwar ziemlich deutlich, von SPÖ-Seite falsche Vorgaben gemacht wurden, sondern auch deswegen, weil in vielen Wirtschaftsbereichen das Know-how nicht gegeben war.

Wenn Sie von der "Prinzhorn-Clique" sprechen, so empfinde ich das als massive Unterstellung, das ist eine deutliche Unterstellung. Es geht darum, dass die Personen, die diese Funktion ausüben, nicht in Zusammenhang mit einer Partei stehen. Sie wissen aus der öffentlichen Diskussion, dass ein Vorstandsmitglied einer Partei für den Aufsichtsrat abgelehnt wurde, aufgrund der Funktion des Vorstandes, die innerhalb dieser Partei gegeben ist. Ein Zusammenhang mit einer Partei darf also nicht gegeben sein, und es müssen wirklich anerkannte Personen sein. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Freiberger: Das ist so wie beim Justizminister!)

Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ! Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie diverse Staatsmänner zitiert haben, die in Richtung Entstaatlichung/Privatisierung der Wirtschaft etwas gemacht haben. Sie haben leider Tony Blair vergessen, der sehr stark in diese Richtung geht und jetzt auch einen Richtungskampf, wie wir den Medien entnehmen konnten, mit dem neu gewählten Londoner Bürgermeister in dieser Frage hatte. Ich bitte Sie vielleicht, wenn Sie eine weitere Wortmeldung haben – es ist ein weiterer Redner von Ihnen angekündigt –, auch noch hier zu deponieren, dass Ihr Tony Blair im Rahmen der Bewegung New Labour, New Economy genau in diese Richtung geht, die Sie als Sozialdemokraten Österreichs sehr stark bekämpfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich darf daher Folgendes vorschlagen: Gehen Sie in sich! Anerkennen Sie, dass nur Wirtschaft Arbeitsplätze schafft und Arbeitsplätze nicht verordnet werden können, und stimmen Sie doch der vorliegenden ÖIAG-Gesetzesnovelle zu, denn sie ist auch ein Baustein dafür, dass die Budgetsituation, in die Sie Österreich durch Ihre Finanzminister, die Sie jahrzehntelang gestellt haben, hineingeritten haben, wieder verbessert werden kann! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.46

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile ihm das Wort.

11.47

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und liebe Kollegen! Eingangs ein paar Anmerkungen zum Kollegen Dipl.-Ing. Missethon. Ich kann verstehen, dass er ein bisschen nervös ist, dass er nach dem gelungenen Parteitag der Sozialdemokratie ganz besonders nervös ist. Ich kann ihm aber versichern ... (Heiterkeit und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Auch Sie werden nervös. Das freut mich, denn das zeigt, dass dieser Parteitag doppelt gelungen ist, meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich darf Kollegen Missethon versichern, dass die Sozialdemokratie die Bevölkerung vor Angriffen des Auslandes schützt, dass wir aber keine Veranlassung sehen, die FPÖ/ÖVP-Regierung in einer Situation zu unterstützen, in die sie sich selbst hineingeritten hat. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Hagen: Das ist eine Unterstellung!)

Ich möchte als kleine Seitennotiz anmerken: Wenn es Ihre feste Absicht ist, Österreich im Ausland zu schützen – ich glaube, dass Sie das wollen –, dann würde ich Ihnen raten, dass Sie sich mit den Aussagen des "einfachen Parteimitgliedes", des Herrn Landeshauptmannes Haider von Kärnten, oder mit den Aussagen des am Sonntag gewählten FPÖ-Parteivorsitzenden Kabas auseinander setzen. Die Aussagen sind keine Kleinigkeit und dienen sicherlich nicht dem Ansehen unserer Republik im Ausland.

Sie haben sich sehr intensiv mit Donawitz auseinander gesetzt. Sie haben nur eines vergessen – das darf ich nachtragen –, nämlich dass Donawitz heute sicherlich das modernste Stahlwerk der gesamten Welt ist.

Die Causa Konsum ist für uns keine Kleinigkeit. Ich möchte dazu auch keinen Spaß machen, aber ich darf Ihnen hier einen steirischen Gewerken in Erinnerung rufen, den Sie sicherlich auch kennen, das ist der Gewerke Assmann. (Bundesrat Weilharter: Er hat mit dem Konsum aber nichts zu tun!) – Das habe ich auch nicht behauptet, lieber Herr Kollege! – Indirekt hat er schon etwas damit zu tun, in ganz weiter Ferne, und zwar insofern, als er im Ladenbau tätig war. Ich möchte Ihnen nicht unterstellen, dass Sie eine so weit gehende Phantasie heute hier in diese Diskussion einbringen.

Herr Kollege Missethon hat erwähnt, dass in den letzten Jahren unter der SPÖ/ÖVP-Regierung auch Privatisierungsschritte getätigt worden sind, die man auch heute noch als durchaus gelungen und positiv bezeichnen kann.

Bisher, nämlich unter einer SPÖ-ÖVP-Regierung, war die Privatisierungspolitik darauf ausgerichtet, vor allem Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze zu erhalten, diese auszubauen und dafür Sorge zu tragen, dass die Wertschöpfung in Österreich sichergestellt ist. Wir Sozialdemokraten stellen uns grundsätzlich nicht gegen Privatisierungen, wir stehen jedoch für unternehmensbezogene Lösungen. Wir lehnen – das ist auch von Kollegen Kraml schon erwähnt worden – einen bedingungslosen Ausverkauf der österreichischen Industrie ab. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das habe ich aber nirgends gefunden in der Regierungsvorlage!) – Ich behaupte, das ist die Konsequenz der Politik, die Sie hier betreiben wollen.

Wir sind grundsätzlich – das ist auch kein Geheimnis – für eine Kernaktionärslösung, weil wir glauben, dass dadurch das strategische Eigentum in österreichischer Hand bleibt und wir bessere industriepolitische Konzepte ausarbeiten und auch verfolgen können. Bereits in den neunziger Jahren stellte der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen in seinem Bericht zur Industrie- und Wirtschaftspolitik zum österreichischen Wirtschaftsstandort fest, dass es die Sozialpartner – Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer – wichtig finden, Kernkompetenzen, Headquarterfunktionen sowie Forschung und Entwicklung zu fördern und Unternehmen mit Standort Österreich im Land zu halten.

Nun zum Beschluss des Nationalrates betreffend ÖIAG-Gesetz 2000. Ich habe schon erwähnt, dass der totale Ausverkauf von Ihrer Seite auch heute nicht glaubwürdig ausgeschlossen wurde, denn in Österreich werden die erforderlichen Mittel für das Gesamtpaket von 200 Milliarden Schilling – das wurde heute und auch gestern schon im Ausschuss gesagt – sicherlich nicht aufzubringen sein. Das wissen auch Sie. In diesem Gesamtpaket sind folgende Unternehmen enthalten: Österreichische Staatsdruckerei GmbH, Print Media Austria AG, Dorotheum, Flughafen Wien AG, Telekom, Postsparkassa, Austria Tabak AG. Bezüglich dieser Unternehmen – ich habe gestern im Ausschuss gefragt, welche Beträge diesbezüglich erwartet werden; die Beamten konnten mir das jedoch nicht sagen – ist nicht klar, wie hoch der Erlös sein wird oder wie hoch die Erwartungen dieser FPÖ-ÖVP-Regierung sind.

Mit Ihrer Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren der Österreichischen Volkspartei und der FPÖ, gefährden Sie, inklusive der Tausenden Beschäftigten in den Zulieferbetrieben, rund 150 000 Arbeitsplätze. Immer wieder wird die Austria Tabak erwähnt. Sie alle wissen, bei der Austria Tabak kommt der überwiegende Teil des Umsatzes aus Lizenzverträgen mit den Tabakmultis. Bei einem Verkauf an einen dieser Multis besteht die Gefahr, dass sich die anderen Multis aus diesem Bereich zurückziehen. Heimische Standorte – auch einer in der Steiermark, nämlich Fürstenfeld – wie Hainburg, Linz und Schwaz in Tirol müssten dann geschlossen werden. Wir haben schon im Industrieausschuss, der hier in den Räumlichkeiten des Bundesrates vor zirka drei Wochen getagt hat, darauf hingewiesen, dass in diesem Zusammenhang die große Gefahr besteht, dass über 3800 Arbeitsplätze verloren gehen. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Die haben Sie aber in Donawitz auch locker verloren! – Bundesrätin Schicker: Aber Sie wissen auch, warum!) Dazu kommen noch 500 Zulieferfirmen. Sie wissen ganz genau, dass Sie mit Ihrer Politik, die Sie heute mehrheitlich beschließen, Existenzen von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gefährden und der Jugend wahrscheinlich Zukunftschancen nehmen. Wir Sozialdemokraten sind – ich habe es schon erwähnt – nicht grundsätzlich gegen Privatisierungen, wir sind aber gegen eine Verschleuderung von österreichischen Unternehmen, um kurzfristig Budgetprobleme zu lösen.

Mein Freund und Kollege Tumpel, Präsident der Bundesarbeitskammer und Präsident der Arbeiterkammer Wien, hat es meiner Meinung nach treffend formuliert, geschätzte Damen und Herren des Bundesrates: Wer die ganze Küche verkauft, damit er sich heute ein Essen leisten kann, handelt kurzsichtig. – Zitatende.

Die Erhaltung starker Industriekerne ist auch in Zukunft eine wichtige Voraussetzung für einen attraktiven Wirtschaftsstandort Österreich und für die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen in unserem Land. Es muss aber auch gesagt werden, meine sehr geschätzten Damen und Herren, dass mir persönlich eine engagierte Stellungnahme der Landeshauptleute von Niederösterreich, Oberösterreich, aber auch der Steiermark zu den jeweiligen Industriestandorten gefehlt hat. Gerade diese drei Landeshauptleute müssten sich um die hochentwickelten Standorte in ihrem Bundesland Gedanken für die Zukunft machen. Das bisher beharrliche Schweigen der Landeshauptleute Pröll, Pühringer und Klasnic lässt jedoch ohne weiteres für mich den Schluss zu, dass sie mit der Industrie und mit deren Zigtausenden Beschäftigten ganz wenig – wenn überhaupt etwas – am Hut haben oder, anders gesagt, dass bei Ihnen in der ÖVP Parteidisziplin ... (Bundesrat Schöls: Das entspricht nicht der Realität!)  – Aber der Wahrheit! (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das ist eine Unterstellung!) Pröll hat sich bisher dazu nicht geäußert. Ich weiß, dass Ihnen das wehtut. Er hat keine Stellungnahme zum ÖIAG-Gesetz abgegeben. Das ist nachvollziehbar, Kollege Missethon, das ist die Wahrheit! (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das ist nicht die Wahrheit!) Ich weiß schon, dass Ihnen das wehtut. (Bundesrat Mag. Strugl: Sie sind schlecht informiert!)

Ich gehe davon aus, dass in der Österreichischen Volkspartei Parteidisziplin Vorrang hat vor der Beschäftigung, vor der Ausbildung und vor der wirtschaftlichen Entwicklung in den Regionen. (Bundesrat Schöls  – ein Papier in die Höhe haltend –: Das ist die Stellungnahme des Landes Niederösterreich, Herr Kollege! – Bundesrat Mag. Strugl: Informieren Sie sich besser!) Macht sich ein Landeshauptmann wie Dr. Haider – wir haben es heute in der Früh erlebt – Gedanken, dann wird er von der ÖVP-FPÖ-Mehrheit im Bundesrat ganz einfach negiert. (Zwischenruf des Bundesrates Konečny. )

Es ist heute auch von Kollegen Kraml bereits erwähnt worden, dass dieser Schlag – das ist bei den Äußerungen des Kollegen Dipl.-Ing. Missethon nicht zu überhören gewesen – vor allem gegen die Gewerkschaften geht, und zwar gegen die überwiegende Anzahl von sozialdemokratischen Betriebsrätinnen und Betriebsräten. Die christlichen Gewerkschafter, die es ebenfalls in diesem Bereichen gibt, berücksichtigen Sie bewusst nicht. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Beim Konsum hat sich die Gewerkschaft als Unternehmer nicht wirklich ausgezeichnet!) Ich sage Ihnen wieder: Gewerke Assmann. Ich kann in diesem Zusammenhang auch einen ehemaligen Parteiobmann erwähnen: Josef Taus mit KTM. Die Liste lässt sich auch in Ihrer Partei endlos fortsetzen. Das soll aber nicht das Leid der beschäftigten Kolleginnen und Kollegen im Konsum irgendwie in Frage stellen. (Bundesrat Weilharter: ... sind auch teilprivatisiert!)

Wir Sozialdemokraten – das darf ich hier noch einmal wiederholen – fordern die Beibehaltung der strategischen Eigentümerfunktion des Staates.

Ich darf hier einige internationale Beispiele anführen. Frankreich verschleudert nicht seine gemeinschaftlichen Unternehmen. Belgien behält jeweils die Hälfte der staatlichen Anteile an der Telekom. In der Bundesrepublik Deutschland wiederum ist strategisches Eigentum der öffentlichen Hand in vielen Schlüsselbereichen an der Tagesordnung – das wissen Sie ganz genau, Kollege Missethon –, vor allem in der Autoindustrie, in den Banken, in der Stahlindustrie und bei den Fluglinien. (Vizepräsident Payer übernimmt den Vorsitz.)

Zum Abschluss erzähle ich eine Geschichte, die leider Wahrheit werden wird und auf die ich vor allem die Bundesrätinnen aller Fraktionen aufmerksam machen möchte. Mit dem heute zu beschließenden Gesetz wird Folgendes passieren: Ich gehe davon aus, dass unsere Anträge abgelehnt werden, obwohl ich glaube, dass das keine Sonderwünsche der Sozialdemokratie sind, sondern ganz einfach berechtigte Wünsche. Wir wollen damit grundlegende Bedingungen sichern, wie zum Beispiel den Kollektivvertrag für die Postsparkasse, der für 2 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gültigkeit hat. Davon sind 65 Prozent Frauen, 25 Prozent dieser Frauen sind Alleinerzieherinnen, und 75 Prozent der Beschäftigten, geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates, haben ein Bruttoeinkommen zwischen 12 000 S und 14 000 S.

§ 7 Abs. 10 des Postsparkassengesetzes hat bisher sichergestellt, dass diese Kolleginnen und Kollegen als Bundesbedienstete keine Nachteile erleiden dürfen. Aber nun fällt mit der Streichung dieses Paragraphen auch die Anwendung des Bundesgleichbehandlungsgesetzes weg. Die Folgen davon sind, sehr geehrte Kolleginnen der FPÖ-, ÖVP- und SPÖ-Fraktion, dass damit einerseits die Gleichbehandlungsbeauftragte, die es in diesem Bereich gibt, in Frage gestellt wird und dass andererseits – was noch problematischer ist – damit die Umsetzung des Frauenförderungsplanes und die Einbeziehung dessen in die Frauenförderung des Finanzministeriums hinfällig werden. Über solche Folgen setzen Sie sich, sehr geehrte Bundesräte der Österreichischen Volkspartei und der Freiheitlichen Partei, hinweg, ohne diese zu berücksichtigen, sie zu erwähnen oder auch nur einen Gedanken daran zu verlieren!

Damit verlieren die weiblichen Bediensteten der Postsparkasse das Recht auf Förderung, das Recht auf betriebliche Förderung. Das bedeutet eine enorme Verschlechterung für die Frauen im Postsparkassendienst. Und wieder einmal trifft es die sozial Schwächeren und wirtschaftlich Abhängigeren in unserer Gesellschaft.

Als Sozialdemokrat kann ich zu einer solchen Politik nur sagen: Nein danke! Sie werden sicherlich nicht überrascht sein, wenn ich Ihnen sage, dass die Sozialdemokratie diesen Gesetzentwürfen mit Sicherheit nicht die Zustimmung erteilen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

12.04

Vizepräsident Johann Payer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Alfred Schöls gemeldet. Ich bitte, die Geschäftsordnung zu beachten und die Redezeit von 5 Minuten einzuhalten. – Bitte.

12.04

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesrat Drochter hat in seinem Redebeitrag betreffend die vorliegende Novelle zum ÖIAG-Gesetz gesagt, dass diese Vorlage dem Land Niederösterreich keine Stellungnahme wert war und sich der Landeshauptmann dazu nicht geäußert habe.

Ich berichtige und verweise darauf, dass sich in der Sitzung vom 11. April 2000 die Niederösterreichische Landesregierung mit dieser Materie befasst hat, die Stellungnahme, in der natürlich auch Bedenken angemeldet wurden, dem Hohen Haus zugemittelt wurde und daher die Aussagen des Kollegen Drochter nicht der Wahrheit entsprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.05

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Alfred Finz. – Bitte.

12.05

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich möchte nochmals zusammenfassend auf die verschiedenen vorgebrachten Argumente bezüglich einer ÖIAG-Privatisierung eingehen.

Zweck der Privatisierung ist sicherlich der Schuldenabbau. Spätestens seit gestern, seit dem ECOFIN-Rat in Brüssel, müsste jedem klar sein, dass dieser eine sehr vordringliche Aufgabe des Staates ist. Wir haben in Österreich noch immer über 60 Prozent Schulden im Vergleich zum Bruttosozialprodukt, die uns mehr als nur verbal drücken, sondern auch finanziell schwer belasten. Was bedeutet dieser Schuldenstand? – Er bedeutet, dass wir einen jährlichen Budgetaufwand – und damit eine Umverteilung – in der Höhe von 100 Milliarden Schilling an Zinsendienst und weitere 170 Milliarden Schilling an Tilgungen haben. Zusätzlich haben wir noch in einem Gesamtausmaß von 300 Milliarden Schilling Schulden. Diese können, wenn nichts geschieht, für das Budget schlagend werden.

In Wirklichkeit müssen wir diese Schulden abbauen, damit wir einen Befreiungsschlag machen, damit wir uns wieder im Budget wichtigeren Aufgaben widmen und damit wir diese Umverteilung von Steuereinnahmen, die die Arbeitnehmer zum großen Teil erbringen, zugunsten von Zinsendiensten und Tilgungen abwenden können. Das ist der eigentliche Zweck und die wichtigste Notwendigkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

An dieser Stelle möchte ich Ihnen einmal erklären, wie beispielsweise ein Großteil dieser ÖIAG-Schulden entstanden ist. Wissen Sie, wie diese entstanden sind? – Ich zeige Ihnen das am Beispiel der Post auf. Die Post hat als Monopolbetrieb Fernmeldeeinnahmen in der Höhe von ungefähr 17 Milliarden Schilling jährlich. Was ist mit diesen 17 Milliarden passiert? – Ein erheblicher Teil ist zur Abdeckung für die Gelbe Post aufgegangen, weil man dort überhaupt nicht an die Kostenstruktur gedacht hat. Dort waren allein in Form einer Quersubventionierung 5 Milliarden Schilling abzudecken. Das ist der erste Punkt. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )  – Ja, aber trotzdem war das ein Defizit! Und Schulden muss man abdecken.

Was geschah weiters? – Man hat dann das Geld nicht für die nötigen Fernmeldeinvestitionen vorgesehen oder zur Verfügung gestellt, obwohl es ein Fernmeldeinvestitionsgesetz gab, sondern man hat aus budgetären Gründen jährlich den Prozentsatz bis zu unter 30 Prozent für die zweckgebundenen Einnahmen gekürzt, damit man jährlich zwischen 5 und 7 Milliarden Schilling an Einnahmen an das Budget abführen kann. Das hat dazu geführt, dass die Post binnen kürzester Zeit an die 100 Milliarden Schilling Schulden hatte, weil anstatt der notwendigen Investitionsmaßnahmen, für die das Geld da gewesen wäre, diese Mittel für das Budget zweckentfremdet wurden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Die ÖVP hat das schon gewusst! Hat die ÖVP das nicht gewusst? – Bundesrätin Mühlwerth: Aber verantwortlich seid ihr!)

Der Schuldenabbau ist nun eine vordringliche Aufgabe, wobei aber vor allem die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich ganz wichtig ist. Daher lautet der Privatisierungsauftrag nicht: Verkauft um jeden Preis – egal, wie rasch!, sondern der Privatisierungsauftrag ist folgendermaßen zu erfüllen: im Interesse der Bevölkerung, unter Berücksichtigung der Interessen der Unternehmer, der dort beschäftigten Arbeitnehmer sowie zur Wahrung österreichischer Interessen den bestmöglichen Erlös zu erzielen. – So lautet der Privatisierungsauftrag. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Drochter: Die Wahrheit heißt: "Abbau", "streichen", "drüberfahren"!)

Jetzt möchte ich zum Aufnahmepotenzial für Privatisierungen Stellung nehmen. Ich weiß nicht, woher Sie die genannte Zahl nehmen, dass praktisch nichts vorhanden sei. Es hat am 13. April eine Sitzung des Industrieausschusses stattgefunden – sogar hier in diesem Saal. Es waren auch einige Bundesratsmitglieder als Zuhörer anwesend. Was hat damals einer der Experten gesagt? – Ich zitiere: Herr Dr. Zapotocky, Vorstand der Börse AG, bezifferte – das blieb unwidersprochen, niemand hat etwas dagegen gesagt – das jährliche Aufnahmepotenzial der Börse für Privatisierungsprojekte mit 50 Milliarden Schilling. – Zitatende.

Auf diese Zahl bauen wir, damit kommen wir bis zum Ende dieser Legislaturperiode auf ein durch Privatisierung erlösbares Kapital in der Höhe von ungefähr 200 Milliarden Schilling. Ich weiß nicht, wie Sie zu anderen Zahlen gekommen sind. (Bundesrat Kraml: ... die falschen Leute im Ausschuss!)

Zur Aufsichtsratsbestellung: Es wurde kritisiert, dass Parteigänger in dieses Gremium gewählt wurden. Offensichtlich hat man § 4 des ÖIAG-Gesetzentwurfes nicht gelesen. Darin steht nämlich: Die Aufsichtsratsmitglieder sollen – ich zitiere – allgemein anerkannte Unternehmer aus der Wirtschaft, von Gesellschaften des Handelsrechts oder Persönlichkeiten mit langjähriger Erfahrung im Wirtschaftsleben sein. – Zitatende.

Dazu kommt außerdem, dass der Staat jetzt nur mehr an der Erstbestellung mitwirkt, die Wiederbestellung der Aufsichtsratsmitglieder überlässt er den Aufsichtsratsmitgliedern selbst, er zieht sich also völlig zurück. Wie wurde die Erstbestellung gemacht? (Bundesrat Drochter: Und wer beruft ab? Man muss die ganze Wahrheit sagen! – Ruf bei der ÖVP: Deswegen zittern ja die Herren so!)  – Diese Funktionen laufen nach einer bestimmten Zeitperiode aus. (Bundesrat Drochter: Wenn er nicht brav ist, zieht ihn der Finanzminister ab!) Nur aus wichtigen Gründen kann jemand abgewählt werden, dazu gibt es eine Judikatur.

Wie wurde nun die Erstauswahl vorgenommen? – Es wurde infolge einer Ausschreibung gemäß ÖNORM A 2050 ein qualifiziertes Personalberatungsunternehmen beauftragt, eine Liste von Personen zusammenzustellen, aus der die Aufsichtsratsmitglieder dann bestellt wurden. (Bundesrat Marizzi: Das wäre zu hinterfragen, ob die qualifiziert sind!)

Es wurde heute schon einmal die Austria Tabak zitiert. Ich verlese eine Stellungnahme des Vorstandes der Austria Tabak zum ÖIAG-Gesetz, in der der Vorstand zusammenfassend feststellt: Der Vorstand der Austria Tabak sieht in weiteren Privatisierungsschritten auch die Chance, das Unternehmen noch besser als leistungsstarken und erfolgreichen Industrie- und Handelskonzern zu profilieren. – Zitatende. (Ruf bei der ÖVP: Hört, hört! – Bundesrat Drochter: Und was sagen die Mitarbeiter? Lesen Sie das auch!)Das soll gegen die Interessen der Austria Tabak sein? (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Zur Postsparkasse: Die Postsparkasse hat wie auch andere Unternehmungen das Problem, dass sie einen Personalstand aus einerseits Bundesbediensteten und andererseits nach Privatrecht aufgenommenen Bediensteten hat. Es ist für eine Führung immer schlecht, wenn unterschiedliche dienstrechtliche Vorschriften gelten. Deshalb wird jetzt versucht, im Wege einer Betriebsvereinbarung einen einheitlichen Rechtsbestand – natürlich unter Beachtung der Gleichbehandlungsbestimmungen, die auch für die Privatwirtschaft gelten – zu erzielen und die bisherigen ungenügenden Regeln, die außerdem nur aus Sonderregelungen für die Postsparkasse bestanden, zu ersetzen.

In diesem Sinne geht es nicht um Abbau von sozialen Rechten, sondern um die Gewährung von sozialen Rechten mit gleichem Zugang für alle Mitarbeiter eines Unternehmens. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.14

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher. Ich erteile ihm dieses.

12.14

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Herr Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Zunächst eine kurze Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs, was die Post betrifft und wie deren Schulden entstanden sind: Ich könnte es mir jetzt auch leicht machen und eine Vorlesung über Marktversagen, öffentliche Unternehmen und gemeinwirtschaftliche Leistungen, halten. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Das würde die Sitzung verlängern, aber wir können das auch draußen machen, das ist kein Problem.

Im Hinblick darauf, dass die ÖVP all diesen Entnahmen jedes Mal zugestimmt hat, erspare ich mir diese Ausführungen zumindest hier im Saal, wir können aber nachher ein Privatissimum darüber abhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Zapotocky – Sie haben völlig Recht, ich war einer der Bundesräte, die beim Hearing anwesend waren – hat auch gemeint und sogar mehrmals betont, dass der Börsemarkt derzeit ziemlich unterbewertet ist. Das ist genau jener Punkt, um den es uns geht und auf den ich später noch eingehen werde.

Nur ein Nebensatz noch, was die Judikatur zur Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern angeht: Ich würde Sie gerne auf einen Kaffee einladen, damit wir uns einmal über die Judikatur unterhalten können und darüber, wie prägnant diese wirklich ist. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)  – Heute bin ich spendabel. Ich habe gestern das Gehalt bekommen.

Es ist nicht unverständlich, dass gerade das Thema Privatisierung sehr kontroversiell diskutiert wird. Auch die heutige Debatte hat wieder gezeigt, dass es offensichtlich unterschiedliche Zugänge gibt, was a priori nichts Schlechtes ist. Dennoch ist es mir wichtig, noch einmal zu erwähnen, dass es der Sozialdemokratie nicht um die Frage des öffentlichen oder privaten Eigentums per se geht. Nicht umsonst hat etwa Ferdinand Lacina bereits in den siebziger Jahren gemeint, dass das Thema Verstaatlichung kein Tabu-Thema sein dürfe, und nicht von ungefähr wurden mit dem ÖIAG-Gesetz 1993, das von Herrn Kollegen d'Aron schon angesprochen wurde, nicht unbeträchtliche Privatisierungen vorgenommen – während unserer Regierungsbeteiligung übrigens.

Öffentliches Eigentum ist kein Wert an sich, auch das ist mir wichtig, hier festzuhalten. Es geht in ökonomischer Hinsicht nicht um die Frage der Eigentumsform, sondern es geht vielmehr um Fragen der sozialen Verantwortung, des Wettbewerbes, der Globalisierung und ähnlicher Dinge. Bis dato konnte kein einziger wirtschaftstheoretischer Beweis dafür geführt werden, dass Betriebe im öffentlichen Eigentum allein aufgrund ihrer Eigentumsform allokationspolitisch ineffizienter sein müssen als private Unternehmen. (Bundesrat Dr. d′Aron: Aber die Empirie!)  – Richtig, darauf habe ich gewartet, und ich danke für den Einwurf, so kann ich mir den nächsten Satz ersparen und gleich darauf eingehen. Sie sind ohnehin auch schon ein bisschen auf die Geschichte der verstaatlichten Industrie eingegangen, ich möchte da noch nachsetzen.

Zum Ersten ist es so, dass die Performance jener Betriebe, die sich noch im öffentlichen Eigentum beziehungsweise Teileigentum befinden, nicht die schlechteste ist.

Zum Zweiten hat die heimische Privatwirtschaft von der verstaatlichten Industrie jahrzehntelang profitiert, wurde jahrzehntelang von der verstaatlichten Industrie unterstützt, und in dieser Zeit wurde eigenartigerweise der Ruf nach Privatisierung nicht laut. Wir müssen uns schon auch die Geschichte anschauen und darauf achten, wie die Krise und die Schulden der verstaatlichten Industrie entstanden sind.

Bis spät in die siebziger Jahre hinein hat die verstaatlichte Industrie beispielsweise der österreichischen Privatindustrie Grundmaterialien zum Teil weit unter den Weltmarktpreisen geliefert. (Bundesrat Ledolter: Das ist die Wahrheit!) Dies wurde lange Jahrzehnte beispielsweise von der ÖVP nicht nur hingenommen, sondern sogar noch gelobt – im Übrigen von derselben ÖVP, die noch in den fünfziger Jahren den "unheilvollen Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit" betont hat, etwas, das wir zum Beispiel jetzt schon "überwunden" haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)  – Dazu komme ich auch noch.

Lassen Sie mich fortsetzen, dann kommen wir auch noch in die siebziger Jahre und zu Kreisky. Ein Grund der unbestreitbaren Krise der verstaatlichten Industrie gerade Mitte der achtziger Jahre war eben diese im internationalen Vergleich enorm hohe Grundstofflastigkeit der Betriebe, die aber, wie erwähnt, zunächst von der Privatwirtschaft freudig begrüßt wurde, solange dadurch eigene Kosten gesenkt und Profite erhöht werden konnten.

Damals war die Verlagerung staatlicher Monopolrenten zur Privatindustrie durchaus erwünscht, auch von jenen, die heute grundsätzlich – nicht im Detail – öffentliches Eigentum an derartigen Unternehmen vehement ablehnen. Bereits in den sechziger Jahren hat die Sozialdemokratie gefordert, dass die verstaatlichte Industrie stärker in die Finalindustrie gehen müsse, um weniger konjunkturreagibel zu sein. Handelsminister Bock meinte zu dieser Frage – ich zitiere –: Die verstaatlichte Wirtschaft muss auf die Grundstoffindustrie beschränkt bleiben. Die Ausweitungsversuche in die Finalfertigung sind zu unterbinden. – Zitatende. Das war ein nicht unwesentlicher Grund für die Krise.

So war etwa während der Erdöl-Krise im Jahre 1973 – damit sind wir bereits bei Kreisky – die Privatindustrie ebenfalls sehr erfreut darüber, dass dieser Schock von der verstaatlichten Industrie weitgehend abgefangen wurde. Die Zulieferaufträge an die heimische Privatwirtschaft beliefen sich damals auf nicht weniger als 40 Milliarden Schilling. Das heißt, all diese erwähnten Aspekte haben enorme Summen gekostet, Summen, die in die heimische Privatwirtschaft und deren Arbeitsplätze geflossen sind – wozu wir uns nach wie vor auch bekennen, das ist keine Kritik an dieser Politik!

Die unbestreitbare Krise im Jahre 1985, die Sie vielleicht meinen, hing außerdem grundsätzlich mit unglücklichen Spekulationsgeschäften im Handelsbereich zusammen, Spekulationsgeschäfte, die aber wiederum von keinem öffentlichen Eigentümer angeordnet wurden, sondern schlicht und ergreifend Managementfehler waren. Managementfehler sind in der Privatwirtschaft, wenn ich mir die Insolvenzstatistiken anschaue, auch nicht gerade etwas Unbekanntes, sie sind also ebenfalls kein Spezifikum irgendeiner Eigentumsform – darum geht es mir.

Daher müssen Privatisierungen im Einzelfall betrachtet und im Einzelfall analysiert werden, und dabei geht es beispielsweise um die Frage, wie viele Anteile werden abgegeben, wann werden sie abgegeben und in welcher Form werden sie abgegeben.

Die im vorliegenden ÖIAG-Gesetz verordnete Rasenmähermethode nimmt auf all diese Belange keine Rücksicht, denn das, was etwa bei Siemens und SGP vorteilhaft war, ist bei Conti und Semperit schief gegangen. Das ist eben der Unterschied zwischen Stockholdern und Shareholdern. Es bedeutet, dass man sich jeden Einzelfall genau anschauen muss, es gibt keine Allheilmittel, auch nicht bei der Privatisierung! Daher ist der Rahmen, den dieses Gesetz vorgibt, für uns zu weit gesteckt, weil er zu vieles bei diesen Fragen offen lässt. Auch im Bericht des Industrieausschusses war nur die Rede von Veräußerung, Privatisierung, Schuldentilgung und nichts von Industriepolitik.

Wer beispielsweise – darauf wurde bereits eingegangen – zu wenig industrielle Headquarters in diesem Land hat – auch das wurde im Hearing praktisch von allen Experten betont –, ist in vielen Fällen ein klassischer Übernahmekandidat. Die Industriellenvereinigung hat gerade aus diesem Grund dem Verbleib der Headquarterfunktionen in Österreich im Zuge der beabsichtigten Privatisierungen hohen Stellenwert eingeräumt. Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung Lorenz Fritz meinte dazu wörtlich, diese Forderung sei nichts anderes als die Fortsetzung einer klugen Industriepolitik! – Ich lege auf einige Wörter in diesem Satz besonderen Wert, nämlich auf "Fortsetzung" und "kluge Industriepolitik", denn damit bestätigt auch die Industriellenvereinigung, dass die bisherige Industriepolitik der abgetretenen Bundesregierung nicht so schlecht gewesen sein kann.

Einige Anmerkungen möchte ich noch anschließen. Erstens: Verfallen wir nicht dem Aberglauben der unverrückbaren Absicherungsmöglichkeit über Syndikatsverträge! – Syndikatsverträge haben nicht selten in letzter Konsequenz eine ähnliche Eigenschaft wie stille Reserven, die sind nämlich, wie wir aus der Betriebswirtschaft wissen, genau dann besonders "still", wenn man sie am dringendsten benötigt. Syndikatsverträge können heimische Kernaktionärsfunktionen in keiner Weise ausreichend substituieren.

Ich möchte noch kurz auf eine letzte Frage eingehen, die mir in diesem Zusammenhang besonders wichtig ist. Wer profitiert eigentlich davon, wenn in einem – wie Kollege Zapotocky meinte – unterbewerteten Markt überhastet privatisiert wird, noch dazu, wenn diese Privatisierungen unter Zeitdruck angekündigt werden? – Das Volk als Eigentümer kann in diesem Fall nicht profitieren, weil die Unternehmen unter ihrem Wert veräußert werden. Die Unternehmen selbst können auch nicht davon profitieren, weil sie unter Druck neue Eigentümer akzeptieren müssen. Damit kann auch die Belegschaft dieser Unternehmen nicht davon profitieren.

Wer bleibt letztlich als Begünstigter übrig? – Lediglich der Käufer, also der neue Eigentümer, dem es gelingt, relativ günstig Anteile oder ganze Unternehmen zu erwerben, und schließlich auch derjenige, der für die Vermittlung dieser günstigen Geschäfte die Provisionen kassiert. – All das sollte uns im Zusammenhang mit diesem Gesetz ernsthaft zu denken geben! (Beifall bei der SPÖ.)

12.23

Vizepräsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon.

12.23

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Ich möchte noch ganz kurz zu den theoretischen Ausführungen meines Vorredners Stellung nehmen. All das, was Sie jetzt erzählt haben, ist zwar schön in der Literatur nachzulesen, die Betroffenheit in der Region allerdings ist anders. Sie haben gesagt, dass die Eigentümerstruktur quasi keinen Einfluss auf das Management habe. Ich sage Ihnen, wie das in der Verstaatlichten früher gelaufen ist.

Es hat nämlich damals nicht das Management das Unternehmen geführt, sondern die Betriebsräte! (Bundesrätin Schicker: Also auch Ihr Vater! Geben Sie das zu!) Wenn Herr Ruhaltinger gesagt hat: Das läuft so nicht!, dann ist es so nicht gelaufen, weil Herr Ruhaltinger auch im Parlament gesessen ist und auch ÖIAG-Gesetze gemacht hat. Es gab eine unglückselige Verschmelzung der Eigentümerstruktur mit Strukturen der Arbeitnehmervertretungen im Unternehmen, daher hat das Management im Grunde genommen nicht wirklich viel machen können.

Zweitens: Sie sagen völlig zu Recht – da bin ich bei Ihnen –, dass ein Auslöser der Krise die Grundstofflastigkeit war. Das ist richtig! Der Vorteil der Mur-Mürz-Furche ist, dass sie auf Grund der Krisensituation auch eine der am besten untersuchten Regionen ist. Es gibt sehr viele Studien dazu, von denen eine besonders bemerkenswert ist. Darin wird nämlich die Mur-Mürz-Region, Stahl- und Eisenindustrie, mit anderen Regionen in Europa, in denen es diese Umstrukturierungsprozesse ebenfalls gegeben hat, verglichen. Dabei fällt auf, dass sich andere Regionen offensichtlich schneller verändert und damit auch nicht so viele Arbeitsplätze verloren haben. In der Mur-Mürz-Region gingen im Grunde genommen 10 Prozent mehr an Arbeitplätzen in den Betrieben verloren, weil diese Änderungen nicht frühzeitig erfolgt sind. Das können Sie nachlesen.

Als dritten und letzten Punkt möchte ich betonen: Es hat natürlich dieser Moloch Verstaatlichte in Verbindung mit dem "Konsum" die privatwirtschaftliche Struktur daneben nicht, wie Sie sagen, gut leben lassen, sondern vernichtet. Ich sage Ihnen das ganz trocken. Es war in jener Zeit kaum ein kleiner und mittlerer Betrieb zu finden.

Ich bitte Sie daher, vielleicht auch einmal die Meinungen der Betroffenen zur Kenntnis zu nehmen. (Bundesrat Meier: Das stimmt ja nicht, dass es keine kleinen und mittleren Unternehmen gegeben hat!)  – Herr Kollege! Sie wohnen auch nicht in dieser Region und haben das ebenfalls nicht miterlebt. (Bundesrätin Schicker: Ich erinnere an Bauknecht, an Assmann! Nennen Sie nicht immer den "Konsum" dazu!)

Ich würde Sie also bitten, auch die Meinungen der Betroffenen und nicht nur die theoretischen Ansichten in Ihre Meinungsbildung miteinzubeziehen. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.26

Vizepräsident Johann Payer: Es liegt noch eine Wortmeldung des Herrn Bundesrates Peter Marizzi vor. Ich erteile ihm das Wort.

12.27

Bundesrat Peter Marizzi (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kollege Missethon! Ihre Ausführungen haben mich jetzt eigentlich dazu veranlasst, an dieses Rednerpult zu treten. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das glaube ich! Sie waren ja auch Betriebsrat in zentraler Funktion!)  – Ich habe Ihnen aufmerksam zugehört, daher erwarte ich mir das Gleiche jetzt von Ihnen.

Es gab in Ternitz – deswegen habe ich mich zu Wort gemeldet – in der Blütezeit dieser Industrie 5 000 Beschäftigte, in der Krise 4 000 und nach der Krise 2 000 Beschäftigte. Zur Privatisierung und der "Macht der Betriebsräte": Herr Staatssekretär! Sie waren damals im Rechnungshof. Ich habe mich damals gewehrt, als gesagt wurde, das Rohrwerk in Ternitz müsse unbedingt und sehr rasch verkauft werden. Das Rohrwerk in Ternitz war damals das zweitgrößte Rohrwerk Mitteleuropas mit ungefähr 700 Beschäftigten und einem Anlagenwert in der Höhe von etwa 3 Milliarden Schilling – nur um die Größenordnungen ins rechte Licht zu rücken.

Ich war bei Kollegen Ditz, der damals mein Kollege im Nationalrat war, und habe gesagt: Lieber Hannes! Machen wir das nicht so schnell, seien wir vernünftig! – Nein, das haben wir von der ÖVP so beschlossen, Ternitz muss privatisiert werden!, so lautete die Antwort.

Wissen Sie, Herr Staatssekretär, um wie viel das Rohrwerk verkauft wurde? – Um 1 S! Ich bin von Pontius zu Pilatus gelaufen und habe gefordert, dass wenigstens Besserungsscheine gemacht werden, damit, wenn der Betrieb privatisiert wird und in die Gewinnzone kommt, wieder Geld an den Staat oder an den Standort zurückfließt.

Die Geschichte ging dann folgendermaßen weiter, Herr Kollege Missethon: Das Rohrwerk hat dann durch einen Unfall, nämlich durch ein Erdbeben in Japan, das die "Kobe Steel" dem Erdboden gleichgemacht hat, wodurch ein wichtiger Anbieter ausgefallen ist, im ersten Jahr 200 Millionen Schilling Gewinn und auch im zweiten Jahr 200 Millionen Gewinn gemacht. Die Besitzer – es war ein Management-Buyout – haben sich sehr darüber gefreut, sie konnten gar nichts dafür. Die Gewinne wurden gemacht.

Wissen Sie, was dann passiert ist? – Jetzt wurde das Rohrwerk an die Spanier verkauft, und zwar um 700 Millionen Schilling! Das heißt, der Staat hat 1 S bekommen und die Nachfolger 1,1 Milliarden Schilling! Wir Betriebsräte – ich war im Zentralbetriebsrat, habe mich aber nicht freistellen lassen; ich war für Betriebsansiedlungen tätig, ich habe für die Obersteiermark und für Ternitz Betriebe angesiedelt – haben damals dagegen angekämpft. Wissen Sie, wenn aus 1 S 1,1 Milliarden Schilling Gewinn wird, dann ist das auch nicht richtig. Das schreit geradezu nach Skandal.

Da Sie sich zu Wort gemeldet haben, habe ich mich auch gemeldet. Da herrschte nämlich Vernunft, und der Rechnungshof – Sie sind damals im Rechnungshof gesessen – hätte darauf hinweisen und sagen müssen: Herr Minister oder Herr Staatssekretär oder wer immer, um 1 S geht das nicht! Da müssen eben Besserungsscheine ausgefüllt oder verhandelt werden, dann kann ich mir eine Privatisierung als sinnvoll vorstellen.

Aber das, was jetzt gemacht wird, meine sehr geehrten Damen und Herren – der Kollege meiner Fraktion hat es vorhin nicht nur empirisch, sondern auch wissenschaftlich und korrekt bewiesen –, bedeutet, dass wir es billig verkaufen, und alle anderen, vor allem die Ausländer, werden sich sehr freuen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.31

Vizepräsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt zunächst ein Antrag der Bundesräte Professor Konečny und Genossen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die für diesen Antrag eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend das ÖIAG-Gesetz 2000.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über die Änderung des Bundesgesetzes über die Einbringung der Österreichischen Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft, des Postsparkassengesetzes 1969, des Bankwesengesetzes und des Bundesgesetzes über die Errichtung des Staatsschuldenausschusses.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz, das Publizistikförderungsgesetz 1984, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Zivilprozessordnung, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundeshaushaltsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Elektrizitätsabgabegesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Gebührengesetz 1957, das Agrarverfahrensgesetz, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Innovations- und Technologiefondsgesetz, das Bundesbahngesetz 1992, das Schieneninfrastrukturgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981, das Altlastensanierungsgesetz, das Umweltförderungsgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Postgesetz 1997, das Wohnbauförderungsgesetz 1984 und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert werden (Budgetbegleitgesetz 2000) (61 und 67 und Zu 67/NR sowie 6095 und 6098/BR der Beilagen)

Vizepräsident Johann Payer: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung: Budgetbegleitgesetz 2000.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wilhelm Grissemann übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Wilhelm Grissemann: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Parteiengesetz, das Publizistikförderungsgesetz 1984, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Zivilprozessordnung, die Strafprozessordnung 1975, das Strafvollzugsgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Finanzausgleichsgesetz 1997, das Bundeshaushaltsgesetz, das Finanzstrafgesetz, das Elektrizitätsabgabegesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, das Gebührengesetz 1957, das Agrarverfahrensgesetz, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Innovations- und Technologiefondsgesetz, das Bundesbahngesetz 1992, das Schieneninfrastrukturgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Kunstförderungsbeitragsgesetz 1981, das Altlastensanierungsgesetz, das Umweltförderungsgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Postgesetz 1997, das Wohnbauförderungsgesetz 1984 und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Mai 2000 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Johann Payer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher. Ich erteile ihm dieses.

12.36

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Dass das Ziel der Budgetkonsolidierung fortgesetzt verfolgt werden muss, ist für mich unbestritten. Aber wie schon in der vorhergehenden Privatisierungsdebatte, so gilt auch hier, dass Einigkeit über das Ziel noch lange nicht Einigkeit über den Weg und im gegenständlich Fall für mich nicht einmal Einigkeit über das Ausmaß bedeutet.

Immerhin scheint der Verdacht nicht ganz unbegründet zu sein, dass unter dem Deckmäntelchen der Budgetkonsolidierung eine bestimmte Klientel besonders bevorzugt und eine andere Klientel besonders benachteiligt werden soll – Budgetpolitik sozusagen als Mittel der Gesellschaftspolitik.

Bevor ich auf einige Details des Gesetzes eingehe, kurz noch ein paar Zitate. Um gleich zu antizipieren, dass dann sicherlich auch der Einwurf der gestrigen Kritik aus Brüssel kommen wird, möchte ich kurz auf den im März in der Sitzung des entsprechenden Ministerrates beschlossenen Budgetbericht 1999 eingehen, in dem unter anderem von der jetzigen Koalitionsregierung darauf hingewiesen wird, dass etwa die Staatsquote von 57,3 Prozent im Jahre 1995 auf 53,7 Prozent im Jahre 1999 reduziert werden konnte. Das wurde äußerst positiv vermerkt, ebenso wurde wörtlich die positive Entwicklung der finanzwirtschaftlichen Kennzahlen hervorgehoben und betont, dass die wirtschaftlichen Wachstumserfolge der letzten Jahre ein Ergebnis der budgetpolitischen Konsolidierungsstrategie waren.

Bezüglich des Vollzugs des Budgets 1999 findet sich ebenfalls eine erstaunlich positive Beurteilung in diesem Ministerratsbeschluss, in dem es unter anderem heißt: Der Vollzug war bei den Verwaltungs- und Betriebsausgaben strikt, sodass die erst nachträglich abgeschlossenen Gehaltsverhandlungen durch Einsparungen bei den Ermessensausgaben mehr als kompensiert werden konnten.

Ein paar kurze persönliche Zitate noch: Ich stehe nicht eine Minute an, zu sagen, dass die Ausgangslage, die wir heute vorfinden, natürlich auch das Verdienst der abgetretenen Bundesregierung ist. – Minister Bartenstein am 7. März dieses Jahres.

Oder: Ich denke, dass die Regierungsparteien zufrieden sein können, dass sie heute wieder ein Budget vorlegen, das den Konsolidierungskurs, den wir nunmehr in den letzten Jahren eingeschlagen haben, zu einem Höhepunkt und Endpunkt führt. Ich danke der Regierung und dem Finanzminister. – Klubobmann Khol am 15. April 1998. Der Finanzminister hieß damals übrigens Edlinger.

Klubobmann Khol bedankte sich auch im Jahr darauf für das Budget. Das ist in den Stenographischen Protokollen des Nationalrates nachzulesen.

Oder – ein letztes Zitat –: Dieses Budget 1999 ist ein Signal der Stabilität und Kontinuität. – Kollege Stummvoll.

Einige Fakten, wiederum replizierend auf die gestrigen Worte aus Brüssel: Die Schuldenentwicklung, die von der Koalitionsregierung immer gerne angeführt wird, ist insbesondere unter der Regierungsbeteiligung der ÖVP in Fahrt gekommen. Gemessen in Prozenten des Bruttoinlandsproduktes lag sie über 50 Prozent per anno höher als zu Zeiten der Alleinregierung der Sozialdemokraten. Der Vollzug des Budgets 1999 liegt voll im Plan des Stabilitätspfades, sogar leicht unter dem Voranschlag. Und kritisiert wurde in Brüssel in erster Linie die Aktualisierung des Budgetprogramms, und zwar wörtlich als "wenig ambitioniert". Diese Aktualisierung des Budgetprogramms ist im März dieses Jahres, also von der neuen Bundesregierung, erfolgt.

