Stenographisches Protokoll

673. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 15. März 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

673. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 15. März 2001

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 15. März 2001: 9.02 – 16.59 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 134/1999) geändert wird

2. Bundesgesetz über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen beim Marketing für neue Personenkraftwagen (Personenkraftwagen-Verbraucherinformationsgesetz – Pkw-VIG)

3. Bundesgesetz, mit dem das Altlastensanierungsgesetz geändert wird (ALSAG-Novelle 2001)

4. Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991, das Volkszählungsgesetz 1980 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden

5. Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung einer "Kommunikationsbehörde Austria" ("KommAustria") und eines Bundeskommunikationssenates erlassen wird sowie das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz, das Rundfunkgesetz, das Fernsehsignalgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Zugangskontrollgesetz, das Signaturgesetz und das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 geändert werden

6. Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Punzierung und Kontrolle von Edelmetallgegenständen (Punzierungsgesetz 2000) erlassen und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert wird

7. Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird

8. Bundesgesetz, mit dem das Einsatzzulagengesetz, BGBl. Nr. 423/1992, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 127/1999, und das Auslandszulagengesetz, BGBl. I Nr. 66/1999, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 94/2000, geändert wird

9. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge und sonstigen Ansprüche im Präsenz- und Ausbildungsdienst (Heeresgebührengesetz 2001 – HGG 2001) erlassen sowie das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird

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Bundesrat
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673. Sitzung / Seite 2

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Salzburger Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat 9

Angelobung des Bundesrates Manfred Gruber 9

Mandatsverzicht der Bundesräte Margarete Aburumieh und Alfred Schöls 9

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung eines Mitgliedes und eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen gemäß § 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz 24

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung eines Mitgliedes und eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen gemäß § 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz 25

Schreiben des Niederösterreichischen Landtages betreffend Umreihung von zwei Mitgliedern des Bundesrates 79

Angelobung der Bundesräte Alfred Schöls und Margarete Aburumieh 79

Personalien

Entschuldigung 9

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 25

Ausschüsse

Zuweisungen 25

Fragestunde

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie 10

Georg Keuschnigg (1144/M-BR/01); Herbert Thumpser, Dr. André d'Aron

Mag. Dietmar Hoscher (1150/M-BR/01); Monika Mühlwerth, Mag. Harald Himmer

Dipl.-Ing. Hannes Missethon (1145/M-BR/01); Horst Freiberger, Engelbert Weilharter

Dr. André d'Aron (1148/M-BR/01); Friedrich Hensler, Mag. Dietmar Hoscher

Johanna Schicker (1151/M-BR/01); Engelbert Weilharter, Günther Köberl

Hans Ager (1146/M-BR/01); Klaus Gasteiger, Wilhelm Grissemann

Theodor Binna (1152/M-BR/01); Mag. Christof Neuner, Josef Saller

Johann Ledolter (1147/M-BR/01); Karl Boden, Dr. Robert Aspöck

Dr. Peter Böhm (1149/M-BR/01); Dipl.-Ing. Hannes Missethon, Albrecht Konecny


Bundesrat
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673. Sitzung / Seite 3

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Roswitha Bachner, Hedda Kainz, Brunhilde Fuchs, Peter Marizzi und GenossInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die unsozial-treffsichere Besteuerung der Unfallrenten (1789/J-BR/01)

Begründung: Roswitha Bachner 97

Beantwortung: Staatssekretär Dr. Alfred Finz 99


Bundesrat
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673. Sitzung / Seite 4

Redner:

Hedda Kainz 103

Mag. Harald Himmer 105

Engelbert Weilharter 108

Peter Marizzi 110

Brunhilde Fuchs 112

Christoph Hagen 115

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 115

Dr. Robert Aspöck 116

Entschließungsantrag der Bundesräte Roswitha Bachner und Genossen betreffend Abschaffung der unsozialen Besteuerung der Unfallrenten 105

Ablehnung 116

Entschließungsantrag der Bundesräte Engelbert Weilharter, Mag. Harald Himmer und Kollegen betreffend Härteausgleich bei Unfallrenten 109

Annahme (E.166) 117

Verhandlungen

(1) Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 134/1999) geändert wird (418 und 496/NR sowie 6318/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. André d′Aron 26

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)


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673. Sitzung / Seite 5

Redner:

Germana Fösleitner 26

Horst Freiberger 27

und (tatsächliche Berichtigung) 30

Engelbert Weilharter 29

Ing. Peter Polleruhs 31

Karl Boden 32

Christoph Hagen 33

Bundesministerin Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger 35

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 36

(2) Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen beim Marketing für neue Personenkraftwagen (Personenkraftwagen-Verbraucherinformationsgesetz – Pkw-VIG) (423 und 502/NR sowie 6319/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Höllerer 37

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Gottfried Kneifel 37

Anna Schlaffer 39

Engelbert Weilharter 40

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 40

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 41

(3) Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Altlastensanierungsgesetz geändert wird (ALSAG-Novelle 2001) (373/A und 506/NR sowie 6320/BR d. B.)

Berichterstatter: Georg Keuschnigg 41

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ferdinand Gstöttner 41

Monika Mühlwerth 42

Brunhilde Fuchs 43

Anna Höllerer 44

Leopold Steinbichler 45

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 47

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 49

(4) Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991, das Volkszählungsgesetz 1980 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (424 und 501/NR sowie 6321/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Michael Strugl 49

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Herbert Würschl 49

Germana Fösleitner 50

Dr. Robert Aspöck 51

Johanna Schicker 54

Jürgen Weiss 55

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 58

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 59

(5) Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung einer "Kommunikationsbehörde Austria" ("KommAustria") und eines Bundeskommunikationssenates erlassen wird sowie das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz, das Rundfunkgesetz, das Fernsehsignalgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Zugangskontrollgesetz, das Signaturgesetz und das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 geändert werden (370/A und 507/NR sowie 6315 und 6322/BR d. B.)

Berichterstatter: Friedrich Hensler 59

(Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – zu erheben)

Redner:

Johann Kraml 59

Herwig Hösele 61

Dr. André d'Aron 63

Mag. Melitta Trunk 69

Dr. Ferdinand Maier 70

Staatssekretär Franz Morak 72

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 73

(6) Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Punzierung und Kontrolle von Edelmetallgegenständen (Punzierungsgesetz 2000) erlassen und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert wird (393 und 436/NR sowie 6323/BR d. B.)

Berichterstatterin: Monika Mühlwerth 74

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Dietmar Hoscher 74 und 78

Uta Barbara Pühringer 76

Mag. Christof Neuner 77

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 78

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 79

(7) Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird (371/A und 508/NR sowie 6326/BR d. B.)

Berichterstatterin: Ulrike Haunschmid 80

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Hans Ager 80

Mag. Dietmar Hoscher 81

Wilhelm Grissemann 82

Mag. Christof Neuner 83

Staatssekretärin Mares Rossmann 84

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 85

Gemeinsame Beratung über

(8) Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einsatzzulagengesetz, BGBl. Nr. 423/1992, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 127/1999, und das Auslandszulagengesetz, BGBl. I Nr. 66/1999, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 94/2000, geändert wird (320/A und 440/NR sowie 6316 und 6324/BR d. B.)

(9) Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge und sonstigen An


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673. Sitzung / Seite 6

sprüche im Präsenz- und Ausbildungsdienst (Heeresgebührengesetz 2001 – HGG 2001) erlassen sowie das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (357 und 438/NR sowie 6317 und 6325/BR d. B.)

Berichterstatterin: Monika Mühlwerth 86

[Antrag, zu (8) keinen Einspruch zu erheben]

und Berichterstatter: Christoph Hagen 86

[Antrag, zu (9) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Herbert Würschl 87

Dr. Vincenz Liechtenstein 87

Mag. John Gudenus 88

Günther Kaltenbacher 90

Alfred Schöls 92 und 96

Roswitha Bachner 95

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 95

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (8) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 97

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (9) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 97

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Thomas Ram und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gendarmeriepostenschließung im Wiener Umland (1780/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny, Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend neuerliche Chance zur vollständigen und detaillierten Beantwortung der dringlichen Anfrage vom 15. 2. 2001 (1781/J-BR/01)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Finanzen betreffend Harmonisierung bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen (1782/J-BR/01)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Inneres betreffend Einrichtung von Wahlkreisen für die Wahlen zum Europäischen Parlament (1783/J-BR/01)

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen an die Bundesministerin für Bildung und Kultur betreffend Kunsthistorisches Museum (1784/J-BR/01)

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Bundesmuseen (1785/J-BR/01)


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673. Sitzung / Seite 7

der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an den Bundesminister für Inneres betreffend Gefährdung des Auslandszivildienstes (1786/J-BR/01)

der Bundesräte Klaus Gasteiger und Genossen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Kürzung der Bundesstraßenbaumittel für das Bundesland Tirol (1787/J-BR/01)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Finanzen betreffend Gebührenentrichtung durch Banküberweisung (1788/J-BR/01)

der Bundesräte Roswitha Bachner, Hedda Kainz, Brunhilde Fuchs, Peter Marizzi und GenossInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die unsozial-treffsichere Besteuerung der Unfallrenten (1789/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Anfragebeantwortungen zum Thema Föderalismus (1790/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an den Bundesminister für Justiz betreffend Anfragebeantwortungen zum Thema Föderalismus (1791/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und Genossen an die Bundesregierung betreffend Anfragebeantwortungen zum Thema Föderalismus (1792/J-BR/01)

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Versteigerung von Bundesvermögen (1793/J-BR/01)

der Bundesräte Christoph Hagen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Personalpolitik im Bundesministerium für Inneres (1794/J-BR/01)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1620/AB-BR/01 zu 1762/J-BR/01)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1621/AB-BR/01 zu 1765/J-BR/01)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1622/AB-BR/01 zu 1759/J-BR/01)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1623/AB-BR/01 zu 1766/J-BR/01)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1624/AB-BR/01 zu 1764/J-BR/01)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1625/AB-BR/01 zu 1757/J-BR/01)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1626/AB-BR/01 zu 1761/J-BR/01)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1627/AB-BR/01 zu 1763/J-BR/01)


Bundesrat
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673. Sitzung / Seite 8

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1628/AB-BR/01 zu 1768/J-BR/01)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1629/AB-BR/01 zu 1760/J-BR/01)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1630/AB-BR/01 zu 1767/J-BR/01)

der Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1631/AB-BR/01 zu 1758/J-BR/01)

 

 


Bundesrat
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673. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich eröffne die 673. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 672. Sitzung des Bundesrates vom 15. Februar 2001 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Entschuldigt hat sich Frau Bundesrätin Maria Grander bis zum Eingang in die Tagesordnung.

Angelobung

Präsident Ing. Gerd Klamt: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Salzburger Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Monika Mühlwerth:

"Sehr geehrter Herr Präsident!

Bundesrat Stefan Prähauser (SPÖ) hat mir die Erklärung übermittelt, wonach dieser mit Wirkung vom 28. Februar 2001 auf die Ausübung seines Bundesratsmandates verzichtet.

Gleichzeitig schlägt dieser in dessen Eigenschaft als zustellungsbevollmächtigter Vertreter der SPÖ vor, den vom Salzburger Landtag gewählten Ersatzmann Bürgermeister Manfred Gruber, Bad Gastein, mit Wirkung vom 1. März 2001 in den Bundesrat zu entsenden.

Beiliegend stelle ich die zitierten Schreiben in Abschrift mit der Bitte um Kenntnisnahme und weitere Veranlassung zur Verfügung."

Präsident Ing. Gerd Klamt: Danke.

Herr Bundesrat Manfred Gruber ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

Schriftführerin Monika Mühlwerth: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ): Ich gelobe.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich begrüße Herrn Bundesrat Manfred Gruber recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Mandatsverzicht

Präsident Ing. Gerd Klamt: Weiters teile ich mit, dass die Mitglieder des Bundesrates, Frau Margarete Aburumieh und Herr Bundesrat Alfred Schöls, mit Ablauf des 14. März 2001 auf ihre Mandate im Bundesrat verzichtet haben und sie nach erfolgter Wiederwahl durch den Niederösterreichischen Landtag, der heute tagt, und nach Einlangen einer diesbezüglichen Stellungnahme des Präsidenten in der laufenden Sitzung angelobt werden.


Bundesrat
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673. Sitzung / Seite 10

Fragestunde

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich beginne jetzt – um 9.06 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Wir kommen zur 1. Anfrage, 1144/M, an die Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Georg Keuschnigg, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1144/M-BR/01

Liegen Ihnen Konzepte des Managements der Österreichischen Post AG vor, wie nach der vollständigen Liberalisierung der Postdienste im Jahr 2003 eine flächendeckende Versorgung des ländlichen Raums mit Postdienstleistungen gewährleistet sein wird?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich danke Ihnen für diese Anfrage, weil ich glaube, dass gerade das Thema Postliberalisierung und die Frage der Weiterführung der Postuniversaldienste von großem Interesse sind.

Ich darf zunächst darauf hinweisen, dass diese vollständige Liberalisierung der Postdienste erst im Jahr 2003 erreicht sein wird und diesbezügliche Beratungen auf EU-Ebene – der letzte Ministerrat fand im Dezember 2000 statt – noch zu keinem Ergebnis geführt haben. Es gibt immer wieder Diskussionen in der Grammatur, in der Frage, welche Art von Postdiensten liberalisiert werden. Die Beratungen werden jetzt unter der schwedischen Präsidentschaft fortgesetzt. Das heißt, zu welchem Zeitpunkt die vollständige Liberalisierung des Postmarktes erfolgen wird, kann derzeit noch nicht wirklich seriös beantwortet werden.

Aber unabhängig davon ist die Frage der flächendeckenden Versorgung des Postuniversaldienstes für den ländlichen Raum und die Postdienstleistungen zu sehen. Ich glaube, Sie haben es deutlich vernommen, dass mir gerade die Versorgung im ländlichen Raum sehr wichtig ist. Diesbezüglich sind jetzt Stellungnahmen eingelangt, es ist eine Fülle von Stellungnahmen vorliegend, und es wird in nächster Zeit Beratungen geben, in die insbesondere auch der Gemeindebund eingebunden ist, sodass diesen verstärkten Bemühungen, dem ländlichen Raum den Postdienst zu erhalten, auch entsprechend Genüge getan wird.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Laut jüngsten Medienberichten, Frau Ministerin, hat das Management der Österreichischen Post AG befürchtet, dass diese in der Universaldienste-Verordnung vorgeschlagene Struktur aus Kostengründen nicht gehalten werden kann. Teilen Sie diese Befürchtungen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Im operativen, also in der direkten Verantwortung des Unternehmens, wie es das organisiert, in der rechtlichen Klärung für uns und in der Vorgabe der Gesetze sind diejenigen Rahmenbedingungen zu definieren, die garantieren, dass der Postdienst im Grunddienst gewährleistet ist. Wie es das Management abführt, ist Angelegenheit des Unternehmens.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr


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673. Sitzung / Seite 11

Bundesrat Herbert Thumpser zu Wort gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Ministerin! Wird es aus heutiger Sicht bis zum Jahr 2003 Veränderungen im Bereich der Postversorgung im ländlichen Raum geben?


Bundesrat
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673. Sitzung / Seite 12

Präsident Ing. Gerd Klamt:
Bitte, Frau Bundesministerin. – Bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Es ist die Frage, welche Veränderungen Sie meinen. Beim Postgrunddienst, beim Universaldienst, ist sicherzustellen, dass die Dienste zur Verfügung stehen, aber ich habe zuerst schon gesagt, dass die Liberalisierung bis zum Jahr 2003 nicht abzusehen ist.


Bundesrat
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673. Sitzung / Seite 13

Präsident Ing. Gerd Klamt:
Zu einer weiteren Zusatzfrage zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. d'Aron. – Bitte.

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Sind Medienberichte zutreffend, dass auf Basis des Entwurfes der Universaldienste-Verordnung die Post sogar genötigt wäre, zusätzliche Dienststellen einzurichten, und somit keineswegs von einem Kahlschlag im Land gesprochen werden kann?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Der Postuniversaldienst und die Frage, in welcher Form diese Postdienststellen zur Verfügung zu stehen haben, klären sich, wenn wir die Verordnung fertig haben. Aber es ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des ländlichen Raumes möglich, dass zusätzliche Stellen eingerichtet werden. Daher halte ich auch die Diskussion um die Schließung der Postämter nicht für wirklich angebracht.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 1150/M, an die Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1150/M-BR/01

Welche Finanzierungsmittel stehen für den Autobahn/Schnellstraßenring um Wien tatsächlich zur Verfügung?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Im aktuellen Programm der Asfinag sind zurzeit folgende Mittel enthalten: für die B 301, Wiener Südrand Straße – Knoten Vösendorf, A 2, Knoten Schwechat, A 4 –, bei 767,9 Millionen Schilling Gesamtkosten die Rate für 2001 in der Höhe von 4,9 Millionen Schilling und für die B 302, Umfahrung Süßenbrunn, 9,6 Millionen Schilling. Zurzeit sind mit der ASFINAG die Kostenpläne für das Jahr 2001 abgestimmt.

Die Rate für das Bauvorhaben B 301, Wiener Südrand Straße, beinhaltet die Grundeinlösekosten, die Planungskosten und Baukosten, während die Rate für 2001 für die B 302, also die Umfahrung Süßenbrunn, nur Planungskosten enthält.

Die Abstimmung für die Kostenpläne 2002 wird in den nächsten Monaten auf Basis des zu erstellenden Bundesverkehrswegeprogramms erfolgen, und zu allen darüber hinaus viel diskutierten Projekten wie etwa der B 305 liegen noch keine Planungen vor.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Nein.

Zu einer weiteren Zusatzfrage zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. – Bitte.

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Ministerin! Welche anderen baureifen Vorhaben bezüglich des Umfahrungsringes in Wien sind bei Ihrem Amtsantritt eigentlich vorgelegen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Frau Bundesrätin! Ich kann Ihnen nur mitteilen, dass mit Ausnahme des Vorhabens B 301, das ich gerade erläutert habe, also dieser Wiener Südrand Straße, zwischen der A 2, Süd Autobahn, und der A 4, Ost Autobahn, keine Projekte für den Ring um Wien bei uns vorliegen. Das habe ich schon in der Diskussion mit den Landeshauptleuten ganz klar gesagt und jetzt auch angedeutet. Diese angeführten Projekte, diese viel diskutierten Projekte sind Vorschläge, sind Planungsvorhaben, liegen aber nicht im Bundesministerium zur Entscheidung vor.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zur nächsten Zusatzfrage zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer. – Bitte.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Im Februar hat ein Verkehrsgipfel der Landeshauptleute der Ostregion stattgefunden. Es ist Ihnen auch ein Forderungskatalog übermittelt worden. Meine Frage ist: Wie stehen Sie diesem Forderungskatalog gegenüber, insbesondere was den Verkehrsraum Wien anlangt?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich freue mich über alle Intentionen von Landeshauptleuten, die sich Gedanken machen über den Ausbau um eine Stadt, eine Anbindung an andere Bundesländer und insbesondere auch über die Erfordernisse hinsichtlich einer EU-Osterweiterung. Tatsache ist, dass dieser Verkehrsgipfel ohne mich stattgefunden hat. Ich glaube, es war ein erster Gedankenentwurf, sich zu überlegen, wie man diesem Verkehrschaos, so möchte ich fast sagen, das zurzeit im Raum Wien und auch in der Anbindung herrscht, entkommen kann.

Diese Vorschläge, die in einem 100 Milliarden Schilling-Paket vorgelegt wurden – ich habe es den Medien so entnommen –, werden Teil der Beratungen der sehr bald stattfindenden Landeshauptleute-Konferenz sein, zu der ich alle einladen werde und bei der ich den Stand der derzeitigen Projekte, auch die Finanzierungsmöglichkeiten vorlegen werde und alle Landeshauptleute dann ihre Wünsche, Vorstellungen und Verkehrsplanungen hoffentlich seriös auf den Tisch legen werden.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, 1145/M, an die Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon, um die Verlesung der Frage.

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1145/M-BR/01

Welche konkreten Maßnahmen im Bereich der Verkehrsinfrastruktur planen Sie, um die Infrastrukturnachteile für den Süden Österreichs – insbesondere für die Steiermark – zu beseitigen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Geplant wird generell von einem Land. Wir haben insbesondere im Straßenbereich nach einer Prioritätenliste, die vom Land vorgelegt wird, zu entscheiden, welche Möglichkeiten es gibt, und Sie wissen, das geschieht immer in sehr enger Abstimmung mit den zuständigen Verantwortlichen. Aber ich darf Ihnen zu Ihrer Frage im Detail folgende Antworten geben:

Was die Straßeninfrastruktur für die Steiermark betrifft, so sind derzeit eine Reihe wichtiger Projekte in Bau und Bauvorbereitung, und es handelt sich im Konkreten um den Vollausbau der S 6, der Semmering Schnellstraße, die zweite Röhre A 9, Plabutschtunnel, den Vollausbau der A 2, Packübergang, und den Vollausbau der S 35. Für Kärnten stehen die Planung für die zweite Röhre A 10, Tauern Autobahn, Katschbergtunnel, sowie die zweite Röhre A 2, Gräberntunnel, an.

Im Planungsbereich sind die Ergebnisse der abgeschlossenen Korridoruntersuchungen des Raumes B 319, B 65, für die bessere Verbindung vom Großraum Graz in Richtung Budapest von großer Bedeutung für die Infrastrukturverbesserung. Weiters ist eine zusätzliche großräumige Korridoruntersuchung für die Grenzregion Steiermark, Kärnten, Slowenien im Gange. Ziel dieser Studie ist es, auf der Grundlage der bestehenden Verkehrssysteme und der zu erwartenden beziehungsweise erwünschten räumlichen wirtschaftlichen und verkehrlichen Entwicklung die Anforderung an die Verkehrsträger Straße und Schiene abzuleiten, die Funktionen festzustellen und unter Berücksichtigung der Umweltbedingungen aufeinander abgestimmte und nach Prioritäten geordnete Ausbau-Konzepte im Hinblick auf die Infrastruktursysteme der Zukunft zu erstellen.

Für die Schieneninfrastruktur sind folgende Vorhaben zu nennen:

Realisierte Infrastrukturprojekte im Bundesland Steiermark – um auch zu zeigen, was bereits geschehen ist –: die Inbetriebnahme des Galgenbergtunnels im Raum Leoben, der zweigleisige Ausbau der Schoberpassstrecke, ausgenommen eines kurzen Abschnittes im Bereich Wald am Schoberpass.

Koralmbahn: Die Planung der Eisenbahnstrecke Graz–Klagenfurt wurde der Eisenbahn-Hochleistungsstrecken AG im Jahr 1995 übertragen. Die ersten Bauübertragungen erfolgten 1997, und im August 2000 wurde dem Ministerrat über den Realisierungsstand der Koralmbahn berichtet und der Antrag gestellt, dass beschlossen werden muss, dass der Bau dieser Eisenbahnstrecke im gemeinwirtschaftlichen Interesse gelegen ist. Ein erster Schritt ist schon getan.

Streckenabschnitt Graz–Puntigam: Der Ausbau des Streckenabschnittes soll vereinbarungsgemäß vorerst nur zweigleisig erfolgen, wobei aber in bestimmten Bereichen, zum Beispiel für den Lärmschutz, bereits ein zukünftiger viergleisiger Ausbau berücksichtigt werden soll. Der geplante zweigleisige Ausbau dieses Streckenabschnittes kann jedoch erst nach Maßgabe einer noch sicherzustellenden Finanzierung realisiert werden. Es ist aber die eisenbahnrechtliche Bauverhandlung im Juni bereits abgeschlossen worden.

Streckenabschnitt Puntigam–Werndorf: Die Planungen für diesen zweigleisigen Ausbau der bestehenden Südbahnstrecke im Streckenabschnitt sind abgeschlossen. Die eisenbahnrechtliche Bauverhandlung wurde im April 1999 für den Bereich Bahnhof Karlsdorf und im November 1999 für den Streckenabschnitt Puntigam–Karlsdorf Nord und im Juli 2000 für den Streckenabschnitt Karlsdorf Süd–Werndorf mit positivem Verhandlungsergebnis durchgeführt, und mit den Bauarbeiten wurde bereits im Oktober begonnen.

Streckenabschnitt Feldkirchen–Flughafen Graz–Werndorf: Es ist vorgesehen, für diesen Streckenabschnitt ein vom Kernstück der Koralmbahn unabhängiges UVP-Verfahren durchzuführen, da dieser Abschnitt insbesondere für den Nahverkehr und für die Anbindung des geplanten Terminals Werndorf bereits sehr frühzeitig verkehrswirksam werden soll.


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673. Sitzung / Seite 14

Die Konzeptvorlage für die Umweltverträglichkeitserklärung ist Mitte des Jahres 2000 erfolgt, und die Umweltverträglichkeitserklärung soll Mitte bis Herbst des Jahres 2001 vorgelegt werden.

Streckenabschnitt Wettmannstätten–St. Andrä: Die Konzeptvorlage für die Umweltverträglichkeitserklärung ist für Sommer, Herbst vorgesehen.

Beim Terminal Werndorf ist nach Erlassung der Trassenverordnung im Jahr 1994 die Errichtung der Infrastruktur des Terminals zum Bau übertragen worden. Sie wissen, dass dieser Terminal Werndorf ein privates Betreibermodell ist, und die eisenbahnrechtliche Verhandlung wurde im Juli abgeführt und ist mit positivem Ergebnis ausgegangen.

Graz–Werndorf–Spielfeld/Straß: Gemäß der Information der Bundesbahn sind die Grobplanungen für den Ausbau dieses Streckenabschnittes grundsätzlich abgeschlossen, und zum gegenwärtigen Zeitpunkt laufen die konkreten Teilplanungen für die Durchführung der eisenbahnrechtlichen Genehmigung.

Ich glaube, nach dieser Auflistung sehen Sie, wie viele Tätigkeiten es gerade in der Steiermark gibt, und wir werden auch auf die Weiterentwicklung insbesondere des heute schon angesprochenen südlichen Raumes, Anbindung an den Osten bei der Entwicklung des Bundesverkehrswegeplanes entsprechend Rücksicht nehmen und auch versuchen, vermeintliche Missstände, die es im Süden gibt, auszugleichen.


Bundesrat
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673. Sitzung / Seite 15

Präsident Ing. Gerd Klamt:
Herr Bundesrat! Wünschen Sie eine Zusatzfrage zu stellen? – Bitte.

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Wann wird die Diskussion über Infrastrukturprojekte eine Ende haben, indem eine eindeutige Prioritätenreihung im Rahmen eines Bundesverkehrswegeplanes vorgelegt wird? Gibt es da einen Termin?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Bundesrat! Ich habe schon gesagt, dass es sehr bald eine erste Sitzung geben wird, bei der auf fachlicher Ebene dargestellt wird, welche Vorhaben vorliegen, und auch eine Prioritätenreihung aus einer Analyse und aus Untersuchungen unsererseits vorgelegt wird. Es wird sicherlich immer wieder Diskussionen über Effizienzen geben, doch ich glaube, wenn alle an einem Tisch sitzen und auch mitzuverantworten haben, wie sich die gesamte Infrastruktur in Österreich entwickeln wird, dann wird es weniger emotionale und mehr fachliche Beratungen darüber geben.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Horst Freiberger zu Wort gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Bundesministerin! Sie sind in Ihrer Beantwortung auf die Verkehrsverbindung Autobahnabfahrt Ilz über Heiligenkreuz Richtung Ungarn eingegangen. Sie haben gesagt, dass sich dieser Verkehrsweg in einem Planungsstadium befindet. Es haben vor kurzem sämtliche Abgeordnete der Region Oststeiermark, südliches Burgenland mit allen Bürgermeistern, Vertretern der Wirtschaft, Vertretern der Arbeitnehmerorganisationen eine "Deklaration 11:55", das heißt "fünf Minuten vor zwölf!", unterschrieben und Ihnen sowie anderen maßgeblichen Repräsentanten unseres Staates und der beiden Länder übermittelt, worin auf die Wichtigkeit dieses Verkehrsweges hingewiesen wurde.

Meine konkrete Frage zielt jedoch darauf ab: Ein Teilstück davon, die Nordumfahrung von Großwilfersdorf, die also direkt an die A 2 bei Ilz anbindet, ist planungsreif, baureif. Egal wie die Trassenführung danach anschließen wird, wäre mit diesem ersten Teilstück sofort zu beginnen. Können Sie mir sagen, wann das der Fall sein wird, damit man die leidgeplagte Bevölkerung in dieser Region beruhigen kann, damit man ihnen in Aussicht stellen kann, wann endlich eine Verkehrsentlastung in ihrem Gemeindegebiet eintritt?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Hier gilt auch das, was ich für andere Projekte bereits gesagt habe. Auch das ist ein Teil der kommenden Diskussionen im Zusammenhang mit der Ausarbeitung des Bundesverkehrswegeplanes. Es ist nicht so, dass das jetzt erst baureif ist, sondern dieses Projekt steht schon an. Ich glaube, es ist immer wichtig, auf die Dringlichkeit hinzuweisen. Ich kann Ihnen jetzt keinen konkreten Zeitpunkt sagen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter zu Wort gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Welche der zahlreichen von Ihren Vorvorgängern, also ohne Finanzierungsvorschlag, versprochenen Ausbauprojekte entlang der Südroute werden jetzt realisiert?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich glaube, ich habe schon eine ausführliche Aufzählung der Projekte vorgebracht. Darüber hinaus sind keine in Ausarbeitung oder in Planung. (Bundesrat Marizzi: Aufpassen! Nicht aufgepasst! Setzen!)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 1148/M. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. André d'Aron, die Frage zu verlesen.

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1148/M-BR/01

Wann wird der seit Jahrzehnten versprochene Ausbau der lokalbahnmäßigen Flughafenschnellbahn S 7 zu einer attraktiven Schnellverbindung von Wien zum Flughafen Schwechat realisiert?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Die Flughafenschnellbahn ist derzeit im Ausbau begriffen, wobei dieses Projekt nach Fertigstellung zirka 5 Milliarden Schilling gekostet haben wird und ein dichtes Intervall zwischen Wien und dem Flughafen ermöglichen wird. Die Finanzierung dieses Projekts erfolgt zu 100 Prozent aus Bundesmitteln.

Zum Baufortschritt sei gesagt: Die eisenbahnrechtliche Bauverhandlung für das Baulos Simmering 2, also Ausbau des Streckenabschnittes Zentralfriedhof und Kleinschwechat, wurde im April 1999 mit positivem Verhandlungsergebnis durchgeführt. Die eisenbahnrechtliche Bauverhandlung für die Baulose Landstraße und Simmering 1, also Ausbau des Streckenabschnittes Rennweg–Zentralfriedhof, im April 2000 hatte ebenfalls ein positives Verhandlungsergebnis, und die Bauarbeiten werden bereits Mitte des Jahres 2001 aufgenommen. Die Fertigstellung und Inbetriebnahme ist für die Jahre 2002 und 2003 geplant.

Abschließend möchte ich noch einmal betonen, der Bund hat 5 Milliarden Schilling in eine attraktive Flughafenschnellbahn investiert, die in zwei Jahren eine Bedienung des Flughafens viermal stündlich ermöglicht, das heißt, es gibt voraussichtlich zwei Schnellbahnverbindungen mit rund 15 Minuten Fahrzeit. Damit ist die Erreichbarkeit des Flughafens ausreichend sichergestellt.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Bundesrat! Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Ist es richtig, dass somit der Bund zwar mit der Finanzierung des Ausbaus der S 7 alle infrastrukturellen Voraus


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673. Sitzung / Seite 16

setzungen für einen attraktiven Betrieb schafft, bis heute aber ein Vertrag der Stadt Wien, vertreten durch Herrn Bürgermeister Häupl, mit den ÖBB und einem anderen Betreiber über den Verkehr auf dieser Linie fehlt?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Das ist absolut richtig, denn mit dem Ausbau der S 7 werden die infrastrukturellen Voraussetzungen für die von den Ländern und dem Flughafen Wien geforderten Attraktivierungen geschaffen. Die entsprechenden Verkehrsdiensteverträge sind zwischen den interessierten Körperschaften und den ÖBB zu vereinbaren, und meinem Vernehmen nach besteht diesbezüglich derzeit noch keine Einigung.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Friedrich Hensler gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Vorerst ein Dankeschön für die Zusage. Die Schnellverbindung zum Flughafen ist nicht nur für die Stadt Wien wichtig, sondern zweifelsohne auch für die Ostregion.

Meine Frage geht in diese Richtung, und zwar betreffend die Spange Kittsee auf die Ost Autobahn. Wie mir bekannt ist, ist die Trassenführung festgestellt, im heurigen Jahr soll die UVP durchgeführt werden. Können Sie mir konkret sagen: Wann kann mit dem Bau dieser Spange begonnen werden?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.


Bundesrat
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673. Sitzung / Seite 17

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger:
Herr Bundesrat! Danke für Ihre Anfrage. Mit dem Bau wird sehr rasch begonnen. Es ist auch in Planung im Sonderprogramm, das heißt, dass die Finanzierung vorgesehen ist. Dieses Programm wird sehr bald zur Verfügung gestellt. Sie werden Verständnis haben, wenn ich sage, dass das noch vom Finanzministerium zu akkordieren ist. Etwa drei Wochen später werden dann auch die Informationen vorliegen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Wie stellt sich nach Finanzierung der S 7 die verbleibende Prioritätenreihung im Bereich der SCHIG dar?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Bundesrat! Für Projekte, die bereits in Planung sind und so weit fortgeschritten sind, ist die Finanzierung auch gesichert. (Bundesrat Konecny: Originelle Antwort!)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage, 1151/M. Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Johanna Schicker, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1151/M-BR/01

Welche Bahnhöfe in der Steiermark werden im Zuge der Bahnhofsoffensive jetzt tatsächlich saniert werden?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Frau Bundesrätin! Im Rahmen dieser Frage darf ich einmal zum Thema Bahnhofsoffensive generell Stellung nehmen. Die so genannte Bahnhofsoffensive ist kein mit einem genau definierten Inhalt und Kostenrahmen mittels Verordnung der ÖBB übertragenes Bauvorhaben. Es ist vielmehr ein Impuls zum Ausbau großer Bahnhöfe. Ich glaube, wir sollten uns mehr auf die Frage Erhaltung und Sanierung von Bahnhöfen konzentrieren. Dies ist ein Sammelbegriff für die Vielzahl von baulichen Verbesserungen, also Erneuerungen von Bahnhöfen der ÖBB, wobei jedes Bauvorhaben jeweils einzeln im Rahmen der bisher erlassenen sieben ÖBB-Übertragungsverordnungen den ÖBB zur Planung oder zur Planung und zum Bau übertragen wurde.

Im Rahmen dieser SCHIG-Mittel dürfen nur Infrastrukturmaßnahmen finanziert werden, wie zum Beispiel die Gebäude, die Zugänge, die Über- und Unterführungen, die Warte- und Sanitärbereiche, somit all das, was bei einer Netzöffnung im Drittzugang auch einem Mitbewerber zur Verfügung stehen würde. Die Investitionen zugunsten des Absatzbereiches, wie zum Beispiel die fremdvermieteten Geschäftsräume, Gütermagazine von ÖBB, Rail Cargo und so weiter, sind aus den Mitteln des Personen- und Güterverkehrsbereichs, das heißt aus dem Absatzbereich, zu finanzieren. Diese Abgrenzung ist auch von der Schieneninfrastrukturfinanzierungs-Gesellschaft genau zu kontrollieren.

Bei den ÖBB wird hingegen unter dem Begriff Bahnhofsoffensive immer ein Wunschprogramm für einen globalen Ausbau von insgesamt 43 Bahnhöfen propagiert, von denen einzelne zumindest teilweise zur Planung beziehungsweise andere bereits zur Planung und zum Bau übertragen wurden, wobei für manche jedoch noch keine entsprechende Übertragungsverordnung existiert.

Die Gesamtkosten des ÖBB-Wunschprogrammes betragen 6,5 Milliarden Schilling, wovon die SCHIG-Finanzierung 4,7 Milliarden ausmacht. Davon wurden bereits mittels Verordnung 3,4 Milliarden übertragen. Von diesen 3,4 Milliarden, die in der letzten Verordnung übertragen wurden, sind zurzeit 10 Prozent ausgenutzt, das heißt, für die Planung oder auch für die Projektierung und den Ausbau reserviert. Die ÖBB haben also von den bereits bereitgestellten Mitteln bis jetzt kaum 10 Prozent verbraucht, was klar erkennen lässt, dass die Planungskapazität beziehungsweise die Möglichkeiten und die sich daraus ergebenden Umsetzungspotenziale weit hinter den zurzeit bereitgestellten finanziellen Mitteln liegen.

Die jetzt angesprochene vorläufig vorgenommene Kürzung der Mittelvorsorge von 3,4 Milliarden auf 1,5 Milliarden hat somit keine tatsächliche Behinderung der in Angriff genommenen Projekte verursacht. Das heißt, die Untersuchungen, die ich in Auftrag gegeben habe, bestätigen immer mehr, dass jetzt Redimensionierungen vorgelegt werden. Und wir werden uns ein Projekt nach dem anderen danach ansehen, welche Finanzierungsmöglichkeiten es gibt.

Aber ganz wichtig ist, dass es eine saubere Trennung zwischen den Bereichen, die dem Absatz zuzurechnen sind, und jenen, die für die Infrastruktur gelten, gibt. (Bundesrat Konecny: Beantworten Sie die Frage auch?)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesrätin! Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Frau Bundesministerin! Ich habe aus Ihren Antworten nicht das entnehmen können, was ich hören wollte. Aber das ist aus Ihrer Sicht verständlich. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Darf ich jetzt meine Zusatzfrage stellen?

Frau Bundesministerin! Ich komme auf einen speziellen Bahnhof zu sprechen, nämlich den Bahnhof Leoben. Hier trifft das, was Sie ausgeführt haben, dass eben zwischen den Maßnahmen, die die Geschäfte betreffen, und anderen Maßnahmen getrennt werden muss, nicht zu, sondern dieser Bahnhof ist als obersteirischer Verkehrsknotenpunkt, als Umsteigebahnhof geplant. Ich kann nur sagen: Den Leobener Bahnhof frequentieren täglich 15 000 bis 20 000 Personen.


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Es liegen auch die Planungen vor, auch die gekürzten Mittel wirklich nur für die Aktionen, die notwendig sind, das heißt für den Einbau eines Liftes, damit Behinderte auf die Bahnsteige kommen können, und so weiter. Noch einmal: Es liegen die Planungen fixfertig vor. Ein Baubeginn wurde für 2001 versprochen. Meine Frage: Wann wird damit begonnen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Ich kann nur dazu sagen, dass für den Bahnhof Leoben derzeit 61 Millionen Schilling übertragen sind, die auch zur Verfügung stehen. Das heißt, es kann begonnen werden. (Bundesrätin Schicker: Warum wird dann nicht begonnen? – Bundesrat Marizzi: Unerhört!)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Sind die Ausbaupläne deshalb einer neuen Überprüfung zu unterziehen, weil unter Ihren Vorvorgängern eben Bahnhöfe ohne entsprechende Gleisanschlüsse, wie in Rottenmann, gebaut wurden?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Bundesrat! Sie zeigen nur ein Beispiel auf, es gibt deren mehrere. Es wäre eine Fülle von Detailpunkten hier zu diskutieren, aber Sie haben genau einen Punkt aufgezeigt, wozu es noch viele weitere Beispiele gäbe. Und nicht nur das, schauen Sie sich die Bahnhöfe teilweise auch in den Landeshauptstädten an. Ich möchte nur ein Beispiel, nämlich St. Pölten erwähnen. Dort wird nicht sehr viel von Umbau gesprochen. Aber ich glaube, der Bahnhof St. Pölten entspricht auch nicht dem Standard einer Landeshauptstadt.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Günther Köberl gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Wie stehen Sie zu den Plänen der ÖBB, die Holzverladestationen im Bereich der steirischen Ennstalstrecke, konkret in Stein an der Enns, Öblarn und Wörschach, zu schließen, obwohl dort jährlich zirka 40 000 m³ Holz verladen werden, die ansonsten über die stark belastete B 320, ist gleich Ennstal Bundesstraße, abtransportiert werden müssten? Zudem wäre durch eine Schließung der Marmorsteinbruch im Sölktal akut in seiner Existenz gefährdet.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Bundesrat! Sie zeigen einen Zustand eines Verladeplatzes auf, der sicherlich eine hohe Bedeutung hat. Ich kann das von dieser Stelle aus nicht sagen, weil dies in der operativen Verantwortung der ÖBB liegt. Aber wir werden sicher Gespräche darüber führen. Wenn der Bedarf gegeben ist, damit auch die Einnahmen, wie Sie es darstellen, dann wird man sicher dieses Projekt unterstützen können. Aber in erster Linie ist das an den Vorstand der ÖBB weiterzugeben.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir kommen nunmehr zur 6. Anfrage, 1146/M.

Die als verhindert gemeldete Bundesrätin Maria Grander hat gemäß § 63 Abs. 3 der Geschäftsordnung ihr Einverständnis bekannt gegeben, dass Herr Bundesrat Hans Ager in das Fragerecht eintritt. Ich bitte den Anfragesteller um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:


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673. Sitzung / Seite 19

1146/M-BR/01

Wie geht es mit der Ökopunkteregelung weiter, nachdem der EuGH der österreichischen Meinung, dass die mangelnde Reduktion dem EU-Recht widerspricht, stattgegeben hat?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Bundesrat! Gerade die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der letzten Zeit hat einmal mehr gezeigt, dass sich auch kleine Länder durchsetzen können. Ich bin deswegen sehr froh, weil wir auf unser bestehendes Recht noch mehr beharren können. Es ist aber richtig, dass wir uns sehr bald überlegen müssen, wie eine langfristig nachhaltige Lösung aussieht.

Die Diskussionen um die Ökopunkteregelungen zeigen, dass der Transitvertrag ein Pilotprojekt war. Lassen Sie es mich so sagen: Es ist durch die Reduktion der Punkte nicht gelungen, auch eine Reduktion des Verkehrs zu Stande zu bringen, denn die Spediteure haben sehr rasch reagiert, und die positiven Effekte sind nicht eingetreten. Das heißt, die Verkehrsverhinderung beziehungsweise -vermeidung und -reduktion ist nicht in dem Ausmaß gekommen, wie man es erwartet hat. Nichtsdestotrotz werde ich mich sehr dafür einsetzen, dass wir unser bestehendes Recht so lange erhalten, bis eine langfristig nachhaltige Lösung erzielt werden kann.

Ich bin ganz guter Dinge, dass die Bedeutung des Transitvertrages und der Transitlösung für Österreich einmal mehr unterstrichen wurde. Das war auch zum Beispiel in bilateralen Gesprächen einerseits mit dem Herrn Verkehrsminister Bodewig, aber auch mit dem italienischen Verkehrsminister ein wesentliches Thema. Es wird in den Verhandlungen weitergeführt. Der italienische Verkehrsminister, gerade in Vorbereitung für eine Wahl, hat natürlich die Stärke Österreichs sehr deutlich aufgenommen, und es freut mich, dass dadurch die Gespräche sehr intensiv weitergeführt werden können.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Bundesrat! Gibt es eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Sie haben gerade die Bedeutung angesprochen. Ein anderes Thema bei uns in Tirol, das die transitgeplagte Bevölkerung interessiert, ist Folgendes: Wie stehen Sie zu dem bereits ausverhandelten Projekt Unterinntaltrasse? Auch das ist ein heißes Thema bei uns in Tirol.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Das Unterinntal ist insbesondere im Zusammenhang mit dem Transitverkehr immer ein wesentliches Thema in der Diskussion. Es gilt auch für den Weiterbau – er ist im Fortschritt begriffen – das Gleiche wie für alle anderen Projekte. Koralmbahn, Unterinntal, Semmering, alle großen Projekte, aber auch der Ausbau Nordwest, Westost und Nordsüd, werden nach Effizienzen geprüft. Dann wird ein zeitlicher Abfolgeplan erstellt, und all das fließt dann in den Bundesverkehrswegeplan ein.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Klaus Gasteiger gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wann – da verweise ich auf den Disput mit Herrn Landeshauptmann Weingartner – werden die ersten Ökopunktesünder endlich bestraft werden? Oder müssen wir da auch auf eine Verordnung warten, die nach zwei Stunden zurückgepfiffen wird?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Bundesrat! Die Frage dürfen Sie nicht mir stellen, sondern diese müssen sie an Herrn Landeshauptmann Weingartner richten, denn er hat die Weisung, zu bestrafen, er weiß es auch,


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und es wird auch durchgeführt. Daher weiß ich nicht, warum Sie mich in dieser Form fragen. Ich habe alles getan, dass die Voraussetzungen gegeben sind, und es ist Ländersache, diese auch umzusetzen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Wilhelm Grissemann gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie beurteilen Sie die Aussichten auf eine Nachfolgeregelung des Transitvertrages beziehungsweise Beitrittsprotokolls nach dessen Auslaufen im Hinblick auf dessen Charakter einer befristeten Übergangsregelung?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Bundesrat! Für mich gibt es nur das Beibehalten der derzeitigen Regelung bis zum 31. 12. 2003. Bis dahin muss auch die langfristig nachhaltige Lösung vorliegen. Das heißt, eine Zwischenlösung sehe ich als nicht besonders zielführend insofern an, als wir keinesfalls unser bestehendes Recht aufgeben dürfen, um dies als Faustpfand zu haben, bis eine langfristige Lösung vorliegt. Ich bin auch zuversichtlich, dass man die Bedeutung Österreichs als Transitland und auch als Möglichkeit zur Gewährleistung des freien Güter- und Warenverkehrs dementsprechend ernst nimmt und gemeinsam an dieser langfristigen Lösung arbeitet.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 1152/M. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Theodor Binna, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1152/M-BR/01

Wie beurteilen Sie die Absicht der ÖBB, die Tauernschleuse zwischen Salzburg und Kärnten (Bad Gastein/Mallnitz) einzustellen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Sie wissen, dass gerade die sicherheitstechnischen Aspekte und die Verkehrssicherheit ein wesentlicher Punkt sind. Das war auch der Grund dafür, warum man nach dem Unglück in Kaprun eine Risikoanalyse durchgeführt hat. Die Konsequenz daraus war, dass man in der operativen Abführung, in der Betriebsführung, an der Tauernschleuse entsprechende Vorkehrungen treffen musste.

Mir ist die Bedeutung dieser Tauernschleuse, insbesondere in der Verbindung Salzburg –Kärnten bewusst, und ich kann Ihnen die erfreuliche Nachricht bringen, dass die von den ÖBB geplante Einstellung, die mit 1. April vorgesehen war, verhindert werden konnte, weil wir einerseits im Ministerium jetzt eine Risikoanalyse durchführen, um Betriebsmöglichkeiten zu finden, die sicher sind, und sich andererseits die ÖBB auch bereit erklärt haben, Betriebskonzepte noch einmal nicht nur auf die Wirtschaftlichkeit, sondern abgestimmt mit dem Risikokonzept zu prüfen. Es ist somit mit keiner Schließung ab 1. April zu rechnen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Christof Neuner gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Mag. Christof Neuner (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage ist beantwortet, ich verzichte auf eine weitere Frage.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr


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Bundesrat Josef Saller gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Bundesministerin! Nachdem die ÖBB mit der Einstellung der Tauernschleuse gedroht haben, gibt es in Salzburg Verkehrsinitiativen, die eine Privatisierung der Bahn zwischen Böckstein und Mallnitz fordern. Wie stehen Sie zu diesen Bestrebungen? Unterstützen Sie diese Bestrebungen zur unbedingt notwendigen langfristigen Sicherung des Personen- und Güterverkehrs zwischen Böckstein und Mallnitz?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Ministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Bundesrat! Ich unterstütze auch die Weiterführung über Private. Ich habe in intensiven Gesprächen gesagt, dass so lange, bis es eine Übergangslösung beziehungsweise ein langfristiges Konzept zum Weiterbetreiben gibt, einerseits vom Bund aus, aber auch von den ÖBB aus der Weiterbetrieb sichergestellt werden muss. Es muss auf Grund der Erfahrungen, die wir jetzt sammeln können, ein Konzept für eine Betriebsführung, die auch für die angrenzenden Gemeinden und Länder akzeptabel ist, ausgearbeitet werden.

Intensive Diskussionen hat es auch über die Frage gegeben, wer sich an den Mehrkosten beteiligt. Es wird auch diesbezügliche Gespräche geben, denn das ist Ländersache. Sie wissen, wenn der Bund allein in die Sicherheit des Tauerntunnels 700 Millionen Schilling investiert, so stellt sich bei der Weiterführung des Betriebes die Frage einer anteiligen Kostenzuwendung. Auch das wird diskutiert, aber auch die Frage, wie es weitergeführt wird. Da sind die Intentionen, auch private Betreiber einzubinden, durchaus eine sehr gute Lösung.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, 1147/M. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Johann Ledolter, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzte Frau Ministerin! Meine Frauge lautet:

1147/M-BR/01

Welche alternativen Vorschläge haben Sie, damit die geplante Einstellung einiger Nebenbahnen durch die ÖBB nicht zu einer Unterversorgung ländlicher Regionen mit öffentlichen Verkehrsmitteln führt?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Bundesrat! Gerade die Nebenbahnen sind mir ein wichtiges Anliegen. Entgegen allen Darstellungen in der Öffentlichkeit liegt mir noch kein Antrag der ÖBB vor, aus dem hervorgeht, welche Nebenbahnen geschlossen werden sollten. Das heißt aber nicht, dass es nicht viele Überlegungen dahin gehend gibt, welche Nebenbahnen betriebswirtschaftlich zu führen sind und welche anderen Konzepte es gibt, um den regionalen Verkehr sicherzustellen.

Ich habe ganz klar und deutlich gesagt, dass es vor der Einstellung von Nebenbahnen für jedes einzelne Projekt meinerseits Untersuchungen dahin gehend geben muss, welche alternativen Verkehrsträger es gibt, aber andererseits auch alle Bemühungen unternommen werden müssen, um entweder mit der Region, mit Tourismusverbänden oder mit privaten Betreibern eine Weiterführung von Nebenbahnen sicherzustellen.

Ich freue mich, dass das bei einem Projekt in Salzburg bereits gelungen ist. Bei der Pinzgauer Bahn ist die Weiterführung sichergestellt. Der Bund übernimmt einen erheblichen Anteil der Kosten für die Zeit, bis ein Privater einsteigt. Es sind zurzeit bereits die Ausschreibungen, die von der Schieneninfrastrukturfinanzierungs-Gesellschaft durchgeführt werden, im Laufen. Das heißt, wir werden sehen, wie viele private Betreiber sich melden werden.

Ich glaube, wenn wir ein Projekt nach dem anderen bearbeiten, können wir sicherstellen, dass die Nebenbahnen erhalten werden, dass aber gleichzeitig auch daran gearbeitet wird, dass die


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Versorgung des ländlichen Raumes, die sehr wichtig ist, zum Beispiel mit Bussen oder anderen Verkehrsträgern aufrechterhalten werden kann.