Diese Kritik am Programm ist auch durchaus verständlich, denn die Quadratur des Kreises, gleichzeitig das Defizit senken, andererseits Ausgaben erhöhen zu wollen, wie im Bereich der Heeresausgaben, beim Karenzgeld für alle, bei zusätzlichen Förderungen für die Landwirtschaft, kann nicht gelingen. In diesem Fall gebe ich ausnahmsweise einmal Professor Streissler Recht, der meint, dass Sparpakete unumgänglich sein würden, wenn man das weiter verfolgt.

Sieht man sich also die einzelnen Maßnahmen des Budgetbegleitgesetzes näher an, so erkennt man unter anderem Zusatzbelastungen im Bereich von indirekten Abgaben und Steuern, von Verbrauchssteuern, von Gebühren – alles Maßnahmen, die letztlich die Regressivität des Steuer- und Abgabensystems erhöhen. Und Regressivität des Steuer- und Abgabensystems bedeutet naturgemäß eine verstärkte Umverteilung zu Lasten einkommensschwächerer Bevölkerungsschichten. Dies ist übrigens eine Erkenntnis, die an jeder Wirtschaftsuniversität gelehrt wird. Und in meinem Fall verdanke ich diese Erkenntnis den Kollegen Genser und Holzmann, die gerade den Freiheitlichen keine Unbekannten sein dürften.

Der erwähnte negative Umverteilungseffekt betrifft unter anderem die Erhöhung der Elektrizitätsabgabe bei gleichzeitiger weiterer Deckelung für die Unternehmen. Die Erhöhung der Regressivität betrifft ebenso die Änderung des Versicherungssteuergesetzes, durch die man für ein Mittelklasseauto in Hinkunft um 1 300 S mehr bezahlen wird müssen, und zwar ohne jeglichen ökologischen Lenkungseffekt. Eine relativ höhere Belastung für einkommensschwache Familien erfolgt auch aus der Änderung des Gebührengesetzes – wir alle haben es heute im Radio vernommen –: Eine Familie mit zwei Kindern wird etwa in Hinkunft für ihre Pässe nicht weniger als 3 800 S zahlen müssen.

Die Diskussion bezüglich der Abschaffung des verbilligten Postzeitungsversandes erwähne ich nur am Rande, denn dass diese Maßnahme nicht von Budgetsanierungs- sondern ausschließlich von politischen Überlegungen getragen war, bestreitet heute ohnehin kaum noch jemand ernsthaft.

Ich möchte aber vor allem zwei weitere Punkte des Budgetbegleitgesetzes herausgreifen, die insbesondere den Wohnbereich betreffen, so etwa den Wegfall der Gebührenbefreiung für Bausparkassen-Darlehen. Das würde für jene, die sich in Hinkunft über diese Schiene ungeförderten Wohnraum schaffen wollen, eine nicht unerhebliche Verteuerung mit sich bringen, und zwar eine Verteuerung allein nur für die Eintragung des Darlehens in das Grundbuch. Bei einem Darlehen von 1 Million Schilling bedeutet das rund 12 000 S oder bereits drei Monatsraten des Kredites zusätzlich an Kosten. Jeder, der bauspart und sich damit gerade im ländlichen Bereich Wohnraum schafft, weiß, dass 1 Million Schilling an Darlehen in diesem Segment wahrlich nicht besonders viel ist. – So viel zum ungeförderten Wohnraum.

Aber keine Sorge, auch für den direkt geförderten Wohnraum ist in diesem Gesetz ausreichend vorgesorgt. So soll mit dem Budgetbegleitgesetz für gemeinnützige Bauvereinigungen die bisher geltende Befreiung von der Gerichtsgebühr im Zusammenhang mit dem Erwerb von Grundstücken aufgehoben werden – eine Gerichtsgebühr für Eintragungen und Eingaben in der Höhe von 1 Prozent des Ankaufspreises. Von dieser Aufhebung der Befreiung sind jährlich nicht weniger als 15 000 bis 20 000 österreichische Haushalte – gerade auch junge Haushalte – betroffen, die eine durch eine gemeinnützige Bauvereinigung neu errichtete Wohnung beziehen. Das ist umso dramatischer, als Ihnen allen sicherlich bekannt ist, dass im Vergleich aller Kostenkomponenten im Neubau die Grundstückspreise in den letzten Jahren die stärkste Steigerungsdynamik aufgewiesen haben.

Diese Aufhebung der Gerichtsgebührenbefreiung wird daher einen Kostenanstieg im gemeinnützigen Wohnbau zur Folge haben, und zwar sowohl für die Mieter als auch für die Wohnungseigentümer, bei denen es sich in den Kaufpreisen niederschlagen wird, und es wäre unehrlich, zu behaupten, dass diese Verteuerung von den gemeinnützigen Bauvereinigungen selbst getragen werden könnte. Denn wir alle wissen, dass durch die verschiedensten Maßnahmen in den letzten Jahren – zu denen wir natürlich auch weiterhin stehen – die gemeinnützigen Bauvereinigungen im Interesse der Mieter und der Wohnungseigentümer kräftig zur Kasse gebeten wurden, etwa im Bereich des billigeren Einsatzes des Eigenkapitals, der Senkung der Eigenkapitalverzinsung, durch Auslaufannuitäten und vieles andere mehr. Irgendwann ist aber auch bei den gemeinnützigen Bauvereinigungen der finanzielle Plafonds erreicht, sodass durch die vorgesehene Maßnahme genau jene Haushalte getroffen werden, die wir in früheren Jahren entlastet haben.

Man sollte überhaupt die Gestion gemeinnütziger Bauvereinigungen nicht kontinuierlich einschränken – so wie es übrigens auch in der Wohnrechtsnovelle 2000 geplant ist – und gleichzeitig die Regelungen für private Hauseigentümer und gewerbliche Bauträger liberalisieren, sondern man sollte allen gegenüber – damit auch gegenüber den gemeinnützigen Bauvereinigungen – Fairness walten lassen, eine Fairness, die wir aber im Budgetbegleitgesetz über weite Strecken vermissen.

Daher darf ich folgenden Antrag einbringen:

Antrag

der Bundesräte Professor Albrecht Konečny, Mag. Dietmar Hoscher und Genossen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Erhebung eines Einspruches gegen den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2000 betreffend das Budgetbegleitgesetz 2000 (61 und 67 der Beilagen)

Die unterzeichneten Bundesräte stellen den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben.

Der Einspruch wird wie folgt begründet:

Das Budgetbegleitgesetz 2000 enthält eine Reihe von Maßnahmen, die gezielt untere und mittlere Einkommensgruppen belasten, ökologisch verfehlt sind und die positive Entwicklung des Arbeitsmarktes gefährden. Die positiven Wirkungen der Steuerreform 2000 werden durch höhere Abgaben für Verbraucher und andere restriktive Maßnahmen weitgehend aufgehoben. Der Gesetzentwurf enthält keine strukturellen Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung, sondern überwiegend Umschichtungen, Abschöpfungen von Fondsüberschüssen und sonstige Einmalmaßnahmen. Es sind keinerlei Schwerpunktsetzungen zu erkennen, das Ziel der sozialen Ausgewogenheit wird völlig verfehlt. Darüber hinaus haben einige Artikel des vorliegenden Gesetzentwurfes keinerlei Bezug zum Bundeshaushalt 2000, sondern betreffen lediglich verwaltungsinterne Reorganisationsmaßnahmen.

Aus all den angeführten Gründen wird der Antrag auf Einspruch erhoben.

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.45

Vizepräsident Johann Payer: Der von den Bundesräten Professor Konečny und Genossen eingebrachte Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben, samt der gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates beigegebenen Begründung ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger. Ich erteile ihm dieses.

12.45

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Spätestens seit gestern ist uns, so glaube ich, ähnlich einer amtlichen Bestätigung zugekommen, dass es der Republik Österreich finanziell drastisch schlecht geht. Wir sind nicht mehr die Vorletzten oder die Vorvorletzten innerhalb der EU-Länder, sondern wir sind die Letzten. Italien und Griechenland liegen noch knapp vor uns. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Ich gehe noch darauf ein. Wir von der Volkspartei stehlen uns nicht aus der Verantwortung, wir haben selbst ... (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir stehlen uns nicht aus der Verantwortung, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratischen Partei! Wir haben selbstverständlich mitregiert und auch durch geraume Zeit verschiedene Maßnahmen mitgetragen. Herr Kollege Hoscher! Sie haben dieses Thema angesprochen, nur frage ich Sie: Wer hat in der Zeit der SPÖ/ÖVP-Koalition im Besonderen immer auf Budgetstabilisierungsmaßnahmen gedrängt? War das die SPÖ oder war es die Volkspartei? – Es waren wir Christdemokraten! Wir haben stets gedrängt, dass hier Maßnahmen zu erfolgen haben, und sind letztlich immer wieder am Verhalten des Finanzministers gescheitert. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie werden mir bestätigen, dass Finanzminister Edlinger noch kurz vor der letzten Nationalratswahl immer wieder betont hat: Es besteht überhaupt keine Gefahr, das Budget wird nicht aus den Fugen geraden, es ist sozusagen alles "paletti". – Also das ist nachweisbar, dass er das vor den Nationalratswahlen immer wieder öffentlich so dargestellt hat.

Die SPÖ hat letztlich immer wieder gebremst, und es ist auch das Motiv hiefür völlig klar: Das Motiv auf Seiten der Sozialdemokraten war, möglichst niemandem wehtun zu müssen.

Ein aus den Fugen geratenes Bundesbudget ... (Bundesrätin Mag. Trunk: Zum Familienpaket stehen Sie also nicht mehr!) – Ich gehe auf das Familienpaket ein und werde das – auch Bezug nehmend auf das, was Ihr Sprecher, Mag. Hoscher, hier erwähnt hat – anhand eines Beispieles erläutern. Ich werde dabei durchaus die Kosten der Reisepassausstellung, die er hier dargestellt hat, mit dem Familienpaket vergleichen und auch aufzeigen, was dieses Familienpaket den Familien gebracht hat. Ich werde das etwas später hier noch deutlich gegenüberstellen.

Ein Beispiel, das mein Vorredner ebenfalls angezogen hat und das wir heute bei diesen Budgetkonsolidierungsmaßnahmen, bei diesem Budgetbegleitgesetz zur Debatte aufliegen haben, war die motorbezogene Versicherungssteuer. Diese wurde von ihm in der Form kritisiert, dass sie Menschen zu Unrecht trifft – so habe ich das verstanden – und dass andere Maßnahmen geeigneter gewesen wären. (Bundesrätin Schicker: Die LKWs werden nicht belastet!)

Der Vorschlag der Sozialdemokraten war, dass statt der motorbezogenen Versicherungssteuer eine Erhöhung der Mineralölsteuer erfolgen sollte. Das war der Vorschlag, der vorgelegen ist. Nun bitte ich zu überlegen, was sozial gerechtfertigter ist: die motorbezogene Versicherungssteuer oder eine allgemeine Anhebung der Mineralölsteuer? – Auch hiezu eine klare Antwort: Die motorbezogene Versicherungssteuer trifft nach meiner Auffassung in erster Linie Menschen, die PS-stärkere Fahrzeuge fahren, und natürlich auch Menschen, die einen Zweitwagen benutzen. (Bundesrat Prähauser: Mütter, die ihre Kinder in den Kindergarten fahren!)

Wenn Sie unterwegs sind, dann wird jedem von Ihnen, so glaube ich, schon aufgefallen sein, wie viele Zweit-Pkws auch für Freizeitzwecke – das möchte ich klar festhalten – genutzt werden. (Bundesrätin Schicker: Pendler haben meist nur einen Erstwagen!)

Als Christdemokrat stehe ich auf dem Standpunkt, dass das, was die Regierung zur Vorlage gebracht hat, nämlich die motorbezogene Versicherungssteuer, sozialer ist, da doch in erster Linie vermögendere Menschen hiezu einen größeren Beitrag zu leisten haben. (Bundesrätin Schicker: In erster Linie Männer!) – Das glaube ich und davon bin ich überzeugt, während die Erhöhung der Mineralölsteuer in erster Linie den Pendler getroffen hätte. (Bundesrat Meier: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Ich komme aus einem Bezirk, von dem die Pendler relativ große Strecken, nämlich 100, 120 Kilometer bis Wien zurückzulegen haben. Angesichts dessen würde jeder Liter Benzin eine Erhöhung der Kosten für den Pendler bedeuten. Ich stelle ganz klar fest, dass die Maßnahme, die die Regierung in Form dieser Versicherungssteuer eingebracht hat, die sozialere Maßnahme war, wobei im Übrigen die Versicherungssteuer in den letzten 15 Jahre faktisch nicht angehoben worden ist.

Ein bisschen gewundert hat es mich, dass heute seitens der Sozialdemokraten die Elektrizitätsabgabe nicht angeschnitten worden ist, aber vielleicht ist es schon in das Bewusstsein gedrungen, dass durch die Strommarktliberalisierung, die voraussichtlich früher kommt, als sie ursprünglich vorgesehen war, eine durchaus neutrale Lösung gefunden werden wird. (Bundesrat Meier: Irgendjemand hat es erwähnt! Das wurde erwähnt!)

Das Tabaksteuergesetz braucht meiner Meinung nach auch nicht extra und besonders hervorgehoben zu werden. Es ist, so glaube ich, schon im Bewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher sehr deutlich verankert, dass Rauchen durchaus ein bisschen teurer werden kann. Letztendlich gefährdet es nach wie vor die Gesundheit. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Besonders beim Arbeiterkammerwahlkampf, der zur Zeit in Niederösterreich und auch in Wien stattfindet, bemerke ich eine gewisse Verhärtung, die in die Richtung geht: Schwarz-blau wird nicht müde, die Menschen mit Belastungspaketen zu belasten. Als Beispiel dafür wird der Reisepass erwähnt, was auch tatsächlich stimmt, wie Kollege Hoscher hier betont hat.

Ich möchte dem aber etwas gegenüberstellen, was er verschwiegen hat, und dabei gehe ich auch auf den Einwand von Frau Kollegin Trunk ein, die gemeint hat: Was ist mit dem Familienpaket?

Genau diese Familie mit den zwei Kindern, die jetzt 3 800 S für den Reisepass zu bezahlen haben wird, hat seit 1. Jänner 2000 auf Drängen der Volkspartei – auf Drängen der Volkspartei! – um zirka 15 000 S netto mehr im Börserl. Das ist die Folge des Familienpaketes. Wir stehen dazu. Selbstverständlich haben wir als Christdemokraten das immer wieder betrieben, und letztlich ist das auch ein Erfolg. (Bundesrat Meier: Wir auch! – Bundesrätin Schicker: Finanzieren muss man es! – Bundesrätin Mag. Trunk: Die Schulden die SPÖ, die Maßnahmen die ÖVP!)

Ich habe, so glaube ich, eingangs schon klar festgehalten, dass wir uns nicht aus der Mitverantwortung stehlen, oder soll ich es noch drei- oder viermal sagen, bis es durchgedrungen ist?! (Bundesrat Prähauser: Schadet nicht, wenn es jeder weiß!) Die Vorschläge, die hier eingearbeitet worden sind, sind durchaus sehr sozial und daher auch tragbar.

Ich gehe noch auf eine Situation ein, die mir erst kürzlich im Bezirk Lilienfeld zugetragen worden ist. Ich habe schon den Arbeiterkammerwahlkampf in Niederösterreich angesprochen, und ich denke, dass er auch noch in Wien stattfindet, wir sind sozusagen mitten drinnen. Dabei wird, wie gesagt, immer wieder ins Treffen geführt: Die Christdemokraten und die Freiheitlichen versuchen jetzt gemeinsam, den Menschen möglichst viel an Einkommen zu nehmen. – Heute ist hier schon angesprochen worden, dass wir uns in der Wortwahl besonders bemühen und beispielsweise den Begriff taktische Spiele nicht verwenden sollten. Das verlange ich aber bitte auch von den sozialdemokratischen Gewerkschaftern, die im Bezirk Lilienfeld Folgendes zur Verteilung bringen:

So wählen Sie richtig: ein großes Kreuzerl in der ersten Zeile – sozialdemokratische GewerkschafterInnen, AK-Präsident Josef Staudinger.

Zweitens wird der ÖAAB erwähnt unter dem Titel: Länger Arbeiten – weniger verdienen!

Punkt drei – das wird die Freiheitlichen interessieren –: FAAN: Die Packler statt Hackler! Wer krank ist, muss zahlen!

Ich verlange diese Noblesse, die heute von uns hier in diesem Hohen Haus gefordert wird, auch von Ihren Leuten, die vor Ort Agitation betreiben. (Bundesrätin Mag. Trunk: ... wenn Sie sich von den anderen verabschiedet haben!) – Ich habe mich nicht verabschiedet, ich wohne im Bezirk Lilienfeld und hatte nicht die Möglichkeit, mich von allen ausgeschiedenen Regierungsmitgliedern zu verabschieden. Ich denke auch, dass das nicht unbedingt erwünscht gewesen wäre.

Nebenschauplatz dieses Budgetbegleitgesetzes ist aber auch das Familienlastenausgleichsgesetz. Ich glaube, dass es durchaus ein interessanter und für die Zukunft wichtiger Teil ist, dass die Überschüsse, die aus dem Familienlastenausgleichsfonds vorhanden sind, nicht wie früher zur Finanzierung beispielsweise einer defizitären Bahn verwendet werden, sondern dass diese Überschüsse zur Finanzierung von künftigen Pensionen für Frauen, die Kindererziehungszeiten erworben haben, herangezogen werden. (Bundesrätin Schicker: Karenzgeld für alle! – Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Tatsächlich ist damit ein zukunftsweisender Schritt geschehen, und es ist auch im Wesentlichen ein sehr sozialer Aspekt. Ich kann daher der Aussage des ehemaligen Finanzministers außer Dienst Edlinger nichts abgewinnen, wenn er gemeint hat, es sei eine soziale Schieflage vorhanden.

Ich wäre jetzt noch verleitet, auf den Postzeitungsversand einzugehen. Dazu hat auch eine Reihe von sozialdemokratischen Politikern die Bühne betreten und sehr öffentlichkeitswirksam gemeint, dass dadurch die Meinungsfreiheit beziehungsweise Meinungsvielfalt in der Republik zu Schaden kommen würde. Ich gehe jede Wette ein, dass Österreich, wenn wir uns das in ein oder zwei Jahren anschauen, weiterhin ein Land der Meinungspluralität bleiben und sein wird. Abgesehen davon holen wir uns die Informationen nicht mehr nur aus den Printmedien, sondern jeder in diesem Raum wird auch andere mediale Möglichkeiten nutzen.

Damit komme ich zum Schluss und möchte noch feststellen, dass wir Christdemokraten diesem vorliegenden Beschluss des Nationalrates die Zustimmung erteilen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

12.58

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. André d′Aron. Ich erteile ihm dieses.

12.58

Bundesrat Dr. André d′Aron (Freiheitliche, Wien): Herr Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesrat Mag. Hoscher hat die Veränderungen im Zusammenhang mit dem ElWOG ausgeführt, hat uns auch die Erhöhung der Versicherungssteuer erläutert, die natürlich mit dem Hubraum zu tun hat, wie wir wissen, und er hat über den Postzeitungsversand gesprochen. Er hat aber vergessen zu erwähnen, dass es schon ein Papier, ein Koalitionspapier, gegeben hat, das zwischen SPÖ und ÖVP endverhandelt wurde, in dem eine Reihe von Verschlechterungen für den Staatsbürger auspacktiert worden ist.

Das betrifft zum Beispiel die Frage des Benzins, die praktisch jeden trifft. Ich verstehe also nicht, dass jetzt die Frage der Pendler, der KFZ-Pendler, aufgeworfen wird, denn das war eine Sache, die auch schon seitens der SPÖ akzeptiert worden ist.

Warum ist sie akzeptiert worden? (Bundesrätin Mag. Trunk: Nein! Sonst würden wir regieren!) – Sie ist deswegen vom Verhandlungsteam akzeptiert worden – das können Sie nicht abstreiten –, weil auch der SPÖ bekannt war – sie soll jetzt keine Kindesweglegung machen – und auch bekannt ist, in welcher tatsächlichen Situation sich das österreichische Staatsbudget befindet.

Wir diskutieren heute ein Budgetbegleitgesetz. Hiebei geht es um eine Novelle von 34 Bundesgesetzen, die in einem Gesetz, namens Budgetbegleitgesetz, zusammengefasst wurden. Dabei geht es um Inflationsanpassungen, es geht um Anpassungen des Rechtsverkehrs durch verstärkte Heranziehung elektronischer Medien – das ist auch wichtig. Wir haben Novellen im Zusammenhang mit der Strafprozessordnung, mit dem Verwaltungsstrafgesetz und der Postzustellung. All das wird nun ziemlich anders betrachtet.

Es geht um Anpassungen im Telekommunikationsgesetz, um eine größere Anzahl von Konzessionsinhabern zu ermöglichen. Das bringt Mehrerlöse für den Staat. Und es geht auch um die Parteienförderungen. Das Budgetbegleitgesetz sieht in diesem Bereich ein Einfrieren der Zuwendungen vor.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Signal. Es geht nicht darum, dass wir mehr Geld für die Parteien ausgeben und bei den Bürgern sparen. Das wäre ein entsetzliches Signal. Ich hoffe, dass Sie wenigstens diesem Passus des Budgetbegleitgesetzes Ihre Zustimmung erteilen, und schlage Ihnen auch vor, dass Sie das bei der Abstimmung aus dem Paket herausnehmen. Es handelt sich beim Budgetbegleitgesetz also nicht nur um ein Gesetz, das der Budgetkonsolidierung dient, sondern auch um ein Gesetz, das Verwaltungsvereinfachungen beinhaltet. Und ich frage mich: Warum ist das nicht schon zuvor erfolgt?

Wie schauen die Zahlen aus? – 7 Milliarden Schilling an zusätzlichen Steuern stehen 30 Milliarden Schilling an Steuererleichterungen gegenüber. Innerhalb solch kurzer Zeit ein derartiges Gesetz zu machen, ist – das wurde auch in den Medien richtig dargestellt, und ich darf die ÖVP etwas korrigieren – in Wirklichkeit ein Meisterstück des freiheitlichen Finanzministers und des Herrn Staatssekretärs Finz. Aber dabei kann man natürlich nicht stehen bleiben, sondern es muss weitergegangen werden.

Es stellen sich in dem Zusammenhang auch unter Berücksichtigung des ECOFIN-Rates folgende Fragen: Wird es uns gelingen, zu einer Zero-Budgeting-Methode zu kommen? Wird es uns gelingen, in den Ministerien Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen zusammenzuziehen? Wird es uns gelingen, zu einer Bottom-up-Budgetierung zu kommen? Wird es uns gelingen, die Treffsicherheit der Transferleistungen zu erhöhen? (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. ) – Das sind Fragen, die jetzt, nach Übernahme des jahrzehntelang von der SPÖ geführten Finanzministeriums, zu beantworten sind. Das sind allgemein anerkannte finanzpolitische Grundsätze. In diesem Zusammenhang hätte ich mir schon gewünscht, dass Finanzminister Edlinger auch im Herzen eher auf dieses Ministerium hätte verzichten können, statt das berühmte "Hundezitat" zu formulieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben bereits jetzt Entlastungen durch die Steuerreform und das Familienpaket 2000 in der Höhe von zirka 28 Milliarden Schilling. Wir müssen natürlich die familienfreundliche Budgetpolitik fortsetzen. Das entspricht auch dem Denken der Freiheitlichen, welches im Rahmen der Koalitionsverhandlungen und im Rahmen des Budgets eingebracht worden ist. (Bundesrat Marizzi: Grasser sagt etwas anderes! Auch Haider sagt etwas anderes!) Das Budget, das Budgetbegleitgesetz und das ÖIAG-Gesetz sind stets als Gesamtheit zu betrachten. Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ, haben uns in diese Situation gebracht, in der wir uns heute befinden. Wir sind nunmehr damit konfrontiert, dass uns die EU schwerste Vorwürfe macht. Sie stellen heute in dieser Bundesratssitzung einen Antrag, der dieses Gesamtpaket sprengt, und können sich nicht dazu bekennen, dass nur die Wirtschaft Arbeitsplätze sichert.

Wenn Sie, Herr Kollege Marizzi, ausgeführt haben, dass eine Firma einen Wert von nur 1 S hatte, dann muss ich sagen, es stellt sich die Frage von Angebot und Nachfrage. Offenbar hat es keine Nachfrage gegeben, die einen größeren Betrag hätte lukrieren lassen. Später, in einer anderen Situation, in einer anderen ökonomischen Situation – es gibt in der Wirtschaft keine Statik, sondern eine ständige Dynamik –, mag dies anders gewesen sein. Dazu können Sie sich leider nicht bekennen, dass Wirtschaft etwas Dynamisches ist. (Zwischenruf des Bundesrates Marizzi. ) Sie wollen nämlich alles konservieren! Dort müssen die roten Funktionäre sitzen bleiben, das ist ganz entscheidend. Diese müssen überall mitmischen und wichtig sein und Stimmen binden. Das ist in Wirklichkeit Ihr Denken!

Damit tun Sie aber den Arbeitnehmern in den Betrieben wirklich nichts Gutes, denn wenn sich die Wirtschaft nicht dynamisch verhält, sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie sich als SPÖ auch nicht dynamisch verhalten können und weiter diese Statik haben müssen, diese Staatskonservierung, die Sie so lieben, dann bleibt weiterhin alles schön verstaubt, und irgendwann geht es dann unter. (Bundesrätin Mag. Trunk: Die Konservativen sind die ÖVP!) Das ist das, was Sie wollen! Es wäre dieser Staat, wenn es nicht zu diesem Wechsel gekommen wäre, tatsächlich den Bach hinunter gegangen. Deswegen bin ich froh, dass diese Gesetze heute vorliegen und dass wir zu einer schnellen Änderung kommen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.06

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Peter Marizzi. Ich erteile es ihm.

13.06

Bundesrat Peter Marizzi (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Grasberger! Sie haben gesagt, die Christdemokraten seien in der Koalition mit uns Sozialdemokraten eigentlich die Vorzugsschüler gewesen. Daher zitiere ich Ihnen aus der Budgetrede 1999 Ihres Wirtschaftssprechers Stummvoll, der Folgendes sagte: Das Budget 1999, das wir heute hier in diesem Hohen Haus in erster Lesung diskutieren, hat für mich drei Kennzeichen, drei Signale. Das erste Signal: Es ist dieses Budget 1999 ein Signal der Stabilität und der Kontinuität. Zweites Signal: Es ist ein Sparkurs, und es ist ein Euro-Budget. Es stellt sicher, dass Österreich an diesem gewaltigen europäischen Projekt teilnehmen kann. Drittens: Es ist ein Budget des Zukunftsoptimismus und einer Fortsetzung der Konsolidierung. – Sie haben uns heute etwas ganz anderes erzählt! (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Grasberger. )

Herr Kollege Grasberger! Wir haben das Budget und die Budgetbegleitgesetze – dieses Gruselpaket, das die Bezeichnung "Budgetbegleitgesetze" enthält – einer Prüfung unterzogen. (Bundesrat Dr. d′Aron: Was war nach dem ÖVP-SPÖ-Abkommen vorgesehen?) Ihr Wirtschaftsexperte, nämlich Herr Lehner, der der ÖVP nahesteht, sagt: Dieses Budget belastet – wortwörtlich! – gezielt die unteren und mittleren Einkommen. – Das ist im Übrigen auch in der Wifo-Studie nachzulesen.

Kollege Hoscher hat es bereits gesagt, es gibt eine Reihe von Beispielen: Die Autofahrer zahlen bei einem Mittelklassewagen um 1 300 S mehr, die Reisepässe für Familien kosten 3 800 S, die Gebührenerhöhungen, Herr Staatssekretär, machen 4 Milliarden Schilling aus, Hausbauer – das wurde schon gesagt, ich möchte es aber gerne wiederholen – zahlen bei einem Kredit in der Höhe von 1 Million Schilling 12 000 S mehr. Wenn man sich diese Bilanz und beispielsweise das Cover vom letzten "FORMAT" und "profil" anschaut, dann stellt man fest, es gibt ein Sparpaket, es gibt eine internationale Isolation und Streitereien.

Aber ich halte Ihnen zugute, Herr Staatssekretär, dass wir nicht an der Euroschwäche mitschuld sind, was manche Zeitungen behaupten. Ich halte das für äußerst merkwürdig, dass manche Zeitungen meinen, wir seien mitschuld an der Euroschwäche. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Dr. Nittmann. )

Ich möchte eine persönliche Bemerkung machen: Ich glaube, dass diese EU-Sanktionen, die heute von Herrn Missethon angesprochen wurden, nicht zielführend, sondern sehr problematisch sind. Das sage ich auch deshalb, weil diese der ÖVP helfen. Ich glaube, dass auch eine gewisse Methodik dabei ist. Kaum stabilisiert sich etwas, kommt wieder ein Hammer aus einem südlichen Bundesland – und damit wird die Stabilisierung wieder torpediert.

Ich denke, dahinter steckt Methodik. Ich unterstelle jetzt etwas, das ein bisserl lustig sein soll: Manche ÖVPler – die ÖVP ist die Einzige, die von den Sanktionen profitiert –, manche Christdemokraten – ich meine das jetzt lustig, ich betone das – beten jeden Tag einen Rosenkranz, dass die Sanktionen noch ein bisserl bleiben, weil man damit vom "Schröpfpaket" ablenkt, das jetzt eigentlich im Raum steht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schaufler. )

Ich möchte auch Herrn Kollegen Khol erwähnen, der im "News"-Interview – Kollege Kraml hat das schon erwähnt – Thatcher zitiert. Aber sie wurde abgewählt. Wenn man sich Thatcher als Vorbild nimmt, dann kann das nur ein Zurück in den tiefsten Konservativismus sein. Wenn Sie mir, Herr Kollege d'Aron, unterstellen, wir seien strukturkonservativ (Bundesrat Dr. d′Aron: Ja genau!), dann kann ich Ihnen nur sagen, Thatcher ist das wahrscheinlich eine Potenz höher. Wir sehen aber Wirtschaft und Soziales als gleichberechtigt an. Das war unsere Politik, und daher lehnen wir das, was heute hier beschlossen werden soll, ab.

Jetzt komme ich wieder zu den Ausführungen des Herrn Grasberger. Am 1. Mai, am Tag der Arbeit, schreibt die "NÖN", die unter dem Mantel des Purpur steht, denn der Herr Kardinal ist der Eigentümer – ich zitiere –: Wahnsinn – Gaspreis seit 1. Mai teurer! (Bundesrat Schöls: Die Hierarchie der Kirche ...!) – Ich muss Ihnen eines sagen: Gerade am 1. Mai, am Tag der Arbeit, erhöhen Sie den Gaspreis für die Arbeitnehmer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP! Sie trauen sich schon etwas; beispielsweise packt der Postkutscher die Peitsche aus. Zum Beispiel arbeiten in meinem Bezirk ungefähr 100, 120 Leute bei der Telekom, Herr Staatssekretär! Wenn ich mir anschaue, wie viele Leute bei der Telekom gehen müssen – etwa 6 000 Jobs werden abgebaut –, dann denke ich, sie werden wahrscheinlich zu Pendlern werden. Und dann trifft sie schon der nächste Schlag: Sie werden zu Pendlern, aber sie haben keine Nebenbahnen, weil Herr Draxler, der jetzt unter der Fuchtel der Regierung steht, den Auftrag hat, die Nebenbahnen zu liquidieren. (Bundesrat Dr. d′Aron: Er ist Mitglied der SPÖ!)

Das wird schön werden, die Autofahrer werden zur Kasse gebeten, die Nebenbahnen werden liquidiert, der Strompreis geht in die Höhe, der Gaspreis geht in die Höhe, wie wir hören, die Mieten gehen in die Höhe. Wie erklären Sie das Ihren Wählern? (Bundesrat Dr. d′Aron: Sie sind gegen die Wirtschaft!) – Herr d′Aron! Vor der Wahl haben Sie das Blaue vom Himmel erzählt. Da haben Sie aber nur das Blaue erzählt, nämlich Mieten senken, Strompreis senken, Gaspreis senken. (Bundesrat Konečny: Das war eben das Blaue! – Bundesrat Prähauser: Das ist ja unglaublich! – Bundesrat Dr. d′Aron: Wer hat denn das verursacht? Das war doch die SPÖ!) – Heute beschließen Sie komplett das Gegenteil, komplett das Gegenteil! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. d′Aron: Jede Regierung hätte solche Maßnahmen beschließen müssen! –Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Kranken werden von Ihnen zur Kasse gebeten – wahrscheinlich ist das dynamisch. Sie haben gesagt, die Wirtschaft müsse dynamisch sein. Eure Politik ist dynamisch, dynamisch gegen die kleinen Leute, dynamisch gegen die mittleren Einkommen. Die Kranken werden zur Kasse gebeten, Rauchen wird auch teurer, es wird eine teurere Steckdose geben, über die Zivildiener werden wir heute noch reden, und die Vereine werden ausgehungert. Die Regierung verscherbelt das Familiensilber wie Meterware auf dem Wühltisch. (Zwischenruf des Bundesrates Hagen. )

Werden wir jetzt ein bisserl ernst! Dann gibt es noch neue Umgangsformen. Herr Neugebauer, ein nicht unbedeutender ÖVP-Funktionär, sagt auf dem Gewerkschaftstag: Diese Regierung hat ein Ablaufdatum. (Staatssekretär Dr. Finz: Oktober 2003!) – Wie stehen Sie dazu, Herr Kollege? (Bundesrat Dr. d′Aron: Jede Regierung! Nur Sie konnten nicht an Ihr Ablaufdatum glauben!) Sogar die eigenen Leute sind schon mit der Regierung unzufrieden. Ich wollte das nicht sagen. (Bundesrat Schöls: Ich komme noch darauf zu sprechen! Gedulde dich!)

Protokoll, Protokoll! Weil man sich jetzt gar so aufregt: Ich will Herrn Kabas nicht zitieren, ob er "Hump", "Dump" oder "Lump" gesagt hat, ich weiß es nicht. (Bundesrat Dr. d′Aron: Sie tun es gerade!) Aber stellen Sie sich vor, ein Sozialdemokrat hätte das gesagt. Dann würde diese Republik wahrscheinlich zwei, drei Tage stillstehen. (Bundesrat Prähauser: Das kann man sich nicht vorstellen! Das ist ausgeschlossen!) Aber all das ist Ihnen egal, das ist dynamisch, Herr d'Aron! "Lump", "Dump" "Hump" oder was immer – das ist dynamisch, das ist erfolgreich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bundesrat Konečny: Kabas kann man sowieso nicht zitieren!) Ich lasse jetzt einiges weg, denn sonst wird es zu gruselig. Diese Bundesregierung, Herr Staatssekretär, plant eine Umverteilung von Arm zu Reich. Wenn nicht großartige Geschenke gemacht worden wären, dann wäre diese Geschichte, dieses Schröpfpaket nicht notwendig gewesen. Es wird wahrscheinlich so sein, dass sich Susi und Strolchi – das Zitat stammt nicht von mir – das ausgemacht haben und den tektonischen Belastungstest für die Wähler und für die Österreicherinnen und Österreicher prophylaktisch für die nächsten vier Jahre vorgegeben haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.15

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Christof Neuner. Ich erteile es ihm.

13.15

Bundesrat Mag. Christof Neuner (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Der Schwung, die Entschlossenheit und ein dynamischer Anfang signalisieren einen bewussten Kontrast der neuen zur alten Regierung, die das gesamte letzte Jahr teilweise unter Stillstand und Lustlosigkeit gelitten hatte.

Ich glaube, wir müssen auch festhalten, dass dieser neue Schwung der Budgetkonsolidierung auch deshalb notwendig ist, weil erst der Kassasturz der neuen Regierung die volle Wahrheit ergeben hat. Bis dahin wussten wir nur die halbe Wahrheit, und ohne Gegensteuerung wäre das Nettodefizit bei 109 Milliarden Schilling gelegen.

Meine Damen und Herren! Sie werden doch nicht annehmen, dass die neue Bundesregierung aus reinem Vergnügen Maßnahmen setzt, die den Bürgern – wenn auch nur moderate – Belastungen bringen. Nein, das ist die Folge jahrzehntelanger sozialistischer Finanz- und Budgetpolitik. Budgetkonsolidierung ist nie angenehm, aber es gibt derzeit keine Alternative dazu. Denn weiterhin Schulden zu machen, würde bedeuten, die Zukunft unserer Kinder schon heute zu verbrauchen, und das wäre zweifellos verantwortungslos.

Die EU-Kommission hat vor einigen Tagen festgestellt, dass es zwischen 1997 und 1999 praktisch keine Budgetkonsolidierung gegeben hat und Österreich bei der Schuldenrate in Europa an den letzten Platz gerutscht ist. Sie bewertet aber die geplanten strukturellen Reformen vor allem bei den Pensionen im Bereich der Sozialversicherung und auf dem Gebiet der Verwaltung positiv. Voraussetzung ist: Diese Reformen müssen rigoros und mit äußerster Bestimmtheit verfolgt werden. Der hohe Anteil von Einmalmaßnahmen, die Abschöpfung von Fonds und Ähnlichem, also das Fehlen von strukturwirksamen Einsparungen, sind eine Folge der mangelnden strukturellen Weichenstellung in der letzten Legislaturperiode.

Wir werden also erst im Laufe dieser Legislaturperiode die Einmalmaßnahmen mit jedem Jahr zunehmend durch strukturelle Maßnahmen ersetzen können, was auch Bundesminister Grasser in Brüssel gestern wieder bestätigt hat. Zu einem solchen Kurs, um Österreich neu zu regieren, gehört auch Mut zur Wahrheit. Die Bürger können entscheiden, was ehrliche und seriöse Maßnahmen sind, um die gesteckten Ziele zu erreichen.

Die Tatsachen beim Namen zu nennen oder der Bevölkerung jahrelang etwas vorzugaukeln, ist die Frage. Ich glaube, der ehrlichere Weg ist, in Zukunft zu reformieren und nicht Geld auf Kosten der nächsten Generation auszugeben. In einer "Kurier"-Umfrage letzten Sonntag konnte man lesen, dass 68 Prozent der österreichischen Bevölkerung Vertrauen in den Reformschwung der neuen Bundesregierung haben. Uns liegt heute das Budgetbegleitgesetz 2000 vor, das sozusagen den Kern des Budgets fixiert und festlegt. Es ist legitim, dass die Opposition Vorhaben der Bundesregierung kritisch durchleuchtet und analysiert. Man kann über die eine oder andere Maßnahme geteilter Meinung sein. Aber nur abzulehnen, ohne konstruktive positive Vorschläge zu bringen, ist nicht unbedingt ein verantwortungsvolles Agieren. Es gibt keine Alternative zu einer Budgetkonsolidierung, und daher ist eine Schönwetter-Politik nicht mehr weiterfinanzierbar und verantwortbar.

Wir und viele Experten sind der Meinung, dass die drohende Unfinanzierbarkeit des Sozialstaates und die geringe soziale Treffsicherheit von Transfers neue Wege und Instrumente der Sozialpolitik notwendig machen werden. Daher ist es das wichtigste Ziel dieser Bundesregierung, die Budgetkonsolidierung sozial verträglich und unter Bedachtnahme auf Verteilungswirkungen durchzuführen und vor allem den untersten Einkommensgruppen noch größere Aufmerksamkeit zu widmen. Echte soziale Gerechtigkeit ist es, wenn wir heute das Budget sanieren, damit wir morgen wichtige Aufgaben erfüllen können.

30 Jahre sozialistische Budgetpolitik ist die Hypothek, die diese neue Bundesregierung übernommen hat. Wenn es der neuen Regierung gelingt, den Schuldenberg abzubauen, wird es in Zukunft die nötigen Freiräume geben, um die Pensionen zu sichern, ausreichend Arbeitsplätze in Österreich zu schaffen und den Bürgern entsprechenden Wohlstand zu ermöglichen.

Budgetbegleitgesetze sind mit dem Budget untrennbar verbunden, und ich betrachte es als große Leistung des Finanzministers und des Herrn Staatssekretärs gemeinsam mit ihren Mitarbeitern im Ministerium, dass es überhaupt gelungen ist, dieses Budget 2000 in einer derart guten Form vorzulegen.

Es wird dieser neuen Regierung – davon bin ich überzeugt – in den nächsten zwei bis drei Jahren gelingen, entsprechende budgetäre Spielräume zu schaffen, damit in Österreich auch wieder eine Steuerentlastungspolitik umgesetzt werden kann. Dazu brauchen wir das Vertrauen in uns selbst, in unsere Jugend sowie eine gemeinsame Initiative des Optimismus und der Zuversicht, wozu ich alle herzlichst einlade. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.21

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Alfred Finz. Ich erteile es ihm.

13.21

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Herr Bundesrat Hoscher ist jetzt leider nicht mehr da. Er hat nämlich die Brüsseler Beurteilung zitiert – ich habe sie im Original hier – und hat daraus ein Lob für den vorigen Finanzminister in Bezug auf das Steuern eines Stabilitätskurses herausgelesen.

Das Brüsseler Urteil, datiert vom 26. April 2000, Zahl IP/00/403, sagt eindeutig aus, dass der Stabilitätskurs seit 1997 zum Stillstand gekommen ist. Jetzt sage ich Ihnen die entsprechenden Zahlen dazu: Im Jahr 1997 betrug das Nettodefizit 67,219 Milliarden Schilling, also rund 67 Milliarden Schilling. Im Jahr 1998 verringerte sich dieses Nettodefizit auf 66,027 Milliarden. – Wahrlich eine "grandiose" Stabilitätsleistung! Im Jahr 1999 erhöhte sich das Nettodefizit auf 68,194 Milliarden Schilling. Erhöht hat es sich!

Und jetzt, mit diesem Budget – ich bitte, das zu vermerken –, verringert sich das Nettodefizit auf 54,648 Milliarden. Das ergibt laut Maastricht-Kriterien ein Defizit in der Höhe von 62 Milliarden Schilling. Also wo wurde da ein Stabilitätskurs gefahren? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben mit diesem Budget die Ausgaben unter den Vorjahresspiegel gesenkt, obwohl die Gehaltsverhandlungen noch von der früheren Regierung geführt wurden, die ungefähr 3 Milliarden Schilling kosten. Voriges Jahr betrugen die Ausgaben 787 Milliarden Schilling. Wir haben sie auf 781 Milliarden Schilling gesenkt – trotz Inflationsrate, trotz Miet- und Preiserhöhungen, trotz Gehaltsverhandlungen mit den Beamten. Das ist tatsächlich ein Beweis dafür, dass wir zunächst einmal hauptsächlich bei den Ausgaben gespart haben. Es ist dadurch eine Senkung des Defizits um rund 20 Prozent gelungen.

Der Primärüberschuss, der im Jahr 1999, also vor Zinsendienst und Tilgungsdienst, 26,6 Milliarden Schilling betragen hat, wird durch dieses Budget 2000 jetzt immerhin auf 39,8 Milliarden Schilling erhöht.

Jetzt möchte ich Sie fragen: Wie kann ein Sparkurs geführt werden, von dem niemand etwas merkt? Wie soll man nicht merken, dass derart massiv konsolidiert wird? – Das wäre ein Wunder!

Jetzt muss man natürlich, wenn man fair ist, all die Belastungen, die auch erfolgt sind, und zwar im Gesamtausmaß in der Höhe von 7 Milliarden – vom gesamten Konsolidierungsbedarf, der ungefähr bei 45 Milliarden Schilling lag, ein relativ bescheidener Betrag –, im Zusammenhang damit sehen, dass dank einer Steuerreform und einem Familienpaket ab 1. Jänner zugunsten der unteren Einkommensschichten etwas umverteilt wurde – zu Recht umverteilt wurde. Ich bringe Ihnen etwa das Beispiel einer vierköpfigen Familie mit einem Jahreseinkommen in der Höhe von 420 000 S. Diese gewinnt durch die Steuerreform im Jahr 7 050 S, durch das Familienpaket weitere 12 000 S. (Bundesrat Konečny: Erinnere ich mich richtig, dass die Partei des Finanzministers dagegen gestimmt hat?) Und jetzt betragen die Belastungen, die natürlich unangenehm sind, über 2 000 S. Das muss man doch in Relation sehen: Wer hat jetzt in diesem Jahr verdient? (Bundesrat Konečny: Ja, das eine sind die Sozialdemokraten, das andere ist die neue Regierung!) – Ja, aber alles auf Schuldenbasis, Herr Bundesrat! Alles auf Schuldenbasis! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.) Sie haben keine Schulden abgebaut. Sie haben nur die Schulden erhöht, und das ist Ihr "anderes" Programm.

Jetzt wurde natürlich von den Experten richtigerweise gesagt, mit indirekten Steuern belastet man die unteren Einkommensbezieher stärker. Mit indirekten Steuern kann man auch keine Umverteilungspolitik machen, dazu gibt es direkte Steuern. Nur was ist denn bitte die große Alternative?

Es gibt einen Minderheitsbericht der sozialdemokratischen Fraktion zum Budget. Darin sind punktuelle Vorschläge enthalten, wie man eine Zweckbindung abbaut oder umschichtet, aber das große Paket, die Lösung dafür, wie man vom Schuldenberg herunter kommt, fehlt auch dort. Ich habe Herrn Professor Rossmann von den Grünen gefragt – er hat auch beklagt, dass die unteren Einkommensschichten zu Lasten der so genannten Reichen das Budget finanzieren müssen –, was denn seine Alternative ist. Er solle mir einmal "die Reichen" nennen und Maßnahmen bekannt geben, mit welchen wir sie steuerlich treffen könnten.

Nach langem Nachdenken hat er ein Beispiel gebracht: das Stiftungsgesetz. Unter welchem Finanzminister wurde das eingeführt und hat sehr viel Kapitalzufluss gebracht? – Es gibt keine großen Vorschläge, das ist unser Problem. (Bundesrat Drochter: Selber kreativ werden!)  – Wir sind kreativ! Wir machen das Budget.

Es wurde der Postversand genannt. Wissen Sie, was der Postversand in einem Jahr bis jetzt gekostet hat? – Der frühere Verkehrsminister – alt möchte ich nicht sagen – Einem hat eine Rechnung in der Höhe von 1,8 Milliarden Schilling bekommen. Das war zu viel. Dann hat er verlangt, die Post müsse das belegen, denn 1,8 Milliarden Schilling seien unmöglich. Dann hat die Post auf 1,3 Milliarden Schilling reduziert, und dann hat man bis zur weiteren Klärung eine Abschlagszahlung in der Höhe von 900 Millionen Schilling bezahlt. (Präsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Da liegt das Problem: Wer bezieht die Förderung, wer ist der Nutznießer? – Das ist das Hässliche an diesen Objektförderungen, dass sie keine soziale Treffsicherheit haben, dass es unter Umständen falsche Bezieher gibt, dass künstlich Zeitungsausgaben produziert werden, dass Kegelvereine, die ihre Nachrichten nicht mit normalem Porto versenden, einfach mehr Exemplare drucken und das auch noch allen Verwandten schicken, um weiterhin den begünstigten Zeitungstarif zu bekommen. Das war das sozial Ungenaue. (Bundesrat Marizzi: Aber auch die Caritas, Herr Staatssekretär! Nicht nur Kegelvereine!)

Kennen Sie schon die neue Lösung? – Jetzt kommt eine kombinierte Lösung: Für wirklich Bedürftige oder soziale Vereine wird es weiterhin die Begünstigung geben. Es wird in anderen Bereichen, weil die Post für den Wettbewerb vorbereitet werden muss und interessiert ist, dass sie ihre Kundschaft nicht verliert, von der Post selbst ein Tarifangebot geben.

So gibt es viele Beispiele in den Budgetbegleitgesetzen. Erst jetzt wird die Kreativität auch bei den Betroffenen ausgelöst. Es kann doch nicht nur so sein, dass der Bund selbst spart, dass nur für ihn das Sparpaket und die Maastricht-Kriterien gelten, aber für alle anderen, für alle Betroffenen gilt das nicht. Sie wollen dieselbe Zahl an Zivildienern haben, sie wollen dieselbe Form von Unterstützung haben, mit Essensmarken, die überzahlt werden – alles wollen sie genauso haben. Niemand anderer darf sparen, nur der Bund allein. So kann das sicherlich nicht funktionieren! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.29

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt zunächst ein Antrag der Bundesräte Konečny und Genossen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die für diesen Antrag eintreten, um ein entsprechendes Handzeichen. – Es ist dies die Minderheit.

Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung, und ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz geändert wird (69 und Zu 69/NR sowie 6099/BR der Beilagen)

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Dipl.-Ing. Hannes Missethon: Der Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz geändert wird, liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich daher auf die Verlesung des Antrages.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Mai 2000 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen die Vorlage keinen Einspruch zu erheben.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fuchs. – Bitte.

13.31

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Werte Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die FPÖ/ÖVP-Regierung wünscht seit Regierungsantritt, immer an ihren Taten gemessen zu werden. Diese Novelle zum Zivildienstgesetz ist ein Beispiel, bei dem die Bundesregierung zeigt, wo ihre Wertigkeiten liegen. Die enorme Reduzierung der Zahl von Zivildienstzuteilungen zeigt, dass der Bundesregierung zum Beispiel die Betreuung von krebskranken Kindern nichts wert ist, dass der Bundesregierung die Behandlung von Suchtkranken nichts wert ist, dass der Bundesregierung die Fortsetzung und Intensivierung der Sozialarbeit nichts wert ist, dass ihr die Betreuung von Obdachlosen nichts wert ist, die Arbeit mit Flüchtlingen nichts wert ist, die Integration von Migrantinnen und Migranten nichts wert ist und die sinnvolle Beschäftigung von alten und kranken Menschen nichts wert ist. Und diese Liste wäre beliebig fortzusetzen. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wo steht das?)

Das ergibt sich ganz einfach, wenn man nachdenkt, aus den Maßnahmen, die gesetzt werden. Wenn zum Beispiel im Juni die Zuweisungen um 34 Prozent zurückgenommen werden, dann meine ich, dass das schon ein sehr deutliches Zeichen ist. Es gibt – aber das ist eine ganz besondere Spezialität – ein Minus zwischen 16 Prozent und 54 Prozent. Raten Sie, wer 54 Prozent Minus zu tragen hat! – Wien natürlich! (Zwischenruf des Bundesrates Schöls. ) – Das ist Wien, so schaut es aus! Ich vertrete hier Wien, und ich hoffe, Sie wissen das. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt zur Frage, wie Kärnten beteilt wird: plus 12 Prozent! Das nenne ich Gerechtigkeit! (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP.) So stellt es sich die Regierung vor. Sie dürfen nur nicht annehmen, dass wir das hinnehmen, ohne es zu bemerken oder auch laut zu sagen, denn das ist eine Ungerechtigkeit sondergleichen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Scheuch: Die Gerechtigkeit siegt!)

Im Erstvorschlag war Wien sogar mit einem Abschlag von 63 Prozent bedacht. Das ist dann sogar den Zuweisenden ein bisschen zu hoch erschienen. Aber ich habe mir die Liste angeschaut, wer Zuteilungen bekommen hat, und ich kann Ihnen sagen, das waren fast ausschließlich das Wiener Hilfswerk und die Caritas.

Ich habe absolut nichts gegen diese Organisationen, denn sie leisten eine wichtige Arbeit, aber sie liegen den Sozialdemokraten nicht sehr nahe. Sie sind nicht "unsere" Organisationen, wenn ich das so sagen darf. Auch das wurde bei den Zuweisungen genau berücksichtigt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Scheuch: Ich hoffe, Sie haben nichts gegen Kärnten! Was Sie da machen, ist Parteipolitik!)

Parteipolitik, genau! Aber Sie haben jetzt nicht aufgepasst, wo Parteipolitik liegt. Da scheint es sich um einen Irrtum zu handeln. Jetzt wissen wir, warum es so läuft. (Bundesrat Ing. Scheuch: Nur den SPÖ-Organisationen etwas zukommen zu lassen, das ist ja peinlich!)

Meine Erklärung dafür ist, dass Herr Klubobmann Dr. Khol gemeint hat, das sei das Trennen der Böcke und der Schafe. Ich nehme an, das ist jetzt ein Beispiel dafür, das muss damit wohl gemeint sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser Gesetzentwurf ist keinerlei Begutachtungsverfahren unterzogen worden, weder auf Regierungsebene noch auf parlamentarischer Ebene, und daher hatten die Länder auch keine Möglichkeit, zu diesem Gesetzesbeschluss, der massive Auswirkungen auf die Zuteilung von Zivildienern zu den Einrichtungen der Länder hat, Stellung zu nehmen. Als Wienerin – ich betone das noch einmal – kann ich diese Reduktion – allein im Juni um 54 Prozent! – nicht zur Kenntnis nehmen.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Antrag

der Bundesräte Albrecht Konečny, Brunhilde Fuchs und Genossen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Erhebung eines Einspruches gegen den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz geändert wird (69 und Zu 69 der Beilagen)

Die unterzeichneten Bundesräte stellen den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 27. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zivildienstgesetz geändert wird (69 und Zu 69 der Beilagen), Einspruch zu erheben.

*****

Der Einspruch wird in unserem Antrag sehr ausführlich begründet. Ich habe schon einiges angeführt, aber Hauptgrund ist der tief greifende Eingriff in die Rechte der Zivildiener, dass es kein Begutachtungsverfahren gegeben hat, dass es wohl einen Rückverweisungsantrag im Nationalrat gegeben hat, der von den Abgeordneten der Regierungsfraktionen natürlich niedergestimmt wurde, und dass die Gleichstellung von Zivildienern und Wehrdienstpflichtigen massiv verschlechtert wurde. Diese Gleichstellung sollte eigentlich verfassungsmäßig garantiert sein. (Bundesrat Mag. Gudenus: Eigentlich oder wirklich?)

Ich darf nun einiges zu den Budgetzahlen sagen. Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesminister! In der dieswöchigen Ausgabe der Wochenzeitschrift "profil" hieß es: "Ein rätselhaftes Zahlenspiel". Wir wissen, dass die Regierung dieses Jahr weniger Zivildienstposten gewährt, die entsprechenden Ausgaben im Bundesvoranschlag um 17 Prozent gekürzt wurden. Jede Institution, die Zivildiener beschäftigt, zahlt pro Monat rund 2 000 S bis 8 000 S an den Bund. Die Rückflüsse von den betreffenden Institutionen sollen laut Bundesvoranschlag 2000 heuer 339 Millionen Schilling betragen. 1999 aber lagen die Einnahmen bei 243 Millionen Schilling. – Da hatten wir aber eine wesentlich höhere Anzahl von Zivildienern. Da kann es sich meiner Meinung nach nur um einen Rechenfehler, also um einen falschen Budgetansatz, handeln. Das würde natürlich zum Gesamteindruck des Budgets passen. Oder aber die Rückflüsse von den betreffenden Institutionen werden trotz anders lautender Zusagen erhöht, was einen weiteren Schlag für diese Einrichtungen, die wichtigste soziale Zwecke zu erfüllen haben, bedeuten würde.

Ich fordere Sie daher auf, Herr Innenminister, diesen Sachverhalt detailliert aufzuklären. Ich hoffe, dass Ihnen das möglich ist. Sollte das nämlich nicht möglich sein, wird meine Fraktion eine dringliche Anfrage an den Finanzminister einbringen, um von diesem die entsprechende Aufklärung zu bekommen.

Im letzten "profil" war auch noch zu lesen: Wer sich jetzt noch zum Zivildienst melden wird, der muss schon ein hochgradig opferwilliger Mensch sein. – Das entspricht voll meiner Meinung. Die Strategie ist klar erkennbar. Aber denken wir jetzt noch weiter: Das einjährige Antragsrecht wird fallen – ein massiver Eingriff in die Lebensplanung junger Menschen! –, es wird keinen Grundlehrgang mehr geben, keine Vorbereitung auf den schweren Dienst für die Gesellschaft, und der Anspruch auf Verpflegung fällt auf 43 S. – Der Essensbeitrag im Pensionistenwohnhaus macht zum Beispiel 77 S aus. Also nicht einmal im Pensionistenwohnhaus kann ein Zivildiener mitessen, weil der Essensbeitrag fast das Doppelte ausmacht.

Wir alle haben so viel Phantasie, dass wir uns vorstellen können, wie viel an Lebensmitteln man um 43 S kaufen kann. Ich weiß auch, dass Fasten zu verschärftem Denken führen soll und dass junge Leute teilweise übergewichtig sind, aber ich glaube nicht, dass das Körpergewicht vom Innenminister geregelt werden sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch etwas ist mir aufgefallen – es mag ein Zufall sein oder auch nicht; ich reagiere ein bisschen sensibel darauf –: Mit 1. Juni 2000 tritt auch die Einführung des Arbeitsdienstes für Langzeitarbeitslose, diese Freiwilligen-Bürgergeld-Regelung, in Kraft. Wir wissen, für 20 Prozent Zuschlag zur Notstandshilfe sind 100 Millionen Schilling budgetiert. Dafür wurden 100 Millionen bei den AMS-Maßnahmen für Wiedereinstiegshilfe und Schulungen für Frauen gestrichen. Das heißt: Frauen an den Herd oder doch vielleicht zur ehrenamtlichen Sozialarbeit? – Das ist die andere Alternative.

Im Regierungsabkommen steht nämlich auch: Jene Frauen, die als Hausfrau und Mutter zu Hause sind, sollen eine Ausbildung in sozialen Pflegediensten erhalten. – Da stelle ich jetzt einen Zusammenhang her: Ich nehme Zivildiener weg, die diese sozialen Dienste erfüllen, dafür bilde ich Hausfrauen und Mütter zu sozialen Pflegediensten aus! – Dabei sollte ich mir doch etwas denken! (Bundesrat Marizzi: Eine Katastrophe!) Ich sehe da einen katastrophalen Zusammenhang.

Aber irgendjemand muss schließlich für die Sozialarbeit zuständig sein, und offensichtlich ist das die Intention Ihrer Politik, die darauf abzielt, die Gesellschaft Ihrem Familienbild näher zu bringen.

Ich möchte ganz deutlich sagen: Jeder, der heute dieser Novellierung zustimmt, unterstützt die Demontage einer sehr wertvollen Einrichtung für Österreich. Der Zivildienst zum Beispiel in Gedenkstätten der Opfer des Faschismus – wir haben in der letzten Zeit wieder sehr eindrucksvolle und bewegende Bilder und Reportagen gesehen und auch sehr eindrucksvolle Gedenkveranstaltungen abgehalten – hätte auch ein Beitrag zur Glaubwürdigkeit der Umsetzung der Regierungspräambel sein können. Diese Chance haben Sie leider vergeben.

Ich darf nur noch die Aussage eines Zivildieners zitieren. Er sagt: Können Sie von 43 S pro Tag satt werden? – Ich muss. Mein Einkommen soll um 48,45 Prozent gekürzt werden. Ihres auch? – Das sind die Taten (Bundesrat Marizzi: Das ist eine Schande!), an denen wir Sie messen werden. – Hump, ich habe gesprochen! (Beifall bei der SPÖ.)

13.43

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Professor Konečny und Genossen eingebrachte Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben, samt der gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates beigegebenen Begründung ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich habe einen Gast vorzustellen, über den auch Sie sich freuen werden, Herr Bundesminister! Ich freue mich, Ihnen jenen Mann vorstellen zu dürfen, der als Erster in Mauthausen in das Lager gekommen ist und dort die Geschundenen mit der amerikanischen Armee befreit hat. Begrüßen Sie mit mir Herrn Fred Till. (Allgemeiner Beifall. – Die Bundesräte der SPÖ erheben sich von ihren Plätzen.)

Gestatten Sie mir, einige Worte an Herrn Till ganz persönlich zu richten:

Herr Till! Wir sind froh, Sie hier zu haben, und wir hoffen, dass Sie, wenn Sie wieder zu Hause sind, Ihren Landsleuten sagen werden, dass die Österreicher aus der Geschichte gelernt haben und der Menschenwürde und der Demokratie zutiefst verbunden sind. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Till hat gebeten, auch einige Worte sagen zu dürfen. Ich hoffe, Sie gestatten das. Ich glaube, die Besonderheit der Situation macht das möglich. – Ich werde versuchen, obwohl ich keine geprüfte Dolmetscherin bin, zu übersetzen.

Fred Till (Übersetzung der englischen Ausführungen): Ich kam vor 55 Jahren das erste Mal nach Österreich. Diesmal ist es anders. Diesmal hat niemand auf mich geschossen – noch nicht. (Heiterkeit und allgemeiner Beifall.)

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir setzen nach dieser unvorhergesehenen Unterbrechung – ich hoffe, es hat niemanden von Ihnen gestört – fort und führen die Debatte weiter.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hagen. – Bitte.

13.48

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kollegen! Unsere armen Zivildiener müssen verhungern, weil ihr Essensgeld von derzeit 155 S auf 43 S herabgesetzt wurde! – Das ist der Tenor der linken Parteien Österreichs in den letzten Tagen. – Völlig zu Unrecht, denn mir ist nicht bekannt, dass in den letzten Jahren ein Grundwehrdiener verhungert wäre, obwohl diese auch nur 43 S Essensgeld bekommen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nein, im Gegenteil. Ich war auch beim Militär, ich habe den Grundwehrdienst geleistet (Bundesrat Thumpser: Ich auch!), ich weiß, wovon ich spreche. Ich kann Ihnen sagen: Viele Grundwehrdiener legen sogar an Gewicht zu – trotz 43 S Essensgeld! Es ist keiner verhungert. (Bundesrat Thumpser: Und beim Roten Kreuz kriegen sie das Mittagessen, das Frühstück, das Abendessen? Kriegen sie das?)

Ich kann Ihnen auch Folgendes erklären: Die Zivildiener können mit 43 S in öffentlichen Institutionen – vom Bund gefördert – nicht nur Mittagessen, sondern sie können frühstücken, Mittag essen und Abend essen. (Bundesrat Thumpser: Wo?) Den Rest legt der Bund dazu. Das funktioniert heute in allen öffentlichen Institutionen so. Das weiß man, und das ist richtig. Das wird vom Bund unterstützt, und daher wird keiner verhungern. Also diese Krokodilstränen halten sich in Grenzen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es stellt sich mir die Frage, ob die Grundwehrdiener Menschen zweiter Klasse sind, da sie nur 43 S Essensgeld bekommen, der Zivildiener aber, der 155 S bekommt, ein Mensch besserer Klasse, oder wie schaut das aus? (Bundesrat Thumpser:  ... einlesen in die Materie!) – Das muss uns schon klar sein.

Ich meine, dass es da eine Gleichstellung gibt, die nur zu unterstützen ist. Diese Regelung entspricht dem Gleichheitsgrundsatz. 155 S Essensgeld widersprachen dem Gleichheitsgrundsatz, und deshalb ist diese Novellierung richtig.

Der Grund dafür, dass die Zivildiener dieses Angebot ablehnen, ist auch ganz leicht erklärt: Die Zivildiener erhalten täglich Verpflegungsbons im Wert von 155 S, die sie nicht nur für Essen verwenden können. Wenn ein Zivildiener zum Beispiel zu Hause essen kann oder in jener Institution, in der er Dienst verrichtet, so benötigt er die Essensbons nicht, und diese können von ihm zum Beispiel bei "SPAR" oder in einer Reihe von anderen Geschäften eingesetzt werden. Ich weiß, dass das bei den Essensmarken, die Angehörige der Exekutive erhalten, auch so funktioniert, diese können etwa auch bei "SPAR" eingesetzt werden. Um den Gegenwert kann man zum Beispiel nicht nur eine Wurstsemmel kaufen (Bundesrat Thumpser: Handy kaufen!), sondern etwa auch ein Radio oder ein Handy. Dessen muss man sich auch bewusst sein.

Jene, die ihr Essen zu Hause erhalten, haben einen riesigen Vorteil gegenüber dem Grundwehrdiener, der nur 3 000 S an Grundvergütung erhält. Der Zivildiener hat, wenn er zu Hause essen kann und somit seine Essensbons nicht verbraucht, neben der Grundvergütung in der Höhe von 3 700 S im Monat einen Betrag in der Höhe von 4 650 S, der sich aus dem täglichen Betrag von 155 S Essensgeld errechnet, somit also insgesamt 8 350 S. Das ist eine Ungleichbehandlung gegenüber dem Grundwehrdiener. Es wäre jeder blöd, der Grundwehrdienst leistet und diesen finanziellen Nachteil auf sich nimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Thumpser: Mit dieser Unkenntnis habe ich mich noch nie ans Rednerpult gestellt!) – Das ist keine Unkenntnis. Das habe ich sehr gut erhoben.

Mit dieser Novellierung des Zivildienstgesetzes wird aber auch ein sehr verwaltungs- und kostenaufwendiges Bonsystem abgeschafft. Sie bringt also einen Bürokratieabbau mit sich (Bundesrat Thumpser: Super!), was nicht schlecht sein kann.

Der dreiwöchige Grundlehrgang wird durch eine fachliche Ausbildung für jenen Bereich, in dem der Zivildiener jeweils tätig ist, ersetzt. Der Zivildiener wird also speziell für seine Aufgabe ausgebildet. Das ist auch ein Vorteil. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Thumpser. ) Das ist eine grundlegende Verbesserung des Systems.

Man fragt sich, ob Zivildiener in gewissen Bereichen überhaupt benötigt werden. Ich darf kurz aus zwei Leserbriefen zitieren.

Ich glaube, es ist die "Kleine Kärntner Zeitung", in der ein Herr Mag. Pock aus Feldkirchen schreibt: "Als ich vor einigen Jahren meinen Zivildienst leistete, sind in der RK-Dienststelle Leibnitz die Zivildiener ,übereinander‘ gesessen, und der schwierigste Einsatz war der Kampf gegen die Langeweile." – Das schreibt ein ehemaliger Zivildiener. (Bundesrat Thumpser: Von wem ist der Leserbrief?) – Von einem Mag. Pock aus Feldkirchen.

Ein weiterer Leserbrief von einer Dame aus Feldkirchen: "Auf Grund der zu geringen Ausbildung für Rettungseinsätze dürfen Zivis gesetzlich bestenfalls einfache Patiententransporte begleiten. Politiker sollten prüfen, ob diese Dienste nicht qualifizierte Privatunternehmen besser erledigen könnten."

Ich glaube, es spricht für sich, wenn man diese Meinung von ehemaligen Zivildienern hört. (Bundesrat Thumpser: Mit diesem Wissensstand bin ich noch nie ans Rednerpult gegangen! Das ist beschämend!)  – Nein. Wir kommen schon noch zu dem, was beschämend ist. Dazu kommen wir noch.

Wenn ich nun die verringerte Zahl von Zivildienern ... (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.) – Sie können sich gerne zu Wort melden, wenn Sie etwas sagen wollen.

Da nun die verringerte Zahl von Zivildienern hervorgehoben wird, möchte ich darauf verweisen, dass laut einer Studie aus dem Jahr 1993 insgesamt 17 000 Zivildiener auf der Warteliste standen, ebenso im Februar 2000; dies aber – wohl gemerkt – unter einem sozialistischen Innenminister! (Bundesrat Thumpser: Sozialdemokratisch!) Sie haben auch nichts weitergebracht! – Wer keine Schuld hat, werfe den ersten Stein.

Zu den Ausführungen von Bundesrätin Fuchs möchte ich sagen: Ich möchte darauf hinweisen, dass die alte Regierung, der auch die SPÖ angehörte – vielleicht wollen viele davon nichts mehr wissen –, auf Grund ihrer Schuldenpolitik für diese Budgetkürzungen im Innenressort und in anderen Bereichen verantwortlich ist. Allein schon deshalb müssten die Sozialisten auch für diese Gesetzesnovelle stimmen.

Was mich aber gestern im Ausschuss zutiefst erschüttert hat, war die Tatsache, dass die SPÖ gesagt hat, dass die Zivildiener und die Grundwehrdiener gegenüber jenen, die diese Dienste nicht leisten können, im Pensionssystem benachteiligt seien. Das wurde so gesagt. (Bundesrat Gstöttner: Falsch! So verstanden vielleicht!) Das muss man sich einmal vorstellen! Jemandem vorzuwerfen, dass er auf Grund eines körperlichen Gebrechens oder einer geistigen Schwäche keinen Dienst leisten kann, kann nur verurteilt werden. Das ist wohl das Tiefste. Als ob er dadurch einen Vorteil hätte – das ist ein Wahnsinn! Ich bin schockiert von dieser sozialistischen Partei! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.56

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eine tatsächliche Berichtigung wird gewünscht.

Ich darf in Erinnerung rufen: Eine tatsächliche Berichtigung darf die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten. Ich nehme an, Herr Kollege, Sie wissen das. Eine Erwiderung auf eine tatsächliche Berichtigung ist nur dann zulässig, wenn es sich um eine persönliche Angelegenheit des sich meldenden Bundesrates handelt. Sie darf die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten, und so weiter. – Ich bringe ganz bewusst diesen Passus aus der Geschäftsordnung.

Ich bitte Sie jetzt, die tatsächliche Berichtigung zu bringen. – Bitte.

13.57

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Dieser Redebeitrag war von mir und hatte ganz einfach zum Inhalt, dass ich es als ungerecht empfinde, dass jene, die Zivildienst leisten – ich habe vorher nicht gewusst, dass sie auch betroffen sind –, genauso wie jene, die einen ordentlichen Präsenzdienst leisten, nun die Ersatzzeiten nicht als Beitragszeiten anerkannt bekommen. Meine Bemerkung dazu war: Es gibt Unzählige, die keinen Präsenzdienst und auch keinen Zivildienst geleistet haben. (Bundesrat Marizzi: Fasslabend!) Diese haben den Vorteil, dass sie eine durchlaufende Versicherungszeit haben und somit auch diese Zeit angerechnet bekommen. – So war die Darstellung. Wenn das falsch verstanden wurde, dann möchte ich das bitte berichtigt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.57

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Höllerer. – Bitte.

13.58

Bundesrätin Anna Höllerer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Eigenverantwortung und Kostenbewusstsein sind Schlagwörter, die zunehmend an Bedeutung gewinnen werden. Das hat uns heute den ganzen Tag schon begleitet. Selbstverständlich ist jeder österreichische Bürger davon betroffen, ganz besonders natürlich auch alle Trägerorganisationen sozialer Hilfsdienste.

Sie wissen, dass wir in Österreich das Schlusslicht der 15 EU-Staaten im Hinblick auf die Staatsverschuldung sind. Das bedeutet natürlich, dass wir einen Sparkurs mitzutragen haben. Wir sind erst bei Regierungsantritt darauf gekommen, dass ein Schuldenberg in der Höhe von 109 Milliarden Schilling angehäuft wurde. Es sind 30 Jahre sozialistische Finanzpolitik, die sich hier bemerkbar gemacht haben. (Bundesrätin Schicker: Von der Sie aber auch profitiert haben!) Schließlich und endlich ist jeder Österreicher, vom neugeborenen Baby bis zum Greis, mit 210 000 S verschuldet! Selbstverständlich bedarf es in einem solchen Falle Maßnahmen, die gesetzt werden müssen. Das bedarf einer Budgetsanierung. Bei diesem Ausmaß kann es ohne schmerzliche Eingriffe ganz einfach nicht gehen.

Das bedeutet natürlich auch, dass auch Ausgabenreduktionen im Innenministerium notwendig sind, und davon ist leider auch der Zivildienst betroffen.

Aber die negative Entwicklung beim Zivildienst, die Unfinanzierbarkeit des Zivildienstes bei gleich bleibender Rechtslage waren längst bekannt. Es wurden aber vom Vorgänger, Minister Schlögl, in keinster Weise Maßnahmen gesetzt, um den Zivildienst, um dieses System zu retten.

In einer Studie aus dem Jahr 1993 wurde bereits darauf hingewiesen, dass in längstens fünf Jahren ab diesem Zeitpunkt 17 800 junge Männer auf den Antritt des Zivildienstes werden warten müssen. Heute, meine Herrschaften, sind es 17 000, die warten! Auch vom Rechnungshof wurde 1997 bereits eine massive Unterdeckung der Kosten prognostiziert. (Bundesrat Marizzi: Haben Sie da geschlafen?)

Im Bundeshaushalt wurden Mittel veranschlagt, die bei unveränderter Rechtslage lediglich dafür ausgereicht hätten, die finanzielle Absicherung der bereits im Dienst befindlichen Zivildiener zu gewährleisten, also all jener Zivildiener, die 1999 oder im Februar 2000 den Zivildienst angetreten haben. Eine Neuaufnahme von Zivildienern zu den Terminen Juni und Oktober wäre gar nicht mehr möglich gewesen. Das wären dann tatsächlich unzumutbare Härten gewesen, und zwar für die Zivildienstpflichtigen, für die Trägerorganisationen, aber auch für all jene Menschen, die der Leistungen der Zivildiener ganz besonders bedürfen.

Es ist Herrn Bundesminister Strasser zu danken, der im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen ein Notbudget erstellen konnte, dass es tatsächlich zu einer Absicherung des Systems kommt, damit Zivildiener auch in Zukunft tätig sein können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Selbstverständlich sind Maßnahmen zu setzen, um eben den Zivildienst auch langfristig absichern zu können. Das bedeutet, dass Zuweisungen zu den Organisationen, die die Leistungen der Zivildiener tatsächlich brauchen, auch in Zukunft erfolgen werden müssen. Der Einsatz im Rettungswesen, der Einsatz bei den Sozialdiensten, bei der Behinderten- und Katastrophenhilfe, aber auch im Gedenkdienst muss gesichert sein. Da bleibt alles so, wie es bisher war! (Beifall bei der ÖVP.)

Einsparungen sind notwendig und werden selbstverständlich auch erfolgen müssen, und zwar im Verwaltungsbereich, beim Grundlehrgang und auch bei den Verpflegungskosten. Es ist anzustreben, dass eine weitgehende Gleichstellung mit den Präsenzdienern erfolgt. Selbstverständlich wird das Problem der Verköstigung all jener Zivildiener, die im Rettungswesen tätig sind, intensivst kritisiert, weil diese keinen Zugang zu Großküchen haben, die sie verpflegen könnten. Ich kann Ihnen versichern, dass das Innenministerium unter Bundesminister Strasser bemüht ist, eine Lösung für alle Betroffenen zu finden. (Bundesrat Meier: Das kann er schon vorher sagen!)

Es ist natürlich auch – das möchte ich hier nicht verhehlen – klar, dass immer gejammert wird, denn selbstverständlich stellt dies einen gewissen Eingriff in die Lebensplanung junger Menschen, die auf den Antritt des Zivildienstes warten müssen, dar. Immerhin kann es zu Wartezeiten von bis zu zwei Jahren kommen. Das sehe ich auch so, meine Damen und Herren! Das sehe ich ganz genau so. Ich muss Ihnen aber sagen, das ist das Erbe der sozialdemokratischen Verwaltung, die wir übernommen haben. Das ist genau das, was sich angestaut hat, wogegen nie etwas unternommen wurde. Die Herausforderung liegt nun bei unserem Bundesminister Strasser, der eine Lösung für die betroffenen jungen Menschen zu finden hat. (Bundesrat Meier: Hat der Herr Minister protestiert gegen das System, das wir verschuldet haben, als er dabei war?)

Ich kann Ihnen nur sagen, um dieses System langfristig abzusichern, braucht es einschneidender Maßnahmen. Diese müssen jetzt gesetzt werden, nachdem es so viele Jahre Versäumnisse in dieser Richtung gegeben hat. (Bundesrat Meier: Machen Sie es nur!)

Eine Reform des Zivildienstes bedeutet für mich, dass eine bedarfsgerechte Regelung gefunden werden muss, wobei allen Non-Profit-Organisationen absolute Priorität einzuräumen ist, denn ein Zivildiener soll weder Arbeitsplätze ersetzen noch gefährden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.05

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk gemeldet. – Bitte. (Bundesrätin Mag. Trunk begibt sich mit einem Teller, auf dem sich zwei Wurstsemmeln und ein Apfel befinden, ans Rednerpult. Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist eine Berichtigung? Das ist ein Mittagessen, das Sie da bringen!)

14.05

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Debatte sehr aufmerksam verfolgt, und ich war nicht nur, aber auch sehr betroffen von der Äußerung des Kollegen Hagen, der gemeint hat, ein junger Zivildiener könne mit 43 S ganz gut leben. Und dann haben Sie noch hinzugefügt: Es gibt manche, die dabei sogar zunehmen.

Ich stelle fest, das haben wir in einer Kantine um 43 S gekauft. (Die Rednerin zeigt auf das mitgebrachte Teller. – Bundesrat Bieringer: Aber eine teure Kantine!) Das ist kein Aktionismus, aber es soll sich in Ihren Kopf einprägen, wovon Sie und leider auch der Herr Minister wollen, dass sich unsere jungen Zivildiener ernähren. (Beifall bei der SPÖ. – Die Rednerin stellt das Teller samt Inhalt auf den Platz von Bundesminister Dr. Strasser. )

14.05

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Herr Professor Böhm hat das Wort.

14.06

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich möchte zur Geschäftsordnung doch festhalten: Wenn sich Herr Dr. Haider außerhalb des Parlaments so verhielte, würde das als Aktionismus abqualifiziert werden. Ich glaube, das ist nicht der Stil, der diesem Hohen Haus angemessen ist. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.06

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesrat Hagen hat sich ebenfalls zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.06

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Ich möchte eine tatsächliche Berichtigung bringen. Frau Trunk hat gesagt, ich hätte behauptet, bei einem Essen zum Preis von 43 S würde ein Zivildiener sogar noch zunehmen.

Das ist nicht richtig. Ich habe ganz klar gesagt, dass der Differenzbetrag vom Bund dazugezahlt wird und der Zivildiener sowohl ein Frühstück als auch ein Mittagessen und ein Abendessen um den Preis von 43 S einnehmen kann. (Rufe bei der SPÖ: Wo? – Bundesrat Marizzi: Nordkorea!) Dieses Essen wird vom Bund organisiert. Das habe ich ganz deutlich gesagt. Es ist auch bei der Exekutive so, dass ein Essen organisiert wird, wenn man nicht nach Hause essen gehen kann, das habe ich auch erwähnt. Das möchte ich hier tatsächlich berichtigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.07

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Meine Damen und Herren! Ich sage es hier ganz offen: Auch ich bin kein Freund von Aktionismus, gebe aber doch zu bedenken, dass man den Hinweis auf die Waren, die gekauft wurden, bei besonders freundlicher Auslegung der Geschäftsordnung als Darstellung des zu berichtigenden Sachverhalts noch tolerieren kann. (Widerspruch bei der ÖVP.)

Ich wiederhole es noch einmal: Ich bin kein Freund von Aktionismus. Das Problem eines Präsidenten hier am Präsidium – Herr Kollege, Sie werden das sehr bald selbst erleben – ist nämlich Folgendes: Die Geschäftsordnung sagt eindeutig, wenn sich jemand zur tatsächlichen Berichtigung meldet, ist ihm unverzüglich das Wort zu erteilen. Ich kann natürlich, um in Zukunft Ähnliches wie das, was heute passiert ist, zu verhindern, an der Tür noch zusätzliche Wächter aufstellen lassen und sagen, alles, was einem Aktionismus dienen könnte, ist den Damen und Herren Bundesräten im Vorhinein abzunehmen. Ich glaube aber nicht, dass das Ihre Zustimmung finden würde.

Daher würde ich bitten, wirklich im Einverständnis damit, dass wir auch heute in der Präsidiale gesagt haben, wir legen alle miteinander Wert darauf, menschlich und gut miteinander umzugehen (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen): Tolerieren wir dieses Mal diesen Aktionismus. Es ist ein Aktionismus im Hinblick auf wirkliches Wohlwollen gegenüber Menschen, die von einer neuen gesetzlichen Regelung betroffen sein werden. Es ist kein Aktionismus zur höheren Ehre einer bestimmten Person. Es geschah wirklich – so habe ich es aufgefasst – im Bewusstsein, sich um Menschen zu kümmern, für die wir, und zwar wir alle, auch da zu sein haben.

Daher mein Appell an Sie, in Zukunft Aktionismus zu unterlassen, uns aber jetzt doch zu bemühen, in weiterer Folge in guter, zivilisierter Form miteinander umzugehen.

Die nächste Wortmeldung, die mir vorliegt, ist jene von Herrn Bundesrat Freiberger. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen. (Bundesrat Dr. Linzer: Die Wurstsemmel sollte schon entsorgt werden!)

Haben Sie sich zu Wort gemeldet, Herr Bundesminister? – Bitte um Entschuldigung. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Strasser. )

Herr Bundesminister Strasser hat mich berechtigterweise darauf aufmerksam gemacht – ich habe es leider auf Grund des Bildschirmes vor mir nicht gesehen –, dass zwei Weckerl und ein Apfel auf seinen Platz gelegt wurden. Ich würde bitten, dass das entfernt wird! (Zwischenrufe.) Bitte, machen wir jetzt kein zusätzliches Theater! Es gibt Damen und Herren hier im Hause, die das wegräumen werden! (Bedienstete des Hauses entfernen das auf der Regierungsbank stehende Teller mit den Lebensmitteln. – Rufe und Gegenrufe aus allen Fraktionen.)

Ich habe nicht gesehen, dass das dort liegt. Ich entschuldige mich dafür. Ich konnte das auf Grund des Bildschirmes, der da im Blickfeld steht, nicht sehen, hoffe aber, dass die Sache damit bereinigt ist.

Zu Wort gelangt jetzt Herr Bundesrat Freiberger. – Bitte.

14.11

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Vorlage zur Änderung des Zivildienstgesetzes ist ein trauriges Kapitel, und auch der Verlauf dieser Debatte zeigt, dass die Emotionen zu diesem Thema sehr hoch gehen. Ein trauriges Kapitel ist das auch deshalb, wenn man bedenkt, dass Sie, Herr Bundesminister Strasser, der Sie selbst Zivildiener waren, dafür verantwortlich sind, dass es zu solchen Verschlechterungen für Zivildiener kommt.

Meine Damen und Herren! Es war eine große Errungenschaft Mitte der siebziger Jahre, vor allem eine Initiative der SPÖ, als das Zivildienstgesetz in Österreich beschlossen wurde. Es hat auch davor immer wieder wehrpflichtige Männer gegeben, die aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe beim Bundesheer abgelehnt haben. Wenn die vorgebrachten Gründe von einer Kommission, die im Ministerium für Landesverteidigung ansässig war, nicht anerkannt wurden, sind diese "Waffendienstverweigerer" kriminalisiert worden. Wurden hingegen die Gründe von dieser Kommission anerkannt, so musste Dienst beim Bundesheer versehen werden, was insofern nicht sehr sinnvoll war, als ein Hauptelement der militärischen Ausbildung fehlte. So gesehen stellte die Einführung des Zivildienstgesetzes für jene jungen Menschen, die den Wehrdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen ablehnten, einen echten Segen dar.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch nicht unerwähnt lassen, dass ich persönlich Ende der siebziger Jahre auch Zivildienst beim Roten Kreuz geleistet habe und dank des Zivildienstgesetzes einer möglichen Kriminalisierung entgangen bin. – Ihnen, Herr Bundesminister Strasser, wird es ähnlich ergangen sein, da ich wohl davon ausgehen kann, dass Sie auch aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe abgelehnt haben.

An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich festhalten, dass die Zivildiener einen festen Platz in unserem System der sozialen Versorgung haben und eine bedeutende Rolle bei der Aufrechterhaltung dieses Systems spielen. Darüber hinaus sei hier noch als erfreuliche Begleiterscheinung angemerkt, dass sehr viele Zivildiener ein hohes soziales Bewusstsein haben und nach Ableistung ihres Dienstes oft als freiwillige Helfer bei diesen Organisationen bleiben und damit einen sehr wichtigen Beitrag in unserer Gesellschaft leisten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich deshalb diese Gelegenheit wahrnehmen, allen Zivildienern für ihre Leistungen zum Wohle der Allgemeinheit sehr herzlich zu danken. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass die Arbeit der Zivildiener auch für ihre persönliche Entwicklung einen wesentlichen Stellenwert hat, da sie durch diese Einblick in viele soziale Probleme bekommen und so auch erkennen, dass es viele Menschen gibt, die unter sehr schwierigen Bedingungen leben und mit dieser schwierigen Lebenssituation fertig werden müssen.

Den Zivildienern wird sehr deutlich signalisiert, wie wichtig es ist, sich für den Nächsten zu engagieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Strasser! Diese Erkenntnisse dürften allerdings bei Ihnen nicht ganz angekommen sein, denn sonst müssten wir uns nicht mit dem uns heute vorliegenden Gesetzesvorschlag auseinander setzen. Mir ist unverständlich, dass jemand, der selbst Zivildienst geleistet hat, einen geradezu überfallsartigen Kahlschlag inszeniert, der dramatische Kürzungen (Ruf bei der ÖVP: Notwendige!), und zwar sowohl was die Zahl der Zivildienstplätze als auch die Verpflegskosten der Zivildiener anlangt, zur Folge hat.

Mit dieser Maßnahme wird die Warteschlange der Zivildiener wesentlich länger. Diese jungen Männer wissen nicht, wann sie ihren Zivildienst werden leisten können, und sie werden deshalb massive Schwierigkeiten haben, in dieser Wartephase einen existenzsichernden Job zu finden. Dies stellt einen massiven Eingriff in die Lebensplanung junger Menschen dar, den wir Sozialdemokraten so sicherlich nicht hinnehmen werden!

Die SPÖ wird diese Neuregelung, so sie heute in der vorliegenden Form beschlossen werden sollte, vor dem Verfassungsgerichtshof anfechten, da unserer Überzeugung nach damit verfassungsrechtliche Grundsätze verletzt werden. Und wir Sozialdemokraten sind sehr zuversichtlich, dass diese Gesetzesbestimmung vor dem Verfassungsgerichtshof nicht standhält.

Meine Damen und Herren! Aufgrund der längeren Wartezeit und des Entfalls der unentgeltlichen Verpflegung wird der Zivildienst geradezu zum Luxus. Wir vermuten, dass mit dieser Aktion und über das vorgeschobene Argument von Sparmaßnahmen das Bundesheer, in dem schon seit längerer Zeit über Nachwuchsmangel geklagt wird, kräftig unterstützt werden soll. (Beifall des Bundesrates Prähauser. )

Künftig müssen Zivildiener für weniger Geld länger dienen – und das soll wohl für Österreichs junge Wehrpflichtige als Abschreckung dienen. Das, meine Damen und Herren, spiegelt die Geisteshaltung der neuen Bundesregierung wider!

Die SPÖ steht selbstverständlich auf der Seite der Zivildiener, vor allem aber auf der Seite der vielen karitativen und sozialen Einrichtungen, die Zivildiener benötigen. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Eine gefährliche Drohung!)

Wir Sozialdemokraten werden in dieser wichtigen Frage weiterhin Widerstand leisten und mit unserer Klage vor dem Verfassungsgericht hoffentlich Erfolg haben.

Meine Fraktion wird deshalb dieser unsozialen Gesetzesvorlage die Zustimmung verweigern. (Beifall bei der SPÖ.)

14.17

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. – Bitte.

14.17

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Fuchs hat sehr engagiert das Wort für den Zivildienst ergriffen und diesen "schweren Dienst für die Gesellschaft" hervorgehoben. Sie widmete dann aber einen Teil ihrer Ausführungen dem Körpergewicht dieser jungen Menschen, und dazu möchte ich sagen: Wenn jemand Wert auf Körpergewicht legt, könnte er in die stets offenen Kasernen gehen und dort Dienst tun. Ähnliches hat auch Bundesminister Scheibner vor geraumer Zeit gesagt. – Weiters meinte Kollegin Fuchs, dass die Demontage einer solch wichtigen Einrichtung "bedauerlich" wäre.

Dazu möchte ich feststellen, dass der Zivildienst ein Wehrersatz - und kein Alternativdienst ist, auch wenn er sich im Laufe der letzten zehn Jahre mehr und mehr zu einem Alternativdienst entwickelt hat. Wer sich die Mühe macht, sich die Pflichten und Möglichkeiten der Zivildienstpflichtigen im Rahmen ihrer Tätigkeit anzuschauen, etwa § 3 Abs. 2 des Zivildienstgesetzes, muss feststellen, dass fast alles zivildienstpflichtig sein kann: Krankenanstalten, Rettungswesen, Sozial- und Behindertenhilfe, Altenbetreuung, Krankenbetreuung, Gesundenvorsorge, Betreuung von Drogenabhängigen, Dienst in Justizanstalten, Betreuung von vertriebenen Asylwerbern, Flüchtlingen sowie von Menschen in Schubhaft, Einsätze bei Epidemien, bei Katastrophenhilfe und Zivilschutz, Dienst in inländischen Gedenkstätten, insbesondere für die Opfer des Nationalsozialismus, in der Vorsorge für die öffentliche Sicherheit und die Sicherheit im Straßenverkehr sowie Tätigkeiten im Rahmen der zivilen Landesverteidigung.

Wir erkennen, dass der Zivildienst den jungen Männern eine ungeheuerliche Menge an Ausübungen bietet, müssen aber auch feststellen, dass jedoch keine dieser Tätigkeiten vergleichbar ist mit jener Aufgabe, die ein Soldat zu erbringen hat. Ich komme darauf noch zu sprechen.

Ich weiß, Zivildiener haben oft schwierige und im wahrsten Sinne des Wortes scheußliche Tätigkeiten, so möchte ich fast sagen, zu verrichten, aber ein Teil sucht sich die Rosinen heraus, nämlich Aufgaben, die weder sehr schwierig noch sehr scheußlich sind. Vor jenen Zivildienern, die schwierige und scheußliche Tätigkeiten auszuführen haben, habe ich größte Hochachtung. Ich weiß, was es bedeutet – oder ich glaube zu wissen, was es bedeutet –, im Bereich der Kranken- und Altenpflege tätig zu sein, und ich erahne es, was das für eine Aufgabe ist. Es ist aber wichtig, dass sie wahrgenommen wird. (Bundesrat Thumpser: Wo sind die Rosinen?)

Aber übersehen wir nicht, Kolleginnen und Kollegen, dass der Unterschied zum Soldaten darin besteht, dass der Soldat eigentlich der Einzige ist, der Zivildienst leistet, denn der Soldat leistet Dienst an den Zivilen, und wenn es darauf ankommt, opfert er – das hat auch heute Bundesminister Scheibner hier schon kurz angedeutet – seine Gesundheit und im Extremfall auch sein Leben für das Vaterland. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Seien wir froh, dass diese Herausforderung noch nicht an unsere jungen Männer – manchmal auch weniger jungen Männer – herangekommen ist.

Der eine oder der andere – vielleicht kennt jeder den einen oder anderen – ist im Ausland bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommen. Er ist sicherlich nicht mit dem Wissen hingegangen: Ich komme eigentlich in einem Jutesack oder in einem Bleisarg zurück, sondern er ist hingegangen in der Meinung, er käme zurück und könne seiner Familie mit dem Geld, das er für seinen Einsatz bekommt, etwas bieten. Diese Problematik weisen Zivildiener nicht auf.

Was berichtet die gestrige Ausgabe der "Presse" über Zivildiener? – So ist beispielsweise ein Zivildiener von den Vereinigten Staaten als Reisebegleiter von einer Gedenkstätte nach Österreich eingeteilt worden. Ist das eine Alternative zu der Aufgabe eines Soldaten oder zu der Aufgabe eines Zivildieners, der in einem Altenheim oder in einem Spital tätig ist? – Doch wirklich nicht! Das diskreditiert das Institut des Zivildienstes direkt!

Es gibt noch mehr solcher Beispiele. Da wird unter anderem ins Treffen geführt, dies wäre eine ungeheuerlich symbolträchtige Arbeit. – Kolleginnen und Kollegen! Zivildienst und Wehrdienst haben keine symbolträchtigen Arbeiten zu sein, sondern sie haben echte Pflicht am Vaterland – primär beim Soldaten – darzustellen, wobei ich durchaus zugebe, dass es auch im Soldatenbereich Tätigkeiten gibt, die nicht unbedingt sehr soldatisch sind, sie gehören aber zur Abrundung des Soldatenbildes dazu. (Bundesrat Meier: Da gibt es Rosinen!) Auch die "Alternativdienstler" beziehungsweise die "Zivildienstler" haben Tätigkeiten auszuführen, die nicht symbolträchtig sind.

Ich glaube, wenn wir dies betrachten, müssen wir schon erkennen, dass der alte römische Spruch: Süß und ehrenwert ist es, für das Vaterland zu sterben!, heute an Bedeutung verloren hat. (Bundesrat Meier: Gott sei Dank!) Aber die Tatsache bleibt bestehen, dass der Militärdienst in sich die Gefahr des Ablebens oder der schweren Verletzung birgt.

An die Adresse des Kollegen Freiberger möchte ich nur eines sagen: Widerstand leisten gegen einen äußeren Angreifer kann, Herr Kollege Freiberger, nur der Soldat, niemals ein Zivildiener! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Heiterkeit des Bundesrates Thumpser. )

14.25

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte, Herr Bundesrat.

14.25

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Budget in Ordnung zu bringen, Schulden abzubauen, ist eine schwierige Sache und sehr unattraktiv. Wenn es um Einsparungen geht, werden alle Dinge zur wichtigsten Sache erklärt, und man könnte eine lange Liste erstellen, in welcher angeführt wird, wo man auf keinen Fall einsparen darf. Einige Beispiele:

Im Bildungsbereich darf man nicht einsparen, denn dort entsteht das Kapital von morgen. Bei den Pensionen darf man auf keinen Fall einsparen, denn da geht es um wohlerworbene Rechte. Auch in der Wirtschaft darf es keine Einsparungen geben, denn eine gute Wirtschaft sichert Arbeitsplätze und Wohlstand. Im Bereich der Umwelt darf man nicht einsparen, denn dort sind die Lebensgrundlagen von morgen für unsere Kinder. Auch in der Kultur darf man nicht einsparen, denn in diesem Bereich müssen wir alle Freiheiten bewahren und erhalten. Natürlich darf man auch im Bereich der sozialen Sicherheit nicht einsparen – ganz im Gegenteil: Dort muss man die Leistungen ausbauen. – Diese Liste ließe sich ellenlang fortsetzen: Man kann also nirgends einsparen und muss trotzdem das Budget sanieren.

Natürlich ist von der Sanierung des Budgets auch das Innenministerium betroffen, und es gibt die Sorge, dass die vom Zivildienst erbrachten Leistungen nicht sichergestellt werden könnten. Aber es ist eine Tatsache, dass eine außerordentlich große Altlast übernommen worden ist, und es ist daher notwendig geworden, zur Abdeckung der wichtigen Aufgaben eine Art Rettungsprogramm zu entwickeln, das vom Herrn Bundesminister in Form einer Reihe von Bausteinen durchgeführt worden ist. Einige dieser Bausteine sind bereits genannt worden, wie beispielsweise die "Prioritätenliste". Näher möchte ich darauf nicht eingehen.

Ich möchte aber trotzdem einige dieser Dinge herausgreifen, und zwar möchte ich in diesem Zusammenhang den Rechnungshofbericht 1997 als Beleg heranziehen. Dieser Rechnungshofbericht hat schon damals all diese Dinge aufgezeigt, und wenn der damalige Innenminister in dem aufgezeigten Sinne tätig geworden wäre, hätten wir heute all die damit zusammenhängenden Probleme nicht. Wenn man sich die zusammenfassenden Empfehlungen im genannten Rechnungshofbericht anschaut, so findet man vier Punkte, die zum Handeln auffordern.

Punkt eins: Vermeidung einer wesentlichen Erhöhung der Zahl von Zivildienstplätzen. – Das heißt, dass schon damals absehbar war, dass in diesem Bereich eine negative Entwicklung eintreten wird.

Punkt 2: Neugestaltung der finanziellen Beziehungen. – Das heißt, dass man schon damals – schon im Jahre 1997! – gesehen hat, dass Einschleifmaßnahmen vonnöten sind, um entsprechende Mittel vorzusehen.