Dabei sind natürlich auch die Regionen und die Länder gefragt, denn die Bedeutung der Frage der Unterstützung muss auch unterstrichen werden. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass es auch mit Unterstützung durch die regionalen Politiker gelingen wird, die Bedeutung zu unterstreichen und die finanziellen Mittel für die Regionen zu lukrieren.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Bundesrat Ledolter! Stellen Sie eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP, Niederösterreich): Zur Präzisierung: Sie haben gemeint, es gebe noch keine Anträge auf Einstellung. Gibt es schon Verhandlungen beziehungsweise konkrete Vorschläge betreffend die Weiterführung der Mariazellerbahn? Das würde mich interessieren.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Gerade bei der Mariazellerbahn, die in erster Linie auch ein aus touristischer und kulturhistorischer Sicht sehr bedeutendes Projekt für die Region ist, ist die Einbindung von Tourismusverbänden, Fremdenverkehrsverbänden und der Region ein wesentlicher Punkt.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Karl Boden gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Man sollte nicht über Alternativvorschläge nachdenken müssen, denn in Ihrer Macht liegt es, ob nach dem 29. 6. beziehungsweise 31. 12. der Betrieb der niederösterreichischen Nebenbahnen aufrecht erhalten bleibt. Aus dem Fahrplan geht, wie man weiß, hervor, dass es nach dem Fahrplanwechsel auf einigen Strecken voraussichtlich keinen Betrieb mehr geben wird. Meine konkrete Frage lautet: Was gedenken Sie zu tun, um den Betrieb der niederösterreichischen Nebenbahnen aufrechtzuerhalten?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Bundesrat! Hier gilt das, was ich bereits gesagt habe. Nebenbahnen, bei denen vorgesehen ist, dass es Einstellungen geben sollte – ich habe Ihnen gesagt, es liegt noch kein Einstellungsantrag vor –, sind in den Ausschreibungen der Schieneninfrastrukturfinanzierungs-Gesellschaft enthalten. So lange es noch keine Ausschreibung beziehungsweise Weiterführungskonzepte gibt, solange ist auch von einer Einstellung des Betriebs keine Rede.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau Bundesministerin! Warum gab es in früheren Jahren bei Nebenbahneinstellungen durch die ÖBB im Gegensatz zur aktuellen Situation – Sie haben das Beispiel Oberpinzgau bereits genannt – keine Suche nach privaten Betreibern?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Bundesrat! Danke für die Frage, aber ich kann sie nur so weit behandeln, dass ich sagen muss, vielleicht war das Thema Nebenbahnen niemandem wichtig. Mir ist es wichtig (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), weil ich will, dass der regionale Verkehrsverbund erhalten bleibt.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage, 1149/M. Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Peter Böhm, um die Verlesung der Anfrage.


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Bundesrat Dr. Peter Böhm
(Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1149/M-BR/01

Welche positiven Auswirkungen insbesondere auf den Wirtschafts- und Technologiestandort Wien erwarten Sie sich von dem nunmehr von Ihnen finalisierten Projekt des Neubaues des Klima-Wind-Kanals?


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Präsident Ing. Gerd Klamt:
Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich glaube, das Projekt, das Sie ansprechen, nämlich der Klima-Wind-Kanal, ist ein absolutes Zukunftsprojekt, und es entspricht den technologiepolitischen und auch den strategischen Überlegungen unserer Forschungsprogramme.

Es ist ein sehr wesentliches Projekt, wonach auch insbesondere in der Mobilität, in der Logistik, aber auch im Eisenbahnbereich ein Zentrum geschaffen wird, das sicherstellt, dass nicht nur alle internationalen Eisenbahnhersteller, sondern auch der Bedarf dementsprechend ausgebaut wird. Es hat einen so genannten alten Klima-Wind-Kanal gegeben. Die positiven Erfahrungen können jetzt in einem Projekt weitergeführt werden, das absolut dem Stand der Technik entspricht und den Anforderungen Genüge tut.

Es freut mich auch ganz besonders, dass es gelungen ist, in Österreich diesen Standort auszubauen. Alle haben in einem noch dazu privat und öffentlich gemeinsam finanzierten Projekt zusammengearbeitet, dass ein Konkurrenzprojekt ausgebootet werden kann und ein Standort Wien errichtet wird, und zwar auf einem Areal, wo es sicherlich auf Grund dieses Initialprojektes noch weitere Entwicklungen geben kann. Somit ist mit dem Bau des Klima-Wind-Kanals ein bedeutender Impuls gelungen. Hier zeigt Österreich auch seine Stärken. Einmal mehr wird die Stärke weiter ausgebaut und das unterstützt, was im Sinne unserer Technologiepolitik ist.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Bundesrat! Gibt es eine Zusatzfrage? – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Meine Zusatzfrage wurde zwar schon weitgehend vorweggenommen, aber ich stelle sie trotzdem: Welche verkehrs- und technologiepolitischen Motivationen liegen im Klima-Wind-Kanal?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Insbesondere in verkehrspolitischer Hinsicht setzen wir auf den Einsatz von neuen Technologien und auch auf die Stärkung von sozialen und umweltverträglichen Verkehrsmitteln wie zum Beispiel eben den Schienenverkehr. Diese neuen technischen Standards machen die Prüfung der technischen Geräte und die Einrichtungen unter extremen Umweltbedingungen in diesem Klima-Wind-Kanal unerlässlich.

Ein wesentlicher Punkt, den ich auch noch anführen möchte, ist die hohe Beteiligung der Wirtschaft an diesem Projekt. Denn wenn wir Mittel zur Verfügung stellen, so ist es immer wichtig, die Hebelwirkung zu erzeugen. Mit dieser hohen Finanzierungsquote durch die Wirtschaft wird die Bedeutung nicht nur bestätigt, sondern es ist möglich, mit den eingesetzten Mitteln auch Projekte zu finalisieren.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Frau Bundesministerin! Ich möchte noch ein bisschen beim Technologiestandort Wien bleiben. Gibt es weitere Projekte, die der Rat für Forschung und Technologieentwicklung für diesen Technologiestandort Wien empfohlen hat?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Bundesrat! Die Vorgabe der Strategien und der Schwerpunkte erfolgt durch den Rat für Forschung und Technologie Anfang April, er ist ein beratendes Gremium der Bundesregierung. Sie werden verstehen, dass weder ich noch andere die Schwerpunkte wissen, denn wir haben uns entschieden, ein unabhängiges Gremium einzurichten.

Wir geben nur die Beauftragung, mit wem zu sprechen ist. Das heißt, die Länder und alle Forschungsinstitutionen sind einzubinden, das ist ganz wesentlich. All unsere Forschungsvorhaben werden nach den strategischen Kriterien und den Stärken auch überprüft. Doch welche Vorhaben vorliegen, ist vom Rat noch nicht freigegeben worden. Ich muss aber dazu auch sagen, dass nicht der Rat in die Planung von Projekten eingebunden ist, sondern in die strategische Entwicklung. Die vorliegenden Projekte, die von den einzelnen Gebietskörperschaften eingebracht werden, werden auf diese Strategien hin nur evaluiert. Das heißt, der Rat übernimmt keine Planungsarbeiten von Projekten.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konecny gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Welche Beweggründe könnte es geben, dass Sie in der Beantwortung der Anfrage die bedeutende Rolle der Wiener Forschungs- und Technologiepolitik und die wesentlichen Kostenbeiträge der Stadt Wien, die in einem nachrangigen Darlehen und in der Beistellung des Grundstückes bestanden, nicht erwähnt haben?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Herr Bundesrat! Das hat überhaupt keine besondere Überlegung, denn ich habe auch nicht im Detail erwähnt, wie viel der Bund dazu beiträgt. Ich kann Ihnen aber sagen, das gleiche Ausmaß wie die Stadt Wien trägt der Bund. Ich glaube, es geht nicht nur darum, zu sagen, wer wie viele Mittel zur Verfügung stellt. Ich gratuliere der Stadt Wien zu diesem Standort, und ich bin froh, wenn das weiter ausgebaut ist, dass Wien ein Technologiestandort ist. Daher kann ich nicht verstehen, warum diese Frage kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Die Fragestunde ist beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich gebe bekannt, dass der Selbständige Antrag 126/A der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger betreffend Änderung des Wohnbauförderungsgesetzes 1984, des Wohnhaussanierungsgesetzes und des Gebührengesetzes 1957 eingebracht wurde.

Ich habe diesen Antrag dem Justizausschuss zur Vorberatung zugewiesen .

Weiters gebe ich bekannt, dass zwei Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung eines Mitgliedes und eines stellvertretenden Mitgliedes in den Ausschuss der Regionen gemäß § 23c Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz eingelangt sind.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Ilse Giesinger: "Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG können wir Ihnen mitteilen, dass die Bundesregierung bei ihrer Sitzung vom 13. Februar 2001 beschlossen hat, auf Grund eines gemäß Artikel 23c Abs. 4 B-VG erfolgten Vorschlags des Amts der Wiener Landesregierung Stadtrat Dr. Sepp Rieder als stellvertretendes Mitglied des Ausschusses der Regionen zu nominieren.


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Auf Grund des Ausscheidens von Mag. Brigitte Ederer als stellvertretendes Mitglied im Ausschuss der Regionen war für die verbleibende Amtsperiode bis 2002 ein Nachfolger zu ernennen."

Das zweite Schreiben lautet:

"Sehr geehrter Herr Präsident!

Nach dem Ausscheiden von Herrn Landeshauptmann a. D. Karl Stix als Mitglied im Ausschuss der Regionen war für die verbleibende Amtsperiode bis 2002 ein Nachfolger zu ernennen.

Gemäß Artikel 23c Abs. 5 B-VG können wir Ihnen mitteilen, dass die Bundesregierung bei ihrer Sitzung vom 26. Februar 2001 beschlossen hat, auf Grund eines gemäß Artikel 23c Abs. 4 B-VG erfolgten Vorschlags des Amts der Burgenländischen Landesregierung Herrn Landeshauptmann Hans Niessl als Mitglied des Ausschusses der Regionen zu nominieren."

Präsident Ing. Gerd Klamt: Dient zur Kenntnis.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ferner gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Roswitha Bachner und Genossen betreffend die unsozial-treffsichere Besteuerung der Unfallrenten an den Bundesminister für Finanzen vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Ing. Gerd Klamt: Der eingelangte Bericht des Rechnungshofes gemäß Artikel 1 § 8 Bezügebegrenzungsgesetz, BGBl. I Nr. 64/1997 für die Jahre 1998 und 1999 wurde bereits an alle Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt sind weiters 12 Anfragebeantwortungen, 1620/AB bis 1631/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Eingelangt sind ferner jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte hierüber erstattet. Ich habe all diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich beabsichtige, die Debatte über die Punkte 8 und 9 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.


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1. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Führerschein (Führerscheingesetz – FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 134/1999) geändert wird (418  und 496/NR sowie 6318/BR der Beilagen)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Führerschein geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Dr. André d'Aron übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Dr. André d'Aron: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Führerschein, Führerscheingesetz – FSG , BGBl. I Nr. 120/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 134/1999 geändert wird.

Der Ausschussbericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Germana Fösleitner. Ich erteile es ihr.

10.06

Bundesrätin Germana Fösleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese uns vorliegende Novelle zum Führerscheingesetz trifft eine Reihe von sicherheitstechnischen Maßnahmen. Sie schließt eine Lücke in der Verkehrspolitik und ist ein wichtiger Schritt zu mehr Verkehrssicherheit.

Bisher konnte man vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge fahren, ohne eine Ausbildung zu machen und ohne Kenntnisse nachweisen zu müssen. Nun sind für Lenker von Microcars eine generelle Mopedausweispflicht und entsprechende Ausbildungsvorschriften vorgesehen, und zwar eine achtstündige theoretische Schulung und sechs Stunden praktischer Unterricht in einer Fahrschule oder in Autofahrerklubs, die bisher schon sehr erfolgreich die Mopedausbildung durchgeführt haben. Die Bestätigung über diese Ausbildung ist auf Seite 1 des Mopedausweises mit dem Vermerk "vierrädriges Leichtkraftfahrzeug" sichtbar zu machen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Ich sehe in dieser Regelung den ersten Schritt dahin, dass auch die Lenker von Microcars mit der Bedienung des Fahrzeuges und mit den Straßenverkehrsregeln vertraut werden und damit die Sicherheit im Straßenverkehr erhöht wird.

Weiters wird mit dieser Novelle die Lenkberechtigung für die Unterklasse C1 – das sind Lastwagen bis zu 7,5 Tonnen – generell befristet, und zwar auf zehn Jahre, ab dem 60. Lebensjahr auf fünf Jahre. Für eine Verlängerung ist ein ärztliches Gutachten erforderlich.

Schlussendlich wird mit dieser Novelle auch die Möglichkeit geschaffen, dass unbesetzte Busse unter ganz bestimmten Voraussetzungen mit dem Führerschein C gelenkt werden können: Der Lenker oder die Lenkerin muss das 21. Lebensjahr vollendet haben, mindestens zwei Jahre den C-Führerschein besitzen, und es muss sich um Überprüfungs- oder Begutachtungsfahrten zur Feststellung des technischen Zustandes des Fahrzeuges handeln oder dem Entfernen des Busses aus einer Gefahrenzone dienen.

Als Landwirtin und als bäuerliche Abgeordnete freue ich mich, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit beim Lenken von Traktoren mit dem Führerschein der Klasse F von 40 km/h


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auf 50 km/h erhöht (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen) und damit einer langjährigen, berechtigten Forderung der Bauernschaft und einer praxisgerechten Handhabung – das möchte im Besonderen betonen – Rechnung getragen wurde.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die derzeitige Gesetzeslage verbietet zwar grundsätzlich das Lenken eines Fahrzeuges unter Drogeneinfluss, die Ereignisse der letzten Wochen und Monate zeigen uns aber, dass auf diesem Gebiet noch sehr viel zu tun ist. Ich freue mich daher, dass im Nationalrat in einer Drei-Parteien-Einigung, in einem Entschließungsantrag von ÖVP, FPÖ und SPÖ, ein wesentlicher Schritt in Richtung Bekämpfung des Drogenkonsums am Steuer erfolgt ist. Wir brauchen eine gesetzliche Verankerung der Mitwirkungspflicht der betroffenen Fahrzeuglenker, die Möglichkeit zur Vornahme eines entsprechenden Drogenvortests, um eine aktuelle Suchtmittelbeeinträchtigung feststellen zu können, die Möglichkeit zur Abnahme von Harn- und Blutproben bei Drogenverdacht, die nicht mehr verweigert werden dürfen, ein Schulungsprogramm für Exekutivbeamte, um Suchtmittelbeeinträchtigungen entsprechend erkennen zu können, und, wie ich meine, eine breite Bewusstseinsbildung, eine breite Informationskampagne in der Öffentlichkeit und in der Bevölkerung.

Ich weiß um die Bemühungen der beiden Ministerien, ich weiß um die Bemühungen der Frau Bundesministerin Dr. Forstinger, aber auch des für die Exekutive zuständigen Bundesministers Dr. Ernst Strasser. Ich danke ihnen und allen, die sich um die Sicherheit im Straßenverkehr bemühen.

Diese Novelle ist wieder ein Schritt zu mehr Sicherheit auf unseren Straßen. Meine Fraktion wird daher dieser Novelle zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

10.13

Präsident Ing. Gerd Klamt: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Horst Freiberger. Ich erteile es ihm.

10.13

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Novelle zum Führerscheingesetz beschäftigt sich im Wesentlichen mit drei Punkten. Meine Vorrednerin ist auf sämtliche Punkte eingegangen. Ich erspare es mir, auf zwei Punkte näher einzugehen, denn das sind lediglich Anpassungen an EU-Richtlinien – das betrifft die Befristung der Unterklasse C1 des Führerscheines und eine genaue Regelung über das Lenken von unbesetzten Omnibussen mit dem Führerschein C; die EU-Kommission hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, und somit ist es höchst an der Zeit, dass wir diese Änderungen beschließen, um mit den EU-Richtlinien konform zu sein –, der dritte Punkt jedoch, mit dem ich mich näher auseinander setzen möchte, ist die Berechtigung zum Lenken dieser vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuge.

Die Kernpunkte sind bereits ausgeführt worden. Es geht um diese acht Unterrichtseinheiten theoretischer Schulung, sechs Unterrichtseinheiten praktischer Schulung am Fahrzeug selbst, weiters um den Vermerk im Mopedausweis entweder durch die Fahrschule oder durch – es ist sehr erfreulich, dass es über die Regierungsvorlage hinaus darüber eine Drei-Parteien-Einigung im Nationalrat gegeben hat – zum Beispiel Autofahrerklubs, die bis jetzt schon sehr erfolgreich die Prüfungen für Mopedführerscheine abgenommen haben. Auch sie können jetzt eingesetzt werden, auch sie können jetzt diesen Vermerk "vierrädriges Leichtkraftfahrzeug" im Mopedausweis anbringen.

Ab dem vollendeten 24. Lebensjahr entfällt eigenartigerweise – aus meiner Sicht eigenartigerweise – der Nachweis der theoretischen Schulung. Umgekehrt wäre es mir persönlich lieber, das muss ich sagen, denn es ist für einen 24-jährigen oder älteren Menschen sicherlich leichter, das Bedienen solch eines vierrädrigen Mopeds zu erlernen, als die Straßenverkehrsregeln nicht zu erlernen. Also hier geht, so glaube ich, der Ansatz von der komplett falschen Richtung aus. Aber ich möchte einleitend schon sagen: Auch meine Fraktion wird diesem Gesetz zustimmen, weil es ein erster Schritt in Richtung einer Verbesserung ist. Aber ich glaube, das ist kritisch anzumerken: Es ist gescheiter, von allen Personen den theoretischen Unterricht oder die


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theoretische Einschulung zu verlangen und vorzuschreiben als die praktische Einschulung, denn das ist nicht unbedingt das Gelbe vom Ei, was diesen Punkt betrifft.

Es ist, wie gesagt, auch ganz wesentlich, dass diese Einschulung von den Autofahrerklubs durchgeführt werden kann, denn wenn man an die Konsumenten denkt und sich die Preisunterschiede für Mopedführerscheine bei Fahrschulen und bei Autofahrerklubs anschaut, so liegen für dieselbe Leistung in etwa 10 000 S Differenz dazwischen. Deshalb ist das ganz wesentlich, und ich bin sehr froh darüber, dass diese Einigung im Nationalrat erzielt wurde und jetzt in dieses Gesetz einfließt.

Einen weiteren Kritikpunkt möchte ich jedoch anbringen, der die Übergangsvorschriften betrifft. Es ist nicht verständlich und nicht im Sinne einer gleichen Behandlung der Bürgerinnen und Bürger, dass bei den Übergangsvorschriften normiert wird, dass bis ein Jahr nach In-Kraft-Treten dieses Gesetzes – das ist, wenn das Gesetz so beschlossen wird, der 1. 7. 2002 – der Mopedausweis mit der Eintragung "vierrädriges Leichtkraftfahrzeug" ohne weitere Voraussetzungen für jene Bürgerinnen und Bürger möglich ist, die glaubhaft machen, zulässigerweise ein solches Leichtkraftfahrzeug, also ein Microcar, gelenkt zu haben. Es ist absolut nichts vorgesehen, es gibt keinerlei Vorschrift darüber, wie dieses Glaubhaft-Machen ausschauen soll, weil kein Nachweis erbracht werden muss.

Wenn eine Verkaufsfirma solcher Fahrzeuge bestätigt, dass ein Bürger mit einem Microcar eine Probefahrt gemacht hat, bedeutet das schon ein Glaubhaft-Machen, dass man zulässigerweise solch ein Fahrzeug bereits einmal gelenkt hat? – Hier werden sich die Fahrschulen, aber auch die Autofahrerklubs, die für die Eintragung verantwortlich sind, sehr schwer tun, wie sie das regeln und handhaben sollen, denn es gibt keinerlei Vorschriften darüber.

Ich möchte auch die diesbezügliche Stellungnahme der Steiermärkischen Landesregierung zu diesem Entwurf vorlesen. Sie schreibt zur Z 13 § 40 Abs. 5a: "Die Formulierungen ‚glaubhaft machen‘ und ‚zulässigerweise‘ werden auf Grund ihrer Unbestimmtheit die Fahrschulen vor Probleme stellen."– Das wird sicher kommen. Hier, so glaube ich, muss das Gesetz weiter novelliert werden, um diese Bestimmungen detaillierter festzuschreiben.

Darüber hinaus ist absolut nicht einzusehen, warum bei einer gesetzlichen Neuregelung nicht auch jene Menschen, die bis jetzt die Möglichkeit hatten, mit solch einem Fahrzeug ohne spezielle Einschulung und Unterweisung unterwegs zu sein, diese Mindeststandards erfüllen sollen, denn im Sinne von mehr Verkehrssicherheit wäre es nur recht und billig, wenn alle Fahrer dieser Fahrzeuge die gleichen Mindestanforderungen erfüllten.

Meine Damen und Herren! Ich nenne diese Fahrzeuge scherzhafterweise oft "Buschenschank-Ersatzfahrzeuge". Ich komme aus einer Gegend, in der es sehr viele Buschenschenken gibt – Gott sei Dank –, aber es ist schon auffällig, dass Leute, denen der Führerschein abgenommen wird, auf solche Geräte als Ersatzfahrzeuge umsteigen. In diesem Gesetz ist eine Bestimmung enthalten, die es aus der Sicht des Alkohols am Steuer völlig rechtfertigt, dass dies, wenn der Führerschein der Gruppe B entzogen wird, automatisch und ex lege die Aufhebung der Berechtigung zum Fahren dieser Kraftfahrzeuge bedeutet. Es gibt aber tatsächlich Menschen – vor allem ältere Menschen –, die den Führerscheinentzug vom Amtsarzt verordnet bekommen, weil sie für die Führerscheingruppe B möglicherweise bereits langsamere Reaktionszeiten oder vielleicht eine geringe Sehbeeinträchtigung haben. Aber ich denke doch, dass es mit Hilfe dieser Microcars auf Grund ihrer Bauartgeschwindigkeit mit 40 km/h vielleicht möglich wäre, für diese Personengruppe, sofern der Amtsarzt das verantworten könnte, die notwendige Mobilität zu erhalten.

Es ist sicher so, dass bei der Führerscheinklasse B auf Grund der hohen Geschwindigkeiten, die man mit einem PKW fahren kann, selbstverständlich ganz strenge Maßstäbe anzulegen sind. Aber bei den niedrigen Geschwindigkeit, die diese Microcars haben, wäre es auch bei etwas verlangsamter Reaktionsfähigkeit oder vielleicht geringerem Sehvermögen, das aber doch noch ausreichend ist, durchaus möglich, Menschen ihre Mobilität zu erhalten.


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Das ist vielleicht ein Punkt, den man sich in Zukunft vornehmen muss. Damit wäre auch ein wichtiger Faktor verbunden, nämlich dass der Amtsarzt eine Entscheidungsbefugnis bekommen sollte, ob und welche Personen mit diesen Vehikeln unterwegs sein dürfen.

Ich glaube, das sind einige Punkte, die in dem Gesetz noch nicht optimal geregelt sind, bei denen durchaus noch ein Grund zur Verbesserung wäre. Ich sehe aber trotz dieser Kritikpunkte – ich möchte es noch einmal betonen –, dass wir einen Schritt in Richtung mehr Verkehrssicherheit setzen, und deshalb werden die SPÖ-Bundesrätinnen und -Bundesräte dieser Vorlage zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.23

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

10.23

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ganz kurz zu meinem Vorredner, zu Kollegen Freiberger. Er hat einerseits an dieser Vorlage Kritik geübt, andererseits hat er gemeint, dass eben quasi für die Befähigungsprüfung für das Lenken dieser Microcars die Kraftfahrorganisationen ÖAMTC und ARBÖ berufen wären, weil die Fahrschulen – wie er gesagt hat – in manchen Bereichen zu teuer wären.

Lieber Herr Kollege Freiberger! Ich würde dich bitten: Spielen wir nicht immer privat gegen Staat, privat gegen halbstaatlich, privat gegen öffentliche Organisationen aus, sondern bekennen wir uns einmal dazu, dass für alle Organisationen, aber auch für die Privaten die gleichen Rechtsgrundlagen, die gleichen Gesetze gelten und dass schlussendlich vor dem Gesetz alle gleich zu behandeln sind! (Bundesrat Freiberger: Der ÖAMTC würde sich wehren, als staatlich bezeichnet zu werden!)

Meine Damen und Herren! Kollege Freiberger hat auf einen weiteren Punkt hingewiesen, und hier unterliegt er wohl einem Irrtum beziehungsweise wird er sich die Vorlage in einer nicht entsprechenden Form zu Gemüte geführt haben. Er hat nämlich den Entzug dieser Lenkerbescheinigung angesprochen. Nach Freibergers Definition erfolgt dieser Entzug, wenn einem Menschen die Lizenz, sprich der Führerschein, entzogen wird. (Bundesrat Freiberger: Der Führerschein der Gruppe B!)

Der Gesetzgeber, meine Damen und Herren, differenziert in der Vorlage sehr wohl sehr genau. Und zwar geht es nicht um den generellen Entzug, sondern es ist eindeutig definiert, wenn ein Verstoß gegen § 5 der StVO, sprich also Alkohol, als Begründung vorliegt beziehungsweise ein Verstoß gegen Alkohol am Steuer nach dem Führerscheingesetz § 20 vorliegt. Das heißt im Klartext, es ist nicht so, Kollege Freiberger, wie du gemeint hast, dass generell jedem, der keinen Führerschein hat oder dem der Führerschein entzogen wird, gleichzeitig auch diese Bescheinigung entzogen wird. Hier muss man der Ordnung und der Wahrheit Rechnung tragen und das sehr wohl differenzieren.

Meine Damen und Herren! Es ist aber richtig, dass diese Vorlage drei Schwerpunkte hat: einerseits die Drogenproblematik im Straßenverkehr in den Griff zu bekommen, andererseits eine Regelung betreffend die Leichtkraftfahrzeuge zu treffen und vor allem die Umsetzung von EU-Richtlinien vorzunehmen.

Meine Damen und Herren! Die Normierung der Voraussetzungen zum Lenken von Leichtkraftfahrzeugen ist begrüßenswert, und zwar deshalb, weil, wie schon angesprochen, natürlich die theoretische und praktische Ausbildung erforderlich wird, da die Lenker von Leichtkraftfahrzeugen – das muss uns auch bewusst sein, meine Damen und Herren – zurzeit und in Hinkunft voll integrierte Straßenverkehrsteilnehmer sind. Hier geht es, so glaube ich, uns allen, den Gesetzgebern, darum, einen Schutz für alle Straßenverkehrsteilnehmer zu schaffen und vor allem – wie schon von Kollegen Freiberger angesprochen und von mir richtiggestellt – die permanenten Alkosünder im Straßenverkehr aus diesem zu entfernen, damit sie eben die anderen Verkehrsteilnehmer und sich selbst nicht mehr gefährden können.


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Meine Damen und Herren! Ich meine, in diesem Bereich ist es eine gute und eine vernünftige Regelung, aber in der Vorlage geht es natürlich, wie ich gesagt habe, auch um eine Anpassung an EU-Richtlinien. Es wird damit das Lenken von leeren Autobussen mit dem C-Führerschein geregelt, und es wird auch die Lenkerberechtigung der Führerscheinklasse C1 für den so genannten Leicht-LKW bis 7,5 Tonnen neu geregelt und normiert. Dabei muss uns bewusst sein, meine Damen und Herren, dass Untersuchungen über die Verkehrstüchtigkeit und -tauglichkeit derzeit nur für Lenker der Klasse C und D vorgeschrieben sind, dass aber eben das Lenken dieser C1-LKWs bis 7,5 Tonnen dieser Regelung und dieser Untersuchung nicht unterliegt.

Meine Damen und Herren! Das wird in dieser Vorlage neu geregelt und ist, wie ich meine, auch vernünftig. Ich will aber nicht behaupten, dass damit das Gefahrenpotenzial verändert wird. Es war bisher auch so, und es wäre eine Schwarzweißmalerei, generell zu sagen, dass LKWs mit einem Gesamtzulassungsgewicht bis 7,5 Tonnen weniger und leichtere Verkehrsunfälle verursachen. Daher finde ich es vernünftig, dass auch diese Lenker jetzt einer gesundheitlichen Untersuchung zu unterziehen sind, denn die Ursachen für die Unfälle sind meistens leider die gleichen.

Meine Damen und Herren! Ich meine, es war vielmehr – das muss man auch bei der Debatte zu dieser Novelle andiskutieren – die vorangegangene Bundesregierung, also in dem Fall ÖVP und SPÖ , im Jahre 1997 nicht bereit, ein umfassendes Führerscheingesetz zu schaffen. Sie erinnern sich noch daran, dass im Jahre 1997 die beiden alten Regierungsparteien in einem Husch-Pfusch-Verfahren ein Führerscheingesetz geschaffen haben. Dieses Gesetz musste damals, im Jahre 1997, vor In-Kraft-Treten mehrmals novelliert werden. Daher geht es heute darum, eine Gesetzesreparatur und -ergänzung vorzunehmen, nämlich eine Ergänzung und eine Reparatur, zu der Sie damals nicht bereit und nicht in der Lage waren.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend zu diesem Gesetz folgende Bemerkung machen: Sie sehen – das geht in erster Linie an die Adresse der Sozialdemokratie – einmal mehr, dass "Österreich neu regieren" nicht nur im monetären Bereich Sanierungen erfordert, sondern dass auch dort, wo es keine größeren finanziellen Auswirkungen gibt, Sanierungen erforderlich sind.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird deshalb zur Anhebung der Verkehrssicherheit, zu welcher, wie ich meine, die alte Regierung nicht fähig war, selbstverständlich ihren Beitrag leisten und gegen die vorliegende Gesetzesnovelle keinen Einspruch erheben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

10.30

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Horst Freiberger zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von 5 Minuten nicht überschreiten darf. Sie hat sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhalts zu beschränken.

Ich erteile dem Herrn Bundesrat das Wort.

10.31

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kollege Weilharter hat hier behauptet, dass ich möglicherweise die Vorlage zu wenig gelesen habe. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich berichtige tatsächlich, dass ich die Vorlage ausreichend gelesen habe. Möglicherweise ist das aber bei Kollegen Weilharter der Fall. Ich begründe dies wie folgt:

Einleitend möchte ich sagen: Selbstverständlich bin ich dafür, dass Alkohollenker – das habe ich auch vorher gesagt – in der Zeit, in der der Führerschein der Gruppe B entzogen ist, keine Berechtigung haben, ein Microcar zu lenken. (Beifall bei der SPÖ.)


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Mir ist es aber um andere Personengruppen gegangen, und diese sind auch davon betroffen, nämlich die älteren Menschen, denen möglicherweise der Führerschein der Gruppe B auf Grund schlechterer Reaktionsfähigkeiten oder bereits geringer Sehstörungen entzogen wird. Diese Menschen haben dann keine Möglichkeit, diese Microcars zu lenken.

Begründung: In der Regierungsvorlage steht ausdrücklich: "Hier wird festgelegt, dass für den Zeitraum, für den die Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse B ausgesprochen wurde, auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig ist. Wird lediglich eine andere Klasse von Lenkberechtigungen entzogen (z.B. Klasse C oder D), wobei die Klasse B aufrecht bleibt, ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen zulässig. Dieses Verbot gilt ex lege und bedarf keines Ausspruches im Bescheid und bezieht sich ausschließlich auf Microcars."

Das heißt, für jenen Fall, den ich geschildert habe, bei dem möglicherweise noch Verbesserungen möglich wären, für diese Personengruppen, vor allem für alte Menschen, um deren Mobilität vor allem im ländlichen Gebiet zu erhalten, müsste dieser Punkt, das Verbot ex lege, herausgenommen werden.

Ich bitte, diese meine tatsächliche Berichtigung zur Kenntnis zu nehmen.

Kollege Weilharter! Du kannst dich darauf verlassen, dass ich Vorlagen tatsächlich lese! (Beifall bei der SPÖ.)

10.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ing. Peter Polleruhs das Wort. – Bitte.

10.33

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich werde mich hüten, gegen Ausführungen der Kollegen Freiberger und Weilharter Berichtigungen anzubringen, denn sonst könnten Sie vielleicht den Eindruck haben, dass wir hier am Rednerpult eine steirische Microcar-Geschicklichkeitsrallye veranstalten, und das möchte ich beileibe nicht.

Wieder einmal eine gesetzliche Änderung, eine Novelle, die mehrere Gründe hat, wie wir schon gehört haben. Vor allem durch die starke Zunahme der vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuge, auch Microcars genannt, und die zu einem beträchtlichen Teil mangelhaften Kenntnisse und Fähigkeiten der Lenker ist es eben erforderlich geworden, dem Rechnung zu tragen und als Voraussetzung für das Lenken eine theoretische und praktische Ausbildung zu normieren. Eine Lenkberechtigung zum Lenken solcher Fahrzeuge wird nicht erteilt, weshalb von einer Fahrprüfung abgesehen wird.

Darüber hinaus waren Bestimmungen über das Lenken von Omnibussen, wie wir schon gehört haben, über die Lenkberechtigung für die Klasse C und die Unterklasse C1 genauer zu definieren. Im Zusammenhang mit diesen Regelungen war bereits ein Vertragsverletzungsverfahren von der EU-Kommission anhängig gemacht. Das war mehr oder weniger der Hauptgrund dieser Novelle.

Man kann sicher sagen, dass durch diese Novelle zum Führerscheingesetz eine weitere Lücke in der Verkehrssicherheitspolitik geschlossen wird. Jeder, der ein Microcar lenken will, muss sich in Zukunft einem achtstündigen Theorie- und einem sechsstündigen Praxiskurs unterziehen, wie die Kollegin schon gesagt hat, wobei Personen unter 24 Jahren zusätzlich einen Nachweis über die theoretischen Kenntnisse ablegen müssen, weil gerade in der Altersgruppe zwischen 16 und 24 Jahren, wie man der Statistik entnehmen kann, die Unfallhäufigkeit leider Gottes überdurchschnittlich hoch ist.

Dies ist zu begrüßen, denn bisher konnte man mit Microcars fahren, ohne dass es irgendeine Ausbildung gegeben hat, ohne irgendwelche Kenntnisse nachweisen zu müssen. Dies ist daher ein enormer Fortschritt betreffend Verkehrssicherheit.


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Da ich gerade über Verkehrssicherheit spreche: Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich bin, wie wahrscheinlich Sie alle, sehr viel unterwegs und muss sagen, als Autofahrer hat man oft das große Bedürfnis, dass auch die Fußgänger einer entsprechenden Schulung im Verhalten im Straßenverkehr dringend unterzogen werden sollten. (Bundesrat Weilharter: Bravo! – Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Die Fußgänger schauen zum Beispiel gar nicht mehr, wenn sie einen Zebrastreifen sehen, ob eine Ampelregelung ist oder nicht, sondern gehen einfach im Schutz des Zebrastreifens drüber und meinen, der Autofahrer müsse sowieso stehen bleiben und wenn es kracht, treffe den Autofahrer die Schuld. – Das möchte ich nur am Rande streifen.

Die Einführung dieser generellen Mopedausweispflicht stellt für die Führerscheinbehörden keinen zusätzlichen Aufwand dar – das haben wir auch schon gehört –, da diese Ausweise direkt von den Fahrschulen ausgestellt werden. Dieser Mopedausweis mit der Eintragung "vierrädriges Leichtkraftfahrzeug" berechtigt auch dazu, Microcars zu lenken.

Ich erspare es mir, Ihnen die anderen Änderungen noch einmal näherzubringen, sie wurden teilweise schon genannt, Sie finden sie aber auch in den Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates.

Maßnahmen gegen Drogen im Straßenverkehr wurden, so haben wir gehört, auch besprochen, aber diese Maßnahmen finden sich in dieser Novelle des Führerscheingesetzes im Wesentlichen nicht. Gerade Drogenmissbrauch im Straßenverkehr ist längst kein verkehrssicherheitspolitisches Randthema mehr.

Der tragische Verkehrsunfall vom 10. Jänner 2001 auf der Südosttangente, bei dem, wie Sie wissen, zwei Polizeibeamte von einem unter Alkohol- und Drogeneinfluss stehenden Lkw-Lenker getötet wurden, zeigt, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen und die Appelle an die Vernunft nicht ausreichen, um das Lenken unter Drogeneinfluss zu verhindern.

Die derzeitige Gesetzeslage verbietet selbstverständlich das Lenken eines Fahrzeuges unter Drogeneinfluss, aber im Gegensatz zu Alkohol ist der Nachweis der Drogenbeeinträchtigung schwieriger, da Drogen teilweise nur sehr kurz nach dem Konsum im Körper nachgewiesen werden können. Ich hoffe, dass hier entsprechende Maßnahmen gesetzt werden, denn es kann, bitte, nicht so sein – Sie sollten das jetzt nicht falsch verstehen; ich sage das, weil Kollege Freiberger es angeschnitten hat, weil er das Microcar als "Buschenschanktaxi" bezeichnet hat, man könnte so gar so weit gehen und diese Microcars als "Promilleauto" bezeichnen –, dass das, wenn jemand etwas mit einem Glas oder einer Flasche zu sich nimmt und ein bisschen über den Durst getrunken hat, sehr rigoros und unterschiedlich geahndet wird – teilweise finden sogar Verfolgungsjagden statt: es liegt im Handhabungsbereich des jeweiligen Exekutivbeamten, wenn er z. B. vor einem Gasthaus oder einem Buschenschank jemanden gesehen hat –, dass aber jene straffrei ausgehen, die etwas, was zu Verkehrsuntauglichkeit führt, über Tabletten oder über die Nadel in sich aufnehmen.

Ich hoffe sehr, dass dem demnächst in einer Novelle der Straßenverkehrsordnung Rechnung getragen wird.

Der heutigen Novelle zum Führerscheingesetz wird meine Fraktion gerne die Zustimmung erteilen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.40

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Karl Boden. Ich erteile ihm das Wort.

10.40

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es wurde von meinen Vorrednern bereits alles gesagt, ich möchte aber trotzdem noch ein paar kurze persönliche Bemerkungen anbringen.


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Wer sind eigentlich die Benützer dieser Microcars (Ruf bei den Freiheitlichen: Buschenschankfahrzeuge!) oder Buschenschankfahrzeuge? – In erster Linie sind es Personen, die entweder zu jung sind, um ein Kraftfahrzeug zu lenken, oder die zu alt sind, um noch den Führerschein anzustreben, oder Personen, wie schon angesprochen, die aus irgendwelchen anderen Gründen vorübergehend oder für längere Zeit keinen Führerschein haben.

Meine Damen und Herren! Eine Schulung dieser Personen ist sehr begrüßenswert. Was ich aber nicht verstehe, ist, dass man an diese Schulung keinen Prüfungsnachweis hängt – ausgenommen bei Jugendlichen bis 24 Jahren.

Es wäre, so glaube ich, auch vernünftig, all jene, die ihr Fahrzeug schon vor In-Kraft-Treten des Gesetzes betrieben haben, einer Schulung zu unterziehen oder mittels einer Prüfung die Kenntnisse zu testen.

Durch die Geschwindigkeit dieser Microcars, die maximal 40 km/h beträgt, wird nicht wirklich dazu beigetragen, den Verkehr flüssig und aufrechtzuerhalten.

Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Verkehrsexperten meinen, dass durch die Erweiterung der EU der Verkehr auf unseren Straßen bis zum Jahr 2020 bis auf das Achtfache steigen wird. Ich meine, gerade deshalb wäre es wichtig, dass alle Verkehrsteilnehmer einer ausreichenden Schulung und auch einer ausreichenden Prüfung unterzogen werden.

Ein weiterer Punkt, der mich, wie ich heute schon gehört habe, nicht so betroffen machen muss, betrifft die Schließung der Nebenbahnen, die nicht fixiert ist. Ich glaube aber trotzdem, dass einige Nebenbahnen geschlossen werden, und das wird den Verkehrsfluss wesentlich beeinträchtigen – auch darüber sollte man einmal nachdenken. (Beifall bei der SPÖ.)

10.43

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Christoph Hagen das Wort. – Bitte.

10.43

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Es war höchst an der Zeit für eine Neuregelung, für eine Ausweispflicht für Microcars. Damit wird es nun für Lenker solcher Fahrzeuge notwendig sein, eine Schulung über Verkehrszeichen und eine Fahrpraxis abzuleisten, sofern sie das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Lenker dieser Microcars werden somit den Lenkern eines zweirädrigen Motorfahrrades gleichgestellt. Ich glaube, dass das ein richtiger Schritt ist.

Auch Alko- und Drogenlenker haben jetzt mit Microcars eine Ausweispflicht, und bei Alkoholisierung beziehungsweise Drogenmissbrauch ist der Entzug der Lenkberechtigung vorgesehen.

Im Großen und Ganzen wurde das meiste schon gesagt. Aus sicherheitspolitischer Hinsicht kann ich dieses Gesetz als großen Fortschritt betiteln. Obwohl bereits die gesetzliche Möglichkeit besteht, einem Alko- oder Drogenlenker mittels behördlich verordneten Mopedfahrverbotes das Lenken eines Fahrzeuges, nachdem er seinen Führerschein verloren hat, zu untersagen, ist es für einen Exekutivbeamten in den meisten Fällen nicht möglich, dieses Verbot vor Ort zu kontrollieren. Durch das nun vorgeschriebene Mitführen des Mopedausweises für Microcars hat der Beamte nun vor Ort die Möglichkeit der Kontrolle dieser Lenkberechtigung.

Es wäre notwendig, die Behörden auf die gesetzliche Möglichkeit vermehrt hinzuweisen, denn von dieser Möglichkeit der Unterbindung des Lenkens eines solchen Fahrzeuges durch ehemalige Drogen- oder Alkolenker wurde leider nur sehr wenig Gebrauch gemacht.

Jemand, der wegen Schnellfahrens den Führerschein verloren hat, hat aber durch dieses Gesetz weiterhin die Möglichkeit, mobil zu sein. Die Gefahr des Rasens mit einem Microcar besteht, so glaube ich, nicht, weil es eine Bauartgeschwindigkeit von lediglich 40 km/h hat.


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Meine Damen und Herren! Nun möchte ich aber auf Drogen- und Alkolenker zu sprechen kommen. Als Exekutivbeamter mit mehr als zehnjähriger Außendiensterfahrung kann ich nur sagen, dass es allerhöchste Zeit wird, im Straßenverkehr mehr Augenmerk auf Drogenlenker zu legen. Derzeit sind die Möglichkeiten, einen durch Drogen beeinträchtigten Fahrzeuglenker zu überführen, wesentlich geringer als bei Alkolenkern. Ich möchte dies anhand eines Beispiels aus der Praxis verdeutlichen.

Während der Exekutivbeamte bei der Anhaltung eines vermeintlich nicht mehr fahrtüchtigen Fahrzeuglenkers bei Verdacht auf Alkoholisierung mittels eines im Patrouillenwagen mitgeführten Alkomaten innerhalb von 15 Minuten einen Alkotest am Alkomaten beziehungsweise am Anhalteort durchführen kann, ist dies beim vermeintlichen drogenbeeinträchtigten Fahrzeuglenker nicht möglich. Wenn der Verdacht auf Beeinträchtigung durch Drogen besteht, muss der Exekutivbeamte mit dem Delinquenten zu einem Amtsarzt oder in ein Spital fahren, um eine klinische Untersuchung durchführen zu lassen. Da es sich dabei um eine extrem zeitaufwendige Maßnahme handelt – je nach Entfernung zirka zwei bis drei Stunden –, schrecken vermutlich viele Exekutivbeamte vor dieser Maßnahme im Zweifelsfalle zurück, um ihre sonstigen Aufgaben wahrnehmen zu können.

Daher ist es dringend notwendig, auf Drogenmissbrauchsverdacht einen Schnelltest einzuführen. Soweit mir bekannt ist, ist derzeit gerade eine derartige Novelle in Arbeit, was ich sehr begrüße.

Meine Damen und Herren! Wie stark die Zahl der unter Drogen stehenden Fahrzeuglenker gestiegen ist, zeigt sich bei diversen Schwerpunktkontrollen, bei denen ein Amtsarzt anwesend ist und die derzeit erforderliche ärztliche Kontrolle vor Ort durchführt. In Vorarlberg, wo diese Art der Kontrolle vor Ort bei Schwerpunktaktionen durch die Gendarmerie mittlerweile des Öfteren durchgeführt wird, werden bei jeder dieser Kontrollen mehrere Drogenlenker aus dem Verkehr gezogen.

Wie notwendig diese Schnelltests oder Drogentests für Fahrzeuglenker sind, zeigt sich aber auch fast wöchentlich durch Berichte in den Medien: Unter Drogeneinfluss stehende Geisterfahrer durchbrechen mehrere Straßensperren durch die Polizei auf der Autobahn. Oder: Unter Drogeneinfluss stehender Geisterfahrer verursacht Unfälle mit mehreren Verletzten auf der Autobahn, bevor er von der Gendarmerie gestoppt werden konnte. Oder das beweist auch jener tragische Fall vor einigen Wochen, bei denen zwei Kollegen der Wiener Verkehrspolizei wegen eines unter Drogeneinfluss stehenden LKW-Lenkers ihr Leben lassen mussten. Durch diesen Drogenlenker wurden ihre Frauen zu Witwen und die Kinder zu Waisen.

Meine Damen und Herren! An dieser Stelle möchte ich der österreichischen Bundesregierung und speziell Frau Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer für die schnelle finanzielle Hilfe für die Hinterbliebenen dieser beiden Kollegen danken. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) – Das war früher in ähnlichen Fällen nicht so.

Das, was der Normalbürger über Drogen am Steuer vielleicht nicht weiß, was man aber wissen muss, um die Notwendigkeit der Verschärfung von Drogenkontrollen im Verkehrsbereich zu erklären, möchte ich hier noch zum besseren Verständnis darlegen.

Im Unterricht in der Gendarmerieschule wurde uns erklärt, dass durch den Drogenmissbrauch eine Verzerrung der Wahrnehmung hervorgerufen werden kann, bei der zum Beispiel die anderen Autos auf der Autobahn als Matchbox-Autos, als Spielzeugautos, gesehen werden und der unter Drogeneinfluss stehende Fahrzeuglenker das Bedürfnis verspürt, mit seinem Fahrzeug über diese zu fahren.

Jedenfalls gibt es solche Aussagen von Fahrzeuglenkern, welche unter Drogeneinfluss Unfälle verursacht haben. – Ein Horrorszenarium für jeden Verkehrsteilnehmer, besonders aber für jeden Verkehrsgendarmen, welcher ständig fürchten muss, von einem mit Drogen vollgepumpten Autofahrer als scheinbar graue Maus überfahren zu werden.


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Meine Damen und Herren! Deshalb ist es dringend notwendig, die in den letzten Jahren verschlafenen oder nicht gewollten Verschärfungen gegen Drogen im Straßenverkehr zu forcieren. Sie, liebe Frau Bundesministerin, haben sich dazu bekannt und sind im Begriff, dies durchzusetzen, wozu ich Ihnen, liebe Frau Ministerin Forstinger, recht herzlich gratulieren möchte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.51

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesministerin Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger das Wort. – Bitte.

10.51

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Bundesräte! Ich freue mich ganz besonders, dass so viele Argumentationen und gute Darstellungen zu diesen Anpassungen des Führerscheingesetzes gekommen sind.

Man kann durch die Bank in allen Parteien sehen, wie wichtig die Verkehrssicherheit ist. Ich glaube, sie muss ein Anliegen von uns allen sein, vor allem auch die Diskussion um die Details und die Frage, wie wir Verkehrssicherheit und gleichzeitig Mobilität im Verkehr bewerkstelligen. Daher noch einmal herzlichen Dank für Ihre Unterstützung.

Ich darf mich auch für die Unterstützung bei meinen Mitarbeitern in den unterschiedlichsten Abteilungen des Ministeriums dafür bedanken, dass sie es immer wieder schaffen, hinsichtlich der hohen Anforderungen der Verkehrssicherheit unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Dienstleistung an der Bevölkerung mit Einhaltung der Vorschriften für Verkehrssicherheit den richtigen Weg zu finden, um die Gesetze nachvollziehbar zu machen.

In den vielen Beiträgen, die Sie geliefert haben, wurden immer wieder die Frage der Kontrolle und der Handhabung genannt. Ich erlaube mir, insbesondere auf einen Punkt einzugehen, der in der Diskussion um die Microcars gekommen ist.

Eine wesentliche Frage war immer: Sind das die Autos für Personen, denen der Führerschein entzogen wurde, Alkohollenker oder Suchtgiftfahrer? – Ich glaube, dem ist ein wesentlicher Riegel vorgeschoben worden, denn – das müssen wir auch ganz deutlich darstellen – es ist auch jetzt schon möglich, es ist eigentlich Gesetz, dass jemandem die Fahrlizenz oder auch die Fahrmöglichkeit genommen ist, wenn er nicht verkehrstauglich ist. Die Frage der Verkehrstauglichkeit betrifft nicht nur Alkohol und Drogen, sondern auch die Beeinflussung durch Medikamente – ich sage das ganz deutlich, weil das auch im Zusammenhang mit der weiteren Anpassung des Gesetzes zu sehen ist –, aber auch Sehbehinderungen und sonstige körperliche und geistige Behinderungen. Doch wir sollten sehr sorgfältig damit umgehen. Es ist immer auch die Bestätigung des Arztes erforderlich, ob die Verkehrszuverlässigkeit gegeben ist.

Das heißt, es ist derzeit schon möglich, sicherzustellen, dass Personen, die nicht verkehrszuverlässig sind, auch nicht fahren – das ist ganz klar, das ist Gesetz.

Eine Bemerkung zu Ihnen, Herr Bundesrat: Sie haben dargestellt, dass ab 24 Jahren keine Schulung mehr erforderlich ist. Das ist nicht richtig! Es ist dann keine Prüfung mehr erforderlich. Aber ich denke, das sind so kleine Punkte, bei denen sich sicher in der Praxis zeigen wird, wie relevant und wie praxistauglich sie sind.

Etwas muss ich schon auch sagen – da haben Sie auch Recht mit dem, was Sie andeuten –: Es gibt durchaus Vollzugsdefizite, die in der unterschiedlichen Behandlung in den Bundesländern liegen. Wir werden darauf achten, dass insbesondere im Vollzug eine Gleichbehandlung erfolgt und dass damit auch der Ausgleich in der Durchführung der Gesetze gegeben ist. Aber das gilt nicht spezifisch für Microcars, sondern auch für andere Bereiche des Gesetzes.

Was mich auch sehr freut, ist, dass der Vorstoß, den ich gemacht habe – im Jänner leider durch tragische Aktualität besonders unterstrichen –, insofern klar mitgetragen wird, als ich von fast allen Abgeordneten Zustimmung zum verpflichtenden Test betreffend Drogenkonsum bekom


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me. Das ist ganz wichtig, denn es ist das eine Anpassung und eine Angleichung an die Gesetzeslage betreffend Alkoholkonsum. Wieso sollte es möglich sein, dass jemand, der durch Drogenkonsum in seiner Zuverlässigkeit beeinträchtigt ist, einen Test verweigern kann, gleichzeitig aber jemand, der bei Alkoholkonsum einen Test verweigert, sofort mit der Höchststrafe bestraft wird? – Dieser Missstand ist der erste Punkt, der in dieser Diskussion bereinigt werden muss. Mit diesem neuen Gesetz wäre es dann möglich, jemanden, der im Verdacht steht, unter Drogenkonsum zu stehen, und den Test verweigert, zu bestrafen und gleichzeitig einen verpflichtenden Test durchzuführen.

Erlauben Sie mir, auch ein wenig auf die Diskussion um die Vortests, um die Frage des Medikamentenmissbrauchs einzugehen. Es wurde immer wieder gesagt, dass es derzeit noch keine Vortests gibt und daher möglicherweise eine Vorverurteilung stattfindet. Ganz klar ist geregelt, dass es verpflichtende Tests unter Beiziehung von Ärzten geben muss. Denn ein wesentlicher Punkt ist auch, dass wir endlich einmal von den Dunkelziffern wegkommen, dass wir auch sehen, wie viele Drogenlenker Unfälle verursachen, um zu überlegen, was wir dagegen tun können. Es ist wichtig, dass wir dem Drogenmissbrauch beim Autolenken wirklich den Kampf ansagen.

Im Zusammenhang mit den verpflichtenden Tests – Bluttests und Harntests durch die Ärzte – werden gleichzeitig die Vortests evaluiert, das heißt, sie werden mit begleitend untersucht. So kann man im Zuge von Feldversuchen auch sehen, wie gut diese Vortests geeignet sind, um – das sage ich ganz deutlich – keine Vorverurteilung zu machen.