Punkt drei: Straffung des Grundlehrganges. – Auch da hätte längst etwas getan werden müssen. Es ist jetzt dankenswerterweise eine neue Ausbildung ins Auge gefasst worden. Es wird den dreiwöchigen Grundlehrgang nicht mehr geben, sondern die Ausbildung soll speziell auf die zu erfüllenden Aufgaben abgestellt werden, und zwar sollen diese Ausbildung die Organisationen, in welchen der Zivildiener seinen Dienst ableistet, selbst übernehmen, was ich für viel sinnvoller halte.

Wie gesagt: Diese Empfehlungen werden im Rechnungshofbericht 1997 abgegeben. Wenn man demgemäß tätig geworden wäre, hätten wir heute viele der dadurch entstandenen Probleme nicht mehr zu lösen.

Das Nächste, das ich noch ansprechen möchte, ist das notwendige Sonderprogramm. Auch in diesem Fall ist dankenswerterweise eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, die, soviel ich weiß, am kommenden Montag ihre Arbeiten aufnehmen wird, um Pläne zum Abbau der Zahl der Zivildiener – die durchschnittliche Wartezeit bei Zivildienern beträgt, wie wir gestern im Ausschuss erfahren haben, zirka zwei Jahre – und zur künftigen Regelung des gesamten Komplexes zu entwickeln.

Des Weiteren möchte ich die arbeitsplatzersetzenden oder – ich sage es ruhig so – auch arbeitsplatzgefährdenden Zuteilungen von Zivildienern ansprechen. Es wird diesbezüglich auch mit den Ländern ein Konsens zu suchen sein. Es wird jetzt eine Analyse erstellt, wie man in Hinkunft in diesem Bereich bedarfsgerecht vorgehen kann. Das Ganze ist im Ministerium in besten Händen.

Abschließend darf ich noch ein interessantes Phänomen ansprechen: Ich bin plötzlich befasst mit Interventionen und Vorsprachen, Widerrufe vom Zivildienst voranzutreiben. – Da muss ich schon sagen: Es stellt sich die Frage, ob sich nicht doch manche nicht aus Gewissens gründen, sondern aus gewissen Gründen zum Zivildienst gemeldet haben (Bundesrat Thumpser: Fragen der Gewissensgründe gibt es nicht mehr!), denn wenn plötzlich der Zivildienst widerrufen wird, weil man den ordentlichen Präsenzdienst beim Bundesheer ableisten will, dann mutet das schon ein bisschen eigenartig an.

Ich darf also sagen: Rasche Neuerungen sind sehr zu befürworten, und es ist nicht verwunderlich, dass von den Einsparungen im Rahmen der gesamten Budgetsanierung natürlich auch das Innenministerium und damit auch der Zivildienst betroffen sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.30

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konečny. – Bitte, Herr Bundesrat.

14.30

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Meine Herren Bundesminister! Herr Bundesminister Strasser! Kollegin Fuchs hat Ihnen am Beginn dieser Debatte einige Fragen gestellt, und darunter war eine sehr konkrete Frage, deren Beantwortung, wie ich meine, nicht unwesentlich dafür ist, wie wir diese Gesetzesmaterie zu beurteilen haben. Ich habe kein Problem damit, mich für den kurzfristigen Verbleib von einer Wurstsemmel auf Ihrem Tischchen zu entschuldigen, aber ich darf Sie doch ersuchen, diese Frage zu beantworten.

14.30

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesminister! Wünschen Sie das Wort? – (Bundesminister Dr. Strasser: Ich habe mich nicht zu Wort gemeldet!) Sie haben sich nicht zu Wort gemeldet, und Sie wünschen auch nicht das Wort.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Daher ist die Debatte geschlossen.

Wird seitens der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Professor Konečny und Genossen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die für diesen Antrag eintreten, um ein entsprechendes Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Mehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen der Republik Österreich (31 und 73/NR sowie 6100/BR der Beilagen)

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Übereinkommen auf Grund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen der Republik Österreich.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Grillenberger übernommen. Ich bitte ihn um seinen Bericht.

Berichterstatter Johann Grillenberger: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Übereinkommen auf Grund des Artikels K.3 des Vertrags über die Europäische Union über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen der Republik Österreich.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Mai 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Erstattung des Berichtes.

Es liegen dazu keine Wortmeldungen vor.

Wir kommen daher sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich (EuRAG) sowie über Änderungen der Rechtsanwaltsordnung (59 und 72/NR sowie 6101/BR der Beilagen)

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich (EuRAG) sowie über Änderungen der Rechtsanwaltsordnung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Hagen übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Christoph Hagen: Werte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich (EuRAG) sowie über Änderungen der Rechtsanwaltsordnung.

Der Bericht liegt dem Bundesrat in schriftlicher Form vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Mai 2000 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Erstattung des Berichtes.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gstöttner. – Bitte, Herr Bundesrat.

14.35

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich sowie über Änderungen der Rechtsanwaltsordnung steht heute auf der Tagesordnung unserer Bundesratsitzung.

Im Nationalrat wurde der Beschluss mit den Stimmen von FPÖ und ÖVP, also mit Mehrheit gefasst. Ein Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Maier und Mag. Stoisits betreffend Novellierung wurde mit Mehrheit abgelehnt.

Die SPÖ-Nationalräte im Justizausschuss hatten den Wunsch geäußert, dass die Kostenabrechnungen besser und übersichtlicher dargestellt werden und so auch für Klienten mehr Verbindlichkeit bekämen. – Seitens der Regierungsparteien ist man diesem Gedanken nicht nähergetreten. Schade, kann ich nur sagen, denn soweit war man eigentlich nicht auseinander. – Für die Betroffenen, für nicht so begüterte Leute, wären diese Überlegungen jedenfalls bedeutend gewesen.

Diskussionen gab es im Zusammenhang mit den Niederlassungsrichtlinien für die Rechtsanwaltschaft, besonders darüber, ob es eine interdisziplinäre Gesellschaft zwischen Anwälten und Wirtschaftstreuhändern geben soll oder nicht.

Dass es in solchen Fragen verschiedene Meinungen und Standpunkte gibt, versteht sich natürlich von selbst; auch was Dauer des Studiums und der Gesamtausbildung anlangt. Festzustellen ist, dass diesbezüglich in Österreich, Studium- und Rechtsanwaltszeit zusammengenommen, eine längere Ausbildungszeit als in anderen europäischen Ländern gegeben ist.

Als Nicht-Jurist möchte ich mir kein Urteil darüber erlauben, ob mit einer kürzeren Ausbildungs- und Praxiszeit ein gleicher Qualitätsstand erreicht werden kann. Qualität muss allerdings gesichert werden – und umso mehr müssen natürlich gleiche Ausgangspositionen auch im Hinblick auf den Wettbewerb gegeben sein.

Die SPÖ bekennt sich zu den freien Berufen, allerdings müssen auch gleiche Chancen und Möglichkeiten gegeben sein. Eine Anregung dazu wäre, dass gesetzliche Regelungen getroffen werden, die es Juristen mit speziellerer oder besserer Ausbildung ermöglichen, dies auf Firmenpapier, Firmenschildern oder auf verschiedensten Datenträgern kennzeichnen zu dürfen. – Eine höhere Qualifikation sollte unserer Meinung nach dazu berechtigen.

Bei all diesen Überlegungen müssen aber natürlich der Rechtsschutz und die Beratung der Bevölkerung im Mittelpunkt stehen – und das hat auch für die Zukunft gesichert zu sein.

Nach langen und reiflichen Überlegungen muss ich Ihnen mitteilen, dass die SPÖ-Bundesrätinnen und -Bundesräte dazu keine Zustimmung erteilen werden. (Beifall bei der SPÖ.)

14.38

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Dr. Böhm. – Bitte, Herr Bundesrat.

14.38

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit seinem Beschluss vom 26. April 2000 hat der Nationalrat die Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Feber 1998 innerstaatlich umgesetzt. Diese Richtlinie wurde zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufes in einem anderen Mitgliedstaat als in jenem, in dem die Qualifikation erworben wurde, erlassen.

Da kein Zweifel daran besteht, dass dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe voll entsprochen werden muss, wird meine Fraktion dieser Vorlage zustimmen – das allerdings mit gewissen Bedenken, denn es wäre die legislativpolitische Aufgabe des Nationalrates gewesen, die jeden Mitgliedsstaat verpflichtende EU-Richtlinie in verfassungskonformer Weise umzusetzen. Die auf diesem Gebiet hiemit vollzogene Gewährleistung des freien Dienstleistungsverkehrs und der Niederlassungsfreiheit darf nämlich nicht zu einer Inländerdiskriminierung und damit zu einer Verletzung des verfassungsgesetzlichen Gleichheitssatzes führen.

Eben das wird aber mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluss des Nationalrates meiner Rechtsauffassung nach bewirkt. Rechtsanwälte aus dem EU-Ausland, wie immer sie im Herkunftsstaat ihre Berufsberechtigung erworben haben, werden sich zukünftig sofort und ohne jeden Nachweis österreichischer Rechtskenntnisse bei uns niederlassen können. Und nach einer bloß dreijährigen Berufsausübung im Inland erlangen sie die vollen Rechte eines österreichischen Rechtsanwalts, sind somit auf Antrag in die Liste österreichischer Rechtsanwälte einzutragen.

Problematisch daran finde ich auch, dass die Berufsvoraussetzungen in einzelnen EU- beziehungsweise EWR-Staaten höchst unterschiedlich sind.

So bedarf es etwa in der Bundesrepublik Deutschland – anders als bei uns – keiner Anwaltsprüfung und erwirbt man die Befugnis zur Ausübung des Anwaltsberufes in Spanien sogar bereits durch den erfolgreichen Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften.

Vor diesem Hintergrund stellt es sich meines Erachtens als Schlechterstellung österreichischer Rechtsanwaltsanwärter dar, wenn sie nach dem, wie erwähnt, langen Diplomstudium nicht nur die anspruchsvolle Rechtsanwaltsprüfung ablegen, sondern auch eine fünfjährige Berufspraxis, einschließlich der Gerichtspraxis, nachweisen müssen, während bei ihren Kollegen aus dem EU-Ausland eine dreijährige einschlägige Berufstätigkeit in Österreich genügt. Ja noch mehr: Sofern sich der in einem anderen EU-Staat berufsberechtigte Anwalt bei uns freiwillig einer Eignungsprüfung unterwirft und sie besteht – eine Prüfung, die der unseren Rechtsanwaltsanwärtern auferlegten Rechtsanwaltsprüfung an Schwierigkeitsgrad und Umfang nicht gleichwertig ist –, wird er sofort eintragungsfähig. Mobilen österreichischen Studierenden, die den Anwaltsberuf anstreben, ist daher das Jusstudium in bestimmten EU-Staaten und der Erwerb der Berufsberechtigung ebendort anzuraten.

Mit diesen Hinweisen scheint mir die Gleichheitswidrigkeit des vorliegenden Gesetzesbeschlusses zu Lasten der inländischen Rechtsanwaltsanwärter ausreichend dargetan. Dabei verkenne ich wie mein Vorredner nicht, dass die Beibehaltung der strengen Berufsvoraussetzungen für die österreichischen Anwälte einem hohen Ausbildungsniveau und damit zugleich dem Schutze der rechtssuchenden Bevölkerung durch qualifizierte Rechtsberatung und -vertretung dient.

Wäre es Österreich und seiner Anwaltschaft aber primär darum und nicht auch um Standespolitik und Berufsschutz gegangen, so hätten wir uns im Rahmen der Europäischen Union gegen die Erlassung einer Richtlinie mit diesem Inhalt zur Wehr setzen müssen! Vielleicht hätte man sogar eine noch weit mehr ins Grundsätzliche gehende Diskussion führen müssen. Sind die spezifischen Aufgaben und Leistungen der Träger der freien Berufe überhaupt als solche anzusehen, die dem grenzüberschreitenden Dienstleistungs- oder sogar Warenverkehr gleich zu halten sind und daher den für diese Bereiche maßgeblichen Marktfreiheiten voll unterliegen?

Gerade die Rechtsberatung und Rechtsvertretung vor nationalen Gerichten und Verwaltungsbehörden innerhalb der supranationalen Europäischen Union, die bis heute von Rechtsangleichung oder gar Einheitsrecht nur in Teilbereichen geprägt ist, hätte sich als eigenständige Kategorie durchaus angeboten. Aber dieser Zug ist natürlich längst abgefahren.

Als nur schwachen Trost erachte ich auch die Tatsache, dass sich bislang so wenige Anwälte aus anderen EU-Staaten in Österreich niedergelassen haben, dass sie statistisch zweifellos nicht ins Gewicht fallen. Zum einen wird das mit der fortschreitenden Entstehung grenzüberschreitend tätiger Anwaltskanzleien, die in der Form von Personen- oder Kapitalgesellschaften – jetzt auch wohl internationalen Rechtsanwaltsgesellschaften – organisiert sind, wohl kaum so bleiben. Und zum anderen wird die vergleichsweise geringe Anzahl der in Österreich niedergelassenen Anwälte aus dem EU-Ausland den Verfassungsgerichtshof gewiss nicht beeindrucken, wenn er einmal zur Prüfung angerufen sein wird, ob die weit strengeren Berufsvoraussetzungen für österreichische Anwälte nicht eine Inländerdiskriminierung bewirken. Die Aussicht, dass die betreffenden Vorschriften des österreichischen Anwaltsrechts als gleichheitswidrig aufgehoben werden, schätze ich als ziemlich hoch ein.

Diese Bedenken habe ich im Hohen Haus bereits anlässlich der Beschlussfassung über das Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetz ausgeführt. Dem damaligen Justizminister ist es aber offenbar nicht gelungen, das Beharren der Standesvertretung der Rechtsanwälte auf dem geltenden Berufsrecht zu überwinden. Unser heutiger Justizminister war damit unverkennbar vor die vollendete Tatsache gestellt, die EU-Richtlinie zeitgerecht umsetzen zu müssen, ohne sich den meines Erachtens gebotenen Begleitmaßnahmen, das heißt den entsprechenden Anpassungen des innerstaatlichen Berufsrechts der Anwälte, mehr widmen zu können.

Nach meinen Informationen wird der Herr Bundesminister für Justiz sehr wohl darum bemüht sein, die Rechtsanwaltskammern von der Notwendigkeit einer solchen Anpassung zu überzeugen und im bewährten, konstruktiven Zusammenwirken mit der Standesvertretung eine verfassungskonforme Neuregelung des Berufsrechts zu erarbeiten. Unter dieser Voraussetzung und mit diesem Vorbehalt ist meine Fraktion bereit, dieser Gesetzesvorlage zuzustimmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.44

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

14.44

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte zunächst Ihnen, Herr Bundesrat Professor Dr. Böhm, für diese sehr gehaltvollen und tiefgehenden juristischen Ausführungen danken. Ich möchte Ihnen versichern, dass ich in meiner Eigenschaft als Justizminister diese noch einmal studieren werde, wenn sie in schriftlicher Ausfertigung vorliegen, und dass wir die weitere Entwicklung sehr genau beobachten werden.

Ich glaube, dass nach dieser Visitenkarte österreichischer Rechtskultur und österreichischer Abgeordnetentätigkeit, die Sie abgegeben haben, sicherlich in Zukunft eine gemeinsame Entwicklung und eine gemeinsame Auffassung möglich sein werden. – Das ist das Eine.

Wenn ich hier das Wort ergreife, dann möchte ich, weil Sie mich nicht kennen, darum bitten, Folgendes zur Kenntnis zu nehmen. – Ich bin seit 29. 2. 2000 Bundesminister für Justiz. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich als Rechtsanwalt tätig und habe meinen berufsrechtlichen Vorschriften entsprechend mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit diesen rechtsanwaltlichen Beruf ausgeübt. Ich übe mit dem gleichen Eifer, mit der gleichen Treue und mit der gleichen Gewissenhaftigkeit, also mit der gleichen inneren Einstellung, seit diesem Zeitpunkt auch das Amt des Bundesministers für Justiz aus, das wollte ich Ihnen hier versichern, weil ich die gleiche Versicherung auch im Nationalrat abgegeben habe. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es hat sich nach meiner Angelobung als Mitglied der österreichischen Bundesregierung auch eine sorgenvolle Debatte darüber ergeben, wie es denn der neue Minister mit der Unabhängigkeit der Richter und den Grundwerten des Rechtsstaates hält. – Ich möchte hier versichern, dass sich auch diesbezüglich an meiner Einstellung nichts geändert hat, sondern dass ich naturgemäß an den Grundwerten des Rechtsstaates festhalte und auf dem Boden unserer Grundrechte stehe. Das werde ich Ihnen hoffentlich täglich beweisen können. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich habe dies auch bereits der Präsidentin der Richterschaft versichert und glaube, dass sich da ein sehr sinnvoller, gemeinsamer Weg im Sinne einer gemeinsamen juristischen Arbeit für die Republik Österreich anbahnt. Ich betone auch, dass ich als Justizminister Interesse daran habe, dass Sie mit uns zusammenarbeiten. Die Türe zum Justizministerium steht immer offen. Wann immer Sie ein Anliegen, ein Problem haben, rufen Sie uns bitte an! Wir werden versuchen, Ihnen zu helfen, wenn Sie das wünschen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.47

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Ich nehme an, Herr Kollege Bieringer will an der Abstimmung teilnehmen. Wir warten daher, bis er Platz genommen hat. (Bundesrat Bieringer beeilt sich, seinen Platz einzunehmen.)

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

8. Punkt

Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für die Jahre 1997 und 1998, vorgelegt vom Bundeskanzler (III-205 und 6102/BR der Beilagen)

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung: Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für die Jahre 1997 und 1998, vorgelegt vom Bundeskanzler.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Schöls übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht. (Die Herren Professor Dr. Korinek und Dr. Pesendorfer nehmen auf der Regierungsbank Platz.)

Meine Damen und Herren! Ich begrüße ganz herzlich die beiden Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes: Herrn Professor Dr. Korinek vom Verfassungsgerichtshof und Herrn Dr. Pesendorfer vom Verwaltungsgerichtshof. Ich habe die Entscheidung getroffen, dass die beiden Herren auf der Regierungsbank Platz nehmen sollen. Ich hoffe, dies findet auch Ihre Zustimmung.

Ich darf nun Herrn Kollegen Schöls um den Bericht bitten.

Berichterstatter Alfred Schöls: Frau Präsidentin! Meine Herren Vizepräsidenten! Hohes Haus! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus betreffend die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für die Jahre 1997 und 1998 bringen.

Da der Bericht über die Ausschussberatungen schriftlich vorliegt, darf ich Ihnen mitteilen, dass der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus nach Beratung der Vorlage am 8. Mai 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag stellt, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Frau Präsidentin! Ich darf bitten, die Debatte zu eröffnen und die Abstimmung durchzuführen.

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich bitte Herrn Bundesrat Dr. Aspöck, mit der Debatte zu beginnen. (Die Präsidentin unterdrückt das Lachen.)  – Ich muss mich entschuldigen, mich hat die Floskel, die normalerweise im Nationalrat verwendet wird, leicht aus der Fassung gebracht. – Ich bitte Sie, das Wort zu ergreifen.

14.50

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau Präsidentin! Meine Herren Vizepräsidenten des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An diesem heutigen, recht turbulenten Tag darf ich bei diesem Tagesordnungspunkt zunächst einmal anmerken, dass es offensichtlich auch noch parlamentarischen Alltag und nicht nur das, sondern auch demokratisches Grundverständnis und demokratische Vernunft in diesem Hause gibt – ist doch nach dem Ergebnis der Ausschussberatungen davon auszugehen, dass die vorliegenden Berichte in diesem Haus einstimmig zur Kenntnis genommen werden.

Das allgemeine Lob, das bereits im Ausschuss hinsichtlich beider Gerichtshöfe ausgesprochen wurde, darf ich namens meiner Fraktion natürlich auch hier im Plenum ganz ausdrücklich und deutlich wiederholen!

Ich möchte einen weiteren Aspekt hinzufügen und darf auf nur einige wenige Punkte eingehen, zumal es unmöglich ist, die Berichte erschöpfend in einer einzigen parlamentarischen Rede zu behandeln.

Den Berichten und den Ausführungen der beiden Herren Vizepräsidenten im Ausschuss konnten wir den ungeheuren Arbeitsaufwand und den Arbeitseifer aller Mitarbeiter beider Gerichtshöfe entnehmen. Da im Fall der Mitarbeiter des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes sicherlich nicht Pensionszuckerln, Gehaltsprivilegien – wie sie sich in den letzten 30, 40 Jahren an vielen österreichischen Institutionen durchaus eingebürgert haben – und so weiter üblich sind, muss man nach anderen Gründen für diesen Arbeitseifer suchen.

Ich glaube, dass nur ein einziger Grund dafür verantwortlich sein kann, nämlich die Tatsache, dass diese Gerichtshöfe vor allem dank der hervorragenden Qualifikation ihrer Führungskräfte ein außerordentlich hohes Ansehen genießen, welches ursächlich für die Motivation der Mitarbeiter sein muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wie ich bereits gesagt habe: Es ist unmöglich, in diesem einen Redebeitrag auf alle in den Berichten aufgezeigten Probleme einzugehen. Ich möchte daher nur zwei Themen herausgreifen: eines hinsichtlich Verwaltungsgerichtshof, ein zweites hinsichtlich Verfassungsgerichtshof.

Zum ersten Thema, zur längst notwendigen und überfälligen Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit in diesem Lande: Alle wissen, dass diese Reform mit der Installierung von Landes-Verwaltungsgerichtshöfen oder alternativen Konzepten notwendig ist, um den Verwaltungsgerichtshof buchstäblich vor dem Ertrinken in der eigenen Aktenflut zu retten.

Obwohl alle davon wissen, hat die Politik auf diesem Gebiet – trotz der Hilfeschreie, die immer wieder in den Berichten zu finden waren – bis heute nichts zuwege gebracht. Wir alle können nur hoffen, dass die neue Regierung auch in diesem Bereich neue Maßstäbe setzt und tatsächlich eine Reform in Angriff nimmt. Die Voraussetzungen dafür stehen meines Erachtens gar nicht schlecht. Der Verwaltungsgerichtshof selbst hat zur Lösung noch ausstehender Aufgaben bereits sehr viel beigetragen und meines Erachtens, wie es heute in der Politik so schön heißt, seine Hausaufgaben bereits erfüllt.

Mit liegt eine sehr interessante Korrespondenz zwischen dem Herrn Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes und dem Kärntner Landeshauptmann vor, und ich zitiere wie folgt aus einem Brief an den Herrn Landeshauptmann von Kärnten, Dr. Jörg Haider:

Die zeitweise schon recht weit gediehenen Gespräche zwischen Bund und Ländern, aber auch zwischen den Fraktionen des Nationalrates haben vor allem deshalb noch zu keinem greifbaren Erfolg geführt, weil die Frage der Entscheidungsbefugnisse künftiger Landesverwaltungsgerichte noch nicht allseits befriedigend gelöst werden konnte. – Nun kommt aber der Lösungsansatz, denn weiter heißt es hier:

In diesem Zusammenhang dürfen wir ein Heft der Zeitschrift der Unabhängigen Verwaltungssenate übergeben. Darin sind Stellungnahmen des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofes enthalten, vor allem aber auch ein nach eingehender interner Diskussion zustande gekommener akkordierter Vorschlag zur Abgrenzung der Entscheidungsbefugnisse. Wir sind der Auffassung, dass damit ein wichtiger Stolperstein für die Reform aus dem Weg geräumt ist. Wir ersuchen Sie, sehr geehrter Herr Landeshauptmann, Ihr politisches Gewicht dafür einzulegen, dass das Vorhaben in dieser Gesetzgebungsperiode verwirklicht werden kann. – Zitatende. Ich füge hinzu, ich bin fest davon überzeugt, dass der Herr Landeshauptmann das Seine dazu tun wird.

Ich komme zum Antwortschreiben und zitiere auch nur auszugsweise daraus. Darin heißt es:

Wir Freiheitlichen sind der Auffassung, dass die Beratungen über die Bundesstaatsreform auf der Grundlage der zwischen Bund und Ländern bereits vereinbarten Grundsätze möglichst rasch wieder aufgenommen werden sollten. Ziel der Beratungen muss dabei eine eindeutige Stärkung der Länderrechte sein. Als wesentliche Gesichtspunkte sind dabei insbesondere zu nennen: Mitspracherecht der Länder bei Bundesgesetzen, die die Landesfinanzen belasten; Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung; Einführung von Verwaltungsgerichten der Länder; Bereinigung von Kompetenzzersplitterung; Kompetenzaufteilung unter den Aspekten der Bürgernähe und der Verwaltungsvereinfachung.

Die Einführung von Verwaltungsgerichten der Länder stellt für uns Freiheitliche ein verfassungspolitisches Ziel erster Ordnung dar, zumal nur auf diese Weise die Kontrolle der Verwaltung durch Instanzen, die mit den richterlichen Garantien der Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit ausgestattet sind, wirklich zufriedenstellend weiterentwickelt werden kann. – Ende des Zitates.

Ein nicht unwesentlicher Aspekt ist dabei auch die evidente Überlastung des Verwaltungsgerichtshofes. Dieser hat – wie bereits in den Vorjahren – auch im letzten Tätigkeitsbericht über das Jahr 1998 eindringlich darauf hingewiesen, dass er infolge seiner notorischen Überlastung seiner verfassungsmäßigen Aufgabe, nämlich der Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung – ich verweise auf die Zahlen in den Berichten, die bekannt sind – nicht mehr ordnungsgemäß nachkommen kann.

Der Gerichtshof führt dazu aus, dass nur die seit langem geforderten Reformen der Verwaltungsgerichtsbarkeit dauerhafte Abhilfe bringen können. Eine Reform, die sicherstellt, dass der Verwaltungsgerichtshof seine Funktion als zur Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung berufenes Höchstgericht wieder ordnungsgemäß erfülle, könne nur darin bestehen, dass anstelle der zweiten Verwaltungsinstanz eine erste verwaltungsgerichtliche Instanz mit einer Revisionsmöglichkeit an den Verwaltungsgerichtshof eingeführt wird. – Soweit zum Verwaltungsgerichtshof.

Zum zweiten Themenkreis, den VfGH betreffend, erlauben Sie mir, nur noch kurz auf eine Problematik einzugehen, die allerdings, wie ich vor vielen Jahren bei Herrn Professor Korinek in Salzburg lernen durfte, eine allgemein juristische ist, die aber meines Erachtens auch ganz besonders die Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes tangiert. Ich rede von der Flut der Gesetze und von der Unordentlichkeit der Gesetze. Zur Flut abermals einige Zahlen.

1946 bestand das Bundesgesetzblatt aus 474 Seiten, 1992 aus 5 044 Seiten, 1995 aus 9 518 Seiten, dann wieder etwas rückläufig, heute wieder zunehmend. Jeder Praktiker und jeder Theoretiker merkt es in seiner Kanzlei: Das Bundesgesetzblatt erfordert schon bald alle Jahre einen neuen Bibliotheksverbau.

Zur Unordentlichkeit darf ich noch einmal und ein letztes Mal zitieren – da heißt es in einem Artikel –: Der Verfassungsrichter Professor Korinek erklärt dazu bei einer Tagung der Österreichischen Juristenkommission – ich gebe zu, es ist einige Jahre her, aber Sie werden mir Recht geben, es hat sich überhaupt nichts geändert –, das Problem der Unklarheit der Gesetze habe eine Dimension erreicht, die man sich nicht mehr vorstellen könne. Die zum Teil aufgehobene Werkvertragsregelung – Sie alle erinnern sich noch daran – sei dafür nur ein Beispiel von vielen. Ein weiteres Beispiel ist das Arbeitslosenversicherungsgesetz, das allein im Jahr 1996 sieben Mal novelliert worden ist, davon vier Mal mit Rückwirkungen zu verschiedenen Stichtagen. Das ergäbe – so Korinek – garantiert zehn bis elf verschiedene Fassungen im Jahr. Es gäbe beim Verfassungsgerichtshof kein Verfahren zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, das nach derselben Rechtslage beginnt, wie es ende. – Zitatende.

Ohne mich noch weiter zu verbreiten, möchte ich sagen, man müsste bei den Parlamentariern einmahnen: Folgekostenabschätzung, materielle Rechtsbereinigung et cetera et cetera.

Ich darf mich kurz fassen und mit einem allseits bekannten Zitat schließen, welches mit seiner plakativen Übertreibung gerade deswegen die grundsätzliche Problematik auf den Punkt bringt: Es gibt 10 Millionen Gesetze auf der Welt, dies, um 10 Geboten Geltung zu verschaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.02

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

15.02

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Meine Herren Vizepräsidenten! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vom Bundeskanzler vorgelegten Tätigkeitsberichte des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes legen ein hervorragendes Zeugnis dafür ab, wie in Österreich Rechtsstaatlichkeit und Rechtsschutz gewährleistet sind. Ich denke, es kann nicht schaden, das in dieser Zeit ausdrücklich zu betonen.

Ich möchte den Herren Vizepräsidenten, Universitätsprofessor Dr. Korinek und Universitätsprofessor Dr. Pesendorfer, herzlich dafür danken, dass sie sich gestern im Ausschuss Zeit für eine interessante Diskussion genommen haben. Das ist nicht selbstverständlich, und das verdient unsere besondere Anerkennung. (Allgemeiner Beifall.)

Wenngleich die Tätigkeitsberichte dem Funktionieren der Höchstgerichte ein hervorragendes Zeugnis ausstellen, gilt natürlich auch hier, dass nichts so gut ist, dass es nicht auch verbessert werden könnte, und Herr Kollege Dr. Aspöck hat bereits die Überlastung des Verwaltungsgerichtshofes angesprochen. Wenn wir lesen, dass zu Ende des Jahres 1998 beim Verwaltungsgerichtshof über 13 000 unerledigte Beschwerden vorlagen, von denen 62 Prozent, also nahezu zwei Drittel, bereits mehr als ein Jahr Verfahrensdauer hinter sich hatten, bei denen also die Einschreiter schon über ein Jahr auf die Erledigung warten mussten, dann zeigt das doch ganz deutlich, wie berechtigt die vom Verwaltungsgerichtshof selbst immer wieder erhobene Forderung nach Entlastung ist.

Kollege Dr. Aspöck hat auf die Perspektiven der Reformen bereits hingewiesen; das wurde hier auch schon mehrfach erörtert. Es wird in der Diskussion gelegentlich die bange Frage aufgeworfen, ob es denn gelingen werde, im Nationalrat die für eine solche Reform wohl – man kann sich auch Reformschritte vorstellen, die keine Zweidrittelmehrheit brauchen, aber eine tief greifende Reform, insbesondere eine länderfreundliche Reform mit Landesverwaltungsgerichten, wird eine Verfassungsmehrheit brauchen – erforderliche Zweidrittelmehrheit zustande zu bringen.

Es gibt an sich eine ganz einfache Antwort darauf: Wenn man sich die Arbeitsprogramme vor Augen führt, und zwar jenes, das zwischen SPÖ und ÖVP abgeschlossen worden wäre, und jenes, das dann zwischen ÖVP und FPÖ tatsächlich abgeschlossen wurde, dann sieht man, dass sich unter dem Punkt Landesverwaltungsgerichte beide Konzepte in keinem einzigen Wort unterscheiden.

Das zeigt eigentlich ganz deutlich: Wenn das keine Scheinbereitschaft war, um die Regierungsverhandlungen zu einem für die SPÖ positiven Abschluss zu bringen, dann gibt es eigentlich keinen Grund, an der Zustimmung der SPÖ im Nationalrat zu zweifeln. Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass das auch von der SPÖ-Fraktion im Nationalrat nach sachlichen Gesichtspunkten beurteilt wird, auch wenn die Wortmeldungen, wie man mit diesem Instrument der Mehrheitsverweigerung in Verfassungsmaterien umgehen wird, etwas unterschiedlich sind. Sie reichen von Fundamentalopposition bis konstruktiver Mitarbeit, wenn es sich um gerechtfertigte Dinge handelt. Ich würde meinen, dass Signale gut wären, dass es in diesem Punkt, aufbauend auf gemeinsam Erarbeitetem und Verhandlungsgrundlagen, recht bald eine Lösung geben wird.

Kollege Dr. Aspöck hat ganz kurz die Gesetzesflut angesprochen und natürlich – so wie ich auch verschiedentlich – der Versuchung nicht widerstanden, das ganz plastisch und einfach am Umfang des Bundesgesetzblattes darzustellen. Ich möchte nur sagen, ich habe auch mit dem quantitativen Ausmaß der Gesetzgebung ein kleines Problem, wir regeln Vieles, was nicht unbedingt geregelt werden müsste, allerdings sind die Parlamentarier daran nicht ganz unbeteiligt, wir auch nicht. Viele parlamentarische Anfragen beschäftigen sich in der Regel mit ungeregelten Dingen und nicht mit einem Übermaß an Regelungen. Das sind die politischen Sachzwänge, von denen wir uns auch nicht ganz frei machen können. Aber viel mehr beschäftigt mich die Frage, dass die Gesetzgebung rein qualitativ gesehen immer mangelhafter wird. Herr Vizepräsident Dr. Korinek wird nicht müde, mit treffenden und sehr plastischen Beispielen darauf immer wieder hinzuweisen, und ich bin dafür sehr dankbar.

Das Problem ist meiner Ansicht nach weniger die Quantität, sondern hauptsächlich die Qualität: dass die Gesetze in sich selbst nicht mehr stimmig sind, dass sie nicht widerspruchsfrei sind, dass sie außerordentlich kurzlebig sind, dass ein Beamter, kaum dass er sich in die Neuordnung der Gewerbeordnung vertieft hat, bereits wieder mit einer Novelle konfrontiert ist, von der er nur aus der Zeitung weiß, weil es im Bundesgesetzblatt noch nicht kundgemacht ist, obwohl er sie seit gestern beachten sollte und dergleichen mehr.

Ich möchte zum Schluss noch einen weiteren Gesichtspunkt anfügen, der gestern im Ausschuss auch eine gewisse Rolle gespielt hat, nämlich den Antrag der Bundesräte Gerstl und Kollegen, der dem Nationalrat unmittelbar als Gesetzesantrag bereits schon in der letzten Gesetzgebungsperiode zugeleitet war und, weil er verfallen ist, neuerlich eingebracht wurde. Er zielt auf eine Änderung des Richterdienstgesetzes in dem Sinne ab, dass Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes, die ihren Hauptwohnsitz nicht in Wien haben, auf einer klaren gesetzlichen Grundlage eine Vergütung für ihren zusätzlichen Reiseaufwand und ihren zusätzlichen Aufwand, der durch die Führung eines Zweitwohnsitzes in Wien entsteht, erhalten. Diese Anregung wird von den Ländern ausdrücklich unterstützt. Dies ist dokumentiert in mehreren Briefen von Landeshauptmännern, aber auch durch einen Beschluss der Landeshauptmännerkonferenz vom 28. Oktober des Vorjahres, weil es auch Diskussionen gegeben hat, ob das Argument des Bundeskanzleramtes und des Finanzministeriums, es komme hier zu Folgekosten und zu einer ungerechtfertigten Besserstellung der Richter am Verwaltungsgerichtshof, nicht doch richtig sei. Die Landeshauptmännerkonferenz hat sich damit beschäftigt und ausdrücklich festgestellt, dass dieser Vorstoß unterstützt wird.

Wir haben das gestern auch diskutiert, weil der Einwand des Finanzministeriums durchaus zu erörtern ist, dass hier finanziell relevante Folgekosten für den Bund entstehen könnten, wenn andere Gruppen, Bundesbeamte, Ministerien und dergleichen, kämen und sagten, wir nehmen jetzt diese Neuregelung zum Anlass, Gleiches für uns zu fordern.

Herr Vizepräsident Pesendorfer hat sehr eindrücklich darauf hingewiesen, dass es solche vergleichbare Fälle a priori nicht geben kann, weil es für keinen anderen Berufsstand – sage ich jetzt vereinfacht – eine dem Artikel 134 Abs. 3 B-VG vergleichbare Bestimmung gibt, wonach – dankenswerterweise, sage ich – wenigstens ein Viertel der Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes aus Berufsstellungen in den Ländern kommen soll . Damit ist doch ganz klar gemeint, dass es so sein soll, dass das ein Zustand ist, der in besonderer Weise den Zielsetzungen des Verfassungsgesetzgebers entspricht.

Nun ist es so, dass eine Berufsstellung in den Ländern – es wird auch eine gewisse Berufserfahrung von Verfassung wegen vorausgesetzt – natürlich bedingt, dass die Leute dort beruflich etabliert sind, dass sie sich dort niedergelassen haben, vielfach gehen auch die Ehefrauen einem Beruf nach, und all das kann mit Rücksicht auf die Familie nicht so ohne weiteres über Bord geworfen werden. Daher gibt es in den Ländern verstärkt Schwierigkeiten, Leute zu motivieren, an den Verwaltungsgerichtshof zu gehen. Das ist ein ganz großes Problem für den Verwaltungsgerichtshof selbst, aber in besonderer Weise auch für die Länder. Daher bin ich Bundesrat Gerstl dankbar dafür, dass er die Initiative dafür ergriffen hat, und ich würde mir vom Nationalrat erwarten, dass das dort rasch in Verhandlung genommen wird. Und wenn die einzelnen Fraktionen darauf einwirken können, dass die Nationalratsabgeordneten das auch tun, dann bin ich in besonderer Weise dankbar. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.11

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

15.12

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Vizepräsidenten! Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Tätigkeitsberichte des Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshofes sind sehr umfangreich und zeigen auch die Schwierigkeiten auf, die bei der täglichen Arbeit auftreten. Meine beiden Vorredner sind bereits sehr profund auf die Materie eingegangen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Vermehrt anfallende Fälle und zu wenig Personal bringen eine relativ lange Verfahrensdauer mit sich, das ist sowohl für die Richterschaft als auch für die Klagseinbringer eine insgesamt unbefriedigende Situation.

Meine Damen und Herren! Eine Verfahrensdauer von zirka 19 Monaten im Sozialversicherungsrecht und eine von über zwei Jahren beim Steuerrecht sind den Beschwerdeführern mit Sicherheit nicht zuzumuten. Laut Auskunft im Ausschuss gibt es zirka 9 500 Altakten, dazu kommen dann die laufenden Beschwerdeeingänge, die ebenfalls an die 9 000 betragen. Eine Lösung kann es also hier nur durch eine Umstrukturierung hin zu den Ländern geben. Das ist auch bereits angeführt worden.

Aus den beiden Berichten geht auch hervor, dass die Arbeitsbedingungen in den beiden Gerichtshöfen verbessert werden müssen, um den heutigen Anforderungen zu entsprechen.

Meine Damen und Herren! Die beiden Berichte zeigen die Schwierigkeiten auf, unter denen die Rechtsprechung zu erfolgen hat. Diesbezüglich Verbesserungen herbeizuführen liegt auch in der Verantwortung des Gesetzgebers.

Insgesamt gesehen finde ich die beiden Berichte sehr umfassend und sehr ausreichend, und ich darf sagen, dass meine Fraktion diese Berichte zur Kenntnis nehmen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

15.14

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

9. Punkt

Bericht über die soziale Lage 1997 (III-189 und 6103/BR der Beilagen)

10. Punkt

Bericht über die soziale Lage 1998 (III-204 und 6104/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 9 und 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

der Bericht über die soziale Lage 1997 sowie

der Bericht über die soziale Lage 1998.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Karl Drochter übernommen. – Bitte.

Berichterstatter Karl Drochter: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen betreffend den Bericht über die soziale Lage des Jahres 1997.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich darf mich daher auf den Beschluss beschränken.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Mai 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Der zweite vorliegende Bericht des Sozialausschusses befasst sich mit der sozialen Lage 1998.

Auch hier liegt der Bericht schriftlich vor. Ich darf den Beschluss des Ausschusses dem Bundesrat zur Kenntnis bringen.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 8. Mai 2000 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Ich mache darauf aufmerksam, dass sich die Notwendigkeit ergeben kann, die Debatte um 16 Uhr zur Behandlung der dringlichen Anfrage zu unterbrechen.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile es ihm.

15.16

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Verehrte Damen! Geschätzte Herren! Hohes Haus! Die Sozialberichte stellen immer eine wahre Fundgrube für Interessenten dar, für jene, die an der sozialpolitischen Entwicklung der österreichischen Gesellschaft Interesse haben.

Die Diskussion über die Berichte über die Jahre 1997 und 1998, die wir heute zu führen haben, wird etwas umfassender sein, denke ich, denn es ist ein Rückblick zu halten, gab es doch die letzte Debatte zu diesem Thema zum Sozialbericht 1996. Ich werde mir erlauben, einen Spot auf die Gegebenheiten bis zum heutigen Tag zu richten.

Mein Beitrag geht bis zur heutigen Stunde, das habe ich schon gesagt, und mein besonderes Interesse bezieht sich auf die Entwicklung der Einkommen seit dem Jahr 1996. Der Bericht 1996 – das ist hier unbedingt festzuhalten – weist aus, dass die unselbständig Tätigen in den letzten Jahren, also 1993 bis 1996, einen Verlust von etwa 5 Prozent an Nettoreallohneinkommen hatten. Der Bericht 1998 stellt klar und deutlich fest, dass es zu einem weiteren Rückgang von 1997 auf 1998 um einen Prozentpunkt gekommen ist – das ist von mir gerundet, es ist unterschiedlich und genauer ausgedrückt, aber dennoch eine weitere Verringerung des Nettolohneinkommens.

Dieser Bericht 1998 stellt weiters fest, dass Frauen statistisch um 28 Prozent weniger verdienen als Männer. Und an diesen 28 Prozent ändert sich auch kaum etwas, wenn man gleiche oder ähnliche Qualifikation zu Grunde legt. Die Unterschiede liegen prozentuell bei 21 bis 31 Prozent, und die höchsten Differenzen liegen interessanterweise im Bereich der handwerklichen Tätigkeiten, im Bereich von Hilfskräften und interessanterweise auch im Bereich von Führungskräften.

Ich stelle ausdrücklich und klar fest: Frauen werden unter ihrem Wert entlohnt. Ich glaube, dass wir alle – Männer und Frauen! – diesem Trend entgegenwirken sollten, denn das ist eine Ungerechtigkeit, die auf Dauer nicht mit Gleichgültigkeit betrachtet werden kann. (Beifall bei der ÖVP und Beifall der Bundesrätin Schicker. )

Im Bericht wird auch festgestellt, dass trotz sinnvoller Maßnahmen wie Nationalem Beschäftigungsplan und steigenden Beschäftigungszahlen – wir haben in diesen Jahren die Zahl von 3 Millionen Unselbständigen überschritten, wir haben fast 3,1 Millionen unselbständig Beschäftigte – die Zahl der Arbeitslosen dennoch auf 7,2 Prozent gestiegen ist.

Gleichzeitig ist dem Bericht zu entnehmen, dass die Armut und Armutsgefährdung zugenommen haben. Als "arm" müssen wir zirka 330 000 Personen oder 4 Prozent bezeichnen. Was mich besonders betroffen macht – aber es ist kein Neuland für mich, es ist das auch in den Berichten 1996 und davor zu lesen gewesen –, dass Kinder – so wird es ausdrücklich festgestellt – über dem Durchschnitt der sonstigen Bevölkerung von Armut betroffen sind. So weit, so schlecht, muss ich dazu sagen.

Ich darf hier aber doch feststellen, dass gerade meine Partei, die Österreichische Volkspartei, seit Jahren innerhalb der rot-schwarzen Koalition dafür gekämpft hat, die Situation der Familien und im Speziellen die der Kinder zu verbessern. Der Koalitionspartner hat hier sehr wenig dazu getan, im Gegenteil, er hat gebremst, er hat verhindert – bis zum Entscheid des Obersten Gerichtshofes. Dann musste die Sozialdemokratische Partei klein beigeben, und sie hat schlussendlich – das rechne ich ihr doch positiv an – dem Familienpaket zugestimmt. Es zeigen sich, obwohl das Jahr 2000 noch sehr jung ist, bereits die positiven Auswirkungen durch die Stärkung der Finanzkraft der Haushalte mit mehreren Köpfen.

Das Familienpaket zur Stärkung der Familien und auch die von meiner Partei betriebene Steuerreform zur Entlastung der Familien tragen bereits ihre Früchte.

Vor etwas mehr als einer Woche haben Experten erklärt, dass die verbesserte Finanzsituation der Familien zu mehr Nachfrage geführt hat – weil sie es notwendig haben; das sind Bereiche, wo das Geld nicht nur eingenommen, sondern auch sofort wieder ausgegeben wird – und diese verstärkte Nachfrage zur Sicherung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen ganz wesentlich beigetragen hat. Meines Erachtens ist, Arbeit zu schaffen, Arbeit und Einkommen zu sichern, die beste Sozialpolitik, die man machen kann.

Im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit können wir im Vergleich von März 1999 zu derzeit ein Minus von 17,4 Prozent verzeichnen. Das ist ganz außerordentlich. Und was mich besonders freut, weil ich in meiner Tätigkeit auch sehr oft damit konfrontiert bin, dass ältere Menschen ihren Arbeitsplatz, aus welchem Grund auch immer, verlieren, ist, dass auch im Bereich der Älteren – und damit sind zumindest Fünfzigjährige gemeint – die Arbeitslosigkeit um 8,3 Prozentpunkte gegenüber März 1999 zurückgegangen ist.

Ich meine, das sind sehr positive Zahlen, und das stimmt mich auch für die Zukunft sehr positiv.

Aber es sind weitere positive sozialpolitische Maßnahmen in Vorbereitung, und diese möchte ich nicht unerwähnt lassen. Denken wir an das neue Abfertigungsgesetz, das in Vorbereitung ist und endlich mit dem alten Problem des Verlustes der Abfertigung bei Selbstkündigung aufräumt. Das ist ein langes Anliegen der österreichischen Arbeitnehmer, und ich denke, dass wir dieses Gesetz noch in diesem Jahr zur Beschlussfassung werden vorliegen haben.

Oder ein zweites Beispiel: Endlich wird ein größerer Schritt zur Angleichung im Bereich des Arbeitsrechtes von Arbeitern und Angestellten gesetzt – ohne Angestelltenrechte nach unten zu nivellieren. Warum sage ich das jetzt, warum sage ich das in der Diskussion über zwei Berichte zur sozialen Lage? – Ich erwarte, dass wir aufgrund dieser positiven Entscheidungen und Maßnahmen nur mehr einen negativen Sozialbericht zu diskutieren haben werden, nämlich den vom Jahr 1999, und dass der Sozialbericht 2000 und Folgende positiver werden und im Bereich des Einkommens eine Entwicklung darstellen können, die als Erfolg im Kampf gegen die Verarmung von Mehrkindfamilien gewertet werden können.

Ich darf aber auch – ich habe es auch im Ausschuss getan – etwas anregen: Wir haben ständig und überall, wo wir als Politiker antreten, auch die Diskussion rund um die Erweiterung der Europäischen Union zu führen. Da wird breit diskutiert, wann, wie, unter welchen Kriterien und nach welchen Richtlinien erweitert werden kann. In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Einkommen in diesen Ländern sehr weit hinter denen Österreichs liegen, und ich darf ein paar Länder als Beispiel hier anführen: Das österreichische Bruttoeinkommen pro Monat macht im Schnitt 2 183 Euro aus, in Slowenien – das ist der auf diesem Gebiet beste Nachbarstaat – beträgt das durchschnittliche Monatsbruttoeinkommen nur 891 Euro, in Kroatien – auch ein relativ gut entwickeltes Nachbarland – nur 599 Euro, in Tschechien gar nur 342 Euro, in Polen 322 Euro, und das monatliche Bruttoeinkommen in Ungarn – das hat mich überrascht – liegt bei 306 Euro.

Ich erspare Ihnen weitere Länder. Schlusslicht in Europa ist die Ukraine mit 44 Euro, verglichen mit 2 183 Euro in Österreich.

Das zeigt, dass sehr viel getan werden muss, bevor die Erweiterungsschritte gesetzt werden können. Ich rege daher an – ich habe das auch im Ausschuss getan, und die anwesenden Beamten des Ministeriums, das konnte ich erkennen, haben das positiv gesehen –: Frau Ministerin! Ich würde bitten, doch auch in den Bericht ein paar Grundwerte betreffend die Entwicklung in den zukünftigen möglichen EU-Staaten, in den Nachbarstaaten Österreichs aufzunehmen. Das würde ich mir wünschen, weil wir dann auch sehen und nachweisen könnten – die Zahlen gibt es schon –, wie sich unsere Nachbarländer im Vergleich zu Österreich entwickeln.