Ich darf Ihnen sagen, dass diese StVO-Novelle bereits zur Begutachtung ausgesandt wird und sehr rasch gehandelt wurde. Ich danke diesbezüglich noch einmal den Mitarbeitern des Innenministeriums, insbesondere aber jenen meines Ministeriums, die sich wirklich sehr intensiv mit der Sachlage auseinander gesetzt haben, einfach auch deswegen, um nicht Drogen und Verkehrssicherheit mit der allgemeinen Drogendiskussion zu verbinden. Und ich danke noch einmal für Ihre breite Zustimmung zur Anpassung dieses Führerscheingesetzes. – Herzlichen Dank! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

10.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Nein. Danke.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen beim Marketing für neue Personenkraftwagen (Personenkraftwagen-Verbraucherinformationsgesetz – Pkw-VIG) (423 und 502/NR sowie 6319/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 2. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen beim Marketing für neue Personenkraftwagen.


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Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Anna Höllerer übernommen. Ich bitte sie darum.

Berichterstatterin Anna Höllerer: Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen beim Marketing für neue Personenkraftwagen (Personenkraftwagen-Verbraucherinformationsgesetz – Pkw-VIG) liegt allen Damen und Herren des Bundesrates schriftlich vor, und ich kann somit auf die Verlesung verzichten.

Ich berichte, dass der Ausschuss nach Beratung der Vorlage am 13. März 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag stellt, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Gottfried Kneifel das Wort. – Bitte.

10.59

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das neue Pkw-Verbraucherinformationsgesetz, das uns heute zur Behandlung vorliegt, legt die verpflichtende Information der Autokäufer über Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen aller neuen Pkw-Modelle fest.

Umweltminister Molterer hat bereits zu einem früheren Zeitpunkt gesagt: Dieses Gesetz ist einer von vielen wichtigen Bausteinen für einen umfassenden Klimaschutz in Österreich und weit darüber hinaus.

Es ist schon ein Zeichen einer gewissen demokratischen Reife und einer hohen politischen Verantwortung, dass diese Richtlinien, dass dieses Gesetz über die Parteigrenzen hinweg beschlossen werden kann. Jedenfalls stehen danach die Zeichen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Dieses Gesetz ist ein Beweis dafür, dass diese Bundesregierung den Klimaschutz ernst nimmt. Dieses Gesetz ist ein Beweis dafür, dass diese Bundesregierung an den mündigen und verantwortungsbewussten Bürger glaubt. Dieses Gesetz ist weiters ein Beweis dafür, dass diese Bundesregierung darauf vertraut, dass der Staatsbürger als Autokäufer eine umweltgerechte und umweltbewusste Entscheidung treffen wird. Wir schaffen mit diesem Gesetz dafür die Voraussetzungen.

Letztlich ist dieses Gesetz auch ein Beweis dafür, dass die Zusammenarbeit zwischen der Regierung und der Interessenvertretung in diesen sehr wichtigen Umweltfragen funktioniert und sich sehr gut entwickelt, weil auch die volle Kooperation des zuständigen Bundesgremiums und der Fachgruppe für den Handel mit Fahrzeugen gegeben ist.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Diese Verbraucherinformation besteht aus vier Elementen. Neuautos, die an einem Verkaufsort ausgestellt werden, müssen künftig mit einem Hinweis über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen versehen sein. Weiters wird ein Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch, der auch eine Übersicht über die zehn sparsamsten neuen PKW-Modelle bietet, am Verkaufsort kostenlos erhältlich sein. Dort muss sich auch ein Aushang oder eine Schautafel befinden, die für jede ausgestellte Marke mit einer nach Modellen aufgeschlüsselten Liste den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen CO2-Emissionen angibt.

Außerdem müssen in jedem schriftlichen Werbematerial für neue PKW – das halte ich für besonders wichtig – der Kraftstoffverbrauch und die spezifischen CO2-Emissionen angegeben sein, damit sich der Käufer eines Wagens entsprechend orientieren kann. Es ist auch festgehalten, dass dieser Leitfaden, den das Bundesgremium des Fahrzeugshandels in der Wirt


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673. Sitzung / Seite 38

schaftskammer und das Umweltministerium gemeinsam erstellen, jährlich aktualisiert und auch im Internet greifbar für jeden, der es haben will, publiziert wird.

Künftig muss auch die Autowerbung den Umweltaspekt stärker als bisher berücksichtigen. In allen Werbeschriften müssen der Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen des beworbenen Fahrzeuges angegeben werden, und zwar mindestens so gut lesbar wie der fett gedruckte Teil, der Hauptteil der Werbebotschaft bei Inseraten, Plakaten und ähnlichen graphischen Werbemitteln.

Das PKW-Verbraucherinformationsgesetz tritt mit seiner Kundmachung in Kraft. Voraussichtlich werden bereits Ende April 2001 die Hinweisblätter an den ausgestellten Fahrzeugen angebracht sein. Es wird diese Information für den Bürger also sehr rasch geben.

Damit man ungefähr einen Eindruck hat, um welche Mengen an Emissionen es geht, hier eine kurze Information: Seit 1950 hat sich in Österreich der Gesamt-Energieverbrauch des Verkehrs versechsfacht. Der Verkehr hat heute einen Anteil von rund 30 Prozent an den CO2-Emissionen und ist damit der größte Einzelverursacher dieses Treibhausgases. Die Hauptquelle ist dabei der PKW-Verkehr mit 84 Prozent der CO2-Emissionen im Personenverkehr. – Man sieht aus diesem Datenmaterial, wie wichtig diese Information für den potenziellen Autokäufer und den Verbraucher ist.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich glaube, man sollte bei dieser Gelegenheit zumindest punktuell die großen Anstrengungen erwähnen, die die Bundesländer in dieser Frage unternehmen. In den meisten Bundesländern gibt es bereits große Förderungen der erneuerbaren Energie: Biogas-Anlagen, Biomaterial-Verbrennungsanlagen. Es gibt Koordinationsbeauftragte, die diese Klimaschutzauflagen ressortübergreifend koordinieren und verbessern sowie darüber informieren. Die Einhaltung der Klimaschutzziele ist nicht nur eine Frage des Umweltministers, des Umweltministeriums und der damit beauftragten Beamten, sondern eine Aufgabe, die uns alle angeht. Wir sollten wirklich alles unternehmen, um die vereinbarten Begrenzungsrichtlinien und die vereinbarten Ziele für den Klimaschutz einzuhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, dass das auch eine wesentliche europäische Frage sein wird. In wenigen Monaten wird wieder die Klimaschutzkonferenz in Bonn zusammentreten. Ich ersuche den Bundesminister für Umwelt, Herrn Mag. Molterer, dort den Wunsch der österreichischen Bevölkerung nach Einhaltung dieser Ziele neuerlich nachdrücklich zu deponieren.

Ich sage das deshalb, weil das nicht gewährleistet ist und weil schon wieder negative Botschaften zu vernehmen sind. Das sehe ich, wenn ich die heutigen Zeitungen durchblättere. Man kommt sich manchmal wirklich düpiert vor, wenn man in diesen Fragen Aktivitäten setzt und Maßnahmen einleitet, um Verbesserungen im Klimaschutz herbeizuführen, und dann Folgendes liest: "Rascher Rückzug vom Klimaschutz" in den Vereinigten Staaten. So steht es in der heutigen Ausgabe des "Kurier": "US-Präsident Bush will Kohlendioxid-Ausstoß nun doch nicht drosseln". – Ich bin über diese Maßnahmen entsetzt! Das muss ich Ihnen offen sagen. (Bundesrat Marizzi: Das ist aber ein konservativer Präsident!) – Ja, aber nicht im Sinne von wertkonservativ, Herr Kollege! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Wertkonservativ zu sein heißt, die Schöpfung zu bewahren und zu konservieren, dass sie auch den Nachkommenden, den Kindern und Kindeskindern, erhalten bleibt. Das verstehen wir unter Klimaschutz und Umweltschutz im weitesten Sinne.

Daher ist dieses Gesetz meiner Ansicht nach aktueller denn je. Ich verstehe nicht, dass Kohlendioxid nach amerikanischem Recht nicht als Schadstoff gilt. Ich glaube, das muss zu denken geben, das muss uns aufrütteln. Deshalb muss alles in Bewegung gesetzt werden, damit wir diese vereinbarten Ziele erreichen.

Dieses Gesetz, das PKW-Verbraucherinformationsgesetz, ist ein wesentlicher Beitrag dazu, dass in dem Bereich, in dem wir die Verantwortung tragen und etwas bewegen können, die entsprechenden Schritte eingeleitet werden. Deshalb wird dieses Gesetz auch von meiner Fraktion selbstverständlich nicht beeinsprucht, sondern gutgeheißen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.08


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673. Sitzung / Seite 39

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Anna Schlaffer. Ich erteile ihr das Wort.

11.08

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Bundesgesetz über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen beim Marketing für neue Personenkraftwagen wurde nicht nur eine innerstaatliche Umsetzung einer EU-Richtlinie vorgenommen, sondern auch eine bedeutsame Maßnahme im Kampf gegen die Klimaveränderungen gesetzt.

Wie im Protokoll der Klimakonferenz von Kyoto festgehalten ist, tragen die Emissionen bestimmter Treibhausgase zu einer weltweiten Erwärmung bei. Als dabei hauptverantwortlich wird Kohlendioxid angesehen. Neben verschiedenen anderen CO2-Emissionsquellen kommt den Personenkraftwagen eine besondere Bedeutung zu. Die Richtlinie 1999/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 bildet einen Bestandteil der gemeinschaftlichen Strategien zur Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes von Personenkraftwagen und zur Senkung des Kraftstoffverbrauches.

Meine Damen und Herren! Ich begrüße die Umsetzung dieser Richtlinie in österreichisches Recht, stellt sie doch in Zukunft sicher, dass Verbraucher beim Kauf oder Leasing eines neuen Personenkraftwagens ihre Entscheidung in voller Sachkenntnis über die Beschaffenheit des jeweiligen Kraftfahrzeuges treffen können. Mit diesem Gesetz soll aber auch erreicht werden, dass durch gezielte Verbraucherinformationen die Marktgängigkeit verbrauchsarmer PKW in Österreich gesteigert und somit der Anteil des Verkehrs am für die Erderwärmung hauptsächlich verantwortlichen Treibhausgas CO2 reduziert wird.

Durch die im vorliegenden Bundesgesetz ebenfalls normierten Vorschriften, denen zufolge mindestens einmal jährlich ein Leitfaden zu erstellen ist, in welchem der Kraftstoffverbrauch aller neuen Personenkraftwagen des aktuellen Modell-Jahrganges, die in Österreich jeweils zum Verkauf angeboten werden, sowie die zehn sparsamsten neuen Modelle aufzulisten sind, sollte nicht nur das Problembewusstsein gefördert, sondern darüber hinaus – das halte ich für sehr wesentlich – der Autoindustrie auch ein Anreiz geboten werden, weiter in Forschung und Entwicklung zu investieren. Den werbeträchtigen ersten Platz in dieser Liste zu erreichen, sollte ausreichende Motivation sein.

Durch die Selbstverpflichtung der als Anbieter im europäischen Raum großteils auftretenden Automobilhersteller, sich dem CO2-Emissionsziel der Europäischen Union anzuschließen, dürfte auch sichergestellt sein, dass es zu einer umwelttechnologischen Verbesserung in der Fahrzeugindustrie kommen wird.

Meine Damen und Herren! Der durch den Straßenverkehr hervorgerufene Treibhauseffekt ist zwar maßgeblich an der Erderwärmung beteiligt, doch sind dafür noch andere Faktoren mit entscheidend. Ich darf hiebei auf die Elektrizitätswirtschaft verweisen und darauf, dass es in diesem Bereich sicherlich auch Maßnahmen bedarf. Um jedoch das in Kyoto vertraglich festgelegte Ziel zu erreichen, die gesamten Treibhausgas-Emissionen im Zeitraum 2008 bis 2012 gegenüber 1990 um 8 Prozent zu verringern, bedarf es seitens der Mitgliedstaaten der Europäischen Union noch vieler gemeinsamer Anstrengungen.

Im Hinblick auf die aktuellen Ereignisse – wie sie bereits von meinem Vorredner ausgeführt wurden, nämlich dass die Regierung Bush beschlossen hat, Kohlendioxid nicht als Schadstoff einzustufen – fällt Europa im Kampf gegen die Klimaveränderungen eine besondere Rolle zu. Österreich als Mitglied der Europäischen Gemeinschaft wird hiebei besonders gefordert sein, seinen Beitrag zu leisten.

Wie ich bereits anfangs erwähnt habe, wird mit dem vorliegenden Personenkraftwagen-Verbraucherinformationsgesetz eine wichtige und richtige Maßnahme gesetzt. Mit der Hoffnung auf weitere richtige Schritte geben wir diesem Gesetz unsere Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

11.13


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
673. Sitzung / Seite 40

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Engelbert Weilharter das Wort. – Bitte.

11.13

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zum vorliegenden PKW-Verbraucherinformationsgesetz ein paar Bemerkungen. Es sind drei Schwerpunkte, auf die dieses Gesetz abzielt: Erstens handelt es sich um die Anpassung an eine EU-Richtlinie, zweitens bedeutet es eine Verbesserung der Konsumenteninformation, und drittens wird erkennbar gemacht, wie umweltbelastend Kfz- oder Verbrennungsmotoren sind und wie stark der CO2-Ausstoß ist. Das heißt auf einen Nenner gebracht, es ist dies eine sehr wichtige und vernünftige Umweltmaßnahme.

In Summe ist es ein Gesetzeswerk, welches einfacher und übersichtlicher ist. Mit einem Beiblatt oder einem Aushang wird über den Kraftstoffverbrauch und somit über die Emissionen im CO2-Bereich informiert. Das ist durchaus eine gute Sache. Daher wird meine Fraktion selbstverständlich ja dazu sagen.

Vielleicht dazu noch folgende Bemerkung, Herr Minister: Es ist in Summe eine gute Sache, auf die wir aber nationalstaatlich selbst hätten kommen müssen. Es hätte eigentlich nicht der EU-Richtlinie bedurft, dass wir auf diesen Themenpunkt kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.14

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer das Wort. – Bitte.

11.15

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte erstens meiner Befriedigung darüber Ausdruck verleihen, dass es möglich ist, ein derart wichtiges umweltpolitisches Meilenstein-Gesetz, wie ich es nennen möchte, gemeinsam und einstimmig zu verabschieden. Ich teile die Einschätzung, die hier geäußert wurde, dass Klimaschutz weltweit die wahrscheinlich größte umweltpolitische Herausforderung ist, die wir überhaupt haben. Es ist global das größte Problem, mit dem wir konfrontiert sind.

Auf Grund dessen müssen wir die nächste Klimaschutzkonferenz, die in der zweiten Juli-Hälfte in Bonn stattfinden wird, mit aller Kraft nützen, um die Chance zu haben, zu einem Ergebnis zu kommen. Ich teile daher die Einschätzung, dass die gestrige Haltungsänderung in den Vereinigten Staaten ein absolut negatives Signal ist, und habe das den Vertretern der Vereinigten Staaten sehr klar signalisiert, weil ich meine, dass das nicht ein Frage von konservativ oder was auch immer ist, sondern dass es vielmehr um die Frage geht: Ist man nachhaltig oder nicht nachhaltig orientiert?

Unsere Linie ist hier klar, dass wir daher mit der Europäischen Union eine noch größere Verpflichtung haben. Die Union hat schon in Den Haag die sehr klare Position eingenommen, an der Spitze zu stehen und das letztendlich auch in Bonn zu tun. Es ist ein noch größerer Druck auf Maßnahmen der Europäischen Union, wie wir sie beispielsweise vergangene Woche im Umweltministerrat beschlossen haben, etwa auch für Mopeds und Dreiräder Emissionsbeschränkungen anzustreben, die dasselbe Niveau wie bei PKWs haben sollen, und zwar mit einer weitere Perspektive, das Niveau in Etappen zu verschärfen.

Diese Strategie besagt aber auch, dass wir in Österreich selbst alle Möglichkeiten nützen müssen, die uns gegeben sind. Daher meine ich, dass mit diesem Gesetz ein sehr moderner Weg beschritten wird, ein moderner Weg insofern, als wir die Wirtschaft einbinden, aber vor allem dem Konsumenten vor Augen führen, wie seine Kauf-Entscheidung positive oder weniger positive Effekte im Bereich der Umwelt hat.


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Ich glaube, dass dieses Gesetz letztendlich auch beispielgebend dafür sein kann, wie wir in diesem partnerschaftlichen Verständnis zwischen Gesetzgeber, Wirtschaft und Konsumenten auch in der Ökologie einen qualitativen Schritt nach vorne setzen können. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

11.17

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall, danke.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Altlastensanierungsgesetz geändert wird (ALSAG-Novelle 2001) (373/A und 506/NR sowie 6320/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Altlastensanierungsgesetz geändert wird (ALSAG-Novelle 2001).

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Georg Keuschnigg übernommen.

Berichterstatter Georg Keuschnigg: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich bringe Ihnen den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Altlastensanierungsgesetz geändert wird (ALSAG-Novelle 2001).

Der Text liegt Ihnen vor. Ich darf daher zum Antrag des Ausschusses kommen.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ferdinand Gstöttner das Wort. – Bitte.

11.19

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Bei der Novelle zum Altlastensanierungsgesetz geht es im Wesentlichen darum, dass das Tiermehl, welches nicht verfüttert werden darf, in dafür genehmigten thermischen Anlagen behandelt werden soll. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass dafür geeignete Anlagen genehmigt werden.

Dazu meinen wir, dass es kurzfristige Lösungen in derzeit schon vorhandenen Hochtemperatur-Verbrennungsanlagen gäbe, also in Anlagen, bei denen eine entsprechende Qualität der Verbrennung der gefährlichen Abfälle sichergestellt wäre.


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Wichtig ist aber auch das Problem der Höhe der Verbrennungstemperatur. Dem Umstand, dass Prionen erst ab etwa 700 Grad unschädlich werden, ist besondere Bedeutung beizumessen. Festhalten möchte ich, dass wir, wenn die Voraussetzung der Erfüllung der Grenzwerte gewährleistet ist, gegen die Verbrennung in Kohlekraftwerken nichts einzuwenden haben. Ausnahmebestimmungen zu schaffen wäre allerdings zu wenig, denn es darf zu keinerlei Gefährdungen von Mitbürgerinnen und Mitbürgern kommen.

Herr Bundesminister! Unsere Forderung an Sie, dass ehest ein Tiermehlverbrennungsgesetz vorgelegt und auch gesetzlich verankert wird, ist berechtigt und dringend notwendig. Das Problem Tiermehl muss auch bei uns in Österreich befriedigend gelöst werden.

Auf Grund der momentan vorliegenden, unvollständigen Fakten können die sozialdemokratischen Bundesratsmitglieder dieser Novellierung nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.20


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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächster Redner wäre Herr Bundesrat Ing. Franz Gruber. – Er ist nicht anwesend.

Somit erteile ich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth das Wort. – Bitte.

11.21

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Auf Grund dieser BSE-Krise – wie es Kollege Gstöttner schon ausgeführt hat – hat sich eine Situation ergeben, die nun rasches Handeln erfordert.

Der erste wichtige Schritt ist mit einem generellen Verfütterungsverbot von Tiermehl schon gesetzt worden. Da aber diese Kadaver und Schlachtabfälle nach wie vor zu Tiermehl verarbeitet werden, müssen wir Wege finden, wie wir dieses entsorgen können. Da bietet sich die thermische Verwertung besonders an, weil wir, wie die Experten sagen, immerhin in etwa 100 000 Tonnen pro Jahr zu entsorgen haben.

Mein Vorredner hat auch über die Höhe der Temperatur, bei der Prionen laut den Experten überleben können, schon gesprochen. Daher ist es umso wichtiger, diese thermische Verwertung anzustreben. Aber man braucht dafür auch zusätzliche Kapazitäten, die vorhandenen Abfallverbrennungsanlagen werden sicherlich nicht ausreichen. Da bieten sich tatsächlich die Kohlekraftwerke an, die auch diese Kapazität haben.

Worum es bei dieser Novellierung eigentlich geht, ist, dass eine Ausnahmebestimmung geschaffen werden soll, weil Kohlekraftwerke vom Altlastenbeitrag befreit sind, da sie Asche und Schlacken wieder rückführen können. Ich glaube, dass diese Ausnahme der Gebührenbefreiung sinnvoll ist.

Damit aber verhindert wird, dass Missbrauch getrieben wird und in Zukunft dort überhaupt Müll verbrannt werden kann, ist die Bestimmung nur bis 2006 befristet. Das halte ich für ... (Bundesrätin Fuchs: "Nur"?) Ja, weil man davon ausgeht, dass man diesen Zeitraum brauchen wird, um der derzeitigen Lage Herr zu werden. (Bundesrätin Fuchs: Eine sehr lange Befristung!) Die Lage hat uns unvorbereitet getroffen. Es hat niemand in Europa gedacht, dass sich die BSE-Krise so weit ausbreiten wird. Bis jetzt war sie in England, und England war weit. Wir haben nach wie vor keinen einzigen Fall.

Ein Problem sehe ich – aber ich gehe davon aus, dass das heuer noch in Angriff genommen wird –, bei den unterschiedlichen Emissionsgrenzwerten der einzelnen Kraftwerke. Daran ist bereits Kritik geübt worden, meiner Ansicht nach durchaus berechtigt. Aber ich gehe guten Mutes und voller Hoffnung davon aus, dass dies in der großen Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes, die heuer in Angriff genommen werden soll, umfassend geregelt wird, sodass gleiche Bedingungen für alle herrschen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Brunhilde Fuchs. Ich erteile ihr das Wort.

11.24

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Werter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Leider kann ich mich der Argumentation meiner Vorrednerin nicht anschließen. Gleich vorweg darf ich auch sagen, dass meine Fraktion dieser Gesetzesnovellierung nicht zustimmen wird. (Bundesrat Bieringer: Haben wir schon gehört!)

Erstens sollte eine Novellierung nicht vom Tagesgeschehen abhängig sein. Zweitens sollte sie auch nicht – wie die letzte Novelle – als Geldbeschaffungsaktion dienen. Drittens ist die nächste Novelle noch für dieses Halbjahr schon im Voraus angekündigt. (Bundesrätin Mühlwerth: Aber besondere Situationen erfordern rasches Handeln!) Bei drei Novellierungen innerhalb eines halben Jahres kann man, so denke ich, von keiner ordentlichen Arbeit sprechen. (Zwischenruf des Bundesrates Hensler.  – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das ist keine verantwortungsvolle Umweltpolitik, das ist Flickwerk, Herr Kollege! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir werden nicht zulassen, dass unsere guten Umweltgesetze langsam, aber sicher aufgeweicht werden, statt verbessert zu werden. Mir ist zwar klar, dass in manchen ... (Bundesrätin Mühlwerth: Werden sie ja nicht!) Das ist heute ein Beispiel dafür. (Bundesrat Hensler: Wo werden sie aufgeweicht?) Die Novelle, die Sie heute beschließen wollen, ist dafür ein Beispiel. (Bundesrat Hensler: Können Sie das begründen?) Ganz einfach kann ich das begründen. (Bundesrat Hensler: Bitte sehr!)

Es ist mir klar, dass in manchen Bereichen nur dann sinnvoll agiert werden kann, wenn rasch gehandelt wird. Da gehe ich mit Ihnen konform. (Bundesrat Hensler: Das tun wir! – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Aber Österreich hat von früher her und schon seit langer Zeit vorhandene, gute Sondermüll- und andere Verbrennungsanlagen, die bestens dafür geeignet wären, dass dort die Tiermehlverbrennung genehmigt wird. Wir sind auch nicht dagegen, dass unter gewissen Voraussetzungen Kohlekraftwerke dafür verwendet werden. Tiermehl hat einen sehr hohen Brennwert, und es sollte auch gewährleistet werden, dass die anfallende Energie über Kraft-Wärme-Kopplung entsprechend genutzt werden kann. All das ist klar.

Ich meine aber – darin liegt der Unterschied in den Meinungen –, dass für die Verbrennung von Tiermehl jene Bedingungen gelten müssen, die nach der Luftreinhalteverordnung für Kesselanlagen auch für anderen Abfall in entsprechenden Anlagen vorgesehen sind. (Bundesrat Steinbichler: Frau Kollegin! Welchen Abfall?) Wir brauchen keine Anlagen, die quasi von einem Tag auf den anderen für einen jahrelangen Probebetrieb mit Probegenehmigungen zum Verbrennen von Tiermehl zugelassen werden. Wir wissen jetzt schon von einigen Anlagen, dass es massive Probleme gibt, die vorgeschriebenen Grenzwerte einzuhalten. Schadstoffe, zu denen auch Gifte wie Dioxin gehören, werden ganz sicher große Probleme aufwerfen.

Ein anderes wesentliches Problem ist die Verbrennungstemperatur. Wir alle wissen, dass Prionen erst bei ungefähr 700 Grad Celsius unschädlich gemacht werden. Wie wirkt sich das auf Schlacken und Abwässer aus? – Ich glaube, auch das ist noch nicht ausdiskutiert. Es sind viele Fragen, die verantwortungsbewusst geklärt werden müssten. (Bundesrat Hensler: Was sollen wir machen ...?) Das war aber im Ausschuss des Nationalrates nicht möglich – das möchte ich ausdrücklich betonen. (Bundesrat Dr. Böhm: Wieso?)

Ich war nicht dabei, aber ich habe Kontakt; ich war genauso wenig dabei wie Sie, Herr Kollege! (Bundesrat Dr. Maier: ... ist das in besten Händen!) Sie waren dabei, das ist richtig! Es waren dort aber auch viele Kollegen; sie werden da sicher einen anderen Gesichtspunkt haben, wenn sie diese Dinge sehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich darf Ihnen sagen, wie es die Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion im Nationalrat erlebt haben. Sie hatten das Gefühl, dass man unter großem Zeitdruck stand und dass eigentlich niemand besonders daran interessiert war, Fragen zu beantworten und zu diskutieren. (Bundesrat Steinbichler: Aber im Ausschuss haben Sie keine Fragen gestellt, Frau Kollegin!)


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Nein, weil es ganz einfach ... (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das wissen jetzt wieder Sie. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )  – Ich darf Ihnen nur sagen, was ich von meinen Fraktionskollegen erfahren habe. Sie waren sehr enttäuscht, dass viele Fragen auf Grund einer besonderen Zeitknappheit nicht diskutiert werden konnten – weil es zu Verschiebungen und diversen Dingen gekommen ist. (Bundesrat Steinbichler: Ich war enttäuscht, dass Sie im Ausschuss nicht gefragt haben!) Ich glaube, es darf ganz einfach nicht so sein, dass im Eilverfahren Versuchsbetriebsgenehmigungen und Probebetriebsgenehmigungen erteilt werden, ohne dass man sich dieser absolut komplexen Problematik ernsthaft stellt.

Handlungsbedarf gab es schon lange. Jetzt sollen Lösungsvorschläge in einem solch sensiblen Bereich aus dem Ärmel geschüttelt werden, und das nenne ich verantwortungslos. Das wollen wir Sozialdemokraten der österreichischen Bevölkerung nicht zumuten. (Beifall bei der SPÖ.)

11.29

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Frau Bundesrätin Anna Höllerer das Wort. – Bitte.

11.30

Bundesrätin Anna Höllerer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wie Sie bereits von meinen Vorrednern gehört haben, ist auf Grund der gesetzlichen Umsetzung der Maßnahmen zum Schutz vor Verbreitung von BSE und vor allem auch des jetzt bestehenden Verfütterungsverbotes von Tiermehl die thermische Verwertung des Tiermehls vorgeschrieben.

Eine Verbrennung des Tiermehls findet in dafür genehmigten Anlagen, die derzeit auch aus Vorsorgegründen eine entsprechend zweckmäßige und sichere Entsorgung dieses Tiermehls garantieren, bereits statt. Das muss man schon einmal erwähnen. Diese Anlagen sind dazu geeignet, auch im Hinblick auf die Temperatur, mit der Tiermehl verbrannt wird. Es geht nur darum, die Kapazitäten auszuweiten. Im Sinne einer Unabhängigkeit vom Ausland ist es natürlich unbedingt notwendig, die Verbrennungskapazitäten im Inland entsprechend auszunützen.

Mit dieser Gesetzesnovelle soll nun bewerkstelligt werden, dass auch die zur Verfügung stehende Kapazität in Kohlekraftwerken letztendlich dafür genützt werden kann. Es geht dabei um eine altlastenbeitragsfreie Lagerung auch jener Aschen und Schlacken, die bei der Verbrennung von Kohle unter Beimengung von Tiermehl anfallen und in die ursprüngliche Lagerstätte der Kohle zurückgeführt werden, also eigentlich um eine Gleichstellung der Verbrennung aller Tiermehle.

Wir reden hier aber auch von dem Problem, dass eine Seuchenausbreitung verhindert werden soll. Sie alle kennen die Seuchenproblematik in Europa, auch in Kontinentaleuropa – denn es beschränkt sich nicht mehr nur auf Großbritannien – und die Sensibilität der österreichischen Bevölkerung. Es ist im Sinne der Gesundheit der Menschen, dass alle Schritte, die möglich sind, auch gesetzt werden.

Erreger von BSE sind Prionen, Eiweißstoffe, wobei man aber noch nicht einmal genau weiß, wie die Übertragungswege auf den Menschen tatsächlich funktionieren. Auf Grund des heutigen Wissensstandes nimmt man es als sicher an, dass sie über kontaminierte Nahrungsmittel, also über Nahrungsmittel, die mit belastetem Gewebe zubereitet wurden, durch den normalen Verzehr auf den Menschen übergegangen sind. Wir wissen, dass die BSE-Seuche in England ihren Ursprung genommen hat und dort seit 12 Jahren bereits Bekämpfungsstrategien greifen. Diese waren anfangs nicht sehr gut – es hat zwar Kontrollen gegeben, diese waren aber nicht wirklich umfassend genug –, und es ist daher nicht zu dem erhofften Erfolg gekommen: Wir haben BSE nun auch in Kontinentaleuropa.

Bereits 1988 gab es die ersten Fälle, und seit diesem Zeitpunkt werden auch die österreichischen Tierbestände ganz gezielt auf BSE kontrolliert. 1991 wurden bereits alle Risikorinder – also jene Rinder, die eine Verhaltensauffälligkeit zeigen – in Österreich auf BSE untersucht. Seit 1. Jänner 2001 laufen die Testprogramme in Österreich, im Rahmen derer alle Tiere ab einem Alter von 30 Monaten auf BSE kontrolliert werden, bevor sie in die Nahrungskette ge


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langen. Mit 13. März – ich habe hier die Ergebnisse – waren das insgesamt 32 125 Tests; Ergebnis: alle negativ!

Es wurde also niemals ein BSE-Fall festgestellt. Seit diesem Zeitpunkt, also seit 1. Jänner dieses Jahres, gibt es auch ein generelles Verbot der Verfütterung von Tierkörpermehlen in Österreich. Die Verfütterung von Tiermehlen an Wiederkäuer ist bei uns aber schon seit 1990 verboten.

Auch das Risikomaterial muss bereits seit 1. Oktober bei der Schlachtung entfernt werden. Wovon sprechen wir hier? – Risikomaterial sind jene Körperteile, jene Organe, die bei infizierten Rindern diese BSE-Erreger aufweisen. Diese werden nun bei der Schlachtung entfernt und in Tierkörperverwertungsanstalten thermisch behandelt.

Die Entsorgung dieser anfallenden tierischen Stoffe – also dieses spezifizierten Risikomaterials, das sind Schlachtabfälle, das sind gefallene Tiere, das sind aber auch Heim- und Versuchstiere – erfolgt in Österreich nach dem Drucksterilisationsverfahren. Das heißt, es findet eine mindestens 20-minütige Erhitzung dieses Materials auf eine Temperatur von 133 Grad bei 3 bar Überdruck statt, und damit werden alle Erreger getötet. Es ist also ein wertvolles Material, das bei dieser Entsorgung, wie sie in Österreich gehandhabt wird, entsteht, ein tatsächlich unbelastetes Material. Nach Expertenschätzung ist die in Österreich angewandte Methode im Vergleich zu manch anderen Verfahren die sicherste überhaupt in der Europäischen Gemeinschaft. (Bundesrat Marizzi: Wer hat das gesagt?)

Die Situation in Österreich ist zurzeit sehr gut. Es gibt bisher keinen BSE-Fall, und das ist auf bestimmte Gründe zurückzuführen. Es war eben nie gängige Praxis unserer Bauern, Tiermehl an Wiederkäuer zu verfüttern. Selbstverständlich sind auch die Produktionsbedingungen für Tiermehl ausschlaggebend und natürlich auch, dass sehr wenige potenzielle infizierte Rinder nach Österreich importiert wurden.

Sie haben davon gesprochen, dass in diesem Tierkörpermehl eine Dioxinbelastung nachgewiesen wurde. – Ich kann mir nicht vorstellen, woher Sie diese Erkenntnisse haben. Tiermehl ist wertvollstes Material, Eiweißmaterial, das einen sehr hohen Energiewert hat. Auch bei den Verbrennungen, die bis jetzt stattgefunden haben, gab es nie eine Geruchsbelästigung. Und auf Grund der Temperaturen, mit denen diese Verbrennung stattfindet, können auch keine Erreger überleben, derartige Belastungen für die Bevölkerung sind also auszuschließen.

Ich möchte Sie noch einmal darauf hinweisen, dass wir momentan in einer Zeit leben, in der die österreichischen Verbraucher, die Konsumenten auf Grund der Seuchenbelastung in Europa sensibilisiert sind. Es ist maßgeblich und wichtig, dass wirklich alles unternommen wird, um Sicherheit für den Konsumenten zu erreichen, und das muss jetzt geschehen und nicht irgendwann!

Wir haben in Österreich die Möglichkeiten, die Kapazitäten, dieses Tiermehl zu verbrennen. Dies ist ein Schutz für die Bevölkerung, den wir ihr bieten können, und es erscheint daher nicht sinnvoll, dafür noch auf Genehmigungen, auf neue Anlagen oder auf Sonstiges zu warten. Es ist jetzt der Zeitpunkt, zu handeln.

Sie können mit gutem Gewissen diesem Gesetz zustimmen, denn es ist im Sinne der Gesundheit der österreichischen Bevölkerung. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.38

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Leopold Steinbichler. Ich erteile ihm das Wort.

11.38

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Fuchs hat von schon lange bestehendem Handlungsbedarf gesprochen. Das war eigentlich der Grund, warum ich mich zu Wort gemeldet


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habe, Frau Kollegin! (Bundesrätin Fuchs: Deutschland hat die Verordnung schon im Vorjahr herausgegeben! Nur in Österreich ...!) Sie sollen Ihre Aussagen auf die Realität zurückführen! Ich darf Ihnen dazu Folgendes sagen:

Bis September, Oktober 2000 haben wir überhaupt keinen erhöhten Handlungsbedarf gehabt, weil es damals – ich möchte nicht Kommissar Fischler verteidigen, sondern die tatsächlichen Fakten bringen – erstens keinen Überschuss an Rindfleisch gegeben hat. Wir hatten nicht den Bedarf, in die Interventionslager zu gehen, weil der Verbrauch und die Produktion übereingestimmt haben. Zweitens wird in Österreich, wie meine Kollegin Höllerer bereits erwähnt hat, bereits seit zehn Jahren kein Tiermehl an Wiederkäuer mehr verfüttert.

Bei Tiermehl von Abfall und Sondermüll zu sprechen, das finde ich fast eine Sünde. (Bundesrätin Fuchs: Hat sich aber jetzt erwiesen, dass es so ist!) Es handelt sich dabei um hochwertiges Eiweiß, das bisher auch in der Verfütterung eingesetzt wurde. Ihre Äußerungen über eine Dioxinbelastung, eine Belastung für die Bevölkerung kann ich einfach nicht verstehen, weil man da klipp und klar trennen muss.

Zwei Kilometer von mir zu Hause entfernt steht die Tierkörperverwertungsanstalt Regau. Direktor Baumann, einer der profundesten Kenner dieser Materie, der auch gerne bereit ist, einmal hier, wenn es gewünscht wird, vor Experten oder Zuhörern einen Vortrag über die Tierkörperverwertung zu halten, kann Ihnen bestätigen: Bereits bisher wurde jedes im Tiermehl nicht mehr erwünschte Risikomaterial wie Heimtiere, Rückenmark, Schädel oder Ileum der Verbrennung zugeführt.

Alles andere, was zu Tiermehl verarbeitet wurde, waren Schlachtabfälle von gesunden Tieren. Es handelt sich dabei um in Österreich unbedenkliche Ware – ich verweise darauf, dass wir, wie schon Frau Kollegin Höllerer gesagt hat, nach wie vor und Gott sei Dank keinen einzigen positiven BSE-Test haben. (Bundesrätin Fuchs: Grasfresser verfüttert man ihren Artgenossen!)

Es ist also wirklich eine Unterstellung, zu behaupten, diese Biomasse sei gefährlich. Man versucht, das Tiermehl zu skandalisieren. Diese Biomasse kommt aus dem Naturkreislauf und sollte in den Naturkreislauf zurückgeführt werden. (Bundesrätin Fuchs: Bei Grassfressern!?)

Wir müssen bedenken, Frau Kollegin – das war der Grund, warum ich an das Rednerpult gegangen bin –: Heute findet in Oberösterreich, im Hafen von Enns, durch Greenpeace eine Blockade gegen die Entladung eines Schiffes mit Gensoja statt. Das sind die Folgen, wenn wir unsere Biomasse, die im Kreislauf vorhanden ist, nicht mehr einsetzen, denn dann brauchen wir natürlich in der tierischen Produktion ein Ersatz-Eiweiß. Ich habe mich an dieser Stelle bereits dafür angesprochen, dass wir dieses Ersatz-Eiweiß aus der heimischen Produktion, sprich Grünland, sprich Rotklee, Kleegras und den Bracheflächen beziehen. (Bundesrätin Fuchs: Kleintierhaltung wäre auch eine ...!) Aber im Moment ist es so, dass wir einen erhöhten Importbedarf an Soja haben – und das sind dann die Konsequenzen daraus.

Wir müssen immer berücksichtigen, welche Konsequenzen unsere Forderungen nach sich ziehen! (Bundesrätin Fuchs: Es gibt auch andere Möglichkeiten!)

Frau Kollegin! Ich möchte es zurückweisen, dass Sie bei diesem Gesetz von Flickwerk sprechen. Ich denke, es ist in dieser Notsituation eine kurzfristige Maßnahme. (Bundesrätin Fuchs: Drei Novellen innerhalb eines Jahres!) Ich wage es in Frage zu stellen, ob es eine sinnvolle Maßnahme ist, aber sicherlich ist es kein Flickwerk. Ich glaube, es war die schnellstmögliche Reaktion auf die aktuellen Vorgänge, und hoffe, dass dieses Gesetz so wie alle anderen zu einer weiteren Beruhigung führen wird. (Bundesrätin Fuchs: In Deutschland waren sie ein halbes Jahr vor uns dran!)

Frau Kollegin! Wenn Sie Deutschland ansprechen, dann verweise ich auch Sie auf eine interessante Entwicklung in Deutschland. Frau Künast hat jahrzehntelang beziehungsweise zehn Jahre lang – damit ich sie nicht älter mache – die Bauern mit Massentierhaltung beschimpft und gemeint, das gehöre endlich abgestellt.


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Ich weiß es nicht, fragen Sie Frau Künast selbst, wie es ihr jetzt geht, wenn sie ihre Ostbetriebe gegen die Vorschläge von Kommissar Fischler, die ich für sehr sinnvoll halte, nämlich die Viehhaltung europaweit an die 1,8-GVE-Beschränkung pro Hektar anzugleichen, verteidigen muss! Dann können Sie sich selbst ein Bild davon machen, wie schwierig es ist, seine Forderungen später auch in die Praxis umzusetzen. (Bundesrätin Fuchs: ... haben wir uns alle schon ein Bild gemacht!)

Wir werden jedenfalls dem vorliegenden Gesetz zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.43

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile Herrn Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer das Wort. – Bitte.

11.43

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit dazu benützen, Sie zu informieren, dass in Österreich in der Zwischenzeit über 36 000 Tests durchgeführt worden sind und wir nach wie vor sagen können, es gibt keinen Fall von BSE in Österreich!

Meine Damen und Herren! Andere Länder wären froh über diese Situation. Ich habe nicht den Eindruck, dass in Österreich allen bewusst ist, welche Leistung das eigentlich ist (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen), die nicht aus dem Zufall heraus resultiert, sondern daher, dass wir in Österreich immer frühzeitig und konsequent gehandelt haben.

Ich ersuche Sie um Folgendes, meine Damen und Herren: In anderen Ländern gibt es in bestimmten Fragestellungen einen politischen Grundkonsens, der lautet: Tun wir doch alles dafür, dass wir diese Situation so halten! – Manchmal habe ich in der österreichischen Diskussion den Eindruck, es wäre doch der eine oder andere froh, wenn wir auch einen Fall hätten (Ruf bei der ÖVP: Genau!) , damit endlich das Vorurteil bestätigt ist! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Fuchs: Das ist eine ordentliche Unterstellung!) In anderen Ländern gibt es einen Grundkonsens, wenn es um die Sicherheit der Konsumenten geht. (Rufe bei der SPÖ: Herr Minister, das ist eine Unterstellung!)  – Also ich weiß nicht, ich habe niemanden angesprochen! (Anhaltende Rufe bei der SPÖ und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen. – Anhaltende Zwischenrufe. – Rufe bei der SPÖ: Unterstellung! Entschuldigen Sie sich!)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Am Wort ist der Herr Bundesminister.

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Fühlt sich denn etwa in diesem Raum jemand angesprochen? (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrätin Fuchs: Wen haben Sie gemeint?)

Ich habe den Eindruck gehabt, dass in dieser Frage doch ein Grundkonsens herrscht. (Bundesrätin Fuchs: Na hoffentlich!) Ich verstehe die Aufregung nicht. (Bundesrätin Fuchs: Warum sagen Sie das dann?)  – Vielleicht sollten Sie sich einmal die Frage stellen, warum Sie sich aufregen? (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Nun zur Frage der Verbrennung, meine Damen und Herren: Es hat in diesem Hohen Haus einen Grundkonsens darüber gegeben, dass wir alle das Verbot, das vollständige Tiermehlverfütterungsverbot wollen  – alle! (Rufe bei der SPÖ: Ja! Ja!)

Dieses Hohe Haus hat mich beauftragt, erstens, das in Brüssel durchzusetzen und zweitens, wenn das nicht geht, einen österreichischen Alleingang zu machen. (Bundesrat Marizzi: Das wissen wir auch! Das ist nichts Neues!)  – Gut.


Bundesrat
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673. Sitzung / Seite 48

Herr Bundesrat Marizzi! Ich habe aber bereits damals gesagt, dass das natürlich Konsequenzen haben wird müssen. Ich gehe davon aus, dass es einen Grundkonsens gibt, das Problem in Österreich zu lösen, und nicht quer durch Europa herumzutransportieren. Ich gehe weiters davon aus, dass es einen Grundkonsens dahin gehend gibt, jene Lösung zu suchen, die nach dem Stand des Wissens und der Technik die geringsten Risiken bis keine Risiken hat, und das ist die Verbrennung. Darüber sind sich alle klar. (Bundesrätin Fuchs: Ja, wir auch!)

Sie wollen doch nicht von mir haben, dass wir jetzt plötzlich mit dem Vergraben beginnen. (Bundesrätin Fuchs: Nein, nein!)  – Gut! (Bundesrätin Fuchs: Das habe ich ja auch so gesagt!) Wenn Sie das nicht wollen (Bundesrätin Fuchs: Nur nicht mit Probeverordnung, sondern mit einer ordentlichen Verordnung), heißt das logischerweise, dass wir die rechtlichen Voraussetzungen schaffen müssen, um die Verbrennung nach dem bestmöglichen Qualitätsstandard zu sichern. (Bundesrätin Fuchs: Ja!)  – Gut, dafür haben wir Gesetze. (Bundesrätin Fuchs: Probeverordnungen!)

Das sind erstens das Abfallwirtschaftsgesetz, das mit Ihren Stimmen beschlossen wurde und mit Ihren Stimmen auch das Instrument des Probebetriebes kennt (Bundesrätin Fuchs: 6 Jahre?), und als zweite rechtliche Grundlage die Verbrennungsverordnung, die den Stand der Technik normiert.

Wir haben daher genau das, was uns die Gesetze vorschreiben, getan, nämlich einen Probebetrieb, der ein Genehmigungsverfahren kennt, meine Damen und Herren – der ein Genehmigungsverfahren kennt! –, vorgesehen. (Bundesrätin Fuchs: Probegenehmigung!) Warum? – Weil wir der Meinung waren, dass es jetzt nicht möglich ist, eine endgültige Entscheidung zu treffen. Warum? – Weil wir bisher dieses Tiermehl nicht verbrannt haben und daher auch eine gewisse Erfahrung sammeln wollen, daher soll ein Probebetrieb gemacht werden. (Bundesrätin Fuchs: Sechs Jahre?!)  – Sie hätten mich sehr heftig kritisiert, wenn wir jetzt bereits eine endgültige Genehmigung gemacht hätten. Davon gehe ich aus, dass Sie das kritisiert hätten, daher gibt es den Probebetrieb.

Jetzt zu Ihren Argumenten, Frau Bundesrätin, die wir auch im Ausschuss intensiv diskutiert haben. Die SPÖ hat dort erstens gesagt: Jawohl, ja zur Verbrennung! und zweitens: Jawohl, ja zum Probebetrieb! – Das war die Haltung der SPÖ.

Dann hat es einen Änderungswunsch gegeben, der sich auf die Frage bezog, wie diese Luftreinhalteverordnung und Emissionswerte zu bewerten sind. Mein Argument war, dass wir das nicht tun können. Warum? – Weil sich erstens dieser Grenzwert in § 18 auf Hausmüllverbrennungsanlagen bezieht und nicht auf Kohlekraftwerke (Bundesrätin Fuchs: Kann man aber adaptieren!), und zweitens, weil wir an der Umsetzung der Richtlinien über die Verbrennung von Abfällen arbeiten – und zwar mit Hochdruck arbeiten! – und eine Entscheidung, die von der SPÖ gewollt wurde, diese Umsetzung in Frage gestellt hätte.

Das war der Grund, warum die Regierungsfraktionen das abgelehnt haben, damit wir eben mit Hochdruck an dieser Richtlinie für die Verbrennung von Abfällen weiterarbeiten können. Das ist die Realität.

Daher sage ich Ihnen: Wir haben einen hochverantwortlichen Weg gewählt, der die einzig mögliche Alternative im Sinne des Verbraucherschutzes, im Sinne der Qualität darstellt.

Ich möchte nur einen Satz noch sagen, weil das leider untergegangen ist: Diese Novelle enthält noch einen zweiten Punkt, nämlich die ALSAG-Beitragsfreiheit für die Ausweisung von Verdachtsflächen, um letztendlich eine höhere Transparenz zu erreichen und eine allfällige Hürde für den Eintrag in den Altlastenatlas zu beseitigen.

So gesehen, Frau Bundesrätin, kann man sagen: Novellen haben es in sich, dass sie dann gemacht werden müssen, wenn sie notwendig sind. Und jetzt war es notwendig, diese Novelle vorzulegen. (Bundesrätin Fuchs: Aber ein bisschen früher wäre es schon möglich gewesen!) Ich meine, dass wir sehr rasch gehandelt haben, weil wir umgehend und sofort Sicherheit für die


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österreichischen Konsumenten gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.50

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Nein. Danke.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991, das Volkszählungsgesetz 1980 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (424 und 501/NR  sowie 6321/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 4. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991, das Volkszählungsgesetz 1980 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Michael Strugl übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Mag. Michael Strugl: Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Meldegesetz 1991, das Volkszählungsgesetz 1980 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden, liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Herbert Würschl das Wort. – Bitte.

11.52

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Novellierung des Meldegesetzes und des Volkszählungsgesetzes sowie bei der Novellierung des Sozialversicherungsgesetzes wurde eine große Chance vertan, weil damit nämlich die Möglichkeit bestanden hätte, ein modernes Gesetzeswerk zu schaffen. Das ist damit nicht gelungen – ich verweise nur darauf, welche Unklarheiten es konkret etwa im Bereich der Wohnsitzfrage gibt, jeder von uns weiß das.

Es ist auch eine Tatsache, dass wir heute in der Arbeitswelt, in der Gesellschaft insgesamt, immer wieder den flexiblen, den mobilen Menschen fordern. Das ist auch eine richtige Forderung! Man muss sich dazu bekennen: Die Gesellschaft ist im Wandel begriffen. Trotzdem hat man sich nicht bemüht, diesbezügliche Adaptierungen im Gesetzesbereich durchzuführen.


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Wir Sozialdemokraten begrüßen selbstverständlich, wenn in der Berichterstattung "die Reduktion des Verwaltungsaufwandes" angeführt wird. – Ja, selbstverständlich! Wir sind auch dafür, dass Doppelgleisigkeiten – Verweis: Magistrat-, Polizeiagenden und so weiter – beseitigt werden. Wir sind aber auch dafür, dass der Bürger, dass die Menschen vom Staat, von der Behörde nicht permanent "sekkiert" werden.

Ich darf hiefür ein kleines Beispiel anführen, das ich vor kurzem selbst erleben musste: Wenn Sie nämlich vergessen, einen Meldezettel der Gemeinde in die Bezirkshauptmannschaft, die durchaus kilometerweit entfernt sein kann, mitzubringen, werden Sie nach Hause geschickt, um den Meldezettel von der Gemeinde zu holen und diesen der Bezirkshauptmannschaft zu bringen. Dann erst bequemen sich die Beamten – das ist kein Vorwurf an die Beamten – und bearbeiten das. Es ist also dort notwendig, diesen Meldezettel mitzubringen, um überhaupt einen Pass-Antrag stellen zu können. – Also ich weiß nicht, auf welche Ideen man eigentlich noch kommen kann, um die Bürger zu schikanieren. (Ruf bei der SPÖ: Ein Wahnsinn! – Ruf bei der ÖVP: Das haben Sie ja selbst so gemacht! – Bundesrätin Haunschmid: Die eigenen Fehler einzugestehen ...!)  – Ja, es bestand die große Möglichkeit, das zu novellieren. (Bundesrat Dr. Böhm: Das haben Sie zu vertreten!) Ich frage mich: Schlafen Sie in der Regierung? Schlafen Sie in der Regierung? (Weitere Rufe bei der SPÖ und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich mir etwa das Zentrale Melderegister anschaue oder zu analysieren versuche, dann muss ich sagen, dass da die große Gefahr besteht, dass der Mensch durchleuchtet wird, dass Datenmissbrauch gepflogen wird – das ist den Menschen, den Bürgern nicht zumutbar. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)  – Es ist mir schon klar, dass hier die Aufregung bei den Freiheitlichen relativ groß ist, denn da gibt es eine Hochsaison für die Spitzelpartei Österreichs unter Federführung des Herrn Haider, des Herrn Kreißl und des Herrn Kabas.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es wäre, so glaube ich, unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Menschen vor Datenmissbrauch geschützt sind, zu versuchen, Datenmissbrauch zu verhindern – aber daran dürften Sie kein besonderes Interesse haben, wenn ich mir die freiheitliche Riege vor mir so anschaue.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde Sie bitten: Nehmen Sie den Schutz des Menschen ernst, tragen Sie dazu bei, dass Datenmissbrauch in Zukunft nicht möglich ist!

Ein weiterer Bereich, der mich persönlich sehr stört, ist: Mit welchem Recht fragt der Staat, fragen Beamte nach dem Religionsbekenntnis? Erklären Sie mir die Notwendigkeit, warum der Österreicher gefragt wird, welcher Religion er angehört. Sagen Sie mir die Notwendigkeit dafür! (Bundesrat Bieringer: Von mir kann jeder wissen, dass ich römisch-katholisch bin! Warum soll ich das verschweigen?)

Ich bin der Meinung, dass es eine klare Trennung zwischen der Kirche, den Religionsgemeinschaften einerseits und dem Staat andererseits geben muss. Der Staat darf nicht der verlängerte Arm der Kirche sein! (Bundesrat Weilharter: ... Stingl in Graz!) Ich bitte Sie, für mehr Sauberkeit in der Verwaltung zu sorgen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Germana Fösleitner das Wort. – Bitte.

11.57

Bundesrätin Germana Fösleitner (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Nach den geschilderten Horrorszenarien meines Vorredners Kollegen Würschl möchte ich doch wieder zum Ernst dieser Novelle zurückkehren. (Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schicker. )

Innenminister Dr. Ernst Strasser ist es gelungen, mit dieser Novelle zwei enorm wichtige Materien einer Umsetzung zuzuführen und diese zu realisieren, nämlich die Schaffung des Zent


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ralen Melderegisters und die Meldemöglichkeit für Obdachlose, die bisher eigentlich im gesetzlosen Raum gestanden sind. Seit vielen Jahren – da werden Sie mir Recht geben – werden diese Themen diskutiert und jetzt endlich einer, wie wir meinen, brauchbaren Lösung zugeführt.

Durch die vorliegende Novelle sollen zwei Vorhaben verbunden werden: die Modernisierung der Meldeverwaltung und parallel dazu die Durchführung der von der Bundesverfassung vorgesehenen Volkszählung. Dadurch werden der Datenbestand angeglichen und in Zukunft Registerzählungen möglich gemacht. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Die Novelle schafft die Grundlage für das Zentrale Melderegister, in dem alle Menschen, die sich in Österreich aufhalten – also auch Obdachlose –, in einer Datenbank erfasst werden. Die Einrichtung des Zentralen Melderegisters, das als Informationsverbundsystem geführt wird, ist seit vielen Jahren überfällig – bereits 1991 wurde dieses in der Meldegesetznovelle vorgesehen.

Damit verbunden ist eine enorme Verwaltungsvereinfachung im Meldewesen, die von meinem Vorredner schon angesprochen wurde. Etwa 250 Planstellen werden frei, die dort, meine sehr geehrten Damen und Herren, eingesetzt werden können, wo sie den Menschen in unserem Lande gute Dienste leisten können, zum Beispiel im Bereich der Sicherheit.

Auch das Einsparungspotenzial in der Höhe von etwa 166 Millionen Schilling kann man nicht vernachlässigen. Außerdem wird mit dieser Einrichtung eine Erleichterung für alle zukünftigen Volkszählungen geschaffen und eine Bereinigung von mehreren Hauptwohnsitzen erreicht.

Ein weiterer positiver Effekt ist die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten, die bereits kurz angesprochen wurden, durch Übertragung der melderechtlichen Kompetenzen auf die Bürgermeister. Bisher waren nämlich die Magistrate für das Meldewesen und die Bundespolizeidirektionen für die Meldungen zuständig. Nunmehr ist die alleinige Kompetenz beim jeweiligen Bürgermeister angesiedelt. (Bundesrätin Schicker: Da wird er eine Freude haben!)

Durch die Unterstützung und Mitarbeit des Datenschutzbeirates wurde auch dem Datenschutzrechtsgedanken voll zum Durchbruch verholfen. Herr Kollege Würschl! Ich möchte Ihnen das deswegen sagen, weil Sie große Sorge hatten, dass die Bedeutung des Datenschutzes nicht entsprechend gewürdigt wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Novelle bringt mehr Rechtssicherheit, mehr Transparenz, mehr Klarheit für Bürger und Behörden. (Bundesrat Gasteiger: Wo denn?) Herzlichen Dank der "Statistik Österreich und allen, die bei dieser wichtigen Materie wertvolle Arbeit geleistet haben, insbesondere unserem Bundesminister Dr. Ernst Strasser für seinen enormen Einsatz für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

Die ÖVP wird dieser Novelle ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.03

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Aspöck. – Bitte.

12.03

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Verehrter Kollege Würschl! Einiges ist deinen Ausführungen aus meiner Sicht schon entgegenzuhalten. Du hast gemeint, dass die Definition des Hauptwohnsitzes nicht gelungen sei.

Erstens: Die Kriterien dieser Definition – ich komme später noch darauf – fanden sich unter den früheren sozialdemokratischen Innenministern auf sämtlichen Meldezetteln, und zwar auf der Rückseite.


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Zum Zweiten weißt du genau, und es ist einleuchtend ... (Bundesrat Marizzi: 1952!) Auf viel früheren Meldezetteln, als es den Hauptwohnsitz noch gab, lieber Herr Kollege! (Bundesrat Marizzi: 1953!) Nein, nein, um einiges später!

Zum Zweiten handelt es sich um ein Wortspiel, denn eine 100-prozentige Definition ist aus juristischer Sicht einfach nicht möglich. Es gibt nur Annäherungswerte.

Das wäre noch das Geringere, aber du hast auch das Beispiel mit dem Meldezettel gebracht. Wunderbar! Genauso war es jahrzehntelang unter sozialistischen, unter sozialdemokratischen Innenministern. Keinen hat das gestört.

Als Nächstes, Kollege Würschl, hast du die FPÖ als die Partei des Datenmissbrauches bezeichnet. (Bundesrat Gasteiger: Ja und?) Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Haben Sie denn bei aller bösartigen Presse gegen die FPÖ noch nicht mitbekommen, dass ein Verfahren nach dem anderen nach den Grundsätzen österreichischer Rechtsstaatlichkeit eingestellt wird – reihenweise bis jetzt?! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mag. Trunk: Nein, nein, nein! Verjährt – und nicht abgeschlossen! – Bundesrätin Schicker: Nur deshalb, weil sie verjährt sind!)

Meine Damen und Herren! Selbstverständlich vergeht natürlich einige Zeit, bis man alle Dreckpatzen beseitigt, mit denen herumgeschleudert wurde, und darauf setzen Sie von der Sozialdemokratie. Aber Sie wissen genau, dass ein großer Teil dieser Verfahren bereits eingestellt wurde. (Bundesrätin Schicker: Ein großer Teil? – Zuerst haben Sie gesagt, alle! Sie nehmen schon teilweise zurück!)

Das nächste Beispiel, Herr Kollege Würschl: Sie haben vom Religionsbekenntnis gesprochen und negieren völlig, dass es nun einmal auch internationale Verträge, und zwar ein Konkordat, gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mag. Trunk: Wieso ist denn der Kabas nicht mehr Spitzenkandidat in Wien? – Bundesrat Weilharter: Frau Kollegin! Haben Sie mit der Kirche Probleme? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und Gegenrufe bei den Freiheitlichen.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich bitte zu berücksichtigen, dass Herr Kollege Aspöck am Wort ist! – Bitte, Herr Kollege.

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (fortsetzend): Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn immer nur einer einen Zwischenruf macht, dann kann ich auch auf den unrichtigen Zwischenruf eingehen. Drei Zwischenrufe gleichzeitig verstehe ich leider nicht. Ich bin nicht Napoleon. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Würschl! Zum Religionsbekenntnis: Sie wissen genau, dass internationale Verträge einzuhalten sind. Sie wissen genau, dass es ein Konkordat gibt, das uns solches auferlegt. Sie wissen aber auch ganz genau (Bundesrat Gasteiger: Was hat das mit dem Religionsbekenntnis zu tun?), dass das Nicht-Ausfüllen des Religionsbekenntnisses in diesem Entwurf mit keinerlei Strafe belegt ist. (Bundesrätin Mag. Trunk: Na Gott sei Dank!) Es ist also völlig egal, und es bleibt in der freien Entscheidung eines jeden meldepflichtigen Bürgers, die Rubrik "Religionsbekenntnis" auszufüllen oder nicht.

Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt zur Sache selbst kommen. Es fällt schon auf, wenn man diese Regierungsvorlage anschaut: Da wird ein Meldegesetz aus 1991, zu dem es gerade einmal im Jahr 1995 eine Mini-Novelle gegeben hat, novelliert, ein Volkszählungsgesetz gar aus 1980! Schaut man sich diese Jahreszahlen an, meine Damen und Herren, dann fragt man sich doch, warum diese vielen guten, fantastischen sozialdemokratischen Innenminister nicht schon längst viel bessere Novellen vorgelegt haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Gasteiger: Weil wir die Daten der Bürger schätzen, Herr Kollege! So schaut es aus!)  – Das hat damit nicht zu tun.

Meine Damen und Herren! Hört und weiß man dann auch noch, dass um diese längst überfällige Novellierung schon seit Jahren herumgeredet wurde, dann gibt es für mich daraus nur einen einzigen Schluss: In der Koalition alter Prägung gab es viel Gerede mit null Ergebnis. In


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der nunmehrigen Koalition gibt es sachliche Diskussionen und positive, blendende Ergebnisse. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Die künstlich beschworene, plötzliche Angst vor dem "gläsernen Menschen", meine Damen und Herren – das jetzt ganz besonders als Antwort an Kollegen Würschl –, nehme ich einer Partei, die ihre Genossen dazu auffordert, die Gesinnung der Nachbarn zu erforschen und dann dem Parteisekretär mitzuteilen, nicht ab! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrätin Mag. Trunk: Eine gute Partei! Im Glashaus sitzen und vom "gläsernen Menschen" sprechen! – Weitere Zwischenrufe.)

Dass das unwiderlegbare Gegenargument der in Österreich äußerst strengen datenschutzrechtlichen Bestimmungen für extreme Linke natürlich nicht ausreicht, zeigen auch die Debattenbeiträge der Grünen im Nationalrat. Das ist klar. Solche Menschen wollen nämlich keinen Datenschutz, sondern sie wollen einen Täterschutz für die Demonstrierer und Randalierer. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Das hat aber mit Datenschutz nichts mehr zu tun. (Bundesrätin Mag. Trunk: Also die, die demonstrieren, sind für Sie grundsätzlich Täter! Das ist ein Skandal!) – Nein, Frau Kollegin! Wie so oft versuchen Sie, mich bewusst misszuverstehen. Ich habe gesagt ... (Bundesrätin Mag. Trunk: Wer ist die "extreme Linke", von der Sie gesprochen haben? Definieren Sie!)

Ich meine zum Beispiel die Demonstrierer, die bereits Millionenschäden in dieser Republik verursacht haben. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrätin Schicker: Sie haben das Thema verfehlt, Herr Kollege! – Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist ein Ordnungsruf!) – Meine Damen und Herren! Frau Kollegin! Ich habe mich schon überzeugt: Es ist kein Ordnungsruf. Ich muss Sie enttäuschen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist eine Ungeheuerlichkeit!)

Zurück zum Thema: Mit der vorliegenden Novelle, meine Damen und Herren, ist sichergestellt, ... (Bundesrätin Mag. Trunk: Die Bauern sind alle extreme Linke! Na bravo!) Das sagen Sie, das habe jetzt nicht ich gesagt! (Bundesrätin Mag. Trunk: O ja, das sind Demonstrierer!)

Frau Kollegin! Ich sehe da Unterschiede. (Bundesrätin Mag. Trunk: Aha!) Die Bauerndemonstrationen waren selten mit dem Einschlagen von Fensterscheiben und dergleichen verbunden, und verletzte Polizisten wie bei Opernball-Demonstrationen gibt es auch nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Mit der vorliegenden Novelle ist sichergestellt, dass es Volkszählungen – ich möchte es fast so sagen – dieser archaisch-biblischen Art, wie sie bisher unter sozialdemokratischen Innenministern gehandhabt wurde, in Zukunft nicht mehr geben wird. Der einzige Unterschied zum Jahre Null der Menschheitsgeschichte ist eigentlich nur, dass die Menschen sich damals beim Zähler anstellen mussten, und heute kommt dieser Zähler freundlicherweise im Haus vorbei. Das ist aber auch der einzige Unterschied.

Mit der nunmehrigen Novelle, meine Damen und Herren, ist sichergestellt, dass solcher Unsinn, so möchte ich sagen, in Hinkunft unter Anwendung modernster Technik nicht mehr notwendig sein wird. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

Viel wesentlicher erscheint mir aber auch noch die Anpassung der Meldeverwaltung an die Techniken und Möglichkeiten unserer Zeit. Allerdings auch hier wieder die Bemerkung: Aus Sicht der Technik hätte es die Möglichkeit, so etwas zu modernisieren, vor zehn oder fünfzehn Jahren sicherlich auch schon gegeben.

Das sind völlig unsinnige Doppelgleisigkeiten – in diesem Punkt bin ich mit Herrn Kollegen Würschl einig. Allerdings wundert mich, dass es nicht schon früher abgeschafft wurde. Vor allem die Doppelgleisigkeit mit den Polizeidirektionen wird nun endlich abgeschafft.

Mit der Einführung des längst fälligen, ja überfälligen zentralen Melderegisters wird ein weiterer Meilenstern (Bundesrätin Mag. Trunk: Ja, Meilenstern !) in der Modernisierung der österreichischen Verwaltung gesetzt. (Bundesrat Mag. Hoscher: Morgenstern!)


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Gegen all diese Fortschritte, meine Damen und Herren, kann man nicht wirklich etwas ins Treffen führen, es sei denn, man führt ins Treffen: Ich bin nun einmal Fundamental-Opposition! – Und das ist der wahre Hintergrund, weil es einfach keine sachlichen Gründe gegen diese Novelle gibt.

Mit der Möglichkeit der Datenverarbeitung im zentralen Melderegister werden nicht nur künftige Volkszählungen wesentlich weniger aufwendig und, meine Damen und Herren – wieder ein Versäumnis der Vergangenheit, man hätte es längst haben können! –, um Hunderte Millionen Schilling billiger, sondern es wird auch die Arbeit derer, die mit diesen Daten arbeiten müssen, einfach auf jenen Stand gebracht, der unserer heutigen Technik entspricht.

Man kann es, Kollege Würschl, vielleicht als kleinen Wermutstropfen sehen: die Rückkehr zum Hauptwohnsitz. Es gibt juristische Bedenken, das gebe ich zu. Zum Begriff habe ich bereits dargelegt, dass aus juristischer Sicht eine 100-prozentige Definition einfach nicht möglich sein kann und nur Annäherungswerte erzielt werden können.

Alles in allem glaube ich, dass es sich um einen fortschrittlichen und modernen und für unsere Republik auch in Hinkunft in hohem Maße Kosten sparenden Entwurf handelt. Wir Freiheitlichen werden diesem daher zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP.)

12.16

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Schicker. – Bitte.

12.16

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht auf meinen Vorredner eingehen, denn er hat er außer in den letzten paar Sätzen großteils das Thema verfehlt. Aber es ist bei den Freiheitlichen an und für sich üblich, dass sie auf Grund von Zwischenrufen vom Thema abkommen und auf andere Sachen eingehen. (Bundesrat Weilharter: Sind Sie schon beim Thema?) – Nein, lieber Freund!

Meine Damen und Herren! Mein Kollege Würschl hat in seinen Ausführungen bereits klargestellt, warum wir Sozialdemokraten dieser Regierungsvorlage nicht unsere Zustimmung geben können. Ich möchte aber in meinem Beitrag noch auf die Hauptwohnsitzfrage in Bezug auf Studenten eingehen, weil diese Frage auch im Ausschuss nicht ausreichend geklärt werden konnte.

Ich habe bereits im Jahr 1994 anlässlich der Novellierung des Hauptwohnsitzgesetzes auf die Unklarheiten bezüglich der Zuordnung von Studenten hingewiesen. Viele Gemeinden – Herr Bürgermeister (gemeint ist Bundesrat Ing. Gruber ), passen Sie auf, es wird auch in Ihrer Gemeinde vorgekommen sein – haben bei der letzten Volkszählung im Jahr 1991 insofern eine böse Überraschung erlebt (Bundesrat Bieringer: Muss ich aufpassen?)  – es sitzt hinter Ihnen auch noch ein Bürgermeister, Herr Kollege Bieringer! –, als ihnen nämlich die Auswärtsstudierenden als Gemeindebürger aberkannt wurden, weil sie von den Universitätsstädten, in denen sie natürlich auf Grund der Entfernung von ihrem Heimatort wohnten, für sich reklamiert wurden.

Ich weiß auch aus meiner eigenen Gemeinde, wie schmerzlich es sein kann, wenn man auf Grund einer Volkszählung wegen 17 Personen unter einen bestimmten Bevölkerungsschlüssel kommt. Diese Minderzahl hat sich nur auf diese Studenten bezogen, die uns durch Reklamation abhanden gekommen sind. Die Auswirkungen waren damals nicht nur finanzieller Natur, sondern wir mussten auch nach 50 Jahren die Anzahl der Gemeinderäte erheblich reduzieren, weil wir eben in Aberkennung dieser zitierten 17 Studenten unter die Marke von 3 000 gefallen sind.

Es kommt daher nicht von ungefähr, dass gerade Studenten vor dieser demnächst stattfindenden Volkszählung in Bezug auf die Wohnsitz-Frage stärkstens umworben werden. Ich traue mich sogar die Formulierung zu verwenden: Es wird um sie "gekeilt" – mit Prämien und so weiter. (Bundesrat Gasteiger: Innsbruck!)  – Auch andere Universitätsstädte machen das. Das


Bundesrat
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hat nichts mit einer Fraktion zu tun. Ich spreche als Bürgerin einer Gemeinde, der die Studenten sozusagen abhanden kommen. (Bundesrat Dr. Böhm: Welche Infrastruktur benützen diese Studenten?) – Sie sind am Wochenende zu Hause und von Montag bis Freitag in der Universitätsstadt. So ist es. Sie sind vielleicht ein Jahr dort, und die kommenden neun Jahre müssen wir darunter leiden, weil sie uns aberkannt worden sind.

Auf diesbezügliche Klarstellungen konnte uns auch im Ausschuss leider keine ausreichende Auskunft gegeben werden, und auch – das werden mir die Kollegen auch der anderen Fraktionen bestätigen – auf Nachfrage konnte das nicht geklärt werden. – Sie nicken auch. Danke.

Ich würde daher meinen, Herr Bundesminister – ich darf Sie ersuchen, das auch weiterzugeben; die Beamten sitzen hier –, dass endlich Klarheit für alle Beteiligten geschaffen werden muss, damit die Gemeinden in Zukunft mit einer korrekten Zuordnung rechnen können. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizepräsident Weiss. – Bitte.

12.20

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Spätestens seit Konrad Adenauer wissen wir, dass man über Nacht klüger werden kann. Die Lebenserfahrung sagt, dass sich das auch einmal in die gegenteilige Richtung entwickeln kann. Ich weiß jetzt nicht, wie ich einordnen soll, dass Kollege Würschl hinsichtlich der Angabe des Religionsbekenntnisses auf dem Meldezettel eine Regelung kritisiert, die über Vorschlag des damaligen sozialdemokratischen Innenministers 1991 neuerlich bekräftigt und beschlossen worden ist. Sie war nicht neu, und sie ist insbesondere heute bei dieser Meldegesetznovelle nicht neu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Herr Kollege Würschl hat auch Klage darüber geführt, dass für verschiedene behördliche Vorsprachen der Meldezettel beizubringen ist. Wir wünschen uns alle, dass das in einer bürgerfreundlichen Art und Weise verbessert wird. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist aber, dass die Meldedaten für alle Behörden vernetzt zugänglich sind. Wenn Sie Ihr eigenes Anliegen und die hier vorgebrachte Kritik an den Behörden Ernst nehmen, dann müssen Sie dem vorliegenden Gesetzesbeschluss besonders freudig zustimmen.

Die Änderung des Meldegesetzes ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie sehr dem Innenministerium ein neuer, frischer Wind gut getan hat. (Beifall bei der ÖVP.) Ich greife nur zwei Punkte meiner eigenen politischen Arbeit heraus, die ich früher teilweise mehrfach zum Gegenstand parlamentarischer Anfragen gemacht hatte.

Da ist zunächst die Möglichkeit, dass auch obdachlose Mitbürgerinnen und Mitbürger im Sinne des Meldegesetzes einen Wohnsitz bekommen können. Im Herbst 1984 wurde ich von verschiedenen Sozialeinrichtungen erstmals auf dieses Problem aufmerksam gemacht. Anlass war, dass verschiedene Obdachlose damals nicht in die Wählerevidenz der Nationalratswahl eingetragen werden konnten. Nach der bisherigen Rechtslage ist Voraussetzung für eine so genannte polizeiliche Anmeldung, über eine Unterkunft zu verfügen – etwas, was Obdachlosen der Natur der Sache nach nicht möglich ist. Mit einer fehlenden Meldeadresse und der Unmöglichkeit, bei Behörden einen Meldezettel vorlegen zu können, sind bekanntlich gravierende Nachteile verbunden – von der Ausstellung von Personaldokumenten über die Antragstellung für Sozialleistungen bis hin zur Eintragung in eine Wählerevidenz.

Wenngleich sich viele Behörden über Vermittlung von Sozialeinrichtungen und auch über das Ministerium selbst durchaus verständnisvoll gezeigt hatten, etwa in der Frage des Wahlrechtes, war dieses Agieren im rechtsfreien Raum unbefriedigend und unwürdig. Bundesminister Dr. Ernst Strasser hat nach mehrfachen früheren Vertröstungen seiner Vorgänger dieses Anliegen rasch aufgegriffen und mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluss einer Lösung zugeführt, die allgemeine Anerkennung finden kann.


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Wenn ein Obdachloser glaubhaft machen kann, dass er seit mindestens einem Monat den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einer bestimmten Gemeinde hat, und dort eine Stelle bezeichnen kann, die er regelmäßig aufsucht, kann ihm die Meldebehörde eine Hauptwohnsitzbestätigung ausstellen. Weiters gilt diese Kontaktstelle als Zustelladresse für behördliche Schriftstücke, womit auch die Kontaktaufnahme für die Behörden selbst erleichtert wird.

Diese Regelung ist also auch im Interesse der Verwaltung gelegen. Ich bedanke mich nach sechsjährigen Bemühungen für diese Lösung und auch dafür, dass auf einige im Begutachtungsverfahren vorgebrachte und auf eine praxisgerechte Handhabung zielende Anregungen von Sozialeinrichtungen befriedigend eingegangen wurde.

Das geschilderte Problem hat übrigens bereits zur vorigen Jahrhundertwende Christian Morgenstern in seinem Gedicht "Die Behörde" beschäftigt – ich zitiere auszugsweise –:

"Korf erwidert darauf kurz und rund: Einer hohen Direktion stellt sich, laut persönlichem Befund untig angefertigte Person als nichtexistent im Eigen-Sinn bürgerlicher Konvention vor". Am Schluss des Gedichtes ist zu lesen: "Staunend liest’s der anbetroffne Chef." (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bereits mit der Meldegesetznovelle 1985 – Frau Kollegin Fösleitner hat schon darauf hingewiesen – wurde unter anderem die Absicht verfolgt, den stufenweisen Aufbau einer zentralen Meldedatei beim Bundesministerium für Inneres zu ermöglichen. In den Erläuterungen der Regierungsvorlage für die dann 1991, sechs Jahre später, vorgenommene Neufassung des Meldegesetzes wurde darauf hingewiesen, dass es seit dem In-Kraft-Treten dieser Bestimmung nicht gelungen sei, das zentrale Melderegister einzurichten. Dies wurde damals so begründet – ich zitiere –:

Die Ursache hierfür ist vermutlich darin zu sehen, dass der Umgang mit automationsunterstützter Datenverarbeitung bei den als Meldebehörden fungierenden Gemeinden in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrzehntes noch vielfach auf Schwierigkeiten gestoßen ist, sodass die ersten Versuche einer Umsetzung auf Widerstände stießen, die alsbald Entmutigung beim damaligen Innenminister eintreten ließen. Damit ergibt sich heute, mehr als vier Jahre nach Inkrafttreten der Gesetzesbestimmung, die Tatsache, dass ein zentrales Melderegister nicht besteht. – So die Bilanz des Innenministers 1991.

In den Erläuterungen der Regierungsvorlage für die 1994 im Rahmen des Hauptwohnsitzgesetzes beschlossene Änderung des Meldegesetzes wurde darauf hingewiesen, dass eine effektive Verwirklichung des Hauptwohnsitzes ohne zentrale Melderegister schwer denkbar sei: Nur mit diesem Instrument könne mit Sicherheit festgestellt werden, ob sich im Einzelfall ein Mensch tatsächlich nur an einem Ort angemeldet hat. Da es sich bei dem zentralen Melderegister in dieser Konzeption um ein technisch besonders anspruchsvolles Projekt handle, dessen Verwirklichung mehrere Jahre in Anspruch nehmen werde, wurde vorgesehen, dass die betreffende Bestimmung erst am 1. Jänner 1998 in Kraft tritt. – Zitat damaliger Innenminister.

Dass es zu diesem Zeitpunkt, 1998, aber auch zu Beginn des Jahres 2000 immer noch kein zentrales Melderegister gab, wurde in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage damit begründet, dass durch die Arbeit am Schengener Informationssystem die knappen EDV-Ressourcen durch Jahre hindurch weitestgehend gebunden gewesen seien.

Nach dieser von drei Innenministern begleiteten Odyssee durch mehrere Novellen des Meldegesetzes ist es umso erfreulicher, dass der neue Innenminister das Projekt gerade noch rechtzeitig vor der Volkszählung auf die Beine gebracht hat. Abgesehen von der Bedeutung für das Meldewesen an sich und eine künftig weniger aufwendige Volkszählung mit der für einen gerechten Finanzausgleich wichtigen Möglichkeit kürzerer Zählintervalle, ist das zentrale Melderegister auch eine wichtige Voraussetzung für das von der neuen Bundesregierung intensiv betriebene Projekt "E-Government".

Von diesem Geist noch nicht ganz erfasst scheint mir allerdings die Bestimmung in § 16a Abs. 8 des Meldegesetzes zu sein, wonach für Abfragen im Wege des Datenfernverkehrs von den


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673. Sitzung / Seite 57

Ländern, soweit sie nicht als Sicherheitsbehörden tätig sind, Verwaltungsabgaben entrichtet werden müssen, während die Gemeinden davon befreit sind. Meldedaten sind aber natürlich nicht nur für die Sicherheitsverwaltung, sondern auch in vielen anderen Verwaltungsmaterien zu erheben, beispielsweise bei der Vollziehung der Gewerbeordnung oder der Sozialhilfegesetze.

Nach § 16a Abs. 9 sind die Landesbehörden bei der Vollziehung von Bundesgesetzen, für die der Hauptwohnsitz maßgeblich ist, sogar ausdrücklich verpflichtet, Meldeabfragen durchzuführen. Ob nun diese gesetzliche Verpflichtung ausreicht, Abgabenfreiheit zu gewährleisten, ist erst noch zu klären. Nach Auffassung der von mir befragten Länderexperten ist das keineswegs sichergestellt. Das heißt, dass die Länder dem Bund eine Abgabe zahlen müssen, wenn ihre Bezirkshauptmannschaften gesetzlich vorgeschriebene Meldeabfragen durchführen. Die Abgabepflicht besteht aber zweifelsfrei, wenn eine Bezirkshauptmannschaft eine Meldeabfrage, beispielsweise in einer Sozialhilfeangelegenheit, durchführt. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes wird es dem Innenminister auch gar nicht möglich sein, in der zu erlassenden Verordnung darauf zu verzichten.

Es ist daher kein Wunder, dass das Land Vorarlberg Verhandlungen auf Grund des Konsultationsmechanismus verlangt hat, zumal sich die Erläuterungen in der Regierungsvorlage hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen auf andere Gebietskörperschaften zu dieser Abgabepflicht völlig ausgeschwiegen haben. Verwunderlich ist allerdings, dass es darauf überhaupt keine Reaktion gegeben hat und der Bund offenbar darauf vertraut, dass die nun einsetzende Kostenersatzpflicht, eine Folge des Konsultationsmechanismus, wegen der Schwellenwerte vorerst nicht zum Tragen kommt.

Es ist auch nicht richtig, dass, wie verschiedentlich dargestellt, das Konsultationsverlangen zurückgezogen worden wäre. Unabhängig von dieser im Begutachtungsverfahren von mehreren Stellen als kleinlich bezeichneten, ganz offenkundig über Druck des Finanzministers zu Stande gekommenen Vorgangsweise ist es auch für den Bund selbst problematisch. Mit der für die Verrechnung notwendigen Unterscheidung von abgabebefreiten und abgabepflichtigen Meldeabfragen – je nachdem, ob die Bezirkshauptmannschaft als Sicherheitsbehörde, in der Vollziehung von Bundesgesetzen oder in der Vollziehung von Landesgesetzen tätig ist – wird ein ganz erheblicher Verwaltungsaufwand verbunden sein, der gar nicht mehr zu den auf der anderen Seite betriebenen Reformvorhaben passt.

Als gelernter Österreicher ahne ich allerdings schon, wie man das Problem bei den Meldeabfragen entschärfen könnte. In der Verordnung wird für Abfragen von Landesbehörden aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung lediglich ein symbolischer Pauschalbetrag vorgeschrieben. Ich hoffe, dass der Innenminister von dieser Möglichkeit Gebrauch macht und der Finanzminister dem nichts in den Weg legt.

Wenn ungeachtet dieser wünschenswerten Notlösung das Beispiel der Abgabepflicht auf Meldeabfragen Schule macht, würde der mit der Datenvernetzung verbundene Vorteil für die Verwaltung durch die Einhebung von Abgaben auf behördeninternen Datenverkehr bald wieder zunichte gemacht werden. Es ist zwar richtig, dass mit jeder Datenbank für den Bund ein gewisser Aufwand verbunden ist; ebenso richtig ist aber, dass auch die Länder und die Gemeinden für den Bund wichtige Datenbanken unterhalten und eine wechselseitige Abgabepflicht zu einem sehr verwaltungsaufwendigen Nullsummenspiel würde.

Ich halte es daher für dringend notwendig, dass sich der Bund mit den anderen Gebietskörperschaften darauf verständigt, dass beim elektronischen Austausch behördlicher Informationen keine "Zollschranken neuer Art" errichtet werden, und ich bitte den Herrn Innenminister, hier vertreten durch den Herrn Landwirtschaftsminister, auf seinen Kollegen im Finanzministerium entsprechend einzuwirken. (Beifall bei der ÖVP.)


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673. Sitzung / Seite 58

12.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

12.32

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Vertretung von Herrn Strasser möchte ich zu dieser Diskussion kurz Stellung nehmen.

Bevor ich das aber tue, Herr Bundesrat Würschl, nenne ich Ihnen die Vorgänger von Ernst Strasser, und zwar haben sie geheißen: Schlögl, Einem, Löschnak, Blecha, Rösch, um nur die letzten fünf zu nennen. (Bundesrat Würschl: Der Koalitionspartner hat aber ÖVP geheißen!) Ich bitte daher, auch bei der Beurteilung dieses Gesetzes diese Tatsache nicht außer Acht zu lassen, weil ich meine, dass in diesem Gesetz etliche Punkte enthalten sind, die einen gewaltigen Fortschritt darstellen.

Erstens: die Beseitigung der Doppelgleisigkeiten. Ich halte es für gut, dass das beseitigt wird, weil es letztendlich auch für die Sicherheitsexekutive zusätzliche Möglichkeiten auf Grund einer Entlastung von Verwaltungstätigkeit bietet.

Zweitens: die Schaffung des zentralen Melderegisters. Da verstehe ich Ihre Kritik schon gar nicht, wenn Sie zu Recht ein problematisches Beispiel gebracht haben, nämlich des Bürgers, der den Meldezettel vergessen hat. Genau deswegen machen wir das zentrale Melderegister, weil es für die Verwaltung und für den Bürger einfacher wird. (Beifall bei der ÖVP.) Ich verstehe nicht, dass genau das zur Kritik führt.

Es ist auch klar, dass wir dieses zentrale Melderegister brauchen, weil wir statistische Daten damit einfacher zur Verfügung haben, weil wir die Volkszählung effizienter und billiger machen können. Eine Volkszählung alter Art hätte etwa 500 Millionen Schilling gekostet. Wir können natürlich auch für die Gebietskörperschaften massive Einsparungen erzielen, und mit dem zentralen Melderegister ist auch die Möglichkeit gegeben, rascher zu reagieren. Das ist beispielsweise für Finanzausgleichsverhandlungen wichtig, bei denen bisher nur auf eine alle zehn Jahre erhobene Datengrundlage zurückgegriffen werden konnte und nun eben aktuellere Möglichkeiten gegeben sind.

Drittens findet die Berichtigung der Melderegister eine gesetzliche Grundlage.

Es geht viertens um die Schaffung der Wohnsitzerklärung, und – das halte ich für wichtig – Bundesrat Weiss hat darauf hingewiesen, dass wir damit endlich auch die Probleme obdachloser Menschen besser in den Griff bekommen – bis hin zur Sicherung der demokratischen Rechte, beispielsweise zur Sicherung des Wahlrechtes für obdachlose Menschen, die mit dieser Novelle berücksichtigt werden kann.

Frau Bundesrätin Schicker! Der Begriff des Hauptwohnsitzes ist verfassungsrechtlich determiniert. In Wirklichkeit steht hinter den von Ihnen angesprochenen Fragestellungen ein ganz anderes Problem, nämlich das des abgestuften Bevölkerungsschlüssels. Sie wissen auch, in welcher Dimension etwa beim letzten Finanzausgleich diese Frage politisch beurteilt wurde. Sie wissen auch, wie etwa der Städtebund, der Ihnen nicht ganz ferne steht, zu den Vorschlägen, die es zum abgestuften Bevölkerungsschlüssel vom Gemeindebund gegeben hat, steht.

Darum geht es doch in Wirklichkeit: nicht um die Frage der rechtlichen Determinierung des Hauptwohnsitzbegriffes, sondern um ganz andere Fragestellungen.

Herr Vizepräsident! Ich werde diese Frage selbstverständlich gerne an Kollegen Strasser weiterleiten. Sie wissen, dass die Frage des Finanzausgleichsgesetzes in § 27 auch eine entsprechende Regelung für die Frage Meldegesetz vorsieht. Was die Frage der Gemeindebefreiung betrifft, so wissen Sie auch, dass dadurch begründet ist, dass die Gemeinden eine wesentliche Aufgabe auch in der Pflege dieses zentralen Melderegisters haben, weil es so gut ist, wie es tatsächlich auch gewartet wird. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.36

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
673. Sitzung / Seite 59

Die Debatte ist geschlossen.

Von der Berichterstattung wird kein Schlusswort gewünscht.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung einer "Kommunikationsbehörde Austria" ("KommAustria") und eines Bundeskommunikationssenates erlassen wird sowie das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz, das Rundfunkgesetz, das Fernsehsignalgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Zugangskontrollgesetz, das Signaturgesetz und das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 geändert werden (370/A und 507/NR sowie 6315 und 6322/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung einer "Kommunikationsbehörde Austria" ("KommAustria") und eines Bundeskommunikationssenates erlassen wird sowie das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz, das Rundfunkgesetz, das Fernsehsignalgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Zugangskontrollgesetz, das Signaturgesetz und das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Hensler übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Friedrich Hensler: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 1. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Einrichtung einer "Kommunikationsbehörde Austria" ("KommAustria") und eines Bundeskommunikationssenates erlassen wird sowie das Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetz, das Rundfunkgesetz, das Fernsehsignalgesetz, das Telekommunikationsgesetz, das Zugangskontrollgesetz, das Signaturgesetz und das Bundesfinanzgesetz für das Jahr 2001 geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke vielmals für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

12.39

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den Kernaufgaben der geplanten "KommAustria" gehören die Erteilung von Zulassungen für Rundfunkveranstalter, die Bewilligung der notwendigen technischen Einrichtungen sowie die Wahrnehmung der Rechtsaufsicht über private Rundfunkveranstalter. Damit übernimmt die neu geschaffene Behörde die


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Agenden der Privatrundfunkbehörde, der Kommission zur Wahrung des Regionalradiogesetzes unter Wahrung des Kabel- und Satelliten-Rundfunkgesetzes.

Beraten wird die "KommAustria" von einem sechsköpfigen Rundfunkbeirat, von dem die Behörde vor der Erteilung von Zulassungen eine Stellungnahme einzuholen hat. Die Mitglieder dieses Gremiums werden auf Vorschlag der Regierung auf sechs Jahre ernannt. Als Kontrollinstanz wird ein unabhängiger Bundeskommunikationssenat eingerichtet, der als Berufungsinstanz dienen soll.

Meine Damen und Herren! Die Einrichtung der "KommAustria" und des Bundeskommunikationssenates könnte an sich eine positive Sache sein, wären nicht die totale Kontrolle durch die Regierung und die entsprechenden Weisungsrechte dazu. Diese totale Kontrolle der Rundfunklandschaft durch die Regierung, und zwar über eine weisungsgebundene Medienbehörde, wird mit dem heutigen Beschluss Wirklichkeit.

Die Zeitungen haben in den letzten Wochen bereits seitenweise über die geplanten Änderungen berichtet, und in vielen Berichten klangen auch die Skepsis und das Unbehagen über das Vorgehen der Regierung durch.

Da gibt es einmal das Weisungsrecht des Bundeskanzlers und des jeweiligen Ministers und in weiterer Folge natürlich auch die Weisungen der Geschäftsführer an die Mitarbeiter. Bei solch einer Konstellation steht eigenständiges Denken nicht mehr im Vordergrund, dafür aber eine straffe Organisation von oben bis ganz unten. Genau das ist es, was die derzeitige Regierung möchte. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Maier. )

Die von den Regierungsparteien an die Opposition gemachten Vorschläge im Verfassungsausschuss sollten wohl als Feigenblatt dienen, denn von einer echten, einer gewollten Einbindung der Opposition, wie Sie das immer wieder zu signalisieren versucht haben, waren Sie in jeder der Verhandlungsphasen meilenweit entfernt. (Bundesrat Mag. Himmer: Woher wissen Sie das?) – Das wollen Sie gar nicht, Sie wollen weg vom Verfassungsgesetz. Die Verfassungsgesetze sind ... (Bundesrat Dr. Maier: Hat das Cap geschrieben, was Sie da lesen?) – Ich kann auch selbst formulieren. (Bundesrat Dr. Maier: Schaut aber so aus!) Bei der Kritik kann man nicht zu weit entfernt sein.

Herr Kollege! Eines steht fest: Verfassungsgesetze sind für Sie nicht so bequem, denn diesbezüglich müssen Sie mit der Opposition verhandeln, und das wollen Sie nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Nicht anders ist auch die Aussage von Herrn Klubobmann Dr. Khol zu verstehen, der meinte: Wenn die Opposition dem Verfassungsgesetz – das stand so in einer Zeitung – nicht zustimmt, und zwar so, wie wir das vorgelegt haben, dann kommt einfach eine einfachgesetzliche Änderung. – Das ist gelebte Demokratie. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Die Mehrheit in all diesen Gremien liegt natürlich eindeutig bei den Regierungsparteien. In koalitionärer Eintracht sind auch gleich zwei Geschäftsführer vorgesehen, damit auch das Farbenspiel wieder stimmt.

Die Telekom-Control wird in die neue Konstruktion eingegliedert, damit entledigt man sich auch gleich eines äußerst anerkannten und auch erfolgreich dort tätigen Fachmannes. In Zeiten wie diesen sichert also auch eine erfolgreiche Arbeit nicht davor, den Sessel vor der Tür zu finden. Nicht der Erfolg ist ausschlaggebend, sondern die Nähe zu einer der beiden Regierungsparteien muss gegeben sein.

Meine Damen und Herren! Es gibt auch eine Berufungsinstanz, nämlich den Bundeskommunikationssenat. Dieser besteht aus fünf Mitgliedern, die von der Regierung dem Bundespräsidenten vorgeschlagen und von diesem dann ernannt werden. Die Regierung bestimmt mit dieser Vorgangsweise auch die Zusammensetzung der Berufungsbehörde, und das ist auch einzigartig.


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Meine Damen und Herren! Liest man sich die Antragsbegründung durch, stößt man immer wieder auf das Wort "weisungsfrei"! Weisungsfrei, meine Damen und Herren der Regierungskoalition, ist hier der absolut falsche Ausdruck. Was Sie da zu verkaufen versuchen, ist auch keinesfalls eine Regulierung und eine Neuordnung der Medienlandschaft, es ist, einfach gesagt, eine Strukturierung nach Ihren blauschwarzen Machtansprüchen, und dabei machen wir nicht mit. (Beifall bei der SPÖ.)

Die SPÖ wird daher dem vorliegenden Gesetz nicht die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hösele. – Bitte.

12.45

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sehr schade, dass die SPÖ die Schaffung einer weisungsungebundenen Behörde nicht wollte. Das ist nämlich auf Grund der Faktenlage leider die Wahrheit beziehungsweise anders ausgedrückt, wenn man sich der Wahrheit annähern will, der wirkliche Punkt. Es ist monatelang verhandelt worden, es ist ein Vierteljahr lang vom SPÖ-Mediensprecher Cap kein Verhandlungstermin gewährt worden. (Bundesrat Gasteiger: Woher wissen Sie das?) – Weil ich mich bei Herrn Klubobmann Khol und bei Staatssekretär Morak in diesen Fragen mehrfach informiert habe und selbst bei einer Vorbesprechung dabei war, nämlich am 16. Jänner, am Tag vor der großen "Quo Vadis"-Enquete, bei der Klubobmann Khol ganz exakt den Terminkalender bekannt gegeben hat. Es ist sehr schade gewesen.

Es ist dann am 31. Jänner der Entwurf des Verfassungsgesetzes, der im Ausschuss die Mehrheit gefunden hat, auf Grund der fehlenden Zweidrittelmehrheit im Nationalrat zu Fall gekommen. Es ist dann ein neuer Anlauf unternommen worden, nämlich Ende Februar ist ein neuer Verfassungsgesetzentwurf vorgelegt worden, der wiederum das Njet des Herrn Cap und des Herrn Kostelka erhalten hat. (Bundesrat Dr. d′Aron: Hört! Hört!) Es musste daher eine weisungsgebundene Behörde geschaffen werden, weil Sie offenbar ein sehr seltsames Verhältnis, um nicht zu sagen, ein etwas gestörtes Verhältnis zur Medienunabhängigkeit in diesem Lande haben. Das ist außerordentlich bedauerlich. Es ist aber offensichtlich in diesem Zusammenhang ein sehr langer roter Faden festzustellen. Ich bin zwar noch nicht so lange auf der Welt, aber das habe ich mittlerweile nachgelesen.

Es hat Ende der sechziger Jahre ein großes Rundfunk-Volksbegehren gegeben, das war, so glaube ich, damals das größte Volksbegehren, das es gegeben hat. (Bundesrat Bieringer: Da warst du schon auf der Welt!) Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits auf der Welt, aber ich habe die Beweggründe nicht exakt feststellen können. Ich habe erst später festgestellt, dass das von allen unabhängigen Zeitungen getragen und gegen die SPÖ beschlossen worden ist. Das hat also mit dem unabhängige ORF im Jahr 1967 angefangen und zieht sich bis jetzt herauf.

Wir haben in den letzten zehn Jahren leider in dieser Republik einen großen medienpolitischen Stillstand gehabt, weil offenbar SPÖ-Politiker Medienpolitik mit Einfluss des Zentralsekretariates oder des Sekretärs des Bundeskanzlers auf den ORF verwechselt haben. Das ist leider Faktum. (Bundesrat Ing. Gruber: Schau! Schau! – Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist selbst für Ihre Fraktion schwer nachvollziehbar!)

Heute hat Herr Staatssekretär Morak richtigerweise in einem Interview gesagt: Wir sind jetzt im 21. Jahrhundert, am Ende des 20. Jahrhunderts angekommen, es hat zehn Jahre lang einen Stillstand gegeben. Die neue Bundesregierung hat innerhalb von einem Jahr mehr medienpolitische Initiativen auf den Weg gebracht. (Bundesrat Gasteiger: Wer war 13 Jahre dabei?) – 13 Jahre lang waren Herr Bundeskanzler Klima und Herr Bundeskanzler Vranitzky für Medienfragen verantwortlich. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. ) Das Wichtigste war, dass man in den "Seitenblicken" und in der "Zeit im Bild" vorgekommen ist und dass man, wenn es bei "Euroteam" nicht gepasst hat, nicht vorgekommen ist. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das Mascherl war ... vertreten!) Das ist die Faktenlage, und das ist sehr bedauerlich, weil es um die


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demokratische Kultur in diesem Land nicht sehr gut bestellt sein kann, wenn man ein solches Misstrauen gegenüber unabhängigen Behörden hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Einrichtung der "KommAustria" ist ein insgesamt wichtiger Schritt zur Gestaltung fairer Rahmenbedingungen, und deswegen ist es so schade, dass wir zu keiner Verfassungs... (Bundesrat Gasteiger: Die fairen Rahmenbedingungen schaue ich mir an! Die müssen Realität werden!) Das ist als Gesamtpaket zu sehen.

Eine Medienbehörde ist, wie internationale Beispiele zeigen und es auch eine entsprechende Europarats-Empfehlung und auch das Gutachten des Präsidenten der bayerischen Medienbehörde, Ring, ausdrücken, ein unverzichtbares Element einer Medienordnung, die demokratiepolitisch gewissen Mindeststandards entsprechen will.

Es geht darum, dass eben diese fairen Rahmenbedingungen und Spielregeln für das Miteinander von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und privaten Anbietern geschaffen werden und es eine dynamische Weiterentwicklung des Systems geben kann. Das kürzlich beschlossene Privatrundfunkgesetz – es war Mitte Februar hier im Hause –, das dieser Tage präsentierte Gutachten über die in Österreich verfügbaren Fernsehfrequenzen, die große Enquete im Jänner – Quo vadis öffentlich-rechtlicher Rundfunk – und die am Dienstag im Ministerrat beschlossene Punktation für ein neues ORF-Gesetz und die Rahmenbedingungen für ein Privatfernsehgesetz sind weitere wichtige Punkte in diesem Zusammenhang.

Noch einmal zusammengefasst heißt das: In einem Jahr ist medienpolitisch mehr bewegt worden als ein Jahrzehnt davor.

Die Wahrung der föderalistischen Interessen in dieser Medienordnung ist – wir haben das in der letzten Bundesratsitzung ... (Bundesrat Gasteiger: Die ÖVP hat das nicht gewollt!) – Was hat sie nicht gewollt? (Bundesrat Gasteiger: Die ÖVP hat das 13 Jahre nicht gewollt!) – Jawohl! (Bundesrat Gasteiger: Ihr wart dabei! – Bundesrätin Mag. Trunk: ORF-Reform!) – Wir durften nicht. Die ORF-Reform hat der Herr Bundeskanzler nicht wollen, weil Grolli so schön im Bild war, das hat so bleiben müssen. (Bundesrat Gasteiger: Ihr wart die letzten 13 Jahre dabei!)

Die Wahrung der föderalistischen Interessen ist ein wichtiger Teil der Medienordnung. (Bundesrätin Mag. Trunk: Gewerbeordnung!) – Ich spreche zur Medienordnung und nicht zur Gewerbeordnung, Frau Kollegin Trunk! Sie melden sich ohnehin zu Wort.

Die zentralistische Perspektive bringt die Gefahr einer gewissen Verarmung und Verengung mit sich. In diesem Sinne ist in der letzten Bundesratssitzung insbesondere seitens des Herrn Vizepräsidenten Weiss, meines Fraktionsführers Bieringer, des Kollegen Kneifel und mir in Debattenbeiträgen die Berücksichtigung eines Ländervertreters im Rundfunkbeirat der "KommAustria" moniert worden.

Ich möchte mich heute bei Herrn Staatssekretär Morak – Herr Präsident Weiss und ich konnten auch damals ein Gespräch führen – sehr bedanken, dass es gelungen ist, in dem jetzt tatsächlich vorliegenden Gesetz das Vorschlagsrecht für einen Ländervertreter zu verankern. Es ist damit eine wesentliche Verbesserung der Stellung der Länder erreicht worden. Im letzten Verfassungsgesetzentwurf war nämlich nur ein Ländervertreter in einem 13-köpfigen Gremium vorgesehen gewesen, und jetzt wird es in einem sechsköpfigen Gremium einen Ländervertreter geben. Das ist eine Verbesserung um das Doppelte. – Danke, Herr Staatssekretär!

Wir freuen uns auch, dass im ORF-Kuratorium, wenn ich die Punktation richtig gelesen haben, die föderalistische Komponente doch erhalten bleibt. (Bundesrat Gasteiger: Wobei?) – Im ORF-Kuratorium, im ORF-Stiftungsrat. (Bundesrat Gasteiger: Das Gremium meinen Sie!)

Jetzt noch eine kleine Anmerkung zum ORF, weil das sehr wichtig ist. Sie haben schon Recht mit dem Stiftungsrat. Aber im Zusammenhang mit der Stiftung glaube ich, dass das ein ganz wesentlicher Fortschritt sein kann im Sinne des öffentlich-rechtlichen Programmveranstalters und im Sinne einer präzisen Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrages, seiner Spielregeln


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und des künftigen Weges, wobei Qualität, Attraktivität und Reichweitenstärke Gegenpole zu hemmungsloser Kommerzialisierung und seichter Quotenjagd sind. Ich habe das sehr aufmerksam gelesen, was der langjährige Generalintendant Bacher Ende Jänner in der "Presse" und heute in den "Salzburger Nachrichten" und im "Standard" geschrieben hat. Ich glaube, mit der Frage "Quo vadis", die damals bei der Enquete des Herrn Staatssekretär gestellt wurde, ist ein guter Weg sichtbar geworden.

Ich weiß schon, dass meine Redezeit überzogen ist, aber ein Thema muss ich noch ansprechen, das mit Printmedien zu tun hat und in diesem Land leider oft verschwiegen wird. Im Sinne einer österreichischen Medienordnung der Qualität und Vielfalt sollten bei allen Initiativen auch die Auswirkungen auf die Zeitungen und andere Medienunternehmungen berücksichtigt werden. Wie fragil dieses Gleichgewicht ist, zeigt die Diskussion um die gesellschaftsrechtliche Verschränkung der großen österreichischen Magazine.

Bei aller Wertschätzung für hohe journalistische Qualität, hohes journalistisches Ethos und die Unabhängigkeit von Redaktionen, etwa von "profil" und "FORMAT", stellt sich doch die Frage, ob es nicht eine andere als die gefundene Lösung gegeben hätte, die die wirtschaftliche Existenz dieser Magazine unabhängig voneinander künftig abgesichert hätte! (Bundesrat Gasteiger: Weil euch das bequem ist!) "Spiegel" und "Focus" erscheinen in Deutschland auch nicht im selben Haus. (Bundesrat Kraml: Bartenstein hat die Grundlagen gelegt!)

Ich habe gesagt, ich möchte das Thema an sich völlig unpolemisch ansprechen, weil es aus meiner Sicht ein sehr ernstes Thema ist. Es würde mich interessieren, ob es tatsächlich nur diese eine Möglichkeit gegeben hat oder ob die kolportierten Kaufangebote anderer – man hörte von Oscar Bronner oder vom Styria-Verlag – seriös waren? Denn für mich gilt nach wie vor das, was der langjährige Präsident des Zeitungsverbandes, Werner Schrotta, bereits 1992 feststellte. Ich zitiere: "Die Medienwelt eines Landes ist ein Teil ihres kulturellen Selbstverständnisses. Nur die Vielzahl von unabhängigen Medienunternehmen garantiert die wünschenswerte Vielfalt."

Wenn man die Berichte und Kommentare von an der innerösterreichischen Diskussion materiell – ich sage bewusst materiell, weil keine Beteiligungsabsichten bestehen – unbeteiligten renommierten internationalen Blättern, wie "Neue Zürcher Zeitung", Autor Beat Ammann, oder "Frankfurter Allgemeine Zeitung", Autor Eva Menasse, liest, dann scheinen mir das Schweigen, das Wegschauen und das bewusste Uninformiertsein zu diesen Konzentrationsphänomenen demokratiepolitisch keine adäquaten Antworten zu sein. Es haben sich nicht viele in diesem Land zu diesem Thema gemeldet. Einer von ihnen war Herr Professor Böhm, den ich auch durch seine Wortmeldungen in diesem Zusammenhang sehr schätzen gelernt habe.

Als Staatsbürger und Demokrat wünsche ich mir auch in der neuen Konstellation, wenn sie schon unabweislich war, jedenfalls weiterhin kritischen und unabhängigen Qualitätsjournalismus. Natürlich gilt das, was "FORMAT"-Herausgeber Christian Ortner am Montag geschrieben hat: "Weder ein Kartellgesetz noch der Wettbewerb können fehlendes journalistisches Rückgrat ersetzen." – Ich glaube aber, dass es Rahmenbedingungen gibt, die rückgratstärkend sein können.