Ich habe aber noch ein weiteres Anliegen, das im Bereich der Gesundheitsgefährdung am Arbeitsplatz angesiedelt ist. Es wurde – das stelle ich positiv fest – im Laufe des Jahres 1998 die Liste der Berufskrankheiten um fünf auf 52 erweitert. Das ist zu begrüßen. Mir fehlt jedoch die Ausweitung auf Wirbelsäulenschäden, hervorgerufen durch rotierende Schwingungen von Maschinen.

Ich habe mit Ihrer Vorgängerin, mit der von mir sehr geschätzten Frau Ministerin Hostasch, einen Briefwechsel in dieser Frage geführt, auch persönlich mit ihr darüber gesprochen. In Deutschland wurden Leiden, hervorgerufen durch rotierende Bewegungen und Vibrationen, bereits als Berufskrankheit eingestuft. Ich würde bitten – ich stelle Ihnen gerne den diesbezüglichen Schriftverkehr zur Verfügung –, dass wir in dieser Frage eine Lösung zustande bringen. Das wäre mein Anliegen und meine Bitte.

Wir werden, wie gesagt, vielleicht noch einen Sozialbericht, nämlich den für das Jahr 1999, der jetzt erstellt wird, als negativ bezeichnen müssen, weil die Einkommensentwicklung der Unselbständigen in Österreich auch 1999 nicht so war, dass die Einkommen im Nettobereich gestärkt worden wären – dazu hat uns noch die Lohnsteuerreform und auch die Stärkung der Familien gefehlt, was bereits geschehen ist –, aber ich denke, dass wir in Zukunft, nämlich ab 2000, mehrere positive Sozialberichte werden diskutieren können. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen sowie der SPÖ.)

15.29

Ankündigung von zwei dringlichen Anfragen

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gebe bekannt, dass zwei weitere dringliche Anfragen eingebracht wurden, nämlich eine der Bundesrätin Brunhilde Fuchs und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend rätselhafte Zahlenspiele im Bundesvoranschlag sowie eine von denselben Bundesräten an den Bundesminister für Inneres betreffend rätselhafte Zahlenspiele im Bundesvoranschlag.

Beide dringliche Anfragen sind ausreichend unterstützt und daher in Verhandlung zu nehmen. Sie werden am Schluss der Tagesordnung aufgerufen werden.

Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth das Wort. – Bitte.

15.30

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Einen Teil dessen, was ich an den Anfang meiner vorbereiteten Rede gestellt habe, hat jetzt Kollege Schaufler schon ziemlich genau gebracht, das macht aber nichts, und es war auch nicht abgesprochen. Ein Sozialbericht ist nicht nur ein äußerst interessantes Zahlenwerk, wie Kollege Schaufler schon so treffend bemerkt hat, sondern auch eine Aussage über die politische Tätigkeit einer Regierung. Wir sprechen heute über die Sozialberichte der Jahre 1997 und 1998 und müssen feststellen, dass in der Zeit, in der das Sozialministerium in den Händen der Sozialdemokraten war, also rund 30 Jahre, leider nicht sehr viel im sozialen Bereich, vor allem im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit, geschehen ist. (Bundesrätin Schicker: Das kommt aber jetzt mit Ihrem Karenzgeld für alle, Frau Kollegin! Das ist gerecht für alle! – Heiterkeit des Bundesrates Konečny. ) – Ja, das ist auch gerecht für alle, das können Sie nachlesen.

Tatsache ist aber, Frau Kollegin Schicker, dass dank der sozialdemokratischen Führung die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen immer noch rund 30 Prozent betragen, etwas, was Sie immer zu Recht beklagt haben. Ich tue das auch. (Bundesrätin Schicker: Über Löhne entscheidet nicht die Regierung, das wissen Sie auch! – Bundesrat Meier: Das macht die Wirtschaft!) Ich frage aber heute einmal mehr – ich habe schon öfter gefragt –: Warum sind Sie hier so untätig gewesen? Warum müssen wir heute noch immer über diese hohen Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen reden, wenn es doch unter Ihrer Führung in Ihrer Hand gelegen wäre, hier Abhilfe zu schaffen? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Aus dieser Verantwortung kann ich Sie leider nicht entlassen, es tut mir Leid.

Das Gleiche ist mit der Armut in Österreich. Eine Million Menschen in Österreich lebt unter Ihrer Federführung in der Regierung unter oder knapp an der Armutsgrenze. Von allen Personen, die als armutsgefährdet angesehen werden, sind rund ein Drittel Kinder. Das müsste Sie doch eigentlich nachdenklich machen. (Bundesrat Weilharter: Das ist der Preis für 30 Jahre Sozialismus!) Das müssten Sie doch genauso bedauern wie ich, und Sie müssten zugeben, dass Sie in diesem Bereich keine gute Regierungspolitik gemacht haben.

Wir können zwar im Bereich der Lehrlinge, die auch schon angesprochen worden sind, jetzt eine Entspannung bemerken, und das führe ich unter anderem darauf zurück, dass die Wirtschaftskonjunktur recht gut angelaufen ist. Ich glaube aber auch, dass das Vertrauen in die neue Regierung seitens der Unternehmer dazu geführt hat, dass wieder mehr Lehrstellen angeboten werden. Leider können wir das im Berichtszeitraum der beiden Sozialberichte nicht bemerken. Sie haben in dieser Zeit zwar statistisch gesehen auch eine Entspannung bewirkt, aber wir wissen sehr genau, dass im Zusammenhang mit den Lehrgängen und Lehrlingsstiftungen, die Sie im Namen des Nationalen Aktionsplans eingeführt haben, von einer versteckten Arbeitslosigkeit gesprochen werden muss, denn es kann nicht Sinn der Sache sein, dass ich nicht im dualen Ausbildungssystem im Betrieb selbst ausbilde, sondern diesen Umweg nehmen muss.

Ich bekenne mich aber trotzdem dazu, was ich auch damals schon gesagt habe, bei aller Kritik: Es ist mir lieber, die Jugendlichen sind in diesen Lehrgängen und Lehrlingsstiftungen untergebracht, als sie sind ohne Hoffnung und ohne Zukunft auf der Straße. Trotzdem dürfen wir nicht so tun, als ob das jetzt die große Offensive gewesen wäre, denn es ist dies eine Art der versteckten Arbeitslosigkeit.

Von Ihrem damaligen Bundeskanzler Klima hat es auch eine Lehrlingsoffensive gegeben, die er im August 1997 in einer "Zur Sache-spezial"-Sendung angekündigt hat. Er hat davon gesprochen, dass es diese Lehrlingsoffensive in Bezug auf Lehrlingsbeschäftigung geben wird, und er hat in dieser Sendung auch angekündigt, dass es eine Lehrlingshotline der Regierung geben werde, bei der sich sowohl Lehrstellensuchende als auch Betriebe, die Lehrlinge einstellen möchten, melden könnten.

Da ist schon einmal der erste Fauxpas passiert, denn es hat sich dann herausgestellt, dass das keine Lehrlingshotline der Bundesregierung war, sondern dass diese Hotline von der SPÖ war. Es hat sich also um eine SPÖ-Nummer und nicht um eine Regierungshotline gehandelt. Es hat dann ziemlich lange gedauert, bis diese Dinge endlich in den Griff zu bekommen waren – dazwischen hat Sozialministerin Hostasch auch noch eine eigene Hotline angekündigt –, bis dann alles endlich halbwegs auf der Schiene war.

Interessant ist auch Folgendes – ich sage das deshalb, weil im Zuge dieser Euroteam-Geschichte, wie das Ganze dann als Überbau genannt worden ist, viele Vorwürfe erhoben worden sind, die bis heute nicht oder nur teilweise entkräftet worden sind –: Es hat sich dann herausgestellt, dass die Jugendlichen, sozusagen die Möchtegern-Lehrlinge, die bei dieser Hotline angerufen haben, aber letzten Endes auch die Betriebe alle schon beim AMS, bis auf ganz wenige Ausnahmen, gemeldet waren. Auch die Firma Euroteam hat selbst zugegeben, dass sie nichts anderes tut, als diese Daten an das AMS weiterzuleiten, womit die Sinnhaftigkeit dieser Initiative schon wieder in Frage gestellt ist.

Auch hinsichtlich des Lehrlingsbeauftragten der Regierung hat ziemliche Unklarheit innerhalb der Sozialdemokraten in der Regierung geherrscht, denn Kanzlersprecher Kalina hat in einer APA-Aussendung gesagt, es gebe überhaupt keinen Lehrlingsbeauftragten, aber Herr Stuhlpfarrer, der Leiter von Euroteam war, hat sich aber sehr wohl mit der Koordination der Lehrlingsoffensive seitens des Bundeskanzleramtes beauftragt gesehen.

Der Auftrag, diese Hotline zu betreiben – das ist nämlich ganz interessant, um diese Verflechtungen auch ein bisschen zu beleuchten –, ist nach einer öffentlichen Ausschreibung an die Billigst- und Bestbieterin, die Firma TBK, gegangen. Diese Firma hat kurz darauf, nachdem sie den Zuschlag bekommen hat, angekündigt, dass sie mit der Firma Euroteam eine gemeinsame Tochterfirma, eben die TBK-Euroteam, wie sie dann geheißen hat, ein Callcenter gründen wird, was dann auch geschehen ist.

In der Selbstdarstellung von Euroteam hat es auch geheißen, dass zu den Aufgaben im Rahmen des Vertrages auch die Errichtung eines Callcenters gehört. Es ist ganz interessant, welche Verflechtungen es bereits gab. Das darf einen aber überhaupt nicht wundern, denn wenn man sich anschaut, wer da aller bei Euroteam dabei war, dann stellt man fest, das liest sich wie eine Hitliste der ehemaligen oder damals tätigen SPÖ-Sekretäre. Da ist zum Beispiel Herr Kalina, das war der Kanzlersprecher, involviert, da ist der Sohn von Bundeskanzler Klima, Herr Jan Klima, involviert und eine ganze Reihe von anderen, die wirklich eine absolute Hitliste darstellen. (Bundesrätin Schicker: Steht das alles im Sozialbericht?)

Nachdem viele Vorwürfe erhoben worden sind, wurde zum Beispiel – damit man sieht, wie diese Lehrlingsoffensive gearbeitet hat –, um eine Wiedereinstiegshilfe für arbeitslose Frauen zu geben, eine CD-Rom produziert, die letzten Endes wörtliche Abschriften und Faksimiles von einer ganzen Reihe von Büchern enthielt, was man urheberrechtlich – ich will nicht "gestohlen" sagen – als "abgekupfert" bezeichnen kann.

Sie haben sich immer auf Ihre Fahnen geheftet, was Sie alles an Offensiven gestartet haben. In dieser Sache Euroteam muss man sagen, außer Spesen eigentlich nichts gewesen, denn das, was herausgekommen ist, steht in überhaupt keiner Relation zu den millionenschweren Subventionen, die an diese Firma Euroteam geflossen sind. Sie haben eigentlich nichts anderes bewirkt, als dass sich die Firma quasi selbst finanziert hat. Lehrling ist so gut wie keiner vermittelt worden.

Die neue Regierung der ÖVP und der FPÖ wird, wie es auch mein Kollege vor mir schon gesagt hat, schwer daran zu arbeiten haben, weil Sie uns ein schweres Erbe hinterlassen haben, aber ich hoffe, dass wir ab dem Jahr 2000 über diese Einkommensunterschiede, über diese Armut nicht mehr in dieser Form sprechen müssen, und da bin ich auch ganz optimistisch. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.40

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile ihr das Wort.

15.40

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde sicher nicht auf alle Einzelheiten eingehen, die hier am Rednerpult von meiner Vorrednerin vorgetragen worden sind, denn ich nehme Bezug auf den Sozialbericht. Dieser steht zur Debatte und nichts anderes.

Ich möchte Folgendes zu Kollegen Schaufler sagen: Er hat hier quasi angeprangert, dass wir uns, als die Sozialdemokraten in der Regierung waren, nicht positiv zur Familienreform gestellt hätten. – Das stimmt bitte nicht! Wir waren immer dafür, dass den Familien auch etwas gegeben wird, aber nur jenen Familien, die es brauchen. Das haben wir immer gefordert, und so wollten wir es auch umsetzen. Wir sind nicht für die jetzige Vorgangsweise, dass – wie üblicherweise auch bei anderen Sozialtransfers – nach dem Gießkannenprinzip sozusagen über alle das Füllhorn ausgeschüttet wird.

Nur einen Satz zur Kollegin Mühlwerth. Ich werde dann auch in meinem Redebeitrag darauf zu sprechen kommen, wie Sie uns beibringen wollten, wie Einkommensunterschiede entstehen, wie sich in diesem Bereich die Differenz zwischen Männern und Frauen bildet. Sie wissen ganz genau, dass Einkommensunterschiede, dass Löhne nicht von einer Regierung bestimmt werden, sondern sich aus vielen anderen Kriterien zusammensetzen. Ich brauche doch Ihnen als Frau nicht zu erklären, warum viele Frauen ein geringeres Einkommen haben als Männer. All diese Kriterien werde ich Ihnen im Laufe meiner Rede auch noch zur Kenntnis bringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Mein Vorredner und auch meine Vorrednerin haben schon aufgezeigt, dass diese beiden Sozialberichte, die wir heute zu diskutieren haben, eindrucksvolle und aufschlussreiche Tätigkeitsberichte sind. Ich glaube, man muss von dieser Stelle aus noch einmal den Beamtinnen und Beamten des Bundesministeriums für diese so genannten Nachschlagwerke danken, die man immer wieder zur Hand nehmen kann und auch zur Hand nehmen muss, um einige Sachen aufzuklären. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schöls .)

Ich möchte nun auf einige Punkte eingehen. Ich beziehe mich hier natürlich auf die frauenspezifischen Punkte. Ich muss hier dem zustimmen, was Sie gesagt haben, aber aus einer anderen Perspektive, nämlich dass es diese beträchtlichen Differenzen zwischen den Einkommen von Frauen und Männern und natürlich auch bei den Pensionen gibt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ergibt sich logisch!)  – Das ist logisch, ja.

Das zeigt sich auch bei der Höhe der neu zuerkannten Pensionsleistungen, wenn man den Sozialbericht durchblättert. Ich habe mich damit recht ausführlich beschäftigt. Natürlich kann ich jetzt nicht alles hier am Rednerpult aufzeigen. Die Pensionsleistungen differieren, weil Frauen nach wie vor kürzere Versicherungszeiten haben und auch sehr oft viele Jahre hindurch teilzeitbeschäftigt sind. Wir sagen, Teilzeitbeschäftigung für Frauen mit Kindern, solange sie klein sind, ist gut; sie sollten aber später in den Vollerwerb zurückkehren, um ihre Versicherungsleistungen so erbringen zu können, dass sie auch eine ihnen zustehende höhere Pension in Anspruch nehmen können. (Bundesrätin Mühlwerth: Wenn sie es wollen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist weiters anzumerken, dass leider mehrheitlich Frauen Ausgleichszulagenbezieher sind – nach wie vor –, und das wird auch in den kommenden Jahren so bleiben, auch wenn eine andere Regierung am Werk sein wird, Frau Kollegin! Das wird sich nicht ändern, weil eben auf Grund dieser vorhin gemachten Erklärung Frauen leider eher zu Ausgleichszulagenbezieherinnen werden als Männer, die ein durchgehendes Berufsbild und durchgehende Versicherungs- und Beitragsjahre haben.

Trotzdem muss man sagen, dass in den letzten Jahren gerade die Ausgleichszulage immer wieder angehoben wurde – auch durch Einmalzahlungen, einmal 500 S am 1. Jänner, einmal 500 S am 1. Juli, um, wie gesagt, für diese älteren Menschen eine einigermaßen zufriedenstellende Mindestsicherung gewährleisten zu können.

Ein weiterer Punkt, den ich hier noch ansprechen möchte, ist die Beschäftigungslage. Im Jahre 1998 ist die Arbeitslosenrate zwischenzeitig wieder gering auf 7,2 Prozent gestiegen. Im Jahresdurchschnitt waren damals rund 238 000 Menschen arbeitslos gemeldet. Die Frauenarbeitslosenquote lag nach wie vor über jener der Männer, nämlich bei 7,5 Prozent. Auch dieser leichte Anstieg im Jahre 1998 ging leider wieder zu Lasten der Frauen.

Wenn man diese Zahlen des Jahres 1998 den aktuellen Arbeitslosenzahlen per Ende April gegenüberstellt, so kann man doch mit Recht feststellen, dass die großen Bemühungen der Bundesregierung in den beiden letzten Jahren, auch mit Hilfe des NAP, Früchte tragen: Die Zahl der Arbeitslosen ist von damals rund 230 000 per Ende April 2000 auf 194 000 gesunken.

Zu den im Sozialbericht angeführten Sozialleistungen für die Familien möchte ich noch Folgendes anmerken: In den letzten acht Jahren, also von 1990 bis 1998, sind die Sozialleistungen für die Familien um 50 Prozent gestiegen – und das auch unter einer sozialdemokratischen Bundesregierung. Stellen Sie sich das vor, Herr Kollege Schaufler! Um 50 Prozent sind die Sozialleistungen für die Familien gestiegen! (Bundesrat Schaufler: Sie wissen, dass das wenig ist!) Diese Sozialleistungen beinhalten – das wissen wir auch – die Familienbeihilfe, das Wochengeld, das Karenzgeld – damals noch in höherem Maße Geburtenbeihilfen –, auch Kindergartenbeihilfen und sonstige Leistungen. Dass Familien durch Sozialleistungen unterstützt werden, ist wirklich löblich und wünschenswert – allerdings nur für jene, die sie brauchen. Das sage ich immer wieder. Hier muss soziale Treffsicherheit gewährleistet sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Diese Treffsicherheit ist aber in Bezug auf das Karenzgeld, das jetzt ansteht, beschlossen zu werden, nicht gegeben. Ich darf Sie von dieser Stelle aus ersuchen, noch einmal einen Nachdenkprozess einzuleiten, noch dazu, da auch aus Ihren eigenen Reihen Kritik dazu kommt. Ich zitiere Finanzminister Grasser, der es ebenfalls nicht einsieht, warum Familien, die es sich wirklich leisten können, noch zusätzlich mit Karenzgeld für ihre Kinder quasi bedient werden sollen.

An der verwaltungsmäßigen Umsetzung, wie ich so zwischen den Zeilen immer lese und höre, kann es doch nicht liegen, dass hier eine Einkommensdeckelung eingezogen werden sollte. Dieses Argument erscheint mir als zu einfach gewählt.

Im Gegenzug dazu bräuchten die Alleinerzieherinnen wirklich mehr Hilfestellungen. Alleinerzieherinnen sollte das Karenzgeld länger gewährt werden, es sollte ihnen auch ein höheres Karenzgeld zugestanden werden. Dies wäre eine echte Hilfestellung für jene, die es wirklich brauchen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.49

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Alfred Schöls.

Ich mache darauf aufmerksam, dass ich die Rede gegebenenfalls um 16 Uhr unterbrechen müsste, damit die dringliche Anfrage in Behandlung genommen werden kann. – Bitte, Herr Bundesrat.

15.49

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Ich werde versuchen, dass es zu keiner Unterbrechung kommt.

Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute zwei Sozialberichte aus zwei Jahren, die für die Sozialpolitik durchaus erfolgreiche Jahre waren. Ich habe erst vor wenigen Wochen die Gelegenheit gehabt, mit Parlamentariern anderer Länder auch über die soziale Situation in ihren Staaten zu diskutieren, und ich muss Ihnen sagen, diese wären froh, wenn sie unsere Sorgen hätten.

Ich meine daher wirklich, dass wir alle zusammen allen Grund dazu haben, stolz darauf und froh darüber zu sein, dass wir in einem Land Politik machen und auch Politik für die Zukunft gestalten können, das einen hohen sozialen Standard hat und in dem auch eine einigermaßen hohe soziale Gerechtigkeit vorhanden ist.

Ich stehe nicht an, allen zu danken, die in der Vergangenheit dazu beigetragen haben. Ich beginne ganz bewusst bei der ehemaligen Bundesministerin für soziale Fragen, bei meiner Gewerkschaftskollegin Lore Hostasch. Ich möchte auch die Mitarbeiter im Ministerium nicht unerwähnt lassen, ich darf aber auch die vielen Verbände und Vereine erwähnen, die dazu beigetragen haben, dass das, was wir durch verschiedene Sozialgesetze anpeilen, auch entsprechend umgesetzt wird. Ich denke nur an die Hauskrankenpflege und an die verschiedensten Dienste, die in verschiedensten Bereichen tätig sind. Ich meine daher, wir sollten das durchaus an den Beginn der Diskussion zu diesem Sozialbericht stellen und uns nicht ständig selbst aus irgendwelchen tagespolitischen Gründen um unsere Leistungen bringen – weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

In Anbetracht der Redezeitvorgabe möchte ich nur ein paar Punkte ansprechen, die uns aber allen Grund zur Sorge geben: Die Frage der Einkommenssituation der Frauen, die Frage der geringfügig Beschäftigten, die wir noch nicht gelöst haben, die Frage eines gerechten Mindestlohns, wenn wir uns die Zahlen anschauen – all das spricht für sich. Das sind Punkte, die sicherlich in Zukunft noch gemeinsam zu lösen sein werden. Aber es gibt auch Lichtblicke, wenn ich mir die prognostizierten Beschäftigtenzahlen, die prognostizierten Wirtschaftsdaten ansehe. Diese sprechen meiner Meinung nach im positiven Sinn für sich.

Wir sollten mit der Theorie des Angstmachens aufhören. Wir haben jahrelang gemeinsam gute Sozialpolitik betrieben. Ich wiederhole mich ganz bewusst: Wir haben einen hohen Standard in der Sozialpolitik, auch bei den Sozialversicherungsträgern, bezüglich derer manches Mal aus den verschiedensten Ecken – ich stehe zu dieser Aussage – auch unqualifizierte Angriffe sowohl auf die Funktionäre in den Sozialversicherungsträgern als auch auf die Institutionen kommen. Die Sozialversicherungsträger haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten und ihrer Verantwortung sehr viel zum Positiven beigetragen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Dazu sollten wir stehen, wir sollten nicht alles über Bord werfen, wenn es darum geht, sich zur Sozialpolitik zu bekennen. Es haben auch die Sozialpartner – bedauerlicherweise ist Kollege Marizzi jetzt nicht anwesend, weil er Fritz Neugebauer angesprochen hat – in der Vergangenheit sehr viel zum Positiven beigetragen. Fritz Neugebauer hat – dazu bekenne mich – bei der Veranstaltung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes am vergangenen Freitag, an der ich auch teilgenommen habe, gesagt, eine Bundesregierung, die sich nicht zur Einbindung der Sozialpartnerschaft bekennt, hat bereits ein Ablaufdatum.

Auch ich hoffe sehr, dass sich diese Bundesregierung zur Einbindung der Sozialpartner bekennt. Daher, meine lieben Freunde von der sozialdemokratischen Fraktion: So Leid es euch tut, so sehr es schmerzen mag und so sehr es auch mich in Anbetracht mancher "Humps", "Dumps" oder ähnlicher Dinge manches Mal schmerzt, ihr werdet damit leben müssen, dass das Ablaufdatum dieser Bundesregierung noch lange nicht erreicht ist, wenn es um diese Frage geht, weil die Sozialpartner auch in dieser Bundesregierung ihren Stellenwert haben.

Ich habe darum gebeten, bisherige Sozialleistungen nicht zu schmälern, ich darf aber auch darum bitten, dass wir uns gemeinsam dazu bekennen, dass wir, wenn notwendige Reformschritte gesetzt werden müssen – so schmerzlich sie sind; ECOFIN und einige andere Dinge wurden schon angesprochen –, nicht den Fehler mancher Gruppierungen der SPÖ begehen, dass wir nämlich die Verunsicherung auf die Spitze treiben. Damit höre ich auch schon auf.

Ich habe sehr großes Unbehagen dabei empfunden, als Vertreter der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt ebenfalls bei dieser ÖGB-Veranstaltung am vergangenen Freitag den Eindruck erweckt haben, dass, sollten in diesem Bereich Strukturmaßnahmen anstehen und sollte es da und dort zu Umschichtungen kommen, die niemand gerne zur Kenntnis nimmt – auch das sei außer Streit gestellt –, das ein Zurück in die Steinzeit der Unfallversicherung bedeutet. Ich habe das als sehr schmerzlich empfunden, weil die Veranstaltung am Freitag an und für sich von der Grundaussage her positiv war, wobei ich mich nicht nur mit der Aussagen des Kollegen Neugebauer identifiziere, sondern auch mit den meisten Aussagen, die dort getroffen wurden. Ich denke nur daran, dass betreffend öffentlicher Dienst darauf hingewiesen wurde, welche Ministerratsbeschlüsse dazu führen, dass im Bereich der Exekutive Personaleinsparungen greifen müssen. Aber Kollege Schlögl kann sich heute nicht mehr daran erinnern, dass seine Ministerratsvorlage nun umgesetzt wird.

Auf der anderen Seite sagt aber ein verantwortlicher Funktionär der AUVA, wenn diese Maßnahmen kommen, dann ist das ein Zurück zum Holzrollstuhl und zur Prothese mit dem Metallhaken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist auch keine verantwortungsvolle Sozialpolitik! Ich meine, Sozialpolitik mit Augenmaß in der Zukunft ist weiter gefragt. Für die Vergangenheit brauchen wir uns ohnehin nicht zu genieren. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.56

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Redner hat sich Herr Bundesrat Koller gemeldet. Es ist aber bereit 15.56 Uhr und 36 Sekunden. Ich würde vorschlagen, dass ich jetzt die dringliche Anfrage aufrufe und Sie anschließend zu Wort kommen.

Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Mag. Melitta Trunk, Professor Albrecht Konečny und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend neuerliche Belastungen für die Länder und negative finanzielle Auswirkungen des Beschlusses des Nationalrates vom 26. April 2000 betreffend ein Bundesgesetz über die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der ÖIAG und der Post- und Telekom-Beteiligungsverwaltungs GmbH auf die Länder (1708/J-BR/00)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zur Behandlung der dringlichen Anfrage der Bundesräte Mag. Trunk und Genossen an den Bundesminister für Finanzen.

Da diese Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk als erste Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

15.57

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Staatssekretär! Die SPÖ-Fraktion sieht sich veranlasst, diese dringliche Anfrage zu stellen, weil es am heutigen Tag in zweifacher demokratischer Weise nicht möglich war, einem Begehr, nicht nur der sozialdemokratischen Fraktion im Bundesrat, sondern auch vieler Betroffener, stattzugeben, und zwar sich Gehör zu verschaffen. Das heißt, unserem Antrag auf Einspruch zu diesem Gesetz wurde seitens der FPÖ und der ÖVP nicht stattgegeben. Das ist demokratisch.

Zweitens: Es wurde damit – ich meine, in "einzigartiger" Weise – auch die 24-stündige Frist in partnerschaftlicher Teilung zwischen ÖVP und FPÖ aufgehoben (Bundesrat Bieringer: Haben wir von Ihnen gelernt, Frau Kollegin! Haben wir von der SPÖ gelernt! Auflagenfristen nicht einhalten!), und daher sind wir veranlasst, dass Sie sich, Herr Staatssekretär, jetzt in Vertretung des Finanzministers unseren Fragen zu stellen haben, und wir hoffen, dass Sie, im Gegensatz zur letzten Bundesratssitzung, diese Anfragen, die sehr konkret und sehr präzise formuliert wurden, auch konkret und präzise beantworten werden.

Herr Staatssekretär! Die Tatsache, dass wir auch am heutigen Tag mit einem Konvolut an Gesetzesmaterien- und -veränderungen konfrontiert sind, ist eine Qualität der Geschwindigkeit, die grundsätzlich etwas sehr Positives ist, aber dahinter steckt auch etwas sehr Bedenkliches, nämlich dass bei der Behandlung sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat eine sehr gute demokratische und demokratiepolitische Gepflogenheit außer Acht gelassen wird, nämlich dass die guten demokratischen, politischen – zugegebenermaßen auch auseinandersetzungsreichen – Debatten nun nicht stattfinden und dass auch alle Betroffenen nicht in die Erarbeitung, in die Erstellung in Form von Begutachtungsverfahren und Stellungnahmen mit einbezogen werden.

Wenn die sozialdemokratische Bundesratsfraktion heute eine Stellungnahme der Kärntner Landesregierung, unterfertigt vom zuständigen Landeshauptmann, auch unter anderem neben den vorher formulierten Gründen für eine Anfrage zum Anlass nimmt, dann hat das nichts mit taktischem Spiel zu tun, sondern ist das doch ein Beispiel dafür, dass auch involvierte Koalitionspartner nicht in allen Fragen mit dieser Vorgangsweise einverstanden sind.

Das heißt, dass das beschlossene Gesetz Veränderungen im Bereich der ÖIAG und der Post vorsieht und Befürchtungen – diese müssen doch wohl noch offen ausgesprochen werden können – in Bezug auf den Wirtschaftsstandort Österreich, in Bezug auf die Beschäftigungspolitik und den Arbeitsmarkt in Österreich entstehen lässt, und ich denke, diese Befürchtungen gehören auch berücksichtigt.

Aus diesem Grund halte ich auch als Bundesrätin des Landes Kärnten – ich sehe doch in allen Fragen grundsätzlich die Republik Österreich, aber auch mein Bundesland Kärnten – die Befürchtungen, die in dieser Stellungnahme der Kärntner Landesregierung formuliert wurden, für sehr berechtigt und schließe mich dem an.

Ich ersuche Sie, Herr Staatssekretär, daher, mit einer Gepflogenheit von mittlerweile vielen Ministern, nämlich entweder gestellte Fragen nicht zu beantworten oder gestellte Fragen so zu beantworten, dass sie keine Antwort sind, heute zu brechen. Wenn wir diese Anfragen heute an Sie stellen, dann erwarten wir von Ihnen, dass Sie sie in der Tat aus Ihrer Sicht gemäß ihrer Notwendigkeit, aber in demokratiepolitischer Form beantworten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der Anfrage erteile ich Herrn Staatssekretär Dr. Alfred Finz das Wort. – Bitte.

16.02

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich bitte, die Fragen 1 bis 3 gemeinsam beantworten zu dürfen, da sie einen inhaltlichen Zusammenhang haben. Sie lauten konkret:

1. Frage: "Wie beurteilen Sie die Einwendungen des Amtes der Kärntner Landesregierung, unterzeichnet durch Landeshauptmann Jörg Haider?"

2. Frage: "Welche Ertragsausfälle hat das Bundesministerium für Finanzen für die Länder – im einzelnen aufgeschlüsselt – nach den bisherigen Annahmen der Privatisierungserwartungen berechnet?"

3. Frage: "Welche Ertragsausfälle hat das Bundesministerium für Finanzen für die Gemeinden nach den bisherigen Annahmen der Privatisierungserwartungen berechnet?"

Ich möchte zunächst festhalten, dass das Amt der Kärntner Landesregierung, dessen Schreiben mir im Original vorliegt, grundsätzlich gegen die beabsichtigte Fusionierung von ÖIAG, PTBG und PTA keinen Einwand hat. Es geht nur um § 17 des ÖIAG-Gesetzes, in dem im Abgabenrecht praktisch eine Fortschreibung der bereits im alten ÖIAG-Gesetz – zuletzt 1993 novelliert – sowie im Poststrukturgesetz 1996 – zuletzt 1998 novelliert – enthaltenen steuerrechtlichen Regelungen erfolgt.

Bei der vorgesehenen Fusion von ÖIAG mit PTBG und PTA sind bereits auf Grund der bestehenden Rechtslage die Regelungen des Umgründungssteuergesetzes anzuwenden, sodass keine zusätzliche Begünstigung dieser Vorgänge in steuerlicher Hinsicht gegeben ist. Es handelt sich dabei also nur um eine schon bestehende steuerrechtliche Möglichkeit, die für diesen Verschmelzungsvorgang fortgeschrieben wird. Da weder die PTA noch die PTBG über ein Liegenschaftsvermögen verfügen, stellt die Regelung des § 17 des ÖIAG-Gesetzes 2000 auch keine Begünstigung oder Benachteiligung – je nachdem, wie man es sehen will – in grunderwerbssteuerrechtlicher Hinsicht dar. Es existieren aus diesem Grund auch keinerlei Berechnungen darüber, welche Anteile anfallen oder den Gemeinden entfallen oder den Ländern entfallen, weil es praktisch Usus ist – es wurde bisher schon so gehandhabt –, der in diesem Gesetz nun fortgeschrieben wird.

Nun zur 4. Frage: "Sind Vertreter der Länder oder Gemeinden an Sie herangetreten, um in dieser Angelegenheit den Konsultationsmechanismus auszulösen?"

Nein, sie sind nicht an uns herangetreten, denn gemäß Artikel 6 Z 3 der Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften gilt ebendiese Vereinbarung nicht für rechtssetzende Maßnahmen, die auf dem Gebiet des Abgabenrechts und der bundesgesetzlichen Regelungen des Finanzausgleichs sowie der daraus abgeleiteten landesgesetzlichen Regelungen getroffen werden.

Auch die Fragen 5 bis 7 erlaube ich mir wegen des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam zu beantworten.

"5. Welche Maßnahmen für weitere Einsparungsvorschläge haben Sie heute im Ministerrat präsentiert?" – Die Frage ist an den Bundesminister für Finanzen gerichtet.

"6. Wie wurden diese Maßnahmen von Ihren RegierungskollegInnen beurteilt?"

"7. Wie beurteilen Sie die Aussagen von Volkswirten, die ein weiteres Sparpaket als notwendig ansehen?"

Der Herr Minister hat heute im Ministerrat über den ECOFIN berichtet. Dabei wurde grundsätzlich keine weitere Verschärfung der Maßnahmen angekündigt, allerdings mit einer Ausnahme, nämlich dass die bereits vorgesehenen Regelungen, was das ausgabenseitige Sparen durch Strukturmaßnahmen betrifft, konsequent umgesetzt werden sollen.

Bereits in den letzten Budgetverhandlungen wurden mit allen Ministern folgende Punkte vereinbart: Jeder Minister hat für das Budgetjahr 2001 drei Beispiele für eine Aufgabenkritik anzuführen – also Abbau von Leistungen, Beschränkung des jeweiligen Ressorts auf Kernaufgaben mit dem jeweiligen Einsparungspotenzial – und darüber hinaus noch in einer weiteren Liste anzuführen, durch welche Maßnahmen verbleibende Kernaufgaben in Zukunft zweckmäßiger, wirtschaftlicher und effizienter durchgeführt werden können – bis hin zu Ausgliederungen oder Out-sourcing.

Diese Maßnahmen sind die Voraussetzung dafür, dass wir bis zum Jahre 2003 9 000 Planstellen nicht mehr nachbesetzen. Die bisherige Politik, nämlich einfach nicht nachzubesetzen, gleichzeitig aber die Aufgaben so zu belassen, wie sie sind, kann nicht mehr fortgesetzt werden. Diese weiteren "Sparpakete", also Personalreduktionen, können nur dann umgesetzt werden, wenn es zu echten Aufgabenveränderungen kommt. Dieses Programm müssen wir nachhaltig umsetzen!

Das ist eine neue Art von Politik, denn bisher gab es die Vorstellung – mein Amtsvorgänger im Finanzministerium, Staatssekretär Ruttenstorfer, hat das, wie ich weiß, geglaubt –, solange Budgets zu kürzen und Posten nicht mehr nachzubesetzen – denn all das ist nicht neu –, bis die Dienststellen derart unter Druck geraten, dass sie von selbst etwas nachlassen beziehungsweise Aufgaben abgeben.

Dieses Programm hat bisher nicht gewirkt, darum wollen wir den umgekehrten Weg gehen, also zuerst konkrete Aufgaben reduzieren und durch ein strenges Controlling sichern, dass diese Aufgaben tatsächlich abgegeben werden, auch und vor allem die entsprechenden Beträge mittels eines Controllingverfahrens kontrollieren und mit Meilensteinen – vierteljährliche Sitzungen – begleitend verfolgen, um die vereinbarten Ziele auch zu erreichen. Das ist ein Beitrag zum New Public Management, und darum wurde auch in der Novelle 2000 Bundesministeriengesetz für das Finanzministerium eine eigens geschaffene Controllingfunktion eingerichtet. Der Herr Bundesminister hat mir als einem der ersten Akte diese Controllingfunktion im selbständigen Wirkungsbereich übertragen.

Mit der Frage nach weiteren Sparpaketen meinen Sie natürlich jenes berühmte Sparpaket aus dem Jahre 1996/97, mit welchem durch einnahmenseitige und ausgabenseitige Maßnahmen in einem "Kolossalschlag" 100 Milliarden Schilling geholt wurden. Wenn ich das mit der heurigen Summe in der Höhe von 7 Milliarden Schilling an einnahmenseitiger Einsparung vergleiche, erstarre ich fast in Ehrfurcht vor dieser Summe, die aber keine nachhaltige Infrastrukturänderung bewirkt hat – das ist das Furchtbare! Darum müssen wir neuerlich an den Stabilitätsmaßnahmen arbeiten. Dafür sind diese 7 Milliarden, um die wir leider die Einnahmen erhöhen mussten und die heute in der Debatte über die Budgetbegleitgesetze beklagt wurden, relativ angemessen, relativ bescheiden.

Einen derart umfangreichen Schlag gegen den Staatsbürger wollen wir nicht. Wir wollen den Staat vor allem durch Aufgabenreduktionen schlanker machen. Wir wollen lange Behördenwege abbauen, Lean-Management, nur einstufige Prozesse, also das Vier-Augen-Prinzip einführen, nicht mehr diese langen Litaneien, Globalisierungsbudgets, es sollen keine Akten hin und hergeschickt werden – also jene Aktenbilder, auf denen Unterschriften sind, obwohl es oft nur um Lächerlichkeiten geht –, all das wollen wir abbauen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frage 8: "Was werden Sie als Vertreter des Bundes unternehmen, um die traditionellen Länderüberschüsse festzuschreiben?"

Ich muss zunächst darauf hinweisen, dass heute gesagt wurde, dass der erwartete Länderüberschuss von 0,5 Prozent angeblich nur mehr minus 0,3 Prozent betragen soll. So arg ist es nicht! Das ist in der Zeitung falsch wiedergegeben worden.

Wenn man die bisherigen Ländervoranschläge für das Jahr 2000 zusammenrechnet, dann kommen Sie in den Voranschlagszahlen nicht auf jenen Überschuss in der Höhe von 0,5 Prozent, den wir für den Stabilitätspakt brauchen, sondern nur auf einen Überschuss von 0,3 Prozent. Das "reicht" aber auch schon, denn diese 0,2 Prozentpunkte weniger bedeuten einen höheren Konsolidierungsbedarf von 6 bis 10 Milliarden Schilling. Das ist bedenklich, das gebe ich schon zu.

Dazu ist jedoch zu sagen, dass die Länder bisher schon immer sehr vorsichtig budgetiert und in der Regel einen wesentlich höheren Erfolg gehabt haben, als der Voranschlag vorsah. Insbesondere rechnen wir damit, dass Wien, das derzeit ein Defizit veranschlagt hat, einen Überschuss bekommen wird. Es hat bereits zwei Verhandlungsrunden im Zusammenhang mit den Finanzausgleichsverhandlungen gegeben, in denen allgemein anerkannt worden ist, dass nicht nur der Bund zu stabilisieren beziehungsweise zu konsolidieren hat, sondern auch die Länder und Gemeinden einen entsprechenden Beitrag zu leisten haben. Es wurde auch von den Länder- und Gemeindevertretern außer Streit gestellt, dass dieser Beitrag, nämlich ein Plus von 0,5 Prozent, weiterhin die Zielvorgabe sein soll.

Ich erlaube mir, die Fragen 9, 10 und 11 wegen ihres inhaltlichen Zusammenhangs zusammenzuziehen.

Frage 9: "Was werden Sie unternehmen, um Sozialtransfers treffsicherer zu gestalten?"

Frage 10: "Wie beurteilen Sie die Treffsicherheit des Karenzgeldes für alle?"

Frage 11: "Wie beurteilen Sie die Aussage von Bundesministerin Sickl und den ÖVP-Ministern, die eine Staffelung beim Familiengeld ablehnen?"

Ich möchte grundsätzlich auf das Koalitionsübereinkommen hinweisen, in dem einerseits die Treffsicherheit von sozialen Ausgaben als Ziel – das wollen wir nach einer entsprechenden Beurteilung anstreben – und außerdem das Karenzgeld für alle als programmatischer Grundsatz festgelegt wurden.

Bezüglich Treffsicherheit wurde am 10. April dieses Jahres eine eigene Arbeitsgruppe unter der Leitung der Frau Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen sowie des Herrn Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit konstituiert. Diese wird unter Hinzuziehung von Experten das gesamte Sozialsystem durchleuchten und versuchen, eine Erhöhung der Treffsicherheit zu erreichen. Ein Beispiel dafür, wie man die Treffsicherheit erhöhen kann, habe ich mit dem Postversand heute schon angeführt.

Des Weiteren möchte ich betonen, dass man bei bestimmten Leistungen schon den Charakter genau unterscheiden muss. Es gibt zunächst einmal die Familienförderung in Form von Familienbeihilfen. Dabei sind höchstgerichtliche Sprüche zu berücksichtigen, die besagen, dass auch die Kinder von so genannten "Reichen" einen Unterstützungsanspruch haben, weil es dabei um die Förderung des Kindes und nicht um eine Förderung der Eltern geht. Nur in diesem Rahmen kann sich eine Neuregelung bewegen, also unter Beachtung der Urteile der Gerichte, insbesondere der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes.

Beim Karenzgeld muss man beachten, dass es sich grundsätzlich um eine Versicherungsleistung handelt. Eine Versicherungsleistung ist aber grundsätzlich kein Instrument der Umverteilung; es ist bei der Kfz-Haftpflichtversicherung auch nicht so geregelt, dass ein reicher Autobesitzer einen höheren Kfz-Versicherungsbeitrag zahlt. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.)

Es geht dabei um eine Risikoabdeckung, diesen Grundsatz muss man festhalten. (Bundesrat Freiberger: Jeder, der etwas einzahlt, soll etwas bekommen?!) – Da geht es natürlich auch darum, wie viele etwas einzahlen, wie viele nicht erfasst sind. Man kann natürlich auch Ersatzleistungen berücksichtigen. (Bundesrat Freiberger: Wo bleibt die Versicherung?) Es steht ungefähr 91 zu 9 Prozent, also eine Restgröße! Dann kommt natürlich die soziale Treffsicherheit dazu, man muss schauen, dass – irgendjemand muss einen Beitrag dafür zahlen – man auch diese Gruppe miteinschließt.

Frage 12: "Werden Sie die Entlastung der Unternehmer fortsetzen?" 

Dazu ist zu bemerken, dass die Unternehmer bis jetzt keinen Groschen aus dem Budget bekommen haben, sondern dass es nur Entlastungen in Form einer Senkung der Lohnnebenkosten gab – eine schon lange diskutierte Forderung. Es ist im internationalen Wettbewerb – um den geht es – für die Standortsicherung in einer globalisierten Welt ganz wichtig, dass zur Entlastung der Unternehmerschaft die Lohnnebenkosten, also die von den Unternehmern selbst zu tragenden Lohnkosten durchforstet und nach Möglichkeit bis zum Jahre 2003 im Sinne der Stärkung des Wettbewerbs abgebaut werden. Das sind jedoch keine Leistungen aus dem Budget, daher findet aus diesem Titel keine Umverteilung von unten nach oben statt.

Zur Frage 13: "Wie werden Sie die Entwicklung des Verteidigungsbudgets zu beeinflussen versuchen?"

Nicht nur das Verteidigungsressorts, alle Ressorts müssen einen Beitrag dazu leisten, dass die im Rahmen der Konsolidierung gesetzten Ziele erfüllt werden. Wir haben aber das Problem – daran ist aber nicht diese Regierung schuld –, dass nicht nur die Landesverteidigung, aber besonders sie jahrelang nicht entsprechend ihren Bedürfnissen berücksichtigt wurde und daher einen großen Nachholbedarf hat.

Nicht umsonst wurden heute die Hubschrauber erwähnt. Wie der Herr Minister heute gesagt hat, müssen etliche Hubschrauber wegen ihres Alters außer Dienst gestellt werden, weil nicht zeitgerecht für eine entsprechende Nachrüstung gesorgt wurde. Wir haben auf dem LKW-Sektor dieselbe Situation. Besonders bei den Abfangjägern ist es so, dass ein gänzlich veraltetes Gerät zur Verfügung steht, das teuer ist, weil es durch teure Reparaturen auf dem laufenden Stand gehalten werden muss. Um die verlängerte Einsatzdauer zu berücksichtigen, kann die Flugtätigkeit nur mehr eingeschränkt ausgeübt werden.

Daher muss man die Sorgen der Landesverteidigung ernst nehmen. Gemäß der diesbezüglichen Passage im Koalitionsübereinkommen, die wortwörtlich aus dem verhandelten Übereinkommen mit den Sozialdemokraten übernommen worden ist, wird in dieser Legislaturperiode der Grundsatzbeschluss für die Abfangjäger getroffen; die entsprechenden Beschaffungsvorgänge werden dann in der nächsten Legislaturperiode vorgenommen.

Es muss dabei natürlich sichergestellt werden, dass jedes Ressort einen entsprechenden Beitrag dazu leistet. Daher wurden etwa sämtliche militärische Liegenschaften in den Bereich der Landesverteidigung übergeleitet. Die daraus zu erzielenden Erlöse können nun zur Gänze für die Landesverteidigung genützt werden.

Außerdem muss es uns gelingen, auch im Bereich der Landesverteidigung durch eine Umstrukturierung eine schlankere Verwaltung zu erzielen, um auf diese Weise einen gewissen Beitrag zur Sicherung des Landesverteidigungsbudgets zu erwirken. Wir haben bei der Landesverteidigung nämlich das Problem, dass wir im Vergleich zu anderen militärischen Ausgaben hohe Personalkosten haben. Es wird zwar immer mit internationalen Vergleichen operiert, dabei wird allerdings nicht berücksichtigt, dass die verglichenen Zahlen nicht ganz gleich sind, da in anderen Ländern die Pensionszahlungen mit eingerechnet sind. Da sie bei uns nicht mit eingerechnet werden, schaut ein solcher Vergleich etwas ungünstig aus. Er ist zwar auch absolut gesehen ungünstig – das gebe ich zu! –, allerdings ist im Vergleich zu anderen Armeen unser Personalanteil äußerst hoch, das sei dazugesagt! Daher brauchen wir eine Abschlankung, durch die entscheidende Mittel für die Aufrüstung beziehungsweise Nachrüstung des Heeres freigesetzt werden können.

Ich hoffe, dass ich alles sachkundig und zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet habe. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.19

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein, in der die Redezeit jedes Redners bekanntlich auf insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Albrecht Konečny das Wort. – Bitte.

16.20

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ohne dass ich mich mit den Inhalten Ihrer Antworten in jedem Fall identifiziere – obwohl es da durchaus Berührungspunkte gibt –, möchte ich Ihnen, im Gegensatz zu anderen Regierungsmitgliedern, mit denen wir uns in den letzten Wochen in derselben Form auseinander gesetzt haben, gerne bescheinigen, dass Sie sich bemüht haben, auf konkrete Fragen aus Ihrer Sicht konkret zu antworten – das ist Ihr gutes Recht –, und ich freue mich darüber. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm. )

Der politische Dialog macht nur dann Sinn, wenn man die eigene Meinung darstellt, sich damit der Kritik des anderen aussetzt und nicht mit Floskeln und nicht mit Parolen operiert, und ich möchte mich bei Ihnen – ich sage es noch einmal – dafür bedanken.

Aber ich gebe zu, dass ich das zum Anlass nehmen muss, um, bevor ich mich mit einigen Ihrer Antworten auseinander setze, das Haus mit einem Vorgang zu befassen, der mir in höchstem Maße skandalös – ich meine, was ich sage – erscheint.

Wir haben heute Vormittag eine Debatte darüber gehabt, ob es sinnvoll erschiene, auf Grund des Monitums des Landes Kärnten – wir haben das auch in eine Frage eingebaut – die Behandlung der Vorlagen zurückzustellen. Herr Professor Böhm hat seine Meinung dazu klar zum Ausdruck gebracht. Er hat – darüber haben wir dann später ein wenig diskutiert – mit einer Formulierung geschlossen, bezüglich der wir uns dann darauf geeinigt haben, dass sie "taktisches Spiel" geheißen hat.

Herr Professor Böhm! Ich weiß nicht, ob Sie den folgenden Text überhaupt kennen, und im Interesse unserer Zusammenarbeitsfähigkeit in der Präsidialkonferenz hoffe ich, dass Sie ihn nicht kennen. Ich bringe dem Haus die Aussendung des freiheitlichen Pressereferates über Ihre Ausführungen zur Kenntnis.

Der Titel heißt: "Böhm: Schmierentheater der SPÖ-Bundesräte." Der Untertitel lautet: "SP will ihre Pfründe" – was immer das in diesem Zusammenhang heißen soll – "mit Scheinmaßnahmen schützen". Anführungszeichen: "‚Die SPÖ versucht, mit dubiosen Methoden ihre Versorgungsposten zu retten.‘ So kommentierte der Fraktionsvorsitzende der freiheitlichen Bundesräte Prof. Dr. Böhm die heutige Scheinaktion der Sozialdemokratischen Bundesräte."

Es gibt am Schluss noch einmal die nette Formulierung: "‚Die Genossen der SP-Fraktion wollen vermutlich durch ihre Verzögerungstaktik noch einen letzten Rettungsversuch für ihre Versorgungsposten wagen‘, schlussfolgerte Böhm."

Herr Kollege Böhm! Ich bescheinige Ihnen gerne und mit voller Überzeugung, dass Sie kein Wort davon in diesem Haus gesagt haben. Ich fordere Sie auf – erforderlichenfalls stellt
der Präsident Ihnen gerne die Mitschrift dessen, was Sie tatsächlich gesagt haben, zur Verfügung –, sich hier und in der Öffentlichkeit von dieser skandalösen Verfälschung Ihrer Wortmeldung durch Ihren eigenen Parteipressedienst zu distanzieren. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Scheuch: Haben Sie auch die Presseaussendung der SPÖ gelesen? – "FPÖ-Bundesräte meutern gegen Haider"!)

Ich darf mich nun dem Herrn Staatssekretär und den von ihm gegebenen Antworten zuwenden, weil ich es für wichtig halte, dass wir ein Dialogangebot – ich habe die Antwort des Herrn Staatssekretärs als ein solches verstanden – auch annehmen. (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.) Der Dialog spielt sich zwischen dem Herrn Staatssekretär und mir ab, nicht mit Ihnen, Herr Kollege!

Ich glaube, dass es absolut richtig ist, dass wir – da sage ich bewusst "wir", nämlich die politischen Kräfte in diesem Land, die sich um die Zukunft sorgen – im Bereich der öffentlichen Verwaltung zu einer substanziellen Vereinfachung der Vorgänge kommen müssen. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich nicht der Meinung, dass die Bemühungen des Kollegen Ruttenstorfer, der auch eine gute Portion privatwirtschaftliches Denken ins Amt mitgebracht hat, erfolglos geblieben sind, sondern dass wir in den abgelaufenen Jahren sehr wohl wesentliche Voraussetzungen – die Ihnen auch als Grundlage zur Verfügung stehen; da habe ich keinen Neid – schaffen konnten.

Ich mache allerdings – vielleicht stoße ich mich da nur an einer Formulierung – darauf aufmerksam, dass natürlich der schlanke Staat kein Gerippe sein darf. Sehnen und Muskeln auf diesem Körper sind auch erforderlich, auch und gerade dann, wenn er seine Kernaufgaben bewältigen soll. Ich verstehe daher sehr wohl die Sorgen von Kollegen im öffentlichen Dienst, die das Gefühl haben, es soll nicht der Speck abgeschlankt werden, sondern es gehen gleich der Muskelapparat und das Nervenkostüm mit, und die daher über die Verhandlungen alarmiert waren, die sie mit der Frau Vizekanzlerin zu führen hatten, wobei sie dann versucht haben, unter den Fittichen des Herrn Bundeskanzlers Zuflucht zu nehmen.

Die Aufgabenerfüllung des öffentlichen Dienstes in einer neuen, modernen Art und Weise muss sichergestellt sein, aber die Menschen, die diese Aufgaben erfüllen, sollen nicht gezwungen sein, von 43 S oder irgendwelchen anderen Beträgen dieser Größenordnung zu leben. Wenn Sie dafür eintreten, werden Sie unsere volle Unterstützung haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Zweite, das ich in diesem Zusammenhang sagen möchte, ist, dass Sie Recht haben, dass Leistungen der öffentlichen Hand, des Sozialsystems nicht nur auf ihre Treffsicherheit, sondern auch auf die Qualität der Aufgabenerfüllung zu überprüfen sind und dass daran zurückzudenken ist, wofür sie geschaffen wurden und ob diese Aufgabe, derentwegen sie geschaffen wurde, heute durch dieses Mittel auch noch erfüllt wird.

Sie haben dafür allerdings ein aus Ihrer Sicht verhältnismäßig unglückseliges Beispiel gewählt. Sie haben Recht: Das Karenzgeld ist eine Versicherungsleistung. Es wird im Wesentlichen auch von jenen als soziale Gruppe finanziell aufgebracht, die diese Leistungen in Anspruch nehmen.

Wenn ich – darüber ist durchaus eine Diskussion möglich – das Versicherungssystem durchbreche und sage, das ist eine Leistung, die sich so bewährt hat, dass sie für alle Mütter zur Verfügung stehen soll, dann muss ich mich auch über die Mittelaufbringung unterhalten, und dann ist es kein Argument, zu sagen: Ich darf nicht staffeln, weil die Versicherungsleistung gegeben ist. Also – you can't have it both ways – eines davon stimmt nicht, und ich bin durchaus bereit, in eine solche Diskussion einzutreten.

Aber die Anfrage ist natürlich davon ausgegangen – da waren Sie sehr zurückhaltend in Ihren Aussagen –, dass die Stabilisierung drei Säulen hat: den Bund – darüber haben Sie eine Menge gesagt, dazu habe ich ein paar Kommentare in meiner kurzen Redezeit zu geben versucht, und darüber werden wir auch in diesem Forum, wiewohl wir nicht Budgetgesetzgeber sind, viel zu reden haben –, aber wir haben natürlich auch die Länder und die Gemeinden.

Wenn hier – selbst wenn das ein Druckfehler, ein Missverständnis oder was auch immer ist; als langjähriger Journalist habe ich auch dafür ein bisschen Verständnis – tatsächlich das Prinzip Hoffnung an die Adressen der Länder und Gemeinden die Basis politischer Überlegungen ist, dann ist mir das, ehrlich gesagt, zu wenig. Der Bund, die vom Bund gestaltete wirtschaftspolitische Landschaft – oder mitgestaltete selbstverständlich – greift entscheidend in die finanzielle steuerliche Situation der Länder und Gemeinden ein. In bestimmten konkreten Fällen – wir haben gestern eine Sondersitzung oder eine außerordentliche Sitzung des Bundesrates vereinbart, um uns damit zu beschäftigen – ist es direkte Gesetzgebung des Bundes – Getränkesteuerersatz –, wodurch in die Finanzlage der Gemeinden und der Länder – in diesem Fall der Gemeinden – eingegriffen wird.

Ich bin überzeugt davon – das bestätigen mir auch die Kommunal- und Landespolitiker aus Ihren politischen Lagern –, dass das, was Sie mit schönen Worten hier für den Bund beschrieben haben, zutrifft – über die Taten, an denen wir Sie messen sollen, wird noch zu reden sein, nämlich dann, wenn die Taten gesetzt sind –, aber dass die Länder und Gemeinden und vor allem die Gemeinden schrittweise in eine finanziell verzweifelte Situation rutschen, dass ihnen auch in der Ersatzlösung – wenn ich das am Rande anmerken darf, wiewohl es nicht Gegenstand unserer Anfrage war – weniger zugute kommt als unter dem alten Regime und dass es daher tatsächlich nur das Prinzip Hoffnung ist, zu sagen: Wir nehmen die 0,5 Prozent Konsolidierungsbeitrag als gegeben an, und darauf bauen wir auf.

Mir scheint – ich sage das ohne Polemik –, dass im Bereich der Budgetgestaltung ein bisschen das Prinzip Hoffnung – was an sich nichts Schlechtes ist – über das Prinzip einer realistischen Sicht die Oberhand gewonnen hat – das ist etwas Schlechtes. Der Optimismus, den Sie auch hier zum Ausdruck gebracht haben, ist eindeutig zu wenig. Wir haben miterlebt, wie uns der Herr Minister am Anfang erzählt hat, welch fürchterliche Erbschaft er vorgefunden hat, um dann, nachdem er sich das angeschaut hat, mit Budgetzahlen herauszukommen, die um genau 1 Milliarde Schilling in den Eckdaten von jenen Zahlen, die ihm Finanzminister Edlinger hinterlassen hat, abgewichen sind. Also ob es jetzt 107 oder 108 Milliarden Schilling waren, darüber lasse ich die beiden Herren gerne diskutieren, aber nicht darüber, dass ein fürchterliches Erbe angetreten wird. (Vizepräsident Payer übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben – ich glaube, wir werden das heute noch einmal oder zweimal beweisen – mit dieser dringlichen Anfrage – durchaus im Gegensatz zu manchen Traditionen der politischen Auseinandersetzung, was aber keine Kritik sein soll – nicht in erster Linie versucht, Sie anzupatzen, Sie zu kritisieren. Es geht uns tatsächlich um Antworten, weil nur seriöse Antworten die Basis für jene positive politische Konkurrenz sein können, die wir mit Ihnen führen wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.32

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon. Ich erteile ihm dieses.

16.32

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich möchte mich ausdrücklich dem Dank, den Herr Professor Konečny für die erschöpfende Auskunft vorgebracht hat, anschließen, und ich bin auch bei ihm, wenn er meint, es macht sich ein ungutes Gefühl bemerkbar, wenn man keine erschöpfenden Antworten bekommt. Ich erinnere allerdings daran, dass Herr Altbundeskanzler Klima im Bundesrat war und wir Fragen darüber gestellt haben, was in Stockholm passiert ist. Damals hat Herr Klima das Hohe Haus verlassen und ist nie mehr wiedergekommen. Es hätte mich sehr interessiert, was dort passiert ist (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), weil die Auswirkungen dieser ungerechtfertigten EU-Sanktionen für Österreich natürlich ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Da wir keine Antwort bekommen haben, macht sich ein bisschen das Bild breit, dass in Stockholm heftig unterstützt worden ist. (Ruf bei der SPÖ: Und davon hat der Außenminister gar nichts gewusst?)

Zweiter Punkt: zur Beschlussfassung des ÖIAG-Gesetzes. Ich glaube, es ist eine vertane Chance für die Sozialdemokratie, dass sie heute Vormittag nicht mitgestimmt hat. Sie hat nicht mitgestimmt, dass sich Mitarbeiter an den Unternehmen beteiligen können (Bundesrat Ing. Scheuch: Hört! Hört!), sie hat nicht mitgestimmt, dass das Budget nachhaltig saniert wird (Bundesrat Ing. Scheuch: Hört! Hört!), und sie hat nicht mitgestimmt, dass der Wirtschaftsstandort Österreich damit langfristig gesichert wird und dass Arbeitsplätze erhalten werden. Das tut mir für die Sozialdemokratie sehr Leid. (Beifall bei der ÖVP.)

Nun zu einer Passage in Ihrer dringlichen Anfrage. Sie schreiben darin: "Durch den Ausverkauf der österreichischen Industrie ist nicht nur eine Standort- und Arbeitsplatzproblematik in schon jetzt benachteiligten Regionen Österreichs zu befürchten, sondern es sind auch finanzielle Nachteile für die Länder zu erwarten."

Wir haben heute schon lang und breit die Obersteiermark betreffend diskutiert, und ich möchte nur daran erinnern, dass das Land Steiermark zig Millionen in die Sanierung der Verstaatlichten hineingesteckt hat. – Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist: Ich glaube, wir sollten uns auch nicht vor internationalen Vernetzungen und Verflechtungen fürchten. Ich nehme auf eine Studie des "Economist" Bezug, ein Ergebnis einer OECD-Studie zu Privatisierungen. Die Studie beweist, dass sich Österreich auch vor ausländischen Eigentümern nicht fürchten muss. Firmen, die in ausländisches Eigentum übergegangen sind, brachten beispielsweise in den USA zwischen 1996 und 1999 jährlich einen Beschäftigungszuwachs von 1,4 Prozent. Die einheimischen Betriebe brachten es nur auf 0,8 Prozent.

In Großbritannien und Frankreich ist das Verhältnis mit plus 1,7 Prozent der ausländischen Firmen und minus 2,7 Prozent der inländischen noch extremer. Da Sie die französische Wirtschaftspolitik immer in den Vordergrund rücken, darf ich festhalten, dass die inländischen Betriebe ein Minus einfahren und dass die französische Konjunktur offensichtlich durch die ausländischen Eigentümer gut mit entwickelt und mit betrieben wird.

Aber auch für die Forschung und Entwicklung ist vieles zu erwarten. Mit 40 Prozent Anteil an der gesamten britischen Forschungsquote liefern internationale Eigentümer dem Land einen enormen Impuls. Ich glaube, wir sehen das auch bei uns in Österreich, wenn wir genau hinschauen: Nicht zuletzt sind es auch in Österreich ausländische Konzerne, wie zum Beispiel Siemens, wie zum Beispiel Philips, die bedeutende Forschungsarbeiten leisten und im Grunde genommen auch bezahlen.

Das ist, so denke ich, einer der Faktoren von wirtschaftsfreundlichen Rahmenbedingungen, ich glaube aber auch, dass es – das sehen wir, wenn wir uns die Werte aus Großbritannien anschauen – eine neue steuerpolitische Chance ist. In Großbritannien sind 33 Unternehmen privatisiert worden, und anschließend sanierte Betriebe haben zum jährlichen Steueraufkommen rund 130 Milliarden Schilling beigetragen.

Ich bitte Sie sehr, Herr Staatssekretär, dass dieser Privatisierungskurs, den die Bundesregierung eingeschlagen hat, mit Konsequenz fortgesetzt wird. Die Unterstützung der ÖVP haben Sie dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

16.37

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile ihm dieses.

16.37

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Professor Konečny hat, wie ich meine, in einer ihm nicht zustehenden Weise die Öffentlichkeitsarbeit meines Fraktionsvorsitzenden Professor Böhm kritisiert (Bundesrat Prähauser: Das hat er nicht gemacht! Bleiben Sie bei der Wahrheit!) und sich alteriert darüber. (Bundesrat Konečny: Ich habe ausdrücklich betont: Herr Professor Böhm hat das nicht gesagt!)

Herr Professor Konečny! Ihre Kritik ist insofern nicht glaubwürdig, als heute die SPÖ in einer Aussendung titelt: "FPÖ-Bundesräte meutern gegen Jörg Haider". (Bundesrat Ing. Scheuch: Hört! Hört!) Meine Damen und Herren! Wer parlamentarische Arbeit als Meuterei bezeichnet, legt Zeugnis über sein parlamentarisches Verständnis ab, und es braucht Ihr parlamentarisches Verständnis, Herr Kollege Konečny, nicht weiter kommentiert zu werden.

Meine Damen und Herren! Wenn die heutigen Anfragen der sozialdemokratischen Fraktion dazu führen, dass ein Umdenken innerhalb der SPÖ erfolgt, dann sind diese dringlichen Anfragen, die Sie heute gestellt haben, sicherlich erfolgreich. Warum sind diese Ihre dringlichen Anfragen erfolgreich, wenn es zum Umdenken in der SPÖ kommt? Warum haben wir dann als Parlament einen Teilerfolg zu verzeichnen? – Weil sich die Sozialdemokratie, wie ich hoffe, endlich auf dem richtigen Weg befindet (Beifall bei den Freiheitlichen), weil Sie, meine Damen und Herren, Frau Kollegin Fuchs, endlich einmal beginnen, darüber nachzudenken, welche Auswirkung Einnahmenausfälle haben. Das ist durchaus positiv.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Hätten Sie früher damit begonnen, hätten Sie sich früher ernstlich damit befasst, dann wäre die Verstaatlichte in Österreich nie niedergegangen, dann wäre der Verlust von Arbeitsplätzen in diesem Bereich und in diesem Ausmaß nie passiert.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ihre Sorge, die Sie heute in diesen dringlichen Anfragen formulieren, werte ich durchaus positiv. Ich bitte Sie nur, lernen Sie daraus. Klüger, aber vor allem gescheiter zu werden, ist kein Fehler. Nehmen Sie das, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, endlich zur Kenntnis! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Wenn Sie schon früher auf die kaufmännische Sorgfalt Rücksicht genommen und vor allem darauf Wert gelegt hätten, dann wäre die "Konsum"-Pleite nie passiert, dann hätte es diese Pleite nie geben dürfen.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Wäre Ihr Umgang mit den öffentlichen Geldern auch mit jener Sorgfalt erfolgt, dann hätte die Republik Österreich heute nicht die höchste Staatsverschuldung seit dem Bestand der Zweiten Republik. Es ist wahr, dreißig Jahre Sozialismus ist ein teurer Preis. Dreißig Jahre SPÖ sind teuer. (Bundesrätin Mühlwerth: Können wir uns gar nicht leisten! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Gerade Sie von der Sozialdemokratie haben sich heute mehrmals über die Privatisierung beklagt und bringen dies auch in der Präambel Ihrer Anfrage zum Ausdruck. Ich sage Ihnen: Es gibt in der Steiermark eine Bank, die Steiermärkische Sparkasse, die mehrheitlich private Aktionäre hat. Hier haben Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, keine Berührungsängste. Sie fürchten sich nicht einmal vor den niedrigen Zinsen. Vielleicht brauchen Sie diese Zinsen. Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich mache mir keine Sorgen um Ihre Parteischulden, sondern ich mache mir Sorgen um Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Thumpser: 87 Millionen in Niederösterreich!)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Wenn jemand in einem derartigen Finanzschlamassel steckt wie Sie von der SPÖ und 400 Millionen Schilling Schulden hat (Bundesrat Prähauser: Wieviel hat die "Freie Heimat" geschenkt bekommen? Wohnungspolitik!) – Herr Kollege Prähauser, 400 Millionen Schilling Schulden –, dann braucht man Ihren Umgang und Ihren Zugang zu Geld nicht zu hinterfragen. 400 Millionen Schilling Schulden sind selbstredend, Herr Kollege Prähauser! Wenn jemand, Herr Kollege Prähauser, wie Sie von der SPÖ 400 Millionen Schilling Schulden hat, dann ist es natürlich verständlich, dass Sie sich Sorgen um den Einnahmenentfall machen. (Bundesrat Prähauser: Bereichert haben sich die Sozialdemokraten mit Sicherheit nicht! Das können wir beweisen!) Ich hoffe nur, dass Sie von der SPÖ das Frühwarnsystem beim AMS aktiviert haben, um einen Sozialplan für Ihre Mitarbeiter zu schaffen (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), denn diese werden in Ihrer Organisation keinen Arbeitsplatz mehr haben. Wenn Sie es nicht schaffen und wenn Sie den Mut dazu nicht haben, dann kann ich Ihnen sagen: Wir von den Regierungsparteien sind bereit und helfen Ihnen dabei. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! In der Präambel ist auch zu lesen, dass die Sozialdemokratie über den Einnahmenentfall im Hinblick auf die Getränkesteuer mit Sorge erfüllt ist, Sie weisen in einem Satz darauf hin. Auch dazu eine klare und deutliche Bemerkung: Selbst der letzte Hinterbänkler wusste von der Aufhebung der Getränkesteuer durch den Europäischen Gerichtshof. Nur, meine Damen und Herren, der rote Finanzminister hat keine Ersatzmaßnahmen gesetzt und damit den Gemeinden, den Kommunen die Einnahmen genommen. (Bundesrat Prähauser: Der Finanzminister nicht! Der hat es nicht gewusst!) Herr Kollege Prähauser! (Bundesrat Prähauser: Irgendwann müssen Sie sich selbst in den Spiegel schauen! – Bundesrat Konečny: Das ist ziemlich "hump"! – Bundesrat Prähauser: Um nicht "dump" zu sagen!) Daher ist die neue Regierung die falsche Adresse, wenn Sie darüber Klage führen. Sie müssten bei Herrn Edlinger Klage führen.

Meine Damen und Herren! Ich verkenne nicht den Wert unserer demokratischen und verfassungsmäßigen Einrichtungen. Es ist von der Opposition legitim, Kritik zu üben. Ich meine, Sie machen es nicht so schlecht, Sie bemühen sich redlich (Bundesrat Prähauser: Danke!), oder zumindest werden Sie nicht müde dabei. Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Lernen Sie daraus! Lernen Sie bitte daraus, werden Sie bei Ihrer Kritik sachlich, dann werden Sie auch wieder die notwendige Glaubwürdigkeit erhalten!

Es ist natürlich legitim, dringliche Anfragen zu stellen, aber, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass derartige parlamentarische Einrichtungen nicht dem Aktionismus zu dienen haben. Wenn Sie das, meine Damen und Herren, beherzigen, dann werden das Parlament und vor allem die Parlamentarier wieder jene Akzeptanz (Bundesrat Kraml: Das sieht man bei der FPÖ jetzt!) und jenen Stellenwert in der Gesellschaft erhalten, den wir brauchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.46

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher. Ich erteile es ihm.

16.46

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es freut mich tatsächlich, wenn sich Kollege Weilharter Sorgen um die SPÖ macht, uns aber auch bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich habe ein Beitrittsformular, das können wir nachher gleich ausfüllen, ich bin diesbezüglich durchaus offen. (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Nun kurz zu den Schulden, um die Sie sich Sorgen machen. Auf der einen Seite gibt es in der Bilanz die Verbindlichkeiten, und auf der anderen Seite gibt es die Einnahmen- und Vermögenswerte. Vielleicht sollten wir einmal Ihre gesamte Rede durchleuchten. – All das können Sie in unseren Medien nachlesen. Für das AMS besteht noch lange kein Bedarf. Zu den Mitgliedsbeiträgen: Ich weiß nicht, ob Sie steigende Mitgliedsbeiträge haben, aber da müssen wir uns auch bei Ihnen ein bisschen bedanken, weil das in letzter Zeit dank Ihrer Politik relativ gut ausschaut. Also diesbezüglich mache ich mir keine Sorgen. (Beifall bei der SPÖ.)

Noch ein kurzer weiterer Einwurf im Sinne einer ausgleichenden Gerechtigkeit: Es wurde der FPÖ-Pressedienst angesprochen, es wurde der SPÖ-Pressedienst angesprochen, es fehlt also noch der ÖVP-Pressedienst. Kollege Bieringer wird zitiert: Ich werte die Reaktion der SPÖ-Bundesräte lediglich als Theaterdonner beleidigter Ländervertreter. – Ich bitte auch hier für das Protokoll festzuhalten, Kollege Bieringer hat auch nicht Theaterdonner gesagt. Damit wären alle Pressedienste wieder in einem Boot. (Bundesrat Bieringer: Es war Theaterdonner!)

Zum eigentlichen Thema, zum ÖIAG-Gesetz und den sonstigen Belastungen, die unter Umständen auf Länder, Gemeinden und Städte zukommen. Das ÖIAG-Gesetz haben wir am Vormittag bereits ausgiebig diskutiert. Ich möchte daher nur ganz kurz, weil das tatsächlich ein Punkt ist, der mir besonders wichtig ist, auf die Head-Quarter-Funktion verweisen, auf die Bedeutung des strategischen Kerneigentums, über das bereits diskutiert wurde, daher brauchen wir das nicht weiter auszuführen. Es geht um hochspezialisierte Arbeitsplätze, um dementsprechende Wertschöpfung, damit aber verbunden auch um dementsprechende Steuereinnahmen, die selbstverständlich auch den Kommunen zugute kommen. International gesehen konzentrieren sich diese – das heißt Arbeitsplätze, Wertschöpfung, wie auch Steuereinnahmen – am Sitz der Konzernzentralen, und die Konzernzentralen befinden sich wiederum in jenen Ländern, aus denen die Kernaktionäre kommen. – So viel zu diesem Thema.

Wenn man einerseits Einschnitte bei den Einnahmen der Länder vornimmt – Werbeabgabe, Getränkesteuer –, gleichzeitig aber deren sinkende Überschüsse kritisiert beziehungsweise moniert, dass diese doch besonders wichtig wären – darin sind wir uns einig, dass diese für die Maastricht-Kriterien besonders wichtig wären –, dann muss man sagen, das ist eine Quadratur des Kreises, die nicht leicht erreichbar sein wird. Ich denke etwa daran, dass unter Umständen zusätzliche Belastungen auf die Länder zukommen und Einsparungen bei der Infrastruktur vorgenommen werden, wobei nicht klar ist, von wem diese getragen werden sollen. Etwa 9 Milliarden Schilling werden bei der Bahn kolportiert, das wären pro Milliarde weniger an Investitionen 1 400 Arbeitsplätze. In Summe sind das also 4 200 Beschäftigte, das würde erhebliche Auswirkungen etwa auch für Wien haben. Ähnlich ist es im Straßenbau. Wenn man sich dann anschaut, dass die bisherigen Ankündigungen der Bundesregierung weitere finanzielle Einbußen und Mehrbelastungen in Aussicht stellen – das ist jetzt nicht nur meine Ansicht, sondern insbesondere auch die Ansicht des Gemeinde- und Städtebundes, der eine entsprechende Stellungnahme dazu abgegeben hat –, dann fragt man sich, wie diese Quadratur des Kreises bewältigt werden soll.

Es kommt eine Fülle an Einzelmaßnahmen etwa auf die Gemeinden zu. Da wird es besonders schwer, gerade für die Gemeinden, eine Gegenfinanzierung zu finden. Die Getränkesteuer und Werbeabgabe habe ich bereits angeführt. Aber auch die Finanzierung des Nah- und Regionalverkehrs ist weitestgehend offen. Mit 1. Jänner 2000 sind den Ländern und den Gemeinden neue Aufgaben vom Bund übertragen worden, und zusätzlich zu den mittelfristig dadurch entstehenden Kosten ist etwa auch durch die Strompreisliberalisierung eine Verringerung der Erträge gegeben, sodass beispielsweise auch der Querverbund in den Städten stark gefährdet sein wird.

Nach einer Schätzung der Technischen Universität Wien macht dieser Querverbund rund 2 Milliarden Schilling aus. Für die Bedeckung der zusätzlichen Finanzierungserfordernisse für den Nahverkehr in den Städten und Regionen – das heißt, für die zusätzlichen Aufgaben – findet man aber im Regierungsübereinkommen keinerlei konkrete Äußerungen.

Ein weiterer Punkt, der beispielsweise Wien stark betreffen könnte, ist die beabsichtigte Reform des abgestuften Bevölkerungsschlüssels. Darauf werden wir gerade auch als Wiener besondere Aufmerksamkeit legen, obwohl die im Regierungsübereinkommen angeführte Stärkung der Finanzkraft des ländlichen Raumes sehr wichtig ist. Das ist unbestritten, das ist auch grundsätzlich positiv zu sehen, weil die Europäische Union und der Bund sowie die Länder Mittel in Milliardenhöhe auch in strukturschwache Gebiete investieren. Es ist jedoch unverständlich, wenn dies über eine Änderung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels erfolgen soll und nunmehr die größeren Städte eine Einschränkung ihrer Einnahmen hinnehmen sollen, ohne dass sich gleichzeitig ihre Aufgaben verringern. Nur zur Illustration: Bei diesem abgestuften Bevölkerungsschlüssel geht es um ein Volumen von bis zu 6,5 Milliarden Schilling jährlich. Das ist keine Kleinigkeit für die Städte!

All das passiert unter der Prämisse, dass auch im Regierungsprogramm unter den Punkten Mehrkosten festgeschrieben ist – ich zitiere wörtlich –: Die mit der Übernahme von Bundesaufgaben in den Ländern verbundenen Mehrkosten werden vom Bund und den Ländern auf der Basis entsprechender einheitlicher Berechnungen einvernehmlich festgelegt und vom Bund abgegolten. – Wiederum zurückkehrend zur Quadratur des Kreises: All das passt irgendwie systematisch nicht zusammen.

Erlauben Sie mir noch einen letzten Punkt im Zusammenhang mit der Getränkesteuer, der vielleicht von manchen als Kleinigkeit angesehen wird, von mir weniger. Wir alle haben in unseren Fächern das Schreiben der Kaffeehäuser gefunden, die gerade für Wien eine essenzielle Bedeutung auch für den Tourismus haben, auch hier geht es um wesentliche Einnahmen im Zuge der Reform der Getränkesteuer, da gerade die heißen Aufgussgetränke und die Mehlspeisen rund 80 Prozent des Umsatzes betreffen. Allein in Wien gibt es 2 600 Kaffeehäuser, von denen die Leitbetriebe mit einer Steuermehrbelastung in der Höhe von rund 600 000 S per anno rechnen müssen. Auch in Hinsicht auf diese wichtige Branche ersuche ich Sie, auch bei der Getränkesteuerreform, bei den Kompensationsmaßnahmen noch einmal einen gewissen Nachdenkprozess einzuleiten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

16.53

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Jürgen Weiss. Ich erteile ihm dieses.

16.53

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Trunk wollte vom Herrn Bundesminister für Finanzen beziehungsweise von Herrn Staatssekretär Dr. Finz ganz dringlich etwas wissen. Besonders wichtig scheint ihr das aber nicht zu sein, jedenfalls ist sie nicht im Saal, und das schon längere Zeit hindurch nicht. (Bundesrat Prähauser: Sie hat es auch erfahren! Die Beantwortung hat stattgefunden!)

Wir haben heute in Presseaussendungen viel von Desavouierungen des Bundesrates und so weiter gelesen. Ich will da gar nicht so weit gehen, aber stellen Sie sich selbst die Frage, was das ist, eine dringliche Anfrage zu stellen und dann die weitere Debatte aus der Ferne oder am Lautsprecher zu verfolgen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Sie wollte nicht auf Sie warten!)

Als Herr Professor Böhm bei der auf eine Verzögerung zielende Debatte, ob der Tagesordnungspunkt ÖIAG-Gesetz heute behandelt werden soll oder nicht, ein "taktisches Spiel" diagnostiziert hat, hat es allerhöchste Empörung darüber gegeben. Widerlegt haben Sie diese Diagnose in der Zwischenzeit allerdings nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben einen Brief des Amtes der Kärntner Landesregierung – vom Herrn Landeshauptmann abgezeichnet, nicht unterschrieben, aber als Akt abgezeichnet – zitiert. Er hat darin nichts weiter getan, als auf einen bekannten Sachverhalt hingewiesen, der auf ein von Ihnen früher mitbeschlossenes Gesetz zurückgeht. Er hat in keiner Weise eine Vertagung oder gar eine Beeinspruchung verlangt. Mir ist auch nicht bekannt, dass der Landeshauptmann von Wien oder der Landeshauptmann des Burgenlandes, beide der SPÖ angehörig, etwas in diese Richtung begehrt hätten. Sie haben überhaupt nichts dazu geschrieben. Daher frage ich mich: Was war das?

Zur dringlichen Anfrage selbst: Mit welcher Ernsthaftigkeit sie eingebracht wurde, geht beispielhaft aus Frage 4 hervor. Sie wollten vom Finanzminister wissen, ob Vertreter der Länder oder Gemeinden herangetreten sind, um in dieser Angelegenheit den Konsultationsmechanismus auszulösen. Im Gegensatz zu Ihnen dürften die Länder und Gemeinden die Vereinbarungen über den Konsultationsmechanismus sehr wohl gelesen haben, denn darin steht nämlich ganz ausdrücklich (Ruf: Hört! Hört!), dass gesetzgeberische Maßnahmen auf dem Gebiet des Abgabenrechtes – um eine solche handelt es sich hier zweifelsfrei – von den Bestimmungen des Konsultationsmechanismus ausgenommen sind. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Bieringer: Da schau her!)

Besonders beeindruckt war ich, dass Sie zum Tagesordnungspunkt ÖIAG-Gesetz einen Einspruchsantrag eingebracht haben. Da habe ich mir gedacht, dieser wird jetzt eine ganz fulminante Begründung unter Hinweis auf das Schreiben des Amtes der Kärntner Landesregierung enthalten. Was stand darin? – Es war ein müder Aufguss der schon im Nationalrat vorgebrachten allgemeinen politischen Argumente. Kein Wort von Ländern und Gemeinden stand darin.

Nun frage ich Sie: Mit welcher Begründung hätten wir denn Einspruch erheben sollen, wenn das, was so wichtig war, dass es zur Absetzung des Tagesordnungspunktes hätte führen sollen, nicht einmal zum Gegenstand des Einspruchsantrages gemacht wurde? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn es also insgesamt gesehen kein taktisches Spiel war  – Sie haben das in Abrede gestellt –, dann frage ich mich, was es dann war. Eine effiziente Vertretung von Länderinteressen war es jedenfalls nicht. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.57

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Alfred Finz. Ich erteile ihm dieses.

16.57

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich möchte nochmals zu aufgeworfenen Fragen kurz Stellung nehmen.

Ruttenstorfer: Ich möchte ausdrücklich klarstellen, dass mein Amtsvorgänger, Staatssekretär Ruttenstorfer, auf dem Sektor New Public Management äußerst verdienstvolle Vorarbeiten geleistet hat. Er hat gemeinsam mit Bundesminister Molterer das Projekt Verwaltungsinnovation ins Leben gerufen. Es wurde unter anderem damit begonnen, das öffentliche Rechnungswesen umzustellen. Es wird in Zukunft auch eine Kostenrechnung im Zuge der Umstellung auf SAP geben. Es wurde damit begonnen, die Mitbeteiligungsagenden in den Ressorts zu durchforsten, es wurden einige Mitbeteiligungen beispielsweise hinsichtlich der Personalfragen im Finanzministerium wesentlich gekürzt, und es wurde ein Leistungskatalog für die öffentliche Bundesverwaltung – inzwischen hat es schon zwei Ausgaben gegeben – ins Leben gerufen. Bei einem Kapitel können wir leider auf keine Vorarbeiten zurückgreifen, das betrifft die Aufgabenkritik. Das ist ein schwieriges Kapitel, darum wollen wir es angehen, denn dieses Kapitel brauchen wir unbedingt, um tatsächlich Strukturreformen einzuleiten.

Sie haben ganz am Rande die Pensionsverhandlungen mit dem öffentlichen Dienst erwähnt. Nachdem ich diese mit der Frau Vizekanzlerin zu führen habe, möchte ich kurz drauf eingehen.

Wir haben im Jahr 1997 eine Diskussion und Neuregelungen gehabt, und zwar nicht nur beim öffentlichen Dienst, sondern generell. Diese Pensionsfragen haben meiner Ansicht nach zwei Grundfragen nicht gelöst beziehungsweise diese nur sehr zögerlich gelöst. Sie haben die Frage des Generationsproblems, des Alters nicht gelöst, was bedeutet, dass auf Grund der Gott sei Dank höheren Lebenserwartungen das Pensionsantrittsalter zu niedrig angesetzt ist. Es wurde immer von allen außer Zweifel gestellt, dass etwas zu geschehen hat, weil in einem Dezennium die Leute dank einer guten Medizin um zwei Jahre älter werden. Auf der Pensionsantrittsseite tut sich aber nichts. Das war einmal das eine Faktum.

Im öffentlichen Dienst wurde die Rürup-Studie besonders zögerlich umgesetzt. Da beginnen Maßnahmen in Bezug auf die Pensionsbemessungsgrundlage erst ab dem Jahr 2003 zu greifen; erst dann gibt es erstmals einen Durchrechnungszeitraum von fünf Jahren. Die Bundesbahnen haben sich mit dem höheren Beitrag überhaupt von irgendwelchen Reformmaßnahmen "freigekauft". Bundesbahner nach dem alten System können heute noch nach Absolvierung von 35 Dienstjahren in Pension gehen. Das ist das berühmte Pensionsalter von 53 Jahren, wenn jemand mit 18 Jahren begonnen hat, und das ist für die Öffentlichkeit, für Pensionisten anderer Pensionssysteme schwer verständlich.

Ich habe den Vorsitzenden der Gewerkschaft der Eisenbahner Haberzettl gefragt, wie er es denn im Betrieb aushält, dass die neuen Mitarbeiter, im Verschubdienst zum Beispiel, in Zukunft mit 61,5 Jahren in Pension gehen können, während die Altbundesbahner weiterhin mit 53 Jahren in Pension gehen können. Darauf hat er nur gesagt, das soll ich seine Sorge sein lassen. – Aber so ist es, und diese Gegensätze müssen aufgeklärt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Es wurde heute mehrmals der Stabilitätsbeitrag Bund – Länder beklagt. – Zur Getränkesteuer komme ich noch, denn da ist aus meiner Sicht ein gewaltiger Widerspruch gekommen. – Zum Stabilitätsbeitrag: Wir gehen davon aus, dass er 0,5 Prozent betragen wird, und auch in der letzten IHS-Studie vom April wird in den einleitenden Worten festgestellt, dass unter der Vorgabe Gesamtstaat mit einem Nettodefizit in der Höhe von 1,7 Prozent zu rechnen ist. Diese bestätigen auch unsere Auffassung, es ist also nicht nur ein Hoffen, sondern immerhin bestätigt eine Expertengruppe, dass die Länder ihren Beitrag von 0,5 Prozent leisten werden.

Ich habe mit Professor Lehner gesprochen, wie er den Beitrag der Länderbudgets sieht, ob er die Erwartung teilen kann, dass sie vom Erfolg her gesehen immer wesentlich besser sind. Professor Lehner, der führende Budget-Experte im Land Österreich, hat mir das ebenfalls bestätigt. Es ist also nicht nur eine von uns getragene Hoffnung, sondern sie ist auf entsprechende Expertenmeinungen abgestützt. Sicherlich gibt es auch andere Meinungen, das gebe ich zu.

Damit komme ich schon zur Getränkesteuer. Dass mit der Getränkesteuer etwas passieren kann oder passieren wird, war schon seit längerem abzusehen. Aber so wie beim anonymen Sparbuch hat man zugewartet, bis etwas passiert, und dann – Sie werden die Forderungen von den Kommunen noch hören; das sage ich jetzt in einer Länderkammer – musste raschest etwas auf die Beine gestellt werden. Unsere Vorgabe dabei war natürlich, das EU-Erkenntnis entsprechend auszuwerten: Wo sind die Fehler gelegen? Wie kann man überhaupt einen Ersatz finden? – Es wurde von uns sofort außer Streit gestellt, dass bezüglich der Finanzierungskraft der Gemeinden, weil sie sehr wichtige Aufgaben in der täglichen Daseinsvorsorge haben, angefangen von der Infrastruktur bis zur Kinderversorgung, umgehend etwas zu machen ist.

Aber es sind natürlich auch die Interessen von anderen betroffenen Gruppen zu berücksichtigen; es sind gerade die Kaffeesieder erwähnt worden. Es sind die Interessen der Konsumenten zu berücksichtigen – all dies sind unterschiedliche Vorgaben. Und natürlich soll auch eine Steuer gefunden werden, die nicht verwaltungsbelastend ist. Zum Beispiel haben die Gemeinden eine Art neue Umsatzsteuer vorgeschlagen. Diese hätte einen Erhebungsaufwand in der Höhe von 1,2 Milliarden Schilling bei einem Gesamtaufkommen in der Höhe von 5,6 Milliarden Schilling bedeutet. Das wäre nicht im Sinne eines schlanken Staates, das wäre keine elegante Lösung gewesen. Das war eine auf Grund der Kosten des Erhebungsaufwandes nicht zu vollziehende Lösung.

Jetzt mussten wir nach langem Hin und Her die Gegensätze ausgleichen. Einerseits war die Stärkung der Finanzkraft wichtig. Im Finanzausschuss, der jetzt parallel tagt – deshalb ist heute Herr Minister Grasser nicht da –, werden gerade die letzten Details verhandelt. Es wird jetzt das bisherige Getränkesteueraufkommen in der Höhe von 5,6 Milliarden durch ein Abgabenaufkommen in der Höhe von 4,5 Milliarden Schilling ersetzt. Das ist weniger, völlig richtig. Das ist um 1,2 Milliarden Schilling weniger. Aber es ist jetzt eine Bundessteuer, und der Erhebungsaufwand wird jetzt durch Bundesdienststellen geleistet. Es ergibt sich daher für die Kommunen eine Ersparnis beim Verwaltungsaufwand. – Das ist das eine.

Zweitens muss man berücksichtigen, dass bei der Getränkesteuer auf Grund der Klagen, die es gegeben hat, immer weniger Einnahmen zu verzeichnen gewesen sind. Das Aufkommen betrug zum Schluss nicht mehr 5,6 Milliarden Schilling. Mit dieser neuen Regelung garantieren wir – unabhängig davon, was tatsächlich einlangt – den Kommunen ein Aufkommen in der Höhe von 4,5 Milliarden Schilling. Das haben sie jetzt aber sicher, es ist nicht so wie vorher, als dieses Aufkommen durch Einsprüche, durch Zahlungsverweigerungen weitestgehend gefährdet war.

Insofern stellt das aus unserer Sicht einen tragbaren Kompromiss dar, der von den Kommunen an und für sich auch anerkannt wurde. (Bundesrat Konečny: Der oberösterreichische Gemeindebund demonstriert morgen!) – Ja, es gibt nur noch gewisse Probleme bei der Aufteilung des Jahres 2000, weil das nicht im Detail ausverhandelt wurde. Das wird gerade verhandelt.

Wir haben auch eine ähnliche Situation bei den Werbeabgaben gehabt. Da bestand die Gefahr, vor allem für die Gemeinde Wien, dass Rückforderungen geltend gemacht werden. Jetzt wollten wir, bevor das schlagend wird, wenn wir schon das Thema behandeln, welche Steuern gefährdet sind, im Zusammenhang damit eine endgültige und gute Lösung treffen. Diese glauben wir insofern zu treffen, dass das Einnahmenvolumen vorher zwar 1,8 Milliarden betragen hat, aber auch durch Rückforderungen gefährdet war beziehungsweise dadurch, dass eventuell die ganze Steuer aufgehoben wird. Jetzt sichern wir ein Aufkommen von ungefähr 1 Milliarde Schilling, und gleichzeitig – das ist auch heute Gegenstand der Verhandlungen – soll durch eine Verfassungsbestimmung eine Rückforderung ausgeschlossen werden, sodass wir auch hier Sicherheit schaffen. Somit haben wir versucht, einen Kompromiss zwischen den gegensätzlichen Interessen und im Hinblick auf die Einkommenssicherheit zu finden.

Damit bin ich beim Bevölkerungsschlüssel. Seit ich in diesem Amt bin, seit 4. Februar 2000, erhalte ich von kleinen Kommunen Berge von Beschwerden auf Grund des gestiegenen Aufwandes, den die Kommunen eben haben – Schaffung der Infrastruktur, Umweltauflagen et cetera. Da wird dieser bestehende Bevölkerungsschlüssel bekämpft. Natürlich ist ein Hauptbetroffener die Gemeinde Wien. Sie verweist auf ihre besonderen Infrastrukturaufgaben als Landeshauptstadt. Wir werden dieses Problem erörtern. Wir haben schon einen Termin fixiert, bei dem diese Frage Gegenstand der Verhandlungen ist und wir alle Fakten von allen Seiten und unterstützt durch Expertengutachten erörtern wollen, weil wir auch für unser föderalistisches System, zu dem ich mich ausdrücklich bekennen möchte, eine gesicherte Finanzgrundlage schaffen wollen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

17.09

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Prähauser. Ich erteile ihm dieses.

17.09

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Für mich ist es ein Novum, ist es das erste Mal – ich bin das elfte Jahr im Bundesrat –, dass die Sozialdemokraten einem von seinen Parteifreunden im Stich gelassenen Jörg Haider helfen müssen, seine Intentionen so unter die Menschen zu bringen, dass man sie auch wahrnimmt.

Meine Damen und Herren! Ich habe heute in der ersten Diskussion darauf verzichtet, als ich die Entrüstung darüber vernahm, dass wir hier Jörg Haider zitieren. Ich meine aber, die Opposition wird all jene unterstützen, die mit guten Vorschlägen kommen, bei den Regierungsparteien aber kein Gehör finden, und sollte dieser auch zufällig Jörg Haider heißen.

Meine Damen und Herren! Das "Oberwort" ist zurzeit: Sparen, sparen, sparen. – Man hört auch immer wieder Äußerungen, die dahin gehen, Sozialdemokraten hätten den Staat ausgeblutet. Man hat uns nur nicht gesagt, wer das Blut getrunken hat. Eines aber sollten wir schon gemeinsam feststellen: In Österreich hat sich bisher ein Lebensstandard entwickeln können, der weltweit seinesgleichen sucht. Darauf sollten wir auch stolz sein. Wir alle haben, auch wenn wir zu viel von dem konsumiert haben, was wir geschaffen haben, ganz gut gelebt, und wir sind auch dabei, den Sparstift dort mit anzusetzen, wo er gerechtfertigt ist, und entsprechende Maßnahmen mit zu tragen. (Zwischenrufe.) Nur, meine Damen und Herren, dass wir Sozialdemokraten Wahlgeschenke unterstützen, die Sie in schwierigen Zeiten der Bevölkerung machen, können Sie nicht erwarten. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) – Die EU allein ist nicht die Welt. Sie sollten vielleicht einmal den Globus zu Rate ziehen, dann werden Sie draufkommen, dass es mehr als 40 Staaten auf der Erde gibt. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Herr Staatssekretär für Finanzen! Ich möchte auch festhalten, dass mir persönlich die Offenheit, wie Sie hier die Diskussion bestreiten, Mut gibt, auch Mut gibt, Fragen zu stellen, die vielleicht unbequem sind, die man sich aber sparen würde, wenn man davon ausgehen müsste, sie würden ohnehin nicht beantwortet werden. Diesen Eindruck machen Sie nicht. Sie nehmen die Dinge beim Kopf, und das ist gut so.

Ich möchte wissen, Herr Staatssekretär: Was hätten wir den Österreichern über den Rahmen der notwendigen Einsparungen hinaus ersparen können, wenn wir nicht große Geschenke an Unternehmungen, an Bauern, an Familien, die es nicht brauchen, gemacht hätten? (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid: Wenn Sie nicht so viel Schulden gemacht hätten! – Weitere Zwischenrufe der Bundesräte Steinbichler und Hensler. ) – Herr Kollege Hensler! Dass Sie sich hier beschweren, wundert mich, da doch gerade Sie immer wieder für das Gemeinsame auftreten. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es macht mich auch optimistisch, wenn ich weiß ...

Vizepräsident Johann Payer (das Glockenzeichen gebend): Herr Kollege Prähauser ist am Wort. Ich ersuche Sie, die Zwischenrufe nicht im Chor zu machen. Einzelne Zwischenrufe machen das Ganze wirklich spannend, aber nicht im Chor, bitte. – Kollege Prähauser, bitte.

Bundesrat Stefan Prähauser (fortsetzend): Herr Präsident! Mir machen Zwischenrufe nichts aus. Dadurch weiß ich, dass man mir zuhört, und das gibt mir das Gefühl der Wichtigkeit. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte vom Herrn Finanzstaatssekretär auch wissen, ob wir in Zukunft weiter auf Kosten der Konsumenten mit Anpassungen – Steuererhöhungen gibt es keine, wie wir gehört haben – rechnen müssen. Es wäre höchst an der Zeit, die Menschen beizeiten einzuweihen, damit sich auch bei den ersten Wahlgängen, die ins Haus stehen, bei diversen Landtagswahlen, der Wähler entsprechend zur Wehr setzen kann, um vielleicht über diesen Umweg die Regierungsparteien zum Einlenken bei ihren Maßnahmen gewinnen zu können.