Medienpolitische Fragen sind jedenfalls eminent demokratiepolitische Fragen. Der Zustand der Medienlandschaft steht in einem engen Konnex mit der politischen und demokratischen Kultur. Wenn die Situation auf dem Printmedien-Sektor eben so fragil ist, dann ist es umso besser, dass im audiovisuellen Bereich ganz wichtige gesetzliche Schritte für eine gute Medienordnung gesetzt werden. Daher sagen wir ein klares "Ja" zur "KommAustria" in der gegenwärtigen Form. (Beifall bei der ÖVP.)

12.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. d'Aron. – Bitte.

12.58

Bundesrat Dr. André d'Aron (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen von der


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sozialdemokratischen Fraktion! Es ist gut, dass Sie an dieser Diskussion so intensiv teilnehmen. Nach mir wird Frau Kollegin Mag. Trunk sprechen, das ist auch gut so, denn dann kann sie uns gleich darlegen, warum die Sozialdemokraten die Zweidrittellösung, die wir im Nationalrat durchsetzen wollten, unbedingt blockieren wollten. Das nennt man nämlich Populismus. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrätin Fuchs: Das haben Sie nicht aus dem Duden! Das steht nicht im Duden!)

Sie wollen nämlich keine unabhängige Medienbehörde, und Sie wollen keinen unabhängigen ORF. Zu diesem Punkt bitte ich Sie dann noch näher Stellung zu nehmen, das ist nämlich sehr wichtig. Wir wollen wissen, warum Sie diese Vorgangsweise gewählt haben.

Ich möchte allerdings noch auf die wissenschaftliche Basis betreffend die Medien beziehungsweise den -verkehr zurückkommen. Das muss man schon so sehen ... (Bundesrat Thumpser: Er redet von Populismus! Das halte ich nicht aus!) Sie können dann etwas dazu sagen, warum Sie das unbedingt verhindern wollten. Kommen Sie dann heraus, und erklären Sie uns das! Wir alle sind sehr gespannt auf Ihre Antwort auch hinsichtlich der Vorgangsweise des Herrn Abgeordneten Cap, der Ihrer Fraktion zugehört. Es wäre wichtig, dass Sie uns das erläutern. (Bundesrat Thumpser: Lesen Sie die Nationalratsprotokolle durch, dann wissen Sie es auch!)

Ich möchte jetzt auf die verkehrswissenschaftliche Basis zurückkommen. Wie Sie wissen, unterscheidet die Verkehrswirtschaft auf der einen Seite die Transportwirtschaft und auf der anderen Seite die Telekommunikationswissenschaft. Das Gesamte ergibt den Verkehr, und wir haben die Situation, dass wir Verkehrtsräger und Verkehrsunternehmen haben, die wir voneinander teilen. Wir haben eine Vielzahl von Gesetzen in diesem Haus beschlossen, die das ermöglichen, zum Beispiel zuletzt das ElWOG, das Elektrizitätswirtschaftsorganisationsgesetz. Wir haben das bei der Schifffahrt, bei den Flüssen, bei unseren Seen durchgesetzt. Wir haben das in der Luftfahrt durchgesetzt, da gibt es eigene Firmen. Da gibt es die Flughäfen, da gibt es die Luftfahrtunternehmen. Wir haben es bei den Rohrleitungen durchgesetzt, wie ich schon ausführen durfte. Wir haben es bei der Schiene durchgesetzt. Da gibt es die Schienen-Kontroll-Kommission und die Schienen-Kontroll-GmbH.

Mich wundert nur, dass jetzt Herr Kollege Boden nicht anwesend ist (Bundesrätin Fuchs: Er ist Mittag essen!), denn ich habe ihm, bevor er hinausgegangen ist, gesagt, ich werde auf ihn Bezug nehmen, denn es ist auch wichtig, dass man in Kommunikation mit den geschätzten Kollegen tritt; da muss man schon etwas sagen. Man kann ein Gesetz, wie es uns hier vorliegt, nicht losgelöst von der restlichen Rechtsmaterie, die wir in diesem Verkehrsbereich vorantreiben, sehen, sondern all das ergibt einen Zusammenhang. Wenn jetzt etwas vorgeschlagen wird, das weit über den Rahmen der Unabhängigkeit hinausgeht (Bundesrätin Mag. Trunk: Über die Schiene kommt die Information!), wie wir es bei anderen Verkehrsträgern und bei anderen Verkehrsunternehmen haben, und das auch angekündigt wird, dann ist doch darüber eine Diskussion in diesem Haus zu führen. Bis jetzt ist das immer gesondert betrachtet worden.

Wie Sie wissen, wollen wir in Österreich – wir haben uns dazu auch bekannt – Marktwirtschaft haben. Das heißt, wir wollen gerne, dass Verkehrsträger und Verkehrsunternehmen Marktanteile haben. Wir nennen das Model-Split, auch in der Telekommunikationswirtschaft ist natürlich ein Model-Split erforderlich. Sie wissen, wie der Model-Split, was das Fernsehen anlangt, derzeit in Österreich ausschaut. Da sind wir in Wirklichkeit beim ORF bei 80, 90 bis 100 Prozent. Da kommt es auf die regionale Segmentierung an, ob die Möglichkeit besteht, Satellitenfernsehen zu empfangen, oder ob es entsprechendes Kabelfernsehen gibt und so weiter.

Das ist natürlich ein unhaltbarer Zustand, der schon sehr lange in unserem Land gegeben war. Deswegen haben die Freiheitlichen auch jene Klage in Straßburg unterstützt, gegen Monopole und gegen Telekommunikationsmonopole einzutreten. Wir haben also Meinungsfreiheit in Straßburg eingeklagt. Sie wissen auch, wie diese Klage vor Jahren ausgegangen ist, diese Klage wurde gewonnen. Ich frage Sie von der Sozialdemokratie, die Sie sich jetzt zu einem unabhängigen Fernsehen bekennen wollen – das nimmt Ihnen auch niemand ab –: Wo waren Sie damals bei der Klage? (Bundesrätin Mag. Trunk: Hallo!) – Nein, Frau Mag. Trunk, auch Sie waren nicht dort. Auch wenn Sie jetzt auf sich aufmerksam machen, ich glaube, zu diesem Zeit


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punkt waren Sie noch gar nicht im Bundesrat. Sie können jetzt nicht auf sich aufmerksam machen und hoffen, dass Ihnen das irgendjemand abnimmt. Dem ist natürlich nicht so. (Bundesrätin Mag. Trunk: Ich will auch gar nicht, dass Sie etwas abnehmen!) – So sind Ihre Zwischenrufe.

Der Europarat hat am 20. Dezember 2000 den Mitgliedstaaten empfohlen, transparente und unabhängige Rundfunkbehörden, Kontrollbehörden für den Rundfunksektor einzurichten, sofern diese nicht schon bestehen. Passen Sie jetzt genau auf! Das Gemeinschaftsrecht sieht auch unabhängige Regulierungsbehörden für den Telekom-Sektor vor, und in der Schweiz wird bereits eine einzige unabhängige Behörde für Telekom und Rundfunk eingerichtet. Sogar die britischen Sozialdemokraten – Tony Blair wird von Ihnen immer als großes Vorbild zitiert – sind dabei, TV, Internet und Radio unter das Dach einer einzigen unabhängigen Medienbehörde zu bringen.

In Österreich haben wir, wie Sie auch wissen, darüber hinaus Handlungsbedarf auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes, da die einstweiligen Bewilligungen für Privatradios nunmehr mit Ende Juni 2001 auslaufen. Diesen Handlungsbedarf hat diese Regierung, die noch nicht so lange im Amt ist, wahrgenommen, und sie hat versucht, diesen enormen Reformstau, der natürlich durch mehr als 30 Jahre Sozialdemokratie, durch sozialdemokratische Bundeskanzler verursacht wurde, aufzuarbeiten, sehr schnell aufzuarbeiten, denn wir wollen aus diesem Land auch tatsächlich etwas machen. (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. )

Herr Kollege! Sie können sich nachher zu Wort melden, wir haben hier die freie Meinungsäußerung, Sie können sich nach mir melden, denn es wäre sehr nett, wenn Sie auch etwas dazu sagen würden. – Ich frage Sie: Wo war die Sozialdemokratie im Rahmen des Europarates und die von Ihnen hoch geschätzte Sozialistische Internationale, die hier nicht tätig geworden ist und etwas getan hat?

Wie sehen das eigentlich Fachkreise? – Wir haben in diesem Hause eine politische Diskussion, daher frage ich mich: Wie sehen das Fachkreise? (Der Redner hält die Zeitschrift "NEWS" in die Höhe.) – Sie kennen diese Zeitschrift, es ist die Zeitschrift "NEWS", die gestern am Abend herausgekommen ist, und darin erklären auch die entsprechenden Fachleute, wie die Realität in Österreich ist.

Da sagt zum Beispiel Generalintendant Weis – er gibt das auch zu, und ich glaube, diese Meinung werden Sie auch teilen –: Der ORF ist kein apolitisches Wesen. Der ORF war nicht nur kein apolitisches Wesen, er war ein parteipolitisches Wesen der SPÖ. Diesbezüglich muss ich ihn schon ein bisschen korrigieren. (Bundesrat Kraml: Das ist jetzt nicht mehr!) – Dazu komme ich jetzt. (Bundesrat Kraml: 27 Anrufe von Westenthaler an einem Tag!)

Oder Gerd Bacher, der nicht von unserer Fraktion ist, sagt: Es wird Zeit, dass endlich mit dem unseligen Kreisky-Gesetz Schluss gemacht wird, das sich nicht nur gegen mich persönlich gerichtet hat, was nicht so arg ist – er hat das nicht so schlimm für sich selbst gesehen –, sondern schwer funktionswidrig war. – Parteipolitik vor Funktion einer Firma, das ist interessant. – Schluss gemacht wird hoffentlich bald auch mit dem Polit-Kannibalismus des Herrn Cap. – Das ist Ihr Vertreter, der noch immer im Parlament ist.

Ich möchte doch ein bisschen darauf eingehen, weil das von Ihrer Seite ganz anders dargestellt wird, da muss man doch wieder die Kirche ins Dorf bringen. Im Verfassungsausschuss am 26. Jänner 2001 wurde das "KommAustria"-Gesetz ganz anders gesehen. Die Regierung wollte das mit Ihrer Unterstützung haben, und um diese Unterstützung haben wir Sie auch gebeten. Meine Fraktion und auch die ÖVP haben Sie darum gebeten.

Wir wollten, dass eine "Kommunikations-Kommission Austria" eingerichtet wird, die 13 Mitglieder umfasst, nämlich vier Hauptberufliche und neun Nebenberufliche. Diese "KommAustria" sollte in drei Kommissionen, nämlich Medienkommission, Infrastrukturkommission und Wettbewerbskommission, entscheiden. Berufungsinstanz – es war natürlich eine Berufungsinstanz vorgesehen, wie das auch bei den anderen Verkehrsträgern und anderen Verkehrsunternehmen,


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wie ich es Ihnen schon darstellen durfte, vorgesehen ist – sollte der unabhängige Bundeskommunikationssenat sein.

Es fanden am 24. 1. 2001 Parteiengespräche statt, und das nenne ich wirklich Populismus. Es wurde also nicht von der SPÖ der Versuch unternommen, das aufzuräumen, was sie uns eingebrockt hat, nämlich die Nichteinhaltung des Straßburg-Erkenntnisses, die Aufforderung des Europarates, sondern es wurde gesagt, wir konnten hier keine Einigung erzielen. Man hat sich zurückgezogen und diese Verfassungsmöglichkeit, eine Behörde nach § 133 Z 4 Bundes-Verfassungsgesetz einzurichten, eigentlich hintertrieben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Tatsächlich wird nunmehr in der Novelle das Bestmögliche versucht – wirklich das Bestmögliche versucht. Wie Sie auch wissen, ist es zu einer zusätzlichen Gesetzesänderung, zu einem Antrag im Nationalrat gekommen, der noch eine deutlichere Verfeinerung dieses Gesetzes vorgesehen hat. Als neue Rundfunkbehörde wird die "Kommunikationsbehörde Austria", die "KommAustria" eingerichtet. Sie ist dem Bundeskanzleramt nachgeordnet. Eine Behörde, die keine Zweidrittelmehrheit findet, ist einem Bundesministerium nachzuordnen; da es hier um eine übergreifende Materie geht, wurde eben bei dieser Kommunikationsbehörde geplant, dass sie dem Bundeskanzleramt nachgeordnet wird.

Sie entscheidet über die Zulassung von Rundfunkbetreibern. Als Berufungsinstanz wird ein Bundeskommunikationssenat eingerichtet, der aus fünf Mitgliedern besteht. Dieser Bundeskommunikationssenat ist unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Warum behaupten Sie die ganze Zeit, das sei ein politisches Gesetz? – Das verstehe ich nicht.

Drei Mitglieder müssen dem Richterstand angehören, sie müssen somit erprobt sein. Die Mitglieder werden auch auf sechs Jahre bestellt, das heißt, es ist genügend Zeit vorhanden, dass sie frei entscheiden können.

Wir haben zur Unterstützung der "KommAustria" und der Telekom-Kontrollkommission eine GmbH, die Rundfunk- und Telekom-Regulierungs-GmbH. Sie finden das zum Beispiel auch bei der Schiene, da haben Sie auf der einen Seite die Schienen-Kontroll-Kommission und auf der anderen Seite die Schienen-Kontroll-GmbH, die natürlich auch gewisse übertragene Kompetenzen des Bundes hat. – So ist es auch hier vorgesehen, im Gleichklang mit den anderen Gesetzen, die wir in Österreich haben, aber vermehrt in Richtung Unabhängigkeit.

Die GmbH wird von zwei Geschäftsführern geleitet, die, weil es mehrere Kompetenzen gibt, die zusammengeführt werden, vom Bundeskanzler und vom BMI bestellt werden.

Wir haben zur Beratung einen Rundfunkbeirat eingesetzt, der aus sechs Mitgliedern besteht. Das ist auch die heutige Situation. (Bundesrat Gstöttner: Rot raus, Schwarz/Blau rein! – Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. ) Frau Mag. Trunk! Es ist ganz wichtig, dass Sie nach mir Stellung dazu beziehen. Das ist mir wirklich wichtig! (Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist keine Fragestunde!)

Nein, es ist eine Aufforderung, es ist keine Fragestunde! Wir haben keine Fragestunde hier, in welcher wir Bundesräte einander Fragen stellen. Aber ich frage Sie, mit der Bitte, dazu ... (Bundesrätin Mag. Trunk: Nein! Ich bin nicht Ihre Mama, die antwortet!) Sie müssen nachher nicht Stellung beziehen, Sie können auch die Stellungnahme verweigern, wenn Sie Befürchtungen hegen, dass Sie keine entsprechende Argumentation zusammenbringen. Ich frage Sie trotzdem: Warum wollten Sie wirklich eine unabhängige Medienbehörde nicht einrichten? Warum haben Sie das wirklich blockieren wollen?

Sehr geehrte Damen und Herren! In der Debatte im Nationalrat wurde noch ein zusätzlicher Antrag eingebracht und beschlossen. Es wurde nämlich seitens der Fraktion der Sozialdemokraten zum Ausdruck gebracht, dass diese unabhängige Konstruktion, die ich Ihnen soeben dargelegt habe, noch viel zu wenig unabhängig ist. Ich meine damit jene unabhängige Konstruktion, die Sie mit Ihrer Verhinderung einer Zweidrittelmehrheit blockiert haben, indem Sie nicht zugestimmt haben.


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Es wurde noch ein weiterer Schritt von unserer Seite unternommen, um es noch bürgernäher zu machen, um noch mehr den Wünschen der Bürger – nicht Ihren Wünschen, denn Sie haben es verhindert! – entgegenzukommen. Es wurde nämlich ein Antrag eingebracht, aus welchem ersichtlich ist, dass für jedes der drei richterlichen Mitglieder beziehungsweise Ersatzmitglieder die Bundesregierung an Besetzungsvorschläge, bestehend aus jeweils drei dem Richterstand angehörigen und alphabetisch gereihten Personen, gebunden ist. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das alles haben wir schon gelesen! Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht!)

Frau Kollegin Trunk! Ihr Kollege hat aber vorhin etwas anderes gesagt. Er hat gesagt, es bestünde Einflussnahme der Regierung auf die Telekommunikationseinrichtungen, die wir haben. Das muss man unbedingt richtig stellen!

Es ist so, dass es einen Besetzungsvorschlag des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Heiner und zwei Besetzungsvorschläge des Präsidenten jenes Oberlandesgerichtes, in dessen Amtssprengel der Sitz des Bundeskommunikationssenates liegt, gibt. Hier stellt sich für uns Bundesräte die Frage, ob wir dem zustimmen wollen oder nicht.

Frau Mag. Trunk! Könnten Sie dann vielleicht auch dazu sagen, warum Sie das zum Beispiel gegen den Bundesrat gerichtet empfinden oder nicht?! – Es ist das eine freie Formulierung. Diese Formulierung ist nicht verfassungswidrig und auch nicht gegen die Interessen des Bundesrates gerichtet, da der Sitz des Bundeskommunikationssenates überall in Österreich sein kann. Es kann also letztlich jedes Oberlandesgericht in Wien, das wir heute haben, zum Tragen kommen und einen entsprechenden Vorschlag machen.

Ich bedanke mich bei meinem Vorredner dafür, dass er so intensiv auf die Frage der Novellierung des ORF und der Struktur, die wir dort haben, eingegangen ist. Ich möchte aber dazu schon etwas sagen, was mir wichtig ist, was auch hier von einem Vorredner von den Sozialdemokraten völlig falsch dargestellt wurde.

Herr Kollege Kraml! Wenn Sie uns unterstellen, dass die Gesetzesschritte, die wir nunmehr planen, eine Augenauswischerei seien, dann möchte ich das seitens meiner Fraktion mit allem Nachdruck zurückweisen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das kann man im Protokoll nachlesen! Das, was wir da machen, ist keine Augenauswischerei, sondern wir Freiheitlichen wollen in dieser unserer Regierungszeit erreichen, dass der ORF, dass dieses Medium endlich unabhängig wird, dass das Monopol gebrochen wird und dass die Meinungsfreiheit auch in unserem Land – in einem der wenigen Länder Westeuropas, wo dieselbe noch nicht gebrochen ist – einkehrt, sodass wir endlich aus diesem Land eine echte Demokratie machen können. Wir wollen die Menschen wirklich und gerecht und im Rahmen eines Wettbewerbes der verschiedenen Telekommunikationseinrichtungen informieren. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Wir können natürlich niemals akzeptieren, dass Sie dazu Augenauswischerei sagen – noch dazu, da Ihre Fraktion die bestmögliche Lösung, die wir hätten machen können, mittels Verhinderung einer Zweidrittelmehrheit – Artikel 133 B-VG – bewusst blockiert hat. Ich möchte also nochmals den Vorwurf Augenauswischerei seitens unserer Fraktion massiv zurückweisen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Diese Regierung hat nun eine neue Punktation zum ORF-Gesetz ausgearbeitet. Ich möchte Ihrem Kollegen Cap mit aller Deutlichkeit widersprechen, denn er hat die Lösung, die wir ursprünglich angepeilt haben, verhindert. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. ) Er hat es verhindert! Sie müssen akzeptieren, dass seitens Ihrer Fraktion die wahre Unabhängigkeit des ORF verhindert wurde, weil Sie Ihre Zustimmung im Nationalrat nicht gegeben haben! Diese Bundesregierung wird aber noch immer aus dieser Situation das Bestmögliche machen!

Politiker sollen nicht mehr ORF-Kuratoren sein, und davon sind natürlich auch sehr viele Freiheitliche erfasst. Selbstverständlich ist auch unser Landesparteichef von Vorarlberg, unser Statthalter Hubert Gorbach, davon erfasst. Es ist natürlich auch unser Klubobmann des Nationalrates davon erfasst. (Bundesrat Gstöttner: Das wird bei dem auch gut sein!) Aber es sind auch Personen aus Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der SPÖ, davon erfasst. Ich sehe schon, Sie wollen natürlich den ORF weiter als Rotfunk sehen und Ihre Einflüsse


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darauf geltend machen. Das wird dann natürlich deutlich schwieriger sein. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Ich habe zitiert, wie das mit Kreisky und Gerd Bacher war! Ich habe zitiert, wie das in Wirklichkeit war!

Es soll der ORF – ich hoffe, da werden Sie zustimmen; aber vielleicht werden Sie auch anderer Ansicht sein – als eine öffentlich-rechtliche Institution in eine Stiftung umgewandelt werden. Wir wollen den ORF der Bevölkerung dadurch näher bringen. Hier eine Entpolitisierung herbeizuführen, ist natürlich schon eine ganz wichtige Angelegenheit.

Wie bei jeder Firma ist auch da ein Management notwendig. Jede Firma muss gemanagt werden, und das Durchgriffsrecht, das üblicherweise ein Generaldirektor hat, im Falle des ORF ein Generalintendant, ist nicht in ausreichendem Ausmaß gegeben, weil das Ihr ehemaliger Sonnenkönig, Bundeskanzler Kreisky, verhindert hat. Das war nämlich schon davor vorhanden, davor war der ORF nämlich besser geregelt, was die Meinungsfreiheit und auch das Management betrifft.

Ihr geschätztes Vorbild, SPÖ-Bundeskanzler Kreisky, hat das aber geändert, und nun wollen wir diesen Zustand, wie er vorher war, wiederherstellen, eine Firma daraus machen, ein lebendes Unternehmen mit Meinungsvielfalt und nicht eine Institution, in der bei dem Mitarbeitern ein hoher Grad an Verwandtschaft besteht. Das ist erwiesen. Es gibt genaue Untersuchungen darüber, wie beim ORF Beschäftigte verwandt sind. Es ist interessant: Wie sind all jene hineingekommen? Wie ist das gemacht worden? – Nicht diesen Zustand wollen wir, sondern es soll wieder ein Zustand hergestellt werden, der diesen ORF zu einer Firma macht.

Wie es bei jeder Firma üblich ist, soll ein Management mit einfacher Mehrheit des Aufsichtsrates gewählt werden können. Dieser soll mit einfacher Mehrheit der Kuratoren gewählt werden. Es sollen auch jene Positionen, die Sie sich in langjähriger Regierungsarbeit angeeignet haben, nämlich die Versorgungspositionen (Zwischenrufe bei der SPÖ)  – ich weiß schon, dass Sie das nicht hören wollen, nämlich dass Sie in Österreich Gremien mit einer Vielzahl von Positionen aufgebaut haben; da braucht man sich nur einmal die Sozialversicherungsanstalten anzuschauen –, abgebaut werden.

Die Hörer- und Sehervertretung soll verkleinert werden. Ich weiß, dass Sie das nicht freut, wenn Sie das hören. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es soll auch bei der geschäftlichen Gestion des ORF (Zwischenruf des Bundesrates Gstöttner )  – ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen – einmal Ordnung gemacht werden. (Bundesrat Kraml: Ordnung machen! Jawohl!) Es soll dem ORF bei Joint Ventures mehr auf die Finger geschaut werden, was heute nicht der Fall ist. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme nun zum Ende meiner Rede. (Bundesrat Thumpser  – Beifall spendend –: Der erste vernünftige Satz!) – Erst am Ende der Rede bitte klatschen.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich fordere Sie auf (Bundesrat Gstöttner: Nein, nicht auffordern!), zu dem zu stehen, was Sie in Wirklichkeit behaupten, nämlich die Unabhängigkeit des ORF zu fördern. (Bundesrat Thumpser: À la Westenthaler! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wenn schon Ihre Fraktion im Nationalrat nicht zugestimmt hat, dass wir die bestmögliche Lösung machen, wenn wir aber jetzt schon so weit sind, dass wir eine sehr weitgehende Lösung mit möglichster Unabhängigkeit machen und endlich zur Meinungsvielfalt unserer Medien finden, dann fordere ich Sie als die Ländervertreter auf, nicht nur Lippenbekenntnisse zu machen, sondern auch bei der Abstimmung Ihre Hand zu heben. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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13.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Trunk. – Bitte.

13.20

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kollegen und Kolleginnen! Mein Vorredner hätte in der Tat ein, zwei Sätze riskieren können, denen ich mich inhaltlich voll angeschlossen hätte. Er hätte nämlich ganz einfach ein bisschen Benimm haben können und seinen und unseren Kärntner Landeshauptmann-Stellvertreter Mathias Reichhold herzlichst begrüßen können, anstatt ihn hinauszureden. Da hätte ich Beifall geklatscht, denn es wäre ihm zugestanden. (Beifall bei der SPÖ.)

Obwohl er leider nicht mehr da ist, mache ich es, um zu zeigen, welche Form der politischen Kultur es auch noch gibt, und zwar mit anderen Personen von den Freiheitlichen.

Zur "Fragestunde" des Vorredners kann ich nur sagen – ich denke, Sie kennen mich lange genug, um mir das glauben zu können –: Es geht nicht an, dass der eine nur fragt und der andere Antworten gibt, das heißt, dass selbständiges Denken nicht möglich gemacht wird. Mein Prinzip ist einfach und heißt: selbst lesen, selbst hören, selbst denken und dann selbst entscheiden. – Daher werde ich mir nicht den Luxus erlauben, Ihnen nur irgendeine Antwort zu geben.

Zum zweiten Punkt: Zu Ihrem Appell an die Sozialdemokratie, die Unabhängigkeit des ORF – ich erweitere: Sie werden wohl gemeint haben, der Medien in Österreich – zu fördern. – Der Name eines Klubobmannes ist gefallen (Bundesrat Dr. Aspöck: Kostelka!), ich nehme ihn nicht in den Mund, weil es nachweislich ein "Westen"-Terror ist, der da durch Österreich zieht.

Dritter Punkt: die unwidersprochene Haltung der Freiheitlichen zur Meinungsfreiheit und zur Presseförderung: Die Hand, die mich füttert, beißt man nicht! (Aha-Rufe bei der SPÖ.)  – Das ist nicht die Freiheit, die die Sozialdemokratie will. In der Tat, Herr Kollege d'Aron! (Beifall bei der SPÖ.)

Da ich, weil es mir ein bisschen fad war, Ihrer langen Rede zuzuhören, in den Protokollen des Nationalrates nachgeblättert habe, werde ich in Kürze daraus zitieren. Die Reden der eigenen Genossen und Genossinnen muss ich nicht lesen, weil wir innerhalb der SPÖ ein Kommunikationssystem haben, und daher kann ich mich recht kurz fassen.

Diese Gesetznovelle ist – das ist keine Behauptung der Sozialdemokratie – in Wirklichkeit der 149. Beweis dafür, dass diese Bundesregierung trotz mancher Bekenntnisse vor laufender Kamera zur Kooperation und Zusammenarbeit mit den Oppositionsparteien auf ebendiese Zusammenarbeit und Kooperation mit den Oppositionsparteien keinen Wert legt. (Bundesrat Dr. d′Aron: Aber wir haben Sie eingeladen!) Das ist Ihr politischer Stil, das ist Ihre politische Kultur, aber das ist eine Angelegenheit der Regierung, und das werde ich nicht weiter monieren.

Nächster Punkt, bei dem ich die FPÖ doch etwas gesondert ansprechen muss (Bundesrat Weilharter: Sie wissen nicht: Müssen Sie oder wollen Sie!): Stellen Sie sich dieses Gesetz vor, so wie es jetzt hier vorliegt, und die Haltung der FPÖ, wäre sie eine Oppositionspartei, dazu! Die Begriffe, die Bezeichnungen, die Apostrophierungen wie "Regierungsfunk", "Rotfunk", "Schwarzfunk" wären noch harmlose Lobhudeleien gewesen. (Buh-Rufe bei der SPÖ.)

Stellen Sie sich vor, wie die FPÖ, wäre sie in der Opposition, zu diesem Gesetz stehen würde! Ihre eigenen Argumente können Sie noch hören, weil Sie diese in den letzten Jahrzehnten unendlich oft von sich gegeben haben – und dies trotz einer sehr transparenten Medienlandschaft in Österreich.

Weiterer Punkt: die Frage, warum diese Medienbehörde zwei Geschäftsführer hat. – Die Bundesregierung wird mich überraschen, und ich freue mich darauf: Sie werden nicht der ÖVP angehören, und sie werden auch nicht der FPÖ angehören.

Zur Frage, wer die fünf honorigen Persönlichkeiten sein werden, die die Berufungsinstanz repräsentieren werden: Wenn da von Transparenz, Demokratiepolitik und Nichtvorhandensein von Parteipolitik geredet wird, dann möchte ich meinen Landeshauptmann zitieren, der gemeint hat, dass auch ihm dieses "Rot raus und Blau/Schwarz rein" schon zu viel ist.


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Sie können uns überraschen und einfach parteipolitisch nicht punzierte Experten und Expertinnen in dieses Gremium entsenden. Nur: Sie werden mir schon glauben müssen, dass mein Glaube an die Realisierung dieser Vision, dieses Wunsches relativ klein ist.

Der letzte Punkt ist die Frage – vielleicht habe ich es überlesen, aber das wird mir der Herr Staatssekretär sicher beantworten –, wer die Landesvertreter ernennen wird. Wie die Nominierung der so genannten Landesvertreter vorgenommen werden soll, ist mir noch nicht ganz klar.

Zum Schluss: Ich zitiere jetzt keine Rede einer SPÖ-Abgeordneten, sondern ich gebe die Rede einer Abgeordneten einer anderen Partei wider, und erst am Ende des Zitats sage ich Ihnen dann, aus welcher Partei diese stammt.

Ich zitiere: "Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin heute traurig, weil der Versuch, gemeinsam mit der Opposition einen unabhängigen, fachkundigen Regulator für das zusammenwachsende Wirtschaften Telekommunikation und Medien zu schaffen, leider gescheitert ist."

Weiter unten sagt die Rednerin, die nicht der SPÖ angehört: "Wir haben nämlich damit auch die Chance vertan, eine Behörde von europäischem Standard zu schaffen. Darin liegt in Wirklichkeit auch das Problem."

Sie sagt außerdem – ich zitiere weiter –: "Ich verstehe es nicht, ich kann es mir nicht erklären, es tut mir Leid."

Diese Rednerin führt dann weiter aus, warum dieses Gesetz nicht jene Qualität besitzt, die sie sich als ÖVP -Nationalratsabgeordnete vorgestellt hätte, nämlich ÖVP-Nationalratsabgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer. – Danke schön. (Beifall und Oh-Rufe bei der SPÖ.)

13.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Maier. – Bitte.

13.27

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorrednerin bringt es tatsächlich zu Stande, im Parlament gehaltene Redebeiträge so zu verdrehen, dass es eindeutig zu Missverständnissen kommt. (Bundesrätin Mag. Trunk  – die zitierte Rede in die Höhe haltend –: Hier ist es schriftlich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das Problem, das Sie haben, ist, dass Sie nicht wissen, wie es zu diesem Gesetz gekommen ist. Ich habe den Eindruck, dass Sie überhaupt nicht wissen, worum es da geht, auch nicht Ihr Kollege, der als Erster gesprochen hat.

Sie wären eingeladen gewesen, ein Gesetz mit Zweidrittelmehrheit mit zu beschließen, das vorsah, dass es zu einer unabhängigen Behörde kommt. Nur das hat Ihnen natürlich nicht gepasst! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eines sagen – das ist auch der Grund, warum ich mich jetzt zu Wort gemeldet habe –: Ich glaube nämlich, dass, unabhängig von diesem Gesetz, in der Medienpolitik – dazu ist schon Vieles gesagt worden – ein Quantensprung passiert. Ein solcher Quantensprung ist auch in der Punktation, die die Bundesregierung im letzten Ministerrat vorgelegt hat, enthalten.

Meine Damen und Herren! Es hat Ihr Kollege Cap eine sehr bemerkenswerte Aussage gemacht. Die Bundesregierung hat nämlich klargestellt, dass die künftigen Mitglieder des Stiftungsrates nicht mehr Mandatare sein sollen, keine Mitglieder der Klubs oder sonstige Parteiangestellte. Was sagt Herr Cap dazu? – Herr Cap spricht sofort von "Rosstäuscherei" als jener Mann, den ich eingeladen habe, und zwar schon im Jahre 1992, jenen Schritt zu gehen, einen Beitrag zur Entpolitisierung des ORF zu leisten.


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Ich war damals Mitglied des Kuratoriums des ORF. Ich glaube aber, dass man, wenn man eine faire, anständige Medienpolitik in diesem Land machen will, nicht Mitglied des Kuratoriums sein sollte.

Herr Cap, der im Jahre 1992 Ihr Mediensprecher war, ist im Kuratorium sitzen geblieben, hat dort sitzen bleiben müssen, weil Herr Dr. Vranitzky das so wollte. Er hat ihn dann, als er Bundesgeschäftsführer wurde, hinausgeschmissen. Es musste dann Frau Mag. Brigitte Ederer einziehen, damit der parteipolitische Einfluss der SPÖ im ORF sichergestellt bleibt. (Bundesrätin Mag. Trunk: Khol und Westenthaler sind "anständig"!)

Das Spannende an der Geschichte ist jetzt – das wird man sehen –, dass Frau Mag. Ederer, die nicht mehr Politikerin ist, drinnen sein wird. Sie wird jetzt vielleicht eine andere Haltung einnehmen als die gewünschte. Das wäre sehr zu begrüßen, weil es, wie ich glaube, notwendig ist, dass eine gewisse Unabhängigkeit im ORF einzieht.

Ich glaube aber auch, dass Sie es in der Hand gehabt hätten, einen Beitrag zu leisten, künftighin diese Unabhängigkeit im Wege der vorerst vorgeschlagenen Behörde zu dokumentieren. Nur bei all den Dingen sollte man, so glaube ich, das Augenmerk auch ein wenig auf die internationalen Märkte und auf die Märkte in Europa richten.

Wenn wir heute dieses Gesetz beschließen, dann sollten wir doch auch ein bisschen andere Bereiche der Medienpolitik ansprechen, durchaus auch den Bereich der Printmedien, der heute schon einmal angesprochen worden ist. Ich glaube, dass man da die internationale Entwicklung verfolgen sollte.

Wenn gemeint wurde, dass auch in Deutschland die beiden Magazine "Der Spiegel" und "Focus" nicht aus einem Haus kommen, so ist das richtig. Ich glaube aber sehr wohl, dass man sich international jene Titel anschauen muss, die aus diesen Verlagshäusern kommen. Das sind unter Umständen 80 bis 100 verschiedene Titel, sodass man sagen kann, dass die neue Magazingruppe, die in Österreich geschaffen wurde, auf Grund der Märkte, die wir haben, eine Größenordnung hat, die es zulässt zu hoffen, dass künftig auch neue Produkte entstehen.

Ich glaube, wenn wir heute Medienpolitik machen, sollten wir für eine Entwicklung in Richtung Erhaltung der Medienfreiheit, Erhaltung der Medienvielfalt und natürlich auch in Richtung Erhaltung der Unabhängigkeit bei den einzelnen Titeln und Produkten eintreten. Das kann, wenn man es richtig macht, auf Basis der bestehenden Gesetze auf Grund von Auflagen, wie sie zum Beispiel im gegenständlichen Verfahren erteilt wurden, geschehen.

Ich glaube, meine Damen und Herren, die Punktation, die im Ministerrat beschlossen wurde, die auch die Möglichkeit enthält, Privatfernsehen einzuführen, ist ein Beitrag zur Meinungsvielfalt. (Bundesrat Gstöttner: Ja, richtig!) Sie sagen noch "richtig". Hätten Sie es gemacht! Hätten Sie Ihren Herrn Bundeskanzler Klima mit einer dringlichen Anfrage in den Jahren von 1994 bis 1999 befasst und gefragt, wann denn endlich das Privatfernsehen kommt! (Bundesrat Gstöttner: Die ÖVP war dagegen!) Es war mit Ihnen überhaupt nicht möglich, ein Privatradiogesetz zu verabschieden. Da hatten Sie die Idee, solche Hirngespinste wie eine Beteiligungsbeschränkung zu machen. (Bundesrat Kraml: Sie waren schon immer "gescheit"!) Das hat diese Bundesregierung im neuen Privatradiogesetz repariert.

Sie gehen immer davon aus, man müsse alles reglementieren, man müsse alles steuern. Ich habe Ihrem Kollegen Cap damals gesagt: Vergessen Sie das, das ist nicht haltbar! – Was ist geschehen? – Es hat längere Zeit gedauert, um draufzukommen, dass das Gesetz geändert gehört. Wir haben es jetzt dementsprechend geändert.

Sie hätten es in der Hand gehabt, Privatfernsehen zu machen, aber Sie haben es nicht gemacht, weil Sie die Hüterin des parteipolitisch geführten ORF waren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Gott sei Dank hat sich das geändert, und das ist auch mit ein Grund, warum ich froh bin, dass es zu diesem Gesetz kommt. (Neuerliche anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Ing. Klamt übernimmt den Vorsitz.)


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Das zeigt auch, wie wenig koordiniert Sie sind. Sie hatten einmal einen Bundesgeschäftsführer, der Andreas Rudas geheißen hat. Herr Andreas Rudas hat im Oktober vergangenen Jahres kurz vor der Wahl genau das vertreten, was in Wirklichkeit die Basis für das Gesetz der "KommAustria" war, zu dessen Beschluss wir die Zweidrittelmehrheit gebraucht hätten. Das vertrat damals Herr Andreas Rudas – wissend, was in Amerika gang und gäbe ist, was in Großbritannien gang und gäbe ist.

Nur jetzt, da Sie in der Opposition sind, ist alles anders. (Bundesrat Gstöttner: Nein, nein!) Sie fürchten offensichtlich, dass Sie, wenn Sie wieder an die Macht kommen sollten – dazu kann ich nur sagen: wenn Sie so weitertun, wird das ohnehin nie der Fall sein –, dann keinen Einfluss auf den ORF haben werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich glaube, dass man angesichts dieses Quantensprungs, der heute auf Grund dieses Gesetzes und der Punktation, die im Ministerrat beschlossen worden ist, erfolgt, davon sprechen kann, dass ein neues Zeitalter in der Medienpolitik begonnen hat, wobei ich aber noch einmal darauf hinweisen möchte, dass man sehr wohl die Märkte – sowohl national wie auch international – im Auge behalten muss. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.34

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Franz Morak. – Bitte.

13.34

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen für Ihre Redebeiträge, vor allem für jene, in denen man sich seriös und ernsthaft mit dem Thema dieser Debatte auseinander gesetzt hat. Herrn Bundesrat Dr. d'Aron möchte ich für den guten Gedanken der Trennung von Infrastruktur und Inhalt danken, denn das ist ein wesentlicher Punkt der zukünftigen Politik, und zwar nicht nur der Verkehrspolitik, sondern natürlich auch der Kommunikationspolitik. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.  – Bundesrätin Fuchs: Jetzt ist er um einen Zentimeter größer geworden!)

Wie Sie wissen, hat diese Bundesregierung zahlreiche Maßnahmen in Angriff genommen, die sich mit der Neuordnung des Rundfunks und der Telekommunikation auseinander setzen, und das ist als Reaktion zu sehen auf eine sehr lange Pattstellung – um nicht zu sagen: Stillstand – im Medien- und Telekommunikationsbereich in diesem Land. Das hat uns auch – wir alle haben uns darüber geärgert – im Ausland oft den Vorwurf eingebracht, dass wir in Österreich ein so genanntes "Medien-Albanien" haben.

Kurz zusammengefasst darf ich sagen – ich möchte mich damit nicht berühmen –: Diese Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt – ich durfte bei den Arbeiten dazu dabei sein –, im Medien- und Telekommunikationsbereich eine Neuordnung in Gang zu setzen.

Wie Sie wissen, war mit der ursprünglichen Regierungsvorlage geplant, in diesen Belangen eine weisungsfreie Behörde zu schaffen. Glauben Sie mir, ich würde mir einen Vorwurf in Bezug auf meine Intelligenz gefallen lassen müssen, wenn ich, wenn ich im Parlament eine Zweidrittelmehrheit brauche, nicht alles versuchte, eben diese Zweidrittelmehrheit zu bekommen. Sie können also davon ausgehen, dass ich natürlich den Dialog gesucht habe, sowohl mit Dr. Gusenbauer als auch mit Dr. Cap und mit allen anderen Personen von der Sozialdemokratie, die in der Medienpolitik verantwortlich sind. (Bundesrat Gstöttner: Da wird das Angebot nicht gestimmt haben!) Es ist leider nicht so ausgegangen, wie ich es mir gewünscht habe.

In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, aber Folgendes sagen: Es ist gerade in diesem Bereich, in dem es um große Investitionen und große Wirtschaftsleistungen geht, jedes parteipolitische Kalkül hintanzuhalten. Nehmen Sie es einfach als wahr und gegeben an: Wir sind zu keiner Einigung gekommen, zum Schaden – zum Schaden! – der Situation des Rundfunks und zum Schaden der Telekomindustrie in unserem Land. Ich habe es in meiner Rede im Parlament schon gesagt: Es ist eine Lösung, bei der diese Republik eine große Chance vorbeigehen ließ.


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Es ist der Initiative von Frau Dr. Baumgartner-Gabitzer und Herrn Dr. Krüger zu verdanken, dass die Existenz vieler Privatradios mit diesem Gesetz gesichert bleibt. Das heißt, der Äther wird nicht stumm bleiben. Jeder von Ihnen kennt das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in dieser Angelegenheit. Die provisorische Regelung wäre am 19. 6. abgelaufen. – Ich danke noch einmal den Abgeordneten, die dieses Gesetz zu Wege gebracht haben.

Leid tut es mir in diesem Zusammenhang, und zwar nicht nur aus ideellen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen, dass wir die sehr wesentliche zweite Instanz im Bereich der Telekommunikation nicht zu Wege gebracht haben, das heißt, schnelle Rechtssicherheit auf dem Telekommunikationsmarkt zu schaffen. Dieser Bundeskommunikationssenat, die zweite Instanz wäre wichtig, weil gerade in diesem Bereich Urteile schon seit Jahren ausstehen und durch mehr Sachkenntnis schneller zu fällen wären. Denken Sie nur an das Investitionsvolumen in diesem Bereich! Diese Branche hat danach gelechzt, hier innerhalb kürzester Zeit – wir haben an drei Monate gedacht – Rechtssicherheit in den wesentlichen Bereichen des Wirtschaftswachstums und der Telekommunikationsindustrie unseres Landes zu bekommen.

Wie Sie wissen, habe ich den Wunsch des Bundesrates ernst genommen und auch darauf reagiert, nämlich Ländervertreter in den Beirat zu entsenden. Um auf Frau Mag. Trunk einzugehen: Gedacht ist daran, dass es Vorschläge der jeweiligen Landesregierung gibt, und aus diesen Vorschlägen wählt die Bundesregierung den Vertreter für den Rundfunkbeirat aus.

In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und glaube, dass wir mit diesem Gesetz etwas Vernünftiges für den Medienstandort Österreich machen.

Eine Bemerkung noch: Wenn wir in einem Bereich wie Telekommunikation und Medien zwei Geschäftsführer haben (Bundesrat Gstöttner: Sind diese unabhängig?), dann bitte ich Sie auch zu bedenken, dass es sich dabei um zwei Materien handelt, die natürlich auch getrennt zu sehen und zu führen sind. – Nochmals vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.39

Präsident Ing. Gerd Klamt: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Punzierung und Kontrolle von Edelmetallgegenständen (Punzierungsgesetz 2000) erlassen und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert wird (393 und 436/NR sowie 6323/BR der Beilagen)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Punzierung und Kontrolle von Edelmetallgegenständen


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(Punzierungsgesetz 2000) erlassen und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Monika Mühlwerth: Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Punzierung und Kontrolle von Edelmetallgegenständen (Punzierungsgesetz 2000) erlassen und das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher. – Bitte.

13.41

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz könnte bei manchen den Eindruck erwecken, nur einen kleinen Teil des Wirtschaftslebens zu betreffen und vielleicht etwas weniger wesentlich zu sein als die vorangegangenen, spannenderen Debatten. So wie bei der in der letzten Sitzung behandelten Abspaltung der Postbus AG sprechen auch da die Zahlen eine andere Sprache.

Betroffen sind nämlich immerhin rund 5 000 heimische Unternehmen und Künstler mit etwa 11 500 Standorten und nicht weniger als 2 Millionen Edelmetallgegenstände. Betroffen ist laut Begründung der Vorlage auch der Bundeshaushalt, betroffen sind weiters einige Dutzend Arbeitnehmer, betroffen sind aber auch Hunderttausende von Konsumenten, über die sich das Gesetz in seiner zitierten Begründung allerdings weitestgehend ausschweigt.

In Zukunft sollen ganze elf Punzierungskontrollorgane im Außendienst tätig sein, zwei weitere im Edelmetallkontrolllabor. Damit soll – ich zitiere – "ein echter Abbau von Staatsaufgaben bewirkt werden".

Wenngleich zunächst schon die Frage zu stellen ist, warum gerade im Bereich von Kontrollaufgaben des Staates eine Ausgliederung erfolgen soll – vor allem dann, wenn es um den Konsumentenschutz geht; letztlich geht es aber auch um Sicherheit und damit um wettbewerbsmäßige Waffengleichheit von Unternehmen –, sollte auch in diesem Fall nicht von Vornherein ein kategorisches Nein erklärt werden. Es ist sicherlich sinnvoll, jede einzelne Staatsaufgabe zu durchforsten und sie dann gegebenenfalls auch durch Private durchführen zu lassen. Das geschieht aber in diesem Fall nicht wirklich. Wie gesagt, man kann geteilter Meinung darüber sein, ob der gegenständliche Bereich reorganisiert werden sollte. Manche sind skeptisch, mit guten Gründen. Andere wiederum sind dafür, und auch sie können glaubhafte Argumente ins Treffen führen.

Ich persönlich bin durchaus der Ansicht, dass eine Privatisierung unter klaren Rahmenbedingungen zum Schutz der Konsumenten wie auch der Wirtschaft im Bereich der Punzierung durchaus erfolgen könnte. Was hier allerdings vorliegt, ist eine Mischung aus Privat und Staat, die weder das eine noch das andere ist und meiner Überzeugung nach mehr Nachteile bringen wird, als diese bis dato vorhanden sind.

Immerhin hat die staatliche Punzierung mit Ausnahme des Jahres 1999 bisher immer positiv zu Gunsten des Bundes gewirtschaftet, und bei der Ausgliederung von Gewinnträgern sollte man


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besonders vorsichtig sein. Wenn das Argument kommt, dass man auch kalkulatorische Faktoren einrechnen muss, gebe ich zu bedenken: Das zählt in jedem Fall, auch bei der jetzt vorliegenden Novelle.

Das Argument, eine völlige Privatisierung wäre zu teuer gewesen, wäre den Konsumenten und den Unternehmen zu teuer gekommen, kann ebenfalls nicht ganz zutreffen, denn immerhin kommen auch jetzt auf alle Beteiligten nicht unerhebliche Kosten zu. Die Wirtschaftskammer etwa führt – ich glaube, zu Recht – ins Treffen, dass sich die Wirtschaft auf Grund der neuen bürokratischen Anforderungen nicht in der Lage sieht, die Vorschriften objektiv zu erfüllen. – Das klingt, wenn das von Seiten der Wirtschaftskammer kommt, nicht sehr beruhigend für den Konsumentenschutz, zumal elf Punzierungskontrollorgane nicht in der Lage sein können, die Stichproben auch nur in jenem Ausmaß zu erfüllen, die in der Beilage in den Begründungen angeführt sind.

Herr Staatssekretär! Sie waren lange genug im Rechnungshof, um zu wissen, dass eine Überprüfung von acht bis neun Standorten pro Arbeitstag mit dem neuen Gesetz schlicht und einfach illusorisch ist! Damit geht auch der § 13 völlig ins Leere. Bisher wurde bei der Nachschau lediglich das Vorhandensein der staatlichen Punzen überprüft, nunmehr müssen aber neben dem Vorhandensein der Verantwortlichkeits- und Feingehaltspunzen insbesondere auch eine Überprüfung des Feingehaltes der Gegenstände erfolgen und auch der vom Verantwortlichen angewandten Prüfverfahren sowie Qualitätssicherungsmaßnahmen vorgenommen werden.

All das wird im angestrebten Ausmaß mit der dünnen Personaldecke nicht machbar sein, daher werden die Punzierungskontrollorgane auch nicht in der Lage sein, zusätzliche Feingehaltsprüfungen zu übernehmen, wenn das von Unternehmen oder Konsumenten gewünscht wird. Das ist in Wirklichkeit auch der wahre Grund, warum kein Kontrahierungszwang vorgesehen wurde.

Abgesehen davon, dass auch für diese Prüfung ein Kostenersatz zu leisten ist, bleibt also den Unternehmen und Konsumenten nur mehr das Edelmetallkontrolllabor. In diesem sind wiederum nur ganze zwei Bedienstete vorzufinden, und nach § 21 wird es nur ein einziges solches Labor geben, nämlich in der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Erhebliche Zusatzkosten gibt es also für jene, die etwa aus Vorarlberg und Tirol anreisen, um die Prüfung vornehmen zu lassen.

Die Gebühreneinhebung wird nach wie vor von den Hauptzollämtern und die Strafverfahren von den Bezirksverwaltungsbehörden durchgeführt. Im Jahr 2000 gab es dem Vernehmen nach rund 5 000 solcher Verfahren, und zwangsläufig ist bei den nun vorgesehenen gelockerten Bestimmungen – Stichproben sind nun einmal lockerer als Vollprüfungen – mit einem Ansteigen der Zahl dieser Verfahren zu rechnen. Das bedeutet also zusätzliche Kosten für die Gebietskörperschaften, wie es etwa auch das Land Salzburg in seiner Stellungnahme dargelegt hat.

Ganz wesentlich sind dann noch die Kosten, die durch § 20 hinzukommen, die Punzierungskontrollgebühr, eine ausschließliche Bundesabgabe. Die Höhe dieser Gebühr ist mit Verordnung festzusetzen, und zwar nach dem Erfahrungswert der durchschnittlich durch dieses Gesetz entstehenden Kosten. – Abgesehen von der juristischen Prüfung, ob eine derartige Formulierung bei einer Anfechtung halten wird, was ich nicht glaube, heißt das im Klartext: Egal, wie viel die Kontrolle kostet, sie muss über die Gebühren abgedeckt werden. – Damit entsteht weder Effizienzdruck noch irgendein Kostenbewusstsein, ansonsten ja gemeinhin Argumente für Aufgabenreformen.

Ob die Stichproben in der Lage sind, den gleichen Schutz wie das bisherige System zu bieten – das wird in der Begründung ebenfalls behauptet –, bleibt abzuwarten. Ich möchte von Vornherein gar nicht ausschließen, dass das eintreten könnte, obwohl Beispiele aus anderen Bereichen, etwa bei der CE-Kennzeichnung, das Gegenteil befürchten lassen. Ich denke aber doch, dass grundsätzlich Stichproben auch im Bereich der Punzierung ausreichend sein könnten. Allerdings glaube ich eben nicht, dass das Personal hiefür ausreichend sein wird.

Das Argument, das öfter bezüglich der höheren Strafen, die eingeführt werden, angeführt wird, geht für jeden, der die Gewerbeordnung auch nur im Leisesten kennt, völlig ins Leere. Dort gibt


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es auch etliche Strafen, bis hin zum Entzug der Gewerbeberechtigung, aber wir alle wissen, wie "abschreckend" diese Strafen tatsächlich sind.

Im Grunde bin ich der Meinung, dass der Konsumentenschutz ohnehin zu den Kernaufgaben des Staates zählt, zumal kein Markt jemals in der Lage sein wird, einen ausreichenden Schutz auf diesem Gebiet zu gewährleisten. Ich weiß mich da sowohl in Übereinstimmung mit der Empirie als auch mit der finanzwissenschaftlichen Lehre. Dennoch könnte man, so glaube ich, im Bereich der Punzierung wahrscheinlich tatsächlich eine Privatisierung ins Auge fassen, und zwar, wie erwähnt, unter genauen gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Wie gesagt, das Kostenargument trifft für mich nicht zu, denn das Vorblatt zum Gesetz führt selbst mehrfach aus, dass auch mit der nunmehr vorgeschlagenen Regelung – ich zitiere wieder – neue Kosten für Edelmetallhandel und -gewerbe entstehen.