Meine Damen und Herren! Sparen, sparen, sparen – überhaupt keine Frage, wir Sozialdemokraten sind dabei, aber nur dann, wenn es darum geht, die Sorgen und Lasten gemeinsam zu tragen und nicht nur von einer einzelnen großen Bevölkerungsgruppe. Da muss ich noch einmal an die Adresse der Freiheitlichen Partei, die bis vor ein paar Monaten die selbst ernannte Arbeitervertretungspartei war – Gott sei Dank haben Sie das abgelegt –, sagen: Sie waren wirklich eine Konkurrenz für uns in diesem Bereich, das gebe ich zu. Das ist ad acta gelegt. Wir können wieder mit offenem Visier kämpfen: die ÖVP dort, wo sie bisher war, bei den Unternehmungen, und Sie überall zwischendurch, wo es vielleicht Stimmen zu erben gegeben hätte. Bei den Arbeitern werden Sie in der nächsten Zeit wenig Stimmen zu erben haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich finde auch solche Diskussionen, wie sie heute stattfinden, sehr befruchtend, da man dadurch auch Dinge Revue passieren lassen kann, die man schon wieder zu vergessen pflegt. Wir konnten heute in Zwischenrufen so einiges hören, als Semperit angesprochen wurde. Es geht uns darum, nachzudenken, zu berechnen, dann Maßnahmen zu setzen und nicht vorab alles zu verscherbeln, das letzte Familiensilber zu verkaufen, und sich dann zu wundern und zu ärgern, wenn andere die Gewinne einstreifen, nämlich nicht jene, an die eigentlich gedacht war, sondern ausländische Investoren, von denen wir beileibe nichts haben. Ich denke hier an Stronach, dem es schnurzegal sein würde, ob Arbeiterfamilien oder auch Angestelltenfamilien darunter zu leiden hätten. Ich erinnere an ... (Bundesrat Dr. Linzer: Herr Kollege! Das ist Ihr Stronach, nicht unser Stronach! Ihr Stronach ist das!) – Also dass Stronach ein Sozialdemokrat sein soll, ist mir neu, Herr Kollege! (Bundesrat Dr. Linzer: Keine Kindesweglegung! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich weiß nur eines: Ein Kollege von Ihnen, Fraktionsvorsitzender Bieringer, sowie Landeshauptmann Schausberger haben engsten Kontakt zu Stronach. Sie haben sich, als es darum ging, Sport-Millionen für Salzburg zu bekommen, dort die Tür in die Hand gegeben, meine Damen und Herren! (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.) Aber jeder hat das Recht, gescheiter zu werden. Bei Kollegen Bieringer hat es da schon erste Anzeichen gegeben. Die Dauerauftritte mit Stronach sind Vergangenheit, wie ich feststellen durfte.

Meine Damen und Herren! Noch einmal zurück zu Semperit. Semperit sollte uns ein leuchtendes Beispiel dafür sein, wie es nicht sein soll. Auflösung der Verstaatlichten, mehr privat, weniger Staat – seit jeher Wahlparolen der ÖVP und der Freiheitlichen, das ist nichts Neues. Wir wissen auch, dass es eine gesunde Wirtschaft aus Ihrer Sicht nur im privaten Bereich geben kann. Wir glauben, das geht auch anders.

Ich möchte nur noch einmal anmerken, Semperit wurde damals von einem deutschen Konzern übernommen, und als es dann darum ging, die drohende Schließung zu verhindern, wurde ein Bundeskanzler eines Staates aufgefordert, doch nach Deutschland zu fliegen, um etwas zu verhindern, was man ihm ursprünglich aufgezwungen hat, wegzugeben.

Stellen Sie sich vor, meine Damen und Herren, die Post würde von Onassis-Erben gekauft – so etwas gäbe es, wenn das privatisiert wird –, und Herr Schüssel müsste, nachdem 3 000 Mitarbeiter dort auf die Straße gestellt werden, nach Athen fliegen, um die entsprechenden Leute zu bewegen, wieder Einstellungen vorzunehmen. – Das ist sinnlos, meine Damen und Herren, das kann niemand schaffen, und so sinnlos war damals der Wunsch von ÖVP und den Freiheitlichen, Vranitzky nach Deutschland zu schicken. Man hätte das auch von hier aus feststellen können, dass ein privat orientierter Unternehmer, der persönlich für Erfolg haftet, natürlich ein Grundgefühl für Menschen mitbringt, aber letztlich das Kapital diktiert, was er zu tun hat. Das, meine Damen und Herren, vergeben wir uns, wenn wir diese Unternehmungen auf den Markt werfen, wenn wir das ausschließlich gewinnorientiert sehen. Das ist zum Nachteil des österreichischen Volkes, denn wir werden die Dividenden dann nicht mehr bekommen, außer es gibt dann analog Wahlgeschenke, wie wir sie in Deutschland bei Kohl feststellen durften. In Österreich gibt es so etwas nicht, wie wir wissen, und so etwas sollte es auch in Zukunft nicht geben.

Meine Damen und Herren! Ich darf festhalten, dass es wirklich gut ist, miteinander zu diskutieren, dass es auch für dieses Plenum gut ist – nachdem die Regierungsbildung doch schon einige Wochen, ja Monate zurückliegt –, zur Realität, zur Tagespolitik zurückzukehren und uns nicht gegenseitig etwas vorzuwerfen, was nicht vorzuwerfen ist. Ich kann der Freiheitlichen Partei nicht dauernd vorwerfen, dass sie nicht mehr in Opposition ist – dort würde sie mir sehr gut gefallen, das gebe ich zu. Ich bitte aber auch, nicht uns dauernd vorzuwerfen, dass wir nicht mehr in der Regierung sind. Dafür sind andere maßgebend. Aber ich neige heute dazu, zu glauben, dass es gar nicht schlecht ist, wenn die Menschen in diesem Land auch einmal feststellen müssen, was es heißt, eine Regierung ohne Sozialdemokraten zu haben. Viele Menschen haben das bisher nur aus den Geschichtsbüchern gekannt. Nachdem aber Lesen nicht unbedingt das ist, was die breite Masse mit Vorliebe tut, und im Fernsehen die Folgen bisher noch nicht zu sehen waren, ist der tägliche Erlebniswert möglicherweise ein politischer Meinungsbildner, auf dem die Sozialdemokraten mit Erfolg aufbauen werden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.19

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ferdinand Gstöttner. Ich erteile ihm dieses.

17.19

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin von Grund auf ein sehr positiv denkender Mensch und stelle heute mit Freude fest, dass wieder eine gewisse heitere Note in den Beiträgen einkehrt. So hat beispielsweise Kollege Missethon so getan, als wären wir, die SPÖ, die Erfinder der dringlichen Anfragen. (Bundesrat Ing. Scheuch: Das war ich!) – Ach, du warst es, entschuldige! Ich habe in den neun Jahren, die ich jetzt hier bin, miterlebt, wie oft solche dringlichen Anfragen gestellt worden sind, und es ist immer eine Frage, wo man sitzt, ob man es für dringend oder nicht so dringend anschaut. – Aber das sei nur am Rande erwähnt. Das wäre es mir nicht wert gewesen, da heraus zu gehen. Aber es sind Punkte angesprochen worden, die mir als Kommunalpolitiker – es sitzt eine ganze Reihe solcher hier – sehr wichtig erscheinen.

Es war von den Finanzausgleichsverhandlungen die Rede, die auch einiges erwarten lassen – nennen wir es einmal so –, für die natürlich unterschiedlichste Voraussetzungen gegeben sind.

Ich möchte nur Folgendes sagen: Man muss das – darum würde ich Sie bitten, Herr Staatssekretär – wirklich sehr differenziert sehen, denn man kann nicht nur von Städten, die profitieren, sprechen oder von Gemeinden, die nicht profitieren, sondern man muss auch die Lage der jeweiligen Stadt oder Gemeinde berücksichtigen. Denn es gibt eine ganze Reihe von kleinen Gemeinden und Städten, die auf Grund ihrer Lage derart "mieselsüchtig dran sind", wie man bei uns im Innviertel sagt, dass sie tatsächlich nicht mehr wissen, wie das dann laufen soll. Man sollte das bei den Berechnungen berücksichtigen, wenn vielleicht die Zahl der Einwohner ohnehin schon zurückgeht aus Gründen, die ganz leicht erklärbar sind: weil dort der Grund zu teuer ist und die Leute daher dort nicht mehr bauen können. Dazu kommt, dass, wenn es nur wenig zu kaufende Grundstücke gibt, die Betriebsansiedlung nicht funktioniert und die Betriebe in die Nachbargemeinden gehen. Auch die Wohnbaugenossenschaften führen dann dort wegen der hohen Grundstückspreise keine Baumaßnahmen mehr durch, sodass sich automatisch eine Reduktion der Zahl der Einwohner ergibt. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Gruber. ) – Bitte? (Bundesrat Ing. Gruber: Jeder Bürger gleich viel wert! Das sage ich immer!)

Das ist ein bisschen einfach, lieber Kollege (Bundesrat Prähauser: Aber doch wünschenswert!), und zwar ganz einfach deshalb – das sage ich als Bürgermeister einer kleinen Stadt –, weil Bezirkstädte zum Beispiel Aufgabenbereiche haben, die man mit jenen anderer, kleinerer Gemeinden absolut nicht vergleichen kann. Man muss das ein bisschen in Relation setzen, ohne jetzt zu jammern, das sei nur als sachliche Feststellung hier eingebracht. – Das ist das Erste.

Das Zweite: Es ist immer sehr leicht, davon zu sprechen, dass das eine oder andere abgeschafft wird. Anzeigenabgabe, Ankündigungsabgabe wurden genannt. Das sind Dinge, die sehr einschneidend sind, und ich würde bitten, dass man auch da die Begleitumstände sehr genau beleuchtet, weil das auch zu einer Benachteiligung führen könnte, die die Gemeinden einfach nicht verkraften.

Aber jetzt zu dem Punkt, der uns alle am meisten beschäftigt, zur Getränkesteuer. Es ist heute die Bemerkung gefallen, eine Einigung mit dem Gemeindebund, mit dem Städtebund sei weitestgehend in Sicht. Ich habe den Eindruck: bisher nicht.

Vor einer Woche war eine Viertelkonferenz der Bürgermeister. Es waren alle drei Richtungen dabei in Aspach, also Braunau, Ried, Schärding. Dort wurde der einstimmige Beschluss gefasst, dass man alles tun und die Regierung ersuchen sollte – fast muss man sagen: Das muss erreicht werden! –, dass da ein voller Ausgleich stattfindet, weil die Gemeinden das sonst nicht verkraften.

Morgen trifft sich der Oberösterreichische Gemeindebund in Gmunden zu einer Informationskonferenz, bei der über die aktuelle Situation gesprochen wird. Bitte, betrachtet das nicht als Jammern, sondern als große Sorge, die die Gemeinden haben, egal, ob es eine schwarze, eine rote oder eine blaue Gemeinde ist. Jede Gemeinde ist in dieser Situation, sie wird mit den Problemen nicht fertig, insbesondere dann nicht, wenn es sich um eine Gemeinde handelt, die sich sehr stark dem Tourismus verschrieben hat. Dafür könnte man Beispiele nennen, etwa im Salzkammergut – wir liegen zufällig auch in dieser Kategorie.

Ich nehme jetzt die alkoholfreien Getränke schon aus, weil sie seit 1. Jänner weg sind, und dann sind das 10 Prozent der Finanzkraft; bei manchen ist es noch mehr. Das ist eine Summe, die einfach nicht hereingebracht werden kann. Da kann man nicht von Jammern reden, sondern wirklich nur von ernsthaften Argumenten und Sorgen, die die Gemeinden drücken. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Ing. Scheuch. )

Ich gebe schon zu, dass sich manche leichter tun, weil sie entsprechende Betriebe haben, weil sie entsprechende Kommunalsteuereinnahmen haben und das eventuell etwas leichter ausgleichen können, wenn der Anteil der Getränkesteuer nicht ganz so hoch ist. Aber in der Regel ist es nicht so, und in diesem Sinn ist meine Bemerkung zu sehen.

Eines muss man auch sagen – das bedrückt mich persönlich ein wenig –: Wir haben grundsätzlich ein sehr gutes und enges Verhältnis mit unseren Gastronomen, ganz egal, ob sie sich Wirte oder Hoteliers nennen. Momentan ist es so, dass ein bisschen Bunkerstimmung herrscht. Jeder sucht beim anderen die Schuld. Dabei kann keiner etwas dafür – es ist so!

Es ist unangenehm, sagen zu müssen, dass sich der Fall der Getränkesteuer eigentlich überhaupt nicht bemerkbar gemacht hat, indem die Getränke billiger wurden. Nur in wenigen Gemeinden und bei wenigen Wirten war das der Fall – man muss unterstreichen: Es gibt solche! Es gibt aber auch solche, von denen man als Antwort bekommt: Wir haben ohnehin schon die längste Zeit dazugezahlt, endlich rechnet sich jetzt das Ganze! – Ich lasse das jetzt einfach so im Raum stehen. Aber das trägt natürlich in einer Gemeinde nicht unbedingt zu einem Ablauf im positiven Sinn bei.

Dass sich die Geschäfte dabei etwas leichter tun, wissen wir alle. Dort ist teilweise reduziert worden, aber auch nicht überall.

Das, was mir aber jetzt am meisten Sorgen bereitet – nicht nur mir, sondern auch den Kollegen –, ist, dass es unter Umständen zur Zurückzahlung der Getränkesteuer der vergangenen Jahre kommen soll. – Freunde! Dann können wir schlichtweg zusperren. Ich hoffe, dass wirklich alles in Bewegung gesetzt wird, um das zu verhindern, denn alles andere wäre ein Wahnsinn.

Nur noch eine Bemerkung: Ich möchte der Sache gar nicht nachgehen, ob es zur Zeit der alten Regierung noch hätte versucht werden sollen oder verstärkt hätte versucht werden sollen. Ich weiß, dass ein Anlauf genommen wurde, die ÖVP aber nicht ganz mitgezogen ist. All das ist Schnee von gestern, das hilft uns nicht mehr. Jetzt müssen wir versuchen, das in die richtige Richtung zu bringen, sodass den Gemeinden kein Nachteil entsteht, dem Bund und den Ländern natürlich auch nicht, denn wir gehören alle zusammen. Es ist ein Fehler, wenn jemand meint, wir seien keine Einheit. Die Größe und die Verantwortlichkeit sind etwas unterschiedlich, aber Tatsache ist: Wenn die Finanzkraft der Gemeinden weiterhin angeknabbert wird, dann stehen wir vor einem echten Dilemma. Wenn jemand meint, dann müsse man es halt in der Form zeigen, dass man keine Aufträge vergibt, dann muss ich sagen: Das ist doch der verkehrteste Weg! Wen trifft das? – Die Firmen und die Arbeitnehmer. Das hat doch keinen Sinn.

Wir müssen schauen, dass wir das in die richtige Form bringen, dass wir erreichen, dass die Gemeinden einen vollen Ersatz bekommen. Herr Staatssekretär! Ich weiß, dass das schwierig ist, aber ich möchte in aller Form und aller Deutlichkeit einbringen, dass das eine Forderung der Gemeinden ist, die wirklich nicht unberechtigt ist, sondern deren Erfüllung für die Entwicklung, für die Zukunft notwendig ist. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

17.26

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Leopold Steinbichler. Ich erteile ihm dieses.

17.26

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Da diese Dringliche mit einem Bericht vom "Kurier" vom heutigen Tag, Seite 17, begründet wurde, möchte ich ergänzen – auch weil ich, Herr Kollege Prähauser, in meinem Zwischenruf gesagt habe, wir seien Drittschlechtester –: In der heutigen "Krone", Seite 4, also etwas weiter vorne, steht folgende Schlagzeile: "Sogar Italien und Griechenland besser als wir". (Bundesrat Prähauser: Aber bei was? Beim Fußball höchstens, Herr Kollege!) "Druck aus der EU zwingt uns zu härterem Sparkurs". "Mit einem Defizit aller öffentlichen Haushalte von 1,7 Prozent des BIP im Jahr 2000 ist Österreich das EU-Schlusslicht." – Entschuldigung, ich muss mich also korrigieren! (Bundesrat Prähauser: Das Problem ist, dass die "Kronen Zeitung" nur Schlagwörter schreibt!)

Nachdem die Diskussion in der Zwischenzeit in eine allgemeine ausgeartet ist, darf ich noch einen weiteren Aspekt hinzufügen. Der Herr Kollege hat wirklich wesentliche Punkte zur Getränkesteuer gebracht, und ich darf noch den abgestuften Bevölkerungsschlüssel in die Diskussion einbringen, weil ich denke, dass das ein Relikt aus den Kriegsjahren ist, das endlich einmal angepasst gehört. Die Zahlen des Bauernbundes haben in letzter Zeit bewiesen, dass wir auf Grund der Streckenlänge im ländlichen Raum gerade bei der Wasserversorgung und der Kanalversorgung die zehnfachen Kosten haben. Ich denke, es sollten endlich einmal Handlungen für den ländlichen Raum gesetzt werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte die Diskussion nicht weiter verlängern, bitte aber dich, geschätzter Kollege Prähauser, da du immer mit Pauschalbeschuldigungen hier im Raum arbeitest – heute kam wieder der Vorwurf der Millionengeschenke an die Bauern –, in Zukunft endlich detaillierte Beispiele zu bringen. (Bundesrat Prähauser: "Wahlgeschenke" habe ich gesagt!) Ich glaube, das würde dem Parlamentarismus sehr nützen und der Diskussion einen besseren Verlauf geben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Prähauser: Aber Wahlgeschenke waren es trotzdem!)

17.28

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. André d'Aron. Ich erteile ihm dieses.

17.28

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Frau Bundesministerin! Ich möchte schon noch ein bisschen etwas zum Ausdruck bringen.

Herr Kollege Prähauser! Ich möchte mich dafür bedanken, dass Sie für die Sozialdemokratie die Notwendigkeit gesehen haben, dass diese auch unseren Jörg Haider unterstützen soll. Es ist jetzt das "FORMAT" erschienen – das ist das letzte "Format" (der Redner zeigt ein Exemplar – Bundesrat Meier: Das ist auch Aktionismus! – Bundesrat Konečny: Wer ist jetzt beleidigt?) –, und wenn man die vorletzte Seite aufschlägt, sieht man Ihren geschätzten Parteivorsitzenden, der in der Hand eine Sammelbüchse hat, auf der "Rot in Not" – Parteikassa-News steht. Ich möchte das gerne zur Kenntnis bringen.

Die ganze Diskussion, die wir hier haben, dreht sich letztlich um das Geld – um das Geld, das wir als neue Regierung übernommen haben. Sie wissen genau, dass sich die Sache mit den Konvergenzkriterien, die wir zu berücksichtigen haben, unsere Probleme mit dem ECOFIN darauf zurückführen lassen, dass alle öffentlichen Budgets zusammengezählt werden. Es sind also alle öffentlichen Budgets zu berücksichtigen, und das trifft uns im Bundesrat natürlich schon, denn wir sind letztlich die Vertreter der Länder und müssen auch die Gemeinden berücksichtigen. (Bundesrat Meier: Richtig! Das tun Sie aber nicht!) Wir als Wiener sind sowohl Landes- als auch Gemeindevertreter.

Das heißt, jene Maßnahmen, die hier seitens des Herrn Staatssekretärs ausgeführt wurden, ob es sich um Lean-Management, Outsourcing, Globalisierungsbudgets oder SAP handelt, betreffen auf jeden Fall die Länder und vermutlich auch die größeren Gemeinden, das ist überhaupt keine Frage. Das müssen wir aus dieser Diskussion auch mitnehmen und in unseren Ländern verdeutlichen, denn letztlich werden wir um die Konvergenzkriterien nicht herumkommen. (Bundesrat Meier: Das werden wir nicht verdeutlichen können!)

Wir werden noch etwas erreichen müssen, sehr geehrte Damen und Herren: Wir wollen den Bürgern in den Ländern das bestmögliche Angebot machen, und dieses müssen wir so machen, dass wir den geringstmöglichen Mitteleinsatz haben. Wir müssen die optimale Produktivität in unserer öffentlichen Verwaltung und bei unseren Gemeinkosten haben. Ich nehme das aus dieser Diskussion auf jeden Fall für uns mit. Wir werden in Wien das zunehmend diskutieren müssen, wir werden nämlich dieselben Bestrebungen, die der Bund hat, auch in den Ländern verstärkt behandeln müssen. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.31

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz. Ich erteile ihm dieses.

17.31

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich möchte nochmals abschließend auf einige Anfragen eingehen.

Hätten wir es leichter gehabt, wenn wir keine Steuerreform gehabt hätten? – Na selbstverständlich hätten wir uns wesentlich leichter getan, aber wir – da spreche ich auch im Namen meines Finanzministers – bekennen uns zur Steuerreform, und zwar aus folgendem Grund: Sie ist aufgrund der inflationären Entwicklung notwendig. Sie muss auch als Leistungsanreiz für die internationale Wettbewerbsfähigkeit gesehen werden. Auch Manager wollen in unserem Land arbeiten. Bei der Standortfrage stellt sich auch die Frage nach dem Steuersystem, vor allem nach der Höhe der Einkommensteuer. Dieses Gesamtpaket – das habe ich heute bereits dargestellt – hat vor allem eine Verteilung von oben nach unten gebracht, und das war wichtig. Daher konnten wir einen relativ bescheidenen Ausgleich bei den Gebühren und Beträgen machen, weil eben vorher eine Steuerreform stattgefunden hat, aber bei weitem nicht in dem Ausmaß, das die Steuerreform gebracht hat.

Wir gehen trotz ECOFIN, trotz der harten Vorgaben davon aus, dass wir keine neuen Steuern brauchen. Wir wollen keine neuen Steuern, weil wir eines haben: Wir haben eine äußerst gute Wirtschaftslage. Wir sind bei der Erstellung unseres Budgets von einem Wirtschaftswachstum in der Höhe von 2,8 Prozent ausgegangen. Inzwischen liegt das Wirtschaftswachstum Schätzungen zufolge bei beinahe 4 Prozent. Wir werden dadurch einen Rückenwind haben. Wir haben eine äußerst gute Beschäftigungslage. Wir haben im Vergleich zu den anderen EU-Ländern noch immer stabile Preise, also Preisstabilität. Wenn also unter derartigen Rahmenbedingungen der Wirtschaft eine Budgetkonsolidierung nicht gelänge, dann würde sie nie mehr gelingen. Diese Rahmenbedingungen müssen wir also für eine Konsolidierung nützen.

Ich habe heute auch dargestellt, dass wir keine Geschenke an die Wirtschaft geben. Es geht um eine lang diskutierte Verbesserung des Wirtschaftsstandortes, wobei sich die Wirtschaft die Lohnnebenkostensenkungen selbst bezahlt, indem ihre Beiträge gesenkt werden, das ist das Wesentliche. Das kommt nicht aus dem Budget, es wird also keine Verteilung von unten nach oben gemacht.

Bei der Getränkesteuer wurde in der heutigen Diskussion schon der Zwiespalt aufgezeigt. Es wird verlangt, dass die Wirtschaft nicht belastet wird, weil sie das schon vorher getragen hat. Das ist übrigens eine interessante Frage. Ich habe wiederholt im Zuge der Getränkesteuerdiskussionen, die ich in allen Runden durchgeführt habe, gefragt: Wer hat bisher die Getränkesteuer bezahlt? – Ich habe die unterschiedlichsten Antworten erhalten, nur nicht der Konsument. Dann habe ich gesagt, dann ist es eine Erleichterung, dann zahlt ihr um 1,2 Milliarden Schilling weniger. Dann haben sie wieder aufgeschrien, das sei wieder eine neue Belastung.

Es gab eine interessante Diskussion mit Gemeindevertretern. Da hat mich ein Landeshauptmannstellvertreter unterstützt. Dieser hat den Kommunen eine ganze Sündenliste vorgelesen und an konkreten Beispielen aufgezeigt, wo sie selbst nicht wirtschaftlich agieren. Da werden Freizeiteinrichtungen überdimensioniert. In parallelen Gemeinden, wo praktisch die Gemeinden schon zusammengewachsen sind, wo die örtliche Entfernung nicht groß ist, wird die Möglichkeit eines gemeinsamen Einkaufs nicht genützt, obwohl da etliches Einkaufspotenzial vorhanden wäre. Das ist heute schon angeklungen. Es ist natürlich auch ein Einsparungspotenzial bei den Gemeinden vorhanden, und das muss jetzt angesichts der beengten Finanzlage genützt werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.35

Vizepräsident Johann Payer: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Vizepräsident Johann Payer: Wir setzen die Verhandlung über die Tagesordnungspunkte 9 und 10 fort.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Koller. Ich erteile ihm dieses. (Zwischenruf des Bundesrates Freiberger. ) Zur Aufklärung: Kollege Koller und dann Kollege Freiberger.

17.37

Bundesrat Franz Koller (Freiheitliche, Steiermark): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Der Sozialbereich betrifft alle Bevölkerungsschichten, er begleitet uns von der Geburt bis zum Tode. Genauso wie sich die Gesellschaft verändert und dem Wandel der Zeit unterliegt, müssen die Sozialgesetze den geänderten Anforderungen angepasst werden. Dies wird in der Ressortverteilung der neuen Bundesregierung beachtet. Die neue Aufgabenteilung des Bundesministeriums umfasst die Belange der Generationen und hat damit große Verantwortung für die Zukunft unseres Landes übernommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie in anderen Industrieländern geht auch in Österreich die Zahl der Bauern und der in der Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten zurück. 1998 waren es 3 500 Personen. Einen Zuwachs gab es bei der Zahl der Selbständigen und der in Industrie, Gewerbe und im Dienstleistungsbereich Beschäftigten. Obwohl es sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt hat, eine flächendeckende bäuerlich strukturierte Land- und Forstwirtschaft zu erhalten, ist das Ende der so genannten Landflucht nicht abzusehen. Der Strukturwandel hat natürlich starke Auswirkungen auf die bäuerliche Sozialversicherung.

Sehr geehrte Damen und Herren! In der Pensionsversicherung ist es so, dass die Zahl der Pensionsbezieher jene der Beitragszahler bei weitem überschreitet. Dies hat Auswirkungen auf die Finanzierung der bäuerlichen Pensionsversicherung.

Nach Berichten des Österreichischen Statistischen Zentralamtes ist die Zahl der in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben Beschäftigten in 20 Jahren um 136 000 zurückgegangen. 1998 gab es nur mehr 124 000 Beschäftigte in der Land- und Forstwirtschaft. Die Zahl der in der Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten wurde also mehr als halbiert. Aber auch die land- und forstwirtschaftlich genutzte Fläche ist im gleichen Zeitraum, also in den 20 Jahren, um 150 000 Hektar geringer geworden. Sind weniger Flächen genutzt, so hat dies auch Einfluss auf die Summe der Einheitswerte, weil die wegfallende Fläche aus der Berechnung für die Beitragsgrundlage herausfällt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Präsident Schwarzböck sprach von einer mentalen Krise der Bauern, verursacht durch den EU-Beitritt, durch die Entwicklung des Agrarmarktes und durch den Strukturwandel. Dies kann ich nur bejahen. Wenn oft von Seiten der Sozialdemokraten kritisiert wird, dass die öffentliche Hand zur bäuerlichen Pensionsversicherung über dem Schnitt liegende Beiträge hinzuzahlen muss, dann halte ich dem entgegen, dass nicht beachtet wird, dass Bauernkinder, die die Höfe verlassen und außerhalb der Landwirtschaft tätig sind, im Umlageverfahren die heutigen Leistungen in ihrer Pensionsversicherung mitfinanzieren.

In dieser für die bäuerlichen Menschen sehr schwierigen Zeit ist die Unterstützung durch die öffentliche Hand besonders wichtig. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte hier einige Zahlenbeispiele nennen. Es wurde schon das Missverhältnis bei den Einkommen von Männern und Frauen genannt. Noch gravierender ist dies bei der Alterspension. Der Durchschnitt der Alterspension bei Männern liegt bei 14 789 S, die Durchschnittspension von Frauen beträgt 8 599 S. Bei den Bauernpensionen ist dies noch krasser. Die Durchschnittshöhe der Bauernpension beträgt bei den Männern 9 166 S und bei den Frauen 4 733 S. Einkommen im Vergleich Frauen und Männer: Es wurde schon erwähnt, dass Frauen um 28 Prozent weniger verdienen. Aber besonders krass ist der Unterschied bei den Führungskräften. Frauen verdienen um 38,6 Prozent weniger. Bei den land- und forstwirtschaftlichen Fachkräften liegt der Unterschied über dem Durchschnitt, da ist ein Minus von 35,6 Prozent zu verzeichnen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Heimatbezirk Hartberg hat einen sehr aktiven Bezirkshauptmann. Hofrat Dr. Kogler engagiert sich sehr für soziale Dienst. Es wurde erst im heurigen Jahr eine Broschüre über die sozialen Dienste herausgegeben. (Der Redner zeigt die Broschüre.) Sage und schreibe 65 soziale Angebote sind in dieser Broschüre verzeichnet, die der Bezirk Hartberg aufweist. (Bundesrätin Schicker: Herr Kollege! Sie müssen schon dazusagen, wer das bezahlt! – Vor allem Gemeinden des Bezirkes Hartberg!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Voraussetzung für den Erhalt und Ausbau der sozialen Leistungen ist die Solidarität der Staatsbürger, die Bereitschaft, auch in Zeiten einer hohen Schuldenlast an einem sozialen Netz besonders für sozial Schwache mitzuwirken. (Bundesrat Meier: Wer bezahlt denn das?)

Frau Ministerin! Lassen Sie sich nicht durch Zwischenrufe von der linken Hälfte beeinflussen! Gehen Sie den von Ihnen eingeschlagenen Weg weiter! Wir unterstützen Sie dabei kräftig. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.43

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Horst Freiberger. Ich erteile ihm dieses.

17.43

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Frau Bundesministerin! Zu Beginn ein Hinweis auf den Grund meiner kurzen Aufregung. Ich stand auf der Rednerliste vor Kollegen Koller, aber selbstverständlich ist mir die Präsidentenanordnung wichtiger. Ich habe nicht gewusst, dass die Reihenfolge umgedreht wurde. Wir haben auf jeden Fall solch eine Liste bekommen. Ich wollte auch nicht dich, Kollege Koller, hintanstellen. Ich habe kein Problem damit, dass ich jetzt erst meine Rede halten kann. Das war kein Abwerten eines Kollegen hier in diesem Hause.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der heutigen Debatte über die Sozialberichte der Jahre 1997 und 1998 kommt deutlich zum Ausdruck, dass im Sozialbereich einige positive Entwicklungen zu verzeichnen sind. In einigen Punkten sind wir von einer Idealsituation zwar noch entfernt, jedoch war die Sozialpolitik der vergangenen Jahre beispielhaft, und dafür haben sozialdemokratische Minister verantwortlich gezeichnet. Die beiden Berichte stellen dieser Politik ein gutes Zeugnis aus. Meine Damen und Herren! Nun droht sich diese erfreuliche Entwicklung ins Gegenteil zu verkehren, wenn die Ankündigungen, die die neue Bundesregierung gemacht hat, umgesetzt und diese Grauslichkeiten aus dem Regierungsübereinkommen mehrheitlich mit Ihrer Zustimmung beschlossen werden.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen Dank und Lob aussprechen. Den Beamtinnen und Beamten des Sozialministeriums, die tatsächlich hervorragende Arbeit geleistet haben, ist für die Gestaltung dieser vorbildlichen Berichte zu danken. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.) Durch eine klare Gliederung und durch den beigefügten Datenband sind diese Berichte ein wichtiges und sehr brauchbares Nachschlagewerk für unsere politische Arbeit.

Hohes Haus! Im Bereich der Beschäftigung befinden wir uns auf einem Höhenflug. Es hat sowohl 1997 als auch 1998 Steigerungen gegeben. Diese Entwicklung hat sich erfreulicherweise bis heute fortgesetzt. Verantwortlich dafür sind ganz eindeutig auch die zahlreichen Beschäftigungsinitiativen und die sozialökonomischen Projekte, die in der Vergangenheit stark gefördert wurden.

Mit solchen Initiativen werden vor allem benachteiligte Personen oder langzeitarbeitslose Menschen betreut. Dadurch wird ihnen die Möglichkeit geboten, mit Unterstützung wieder in den so genannten ersten Arbeitsmarkt integriert zu werden. Wir sind in meinem Heimatbezirk Fürstenfeld schon längere Zeit auf dieser Ebene aktiv, und wir haben mit diesen Projekten schöne Erfolge aufzuweisen. Dies findet auch in der Arbeitslosenstatistik seinen Niederschlag. Wir liegen mit der Arbeitslosenrate unter dem Steiermark-Durchschnitt, und die Tendenz ist weiterhin fallend.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Initiatoren und Betreiber der einzelnen Projekte loben, aber auch einige Gemeinden, die solche Beschäftigungsprojekte aktiv unterstützt haben. Trotz dieser intensiven Anstrengungen gelingt es auch in unserer Region nicht, das Problem der Arbeitslosigkeit älterer Menschen in den Griff zu bekommen. Es zeigen auch die vorliegenden Sozialberichte sehr deutlich auf, dass das ein wachsendes österreichweites Problem ist. Die älteren Kolleginnen und Kollegen scheiden nicht etwa freiwillig aus den Betrieben aus. Nein, sie werden oft unter fadenscheinigen Begründungen aus den Unternehmen gedrängt, oder sie können aus gesundheitlichen Gründen ihren Beruf nicht mehr ausüben, oder sie finden nach einer Insolvenz keinen Job mehr.

Hohes Haus! Dieses Problem wird durch die angekündigten Maßnahmen der Bundesregierung nur noch verschärft, und die betroffenen älteren Menschen werden noch länger in die Arbeitslosigkeit verbannt; ich denke etwa an die geplanten Änderungen des Pensionssystems. Mehr Menschen in Beschäftigung bringen müsste das Ziel sein. Das wäre sicher mit einer gerechten Verteilung der vorhandenen Arbeit erreichbar. Arbeitszeitverkürzung und Abbau von regelmäßig geleisteten Überstunden wären zum Beispiel unter anderem geeignete Methoden, um zu einer Entspannung auf dem Arbeitsmarkt zu kommen. Sicherlich keine Lösung ist Ihr geplantes Bürgergeld für Langzeitarbeitslose, denn das ist unmenschlich, unsozial, ungerecht und bedeutet darüber hinaus noch eine stille Einführung eines Mindestlohns, der maximal als Hungerlohn bezeichnet werden kann und somit ein Lohndumping nach unten darstellt.

Meine Damen und Herren! Wir werden gegen solche Entwicklungen Widerstand leisten und uns auf die Seite der Schwachen stellen, die wie immer unsere Unterstützung haben und sich auf uns verlassen können.

Hohes Haus! Bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist mit der Einführung des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes ein echter Meilenstein gelungen. Die Wirtschaft hat zwar immer wieder behauptet, dass Lehrlingsausbildung ihre Sache und alles bestens sei, wenn ich das etwas vereinfacht wiedergeben darf. In Wahrheit haben jedoch trotz großzügigster Förderungen viele Jugendliche keinen Lehrplatz gefunden. Durch dieses neue Gesetz wird nun jenen Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz finden, die Möglichkeit geboten, an Lehrgängen oder Stiftungen teilzunehmen. Das als Auffangnetz für Jugendliche bekannte Gesetz hat sich in kurzer Zeit bestens bewährt. Ich fordere daher dringend die Weiterführung dieser Möglichkeiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt, den ich hier ansprechen möchte, ist die leidige Diskussion über die Höhe des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass es auch unsere Aufgabe ist, hier der Wahrheit die Ehre zu geben. Wenn man nämlich bedenkt, dass im Jahr 1998 das mittlere Arbeitslosengeld zirka 8 900 S inklusive etwaiger Familienzuschläge und die mittlere Notstandshilfe rund 7 500 S betragen haben, dann muss man entschieden gegen die verbreiteten Märchen in der Öffentlichkeit auftreten.

Arbeitslosigkeit ist ein Schicksal, das ich niemandem wünsche. Ganz im Gegenteil: Diese Menschen brauchen unseren Schutz! Angesichts der tatsächlichen Höhe des Arbeitslosengeldes brauchen sich diese Kolleginnen und Kollegen in primitiven Wirtshausgesprächen nicht diffamieren zu lassen. Ich würde jeden, der da den Mund zu voll nimmt, empfehlen, mit so wenig Geld einige Monate zu leben. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der ständig geführten und auch von einigen Gruppen geschürten Debatte, dass Österreich zu übersozial sei, was immer das auch heißen mag, muss man entschieden entgegenwirken. Wenn wir unsere Sozialausgaben im internationalen Vergleich betrachten, dann werden wir feststellen, dass Österreichs Sozialquote nur knapp über dem EU-Durchschnitt liegt. Dieser Vergleich macht deutlich, dass wir in sozialen Belangen bei weitem nicht Spitzenreiter sind. Meiner Ansicht nach sind einige Bereiche noch deutlich zu verbessern. Insgesamt kann man jedoch mit der sozialen Entwicklung in Österreich durchaus zufrieden sein. Wir sollten, was die Beschaffung von Geldern für soziale Leistungen betrifft, durchaus mehr Kreativität entwickeln, um auch in diesem Bereich noch Verbesserungen zu erzielen. Wir sind nicht bereit, den schwarz-blauen Sozialabbau hinzunehmen.

Hohes Haus! In der momentanen Diskussion wird die Einsparung von staatlichen Transferleistungen als die einzige Möglichkeit zur Lösung der Budgetprobleme dargestellt. Die Sparpolitik der Bundesregierung trifft vor allem die ärmeren Bevölkerungsgruppen, denn die Streichung von staatlichen Transferleistungen und die Erhöhung von indirekten Steuern und Abgaben belastet die unteren Einkommensgruppen überproportional. Nur Steuererhöhungen würden eine Budgetkonsolidierung so gestalten, dass jeder einen gerechten Beitrag, je nach Höhe seines Einkommens, bezahlt.

Besonders krass ist die soziale Ungerechtigkeit im Hinblick auf die Superreichen. Diese haben ihr Privatvermögen in Stiftungen eingebracht und müssen nur für jenen Teil der Erträge Steuern zahlen, der ausgeschüttet wird, und auch davon nur 25 Prozent Kapitalertragssteuer als Endbesteuerung, was die Hälfte des normalen Spitzensteuersatzes ausmacht. Jeder kleine Sparer zahlt hingegen 25 Prozent KESt unabhängig davon, ob er die Zinserträge abhebt oder nicht.

Meine Damen und Herren! Wenn etwa eine Privatstiftung einen Vermögenswert in der Höhe von 1 Milliarde Schilling hat und einen Jahresertrag in der Höhe von 100 Millionen Schilling erzielt, von denen 4 Millionen Schilling ausgeschüttet werden, so beträgt die Steuerleistung bezogen auf die Gesamterträge 1 Prozent. Ich denke daher, dass eine Besteuerung der gesamten Erträge der Privatstiftungen analog zum Sparbuch durchaus angebracht wäre.

Obwohl diese Superreichen noch immer viele Vorteile aus dem Stiftungsrecht wie den halben Spitzensteuersatz oder die Vermeidung der Erbschaftsteuer behalten würden, müssten sie einen merklichen Beitrag zur Budgetkonsolidierung leisten. Bei einem geschätzten Stiftungsvermögen von 400 Milliarden Schilling und bei einem angenommenen 10-prozentigen Ertrag von 40 Milliarden Schilling ergäbe dies zusätzliche KESt-Einnahmen in der Höhe von 10 Milliarden Schilling.

Meine Damen und Herren! Würden diese Mehreinnahmen beispielsweise den Sozialversicherungen zur Verfügung gestellt werden, so würden wir auf Leistungskürzungen oder Selbstbehalte verzichten können.

Abschließend möchte ich noch festhalten, dass die Sozialpolitik in den vergangenen Jahren hervorragend war, und das ist auch in den vorliegenden Sozialberichten dokumentiert. – Die SPÖ-Bundesräte werden diese Berichte daher zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.55

Vizepräsident Johann Payer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Elisabeth Sickl. Ich erteile ihr dieses.

17.55

Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Elisabeth Sickl: Herr Präsident! Hohes Haus! Der Sozialbericht, der auch Fragen der Armut zum Thema hat, ist viel zu ernst, als dass man diesbezüglich polarisiert, und ich muss mit Genugtuung feststellen, dass die Debatte darüber mit wenigen Ausnahmen sehr sachlich verlaufen ist.

Es ist, so glaube ich, unser gemeinsames Anliegen, dass die Gesellschaft mit ihren Allerschwächsten sehr sensibel und sehr vorsorglich umgeht, denn an der Art und Weise, wie sich eine Gesellschaft mit ihren Schwachen befasst, kann man letztlich den Grad des Humanismus messen, zu dem sie sich bekennt. Unsere Politik muss dergestalt sein, dass wir mit allen von uns gesetzten Maßnahmen bewirken, dass die Armen nicht ärmer und die Reichen immer reicher werden.

Ich glaube nicht, dass eine solch kapitalistisch ausgerichtete Sozialpolitik unser gemeinsames Anliegen sein kann (Beifall bei den Freiheitlichen), sondern ich bin der Auffassung, dass wir eine Politik der Solidarität brauchen und dass sehr wohl auch die Einkommensstärkeren ein soziales Netz für die Allerärmsten schaffen. In diesem Sinne bekennt sich diese Bundesregierung auch dazu, ein soziales Gewissen unserer Gesellschaft zu sein.

Ich möchte doch kurz auf einige "Kleinigkeiten" eingehen, die Kollege Freiberger angeschnitten hat, als er die Bezeichnung "Grauslichkeiten" zur Anwendung gebracht hat. – Gerade dieser Regierung ist es ein Anliegen, mittels dieser Pensionsreform langfristig die Pensionen für die Zukunft zu sichern. In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen berichten, dass ich gestern in Brüssel war, wo eine sozialpolitische Debatte auf der Tagesordnung stand, bei welcher die wirtschaftspolitischen Grundzüge besprochen wurden, in die nach der neuen Vorgangsweise der EU ein Dreieck einzubeziehen ist, nämlich Wirtschaft, Beschäftigung, Soziales. Diese drei Punkte lassen sich nicht trennen, sondern hängen eng zusammen.

In diesem Sinne gibt es eine Empfehlung der EU an Österreich, die Pensionsreform nachhaltig durchzuführen. Es gibt eine Aufforderung von der EU an uns, in diesem Bereich sichernde Maßnahmen für die Zukunft zu setzen. Das heißt, dass wir in der Bundesregierung absolut d’accord auch mit dem, was die EU uns vorgibt, sind.

Es gibt noch eine weitere Empfehlung der EU an uns, und zwar werden wir aufgefordert, beschäftigungspolitische Maßnahmen speziell für ältere Bürger zu setzen. Auch das hat die neue Regierung in Angriff genommen, und zwar in Verbindung mit der Pensionsreform. Das wollte ich Ihnen berichtet haben.

Wenn es heute hier heißt, dass gerade kinderreiche Familien an der Armutsgrenze leben, so muss ich sagen: Das ist richtig! Daher ist das Kinderbetreuungsgeld der richtige Schritt in die richtige Richtung. Aber wenn Sie eine soziale Staffelung auch in diesem Bereich verlangen, dann möchte ich Ihnen sagen, dass ich das deshalb für nicht sehr sinnvoll halte, weil schon heute 90 Prozent der Frauen, also jenen Frauen, die berufstätig sind, das Karenzgeld bekommen, und wenn man da nun Einkommensgrenzen einziehen würde, würde man diesen berufstätigen Frauen das Karenzgeld wegnehmen wollen, und das darf es nicht geben. Die letzten 10 Prozent der Frauen, die jetzt auch das Kinderbetreuungsgeld bekommen sollen, sind die Ärmeren. Das sind die nicht berufstätigen Hausfrauen, das sind die Bäuerinnen, das sind Gewerbetreibende, das sind Studentinnen, das sind all jene Frauen, die bisher nicht in den Genuss eines Karenzgeldes gekommen sind, und gerade für diese Gruppen wird es zur Vorbeugung der Armut in kinderreichen Familien ein Vorteil sein, wenn das Karenzgeld oder das Kinderbetreuungsgeld auch an sie fließen wird.

Ich darf auch darauf hinweisen, welch großes Problem wir bei den Behinderten haben und wie bedauerlich es ist, dass seit dem Sparpaket 1996 das AMS nicht mehr die zirka 60 Millionen Schilling jährlich für die Arbeitsassistenz flüssig macht. Das ist eine ganz wichtige Einrichtung, die die Bundessozialämter innehaben und die dazu dient, die Behinderten in den Arbeitsprozess zu integrieren. Es ist doch sinnvoller, wenn Behinderte arbeiten können, denn dadurch steigt einerseits ihr Selbstwertgefühl, und dadurch können sie andererseits sich selbst erhalten. Um dies zu ermöglichen, brauchen wir diese Einrichtung, die die Integration in dem Betrieb erleichtert. Aber das Geld dafür wird leider nicht mehr zur Verfügung gestellt. Es fehlen uns diese zirka 60 Millionen Schilling pro Jahr, mit welchen wir diese Arbeitsassistenz unterstützen und fördern könnten.

Es ist erfreulich, dass jetzt die Beschäftigung älterer und junger Menschen in Österreich im EU-Durchschnitt steigt und wir in Österreich derzeit Spitzenreiter sind. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir in Zukunft Maßnahmen zur Armutsbekämpfung setzen, die von uns allen gemeinsam getragen werden. Es sollen mehr Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden.

Sehr geehrte Kollegen von der Opposition! Ich glaube, da treffen wir uns, wenn wir das fordern. Auch Sie fordern das als Alternative zur Pensionsreform. Dazu muss ich allerdings sagen: Das wird nicht effizient genug sein! Wir brauchen das Hinaufsetzen des Antrittsalters bei Frühpensionen. Ich glaube, das wissen Sie genau so gut wie wir. Dass beschäftigungspolitische Maßnahmen notwendig sind, wissen wir auch beide gleichermaßen. An dieser Stelle lade ich Sie ein, Ihr Pakt auch in die jetzigen Sozialpartnergespräche einfließen zu lassen. (Präsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen eine bessere Kooperation zwischen dem Bund und den Ländern und auch den privaten Sozialorganisationen, denn da herrscht ein Mangel, und da ist sehr oft nicht die entsprechende Information für die sozial Schwachen gegeben, die gar nicht all ihre Rechte in Anspruch nehmen können, weil die Übersichtlichkeit fehlt. Deshalb habe ich nun in einem ersten Schritt begonnen, das Bundessozialrecht zu kodifizieren, um eben eine größere Übersichtlichkeit zu erreichen. Ein nächster Schritt wird es sein, in Kooperation mit den Ländern zu treten und diese dazu zu bewegen, eine bessere Übersichtlichkeit im Bereich der Sozialleistungen herzustellen.

Es ist bedauerlich, dass wir ein großes Problem bei den Randgruppen haben. Es muss unser gemeinsames Anliegen sein, auch diese Themen in den Griff zu bekommen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch unseren Beamten im Sozialministerium aufrichtig für die hervorragende Arbeit, die sie diesbezüglich geleistet haben, danken. Ich freue mich auch, erwähnen zu dürfen, dass ich eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Sektionen im Sinne einer positiven Erledigung gerade dieser Themen pflege.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie einladen, gerade das Thema soziale Probleme, Armut in Österreich in weitem Maße konsensual zu behandeln, denn ich glaube, dass wir unsere Kräfte bündeln sollten, um gemeinsam sinnvolle Lösungen für die sozial Schwachen in unserem Lande zu finden, statt Kräfte zu verlieren, indem wir zu große Reibungsverluste in Kauf nehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.03

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung über die vorliegenden Berichte, die getrennt erfolgt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Bericht über die soziale Lage 1997.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Bericht über die soziale Lage 1998.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts ist somit angenommen.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung ist damit erschöpft.