Das vorliegende Gesetz vermag also keinem der beiden Ansätze gerecht zu werden. Wirtschaft wie Konsumentenschutz wie auch Gewerkschaft öffentlicher Dienst haben das in ihren Stellungnahmen, wie ich meine, glaubhaft dargelegt, und daher wird meine Fraktion dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.49

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Uta Barbara Pühringer. Ich erteile es ihr.

13.49

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die vorliegende Novelle zum Punzierungsgesetz wird von der Wirtschaft begrüßt, das wurde mir zumindest von Herren, die bei den Verhandlungen im Namen der Wirtschaft dabei waren, mitgeteilt. Ich möchte in meinem Beitrag weniger auf die Intention des Gesetzgebers, was die Einsparungen betrifft, eingehen – diese Einsparungen, so wird gesagt, werden nicht sofort eintreten, sondern werden eher langfristig erwartet –, sondern ich möchte das berichten, was mir Betroffene aus dem Bereich der Wirtschaft dazu gesagt haben.

Befragen Sie Juweliere, Goldschmiede und Händler! Diese werden Ihnen sagen, dass diese Novelle das verwirklicht, was angeblich schon ein mehr als 20 Jahre alter Wunsch aus diesem Bereich ist.

Worum geht es dabei? – Das bisherige System der Drittkontrolle durch den Staat, also durch die Punzierungsämter, ist für die Betroffenen mit vielen Nachteilen und auch Erschwernissen verbunden. Firmen, die am Ort kein Punzierungsamt haben, müssen entsprechende Weg- und Wartezeiten auf sich nehmen, so ist mir gesagt worden, und auch mein Vorredner hat bestätigt, dass die Vorarlberger nach Innsbruck fahren müssen und dass die Kärntner angeblich nach Graz fahren müssen. Wenn man meint, der Ausspruch "Zeit ist Geld" stimmt, dann muss man zugeben, dass das doch in einigen Fällen zu einer enormen Wettbewerbsverzerrung führt. Bei größeren Mengen oder auch zu Stoßzeiten wie zum Beispiel vor Weihnachten kommt es immer wieder zu langen Wartezeiten von sogar zwei bis drei Wochen. Jeder Goldschmied, der Schmuck importiert oder anfertigt, muss diesen Weg zum Punzierungsamt antreten.

Was ist nun neu? – Die Erzeugerpunze, die im gesamten EU-Raum anerkannt wird, zu der einzelne Firmen berechtigt werden, wird im Finanzministerium registriert, sodass man bei den Kontrollen, die weiterhin stichprobenartig durchgeführt werden, die weiterhin durch staatliche Stellen erfolgen, durch diese Punze die Herkunft eines Schmuckstückes feststellen kann.

Der Kritik an dieser Novelle war zu entnehmen, dass man meint, dass künftig der Schutz der Konsumenten nicht mehr ausreichend gegeben ist. Die Betroffenen aus der Wirtschaft führen hingegen ins Treffen, dass kaum ein Erzeuger unterlegieren wird, weil die Strafen – ich sage das, obwohl es bestritten oder nicht ins Treffen geführt wird – entsprechend hoch angesetzt sind. Das geht bis zum Entzug der Berechtigung für diese Punzierung. Dieses Risiko steht in keinem Verhältnis zu dem Kostenvorteil, den man sich durch einen Schwindel verschaffen kann.


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Folgendes Beispiel ist mir genannt worden. Ein Schmuckstück mit einem Goldwert in der Höhe von etwa 2 000 S bringt bei einer Unterlegierung von fünf Tausendstel nur einen Vorteil von 15 S. – Sicher gibt es auch Schmuckstücke, die einen größeren Goldwert haben, aber im Durchschnitt besteht der Wert eines Schmuckstückes weniger im Goldwert als vielmehr in der kunstvollen Anfertigung und in den Steinen. Aber die Qualität oder die Echtheit der Steine wird amtlich nicht überprüft.

Ich sehe daher diese Maßnahme nicht so sehr oder nicht in erster Linie unter dem Aspekt der Einsparung, sondern unter dem Aspekt der schon lange geforderten Vereinfachung für die betreffenden Wirtschaftstreibenden in dieser Branche. Meine Fraktion wird dem vorliegenden Antrag zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.54

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Mag. Christof Neuner zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

13.54

Bundesrat Mag. Christof Neuner (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Zu den Befürchtungen meines Vorredners Mag. Hoscher möchte ich folgendes Beispiel bringen: Wenn Sie heute bei einem Straßenhändler in Bologna, in New York oder in London, wo immer, eine Imitation einer goldenen Rolex um 300 S kaufen, werden Sie feststellen, dass nicht nur die Seriennummer und das Gewicht, sondern auch die Punzierung ganz genau nachgemacht ist. Eine solche Uhr kostet im Original im Fachhandel ab 30 000 S aufwärts, und es ist sogar für Juweliere oder einen Fachhändler oft schwierig, auf den ersten Blick – später erkennt er es natürlich – festzustellen, ob eine solche Uhr echt ist oder nicht. Missbrauch gibt es, wird es immer geben und wird man nicht abstellen können.

Im Nationalrat hat Herr Abgeordneter Mag. Maier dem Plenum einen Ehering präsentiert und dazu festgestellt, das sei noch ein Gold, bei dem der Feingehalt enthalten ist, der auf der Punzierung steht.

Ich glaube nicht, dass durch die Möglichkeit der Eigenzertifikation jetzt plötzlich Schwindler oder Gauner – ich will das nicht so sehen – auf den Plan treten und dass dann alles nicht mehr echt ist. Frau Kollegin Pühringer hat schon festgestellt, dass bei einem Schmuckstück der Wert des Goldes gegenüber dem Wert der Arbeit eher sehr gering ist und dass sich das überhaupt nicht auszahlt! Dazu kommen abschreckend wirkende Strafen, und Kontrollen sind vorgesehen. Dafür gibt es ein Kontrollinstitut.

Man muss sich vorstellen, was das für das Image des Einzelnen bedeuten würde, wenn er das jemals machen sollte. Das kann er sich als Kaufmann, als Händler einfach nicht leisten oder nicht mehr oder weniger als derzeit. Daher glaube ich, dass auch bei der Eigenzertifikation der Goldgehalt drinnen sein wird, der angegeben ist.

Ich habe im Ausschuss die Frage gestellt, ob ich auch die Möglichkeit hätte, sollte sich bei mir eine künstlerische Ader öffnen, eine solche Berechtigung zu bekommen. Mir ist geantwortet worden, dass dies erstens durch die Gewerbeordnung geregelt ist, zweitens muss man Mitglied einer Künstlervereinigung oder entsprechend versichert sein oder Ausstellungen mitmachen und so weiter. Als Letztes wurde mir der Rat gegeben: Stellen Sie einen Antrag, dann werden wir sehen, was herauskommt. – Ich erwähne das, weil ich meine, da ist vielleicht noch eine Schwachstelle im Gesetz.

Wir werden diesem Gesetz zustimmen, denn wir sehen darin sehr wohl einen Abbau der Staatsaufgaben. Ich glaube, der Markt regelt das. Es wird nicht zu mehr, aber auch nicht zu weniger Missbrauch kommen, als wir bisher leider haben. So muss man das sehen.

Die Mitarbeiter werden nicht freigesetzt, sondern es ist mit den Finanzlandesdirektionen geregelt, dass sie übernommen werden.


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In einem Punkt gebe ich Ihnen Recht: Für die Kontrolle sollten modernste Geräte angeschafft werden. Damit sollte die Kontrolle verstärkt werden. Der Konsument hat die Möglichkeit, bei den vorgesehenen Stellen die Gegenstände überprüfen zu lassen. – Danke.

13.57

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Alfred Finz. – Bitte.

13.57

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Es ist immer wieder das Gleiche: Täglich wird in Zeitungen auch von Abgeordneten eine Strukturreform gefordert. Aber wehe, man versucht, eine umzusetzen!

Der Staat versucht nicht, diesen Bereich aufzugeben, sondern er zieht sich auf eine Aufsichtsfunktion zurück. Wo steht denn geschrieben, dass der Vorgang der Punzierung unbedingt von staatlichen Organen durchgeführt werden muss? Wieso kann man diese Aufgabe nicht jenen übertragen, die an ordentlichen Geschäften interessiert sind? – Ich nehme doch an, dass unsere Händler, unsere Produzenten nicht an einem Betrug interessiert sind, sondern dass sie den Konsumenten eine einwandfreie Ware verkaufen wollen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wir haben mit der Wirtschaftskammer gesprochen. Die Auskunft hat gelautet: Die überwiegende Mehrheit der Händler und Produzenten ist daran interessiert, dass diese Punzierungsverpflichtung an die Händler und ihre Unternehmungen übertragen wird, weil das vor allem auch eine Erleichterung ist. Es waren nicht so viele Punzierungsämter vorhanden. Da waren sehr viele Wege zu erledigen, viele Anträge zu stellen, und jetzt erübrigt sich das.

Zur künftigen Punzierungskontrollgebühr möchte ich sagen, weil an den Kosten Kritik geübt wird: Es sind nicht 15, sondern 16 Bedienstete, Herr Bundesrat Hoscher! Sie haben auf einen vergessen. Aber diese Kostenrechnung lässt sich leicht nachprüfen. Wir haben ein normiertes Besoldungssystem. Diese Kosten lassen sich also leicht nachvollziehen. Wenn Sie allerdings mehr Kontrollen wünschen, wie Sie zuerst ausgeführt haben, dann wird diese Gebühr teurer. Aber wir wollen einen schlanken Staat, und daher glauben wir auch, dass das neue Stichprobenverfahren, das wir durchführen werden – es wird eine neue Organisation in diesem Bereich geben –, ausreichend ist.

Freilich, wenn Sie mehr verlangen, dann kostet das auch mehr. Sie müssen sich entscheiden. Wenn etwas billiger sein soll, dann macht man das mit weniger Aufwand. Es kommt noch dazu, dass jeder Konsument, der Zweifel hat, auch eine Prüfung beantragen kann.

Ich finde, es ist ein erster beachtlicher Schritt zu einer Strukturreform, wenn von ungefähr 50 Bediensteten auf 16 reduziert wird, wobei wir das natürlich vorbildlich machen. Bei uns gibt es keine Organisationskündigungen oder Änderungskündigungen, wie das anderswo, etwa in der Wirtschaft, der Fall ist. Wir führen das sauber durch. Bei uns bleiben die Bediensteten, beziehungsweise wird nur der natürliche Abgang nicht mehr nachbesetzt.

Im Großen und Ganzen gesehen halte ich das für einen beispielhaften Beitrag zu einer Strukturreform. Dieser werden noch weitere folgen, vor allem betreffend den Finanz- und Zollbereich, und wir werden dann sehen, welche Argumente Sie in der Diskussion darüber bringen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.01

Präsident Ing. Gerd Klamt: Es liegt mir eine weitere Wortmeldung von Herrn Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher vor. Ich erteile ihm das Wort.

14.01

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Nur eine kurze Replik, Herr Staatssekretär: Ich habe nicht von 15 Mitarbeitern gesprochen, sondern von elf, und zwar von elf Personen im Außendienst; und ich habe dann dazugesagt: zwei im Edelmetallkontrolllabor – das macht 13 –


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und drei in der Verwaltung. Also bis 16 kann ich schon zählen, das können Sie mir zutrauen, ich gehöre ja der SPÖ an! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich erinnere mich noch genau daran, dass der ehemalige Wirtschaftsminister, der weichen musste, hier gemeint hat, jeder, der zwei und zwei zusammenzählen kann, müsse doch wissen, wie hoch die Schulden dieser Republik sind. Offensichtlich kann man also irgendwo anders nicht zählen.

Aber nun zur Strukturreform: Ich bin durchaus der Meinung, dass das ein Ansatz zur Strukturreform ist, wiewohl ich glaube, dass ein Abbau von Köpfen an und für sich nicht bereits eine Strukturreform begründet. Mir persönlich – ich weiß, mit dieser Meinung bin ich nicht alleine, aber das sehen auch nicht alle in meiner Fraktion so – geht diese Strukturreform in diesem Bereich sogar zu wenig weit. Ich hätte alles privatisiert. (Beifall bei der SPÖ.)

14.02

Präsident Ing. Gerd Klamt: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Einlauf

Präsident Ing. Gerd Klamt: Eingelangt ist inzwischen das Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Umreihung von zwei Mitgliedern des Bundesrates.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Monika Mühlwerth: "Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Landtag von Niederösterreich hat in seiner 36. Sitzung am 15. 3. 2001 auf Vorschlag des Niederösterreichischen Landtagsklubs der Österreichischen Volkspartei Herrn Alfred Schöls (anstelle von Margarete Aburumieh) als Mitglied des Bundesrates und Herrn Landtagsabgeordneten Dr. Martin Michalitsch, geb. 13. 5. 1961, 3032 Eichgraben, Josef Plangger-Straße 25, als sein Ersatzmitglied gewählt.

Weiters wurde Frau Margarete Aburumieh (anstelle von Alfred Schöls) als Mitglied des Bundesrates gewählt. Herr Mag. Herbert Kullnig verbleibt als Ersatzmitglied für Margarete Aburumieh."

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich danke für die Verlesung.

Angelobung

Präsident Ing. Gerd Klamt: Frau Bundesrätin Margarete Aburumieh und Herr Bundesrat Alfred Schöls sind im Saale anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.


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Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel und anschließend um den Namensaufruf.

Schriftführerin Monika Mühlwerth: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Herr Alfred Schöls.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Ich gelobe.

Schriftführerin Monika Mühlwerth: Frau Margarete Aburumieh.

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Ich gelobe.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich begrüße die wieder gewählten Mitglieder recht herzlich in unserer Mitte! (Allgemeiner Beifall.)

Fortsetzung der Tagesordnung

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird (371/A und 508/NR sowie 6326/BR der Beilagen)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Ulrike Haunschmid: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wirtschaftskammergesetz 1998 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen vor, daher erübrigt sich dessen Verlesung.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Hans Ager. Ich erteile es ihm.

14.07

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Liebe Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Der Kammertag der Wirtschaftskammer Österreich hat am 30. November 2000 einstimmig ein umfassendes Reformkonzept für die Wirtschaftskammerorganisation beschlossen. Die Änderung des Wirtschaftskammergesetzes von 1998 beinhaltet eine Fülle von Abänderungen und ein großes Sparpotenzial. Der erste Schritt wird mit der Abschaffung der Eintragungsgebühr für Jungunternehmer gesetzt, die, wie Sie alle wissen, am Beginn ihrer risikoreichen Existenzgründung mit vielen anderen Dingen konfrontiert sind.

Der Wegfall dieser Eintragungsgebühr bringt eine Entlastung in der Höhe von über 180 Millionen Schilling mit sich, und diese Wirtschaftskammerreform von Herrn Präsident Leitl soll auch ein wenig Vorbild für Staat und Sozialpartner sein. Schritt für Schritt schreitet diese Reform voran


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und bringt auch mehr Transparenz und Effizienz. So werden künftig die Gehälter von Kammerfunktionären offen gelegt. – Das war bisher immer da und dort einmal ein Problem.

Ich darf hier auch ein klares Wort zur Pflichtmitgliedschaft sagen. Ich denke, freiwilliges Mitglied kann man in einem Verein werden. In einer starken Interessenvertretung wie der Wirtschaftskammer, die für die Belange ihrer Mitglieder da ist, bedarf es eine straffen Organisation mit Rechten und Pflichten. Mit dieser Reform wird die aktive Mitgliederbetreuung schwerpunktmäßig von den Landes- und Bezirkskammern ausgebaut und durch Kompetenzzentren unterstützt.

Die Zusammenführung von Außenhandelsstellen und Auslandsbüros der Österreich-Werbung, ein lang gehegter Wunsch der Wirtschaft, ergibt einen gewaltigen Einspareffekt, ohne dass die Effizienz darunter leidet. Auch ich bin der Meinung, dass diese Stellen nicht zusammengeführt werden können, ohne dass im Ausland ein Ausländer das Bestmögliche für Österreich erfährt.

Diese Büros werden in ein gemeinsames Außenwirtschaftsnetz überführt. Die Sektionen werden durch Sparten abgelöst – das ist noch keine Änderung –, aber dazu kommt der Bereich Dienstleistungen, und zwar auch in der Telekommunikation und in den neuen Branchen, sodass in Zukunft jede Fachorganisation vertreten ist.

Zugegeben, mit dieser Senkung des Beitragsvolumens in der Höhe von über 2 Milliarden Schilling – das sind 30 Prozent – hat die Wirtschaftskammer die Latte sehr hoch gelegt. Wir von der Wirtschaft hoffen, dass andere Sozialpartner-Organisationen in der Zukunft nachziehen werden.

Dass man mit dieser Reform auf dem richtigen Weg ist, zeigen die steigende Zahl von Unternehmensgründungen und sinkende Insolvenzzahlen. Gleichzeitig könnte diese Reform der Wirtschaftskammer ein Vorbild für die noch ausstehende Bundesstaatsreform sein, von der man sich ein Einsparvolumen von 50 bis 60 Milliarden erwartet.

Die Wirtschaft, die von Beginn der neuen Bundesregierung an ein loyaler und verlässlicher Partner war und alles mitgetragen und auch mitfinanziert hat, erwartet aber, dass die versprochene Lohnnebenkostensenkung im Ausmaß von 50 Milliarden in den nächsten drei Jahren den Wirtschaftsstandort Österreich sichert und die Betriebe spürbar entlastet. Im Nationalrat haben alle vier Parteien diesem Wirtschaftskammergesetz zugestimmt – wir sollten es auch tun.

Zum Schluss möchte ich ein kurzes Zitat bringen: Die Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.11

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher. Ich erteile es ihm.

14.12

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Die vorliegende Novelle zum Wirtschaftskammergesetz ist eine jener legistischen Maßnahmen, die unter dem Motto "kleiner Text, aber große Wirkung" laufen könnten. Immerhin steht neuen Unternehmungen – jung müssen sie altersmäßig nicht sein – eine Gesamtentlastung in der Höhe von rund 200 Millionen Schilling ins Haus.

Es ist im Rahmen dieser Novelle davon gesprochen worden, dass es gerade für eine Organisation, eine Kammer mit Pflichtmitgliedschaft – ich habe das Bekenntnis zur Pflichtmitgliedschaft in der Kammer gerne gehört –, eine Frage der Glaubwürdigkeit sei, ob sie von neuen Unternehmen eine Eintragungsgebühr, immerhin bis zu 10 000 S, verlange. Ich glaube, dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Allerdings muss schon die Frage erlaubt sein, warum erst jetzt diese Glaubwürdigkeit releviert wird.

Im Zusammenhang mit dieser Novelle wurde verschiedentlich behauptet, es ginge nicht um die Urheberschaft. Ich habe selten in der Politik erlebt, dass es nicht um Urheberschaften ging, und so ist es natürlich auch hier. Ich bin selbst nahezu zehn Jahre lang bei Gewerbeordnungsverhandlungen dabei gewesen, und stets war die Abschaffung der Eintragungsgebühr eine der


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zentralen Forderungen der Sozialdemokraten. Ich stehe aber nicht an, festzuhalten, dass auch die Freiheitlichen schon lange dieses Ziel verfolgt haben, vielleicht aus anderen Gründen, aber im Ziel waren wir uns einig.

Umso erfreulicher ist es daher, dass nunmehr ein einstimmiger Beschluss zu Stande kommt, über dessen Urheberschaft vielleicht wirklich nicht gestritten werden sollte. Bleiben wir also beim Festhalten der Frage der Nicht-Urheberschaft, die weder bei der SPÖ noch bei der FPÖ liegt.

Wenn der Ansatz vertreten wird, es liege hier der erste Schritt einer Reform der Wirtschaftskammer vor, dann, so glaube ich, geht dieser Ansatz zumindest etwas in die falsche Richtung. Erstens bedeutet ein Verzicht auf Einnahmen, wie vorher auch der Abbau von Köpfen, für sich genommen noch lange keine Reform. Ich glaube, dass man die Reform eher im Bereich der Gewerbeordnung ansetzen müsste. In Wahrheit gibt es dort noch immer zahlreiche protektionistische Maßnahmen, wettbewerbshemmende Maßnahmen, die in erster Linie dem Schutz alteingesessener Gewerbetreibender dienen und die sinnvolle Konkurrenz vom Markt fern halten. Ich glaube, da ist großer materieller Reformbedarf gegeben.

Zweitens – ich bin dankbar, dass die Österreich-Werbung hier erwähnt wurde, das gibt mir Gelegenheit, auch auf diesen Bereich einzugehen – glaube ich, dass der finanzielle Verlust für die Wirtschaftskammer als Gesamtes gesehen aus dieser isolierten Maßnahme heraus nicht so groß ist, denn, wie erwähnt, zur selben Zeit geht die Außenhandelsorganisation der Wirtschaftskammer daran, sich die Außenstellen der Österreich-Werbung einzuverleiben. Ich kann mich erinnern, dass auch die Frau Staatssekretärin vor nicht allzu langer Zeit noch betonte, dass man das nicht zulassen werde. Ich kann mich auch sehr gut erinnern, dass Vertreter der Freiheitlichen Partei in Zeiten der rot-schwarzen Koalition im Finanzministerium interveniert haben, und zwar relativ heftig interveniert haben, man solle derartigen Plänen der Wirtschaftskammer entgegentreten und nötigenfalls auch den Bundesbeitrag für die Österreich-Werbung sperren.

Weiters gibt es Untersuchungen sowohl im Bereich der Österreich-Werbung als auch im Bereich der Wirtschaftskammer – das wird in Anfragebeantwortungen des Ministeriums auch gar nicht verhehlt –, die belegen, dass eine derartige Zusammenlegung keine Vorteile bringt, außer einer Verschiebung von Budgetmitteln der Österreich-Werbung zur Wirtschaftskammer. Und genau darum das geht es letztendlich.

Die Selbstlosigkeit der Wirtschaftskammer beim Verzicht auf die Einnahmen der Eintragungsgebühr ist also marginal, und das sollte man fairerweise bedenken, wenn man im Zusammenhang mit dieser Novelle gleichzeitig Reformen der Arbeiterkammer einfordert. Ich glaube, gleiches Recht sollte hier für alle gelten.

Mein Fazit: In Wahrheit ist das weder eine wirkliche Reform noch ein wirklicher finanzieller Aderlass der Kammer, sehr wohl aber – und das ist zuzugeben – eine wichtige Entlastung im Hinblick auf die Gründung junger Unternehmen und damit ein wichtiger Impuls für die heimische Wirtschaft. Daher wird meine Fraktion die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.16

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wilhelm Grissemann. Ich erteile es ihm.

14.16

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ein bemerkenswert kurzer Antragstext, ein bemerkenswert kurzer Bericht und die Einstimmigkeit im Plenum des Nationalrates und, wie ich glaube, auch im Bundesrat sind signifikant für diesen Gesetzesantrag und dieses vom Nationalrat beschlossene Gesetz.

Wenn ich mich dazu äußern darf, dann als einer, der sich ein bisschen in der Materie auskennt. Ich bin jetzt, so glaube ich, 20 oder 30 Jahre lang Wirtschaftskammerfunktionär. Das wird Sie von mir als Freiheitlichem vielleicht ein bisschen überraschen. Dass ich natürlich ein sehr ambi


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valentes Verhältnis zu dieser Kammer habe und gehabt habe, ist selbstverständlich und liegt natürlich in der Natur der Sache, aber wenn man sich bereit erklärt, in der Öffentlichkeit zu arbeiten, dann ergibt es sich manchmal von selbst, dass man mit derartigen Aufgaben betraut wird. Ich war jahrelang stellvertretender Gremialvorsteher im Textilhandel im Land Tirol und bin noch immer Bundesgremialmitglied, kenne also die Strukturen der Kammer sehr gut.

Ich bin nicht der Meinung meiner Vorredner, Kollegen Ager und Hoscher, dass diese Pflichtmitgliedschaft ewiges Credo bleiben muss und bleiben soll. Das ist, so glaube ich, ein bisschen eine österreichisches Denkart. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass in einer effektiven und gut strukturierten Wirtschaftskammer unbedingt die Pflichtmitgliedschaft auf immer und ewig bleibt. Das kann ich mir nicht vorstellen.

Ich darf nur als Beispiel auf die Effektivität der Industriellenvereinigung hinweisen, die keine Pflichtmitgliedschaft kennt und die, wie ich glaube, in manchen Bereichen anerkannter ist und, wie man weiß, auch ihr Durchsetzungsvermögen besser verwirklichen kann als die Wirtschaftskammer. Ich darf von vielen Enttäuschungen in diesen Jahrzehnten berichten und habe oft festgestellt, dass besonders von Landesregierungen und auch von gewissen Bürgermeistern, so genannten Dorfpaschas, die Wirtschaftskammer praktisch ignoriert oder gar nicht als existent betrachtet wird.

Ich darf Sie im Zusammenhang mit der Einkaufszentren-Verordnung oder der Problematik der Einkaufszentren insgesamt fragen: Wer ist denn für das Sterben der Zentren in den Bezirksstädten verantwortlich? Wer ist denn für das Sterben so vieler Einzelhandelsbetriebe verantwortlich? Wer ist denn verantwortlich dafür, dass der bürgerliche Mittelstand in den letzten Jahren eigentlich unter die Räder gekommen ist? Das ist eine ineffektive Wirtschaftskammer.

Wenn man jetzt so lobhudelt die Abschaffung der Eintragungsgebühr, die bis vor wenigen Jahren noch "Einverleibungsgebühr" geheißen hat – das muss man sich einmal vorstellen, da kann man sich eh schon den "ganzen Zopf" der Kammer vorstellen –, als epochal feiert, dann kann ich das nicht ganz verstehen. Ich kann es nicht feiern, denn das ist erst der erste winzige Schritt des Anfangs einer Reform dieser Wirtschaftskammer. Es ist aber sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Und wenn man bei den jungen Unternehmern beginnt, sie mit einer Ersparung zu beglücken, dann soll es uns recht sein.

Abschließend noch eines, und das ist eigentlich nur eine Wiederholung: Die Pflichtmitgliedschaft kann es nicht sein, da muss man andere Überlegungen anstellen. Die Funktionäre der Wirtschaftskammer sind gefordert, die Wirtschaftskammer auf völlig neue Beine zu stellen. Wie gesagt: Die ersten zarten ermutigenden Schritte sind gesetzt, das können aber nur die ersten sein. Meine Fraktion stimmt dieser Vorlage selbstverständlich zu. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.20

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christof Neuner. Ich erteile es ihm.

14.20

Bundesrat Mag. Christof Neuner (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube durchaus feststellen zu können, dass wir in Österreich mit der Sozialpartnerschaft, historisch gesehen, gute Erfahrungen gemacht haben: auf der einen Seite die Vertreter der Arbeitgeber wie Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer, früher Handelskammer, auf der anderen Seite die Arbeitnehmervertreter, Gewerkschaft, Arbeiterkammer. Sie sind zu Kompromissen gekommen, die nicht immer zufrieden stellend waren, aber die Mitglieder haben sich ernst genommen und vertreten gefühlt.

Es ist aber im Laufe der Zeit auch da ein Wandel eingetreten. Ich kann das jetzt nur anhand eines Beispiels, so wie ich das in Klagenfurt erlebe, kurz skizzieren. Früher hat es eben viele Kaufleute gegeben – diese gibt es heute natürlich auch noch – und keine Einkaufszentren; die Beiträge kamen von diesen Mitgliedern. Dann kam die Zeit, in der die Einkaufszentren entstan


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den sind. Die Interessen der Innenstadtkaufleute waren andere als die der neuen Zentren, die außerhalb entstanden sind. Heute wissen wir, dass es genügend Einkaufszentren gibt, aber es gibt die Innenstadtkaufleute auch noch.

Das Ziel muss eine effiziente, leistungsstarke, schlanke Wirtschaftskammer mit Investitionen, Schwerpunktsetzungen, Serviceleistungen und Beratung sein. Es muss einen optimalen Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Berufsgruppen geben, aber natürlich auch einen Interessenausgleich mit dem anderen Sozialpartner, in diesem Fall der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft. Das Gespräch muss funktionieren.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Zeichen in die richtige Richtung. Erlauben Sie mir aber trotzdem eine Feststellung und eine Anregung. Die Feststellung ist – und daran sehen Sie, dass wir in unserer Fraktion durchaus verschieden denken dürfen; ich werde dann erst den Fraktionsvorsitzenden fragen, ob das richtig ist (Heiterkeit bei den Freiheitlichen – Bundesrat Mag. Hoscher: Das müssen wir nicht, das ist der Unterschied! – Bundesrat Dr. Böhm: Wir auch nicht!)  –, dass ich, obwohl ich nicht immer so gedacht habe, mittlerweile für die Pflichtmitgliedschaft votiere, weil ich als ehemaliger Obmann der Kaufmannschaft festgestellt habe, dass bei Freiwilligkeit nur gewisse Leute beitreten, dass es viele Trittbrettfahrer gibt und man natürlich nicht die Stärke und das Auftreten hat wie bei einer Pflichtmitgliedschaft. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und SPÖ.) Ich danke für den Applaus.

Mein zweites Anliegen: Ich bin auch in der Kammer tätig, nicht in Gremien oder Innungen, sondern ich war über 10 Jahre Prüfer des kaufmännisch-rechtlichen Teils, und deswegen liegt mir die Anregung besonders am Herzen, dass es zu einer Liberalisierung der Gewerbeordnung kommt und ein Befähigungsnachweis nur für ganz bestimmte Gewerbe notwendig ist, wo eben ein Bedarf besteht.

Dazu möchte ich auch ein Beispiel aus meiner Erfahrung bringen. In Kärnten gibt es eine hohe Durchfallsquote bei den Friseuren. Ich habe einen Funktionär gefragt – ich hoffe, es war ein verzopfter, alter Kammerfunktionär, wie es ihn eigentlich nicht mehr geben sollte –, warum so viele durchgefallen seien, worauf er mir geantwortet hat: Die kaufen sich morgen eine Scher’, und dann sitzen sie uns im G’nack! (Bundesrat Mag. Hoscher: Genau!) Da habe ich mir gedacht, irgendetwas ist da nicht richtig.

Damit man mich nicht falsch versteht, weil ich schon weiß, was morgen sonst passiert, dann kommen nämlich die Anrufe. Ich bin für die Meisterprüfung, die soll es geben, das soll eine Art Diplom, eine Auszeichnung sein, aber ich bin – im Sinne der freien Marktwirtschaft, wir haben eine soziale Marktwirtschaft – dafür, dass der Marktzugang entsprechend gewährleistet wird. Auch darum, weil wir Jungunternehmer brauchen und sich viele von strengen Prüfungen, von Kurskosten und so weiter abschrecken lassen. Also ich wäre dafür, dass zum Beispiel Friseure keine Prüfung mehr brauchen, um ein Geschäft aufsperren zu dürfen.

Abschließend möchte ich der Wirtschaftskammer für den ersten Schritt danken – ich hoffe, dass weitere folgen – und ihrem Präsidenten an der Spitze, Präsidenten Leitl, wünschen, dass ihm seine Reformen gelingen. Wir werden wahrscheinlich über den einen oder anderen Punkt noch reden und gewisse Dinge beschließen müssen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.25

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächste hat sich Frau Staatssekretärin Mares Rossmann zu Wort gemeldet. – Bitte.

14.25

Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Mares Rossmann: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich will jetzt nicht die Debatte über die Mutter- oder Vaterschaft der Abschaffung der Eintragungsgebühr der Wirtschaftskammer aufnehmen. Faktum ist, dass der Entfall der Eintragungsgebühr eine langjährige Forderung aller Wirtschaftstreibenden in Österreich war. Ich freue mich ganz besonders, dass jetzt mit dieser Gesetzesnovelle diese Eintragungsgebühr nicht mehr erforder


Bundesrat
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673. Sitzung / Seite 85

lich ist. Das ist ein großer Schritt, auch für die Jungunternehmer in unserem Lande, vor allem für jene, die im gebundenen Gewerbe tätig sind, denn Sie wissen ganz genau, wie lange man auf den Bescheid beziehungsweise die Bestätigung dieser Eintragungsgebühr gewartet hat und letztendlich auch auf den Gewerbeschein. Manchmal war der Betrieb schon fertig, und man konnte ihn nicht eröffnen, weil man den Gewerbeschein noch nicht in Händen hatte. Wenn man es also so sieht, dann ist das ein erster großer Schritt, es ist aber nur ein erster Schritt.

Es wurde im Rahmen der Debatte die Frage gestellt, was sonst noch im Rahmen dieser Wirtschaftskammerreform passieren würde. Ich kann nur aus meiner Sicht sagen, dass es nicht passieren wird, dass die Österreich-Werbung mit den Wirtschaftskammeraußenhandelsstellen so verschmolzen wird, dass es die Österreich-Werbung nicht mehr gibt. Da kann ich Sie wirklich beruhigen, diese Einverleibung wird nicht stattfinden. Ich sage das deshalb mit diesem Selbstvertrauen, weil wir es in langen und auch schwierigen Verhandlungen geschafft haben, mit der Wirtschaftskammer einen Syndikatsvertrag abzuschließen, der genau das ausschließt.

Das heißt, es wird in Zukunft dort, wo es Sinn macht, dort, wo es Einsparungspotenzial gibt, sehr wohl eine Kooperation möglich sein, bis hin zu den berühmten Österreich-Häusern, die ein Punkt des Koalitionsübereinkommens betreffend den Tourismusbereich sind. Es muss doch möglich sein, Österreich zusammen mit der Wirtschaft prominent im Ausland zu verkaufen, wobei der Tourismus immer seine Eigenständigkeit bewahren wird. Sie haben mich als Garanten dafür, ich werde das nicht zulassen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Hoscher. )

Da hier die Debatte um Reformen insgesamt geführt wird, auch unter dem vorigen Tagesordnungspunkt, möchte ich sagen: Wir haben vorige Wochen Reformen im Tourismusbereich vorgestellt, die bereits unterfertigt sind, nämlich Reformen bei den Förderungen. Wir haben es erstmals geschafft – und das ist wirklich neu; "alte Hasen", die damit befasst waren, haben zu mir gesagt, ich habe gar nicht geglaubt, dass ich das noch erleben durfte, das ist ein unglaublicher Tag für mich –, die Förderungen bei einer Förderstelle zu konzentrieren. Das heißt, wenn jemand im Tourismus eine Förderung beanspruchen will, muss er nicht mehr von Pontius zu Pilatus gehen, denn auf Bundesebene gibt es eine zentrale Förderstelle.

Erstmalig haben wir die Förderrichtlinien so gestaltet, dass man auch im Tourismus wirkliche strukturelle Maßnahmen setzen kann, sprich: alles unternehmen kann, um die Saison zu verlängern, und wir haben den gesamten Freizeitbereich in die Förderung mit eingearbeitet, weil wir eben Infrastrukturen im Freizeitbereich brauchen, um überhaupt das touristische Angebot erstellen zu können. Ich glaube, das ist ein großer Schritt.

Abgesehen davon haben wir die Jungunternehmerförderung auch dort angesiedelt und für Jungunternehmer nicht nur Förderungsmöglichkeiten geschaffen, sondern auch Haftungsgarantieübernahmen. Das ist auch sehr wichtig, denn manchmal ist das Potenzial an Haftung einfach nicht mehr vorhanden. Ich sehe das auch als großen Wurf, der uns gelungen ist, und auch als einen zweiten Schritt, wenn man so will, im Bereich der strukturellen Maßnahmen. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Hoscher. )

14.29

Präsident Ing. Gerd Klamt: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.


Bundesrat
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Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einsatzzulagengesetz, BGBl. Nr. 423/1992, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 127/1999, und das Auslandszulagengesetz, BGBl. I Nr. 66/1999, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 94/2000, geändert wird (320/A und 440/NR sowie 6316 und 6324/BR der Beilagen)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge und sonstigen Ansprüche im Präsenz- und Ausbildungsdienst (Heeresgebührengesetz 2001 – HGG 2001) erlassen sowie das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird (357 und 438/NR sowie 6317 und 6325/BR der Beilagen)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 und 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Einsatzzulagengesetz, BGBl. Nr. 423/1992, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 127/1999, und das Auslandszulagengesetz, BGBl. I Nr. 66/1999, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 94/2000, geändert wird, sowie

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge und sonstigen Ansprüche im Präsenz- und Ausbildungsdienst (Heeresgebührengesetz 2001 – HGG 2001) erlassen sowie das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird.

Die Berichterstattung über Punkt 8 hat Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth übernommen. Ich ersuche sie um die Berichterstattung.

Berichterstatterin Monika Mühlwerth: Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht des Finanzausschusses zu Punkt 8 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Danke.

Die Berichterstattung über Punkt 9 hat Herr Bundesrat Christoph Hagen übernommen. Ich bitte ihn um die Berichterstattung.

Berichterstatter Christoph Hagen: Der Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge und sonstigen Ansprüche im Präsenz- und Ausbildungsdienst (Heeresgebührengesetz 2001 – HGG 2001) erlassen sowie das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Landesverteidigungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 13. März 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.


Bundesrat
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Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Herbert Würschl. Ich erteile es ihm.

14.33

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Aus dem Bericht des Landesverteidigungsausschusses zum Heeresgebührengesetz geht hervor, dass bei dieser Novelle ein Einsparungsvolumen von etwa 7 Millionen Schilling zum Tragen kommt. Es wäre natürlich zu begrüßen, wenn Einsparungen durch Strukturreformen erzielt werden könnten, das ist aber weit und breit nicht der Fall.

Sehr geehrte Damen und Herren! In diesem Bereich werden etwa 7 Millionen Schilling eingespart, und zwar bei Menschen, die an der Grenze Arbeit leisten, also bei Arbeitnehmern. Im Bereich des Bundesheeres geht also die Abkassiererei durch diese ÖVP-FPÖ-Bundesregierung munter weiter.

Im Bericht des Finanzausschusses betreffend die Einsatzzulagen beziehungsweise die Auslandszulagen wird auch ein Einsparungsvolumen von jetzt 80 Millionen Schilling definiert und angesprochen. Auch hier gibt es eine reine Umschichtungsmaßnahme, und auch hier gibt es keine Strukturreformen, indem unnötige Arbeit eingespart würde. Hier wird auch wieder bei Arbeitnehmern Geld abkassiert, und zwar bei den Präsenzdienern, bei den ärmsten Teufeln der Republik. Aus dem Bericht habe ich ersehen können, dass man sich darüber freut, dass Präsenzdiener im Monat 1 000 S mehr bekommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Man muss sich aber die Monatsentlohnung der Präsenzdiener anschauen. Diese liegt bei sage und schreibe, wenn ich richtig zitiere, 4 900 S. Und darüber freut man sich. Ich weiß nicht, wie man sich in einer reichen Republik darüber freuen kann, wenn man jungen Menschen 4 900 S gibt, wenn ich auf der anderen Seite höre, dass die Sekretärin des Herrn Bundesministers Haupt 200 000 S im Monat kassiert. Hier ist einfach keine Moral gegeben! (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Buchinger: Wie viel hat Vranitzky gekriegt? – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es wundert mich aber nicht, dass bei den Präsenzdienern nur 4 900 S zur Auszahlung gebracht werden, es werden auch die Angehörigen des Bundesheeres, sprich das Kaderpersonal, zur Kasse gebeten. Das wundert mich aber schon ein bissel. Kollege Schöls ist jetzt da, wir kennen uns aus der Gewerkschaft. Ich bedaure außerordentlich, dass die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zu einer Unterabteilung der Bundesregierung verkommt und nicht mehr bereit ist, das Kaderpersonal entsprechend zu vertreten. (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es wird also nicht dort gespart, wo Sparmöglichkeiten und Sparpotenziale gegeben sind, sondern, wie ich schon formuliert habe, bei den arbeitenden Menschen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

In den Verhandlungen haben wir von der Sozialdemokratie sehr vehement gefordert, dass zum Beispiel auch ein Anspruch auf Wohnkostenbeihilfe zum Tragen kommen soll. Auch hier hat die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung gegen die Arbeitnehmer sehr massiv Stellung genommen. Ich bedaure es, dass eine arbeitnehmerfeindliche Politik gemacht wird. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.36

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein. Ich erteile es ihm.

14.36

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist sicherlich notwendig, ein paar Bemerkungen zu diesen zwei Novellierungen zu machen. Es erfolgt dabei eine Rechtsbereinigung und kommt zu gewissen gesetzlichen Verbesserungen. Für die Milizsoldaten gibt es eine Einsatzprämie und auch mehr Anreize, am aktiven Grenzdienst teilzunehmen. Es wurde schon erwähnt: So erhalten Grundwehrdiener statt 3 900 S ab jetzt 4 900 S für ihren aktiven Einsatz im Assistenzfall und an der Grenze. Das ist richtig, das verdienen die Soldaten auch tatsächlich.


Bundesrat
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673. Sitzung / Seite 88

Die Umsetzung des Vorschlags aus dem Verteidigungsministerium, dass man nötige Geräte wie Nachtsichtgeräte, Wärmebildkameras verstärkt beschaffen möge und Unterkünfte verbessern sollte, ist richtig und notwendig, auch auf Grund der Verantwortung des Staates für unsere Soldaten, die den schweren Dienst an der Grenze leisten.

Die Berufssoldaten bekommen im Auslandseinsatz eine Zulage mit Gefahren- und Entfernungsberücksichtigungen. Das ist eine klare Notwendigkeit, die sie mehr als verdienen. Sicherlich nötig wäre es auch, dass bei einem Auslandseinsatz mit tödlichem Ausgang die Soldaten zum Beispiel mit Exekutivbeamten gleichgestellt werden, um die Familie, mögliche Nachkommen et cetera abzusichern.

Erfreulich ist, dass betreffend das Einsatzzulagengesetz eine Übereinstimmung zwischen der Gewerkschaft und dem Ministerium erfolgt ist, auch wenn es schwierig war. Die Bereitschaft zum Einsatz und zur Landesverteidigung muss uns das nötige Geld wert sein, auch in Anbetracht des Umstandes, dass auch die Motivation, die große Bereitschaft und der Idealismus, der mit Gefahren verbunden ist, der Soldaten belohnt und gestärkt werden müssen.

Es versehen mehr als 2 000 unserer Soldaten Dienst an der Grenze. Bei einem Vier-Tage-Dienstrad gibt es 42 Tages-, Nacht- und Bereitschaftsstunden und nur 24 Ruhestunden. Man muss bedenken, dass ein Zugsführer für sechs Monate in diesem Dienst nur 40 000 S netto erhält.

Etwas Positives ist geschehen, nämlich dass die Grundwehrdiener etwas mehr bekommen. Für den Auslandseinsatz gibt es mehr, und es können auch Milizsoldaten eingesetzt werden.

Jetzt erlaube ich mir noch ein paar Worte zum Bereich Auslandseinsätze, die dem Frieden und der Freiheit in ganz Europa und der Welt dienen sollen, weil wir auch zu diesem Thema in diesen zwei Novellierungen etwas zu sagen haben.

Allein das Bemühen um Partnerschaft und Zusammenarbeit kann zu einer auf Gleichberechtigung und Vertrauen ruhenden, dauernden Friedensordnung in der Welt führen. Wir treten daher für eine fruchtbare Zusammenarbeit und einen fairen Wettbewerb Österreichs mit allen verschiedenen Nationen ein. Dabei müssen selbstverständlich unsere Interessen mit den regionalen Gegebenheiten und soziokulturellen Voraussetzungen in Einklang gebracht werden.

Nur die unbedingte Anerkennung der Menschen- und Minderheitenrechte schafft Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. Ohne Minderheitenrechte ist kein echter Frieden möglich, unser Einsatz für die Menschenrechte ist unteilbar. Das Völkerrecht muss von einem Recht souveräner Staaten zu einem Recht der Völker und Volksgruppen werden. Wir sehen in dieser Fortentwicklung des Völkerrechts eine politische und moralische Aufgabe der österreichischen Politik auf allen internationalen Ebenen und in allen internationalen Institutionen.

Die Vereinten Nationen sind als weltweite Einrichtung der Friedenssicherung und zum Schutz der Menschenrechte zu stärken. Dasselbe gilt aber auch für Gesamteuropa, und dabei müssen wir unsere Soldaten unterstützen.

Meine Partei wird beiden Gesetzesnovellen die Zustimmung geben. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.41

Präsident Ing. Gerd Klamt: Als Nächster hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

14.41

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! So dramatisch wie es Kollege Würschl dargestellt hat, sehe ich diese beiden Gesetzesnovellen wirklich nicht. Ich möchte sie eigentlich übertiteln als Novellen, die die Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit berücksichtigen, ohne das soziale Anliegen ins Hintertreffen geraten zu lassen.


Bundesrat
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673. Sitzung / Seite 89

Herr Kollege Würschl! Sie verlangen Strukturreformen, bleiben dabei aber schuldig, zu erklären, was Sie als Strukturreformen bezeichnen. (Ruf: Das weiß er ja nicht!) Seit meinem Studium vor etwa 30 Jahren höre ich immer für alle Bereiche den Ruf nach Strukturreformen. Und überall werden welche durchgeführt, und die nächste Reform kommt. Das Wort "Strukturreform" ist ein Schlagwort ohne Inhalt geworden, und Sie sind uns auch schuldig geblieben, genauer zu erklären, was Sie damit ausdrücken wollen, außer – aber das unterstelle ich Ihnen nicht – durch weitere Strukturreformen das Bundesheer zu Tode reformieren. Auch das ist eine Möglichkeit: durch ständige Reformen etwas kaputt zu machen, Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Bieringer.  – Bundesrat Bieringer: Das will er wahrscheinlich!) – Möglicherweise, aber ich unterstelle das Kollegen Würschl nicht. Dazu ist er viel zu ernst auf diesem Gebiet.

Er hat natürlich sein soziales Herz für, wie er sagt, die "ärmsten Teufel der Republik" entdeckt. Wenn wir es ernsthaft betrachten, Herr Kollege Würschl, dann kann man sagen, 4 900 S im Monat sind wenig. Schauen wir aber die Gesamtleistungen, die ich jetzt nicht quantifizieren will, an, dann werden Sie mir Recht darin geben, dass auch meine Betrachtungsweise zumindest Berücksichtigung verdient!

Was bekommt denn der Soldat zusätzlich zu seinem Soldatenalltag, der unter Umständen gar nicht immer lustig, gar nicht immer nass, heiß, kalt oder schwitzend sein muss? – Er bekommt eine sehr ansehnliche Unterkunft (Bundesrat Kraml: Ein Vier-Sterne-Hotel!), er bekommt zweckmäßige Bekleidung, und er bekommt eine Verpflegung, sodass sich herausstellt, dass die meisten Soldaten nach Beendigung ihres Grundwehrdienstes körperlich fitter und voller zu Hause einlangen, als sie eingerückt sind. (Heiterkeit bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Kraml: Nein, das stimmt nicht! Das ist ein Fehler!) – Bei mir hat es nicht gewirkt, Sie haben völlig Recht, Kollege Würschl – aber das hat vielleicht andere Gründe. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrätin Schicker: Das kommt darauf an, wo man einrückt, glaube ich!)

Noch etwas bekommt der Soldat, was auch durch die beiden heutigen Gesetzesnovellen angepasst und teilweise verbessert werden soll – wenn ich "teilweise" sage, gebe ich zu, dass es teilweise eine Verschlechterung ist, Kollege Würschl –: Er bekommt eine absolute und wirklich sehr gute soziale Sicherheit. Die österreichischen Soldaten haben eine ungeheuerlich gute Betreuung insbesondere medizinischer Art. Wer einmal das eine oder andere Heeresspital gesehen hat, wird das bestätigen. Ich gehe immer in das in Stammersdorf, wenn ich etwas habe. Dort wird man betreut, wie man besser nicht betreut werden könnte. Auch sonst sind die Militärärzte bemüht, nicht nur das Symptom zu heilen, sondern manchem Soldaten, der vielleicht sogar leicht vorgetäuschte Wehwehs hat, auch diese kurzfristig zu ermöglichen. Das gibt es sonst nirgends. (Bundesrat Freiberger: ... Krankenstandschinder!)

Ich will damit sagen: Die "ärmsten Teufel der Republik" verdienen diese Bezeichnung nicht! Sie sind Diener am Staat. Sie könnten mehr bekommen – da stimme ich Ihnen zu –, aber die Soldaten als "arme Teufel" abzuwerten, ist ungerecht, Herr Kollege. Kein Soldat muss sich das gefallen lassen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Natürlich gibt es, was das Einsatzzulagengesetz und das Auslandszulagengesetz betrifft – und das Einsatzzulagengesetz ist der Punkt, den Sie aufgreifen –, auf der einen Seite ein bisschen weniger: Statt dem Zweieinhalbfachen wird es nur noch das Zweifache sein. Aber dafür bekommen andere etwas mehr, deren Einsatz – da komme ich auf die Zweckmäßigkeit zu sprechen – wahrscheinlich als etwas stärker, schwerer, härter, gefährlicher bewertet werden muss.

Es ist eben ein Unterschied, ob man an der Staatsgrenze Richtung Burgenland, Tschechien, Slowakei tätig ist, oder ob man im Ausland, zum Beispiel im Kosovo tätig ist, oder in Galtür, wo die Lawinen herunterkommen. Es gibt also verschiedene Zuschläge, die berechtigt sind und die bislang gefehlt haben, und ich bin sehr froh, dass diese Zuschläge jetzt geleistet werden, unter Senkung eines Teiles der anderen Zuschläge.


Bundesrat
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Herr Kollege! Wenn Sie uns sagen, wo wir das Geld hernehmen sollen, einen konstruktiven Beitrag leisten, wie wir – abgesehen von Strukturreformen ... (Bundesrat Gasteiger: Statt dem Kindergeld! – Bundesrat Dr. Böhm: Ist das so schlecht?) Das ist ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Geben Sie doch bekannt, was praktisch möglich ist!

Ich kann nur sagen, diese beiden Gesetzesnovellen verdienen Anerkennung, nicht nur von allen hier im Hohen Haus, sondern von den Soldaten selbst, wenn sie es ehrlich mit dem Staat meinen.

Aber in einem Punkt gebe ich Ihnen Recht, Herr Kollege Würschl: Es gibt ein Problem, welches noch nicht gelöst worden ist, welches die Freiheitlichen im Jahr 1997 in die Diskussion eingebracht haben, welches nur für einen kleinen Bereich zutrifft: Das ist die pensionsrechtliche Berücksichtigung von Dienstzeiten, die von Soldaten als Zeitsoldaten im Rahmen von längeren freiwilligen Waffenübungen oder von Präsenzdienern im Auslandseinsatz geleistet wurden.

Bis jetzt ist es nur möglich, diese Zeiten bis zu zwölf Monaten als pensionsrechtlich anerkannt zu betrachten. Was ist aber mit jenen Zeitsoldaten, die bis zu zehn und fünfzehn Jahren Dienst geleistet haben, die gedacht haben, dass sie damit Pensionszeiten erwerben, und die jetzt erfahren müssen, dass sie diese Pensionszeiten nicht erreicht haben?

Dazu gibt es von uns Freiheitlichen und der ÖVP einen Entschließungsantrag vom 1. März 2000. Die Freiheitlichen haben schon die Besserstellung für bis zu zwölf Monaten ab dem Jahr 1999 erreicht gehabt. Diesen Entschließungsantrag will ich hier vortragen, denn darin ist die soziale Komponente angesprochen, die Sie berücksichtigen müssen und im Hinblick auf die Sie vielleicht sagen können, mit Strukturreformen muss Geld hergeschafft werden. Es geht hier aber nicht um das, was Sie meinen, sondern es geht hier um viel mehr Geld, und es geht hier um viel mehr soziale Absicherung, die wir als Soldaten für jene Soldaten, die nicht Berufssoldaten sind, absolut verlangen müssen. Es geht nicht an, dass Soldaten bis zu 15 Jahren Dienst machen und dann keine Pensionsanwartschaft erworben haben.