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Brunhilde Fuchs und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend rätselhafte Zahlenspiele im Bundesvoranschlag (1710/J-BR/00)

der Bundesräte Brunhilde Fuchs und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend rätselhafte Zahlenspiele im Bundesvoranschlag (1711/J-BR/00)

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringlichen Anfragen der Bundesräte Brunhilde Fuchs und Genossen an den Herrn Bundesminister für Finanzen sowie an den Herrn Bundesminister für Inneres.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Fuchs als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

18.05

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Werte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Werter Herr Staatssekretär! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es hat sich heute eine Situation ergeben, die es meines Wissens noch nie gegeben hat, nämlich dass ein Bundesminister eine Frage, die dezidiert an ihn gerichtet wurde, nicht beantwortet hat. Das ist demokratiepolitisch äußerst bedenklich und macht uns ... (Bundesrat Bieringer: O ja! Der Bundeskanzler ...! – Weitere heftige Zwischenrufe bei der ÖVP. – Beifall bei der SPÖ.)

Die Situation, die Sie jetzt meinen ... (Neuerliche heftige Zwischenrufe bei der ÖVP.) Nein! Ich war zufällig auch schon hier in diesem Hohen Haus, als Sie sich aufgeregt haben, dass der Herr Bundeskanzler nicht Stellung bezogen hätte. Der Herr Bundeskanzler wurde nicht persönlich angesprochen. Der Herr Bundeskanzler wurde damals nicht persönlich um eine Antwort ersucht. (Bundesrat Dr. Maier: Ungeheuerlich, das zu behaupten! – Ruf bei der ÖVP: Das sind Lügen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP. – Beifall bei der SPÖ.)

Gut, ich nehme zur Kenntnis, dass nur die Sozialdemokraten über diese Situation erschüttert sind, dass es den anderen Kolleginnen und Kollegen hier in diesem Hohen Haus, allen anderen Bundesräten nicht sehr wichtig ist, ob der Bundesrat in einer solchen Weise abgewertet wird. So empfinde ich das sehr wohl. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich stehe dazu. (Ruf bei der ÖVP: Das glaubst ja selbst nicht!) – So ist es nicht. Wenn jetzt der Zwischenruf "das glaubst ja selbst nicht" gefallen ist, dann meine ich: Ich bin wirklich davon überzeugt, dass das Verweigern einer Auskunft beziehungsweise einer Antwort den gesamten Bundesrat desavouiert. Dieser Meinung bin ich, und davon gehe ich auch nicht ab.

Ich empfinde das aber auch persönlich als sehr unangenehm, denn ich habe mich mit diesem Thema intensiv und ehrlich auseinander gesetzt, aber der zuständige Minister negierte meine Fragen. Als gelernte Pädagogin habe ich dazu auch eine Meinung. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Es war bisher eine Selbstverständlichkeit und hat auch dem bisherigen Selbstverständnis von Mitgliedern der Bundesregierung entsprochen, dass Fragen, die in der Debatte von Mitgliedern des Bundesrates aufgeworfen wurden, von den Mitgliedern der Bundesregierung umfassend und konkret beantwortet wurden. Sollte die neue Regierung dieses Selbstverständnis abändern wollen, dann ist natürlich auch die Oppositionspartei gezwungen, ihre parlamentarische Praxis zu ändern.

Herr Bundesminister! Sie hätten uns allen viel Zeit sparen können, wenn Sie diese Antwort nicht verweigert hätten. Wie in meiner Debattenrede schon vor einigen Stunden angekündigt, bin ich nun gezwungen, diese dringlichen Anfragen einzubringen. (Zwischenruf.) Keine Wiederholung! Ich hoffe, dass alle so aufmerksam zugehört haben, dass sie noch wissen, was ich gesagt habe. Aber ich habe angekündigt, dass dann, wenn keine Antwort auf meine Fragen gegeben wird, meine Fraktion eine dringliche Anfrage stellen wird. Sozialdemokraten stehen zu ihrem Wort, daher bringe ich auch jetzt diese Anfrage ein. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Das ist selbstverständlich. – Allerdings richten wir jetzt diese dringliche Anfrage auch an den Finanzminister, sodass Antworten – hoffentlich inhaltlich identisch – zu erwarten sind.

Ich hoffe sehr, dass wir erfahren werden, weshalb die Einnahmen so hoch budgetiert werden und wodurch diese Diskrepanz entstanden ist. Da solch ein Geheimnis daraus gemacht wurde, fällt mir Einiges dazu ein. Ich möchte aber Ihre Zeit nicht weiter beanspruchen und möchte auch keine Behauptungen in den Raum stellen. Es klingt irgendwie geheimnisumwittert, denn sonst hätten wir die Antwort schon erhalten. Aber Aufklärung wird gleich erfolgen. Ich hoffe, dass jenen Institutionen, die noch Zivildiener zugeteilt bekommen, keine Erhöhung der Kosten erwachsen. Oder sind diese heimlich, still und leise schon geplant worden? – Ich weiß es nicht.

Werte Damen und Herren! Wenn wir schon einen Minister und einen Staatssekretär einladen durften, interessieren uns natürlich auch einige andere wichtige Fakten zur Entwicklung des Zivildienstes, die jetzt hoffentlich doch im zweiten Anlauf beantwortet werden können, damit alle Unklarheiten ausgeräumt werden können.

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass diese Vorkommnisse von heute im Sinne eines ehrlichen, konstruktiven Parlamentarismus eine Einmaligkeit bleiben. (Beifall bei der SPÖ.)

18.10

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Mag. Strugl zu Wort gemeldet. Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhalts zu beschränken. – Bitte, Herr Bundesrat Mag. Strugl.

18.10

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bundesrätin Fuchs hat in ihrer Begründung der dringlichen Anfrage gemeint, dass es noch nie vorgekommen ist, dass in diesem Haus ein Minister keine Antwort auf eine konkrete Frage gegeben hätte.

Dies entspricht nicht den Tatsachen. Ich brauche nicht die Situation in Erinnerung zu rufen, als der damalige Bundeskanzler da war. Das meine ich nämlich ... (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )  – Sie können sich beruhigen, Frau Kollegin! Ich meine diesen Fall nicht. Ich meine einen anderen, und zwar im Rahmen einer Fragestunde an den damaligen Minister für Finanzen Edlinger.

Damals war ich selbst Anfragesteller. Da ist es um finanzielle Auswirkungen einer bestimmten Regelung auf die Länder gegangen. Ich kann Ihnen jetzt nicht genau den Wortlaut wiedergeben, weil es in der kurzen Zeit nicht möglich gewesen ist, das im Protokoll nachzulesen. (Bundesrat Konečny: Sehr "tatsächlich" ist die Berichtigung!) Aber ich biete Ihnen, Frau Kollegin Fuchs, gerne an, wenn Sie das wollen – das gilt auch für Frau Kollegin Trunk –, dass wir gemeinsam in den Stenographischen Protokollen nachschauen. Für Sie beide wäre das eine Art historische Arbeit, denn zu dieser Zeit waren Sie noch nicht in diesem Gremium. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.12

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung der dringlichen Anfrage hat sich zunächst der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen zu Wort gemeldet. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

18.12

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich möchte zur ersten Frage kommen: "Werden aus der Sicht des Bundesministers für Finanzen die Zahlungen der Insitutionen, die Zivildiener beschäftigen, in der Höhe unverändert bleiben, wie dies öffentlich zugesagt wurde?"

Aus heutiger Sicht möchte ich diese Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten und einmal erklären, wie alles zu Stande gekommen ist.

Am 4. Februar 2000, 12 Uhr, hat die neue Bundesregierung das Amt angetreten – ich habe hierüber schon mehrfach berichtet – und hat hinsichtlich des Budgets 2000 keinerlei Vorarbeiten vorgefunden. (Bundesrat Konečny: Das ist nicht wahr!) Obwohl das Budgetjahr 2000 schon gelaufen ist, gab es keine Erhebungen bei den Ressorts, wie sie aufgrund der Einnahmensituation ihr Budget erstellen sollen. Es war nichts vorhanden, und wir mussten, um noch zeitgerecht im ersten Halbjahr ein Budget zu erstellen, diese Arbeit innerhalb von 14 Tagen nachholen. Ich bitte, bei der gesamten Budgetierung diesen Zeitdruck, diese schwierigen Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Dann gab es folgende Situation: Es waren bei den Einnahmen 243 Millionen Schilling veranschlagt, und der tatsächliche Abgabenerfolg betrug 288 Millionen Schilling. (Bundesrat Konečny: In welchem Jahr?)  – 288 Millionen Schilling Einnahmenerfolg im Jahr 1999. – Richtig, Herr Professor! (Bundesrat Konečny: Okay, ich wollte es nur verstehen!)

Wir gingen damals – es mussten erst die inhaltlichen Strukturen erarbeitet werden – von einer geringfügigen Erhöhung, von einer Anpassung aus. Das war der Unterschied: Wir haben diese Erhöhung veranschlagt, ohne die dahinter stehenden Zahlen noch näher untersucht zu haben, ohne die besondere Situation der Zivildiener berücksichtigt zu haben. Der Herr Bundesminister für Inneres wird dann konkret dazu Stellung nehmen, welche Situation er vorgefunden hat. (Bundesrat Konečny: Eine Erhöhung der Zahl der Zivildiener oder der Ersätze?) – Die Zahl der Ersätze war deshalb höher, weil eine erhöhte Anzahl von Zivildienern eingesetzt war. Darum gab es eine etwas höhere Annahme.

Die Fragen 2 bis 4 möchte ich aus Gründen der inhaltlichen Zusammenhänge gemeinsam beantworten. Sie lauten:

"2. Wie erklären Sie sich die erwarteten Einnahmen laut Bundesvoranschlag 2000 in der Höhe von 339 Millionen Schilling, wenn im Jahr 2000 weniger Zivildiener beschäftigt werden und der Rückfluss im Jahr 1999 nur 243 Millionen Schilling betragen hat?

3. Handelt es sich dabei um einen Budgetierungsfehler? Wer trägt daran Schuld?

4. Warum waren Sie bisher nicht in der Lage, diese Diskrepanz gemeinsam mit dem Bundesminister für Inneres aufzuklären?"

Ich habe sie gerade aufgeklärt. Es war kein Budgetierungsfehler, sondern wir hatten zu diesem Zeitpunkt eine andere Annahme, wie wir diese Frage lösen würden. Es wurde erst dann eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Der Aufgabenzweck, die Vorgaben oder die Richtung, in die sich das bewegen könnte, wird dann der Herr Bundesminister für Inneres noch näher erläutern.

Zur Frage 5: "Wie stellt sich die Entwicklung des Zivildienstes aus Ihrer Sicht für das Finanzjahr 2001 dar?"

Dazu möchte ich anführen: Wir werden hoffentlich in Bälde endlich ein Budget 2000 in Form eines Gesetzesbeschlusses haben. Wenn wir dieses Budget 2000 haben, dann beginnen wir mit dem Budget 2001.

Wir haben auch deshalb noch nicht damit begonnen, weil wir den gestrigen ECOFIN-Rat und dessen Beurteilung unseres Budgets und unseres Stabilitätsprogrammes abwarten wollten. Wir werden uns erst jetzt mit den neuen Budgetvorgaben beschäftigen, und zwar natürlich unter dem Gesichtspunkt, dass wir weiter konsolidieren müssen. Daher wird auch die Zivildienerfrage eine schwierige Frage werden, aber es besteht seitens der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zur Einrichtung des Zivildienstes. Dieser wird daher nicht auf kaltem Weg oder offiziell abgeschafft! (Beifall bei der ÖVP.)

6. Frage: "Wie beurteilen Sie als Finanzminister die Auswirkungen der Reduktion von Zivildienstplätzen auf die betroffenen Einrichtungen?"

Selbstverständlich sind die betroffenen Einrichtungen nicht erfreut, das ist völlig klar. Aber man muss die bisherige Zuteilung sehen. Dazu wird der Herr Innenminister noch Stellung nehmen. Man muss prüfen: Wie ist die bisherige Zuteilung gelaufen? Wieso gibt es Probleme im laufenden Jahr?

Vor allem muss ich wieder einen Satz sagen, den ich heute schon mehrfach erwähnt habe: Die Aufgabe, zu stabilisieren, ist nicht nur eine Aufgabe des Bundes, der Länder und sonstiger Gebietskörperschaften, sondern auch aller Empfängerorganisationen, also auch der Non-Profit-Organisationen. Es ist ihre Aufgabe, zu sehen, welche Plätze sie tatsächlich benötigen, und sich dabei auf die Kernaufgaben zu beschränken.

Das Stabilisierungsprogramm ist also eine Aufgabe, die uns alle betrifft. Eine Einsparung, die niemand bemerkt, kann nicht vonstatten gehen. Das ist unser Problem. Ich lade daher schon von hier aus alle Organisationen dazu ein – diese Gespräche finden bereits statt –, dass wir gemeinsam zu einer vernünftigen, angemessenen Lösung kommen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.19

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich erteile nunmehr dem Herrn Bundesminister für Inneres zur weiteren Beantwortung das Wort. – Bitte.

18.20

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich beehre mich, die dringliche Anfrage der Bundesräte Fuchs und Genossen wie folgt zu beantworten.

Zur Frage 1:

Wie bekannt ist, ist eine Änderung des Zivildienstgesetzes beabsichtigt, um die Versäumnisse der letzten Jahre aufarbeiten zu können. Dazu habe ich eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Die vorhin erwähnten Versäumnisse betreffen eine erhebliche Zahl von Zivildienern, die in ihrer Lebensplanung beeinträchtigt sind – Sie wissen, es handelt sich um ungefähr 17 000 –, sowie die entsprechende Beachtung einer vor Jahren erstellten Studie, die die derzeitige Situation bei den Zivildienern leider schon vor fünf Jahren vorhergesagt hat.

Die Zahlung der Institutionen, die Zivildiener beschäftigen, wird für die Novelle des Zivildienstgesetzes ebenfalls eine veränderliche Größenordnung sein, wenn man alle Optionen einhalten können will.

Zu den Fragen 2 bis 4:

Wie Herr Staatssekretär Finz bereits ausgeführt hat, betrug der Einnahmenerfolg des Jahres 1999 nicht 243 Millionen Schilling, sondern genau 288,187 620,74 Schilling und war somit höher, als im Bundesvoranschlag 1999 ursprünglich vorgesehen war, da die Anzahl der im Jahr 1999 zugewiesenen Zivildienstpflichtigen gegenüber der bei der Budgeterstellung geplanten Anzahl erhöht wurde.

In der ursprünglichen Budgetplanung für das Jahr 2000 wurde unter anderem auch im Hinblick auf die gebotene Budgetsanierung von einer Erhöhung der von den Rechtsträgern an den Bund zu leistenden Kostenbeiträge ausgegangen. Das ist, wenn ich darauf hinweisen darf, eine Detaillierung Ihrer Zusatzfrage. Entgegen dieser ursprünglichen Absicht wurde jedoch das Augenmerk nicht auf die Erhöhung der Einnahmen und damit der Belastung von Zivildiensteinrichtungen, sondern vielmehr auf Maßnahmen gelegt, die zu nachhaltigen Ausgabensenkungen im Budget 2000 führen.

Im Lichte dieser Ausführungen erscheint auf der einen Seite die Veranschlagung der Einnahmen für den Bundesvoranschlag 2000 durchaus hoch – man könnte auch sagen überhöht – doch im Zusammenhang gesehen wird dies durch die eintretenden Ausgabensenkungen mehr als wettgemacht.

Zur Frage 5:

Zum jetzigen Zeitpunkt steht die Höhe der für Zwecke des Zivildienstes für das Finanzjahr 2001 zur Verfügung stehenden Budgetmittel naturgemäß noch nicht fest. Ich gehe aber davon aus, dass ein Bundesvoranschlag 2001 – ebenfalls aus den vom Herrn Staatssekretär schon genannten Gründen, die in der Vergangenheit liegen und gerade gestern leider auch auf europäischer Ebene zu nachdrücklichen Diskussionen geführt haben – dem Spargedanken der Bundesregierung Rechnung tragen wird, weshalb mit einer wesentlichen Steigerung der für den Bereich Zivildienst für das Jahr 2001 bereitzustellenden Mittel nicht per se zu rechnen ist.

Zur Frage 6:

Dieses Programm, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein Rettungs programm. Eine Reduzierung der Zuweisung von Zivildienstpflichtigen lässt die Aufgabenerfüllung der Trägerorganisationen durchaus nicht leichter werden. Ich bin aber unter Beachtung der bereits erfolgten Zuweisungen der letzten Termine bestrebt, die Aufrechterhaltung der von den Trägerorganisationen angebotenen Leistungen auch weiterhin zu ermöglichen.

Zu den Fragen 7 bis 9:

Priorität bei der Zuteilung genießen grundsätzlich Non-Profit-Einrichtungen, und zwar jene auf dem Gebiet des Rettungswesens, der Sozialhilfe, der Behindertenhilfe und des Katastrophenschutzes. Zum Juni-Termin 2000 wurden aufgegliedert nach Bundesländern die Zuweisungen gegenüber dem Juni-Termin 1999 wie folgt vorgesehen:

Burgenland: Juni 1999: 44, Juni 2000: 37; Kärnten: Juni 1999: 44, Juni 2000: 50; Niederösterreich: Juni 1999: 300, Juni 2000: 233; Oberösterreich: Juni 1999: 331, Juni 2000: 196; Salzburg: Juni 1999: 102, Juni 2000: 75; Steiermark: Juni 1999: 211, Juni 2000: 155; Tirol: Juni 1999: 136, Juni 2000: 111; Vorarlberg: Juni 1999: 89, Juni 2000: 62; Wien: Juni 1999: 452, Juni 2000: 205. (Bundesrat Payer: Kärnten ist auf die Butterseite gefallen!)

Um den Non-Profit-Organisationen Zivildienstpflichtige zuweisen zu können, mussten die Zuweisungen zu Einrichtungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden wesentlich gekürzt werden beziehungsweise unterbleiben. Dadurch ergaben sich im wesentlich die erwähnten Veränderungen. Im Bundesland Kärnten erfolgte daraus eine gegenüber dem Juni-Termin 1999 um sechs Zivildienstpflichtige höhere Zuweisung, und zwar einerseits, weil in diesem Bundesland keine Bundes- und keine Gemeindeeinrichtungen einen Bedarf an Zivildienstpflichtigen zum Juni-Termin 2000 gemeldet hatten, und zum anderen, weil in diesem Bundesland eine Bedarfserhöhung von 55 Zivildienstpflichtigen zum Juni-Termin 1999 auf 79 Zivildienstpflichtige zum Juni-Termin 2000 gemeldet worden waren. – Danke herzlich. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Gudenus. )

18.25

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Gibt es dazu eine Wortmeldung? – Bitte, Herr Bundesrat Konečny.

Ich weise darauf hin, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist. – Bitte.

18.25

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Wenn man dringlich fragt, dann bekommt man eine Antwort. Ich hoffe, dass wir das nicht zur Grundlage parlamentarischen Umgangs miteinander machen müssen, aber ich nehme auch die dringliche Antwort gerne zur Kenntnis.

Es handelt sich also – wir haben uns dabei auf die Meldung einer Zeitung bezogen, die auch recherchiert hat – ganz offensichtlich darum – ich darf es jetzt in meiner Sprache ausdrücken –, dass eine Richtungsänderung im Zahlenwerk nicht mehr ihren Niederschlag gefunden hat; wobei ich den Eindruck habe, auf der Ausgabenseite schon, aber ich habe den Budgetband jetzt nicht da. Aber auf der Einnahmenseite hat diese Korrektur keinen Niederschlag gefunden. Es gibt also einen Richtungswechsel, was natürlich – das war eine der Behauptungen, die wir aufgestellt haben – die Aussagekraft des Budgets, wenn auch an einer ökonomisch kleinen Nebenfront, nicht gerade erhöht.

Ich habe nicht die Absicht, die heute bereits geführte und mit großer Intensität geführte Zivildienstdebatte noch einmal in allen Facetten aufzugreifen. Aber ich möchte schon drei Gesichtspunkte, die mir wichtig erscheinen – Verzeihung, es werden vier werden –, in Erinnerung rufen.

Ein Gesichtspunkt ist, dass wir in den letzten Jahren durch das Innenministerium mit entsprechendem Kostenaufwand – natürlich, auch mit entsprechenden Erlöserhöhungen – eine doch substanzielle Steigerung des Einsatzes von Zivildienern zuwege gebracht haben, was dazu geführt hat, dass die Zahl der jungen Männer, die sich derzeit in der Warteschleife befinden, nicht substanziell, aber doch gesunken ist. Wenn man die Zahl umrechnet, die in der Warteschleife ist, dann wäre das auf dem Niveau der letzten Jahre etwas mehr als zwei Jahresquoten.

Ich kann einer Argumentation nicht folgen, die einerseits sagt, wir haben da einen Rückstand, den niemand leugnet, übernommen, und diesen gilt es abzubauen, aber andererseits dafür eintritt, die Zahl der Einsatzplätze zu reduzieren. Das ist für mich logisch nicht nachzuvollziehen. Der Rückstand wird zwangsläufig wachsen, außer – ich unterstelle das einem Zivildiener als Innenminister nicht – das Ganze ist in Wahrheit der Versuch, eine schiefe Ebene aufzubauen, mit Hilfe derer jene, die ungeduldig werden, letztlich vor den Toren des Bundesheeres abgelagert werden sollen, weil sie von dieser Ebene hinunterrutschen.

Ich unterstelle Ihnen das nicht, Herr Innenminister, aber wie dieser Rückstau sonst abgebaut werden soll, ist mir bei dieser "Kurzfrist-Stoßrichtung" – es ist schon schön, wenn es Planungsgespräche gibt – nicht nachvollziehbar.

Zweitens: Der Herr Staatssekretär hat auf die zu führenden Gespräche – es ist immer notwendig, mit den Betroffenen zu sprechen – mit den Trägereinrichtungen, also mit jenen, die Zivildiener auch weiterhin zur Verfügung gestellt bekommen, hingewiesen. Ich möchte vorausschicken, vielleicht ist da mein Ohr empfindlicher, als es gerechtfertigt ist. Wir haben uns heute schon einmal über staatliche Kernaufgaben unterhalten, Herr Staatssekretär, und die Formulierungen, die Sie dabei verwendet haben, machen mich ein wenig misstrauisch. Diese Einrichtungen hätten, wie Sie sich ausgedrückt haben, ihre Verantwortung zu übernehmen. – Also ich sage es jetzt einmal so, wie ich es gehört habe; Sie können dann gerne richtig stellen: Privatisiert, also nicht dem Kernbereich des Staates zugehörig, möchte ich den Zivildienst nicht sehen!

Es ist, gerade deshalb, weil es sich um eine Ersatzdienstleistung handelt, eine eminent staatliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Gleichbelastung von jungen Menschen sichergestellt wird, dass eine faire Verteilung – ich will das im Detail gar nicht diskutieren – von Zivildienern auf Einrichtungen, die sie brauchen, sichergestellt wird. Ich würde mir nicht wünschen, dass gewissermaßen ein freier Markt entsteht, auf dem die Institutionen um Zivildiener werben, dafür bezahlen und dass es dann sozusagen zu dem Befreiungsschein des Einzelnen, der irgendwann im Innenministerium einzureichen ist, kommt. Das wäre für diese Republik unwürdig. Ich will es Ihnen nicht unterstellen, aber wir sollten an dieser Stelle auch beim kreativen Denken durchaus zurückhaltend sein.

Drittens: Wir haben in der Beantwortung der heutigen Anfrage natürlich ein weiteres Mal die Frage der Plätze zu diskutieren. Wenn man also – dass man damit nichts abbaut, habe ich schon gesagt – rund halb so viel – Daumenrechnung – wie im Vorjahr zum Juni-Termin hinberuft und eine gewaltige Umschichtung vornimmt, dann ist das natürlich eine mögliche Argumentation – eine nicht für mich mögliche, aber eine durchaus argumentativ vertretbare Argumentation – zu sagen: Ich schließe öffentliche Einrichtungen davon aus, weil wir meinen, karitative Einrichtungen, wie immer man das definiert, sind vordringlicher, bedürftiger, dort ist es notwendiger.

Ich mache – in Klammer – darauf aufmerksam, dass das natürlich schon auch ein bisschen eine "Schneida, gib’s weita!"-Methode ist, denn all jene Einrichtungen, die zu einem guten Teil ihren Dienstbetrieb auf die Zur-Verfügung-Stellung von Zivildienern aufbauen, sind jetzt in einer sehr unangenehmen Weise, auch wenn es um das AKH geht, vor die Aufgabe gestellt, andere personelle Lösungen zu finden, die auch durchaus kostenintensiv sein können, weil es zum Juni-Termin – das ist nicht in ferner Zukunft, sondern es ist, von einer Betriebsplanung her betrachtet, übermorgen – diese Zivildiener nicht geben wird. Ich halte das nicht wirklich für glücklich und auch nicht wirklich für verantwortungsbewusst. In Bereichen, in denen man tief greifend – ich diskutiere Ihre Berechtigung nicht, natürlich ist sie gegeben – in gesellschaftliche Planungsvorgänge eingreift, ist die Zeit des Vorlaufs, die faire Chance, dem Anderen eine Anpassung zu geben, irgendwie gesellschaftliches Grundverständnis. Ich fürchte, dass wir feststellen müssen, dass Sie dagegen verstoßen haben.

Die vierte und letzte Bemerkung ist, dass wir glauben, dass – das ist der einzige Punkt, den ich aus der mittäglichen Debatte wiederholen will – mit jenen Rahmenbedingungen, die auch durch – nicht unseren – Beschluss dieses Hauses heute geschaffen wurden, das Grundelement des Zivildienstes nicht mehr gegeben ist, nämlich die Gleichbehandlung von jenen, die diesen Ersatzdienst ableisten, und von jenen, die den Wehrdienst ableisten.

Kollegin Fuchs hat das heute schon in diesem Zusammenhang angekündigt. Es gibt inzwischen 500 junge Menschen, die sich auf Grund eines Angebots von Seiten der Sozialdemokratie bei uns gemeldet haben. Und nicht bei Philippi, aber vor dem Verfassungsgerichtshof sehen wir einander wieder. (Beifall bei der SPÖ.)

18.34

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster ist Herr Bundesrat Prähauser zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.34

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Wir haben jetzt von Herrn Professor Konečny den Sachverhalt klar dargelegt bekommen. Auch die Beantwortung des Herrn Innenministers war aus meiner Sicht erschöpfend, wenngleich einige Dinge für mich offen geblieben sind, und diese werde ich versuchen, jetzt noch kurz aufzuzeigen, um möglicherweise auch eine Antwort darauf zu bekommen.

Ich glaube, wenn wir miteinander diskutieren, sollten wir offen miteinander diskutieren. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. )  – Hören Sie einfach zu, Herr Kollege Weilharter, vielleicht ist auch für Sie etwas dabei. Möglicherweise kann man auch davon profitieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich behaupte, dass nicht allein Finanzprobleme zu der Diskussion um den Zivildienst geführt haben, sondern ein traditionell gestörtes Verhältnis der ÖVP und auch der Freiheitlichen Partei zum Zivildienst, nämlich in der Konkurrenzierung zum Bundesheer. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Bitte, meine Damen und Herren, lassen Sie mich ausreden! Mir war es vorbehalten, mit meinem Sohn zu einer Zivildienstkommission zu gehen. Ich selbst stehe zum Bundesheer, das ist hinlänglich bekannt. Mein Sohn war anderer Meinung als sein Vater. Es war eine erschöpfende Diskussion vor Ort. Man hat ihm dann auch die Zusage gegeben, den Zivildienst ableisten zu dürfen. Der Vater hat keine Freude gehabt, weil ich auch meinte, es würde ihm, wie der Volksmund sagt, nicht schaden, etwas Ordnung beigebracht zu bekommen.

Meine Damen und Herren! Wenn junge Menschen – eine Demokratie soll dafür gerade stehen – den Wunsch äußern, einen Zivildienst, einen Wehrersatzdienst leisten zu wollen, auch unter der Voraussetzung, länger zu dienen als der Grundwehrdiener, dann sollte man ihnen die Chance geben. Ich stimme aber auch den Kritikern zu, wenn es darum geht, Plätze, die Zivildiener bekommen sollen, genauestens auszusuchen. Ich halte nichts davon – wie wir gehört haben –, sie als Reisebegleiter oder als Bürohengste in irgendwelchen Büros verschwinden zu lassen. Das, meine Damen und Herren, betrifft zwar eine verschwindend kleine Anzahl, aber das ist auch aus meiner Sicht nicht zu vertreten. Ich meine, dass der Altenbetreuung, der Behindertenbetreuung, dem Roten Kreuz, dem Samariterbund, um auch der ÖVP zu schmeicheln, dem Hilfswerk natürlich sehr damit gedient ist, Zivildiener zugeteilt zu bekommen. Wir sind anders gar nicht in der Lage – da meine ich jetzt auch die finanzielle Misere –, all das auf Dauer anders zu finanzieren. Nur sollten wir, wenn wir diskutieren, ehrlich miteinander umgehen.

Meine Damen und Herren! Allein als es darum ging, 43 S Verpflegungsgeld zu diskutieren, folgte der Hinweis in den Medien darauf, dass ein Wehrmann auch nicht mehr bekommt, wenn er nicht in der Kaserne schläft und dort nicht die Verpflegung genießt. Meine Damen und Herren! Welcher Zivildiener hat denn die Möglichkeit, in einer Kaserne oder in einem Krankenhaus, in einem Altersheim zu schlafen und dort auch die Verpflegung zu genießen. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )  – Nicht alle Gemeinden sind so reich wie Wals-Siezenheim, Herr Bundesrat Bieringer, das weißt du auch ganz genau. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

Meine Damen und Herren! Ich glaube, man sollte dazu stehen, man profitiert als gemeinsames Staatsganzes davon: das Heer auf der einen Seite, junge Männer und auch Frauen, die sich freiwillig zur Waffe bekennen, und auf der anderen Seite die Zivildienstnehmer, junge Leute, die sich für den Zivildienst entschieden haben. Davon profitieren die alten Menschen, die Behinderten und auch unsere Kinder, weil jeder, der sich mit etwas identifiziert, dort eine besondere Leistung bieten wird. Der Staat sollte es nicht versäumen, das für sich zu lukrieren und davon auch zu profitieren. Dafür, Herr Bundesminister, Herr Staatssekretär, sollten auch entsprechende Mittel vorhanden sein.

Ich glaube, dass es natürlich auch Maßnahmen bedarf, die jungen Menschen anzuregen, den Wehrdienst abzuleisten, um – eine Sorge, die Sie haben – zu verhindern, dass das Bundesheer Wehrmänner verliert. Da sollte man mit Beispielen vorangehen. Wir haben heute gehört: "attraktiver gestalten". Es kann niemals "attraktiv" sein, in einen Krieg ziehen zu müssen. Auch ein Manöver ist keine klasse Sache auf Dauer, das wird man spätestens nach den ersten Tagen mitbekommen haben. Ich weiß allerdings auch, dass viele von der Regierungsriege nicht gedient haben. Aber das heißt nicht, dass Sie nicht wissen, was dort vor sich geht. (Bundesrat Bieringer: Ich habe schon gedient!)  – Herr Vizeleutnant Bieringer! War das ein Zwischenruf?

Ich meine, dass es nicht schadet, wenn man auch vom Fach kommt, wenn man darüber entscheiden muss, was die Zukunft in diesem Bereich bieten soll. Ich halte diese Überschriften, wie wir sie heute schon einmal diskutiert haben, etwa im "FORMAT": Austrosoldaten dürfen ballern!, auch nicht für sehr gut. Oder wenn Sie die "Kronen Zeitung" von morgen anschauen: ",Lump-Affäre weitet sich aus!" – Überschriften sind nicht dazu da, sachlich bleiben zu können, daher stellen wir das weg.

Ich meine aber – Inhalt dieses Regierungsbeschlusses –, dass die KFOR-Soldaten aus Österreich in Zukunft auch zur Durchsetzung von Maßnahmen zur Waffe greifen sollen, nicht erst aus Notwehr heraus.

Ich gehöre auch zu jenen, die sagen: nicht zuerst den Kopf hinhalten, hoffen, dass keine Kugel kommt, und dann kannst du schauen, wie du weiter kommst. – Aber das voranzustellen, ohne Diskussion, ganz klammheimlich als Regierungsbeschluss unter das Volk zu bringen, das wird nicht dazu dienen, die jungen Menschen in ihrer Entscheidungs- und Gewissensfrage Zivildienst oder Bundesheer zu unterstützen und sie zum Bundesheer zu bringen. Das, meine Damen und Herren, sollten Sie zum Anlass nehmen, nachzudenken, damit diese Ungleichgewichtung aus ihrer Sicht in Zukunft nicht mehr passiert.

Ich darf noch einmal sagen: In diesem Bereich zu sparen, ist unsozial, geht auf Kosten der Kranken, der Alten, der Einsamen, auch junger Menschen, die davon profitieren. Wenn Finanzprobleme auf Grund eines zu hohen Personalstandes vorliegen – wir haben, und da möchte ich dem Herrn Verteidigungsminister ein Kompliment aussprechen, in einer Anfragebeantwortung vieles erfahren, was bisher immer hintangehalten wurde, nämlich dass natürlich der Apparat Heer aufgebläht ist –, dann muss man schrittweise zu einer Entschlackung kommen. Dann werden wir auch die entsprechenden Mittel finden und diese so einzusetzen wissen, dass wir mit dem Zivildienst und mit dem Bundesheer leben können. Diese Republik braucht das. (Beifall bei der SPÖ.)

18.41

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte.

18.42

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da ich heute ein paar Mal zitiert worden bin, gestatten Sie mir, dass ich vorerst darauf eingehe.

Herr Bundesrat Hoscher hat gemeint, ich habe als Fraktionsobmann der ÖVP-Bundesräte eine Presseaussendung gemacht, in der ich Folgendes geschrieben habe – dazu stehe ich auch –: SPÖ-Bundesräte machen Theaterdonner.

Herr Kollege Hoscher! Was soll ich Anderes davon halten, wenn Frau Kollegin Trunk hier eine dringliche Anfrage begründet (Bundesrat Konečny: Aber die Aussendung hast du gemacht, bevor das war!) und dann bei der Debatte über diese derart wichtige Frage nicht einmal im Saal anwesend ist. – Eine besondere Art von Theaterdonner! Mehr möchte ich dazu nicht sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Kollege Prähauser hat gemeint, dass ich ein Naheverhältnis zu Herrn Stronach hätte. (Bundesrat Prähauser: Gesucht haben!) Lieber Herr Kollege Prähauser! Wenn es mir gelingt, für eine öffentliche Einrichtung wie ein Stadion einen privaten Finanzier zu finden, dann werde ich das im Sinne der Finanzen meiner Gemeinde tun. Diese kommen dann auch "meinem Bürger" Prähauser zugute. Ich glaube nicht, dass daran irgendetwas anrüchig ist, es sei denn, ich wäre Ex-Bundesgeschäftsführer der SPÖ und würde nach einem verkorksten Wahlkampf dann in die Dienste des Herrn Stronach treten. Aber das ist bei mir sicher nicht der Fall. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Nun zu diesen beiden dringlichen Anfragen. Vorweg möchte ich mich im Namen meiner Fraktion und, so glaube ich, auch im Namen des Koalitionspartners sehr herzlich bei Herrn Bundesminister Strasser und bei Herrn Staatssekretär Finz für die hervorragende Beantwortung dieser Fragen bedanken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Payer. )

Es ist schon ein bisschen anrüchig, lieber Herr Vizepräsident, wenn Kollege Konečny meint, dass diese Koalition für den Rückstau verantwortlich ist (Bundesrat Meier: Das hat er nie gesagt!), und wenn er Vergleiche zwischen Juni 1999 und Juni 2000 zieht und davon spricht, dass mehr als die Hälfte der Zivildiener abgebaut worden wäre.

Lieber Herr Kollege Konečny! Im Juni 1999 wurden 1 709 Zivildiener einberufen, im Juni 2000 werden es 1 124 sein. Das ist etwas weniger, aber bei weitem nicht um mehr als 50 Prozent weniger. Sie haben einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass der SPÖ der Rechenstift abhanden gekommen ist, sonst würden Sie nicht von 34 Prozent bereits auf mehr als 50 Prozent schließen.

Kollege Prähauser meint, ÖVP und FPÖ hätten ein gestörtes Verhältnis zum Zivildienst. Lieber Kollege Prähauser! Ich würde dich bitten, die heutige "SVZ" zu lesen. (Bundesrat Prähauser: Das glaube ich wohl! Die Parteizeitung kannst du doch nicht wirklich empfehlen zu lesen!) Darin werde ich geprügelt, darin werde ich beschimpft, weil ich es gewagt habe, für den ÖAAB-Salzburg zu verlangen: Wenn es nicht anders möglich ist, möge man auch eine Reduzierung der Zivildienstdauer ins Auge fassen. (Bundesrat Prähauser: Eine rühmliche Ausnahme!)  – Das, Herr Kollege Prähauser, brauchst du mir daher nicht vorzuhalten. (Bundesrat Prähauser: Aber halte mir nicht vor, die "SVZ" nicht zu lesen!)

Nun zu den bereits genannten Zahlen. Kollege Konečny, da du hier gesagt hast, dass die Zahl der Zivildiener in den letzten Jahren immer gestiegen ist, darf ich dir die Zahlen von 1991 beginnend vorlesen:

1991: 3 148, 1992: 8 221, 1993: 13 874 –1994 war “vielleicht” eine Wahl, das weiß ich “nicht mehr” –, 1994: 11 939, 1995: 7 671, 1996: 6 330, 1997: 7 013, 1998: 8 904 und 1999: 8 872, und heuer werden es 7 200 sein.

Jetzt komme ich darauf zu sprechen, was der Herr Bundesminister gesagt hat: Im Jahr 1993 wurde vom Innenminister – ich weiß nicht, wer das damals war, sicher nicht Dr. Strasser – eine Studie in Auftrag gegeben, und diese Studie hat eindrucksvoll ausgewiesen: Wenn keine Maßnahmen gesetzt werden, wird es zu einem Stau kommen – zu einem Stau an Zivildienern. Diesen Stau in der Höhe von 17 000, den Herr Bundesminister Strasser vorgefunden hat, haben wir jetzt, weil der ressortzuständige damalige Innenminister, der weder der FPÖ noch der ÖVP zuzurechnen ist, es verabsäumt hat, die in der Studie aufgezeigten Vorschläge auch tatsächlich zu verwirklichen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Fuchs hat gesagt, dass heute etwas Einmaliges geschehen ist, nämlich dass der Herr Bundesminister auf irgendeine Frage nicht geantwortet hätte – ich muss gestehen, ich war zu diesem Zeitpunkt nicht im Saal, kann daher nichts dazu sagen. Aber Folgendes möchte ich schon festhalten: Ich habe das Stenographische Protokoll von der 660. Sitzung des Bundesrates vom 3. Februar 2000 in der Hand, als ÖVP und FPÖ gemeinsam den Herrn Bundeskanzler ins Hohe Haus zitiert haben. Mein Kollege, Herr Bundesrat Dr. Ferdinand Maier, hat dem Herrn Bundeskanzler eine konkrete Frage gestellt und um Antwort gebeten. Der Herr Bundeskanzler ist, als ich mich zu Wort gemeldet hatte, aufgestanden und zu Dr. Maier gegangen. Dann kam Herr Präsident Fischer in den Saal und hat ihn, wie mir meine Fraktionskollegen berichtet haben, gebeten, er möge zu ihm kommen. – Nichts Anrüchiges, aber es war auf alle Fälle nicht das erste Mal, ohne dass ich jetzt weiter in die Tiefe gehen möchte, dass eine Frage nicht beantwortet wurde.

Nur eines möchte ich schon festhalten: Wir haben heute eine Premiere gehabt. Es war das erste Mal eine Speisenträgerin in diesem Hause unterwegs. Das, meine Damen und Herren, hat es tatsächlich noch nie gegeben, und ich hoffe, dass diese Speisenträgerin das erste und letzte Mal in diesem Hohen Hause umhergeschwirrt ist. (Bundesrat Dr. Nittmann: Solange sie nicht mit Torten wirft!)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zwei Feststellungen. Erstens: Weshalb wir heute beim Zivildienst solche Zahlen haben, diese Frage möge man bitte dem Bürgermeister einer niederösterreichischen Gemeinde stellen, der sechs Wochen vor der letzten Nationalratswahl rund 3 200 Zivildiener zusätzlich eingezogen hat. Diese 3 200 Zivildiener müssen natürlich im heurigen Jahr, weil sie das heurige Jahr noch zu dienen haben, auch bezahlt und verpflegt werden. (Zwischenruf des Bundesrates Konečny. ) Daher, Herr Kollege Konečny, sind all diese Zahlen ein bisschen – sagen wir es salopp – durcheinander gekommen.

Aus diesem Grund hat der Herr Bundesminister, wofür ich ihm sehr dankbar bin – das möchte ich ausdrücklich sagen –, ein so genanntes Rettungsprogramm erstellt, dass im Juni 2000 wenigstens noch 1 174 Zivildiener einberufen werden können. Man höre und staune: Diese Zivildiener werden einberufen, damit sie bei sozialen Diensten, in Altenheimen, Krankenpflege- und Hilfsorganisationen tätig werden können, aber nicht, um im Sekretariat der Kinderfreunde ihr Ausgedinge finden zu können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Hätte man – das ist meine zweite Feststellung – die Prognose 1993 richtig verstanden und wären von den zuständigen Bundesministern entsprechende Gegenmaßnahmen gesetzt worden, dann hätten wir heute diesen Stau nicht. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass diese Regierung, insbesondere der dafür ressortverantwortliche Innenminister Dr. Strasser, alles daran setzen wird, dass solche Kuriositäten, wie sie beim Zivildienst auf Grund des Nichthandelns von sozialistischen Innenministern entstanden sind, in Zukunft nicht mehr vorkommen werden.

Dafür, Herr Bundesminister, wünschen wir dir und der Regierung alles Gute. Wir sind zuversichtlich, dass diese neue österreichische Bundesregierung dies in bravouröser Weise meistern wird. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Payer: Eine Wahlrede! – Bundesrat Prähauser: Als was kandidierst du denn?)

18.53

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

18.53

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich noch einmal zu Wort melden, weil ich einfach einen Beitrag zur Aufklärung leisten will.

Ich bin überrascht und stehe nicht an, meiner Verwunderung Ausdruck darüber zu geben, dass ein Eindruck entstanden sein könnte, ich würde diesem Hohen Haus und dem Hohen Bundesrat nicht den nötigen Respekt entgegenbringen. Das tut mir außerordentlich Leid, und ich möchte mich bei all jenen, bei denen dieser Eindruck, wie immer und warum, entstanden sein könnte, ausdrücklich entschuldigen.

Da mein Arbeitsplatz für anderweitige Tätigkeiten durch die Frau Präsidentin sozusagen verwendet worden ist, habe ich mir gedacht – ich habe für mich diese klare Aufforderung gesehen –, es wäre notwendig und sinnvoll, dass dieser Arbeitsplatz ehebaldigst auch anders verwendet werden kann, und ich wollte nicht verlängernd wirken und habe mich deshalb nicht zu Wort gemeldet. Ich bitte, auch das zu sehen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Zweiten bin ich Herrn Bundesrat Prähauser sehr dankbar für den Hinweis, dass – ich habe versucht, es möglichst wortwörtlich mitzuschreiben – es nicht schadet, wenn jemand von dem Fach, über das er redet, etwas versteht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren hier über eine dringliche Anfrage betreffend den Zivildienst. Ich war Zivildiener (Bundesrat Prähauser: Ich weiß es! Regierung, habe ich gesagt!) und habe bei der ersten Möglichkeit, bei der dieser Zivildienst zu ergreifen war, nämlich 1975, damals bei der Musterung, meine Absicht in diese Richtung angegeben. Ich habe im Rahmen meiner Jugendarbeit innerhalb unserer Jugendbewegung an den Vorarbeiten für diesen Zivildienst mitgewirkt. Den Zivildienst habe ich dann in einer Behinderteneinrichtung absolviert. Herr Bundesrat! Ich weiß, wovon ich spreche.

Umso mehr ist es verwunderlich, dass Sie gerade jener Partei in dieser Republik, die den ersten Zivildiener in die Regierung beruft, ein gestörtes Verhältnis zum Zivildienst nachsagen wollen. Ich muss Sie bitten, die Argumente abzuwägen, und Sie werden zum selben Ergebnis kommen wie ich, nämlich dass die Volkspartei überhaupt kein gestörtes Verhältnis zum Zivildienst hat – im Gegenteil. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich darf drei Feststellungen treffen. Zum Ersten: Der Zivildienst ist ein wichtiger Ersatzdienst, er war ein wichtiger Ersatzdienst, und er wird – ich werde sehr darum kämpfen – ein sehr wichtiger Ersatzdienst bleiben, allerdings ein funktionierender! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Zum Zweiten: Ja, ich habe die Absicht – ich sage das sehr klar und offen und bin für jede Diskussion bereit –, vor allem die Non-Profit-Organisationen prioritär als Zivildiensteinrichtungen anzuerkennen – vor allen anderen, auch vor dem Bundesministerium für Inneres, auch vor Ländern, auch vor Gemeinden. Ich habe nicht die Absicht, die Vorgangsweise, wie sie in den letzten 25 Jahren leider an der Tagesordnung war, aufrechtzuerhalten und Zivildiener für irgendwelche Sekretariate, wie das mein Vorredner gesagt hat, zuzulassen. Das halte ich nicht für sinnvoll, und das werde ich nicht befürworten. (Bundesrat Payer: Als ob Kinderbetreuung etwas Unedles wäre!) Ich werde auch dafür kämpfen, dass Non-Profit-Organisationen prioritär Zivildiener zugeteilt bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Dritten: Ich werde mich sehr dafür einsetzen und alles tun, dass eine Gleichberechtigung bei den jungen Männern eintritt, egal, ob sie ihre Wehrpflicht beim Präsenzdienst oder beim Zivildienst ableisten. Ich halte das für eine staatspolitische Notwendigkeit, und ich darf Sie bitten, dass Sie den Beamtinnen und Beamten des Innenministeriums Ihr Vertrauen schenken, dass gerade sie in diesen Tagen und Wochen alles tun, damit auch jeder Zivildiener – so wie jeder Präsenzdiener – ab 1. Juni seine Verpflegsmöglichkeit bekommt, in der Früh, zu Mittag und am Abend. Die Damen und Herren arbeiten hart daran, und das ist neben anderen ein Teil der Gleichstellung, die wir anstreben. Die Arbeitsgruppe, die ich eingesetzt habe, wird sich intensiv damit zu beschäftigen haben, dass wir diese Gleichstellung auch erreichen.

Sie wissen, dass leider Essensbons versteigert worden sind. Sie wissen, dass in der Administration sowohl im Ministerium als auch bei den Zivildiensteinrichtungen, als auch bei den Zivildienern ungeheure Kosten und Aufwendungen gegeben waren, die wir jetzt in eine andere Richtung verändert haben. Ich muss einfach festhalten, dass wir heute nach 25 Jahren Zivildienstorganisation vor einer Situation stehen, in der man sagen muss: Wir sind organisatorisch am Ende, wir sind finanziell am Ende, und wir haben 17 000 junge Männer, die zum Teil schon fünf Jahre und länger auf der Warteliste stehen und deren Lebensplanung ungeheuer stark beeinträchtigt ist.

Dieser Zustand ist nicht akzeptabel, und daher werde ich alles tun und dafür kämpfen, dass wir eine Zivildienstreform an Haupt und Gliedern durchführen, die sich klar zum Ersatzdienst und zur Gleichstellung von Zivil- und Präsenzdienern bekennt und die schon genannte Infora-Studie aus dem Jahr 1993 und die Empfehlungen des Rechnungshofes aus 1997 einbezieht. Ich werde versuchen, die ersten Vorschläge für diese Reform sehr rasch vorzulegen, und wir werden dann bei einer Behandlung im Bundesrat – ich hoffe, noch dieses Jahr – Gelegenheit haben, auch ausführlich darüber zu diskutieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

19.00

Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich gebe Ihnen noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sechs Anfragen eingelangt sind.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Freitag, der 26. Mai 2000, 10 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, den 24. Mai, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 19.02 Uhr