Der erwähnte Entschließungsantrag lautet wie folgt:

"Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wird ersucht," – es ist ein freiheitlicher Minister, und trotzdem ersuchen wir ihn! – "1. die Höhe der finanziellen Auswirkungen bekannt zu geben, welche durch die im § 588 Abs. 7 ASVG im Rahmen des SRÄG 2000 geschaffene Sonderregelung für Präsenzdienstleistende bewirkt wurde, 2. im Zusammenwirken mit dem Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport die Höhe der finanziellen Auswirkungen bekannt zu geben, welche durch die im § 236b BDG 1979 im Rahmen des Pensionsreformgesetzes 2000 geschaffene Sonderregelung für Präsenzdienstleistende bewirkt wurde, 3. zu prüfen, welche finanziellen Auswirkungen die volle Anrechnung von Präsenzdienstzeiten als Beitragszeiten in der Pensionsversicherung haben würde und 4. im Zusammenwirken mit dem Bundesminister für Finanzen" – Herr Staatssekretär! – "und dem Bundesminister für Landesverteidigung unter Beachtung budgetärer Möglichkeiten Maßnahmen zu setzen, die eine zusätzliche pensionsrechtliche Anrechnung von Präsenzdienstzeiten bewirken."

Das ist ein Punkt, den Sie aufgreifen müssen, an dem müssen wir gemeinsam arbeiten: dass jene Soldaten, die bis zu 15 Jahre lang Dienst geleistet haben, eine pensionsrechtliche Regelung erhalten, wie sie auch ihnen entspricht und wie sie allgemein in diesem Land üblich ist.

Diesen beiden Novellen ist aber voll zuzustimmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.51

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Günther Kaltenbacher. – Bitte.

14.51

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte bezüglich der negativen Auswirkungen der


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
673. Sitzung / Seite 91

Änderung des Einsatzzulagengesetzes, vor allem bei den Berufssoldaten, einige Anmerkungen machen.

Die Erhöhung des "Einsatzmonatsgeldes" für Präsenzdiener auf nunmehr 4 919 S sowie die Zulagenerhöhung bei den Milizsoldaten ist gerechtfertigt und war schon längst notwendig, fiel aber meiner Meinung nach zu bescheiden aus.

Zirka 2 000 Soldaten versehen ihren Dienst an der Grenze, davon sind 700 Berufssoldaten. Im Vier-Tage-Dienstrad gibt es nur 24 Ruhestunden, der Rest sind Nacht- und Bereitschaftsstunden – und das sechs Wochen hindurch.

Aus eigener Erfahrung als Milizoffizier beziehungsweise von Besichtigungen vor Ort sowie aus diversen Medienberichten weiß ich, unter welchen psychischen und physischen Belastungen unsere Soldaten dort ihren Dienst versehen. Für Milizsoldaten und Präsenzdiener wurden Verbesserungen erreicht, die jedoch eindeutig zu Lasten des Kaderpersonals gehen. Wenn auch immer wieder behauptet wird, die Kürzung des derzeit zweieinhalbfachen Monatsbezuges auf das Zweifache bezüglich der Einsatzzulage sei ein Kompromiss und habe die Zustimmung der Gewerkschaft gefunden, so ist dem nicht so. Die Gewerkschaft hat lediglich diesen Kompromiss, diesen Vorschlag zur Kenntnis genommen.

In der Praxis, meine sehr geehrten Damen und Herren, schaut es aber anders aus. Fahren Sie doch einmal an die Grenze! Sprechen Sie mit den dort dienenden Soldaten! Durchschnittlich verlieren Offiziere, Unteroffiziere bis zu 6 000 S netto im Monat. Wenn auch im Gesetz die Verbesserung der technischen Ausstattung gefordert wird, so ist derzeit das Bundesheer nicht in der Lage, für einfachste Dinge zu sorgen: 20 Geschirrspüler in den Küchenstützpunkten – das klingt banal –, die aus zeitlichen Gründen, damit mehr Dienst gemacht werden kann, für die Soldaten angeschafft worden sind, sind seit Wochen auf Reparatur. Fahrräder, die den Dienst erleichtern sollen beziehungsweise die Beweglichkeit der Truppe verstärken sollen, werden, wenn sie ausgeschieden werden, nicht mehr nachgekauft. Das heißt, man sollte sich unbedingt die Dinge vor Ort ansehen. (Ruf bei der ÖVP: ... beim Verteidigungsbudget sparen?!)

Man spricht jetzt über Nachtsichtgeräte, die sicherlich notwendig sind, die man braucht, aber man hat derzeit nicht einmal das Geld, um einfache Dinge, sprich Fahrräder zu kaufen, Herr Kollege! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus.  – Bundesrat Freiberger  – in Richtung der Regierungsfraktionen –: Ihr wollt ja nur Abfangjäger, und für alles andere ist kein Geld da! – Ruf bei der SPÖ: Kaufen wir doch Abfangjäger!)

Nun, dann liefern wir die 50 Millionen Schilling, die nach dieser Abänderung übrig bleiben, eben nicht dem Herrn Finanzminister ab! Dann schauen wir eben, dass kleinere Dinge dieser Art damit angeschafft werden können. (Bundesrat Mag. Gudenus: Nicht einmal für Fahrräder geben Sie Geld her, Herr Kollege!)

Infolge der Abänderung dieser Zulage vom Zweieinhalbfachen auf das Zweifache werden 50 Millionen an den Finanzminister abgeliefert werden. Warum geben wir 50 Millionen Schilling dem Finanzminister für die Budgetsanierung? – Kaufen wir uns doch die paar Räder, die ganz wenig Geld kosten! (Bundesrat Dr. Böhm: Das rettet das Bundesheer!)

Wie gesagt, diese Regelung trifft nicht die hohen Beamten, sie trifft nicht den Militärkommandanten des Burgenlandes, sondern sie trifft den einfachen Soldaten, sie trifft die Chargen, Unteroffiziere und Offiziere, die ihren Dienst vor Ort versehen.

Die Berufssoldaten werden in dreifacher Hinsicht bestraft und tragen dreifach zur Budgetsanierung bei: einmal als Staatsbürger durch die Steuererhöhungen, ein zweites Mal durch die Schlechterstellung im Bereich des Gehalts- und Pensionsrechtes und ein drittes Mal durch die Kürzung der Einsatzzulage.

Auf Grund dieser Schlechterstellung für die Berufssoldaten können wir dieser Gesetzesänderung keine Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.56


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
673. Sitzung / Seite 92

Präsident Ing. Gerd Klamt:
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Alfred Schöls. Ich erteile es ihm.

14.56

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte, bevor ich mich den einzelnen Sachfragen und auch einigen Anmerkungen meiner Vorredner widme, von dieser Stelle aus einmal den Soldaten der Republik herzlichen Dank dafür sagen, dass wir als Parlamentarier heute stehen und Themen behandeln können, die sie tagein, tagaus im schweren Einsatz vor Ort zu erledigen haben.

Wir stehen hier in Sakko und Krawatte, in wohl temperierten Räumen und überlegen, ob wir vielleicht aus politischen Gründen ein Haar in der Suppe finden können, wenn ein Präsenzdiener im Assistenzeinsatz hoch organisierten kriminellen Organisationen nachstellt, und manche glauben, hier von dieser Stelle aus politisches Kleingeld kassieren zu können, indem sie Tränen im Knopfloch zerdrücken. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Mein Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt den Soldatinnen und Soldaten aller Dienstgrade und auch den Präsenzdienern, die sich ihrer gesetzlichen Verpflichtung unterziehen und sich nicht davor drücken. (Bundesrat Kraml: Aber nicht vergessen: Ernst schauen dabei!)

Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute in der Früh schon gefürchtet, dass mein Selbstwertgefühl zerstört wird, weil Kollegin Aburumieh und ich für wenige Stunden unser Mandat zurückgelegt haben und niemand in der Republik das zur Kenntnis nimmt. (Bundesrätin Fuchs: Aber wir haben geweint! Wir haben schon geweint!)

Ich bin aber froh darüber, dass Kollege Würschl das zur Kenntnis genommen hat und sich darüber freut, dass ich wieder hier im Hohen Haus sitze (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus ) und damit auch für die Belange der Gruppe der öffentlich Bediensteten einzutreten habe. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Lieber Herbert! Du hast mich als Gewerkschaftsvorsitzender angesprochen: Ich bin stolz darauf, dass ich in Niederösterreich diese Funktion noch immer innehabe. Die Leitende Sekretärin des ÖGB, Frau Kollegin Bachner, wird auch froh darüber sein, dass meine Landesorganisation im letzten Jahr 54 000 Gewerkschaftsmitglieder aus Niederösterreich allein in den ÖGB eingebracht hat, während der "Republiksanzünder" Kaske österreichweit nur 50 000 eingebracht hat. So erfolglos ist die Arbeit der FCG-dominierten Gewerkschaft Öffentlicher Dienst in dieser Republik also nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen – darauf lege ich Wert!

Als ich Kollegen Kaltenbacher zugehört habe, da glaubte ich, ich verstehe die Welt nicht mehr. (Ruf bei der SPÖ: Das liegt an dir!) Es gibt mit Ausnahme des Ex-Jusos Pepi Cap relativ wenige Linke in der Sozialdemokratie, die tatsächlich die militärische Landesverteidigung noch hoch halten. Mir ist schon bewusst, dass die militärische Landesverteidigung nur ein Teil der umfassenden Landesverteidigung ist. Für mich ist aber die militärische Landesverteidigung ein Wert an sich, wenn es darum geht, Werte in dieser für mich verteidigungswürdigen Republik zu verteidigen. Da gibt es einige linke Gruppierungen in der SPÖ, die nicht müde werden, immer wieder zu sagen, wir seien die Kriegshetzer und die Kriegstreiber, und wir haben in der Pendeluhr geschlafen, weil wir noch immer in der Zeit des Kalten Krieges leben. Und dann stellt sich Herr Kollege Kaltenbacher (Bundesrat Marizzi: Du sollst mehr Geld für deine Leute ausgeben, hat er gesagt!) – fast hätte ich gesagt: dem es um eine Eudora- oder um eine Miele-Waschmaschine geht – hierher und bedauert, dass die Geschirrspüler beim Bundesheer nicht funktionieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr nicht nachvollziehbare Geisteshaltung zur Frage Landesverteidigung kann ich überhaupt nicht orten! (Bundesrat Marizzi: Da geht es ja ums Geld!)

Da Kollege Kaltenbacher zuerst angesprochen hat, dass angeblich Sozialdemokraten dieser Regelung gar nicht ausdrücklich zugestimmt hätten, möchte ich, damit ich nicht falsch verstanden werde, liebe Kolleginnen und Kollegen, eines klarstellen: Was wir heute hier beschließen,


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673. Sitzung / Seite 93

bedeutet keinen Grund zur Freude und bedeutet keinen Grund zum Jubel (Aha!-Rufe bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: ... als ÖVP-Gewerkschafter! Das ist auf den Punkt gebracht!), sondern es ist ein Ausdruck einer verantwortungsvollen Politik, die die Bundessektion 25 (Bundesrat Würschl: ... Verrat!), lieber Herbert, getragen hat. Ich hoffe, dass ihr Herrn Regierungsrat Norbert Bartholomay noch nicht aus der Sozialdemokratie ausgeschlossen habt, weil er diesen Kompromiss mitträgt, mit Kollegen Willi Waldner und allen anderen Funktionären der verantwortlichen Sektion 25 in der Gewerkschaft. (Bundesrat Marizzi: Das ist neu: Verantwortungsvoll muss man sein, damit man ... Geld bekommt!) Daher sind diese Krokodilstränen hier nicht recht am Platz. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Nun zu den bedauerten, vom Finanzminister einkassierten 50 Millionen Schilling: 25 Millionen ... (Bundesrat Gasteiger: Kämpfen! Kämpfen!)  – Hör zu, lass dir Zeit! Herr Kollege Gasteiger! Wenn du das Problem ernsthaft besprechen willst, musst du dir Zeit nehmen, um Argumente zu hören! Man kann nicht nur vom Parteisekretariat (Bundesrat Gasteiger: Kämpfen!) oder Zentralsekretariat irgendwelche Dogmen hinauslassen, sondern man muss sich der Sache annehmen. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. )

Ich will dir keinen Schulungskurs geben, aber ich hätte dir empfohlen, dass du dir vielleicht den Motivenbericht durchliest, denn dann würdest du wissen, dass 25 Millionen Schilling dieser eingesparten 50 Millionen direkt wieder in die militärische Landesverteidigung zurückfließen. (Bundesrat Freiberger: ... die Soldaten zahlen!) Damit können wir nicht nur reparierte Fahrräder anschaffen, nicht nur Geschirrspüler kaufen, sondern damit können wir endlich Abfangjäger und all die wichtigen militärischen Geräte anschaffen (Bundesrat Gasteiger: Das ist es! Und das sagt er als FCG-ler!) und damit auch einen wertvollen Beitrag für die Landesverteidigung leisten.

Eines zu sagen ist mir schon noch ein Bedürfnis: Kollege Würschl! Wir beide haben uns als Gewerkschaftsfunktionäre immer darauf verständigt, dass das öffentlich-rechtliche Dienstrecht schützenswert ist. (Ruf bei der SPÖ: Jawohl!) Ich verurteile es, wenn man in der Regierung da und dort bei der Rekrutierung der Ministerbüros zu stark auf Sonderverträge zurückgreift. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Kainz: Sehr gut! – Bundesrat Marizzi: Weiter!)

So wartet doch ein bisschen, liebe Freunde – ihr habt in der Opposition das Zuhören verlernt! Lieber Freund Würschl und andere! Diese Unart – ich bezeichne es als Unart – ist unter den Herren Kanzlern des vergangenen Jahrtausends eingerissen. – Ich weiß, das liegt weit zurück und fordert natürlich eine gewisse Erinnerungsbereitschaft.

Es hat im vergangenen Jahrtausend auch sozialistische Bundeskanzler gegeben. Einer von ihnen hieß Vranitzky, und sein Kabinett bestand nachgewiesenermaßen hauptsächlich aus Beschäftigten mit Sonderverträgen. (Oh!-Rufe bei den Freiheitlichen.)

Es hat auch einen Herrn Klima gegeben, der zwar die Millionen mitgenommen hat, aber Grolli und die Sondervertragsbeschäftigten zurückgelassen hat. (Oje!-Rufe bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Gasteiger: Er hat ein Herz für Tiere! Welch ein Tierfreund!) Daher bitte ich ein bisschen die Erinnerung aufzufrischen, damit nicht auch hier die Krokodilstränen fließen! (Weitere Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Freunde! Ich bin überzeugt davon, dass der Herr Präsident nach der Abstimmung unterbrechen wird, und wir werden dann Zeit bis zur dringlichen Anfrage haben. Wir brauchen das jetzt nicht durch Zwischenrufe gutzumachen, aber wenn ihr wollt, dann fallen mir noch eine Menge Argumente dazu ein, sodass wir auch die Zeit bis dahin bestreiten können.

Ich möchte aber noch zwei sachliche Gründe anführen. (Bundesrat Gasteiger: Bis jetzt war es nicht sachlich!) In der ursprünglichen Regierungsvorlage, die von den Fraktionen in der Bundessektion bekämpft wurde, war beabsichtigt, die Einsatzzulage vom Faktor 2,5 auf 1,7 zu kürzen. Die Freunde Willi Waldner und euer, so hoffe ich, noch immer Genosse Regierungsrat Bartholomay haben so lange verhandelt, bis sie zur Kenntnis nehmen konnten, dass der Faktor auf zwei aufgewertet wurde.


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Wir alle hätten uns miteinander gewünscht (Bundesrat Gasteiger: Jetzt kommt’s!), dass es höher gewesen wäre. Dass es zu wenig ist, das ist schon klar. Es heißt dann quasi immer: Jokl, spring du, du hast die größeren Stiefel!

Es ist aber weiters ein Erfolg gelungen, dass nämlich mit dem Minister schon vereinbart wurde, dass für die Berufssoldaten, die im Assistenzeinsatz stehen und nach einigen Wochen Assistenzeinsatz zurück in ihre Einheiten kommen, § 74 des BDG dahin gehend geändert wurde, dass der Sonderurlaub schon gewährt wurde. (Ruf bei der SPÖ: Nur mehr zwei Wochen! Ende März ist es aus! – Zwischenruf des Bundesrates Marizzi. ) Peter! Es ist so! Ob du jetzt mit der rechten Hand nach links drehst oder mit der linken Hand nach rechts drehst: Tatsache ist, dass es eine Verbesserung für die Berufssoldaten gibt (Rufe bei der SPÖ: Aber welche! Jetzt kommt es heraus!), weil § 74 BDG in dieser Richtung geändert wurde. (Bundesrat Marizzi: Die Gewerkschaft ist nicht regierungskritisch!)

Ich hoffe nur – Herr Staatssekretär, ich darf bitten, diesen Wunsch auch an den zuständigen Ressortminister weiterzuleiten –, dass diese Regelung auch für die Grundwehrdiener Anwendung findet, denn diese haben es sich fürwahr verdient, wenn sie im Interesse der Republik an der Grenze tätig sind – ich sage noch einmal: das ist kein Jausenspaziergang, den unsere jungen Menschen da leisten! (Bundesrat Marizzi: Das wissen wir eh! Gerade deshalb hat er sich aufgeregt!)  –, dass sie diesen Sonderurlaub auch bekommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit darf ich abschließend zu der Feststellung kommen, dass ich diesen Kompromiss im Interesse der 11 000 Gewerkschaftsmitglieder der Bundessektion 25, zu der auch unser Fraktionsobmann, Kollege Vizeleutnant Ludwig Bieringer gehört, ... (Oh!-Rufe bei der SPÖ.)

Herbert! Ich will jetzt nicht wissen, ob sich das "Oh!" auf die Person oder auf den Dienstgrad von Ludwig Bieringer bezogen hat. Das müsste man schon noch näher erörtern, ob für einen jetzigen Parteisekretär – was nicht unbedingt eine negative Zuordnung ist – und ehemaligen Gewerkschafter (Bundesrat Marizzi: Leider können wir nicht überall sein!) der Dienstgrad Vizeleutnant Grund ist, um in einem "Oh!" auszuarten.

Ich komme wieder zum Thema zurück und teile euch mit, was sicherlich keine Überraschung sein wird: dass die ÖVP-Fraktion den vorliegenden Änderungen die Zustimmung erteilen wird (Bundesrat Gasteiger: Das ist keine Überraschung!), mit all den Anmerkungen, die sozialpartnerschaftlich ... (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. )

Nun, wollen wir jetzt eine Sozialpartnerschaft? Bekennen wir uns zu Ergebnissen der Sozialpartnerschaft? Oder sind auch das Lippenbekenntnisse für euch? (Bundesrat Gasteiger: Jetzt auf einmal gibt es das wieder, die Sozialpartnerschaft?!)

Liebe Freunde! Dass zuerst ein Redner unseres jetzigen Koalitionspartners gesagt hat, wenn sich Freund Ager zur Pflichtmitgliedschaft bekennt, hat er Probleme, das hat mich nicht gewundert, denn das weiß ich seit langem. Aber ich habe bis jetzt immer geglaubt, dass sich zumindest sozialdemokratische Gewerkschafter zur Sozialpartnerschaft bekennen! – Ich meine, dass sich Herr Ruttenstorfer – der ein "Wiederholungstäter" ist, wenn ich mir jetzt anschaue, was er mit der OMV aufführt (Bundesrätin Fuchs: Da ist Herr Schenz gleich was anderes! Schenz macht das gleich viel besser!)  – zur Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaftern nicht bekennt, überrascht mich nicht, und es hat mich auch in seiner Zeit als Staatssekretär nicht gewundert. Aber dass ein ehemaliger – Herbert, und da schaue ich dir jetzt ins Auge – Vorsitzender der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst den Verhandlungserfolg des Vorsitzenden-Stellvertreters der Bundessektion und seines eigenen Fraktionskollegen hier nicht würdigt und sagt, das sei ein Verrat an der Kollegenschaft, das werde ich Kollegen Regierungsrat Bartholomay heute noch persönlich mitteilen! (Bundesrat Würschl: Tu das!)

Unbeschadet dessen werden wir aber der Vorlage zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Gasteiger: Trotzdem ist es zu wenig!)

15.10


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673. Sitzung / Seite 95

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Roswitha Bachner. Ich erteile ihr das Wort.

15.10

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Nur eine Anmerkung möchte ich dazu sagen: Selbstverständlich freut sich die leitende Sekretärin des ÖGB über Mitgliederzuwächse! Es wäre unnatürlich, dies in Abrede zu stellen. Die Mitgliederzuwächse allein haben jedoch mit der politischen Wahrnehmung und der politischen Haltung einzelner Spitzenfunktionäre noch lange nichts zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erwarte mir von einem Abgeordneten und vor allem von einem Gewerkschafter, dass er sich in diesem Raum fair verhält. Diesbezüglich nehme ich jetzt Schutzhaltung gegenüber einer kleineren Gewerkschaft ein, und zwar nicht nur deshalb, weil ich aus dieser ursprünglich komme: Es ist nämlich unfair, Äpfel mit Birnen zu vergleichen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Gasteiger: Jawohl! Bravo! – Bundesrat Marizzi: Richtig!)

Der Bereich der GÖD – der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes – ist nicht mit der kleinen Fachgewerkschaft "Hotel, Gastgewerbe, persönlicher Dienst" vergleichbar. Schade, dass die Frau Staatssekretärin nicht mehr da ist. Sie könnte das nämlich bestätigen, weil sie aus dem Bereich kommt: Die Strukturen sind unterschiedlich. Kollege Schöls! Du weißt das ganz genau, dessen bin ich mir bewusst! Und deshalb lasse ich diesen Vergleich nicht so stehen und wollte ich dir antworten: Das ist nicht redlich! (Beifall bei der SPÖ.)

15.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Dr. Alfred Finz das Wort. – Bitte.

15.12

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei dieser Lösung handelt es sich nicht um Abkassiererei! (Bundesrat Würschl: Was ist es sonst?) Vielmehr geht es dabei um eine Systemumstellung, und zwar um eine sehr interessante Systemumstellung! (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.) Ich werde Ihnen diese gleich erklären.

Es handelt sich hiebei um eine Systemumstellung zwischen den verschiedenen Abgeltungsformen der verschiedenen Einsätze des Bundesheeres. Es war abzuwägen, welche Risken mit einem bestimmten Einsatz gegeben sind. Diese werden jetzt in einem neuen System entsprechend abgestuft. Zu einer solchen Abstufung gehört es natürlich auch, dass man bestehende bisherige Gebühren evaluiert, die in gewisse Höhen gewachsen sind, und zwar in gewaltige Höhen, die aber noch immer sehr ausreichend sind. Wissen Sie, wie viel an Einsatzgebühr ein Leutnant, der im Burgenland im Einsatz ist, bekommt? Kennen Sie die neue Einsatzgebühr? – Er bekommt 50 000 S zu seinem Bezug in einem Monat! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Selbstverständlich brutto! Sie bekommen Ihren Bezug auch brutto! Oder rechnen wir jetzt in Nettobezügen?

Worum geht es jetzt? – Es geht darum, die verschiedenen Risken einzustufen und entsprechend abzugelten. Das ist der erste Schritt der Systemumstellung. Weiters geht es darum, Anreize für Milizsoldaten zu schaffen, dass sie sich für Einsätze im Grenzbereich zur Verfügung stellen, denn wir brauchen den Berufskader für die Ausbildung bei ihren Heimatverbänden. Das soll also bewirkt werden! Außerdem ist es durch eine kluge und verantwortungsvolle Verhandlungsführung des Bundesministers Scheibner gelungen, für Sachaufwendungen noch einen Teil herauszuverhandeln. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Mich freut besonders, dass es im Zuge einer partnerschaftlichen Verabredung mit den zuständigen Personalvertretern – das ist ein positiver Weg, und dieser ist richtig – auch gelungen ist, doch noch eine einvernehmliche Lösung in diesem Zusammenhang zu erzielen. – In diesem Sinne handelt es sich um eine sehr gelungene Lösung!


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673. Sitzung / Seite 96

Ich verstehe die Sorgen hinsichtlich der pensionsrechtlichen Ansprüche. Wir werden uns diesen Themen widmen. Ich kann bei der derzeitigen Budgetlage natürlich noch nicht sagen, wann wir das machen können. Wir müssen uns – das wird unser nächstes Thema sein – in der gegebenen Lage nach der Decke strecken, aber wir werden noch auf die Ursache eingehen, warum wir uns so sehr nach der Decke strecken müssen! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.15

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer zweiten Wortmeldung hat sich Herr Bundesrat Schöls gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. (Bundesrätin Schicker: Er hält seine zweite Jungfernrede!)

15.15

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Bachner! Ich hätte eigentlich die Jungfernrede ... (Zwischenruf der Bundesrätin Schicker. ) Danke. Jetzt nicht mehr! Daher halte ich mich jetzt kürzer.

Ich möchte nur kurz etwas sagen, damit auch jene, die nicht so sehr Gewerkschaftsinsider sind, den Hintergrund ein bisschen besser verstehen: Roswitha! Mir ist die Problematik klar, die es im Bereich der HGPD und auch anderer Gewerkschaften gibt. Mir ist auch klar, dass in diesem Bereich die Beitragsaufkommen geringer sein werden. Das ist auch der Grund dafür, dass ich mich jetzt zu keiner tatsächlichen Berichtigung gemeldet habe, denn sonst könnte ich jetzt nicht ausführlicher darauf eingehen.

Ich wollte mit diesem Vergleich einen Widerspruch aufzeigen, zu welchem es in den letzten Monaten zu meinem großen Bedauern von eurer Seite oft kommt: Einerseits sagt die FSG: Diese Regierung spart bei den öffentlich Bediensteten! Sie laufen immer wieder durch die Gegend und verbreiten Horrorszenarien wie etwa, dass so und so viele Beamte eingespart werden. – Damit eines klar ist: Es werden in vielen Bereichen für mein Dafürhalten zu viele Dienstposten gestrichen. (Bundesrat Marizzi: Dort sitzt der Herr Staatssekretär!) Wart’ ein bisschen, Peter! Hast du eine so kurze Nacht gehabt, dass du heute so ungeduldig bist? – Du brauchst dich sowieso nicht mehr lange zu konzentrieren. Hör mir nur noch zwei Sekunden zu!

Der Widerspruch, den ich aufzeigen wollte, ist folgender: Wenn auf der einen Seite der Untergang des Abendlandes heraufbeschworen wird, weil so viele Beamte eingespart werden, auf der anderen Seite aber gesagt wird, dass es in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst Mitgliederzuwächse gibt – was wir begrüßen, natürlich auch ich als Vorsitzender in Niederösterreich –, dann ist das ein Beweis dafür, dass die Kollegenschaft seinerzeit vor den sozialistischen Staatssekretären Kostelka, Ruttenstorfer, Einem und Schlögl – der auch einmal einer war –, die für den öffentlichen Dienst zuständig waren, ein bisschen Angst gehabt hat.

Ich könnte auch noch Herrn Sektionschef Bachmayer erwähnen – ich bin gerne bereit, euch einen Auszug aus dem entsprechenden Interview im "Kurier" von vergangener Woche zukommen zu lassen! –, der stolz darauf ist, dass er jetzt als für den öffentlichen Dienst Zuständiger endlich seine Träume "durchbringt", weil, wie er fast wörtlich sagt, die Frau Vizekanzlerin weniger Klientel mitbringt, als er sich vorgestellt hätte. – Das sind Geschichten, über die wir uns gewerkschaftsphilosophisch noch einmal unterhalten müssen werden.

Ich wollte jedenfalls den Widerspruch aufzeigen, dass auf der einen Seite gesagt wird, dass die Beamten wegrationalisiert werden, wir andererseits aber miterleben, dass die Mitgliedszahlen steigen. Ansonsten sind wir d’accord mit all den Dingen, die du angesprochen hast. (Beifall bei der ÖVP.)

15.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


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673. Sitzung / Seite 97

Von der Berichterstattung wird ebenfalls kein Schlusswort gewünscht.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einsatzzulagengesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 2. März 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge und sonstigen Ansprüche im Präsenz- und Ausbildungsdienst (Heeresgebührengesetz 2001) erlassen sowie das Zivildienstgesetz 1986 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft. Der Bundesrat noch nicht.

Dringliche Anfrage der Bundesräte Roswitha Bachner, Hedda Kainz, Brunhilde Fuchs, Marizzi und GenossInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend die unsozial-treffsichere Besteuerung der Unfallrenten (1789/J-BR/01)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen daher zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Roswitha Bachner und Genossen an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Da die Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Roswitha Bachner als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

15.20

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FPÖ-ÖVP-Koalition hat unter dem zynischen Titel "Hebung der sozialen Treffsicherheit" vor etlichen Wochen eine Kürzung von 8 Milliarden Schilling im Sozialsystem mit einem noch nie da gewesenen Kahlschlag durchgeführt. Dieses Paket trägt die Handschrift einer unvorstellbar sozialen Härte und Kälte! (Bundesrat Ing. Gruber: Das ist kein Kahlschlag, sondern eine Verjüngung!) Wenn Sie dann die Bilder sehen, die ich mitgebracht habe, dann können Sie von Verjüngung reden, Herr Bundesrat!

Ausgetragen wird dieser Kahlschlag im Sozialsystem auf dem Rücken von Beziehern von Unfallrenten, Arbeitslosen, Studenten und Pensionisten, um nur einige hier aufzuzählen. Die von der Koalition selbst durchgeführten Berechnungen der finanziellen Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen – in den Erläuterungen zum Budget und zum Budgetbegleitgesetz nachzulesen – ergeben für das Jahr 2001 eine Steigerung der Belastungen der Österreicherinnen und Österreicher insbesondere durch Erhöhung der Steuern oder Einführung neuer Steuerung um 30 Milliarden Schilling.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Grund für die heutige dringliche Anfrage ist die Besteuerung der Unfallrenten. Die blau-schwarze Regierung geht mit vollem Bewusstsein und


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673. Sitzung / Seite 98

mit Treffsicherheit auf die Schwächsten in dieser Gesellschaft los. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Gruber: Was hat denn Lacina seinerzeit gemacht?)

Seit 1. Jänner 2001 werden nun Unfallrenten besteuert. Durch diese Invalidensteuer werden den Menschen mit Behinderungen insgesamt 2 Milliarden Schilling weggenommen. (Bundesrat Marizzi: Pfui!) Es handelt sich dabei um Menschen, die bei Arbeitsunfällen Behinderungen erlitten haben. Ich habe Ihnen – und jetzt komme ich auf den Kollegen zurück – ein paar Bilder von unserer Abteilung "Humanisierung, Technologie und Umwelt" mitgebracht, um Ihnen zu zeigen, wie Arbeitsunfälle beziehungsweise Verletzungen bei Arbeitsunfällen ausschauen. Alle Damen und Herren Bundesräte, die empfindliche Mägen haben, sollen jetzt bitte wegschauen oder sich erst an die Bilder gewöhnen. (Die Rednerin zeigt zwei Bilder von Verletzungen in Großaufnahme.) So schauen zum Teil Verletzungen durch Arbeitsunfälle aus! (Bundesrat Dr. Aspöck: So schauen alle Verletzungen aus! – Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

Es schaut genau so furchtbar aus, Herr Bundesrat! Wir sprechen heute von ... (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Das ist, so glaube ich, ein unredliches Mittel der Ablenkung. Das ist nämlich genauso tragisch. (Bundesrat Ledolter: Das ist doch unappetitlich! Tun Sie das doch weg!) Nein, das nehme ich jetzt nicht weg, Herr Bundesrat! Ich bin absolut nicht bereit dazu! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck. ) Ja, das muss sein! Wenn Sie mich ausreden lassen, dann sage ich Ihnen warum. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Fuchs: Alles andere ist Realitätsverweigerung!)

Es werden Gesetze beschlossen, es werden Leute, die Behinderungen ... (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen) – Ich weiß, dass es nicht gut ausschaut, aber das sind Tatsachen! (Bundesrat Aspöck: Ein ausgerissener Fuß eines Motorradfahrers schaut genauso aus!) Das stimmt ja nicht! (Bundesrätin Giesinger: Und was ist mit Freizeitunfällen?) Das ist ein Arbeitsunfall. (Bundesrat Dr. Böhm: Das unterliegt dem Datenschutz!) Das unterliegt nicht dem Datenschutz! Ich habe mich genau erkundigt. Ich weiß, dass die Bilder nicht schön sind, aber es ist doch bezeichnend, dass Sie sich so aufregen.

Jetzt sollten wir aber schon über die Tatsache diskutieren. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und bei den Freiheitlichen.) Damit sich die Situation wieder beruhigt, werde ich jetzt die Bilder wieder wegnehmen, um meinen Ausführungen fortsetzen zu können. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Gruber. ) Nein! Ich wollte hier nur allen Ernstes zeigen, wie es ausschaut, wenn sich Arbeitsunfälle ereignen, denn es werden Gesetze beschlossen, durch welche Betroffene zusätzlich zu Schaden kommen. (Bundesrat Weilharter: Das haben Sie beschlossen) Nein! Das haben nicht wir beschlossen! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Lassen Sie mich trotzdem weiterhin ausführen. Gott sei Dank schauen nicht alle Arbeitsunfälle und auch nicht alle Freizeitunfälle so grausam aus. (Bundesrat Aspöck: Sie hätten Bilder von Haushaltsunfällen mitbringen sollen!) Insgesamt sind 108 000 Menschen von Arbeitsunfällen betroffen, es sind dies vor allem Arbeiter, aber auch Bauern, die nach einem Arbeitsunfall eine Versehrtenrente bekommen. 60 Prozent der Unfallrentner sind bereits in Pension. Die Besteuerung der Unfallrente bedeutet eine Kürzung von rund 30 Prozent ihrer Pension. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Gruber. )

Die blau-schwarze Regierung hat immer behauptet, man müsse Überversorgungen verhindern. Dazu muss man natürlich erläutern, was man unter Überversorgung versteht. – Handelt es sich um Überversorgung, wenn das Gesamteinkommen eines Pensionisten – Pension und Unfallrente zusammen gerechnet – im Durchschnitt bei knapp 14 000 S liegt? Oder ist es Überversorgung, wenn die erwerbstätigen Unfallrentner in der Höhe eine durchschnittliche Unfallrente von 3 000 S brutto erhalten? (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Gegenzug dazu kann ich Ihnen ein paar Zahlen nennen, die zeigen, wie diese Regierung die betroffenen Menschen durch die Besteuerung belastet. Erstes Beispiel: Eine Pensionistin mit einer Alterspension in der Höhe von 12 000 S brutto und einer Unfallrente in der Höhe von 3 000 S verliert über 10 000 S netto im Jahr. Ein Pensionist mit einer Bruttopension in der Höhe von 20 000 S und einer Unfallrente in der Höhe


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von 4 000 S zahlt pro Jahr um 20 500 S mehr Steuern. Mein drittes Beispiel ... (Bundesrat Ledolter: Ist das existenzbedrohend? – Bundesrätin Fuchs: Für Sie nicht! Sie sind überheblich! – Bundesrat Gasteiger: Für einen Mindestrentner ist es existenzbedrohend! Für Sie nicht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr geschätzte Damen und Herren! Ich habe eigentlich geglaubt, dass erst bei meinem dritten Beispiel der Aufschrei der Bundesräte von ÖVP und FPÖ kommen wird. Ich hätte eher geglaubt, dass das dann für Sie das Beispiel der Überversorgung ist. Wenn das zweite Beispiel schon genügt, dann muss ich sagen: Ich weiß nicht, ob alle in diesem Raum wissen, wie man mit 20 000 S brutto im Monat lebt, wenn man schon davon spricht. (Bundesrat Ledolter: Fragen Sie einmal kleine Gewerbetreibende oder Bauern! Die leben mit weniger! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zu beachten ist auch, dass die Höhe der Unfallrenten nicht zuletzt deshalb sehr niedrig angesetzt war, weil die Unfallrenten bisher nicht steuerpflichtig waren. Bei der Höhe der Unfallrenten durch das ASVG wird davon ausgegangen, dass keine Besteuerung erfolgt. Gebildet wird zunächst eine Bemessungsgrundlage, die von der Höhe des Einkommens in einem Zeitraum vor dem Unfall abhängt. Davon gebühren nur zwei Drittel, weil man von einem durchschnittlichen Steuersatz von einem Drittel ausgeht, und die endgültige Höhe der Unfallrenten hängt dann vom Prozentsatz der Erwerbsminderung ab. Das heißt, die Personen, von welchen ich hier spreche, werden zweimal besteuert. (Bundesrat Ing. Gruber: Das stimmt nicht!) Das stimmt! Der Verfassungsgerichtshof hat in zwei Erkenntnissen festgelegt, dass die Unfallrente nicht nur Einkommensersatz, sondern auch pauschalierter Schadenersatz ist, der Schmerzensgeld beinhaltet und mit welchem erhöhte Aufwendungen und so weiter berücksichtigt werden. Der VfGH hat daher ausgesprochen, dass die Besteuerung von derartigen Schadenersatzleistungen, die auch sonst steuerfrei sind, unsachlich ist.

Die Vertreter der FPÖ-ÖVP-Koalition haben immer wieder – wie auch heute – diese unsoziale Maßnahme verteidigt. So hat zum Beispiel die Generalsekretärin der ÖVP gesagt – ich zitiere einen Satz –: Verantwortungsvolle Politik heißt, zu Beschlüssen zu stehen. Ich sage Ihnen auch, in welchem Zusammenhang sie diesen Satz gesagt hat: Ausgelöst wurde diese Aussage durch das einfache Parteimitglied in Kärnten. Landeshauptmann Jörg Haider kam plötzlich – ich nehme an, es war rein zufällig – zu Beginn des Wiener Wahlkampfes drauf, dass ... (Bundesrat Dr. Nittmann: So wie der Schelm ist, so denkt er!) Ich sage nur, was er gesagt hat!

Er hat es so gesagt. Das können Sie nicht in Abrede stellen! Aber ich verstehe es, dass es Ihnen unangenehm ist, denn so kann man mit den "kleinen Leuten" nicht umgehen, schon gar nicht, wenn man vor Wahlen steht.

Wir Sozialdemokraten haben die Besteuerung der Unfallrenten von Anfang an abgelehnt, weil wir es nicht zulassen, dass die Regierung mit dieser Maßnahme auf die Schwächsten in der Gesellschaft losgeht. Die Besteuerung der Unfallrenten ist ungerechtfertigt und unsozial. Deshalb fordern wir Sozialdemokraten diese Regierung auf, die Besteuerung rückwirkend abzuschaffen! (Beifall bei der SPÖ.)

15.31

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der Anfrage hat sich der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses.

15.31

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich sage Ihnen etwas: Ich bin sehr dankbar, dass diese Anfrage gekommen ist, denn so habe ich Gelegenheit, darzustellen, wieso wir heute überhaupt eine Budgetkonsolidierung vornehmen und uns überhaupt mit diesen Fragen beschäftigen müssen. (Bundesrat Kraml: Schon wieder dieser alte Hut!)

Als im April 1970 ein Regierungswechsel stattfand und ein sozialistischer Bundeskanzler die Regierung übernahm, übernahm er geordnete Budgetverhältnisse. Das Defizit betrug damals 7,2 Milliarden Schilling, das entspricht – und ich werde noch auf diese Prozentsätze zurückkom


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men – 0,6 Prozent des Bruttosozialproduktes. Die Finanzschulden betrugen 43,6 Milliarden Schilling, das sind 12,5 Prozent des Bruttosozialproduktes. (Bundesrat Kraml: Deshalb sind Sie abgewählt worden!)

Endlich ist dann jemand gekommen, der da Ordnung schafft! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der Kassensturz am 4. Feber 2000 hat gezeigt, dass das Defizit 109 Milliarden Schilling beträgt, also weit über 2 Prozent. Dazwischen betrugt die Defizitquote auch schon 5 Prozent! Die Schulden betrugen mit 1 700 Milliarden Schulden plus außerbudgetären Schulden von weiteren 300 Milliarden Schilling insgesamt 2 000 Milliarden Schilling! Der Prozentsatz ist also von 12,5 Prozent auf 60 Prozent angewachsen! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Finanzschulden sind vier Mal so rasch gestiegen wie die entsprechenden Einnahmen. Für den Zinsenaufwand ist das Vierunddreißigfache zu bezahlen. Wir waren Schlusslicht in der Euro-Zone bei der Defizitbekämpfung. Bei den Finanzschulden – das ist kein Irrtum, ich habe die entsprechenden Unterlagen da, Sie können hineinschauen, ich habe alle Statistiken mit – liegen wir am viertschlechtesten Platz! (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wahrheit tut weh, ich gebe es zu! (Bundesrat Freiberger: Die ÖVP war 13 Jahre mit dabei! – Bundesrätin Mag. Trunk: Warum haben Sie Schüssel nicht in die Wüste geschickt?)

Wie kam es zu diesem Defizit? – Man hat Keynes zum Herrgott erhoben. Was hat Keynes gesagt? – Man soll ... (Zwischenruf des Bundesrates Freiberger. ) Ich erkläre Ihnen nur, wie das entstanden ist, und es wäre gut, wenn Sie zuhörten! Man hat Keynes zum Herrgott erhoben. Er hat gesagt, dass man in wirtschaftlich schlechten Zeiten "deficit spending" betreiben soll, in wirtschaftlich guten Zeiten aber wieder Überschüsse hereinbringen, also mehr einheben als ausgeben, soll, damit man wieder zu einem ausgeglichenen Budget kommt. Das sagt Keynes. Das ist eine antizyklische Budgetpolitik. Das ist richtig! (Bundesrätin Mag. Trunk: Erklären Sie das Ihrem Bundeskanzler, einem gewissen Herrn Schüssel! – Zwischenruf der Bundesrätin Bachner.  – Bundesrat Bieringer: Warum regt ihr euch so auf?)

Was haben Sie aber gemacht? – Sie haben jedes Jahr – hier ist eine Tabelle, die das belegt – ein Defizit gebaut! Kein einziges Mal haben Sie dieses mit einem Überschuss abgebaut. (Bundesrat Thumpser: Sie waren 13 Jahre in der Regierung!) Herr Bundesrat! Hören Sie jetzt sehr gut zu! Wie viel hat bereits im Jahr 1986 – damals war noch keine ÖVP in der Bundesregierung – das Defizit betragen? Wie viel war es? – Es betrug bereits im Jahr 1986 106 Milliarden! (Bundesrat Mag. Himmer: Wahnsinn!) Das haben Sie allein zu verantworten gehabt! (Bundesrätin Mag. Trunk: Was ist mit dem Vermögen der Republik Österreich, Herr Staatssekretär?) Was habe ich vom schönsten Vermögen, wenn ich es nicht finanzieren kann? Was nutzt mir das Vermögen? Was nutzt mir eine Dachterrassenwohnung? (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

In den Jahren 1996/97 musste zur Erreichung der Europa-Reife ein Sparprogramm von der Bundesregierung gemacht werden, und zwar unter einem sozialistischen Bundeskanzler und einem sozialistischen Finanzminister. Wie lautete das Urteil des Rechnungshofes über dieses Sparpaket, der dieses evaluiert hat, was auf Seite 213 des öffentlich zugänglichen Berichtes nachzulesen ist? – Der Rechnungshof sagt: Der Anteil der einnahmenseitigen Maßnahmen war höher als vorgesehen. Auch sozial Schwächere wurden von den Konsolidierungsmaßnahmen getroffen. – Das ist nachzulesen!

Es wurden pensionsrelevante Maßnahmen getroffen, die sich erst in zwanzig, dreißig Jahren auswirken werden. Es ist keine dauerhafte Sanierung des Budgets erfolgt. Was hat die EU-Kommission gesagt? – Die EU-Kommission hat gesagt: Trotz Sparpaket gingen die Finanzschulden weiter steil hinauf. – Das war Ihre Art von Politik!

Was bedeutet das jetzt für uns, wenn wir das Budget zu konsolidieren haben? Kennen Sie eigentlich die Folgen der betriebenen Budgetpolitik? Wissen Sie, was das bedeutet? – Vorgestern hat ein früherer Finanzminister im Budgetausschuss gesagt, dass auch er für die


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Budgetkonsolidierung sei, dass sie notwendig sei, dass er sie nur anders machen würde. Allerdings hat er nicht gesagt, wie er es anders machen würde. Das könne er nicht sagen.

Wir müssen bei einem jährlichen 800-Milliarden-Ausgabenvolumen, nur um die Neuverschuldung zu stoppen, einen Überschuss von 100 Milliarden Schilling erzielen. Wenn wir nicht Ihre Schulden zu tilgen hätten, dann könnten wir diese 100 Milliarden für all das verwenden, was Sie heute aufgezählt haben! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) 100 Milliarden Schilling: Das ist eine Umverteilung von unten nach oben, denn wer bekommt diese 100 Milliarden? – Die Kreditgeber, und das sind nicht die Ärmsten! Das ist Ihre Art von Politik! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk.  – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Gott sei Dank erfahren Sie einmal die Wahrheit! Die Einführung der Steuerpflicht bei Versehrtenrenten ist gleich Unfallrenten geht auf Systemüberlegungen einer grundlegenden Untersuchung zurück. Es war eine Expertengruppe eingesetzt, Professor Mazal hat diese Arbeitsgruppe geleitet, an dieser Expertenkommission, zusammengesetzt aus verschiedensten Bereichen, haben auch Experten von der Arbeiterkammer teilgenommen. – Diese Expertengruppe kam bei dieser Untersuchung zum Ergebnis, dass die bisherige Steuerfreiheit von Versehrtenrenten systematisch nicht zu rechtfertigen ist.

Für die Besteuerung sprechen folgende Argumente: Die Unfallrente stellt eine Art Schadenersatz für Arbeitsunfälle dar. Bekäme man diesen Schadenersatz vom Arbeitgeber selbst in Form einer Rente ausbezahlt, dann wäre dieser Schadenersatz normal steuerpflichtig. Der Systembruch einer Steuerfreistellung der gesetzlichen Unfallrente lag also darin, dass nur deshalb, weil die Schadenersatzrente über ein Versicherungssystem läuft, sie als Unfallrente steuerfrei war. Die Beiträge zur Unfallversicherung, die der Arbeitgeber zu leisten hat, sind beim Arbeitgeber Betriebsausgaben, beim Arbeitnehmer werden sie der Lohnsteuerbemessungsgrundlage nicht – ich unterstreiche das Wort "nicht", damit die Frage der Besteuerung auch einmal klar wird – als Sachbezug zugerechnet, sodass insgesamt gesehen die Abzugsfähigkeit der Unfallversicherungsbeiträge gegeben ist.

Insoweit teilen sie das Schicksal der Pensionsbeiträge – darüber müssen Sie sich dann genauso aufregen –, ebenfalls zum Zeitpunkt der Beitragsleistung das steuerpflichtige Einkommen zu mindern. Die Leistungen aus der Pensionsversicherung sind in der Folge steuerpflichtig. – Also dort macht man es, und da macht man es nicht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Daher sind unter anderem auch Invaliditätsrenten ebenso wie alle anderen Pensionsleistungen zum Zeitpunkt der Rentenzahlung steuerpflichtig. Unfallrenten blieben hingegen bisher – systemwidrig! – steuerfrei.

Dazu kommt – das ist ein Expertenbericht –, dass auf Grund ein und desselben Unfalles je nach sozialversicherungsrechtlicher Situation der Betroffenen, einmal eine Invaliditätsrente und ein anderes Mal eine Unfallrente zur Auszahlung gelangen kann. Die bisherige Differenzierung – jetzt hören Sie bitte zu – in steuerpflichtige Invaliditätsrenten – weshalb haben Sie sich eigentlich da nicht aufgeregt (Zwischenrufe bei der SPÖ) – und steuerfreie Unfallrenten hat auch die Volksanwaltschaft zu einer kritischen Feststellung veranlasst. Es ist dies im 23. Bericht über das Jahr 1999, Punkt 4/1/1/3.1 nachzulesen.

Private Unfallrenten sind steuerpflichtig. Zahlreiche Unfallopfer – also auch die so aussehen, wie Sie mit Ihren Bildern vorgeführt haben – kommen nicht in den Genuss einer gesetzlichen Unfallrente, weil der Unfall nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit passiert ist. Sofern in diesen Fällen Rentenzahlungen auf Grund einer privaten Versicherung erfolgen, sind sie steuerpflichtig auf Grund einer eigenen Versicherung als Gegenleistungsrente, Bezahlung durch eine fremde Versicherung bereits mit der ersten Rentenzahlung.

Ein weiteres Beispiel: Erhält ein Unfallopfer von der Haftpflichtversicherung eines Autolenkers, der den Unfall verschuldet hat, eine Rente, dann ist diese in vollem Umfang steuerpflichtig. Aus welchem Grund sollte also eine Unfallrente, die im Zusammenhang mit einer Berufstätigkeit steht, also Einkommensersatz darstellt, steuerfrei gestellt sein?


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Selbstverständlich müssen Aufwendungen eines Unfallopfers auf Grund einer Erwerbsminderung steuerlich berücksichtigt werden. Es gibt daher ein eigenes Instrument im Steuerrecht, und zwar jenes der steuerlichen Abzugsfähigkeit außergewöhnlicher Belastungen. Einerseits sind bei Erwerbsminderungen pauschale Freibeträge vorgesehen, andererseits besteht die Möglichkeit, anstelle oder in bestimmten Fällen neben den Pauschbeträgen die tatsächlichen Kosten geltend zu machen. Liegt eine Behinderung im steuerlichen Sinne vor, dann sind die damit verbundenen außergewöhnlichen Belastungen ohne Kürzung durch einen Selbstbehalt, also in vollem Umfang, abzugsfähig.

Die Systematik des Einkommensteuergesetzes entspricht daher dem Grundsatz, sämtliche Unfallrenten steuerlich gleich zu behandeln, dabei aber die unfallbedingten Aufwendungen steuerlich zu berücksichtigen.

Nun zur Beantwortung der Anfrage:

Frage 1 lautet: "Ist es nicht unsachlich, ein Einkommen zu besteuern, das der Gesetzgeber selbst in der Höhe ohne Besteuerung konzipiert hat?"

Es ist schon darauf hinzuweisen, dass die erstmalige volle Besteuerung der Unfallrenten durch – wissen Sie es noch? – eine sozialdemokratische Regierung unter Finanzminister Vranitzky erfolgt ist. Es ist zutreffend, dass zwischen 1989 und 1990 die Steuerpflicht an das Ausmaß der Behinderung angepasst wurde – aber Sie haben die Besteuerung selbst eingeführt! –, es bedurfte aber erst eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes im Jahre 1991, um die volle Steuerfreiheit für Unfallrenten herzustellen. Sie haben also nicht selbst etwas zurückgenommen, sondern Sie sind durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes dazu gezwungen worden.

Seit dem Jahre 1957 dient das Aufkommen aus Unfallversicherungsbeiträgen zur Gänze Vorsorgeleistungen. Die Bemessung der Unfallrente mit 66 Prozent ist lediglich ein Resultat der Leistungsfähigkeit der Unfallversicherung auf Basis der Unfallversicherungsbeiträge. Es liegt damit keine versteckte Besteuerung vor, wie die Frau Bundesrätin gemeint hat, sondern lediglich eine den Beiträgen entsprechende Höhe der Unfallrenten. Wären die Beiträge höher, könnten auch höhere Renten ausbezahlt werden.

Eine ähnliche Situation haben wir natürlich auch bei der Pensionsbemessung. Es wird auch hier nicht der gesamte Aktivbezug, der der Beitragsbemessung zu Grunde liegt, als Pension zuerkannt, sondern nur ein bestimmter Prozentsatz davon. Es können doch auch die steuerpflichtigen Pensionen nicht als doppelt besteuert mit angesehen werden.

Frage 2 und Frage 3 erlaube ich mir, in einem zu beantworten. Frage 2: "Warum wurde Klubobmann Dr. Andreas Khol von den ExpertInnen des Finanzministeriums mit unrichtigen Zahlen versorgt? Welche Zahlen waren das im Detail?" Frage 3: "Wurden gegen diese ExpertInnen Disziplinarverfahren eingeleitet?"

Die Experten haben weder Herrn Klubobmann Dr. Andreas Khol noch andere Personen mit unrichtigen Zahlen versorgt. Es erfolgte eine korrekte zahlenmäßige Darstellung der Unfallrentenempfänger, des Ausmaßes der ausbezahlten Unfallrenten sowie der Aufkommenswirkungen, die sich aus der Besteuerung ergeben. Die Konsequenzen einer steuerlichen Erfassung für die Betroffenen sind für den Einzelfall jederzeit errechenbar, sodass in diesem Bereich eine Fehlinformation bereits von vornherein ausgeschlossen ist. Für die Einleitung disziplinärer Maßnahmen war daher kein Erfordernis.

Die Fragen 4 bis Fragen 7 erlaube ich mir wieder, in einem zu beantworten. Frage 4: "Wie man Ihrer Budgetrede entnehmen konnte, wollten auch Sie gewisse unsoziale Wirkungen der Besteuerung der Unfallrenten nicht herbeiführen. Sind Sie und die Bundesregierung ein Opfer der Kholschen ,Speed kills‘ Regieanweisung geworden?" Frage 5: "Wenn nein, wie erklären Sie sich diese eklatanten Fehler in der damaligen Regierungsvorlage, deren Opfer die Ärmsten der Armen wurden?" Frage 6: "Obwohl die Sozialdemokratie für die gänzliche rückwirkende Aufhebung bei Besteuerung der Unfallrenten eintritt und von der blau-schwarzen Koalition perma


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nent niedergestimmt wird: Wann werden Sie endlich im Ministerrat eine Vorlage zu diesem Gegenstand beschließen?" Frage 7: "Wann rechnen Sie mit einer Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt?"

Der Herr Bundesminister – ich habe die Budgetrede hier, das kann belegt werden – hat in der Budgetrede keineswegs die systemische Richtigkeit der steuerlichen Erfassung der Unfallrenten und somit auch nicht die getroffene gesetzliche Regelung in Frage gestellt. Er hat jedoch erwähnt, dass es zum Stil des neuen Regierens gehört, extreme Härtefälle einzugestehen. Und es ist, bitte, keine Schande, wenn man diese nötigenfalls auch wieder richtig stellt oder beseitigt.

Es gibt aber bereits derzeit im Bereich der Unfallversicherung selbst ein Instrumentarium zur Abstützung von Härtefällen. Trotzdem wird derzeit von der seinerzeitigen Expertengruppe unter Mazal nochmals geprüft, inwieweit dieses Instrumentarium auch für steuerliche Belange genutzt werden kann. Wir erwarten uns, dass die Prüfung innerhalb weniger Wochen abgeschlossen sein wird, wir werden dann selbstverständlich im Hohen Haus vom Ergebnis dieser Prüfung eingehend berichten. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.48

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als erster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Hedda Kainz das Wort. – Bitte.

15.48

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Wenn ich jetzt einige der Ausführungen des Herrn Staatssekretärs kommentieren würde, würde das sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, um die Widersprüche aufzuklären. In einem, Herr Staatssekretär, gebe ich Ihnen Recht: Die Umverteilung von unten nach oben, soweit es die Kreditzinsen anlangt, sehen wir auch so. Nur für uns lautet die Frage: Wer zahlt, und wer bekommt? – Und da trennen uns offensichtlich Welten. Welten! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie gestatten mir diesen Rekurs in die Vergangenheit: Ich muss den Gesetzgeber an den Vertragspartnerwillen bei Einführung der AUVA und der damit zusammenhängenden Regelung in Bezug von Unfallrenten erinnern. Es war damals keineswegs die Absicht, Zusatzeinkommen für leider so stark Geschädigte einzuführen. Ich kann für Ihre Sensibilität diesen Bildern gegenüber kein Verständnis aufbringen, denn das sind Realitäten – und der Unterschied zu Freizeitunfällen liegt ganz einfach in der Verantwortlichkeit für diese Dinge, die hier aufgezeigt wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht also nicht um Zusatzeinkünfte, für die man unter Umständen Systemreinheit in Ansatz bringen kann, wie das hier der Herr Staatssekretär so ausführlich dargestellt hat. Für uns geht es darum, das Verursacherprinzip in Anrechnung zu bringen, und das war damals Vertragspartnerwille. Es geht um die Schadensabgeltung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und um die Abgeltung von beeinträchtigen Berufschancen für diese Menschen.

Ich möchte wirklich nicht darauf eingehen, dass ich der Meinung bin, dass Wiederholungen von Fakten und Zahlen ganz einfach die behaupteten Dinge nicht richtiger machen, sondern im Vordergrund hat zu stehen: Wer hat in diesem Staatsgefüge Anspruch auf Unterstützung durch jene, die an – in diesem Fall – Arbeitsunfällen beteiligt sind, wer hat Anspruch auf Unterstützung durch die Gesellschaft, und wer ist in der Lage, das mitzufinanzieren! Wenn die Vergleiche natürlich sehr professionell aus dem Zugang zum Budget und den dort vorhandenen Bedürfnissen dargestellt wurden, dann können wir von der Fraktion der Sozialdemokraten das einfach nicht in dem Maße unterstützen, weil Sie Systemfragen in den Vordergrund stellen. Unser Meinung nach brauchen aber Menschen und nicht Systeme Unterstützung. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wenn Menschen mit Schäden, mit Behinderungen, mit Handicaps 2 Milliarden Schilling in das Budget einbringen sollen, indem man ihnen die Unfallrenten besteuert, dann muss ich Ihnen entgegenhalten, dass jene Besteuerung, die im Bereich der Privatstiftungen angesetzt werden soll, nicht annähernd diese Größenordnung ausmacht. Wenn ich generell die Budgetansätze anspreche, möchte ich Sie daran erinnern, dass 30 Milliarden Schilling aus dem Bereich der Beschäftigten kommen sollen und 17 Milliarden Schilling aus anderen Bereichen. Somit sind wir wieder dort: Es kommt darauf an: Wer bekommt, und wer trägt bei?!

Das sind Auffassungsunterschiede, die ganz einfach unüberbrückbar sind. Sie haben gesagt, dass viele dieser Maßnahmen ihre Ursache in einer Koalition der Vergangenheit haben. Ich muss Sie daran erinnern, dass dieser Koalitionsbruch deshalb zu Stande gekommen ist, weil die Sozialdemokraten diese Umklammerung, verpackt in die Frage: Wer zahlt, und wer nimmt?, nicht mehr aushalten konnten. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zu den Unfallrentnern: Meine Kollegin Bachner hat schon sehr eindrucksvoll die Fakten dargestellt, ich möchte sie Ihnen allerdings auch nicht vorenthalten, denn sie sind es wert, dass man sie sich ganz einfach in das Gedächtnis einbrennt, um die Bedeutung dieser sozialen Kälte auch wirklich zu spüren.

110 000 Unfallrentner in Österreich, 20 000 davon in Oberösterreich, sind durch Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle in diese Situation geraten. Schwere Handverletzungen, Kopfverletzungen, Querschnittlähmungen sind zu beklagen. Ich glaube, gerade jene, die die christliche Nächstenliebe zumindest partiell auf ihre Fahnen heften, müssten einen anderen Zugang zu diesem Leid haben. Die Eindrücke der hier dargestellten Bilder waren nicht dazu angetan, um solche Reaktionen hervorzurufen, die mich erschüttert haben, nämlich Sensibilität gepaart mit Abscheu. Wir können diese Bilder nicht mit Abscheu von uns weisen, das sind Fakten! (Beifall bei der SPÖ.)

Die typischen Unfallrentenbezieher sind, wie auch schon hier ausgeführt, Menschen, die eine Pension und Unfallrente in der Größenordnung von 15 000 S monatlich beziehen. Für diese Menschen bedeutet die geplante Maßnahme einen jährlichen Verlust von 10 000 S.

Im Bereich der Beschäftigten sei nur ein einziges Beispiel erwähnt: 25 000 S Gehalt und 5 000 S Rente bedeuten einen Verlust von 20 000 S jährlich, wobei die durchschnittliche monatliche Unfallrente 3 500 S ausmacht.

Wenn wir jetzt das Paket der so abgenützten Grauslichkeiten noch einmal kurz Revue passieren lassen, dann müssen wir sagen, es sind jetzt die Unfallrenten, die eine zusätzliche Belastung für diese Menschengruppe bedeuten. Übrigens: Kritik an diesem Umstand wird nicht nur von den Sozialdemokraten geübt. Sie müssen auch in der jeweiligen Fraktion, bei der ÖVP oder der FPÖ, hinterfragen, wieso die Kritik so massiv ist; eine Kritik, die in Einzelfällen so weit geht, dass man auch an Klagen denkt.

Wir haben die Ambulanzgebühren zu tragen, die alte Menschen, benachteiligte Menschen in ganz besonderem Ausmaß trifft, auch Unfallopfer. Wir haben die Rezeptgebühr, die auch Menschen mit Handicaps ganz besonders trifft. Ich glaube, wenn Sie ein bisschen in der Realität leben, dann wissen Sie, dass 1 000 S Rezeptgebühr im Monat keine Seltenheit ist. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das müssen Sie mit Ihrer Klientel bei den Ärzten ausmachen.

Spitalskostenbeiträge, Tagessätze in der Höhe von 100 S: Fragen Sie ein Unfallopfer, eine Pensionistin, ob sie 100 S täglich zum Leben zu Hause verbrauchen kann! (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. ) Das müssten Sie am besten wissen.

Massive Steuernachzahlungen sind überall dort zu erwarten, wo die Versteuerung nicht vorgenommen wird, und – und ich glaube, das wissen auch Sie, Herr Staatssekretär – das ist bei allen Unfallrenten, die weniger als 6 900 S monatlich ausmachen, der Fall. Bedenken Sie, was das für Menschen in dieser Lebenssituation ausmacht! Bitte, legen Sie auch dort jene Sensibilität an den Tag, die Sie bei der Demonstration der Handicaps gezeigt haben.


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Die soziale Treffsicherheit sei auch nur kursorisch angesprochen, ebenso die rückwirkende Kürzung der Notstandshilfe, die in Österreich für zirka 10 000 Menschen wirksam wird und eine monatliche Belastung in der Höhe von bis zu 3 000 S bedeutet. Wenn wir jetzt "Worst-case"-Szenario auflisten und diese einem Menschen darstellen würden, der von allen diesen Maßnahmen betroffen ist, dann glaube ich, dass die Nicht-mehr-Finanzierung eines Lebens ganz klar zum Ausdruck kommen würde.

Meine Damen und Herren! Jetzt bereit zu sein, Härtefälle in Ordnung zu bringen oder nach dem Gnadenprinzip zu entschärfen, das ist meines Erachtens und auch nach Einstellung meiner Fraktion nicht der Zugang zu diesem Problem. Hier ist eine Menschengruppe, die aus ihrer Berufstätigkeit und den damit zusammenhängenden Risken einen Schaden erlitten hat, und ich lehne Systemfragen in dieser Zuordnung ab. Es muss nur das System stimmen, dann ist alles andere auch in Ordnung – das lehne ich ab! Ich halte diesen Zugang grundsätzlich für falsch, und ich habe schon darauf hingewiesen, dass gerade auch aus Oberösterreich vom ehemaligen Landeshauptmann in dieser Frage Aktivitäten angekündigt wurden.

Zum Abschluss möchte ich in diesem Zusammenhang und zu diesem Thema folgenden Entschließungsantrag präsentieren.

Entschließungsantrag

der Bundesräte Roswitha Bachner und Genossen betreffend Abschaffung der unsozialen Besteuerung der Unfallrenten

Der Bundesrat hat beschlossen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Regierungsvorlage: Budgetbegleitgesetz 2002 (499 der Beilagen) gemäß § 25 GOG-NR so abzuändern beziehungsweise zu ergänzen, dass die bereits beschlossene unsoziale Besteuerung der Unfallrenten mit 1. Jänner 2001 rückwirkend aufgehoben wird."

*****

Meine Damen und Herren! All jene unter Ihnen, die Sensibilität mit Verletzungen an den Tag legen, würde ich auffordern, diese Sensibilität auch hinsichtlich der Lebensumstände der Menschen, die mit solchen Handicaps leben müssen, zu haben und diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.00

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Roswitha Bachner und Genossen eingebrachte und von Frau Bundesrätin Hedda Kainz soeben verlesene Entschließungsantrag betreffend Abschaffung der unsozialen Besteuerung der Unfallrenten ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Harald Himmer das Wort. – Bitte.

16.00

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir haben von der Kollegin, die vor mir gesprochen hat, gerade gehört, dass es um die Sensibilität gegenüber Verletzungen und gegenüber Bildern geht. Ich wollte darauf noch kurz Bezug nehmen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand, der in diesem Hohen Haus tätig ist, intellektuell nicht nachvollziehen kann, was eine Verletzung ist. Insofern waren die Bilder für mich irritierend, weil ich glaube, dass im Prinzip jeder weiß, dass bei einer Verletzung Blut fließen kann und dass das mitunter nicht nur sehr grauslich aussieht, sondern auch sehr grauslich ist.

Ich meine, niemand von uns würde, wenn er in einer solchen Situation wäre – Sie haben Bilder von Unfallopfern gebracht –, wenn er ein Unfallopfer wäre, danach fragen, ob er jetzt die Hand


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deshalb abgetrennt hat, weil er privat oder gerade dienstlich unterwegs ist. Es ist nicht nachzuvollziehen, ob das in der Situation einen Unterschied macht, etwa hinsichtlich der Schmerzen oder der Bewältigung der Unfallfolgen. Diesen Unterschied erklärt das Bild meiner Auffassung nach auch nicht. Aber das passt nicht in Ihre jetzige Propaganda.

Eines scheint wohl auch festzustehen: Man kann die Sachen drehen und wenden, wie man will – der Herr Staatssekretär hat dankenswerterweise darauf hingewiesen –, man muss für jede dringliche Anfrage, die von Seiten der Opposition kommt, auch dankbar sein, weil dies immer wieder eine Möglichkeit bietet, klarzustellen, wie wichtig der Weg der Budgetsanierung ist und dass das die einzige Möglichkeit ist, nachhaltig sozialverträgliche, sozialverantwortliche Politik zu machen. (Bundesrätin Fuchs: Doch nicht das, was Sie jetzt getan haben! Das ist doch nicht sozial verträglich! Sie kennen nicht einmal einen Unfallrentner!)

Frau Kollegin Fuchs! Wissen Sie, was Sie verloren haben? – Sie haben die Realität aus den Augen verloren! Sie glauben zum Beispiel, dass in der ÖVP- oder FPÖ-Fraktion oder wer auch immer in diesem Hohen Haus niemanden mehr kennt, der mit unter 20 000 S brutto auskommen kann. Das stimmt aber nicht! Sie verkennen völlig die Realität.

Frau Fuchs! Ich erinnere mich an eine Diskussion mit Ihnen hier im Hohen Haus vor Kindern aus Favoriten. Sie waren damals noch Nationalratsabgeordnete und haben geglaubt, wenn Sie den Kindern jetzt sagen, was Sie als Nationalrätin verdienen, werden alle erstaunt sein, wie wenig das ist. Das Gegenteil war der Fall. Sie sind diejenige, die die Realität aus den Augen verloren hat, denn es waren alle Schüler samt der Lehrerin verblüfft, und Sie haben geglaubt, die Leute würden sagen: Sie arme Nationalrätin verdienen nur 42 000 S. (Bundesrätin Fuchs: Da haben Sie mich mit Herrn Morak verwechselt! Das war Herr Morak, der diese Sache zur Diskussion gestellt hat! Das ist unwahrscheinlich!) Frau Kollegin! Ich erinnere mich sehr genau an diese Diskussion mit Ihnen vor einer Favoritner Schulklasse. Das war so unverwechselbar, da kann ich mich nicht irren.

Zu dem Betrag weniger als 20 000 S brutto möchte ich Folgendes sagen: Ich habe die Zahlen jetzt nicht vor mir, aber es wäre wert, in den Sozialbericht zu schauen. Gerade in strukturärmeren Gebieten gibt es sehr viele Menschen, die weit mehr als 40 Stunden arbeiten und mit weniger als diesem Betrag nach Hause gehen. (Bundesrätin Fuchs: Wir sollten schauen, dass wir alle Einkommen anheben!)

Frau Kollegin Fuchs! Ich glaube, der Antrag, dass man generell die Einkommen heben und es allen gut gehen soll, wird hier sicher einstimmig angenommen werden. (Bundesrätin Fuchs: Das haben Sie jetzt eben gesagt!) Die Tatsache ist nur – es wäre wichtig, dass Sie das auch einmal verstehen –, dass Sie hier nicht beschließen können, dass alle Menschen mehr Geld bekommen, sondern es ist auch die Aufgabe des Staates, nicht mehr Geld auszugeben, als wir haben. Es ist völlig unbestritten, dass wir all den Menschen, die hier angeführt worden sind, weit mehr als das vergönnen würden, was ihnen jetzt angeboten werden kann. Aber es ist eben eine Tatsache, dass man nicht mehr Geld ausgeben sollte, als man zur Verfügung hat. Ich weiß schon, dass das bei Ihnen auf völliges Unverständnis stößt. (Bundesrätin Fuchs: Das ist ein großer Irrtum!)

Wie bereits gesagt worden ist, wurde im Mazal-Bericht festgestellt, dass im Vergleich zur Steuerpflicht für Renten aus der privaten Unfallversicherung keine Steuerpflicht bei der gesetzlichen Unfallversicherung gegeben ist. Die Intention war, dass das auf gesetzlichem Wege bereinigt wird. Aber selbstverständlich hat die Bundesregierung auch für eine Abfederung von Härtefällen zu sorgen. Das ist auch von den beiden Parlamentsfraktionen der Regierungsparteien entsprechend zum Ausdruck gebracht worden, wobei ich übrigens sagen muss, dass es nicht diese Regierung ist, die als Erste das Thema Besteuerung der Unfallkasse aufgegriffen hat. Ich habe hier eine Zeitung aus den achtziger Jahren (der Redner zeigt sie), in der steht, dass ein gewisser Kanzler Vranitzky in die Unfallkasse gegriffen hat, aber das haben Sie in der Zwischenzeit wahrscheinlich auch bereits ... (Bundesrätin Fuchs: Was hat er genommen?) Genommen hat er ... (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Auf jeden Fall wurde im Nationalrat ein Entschließungsantrag beschlossen, in dem ganz klar eine Arbeitsgruppe beauftragt worden ist, die Besteuerung der Unfallrenten auf Härtefälle zu prüfen und auch Vorschläge in die Richtung zu machen, inwieweit ein Härteausgleich den Personen zukommen soll, die durch die Besteuerung der Unfallrenten in niedrigere Einkommensverhältnisse geraten und vor dem Eintritt in eine verminderte Erwerbstätigkeit stehen, deren monatliches Gesamteinkommen den Richtwert von 20 000 S nicht übersteigt. Ich glaube, dass wir als Bundesrat wohl auch in der Lage sind, eine ähnliche Position zu beziehen.

Ich wollte noch auf eines hinweisen, weil in einer Zwischenbemerkung gesagt worden ist, das Niveau der ÖVP sei gesunken, obwohl ich eigentlich nur gesagt habe, dass eine Budgetsanierung auch deswegen notwendig und wichtig ist, um die soziale Sicherheit langfristig zu gewährleisten. (Bundesrat Mag. Hoscher: Das stimmt nicht! Davon distanziere ich mich! Das ist nicht wahr!) Jetzt mag es sein, dass Sie dazu eine andere Position haben, aber was das mit einem niedrigen Niveau zu tun hat, ist für mich nicht nachvollziehbar. (Bundesrätin Fuchs: Das war nicht auf Sie bezogen, sondern auf einen Zwischenruf! Sie hören nicht zu! Der Zwischenruf kam aus Ihren Reihen!) Ich weiß nicht, Frau Kollegin Fuchs, warum Sie immer so aufgeregt sind. Ich spreche ja gerade! Ich muss doch nicht Ihnen zuhören, wenn ich am Rednerpult bin. Da habe ich doch etwas anderes zu tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Das ist unglaublich: Ich höre vom Rednerpult aus nicht zu. Hervorragend, aber zumindest erheitern Sie mich, und dafür möchte ich mich bedanken.

Auf jeden Fall sprechen Sie immer wieder von der sozialen Kälte. Dazu möchte ich einfach festhalten, dass eine nachhaltige Budgetsanierung etwas damit zu tun hat, dieses Gebäude – auch des sozialen Netzes – nachhaltig auch für die nächsten Generationen sicherzustellen. Wenn wir von sozialer Kälte sprechen, dann möchte ich auch darauf hinweisen, dass diese Bundesregierung das Kindergeld beschlossen hat. Wollen Sie sagen, dass das Kindergeld auch ein Ausdruck sozialer Kälte ist? (Beifall bei der ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: Haben Sie es ausbezahlt?)

Was ist mit dem Kindergeld? Ist das Ausdruck sozialer Kälte, wenn jetzt mehr junge Frauen, junge Väter und junge Familien die Möglichkeit haben, sich der Kindererziehung zu widmen, und wenn sich vielleicht mehr Menschen überlegen werden, auch eine Familie zu gründen? Ist das der Ausdruck sozialer Kälte? (Bundesrätin Fuchs: Wie viele Kinder haben Sie?) Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie unsere Bevölkerungsentwicklung in den nächsten Jahrzehnten ausschauen wird? (Ruf bei der SPÖ: Das willst du über das Kindergeld regulieren? – Super!) Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie das ausschauen wird, wenn die Menschen immer älter werden? Willst du in einer Gesellschaft leben, in der es keine ... (Ruf bei der SPÖ: "Sie"!) Einigt euch auf irgendetwas, es ist ja wirklich unglaublich. Aber ich stelle fest, ich habe nicht mit Ihnen gesprochen. Das ist auch nicht unbedingt wichtig.

Das heißt, wir haben eine ganz wesentliche Änderung auch in der Gesellschaftspolitik gemacht, und das ist nicht die Gesellschaftspolitik der Sozialdemokratie, das gebe ich zu. Aber man kann deswegen nicht automatisch sagen, dass es nicht etwas Sinnvolles ist. Im Gegenteil, ich glaube, die Menschen haben mitbekommen, dass dieses Land neben einer anderen Wirtschaftspolitik auch eine andere Gesellschaftspolitik braucht, in der nämlich die Kinder etwas zählen, in der die Zukunft der Kinder etwas zählt, in der die Nachhaltigkeit in wirtschaftlichen Belangen etwas zählt und in der die Nachhaltigkeit in ökologischen Belangen etwas zählt. Eine nachhaltige Politik ist etwas, wozu die Sozialdemokratie in letzter Zeit nie wirklich hinreichende Antworten gegeben und Positionen bezogen hat.

In diesem Sinne (Rufe bei der SPÖ: Ist Schluss! – Beifall bei Bundesräten der SPÖ) bin ich sehr froh, dass ich von Ihnen Applaus bekomme, weil ich daraus ableite, dass auch Sie in Zukunft mehr nachdenken werden, wie wir gemeinsam unser Budget in den Griff bekommen können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.13

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Engelbert Weilharter das Wort. – Bitte.


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16.14

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Warum der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokratischen Partei nicht als Mitantragsteller oder Mitanfragender auf dieser Anfrage steht, wurde mir beim Durchlesen dieser Anfrage völlig klar. Das spricht wirklich für Herrn Professor Konecny. (Bundesrat Dr. Böhm: Er ist auch nicht anwesend!) Dass er bei den Debattenbeiträgen seiner Fraktion nicht anwesend ist, beweist diesem Haus einmal mehr, dass er sich mit den Inhalten der sozialdemokratischen Fraktion nicht identifizieren kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wenn in dieser Anfrage von einem "Sozialraubzug" gesprochen wird, dann ist das entlarvend für die SPÖ. Allein die Diktion ist zu verurteilen. Raub ist ein strafrechtlicher Tatbestand. Wenn man dies einer demokratisch legitimierten Regierung unterstellt, dann ist das schlichtweg ein Skandal! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Wir von den Regierungsparteien behaupten auch nicht, dass die Sozialdemokraten Tausende Mitbürger in der Verstaatlichten ihrer Existenzgrundlage beraubt haben. Wir von den Regierungsparteien behaupten nicht, dass die SPÖ die kleinen Genossenschafter im "Konsum" ihrer Spareinlagen, ihrer Genossenschaftsanteile beraubt hat. Wir von den Regierungsparteien behaupten nicht, dass die SPÖ ihre Mitglieder um ihre Mitgliedsbeiträge beraubt und geprellt hat, aber trotzdem Schulden in Millionenhöhe gemacht hat.

Wir von den Regierungsparteien behaupten auch nicht, dass die Vertreter der SPÖ in der Vergangenheit die Österreicherinnen und Österreicher um ihre Steuern und Abgaben beraubt und einen Schuldenberg in der Höhe von 1.690.259 Milliarden Schilling hinterlassen haben.

Wir von den Regierungsparteien behaupten auch nicht, dass der ehemalige SPÖ-Vorsitzende Altbundeskanzler Klima die Republik auf Grund seiner Bezügefortzahlung und seiner Abfertigung beraubt hat. Nein, das behaupten wir nicht, das ist nicht unsere Diktion, das ist uns suspekt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist auch die Verschuldung angesprochen worden. Die öffentliche Verschuldung pro Kopf betrug 1990 136 000 S. Sie ist in neun Jahren SPÖ-Mehrheit in der Regierung – das Finanzressort lag in den Händen der SPÖ – auf 215 700 S gestiegen. Die Staatsschulden sind im gleichen Zeitraum von 861 608 Millionen Schilling auf 1.690.259 Milliarden Schilling gestiegen. Daran zeigt sich, dass die Altregierung und vor allem SPÖ-Finanzminister – in der Diktion der SPÖ – unsere Jugend um ihre finanzielle Zukunft beraubt haben. Aber es ist nicht unsere Diktion, von Beraubung zu sprechen, sondern Sie haben schlecht gewirtschaftet. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Sie sprechen in der Präambel dieser Anfrage auch von sozialer Kälte. Ich frage: Ist es soziale Wärme, wenn eine Partei so verschuldet ist, dass Mitarbeiter entlassen werden müssen, dass Gehälter reduziert werden? Ich frage Sie von der SPÖ: Ist das die soziale Wärme, die Sie meinen?

Sie behaupten, dass die Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung für Partner ohne Kinder ein weiterer Anschlag vor allem auf Pensionisten und Ehepaare in strukturschwachen ländlichen Gebieten ist. – Das ist in der Präambel nachzulesen. Allein diese Behauptung ist unwahr, denn niemand in dieser Republik greift in bestehende Pensionen ein. Wenn Sie, meine Damen und Herren, den ländlichen Raum gegen andere Gebiete so ausspielen, dann, so muss ich sagen, ist das mies und entlarvend für die Sozialdemokratie.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Wenn Sie eine Zwei- oder Mehrklassengesellschaft wollen, dann sagen Sie es. Die Landbevölkerung – wir wissen es, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie – war Ihnen nie ein Anliegen, daher gibt es diese Ausspielung gegen andere Gebiete.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Sie begründen Ihre Anfrage weiters damit, dass die Pensionisten in Hinkunft weniger Einkommen haben werden, und Sie begründen sie


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damit, dass Unternehmen und Selbständige über mehr verfügen werden. Das ist auf Seite 2 nachzulesen. Hier ist richtig zu stellen, dass uns vor allem 1,690,259 Milliarden Schilling Schulden finanziell beraubt haben, weil uns eben die SPÖ-Regierung – ich sage nicht "beraubt" – einen derartigen Schuldenberg hinterlassen hat.

Ihnen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, geht es bei dieser Anfrage nicht um Inhalte, es geht Ihnen vielmehr um Klassenkampf. Klassenkampf ist Ihnen nach wie vor wichtiger als das Bekenntnis zur eigenen Vergangenheit. Ich verstehe, dass Sie von der Sozialdemokratie sich bei diesem Schuldenberg, den Sie hinterlassen haben, nicht zu Ihrer Vergangenheit bekennen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es werden von den Fragestellern auch Aussagen verschiedener Politiker und Repräsentanten von ÖVP und FPÖ genannt. Das heißt – das kann man auch daraus schließen –, dass es den Fragestellern nicht um Inhalte und auch nicht um das Anliegen und die Probleme der Bezieher kleiner Einkommen und Pensionen geht, sondern die Bezieher kleiner Einkommen und Pensionen werden von den Sozialdemokraten wiederum als Feigenblatt missbraucht. Sie wollen hier in der Länderkammer den Wiener Wahlkampf führen. Das ist der wahre Grund dieser Anfrage.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Sie beenden das aggressive Pamphlet in der Präambel damit, indem Sie der Regierung die Gefährdung der Stabilität und des sozialen Friedens vorwerfen. Ich sage Ihnen eines, meine Damen und Herren von der SPÖ: Wer seitenweise nur beleidigend argumentiert, der gefährdet nicht nur, sondern der hat bereits den ersten Schritt zur Instabilität gesetzt. Meine Damen und Herren von der SPÖ! Schreiben Sie sich das groß in Ihr rotes Stammbuch – nicht in Ihr Parteibuch, denn Ihr Parteibuch ist nicht mehr populär. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich hätte mir vielmehr erwartet, dass in dieser Debatte von sozialdemokratischer Seite eine Initiative kommt, nämlich darauf abzielend, dass durchaus Handlungsbedarf besteht, Handlungsbedarf deshalb, weil ein Finanzminister Vranitzky die Besteuerung der Unfallrenten eingeführt hat.

Aus dieser Überlegung und aus dieser Notwendigkeit heraus erlaube ich mir, folgenden Entschließungsantrag einzubringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Engelbert Weilharter, Mag. Harald Himmer und Kollegen betreffend Härteausgleich bei Unfallrenten

Der Bundesrat wolle beschließen:

Der Bundesrat begrüßt die Beauftragung einer Arbeitsgruppe durch den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen beziehungsweise die Bundesregierung, die die durch die Besteuerung von Unfallrenten auftretenden Härtefälle prüfen und Vorschläge vor allem in der Richtung erstatten soll, inwieweit Personen ein Härteausgleich für die in diesem Zusammenhang erlittenen Einkommensverluste – dabei sollen insbesondere die Einkommensverhältnisse vor Eintritt einer verminderten Erwerbsfähigkeit, deren monatliches Gesamteinkommen den Richtwert von zirka 20 000 S nicht übersteigt, berücksichtigt werden – gewährt werden soll.

Der Bundesrat ersucht daher den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen, nach Vorliegen des Berichtes der Arbeitsgruppe umgehend Maßnahmen zur Realisierung des Härteausgleiches zu setzen.

(Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

*****


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Das, meine Damen und Herren von der SPÖ, ist erforderlich, aber nicht, jene Gruppe von Menschen, mit denen es das Schicksal nicht so gut gemeint hat, als Feigenblatt für den Wiener Wahlkampf zu verwenden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Peter Marizzi. Ich erteile ihm das Wort.

16.24

Bundesrat Peter Marizzi (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landeshauptmann von Kärnten, Dr. Haider, hat in der "Pressestunde" dieses Thema aktualisiert und eigentlich die Argumente verwendet, die wir laufend in dieser Diskussion hören. Haider hat wortwörtlich gesagt:

"Ich sage Ihnen überhaupt, ich glaube, dass der wirkliche Fehler bei der ganzen Budgetsanierung der war, dass man ein verhältnismäßig unbedeutendes finanzielles Volumen, soziale Treffsicherheit von ein paar Milliarden Schilling, überhaupt angegangen hat als Maßnahmen der Budgetsanierung. Das bringt unterm Strich aber nicht sehr viel. Bei den Unfallrenten haben sie 2 Milliarden Einnahmen, eine Milliarde geben sie wieder in die Behindertenoffensive hinein, sozusagen um Arbeitsplätze für Behinderte zu schaffen."

Haider weiter: "Wenn das" – jetzt hören Sie gut zu! – "auf dem Rücken von wirklich armen Leuten ausgeht, der statt 16 000 S im Monat dann 10 000 S hat, oder einer, der 10 000 hat, dann halt nur mehr 7 000 S, 8 000 S. Das kann niemand verantworten." – So der Landeshauptmann von Kärnten, Haider. (Oh-Rufe bei der SPÖ.)

Herr Staatssekretär! Genau in diese Richtung haben wir eigentlich abgezielt. Haider sagt, es geht da um 2 Milliarden Schilling, und hat Recht. Er hat wirklich Recht, weil er das Thema aktualisiert hat, aber er hat sich leider nicht durchgesetzt. Wir hätten ihn gerne unterstützt. Wir werden einen Entschließungsantrag einbringen, bei dem Sie eigentlich mitstimmen können, weil sich die Argumente von Haider und uns eigentlich decken. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Herr Staatssekretär! Sie haben am Anfang Ihrer Rede gemeint, wir müssen sparen. Ich sage das auch. Ja, wir müssen sparen, aber sozial und gerecht. Sie haben von 700 Milliarden gesprochen, die Unfallrenten machen 2 Milliarden aus. Weiters haben Sie gesagt, all das haben uns die Sozialdemokraten hinterlassen. Ich habe hier schon einmal gesagt, und Sie wissen das ganz genau: Die meisten Schulden sind während der ÖVP-SPÖ-Koalition oder SPÖ-ÖVP-Koalition gemacht worden (Bundesrätin Schicker: In den letzten 13 Jahren! Das vergisst man immer wieder!) und die wenigsten Schulden in der SPÖ-FPÖ-Koalition. (Beifall bei der SPÖ.) Da haben Sie anscheinend Erinnerungslücken oder waren 13 Jahre im Urlaub. (Bundesrat Mag. Hoscher: Auf Urlaub im Rechnungshof!) Herr Staatssekretär! Sie waren im Rechnungshof, Sie wissen ganz genau, wie sensibel solche Themen sind.

Sie haben gesagt, man muss bei den kleinen Leuten sparen, man muss ausgleichen: Okay, in Ordnung! Aber, Herr Staatssekretär, ich verstehe dann überhaupt nicht, dass in Ihrem Ressort die Sekretärin des Bundesministers mehr verdient als der Bundesminister selbst, nämlich 200 000 S. Das sind 50 Unfallrenten im Monat. Herr Staatssekretär! Stellen Sie das ab! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Hoscher: Das ist ja ungeheuerlich! – Lebhafte Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Ich sage, dass Herr Haider Recht gehabt hat. Herr Haider hat Recht gehabt, weil er gemeint hat, wegen dieser 2 Milliarden Schilling – das sind 0,35 Prozent des Budgetvolumens – verunsichern oder schädigen wir 108 000 Menschen, Schwerstbetroffene.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich rede jetzt gar nicht von den Ambulanzgebühren, zu denen vier Landesräte der ÖVP gemeint haben, das sei Pfusch und Murks. Ich rede auch gar


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nicht davon, dass jetzt zum Beispiel vom ÖVP-Ministerium die Industrie verkauft wird, wovor wir immer wieder gewarnt haben, Herr Staatssekretär! (Der Redner hält ein Zeitungsblatt in Richtung Staatssekretär Dr. Finz. ) Die österreichische Stromlösung wird deutsch. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz. ) – Das ist dasselbe.

Herr Staatssekretär! Meine Kollegen von der ÖVP! Sie können sich daran erinnern, dass vor einiger Zeit Ihr Landeshauptmann hier gestanden ist und den Bundesrat um Unterstützung in Bezug auf Temelin gebeten hat. Vorige Woche – in der ÖVP sollte Reden und Handeln zusammenstimmen – hat dieser gleiche Landeshauptmann gemeint, man sollte den Bundesrat auflösen oder reduzieren. Ich will das nicht beurteilen, ich bin jetzt ein Jahr im Bundesrat, aber ich meine – ohne irgendjemanden aufhussen oder umschmeicheln zu wollen –, jeder ist engagiert.

Erstens einmal hat Herr Pühringer Temelin nicht verhindert – Temelin ist offen und ist am Netz –, und zweitens hat er uns ausrichten lassen, der Bundesrat gehöre reduziert. Vielleicht sind wir unnötig, aber das kann nicht Herr Pühringer beurteilen, das soll man anhand der österreichischen Verfassung beurteilen, um Gottes willen! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr ÖVP-Pühringer meint, er ist so gut, denn er war stolz in seiner Rede: auf sich, auf seine politischen Vorstellungen; aber er hat Temelin nicht verhindert. Wissen Sie, wann Temelin vom Netz geht? – Wenn die Tschechen es zusperren.

Meine sehr geehrten Herren von der ÖVP – ich glaube, das sind die Herren Bieringer, Strugl und Steinbichler –, Sie können mit Herrn Landeshauptmann Pühringer gegen Temelin demonstrieren so lange Sie wollen. Tun Sie das, und sagen Sie ihm schöne Grüße aus dem Bundesrat. Wenn er das nächste Mal kommt, freuen wir uns besonders, wenn er den Bundesrat auflösen will. Stellen Sie sich mit ihm an die Grenze! Vielleicht erreichen Sie noch etwas. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich gehe jetzt nicht näher darauf ein, aber ich habe mir immer gedacht, das (der Redner hält ein Blatt mit einer Reklame der Freiheitlichen mit nackten Kleinkindern in die Höhe) gilt: "Danke, Jörg!" (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Nein, nein, ich sage es ja. Moment, ich sage es ja! Er hat das Copyright und das Urheberrecht, aber wenn dann am Sonntag das erscheint (der Redner hält einen Zeitungsabschnitt mit einer Abbildung von Bundeskanzler Dr. Schüssel in die Höhe – Heiterkeit bei der SPÖ)  –, dann frage ich mich: Wer hat dann Recht in dieser Koalition? – Das ist wie bei Nestroy. Wer ist stärker? Ich oder ich? (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Aha, danke, Haider. Sie haben es gesagt. (Widerspruch bei den Freiheitlichen.) Ich habe Haider verstanden. Entschuldigung! (Nein-Rufe und weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Staatssekretär! Kommen wir zu den gefoppten Unfallrentnern. Ich gebe Dr. Haider Recht, denn man hat es falsch gemacht. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ja, ich sage, Dr. Haider hat in seiner "Pressestunde" absolut Recht gehabt, als er meinte, wegen dieser 2 Milliarden Schilling werden 108 000 Leute geschädigt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wer hat eine Änderung verhindert? – Die ÖVP! Wie immer! Beim Strom: die ÖVP, bei der ganzen Geschichte mit den Ambulanzgebühren: die ÖVP. Da regen sich sogar die eigenen vier ÖVP-Landesräte auf, und alles schweigt. Herr Schüssel schweigt. (Bundesrat Dr. Böhm: Obwohl sie es gewusst haben!) Obwohl sie es gewusst haben, danke!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kommen wir jetzt vom Lustigen zum Ernsten. Sie, Herr Staatssekretär, werden im "Kurier" vom 5. März – der ist noch nicht so alt – die erschütternden Leserbriefe der Unfallrentner gelesen haben, wonach sich Saldenminderungen in der Höhe von 37 000 S im Jahr ergeben. Da schreibt jemand: "Es stellt sich allerdings die Frage, wo die zuständigen Damen und Herren bei der mehr als fragwürdigen unsensiblen Entscheidung für eine Besteuerung der Unfallrenten waren" und so weiter und so weiter. Es gab 20 Leserbriefe. In einem anderen heißt es: "Ich bin 71 Jahre. Ich hatte mit 19 einen schweren Unfall. Jetzt zieht mir der Herr Finanzminister 1 290 S ab von meiner Unfallrente." Es ist von Unterschenkelamputation und so weiter die Rede.


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Ich meine, Herr Staatssekretär, man muss sparen, aber sozial gerecht. Ich weiß wirklich nicht, was da in Sie gefahren ist, dass Sie sagen: Okay, ich muss das Budget sanieren, und bei diesen 2 Milliarden Schilling bleibe ich hartherzig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die 30-prozentige Kürzung der Pension werden sich die Menschen und die Betroffenen merken. Da kann man jetzt reden, wie man will: Diesen Menschen hat man es im Leben sicher nicht leicht gemacht. Und angesichts dessen dann kann ich Ihnen nur eines sagen – ich zitiere wieder einen ÖVPler, vor allem deshalb, weil Sie gesagt haben, es breite sich keine soziale Kälte aus –: Es breitet sich wirklich soziale Kälte aus! Wenn ich mir das Interview eines sehr hochrangigen ÖVP-Funktionärs aus dem "Format" vom 26. Februar durchlese, worin gesagt wird, es ist eine Schande, dass ein Multimillionär wie Bartenstein für die ÖVP das Ministerium führt, und der, der das sagt, Dinkhauser heißt, dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es bestätigt: Es breitet sich soziale Kälte aus! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Fuchs. – Bitte.

16.35

Bundesrätin Brunhilde Fuchs (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Werter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Sie gestatten, dass ich die Chronologie der Geschichte der Unfallrentenbesteuerung ein bisschen aufrolle, weil sie wirklich interessant ist und uns geistige Beweglichkeit abverlangt.

Zuerst zeigt einmal die Opposition die Ungerechtigkeit, die Existenzgefährdung und die Verfassungswidrigkeit auf. Fachleute bestätigen das auch. Das Volk murrt. Zahlreiche Anträge der Opposition werden abgelehnt. Dann kommt der einfache Altparteiobmann, springt auf – Kollege Marizzi schon hat gesagt, völlig zu Recht, das ist auch unsere Meinung – und sagt: So geht es nicht, liebe Leute! Die ÖVP antwortet: Wir schnüren das Paket nicht auf. Ich erinnere: Frau Generalsekretärin Rauch-Kallat hat das gesagt, und auch Herr Bundeskanzler Schüssel hat sich zufällig zu Wort gemeldet.

Dann ist ganz zufällig Wiener Wahlkampf, und Frau Abgeordnete Partik-Pablé wird zur Spitzenkandidatin erkoren. Sie fordert die Rücknahme. Am 2. März gibt es hier im Hohen Haus eine namentliche Abstimmung, und sie stimmt gegen die Rücknahme der Besteuerung. Am 3. März, einen Tag später, gibt es eine Presseaussendung, in der sie die Aufhebung der Unfallrenten fordert. Es ist wieder alles anders! Man einigt sich auf eine neue Diktion. Man redet von Härtefällen und meint, Experten hätten falsch informiert. – Auch recht, gut.

Die Sozialdemokraten wollten es dann ganz einfach wissen und haben eine Sondersitzung verlangt, die für vergangenen Montag, den 12. März, einberufen wurde. Bei der Abstimmung war die gute Frau Spitzenkandidatin Dr. Partik-Pablé nicht anwesend. Jetzt frage ich Sie ... (Bundesrat Hensler: Sie war wahlkämpfen!) Sie war ganz einfach nicht da, denn sonst hätte sie Position beziehen müssen.

Jetzt habe ich noch so im Ohr, wie einmal der Herr Altparteiobmann gesagt hat, wenn ich etwas sage ... (Bundesrat Weilharter: Wo ist denn Ihr Klubobmann?) Sie werden es nicht glauben: Es gibt heute eine außenpolitische Besprechung, bei der unser Klubobmann dienstlich anwesend ist. Daher ist er jetzt nicht in diesem Saal anwesend, aber in einem anderen. – Gut. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich darf noch daran erinnern, dass der Herr Altparteiobmann gesagt hat: Wenn ich etwas sage, dann können Sie Gift darauf nehmen! – Einen vielfachen Tod wären wir alle schon gestorben, wären wir diesem Rat gefolgt. So oft hätten wir gar nicht sterben können. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich erinnere – das habe ich auch noch im Ohr – an den Slogan "Lebenslang für Drogendealer". Ich darf Ihnen jetzt etwas erzählen, was vielleicht einige von Ihnen, die nicht Wiener sind, nicht wissen. Der RFJ verteilt vor Wiener Schulen Werbeprospekte, Flugzettel, auf denen Einladun


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gen für Schülerinnen und Schüler für Freibier ergehen. Vor Wiener Schulen wird das verteilt. "Wo du uns triffst?", steht drauf. "Jeden Montag ab 20.00 Uhr im RFJ-Keller, Reichsratsstraße 7, hinter dem Parlament." – Bis zur Wahl gibt es Freibier im Keller! (Bundesrat Dr. Nittmann: Sie können ja das Wiener Jugendschutzgesetz ändern!) Auf der einen Seite plakatieren Sie gegen Drogen, lebenslang für Drogendealer. Ja bitte schön, was ist denn Bier und Alkohol? – Erklären uns jetzt die Freiheitlichen ... (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.) Ich bin der Meinung, ein solches Angebot an Kinder ist gar nicht zu argumentieren. Darauf soll sich wirklich jeder selbst seinen Reim machen. Wenn Sie das vertreten, ist das Ihre Angelegenheit. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Vizepräsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen. – Bundesrat Grissemann: Wie alt sind denn die Kinder?) In Schulen? (Bundesrätin Schicker: Das sind Schüler! Die Rede ist von Schülern! – Bundesrat Grissemann: Wie alt sind die? Wenn die in eine HTL gehen, werden sie auch einmal ein Bier trinken!) Aber es ist keine HTL, lieber Herr Kollege! Es sind auch Volks- und Hauptschulen, vor denen diese Zettel verteilt werden. So schaut es aus! (Lautstarke Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Vizepräsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen.)

Das , meine sehr geschätzten Damen und Herren, ist für mich unappetitlich und nicht solche Bilder, die das Grauen von Unfallopfern darstellen. (Weitere lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ich orte hier wieder eine Gemeinsamkeit der Regierungsparteien, nämlich den Versuch, durch Verunsichern, Angstmachen und Versprechungen, die dann am Sankt-Nimmerleins-Tag eingelöst werden, bei Wählern zu punkten. Wir haben einige Beispiele dafür – ich brauche sie nicht anzuführen –: dass die ÖVP in Opposition geht, wenn sie Drittstärkste wird, dass Österreich schuldenfrei gemacht wird. 2002 haben wir 100 Milliarden an Schulden mehr als 1999. Ich hoffe, Sie haben das auch schon festgestellt. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Und die Lösung für die Härtefälle gehört jetzt auch in diesen Bereich der großartigen Versprechungen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die Aufregung zeigt es: Die Glaubwürdigkeit der Politiker der Regierungsparteien ist stark ins Wanken geraten. Ihre Aussagen sind fast täglich anders. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich habe mich jetzt bemüht, das ein bisschen aufzulisten. Sie haben hoffentlich gut zugehört, weil dann haben Sie erfasst, dass es wirklich dauernd andere Aussagen gegeben hat.

Als Wienerin hätte es mich wirklich interessiert, wann jetzt Frau Partik-Pablé als Spitzenkandidatin im Wiener Wahlkampf endlich einmal Position bezieht: Ist sie dafür oder dagegen? Oder ist sie nur an einem Tag dafür, am nächsten dagegen und dann wieder umgekehrt? – Ich glaube, die Wähler sollten schon wissen, woran sie sind. Bleibt jetzt die Spitzenkandidatin im Wiener Gemeinderat und Landtag oder löst sie in zirka drei Monaten Volksanwalt Schender ab, was man auch schon gehört hat? – Dieses Gerücht zieht auch seine Runden. (Bundesrat Dr. Nittmann: Glauben Sie doch nicht alles, was Sie hören!) Ich zitiere nur das, was ich lese und höre. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Dr. Nittmann. )

Wir werden es sehen. Ich hätte nur gerne gewusst, wie es tatsächlich sein wird. Kann sich die Frau Spitzenkandidatin mit den Aussagen des neuen Wiener Behindertensprechers identifizieren? Zufällig kommt er aus Favoriten oder hat lange Zeit in Favoriten gelebt. Ich kenne ihn schon lange. Die Freiheitlichen werden noch ihre große Freude mit ihm haben. Das kann ich Ihnen versprechen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Was wollen Sie damit sagen?)

Oder noch eine Variante gibt es: Kommt vielleicht der einfache Altparteiobmann, der unter dem Namen von Partik-Pablé jugendlich von Wahlplakaten gegen Rot-Grün lächelt? – Er wäre dann der dritte Spitzenkandidat. Das wäre aber interessant für die Wähler. Die Wähler wollen das wissen. Ich diskutiere sehr häufig auf der Straße mit unseren Bürgerinnen und Bürgern, die mich das fragen. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Ich habe gesagt, ich werde es heute vorbringen, vielleicht ergibt sich eine Klärung.


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Meine Damen und Herren! Seriöse Politiker sagen ihren Wählern, was sie vorhaben und halten das dann auch. Wenn das anders ist, dann wird es wahrscheinlich auch so honoriert werden. (Anhaltende Zwischenrufe. – Vizepräsidentin Haselbach gibt erneut das Glockenzeichen.)

Wir wissen jedenfalls, dass Sie für ungerechte und unsoziale Politik stehen, und wir sagen das auch der Bevölkerung. (Bundesrat Bieringer: Das ist so scheinheilig! Das ist furchtbar! Das ist scheinheilig, sonst gar nichts!) – Nein, das ist echte Heiligkeit, obwohl ich keiner Religionsgemeinschaft angehöre, das darf ich Ihnen schon sagen. Beispiele gibt es leider genug, werter Herr Kollege, auch wenn Sie sich aufregen. (Bundesrat Bieringer: Sie wollen nur wahlkämpfen, sonst gar nichts!) Die Wiener Wahl hat heute ein anderer Kollege zur Sprache gebracht. Aber wenn während eines Wahlkampfes solche Aussagen getätigt werden, dann meine ich, dass jeder Wähler das Recht darauf hat, eine Antwort zu erhalten und nicht jeden Tag ein Zick-Zack-Kurs vorgesetzt zu bekommen. Man weiß wirklich nicht mehr, was gerade Gültigkeit hat.

Zur Besteuerung der Unfallrenten: Ich habe hier einen Gehaltszettel, den ich Ihnen gerne zur Verfügung stelle, wonach ein Unfallrentner noch im (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen) – das ist das Problem – November 2000 eine Pensionsbemessungsgrundlage von 23 970 S und damit einen Nettobezug in der Höhe von 18 450 S  gehabt hat. Im Jänner hat er 200 S brutto mehr. Raten Sie aber, was er netto hat! – Er hat 11 209 S netto. Das sind nach Adam Riese 7 241 S weniger von einem Bruttobezug in der Höhe von 23 970 S. (Ruf: Vielleicht die Sonderzahlung!) Davon hat er als Alleinverdiener auch noch seine Partnerin zu erhalten. So werden Menschen, die immer fleißig gearbeitet haben, aber das Pech gehabt haben, einen Arbeitsunfall zu erleiden, in Not und Armut getrieben. Das sage ich, und das unterstreiche ich ganz deutlich! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. d′Aron: Der hat sicher ein Zusatzeinkommen!)

Daher finde ich Ihre Zusage oder Ihr Versprechen, Härtefälle abzufedern, sehr zynisch, denn die Ausnahmen, die keine Härtefälle sind, sind die Einzelfälle. (Bundesrat Dr. d′Aron: Der hat ein Zusatzeinkommen!) Daher ist das Verlangen, rückwirkend die Gesamtbesteuerung zurückzunehmen, die einzige seriöse Lösung. (Bundesrat Dr. d′Aron: Der muss noch ein anderes Zusatzeinkommen haben!)

Bekennen Sie sich zur echten sozialen Treffsicherheit, und sehen Sie Versicherungsleistungen als Schadensgutmachung und nicht als Überversorgung oder Sozialschmarotzertum! Betroffene sind nämlich Vielfachbetroffene: durch die Erhöhung der Rezeptgebühren, die Erhöhung der Spitalsgebühren und die Einführung der Ambulanzgebühren. Das schlägt sich bei diesen ... (Bundesrätin Mühlwerth: Wer ist denn daran schuld, dass wir so schlechte Finanzen haben?) Da haben Sie jetzt schlecht zugehört. Wir haben nämlich 1999 einen wesentlich geringeren Schuldenstand gehabt. Da waren wir nämlich im EU-Durchschnitt. 2002 werden wir weit über dem EU-Durchschnitt liegen, liebe Frau Kollegin! Ich glaube, Sie haben es versäumt, sich die Prognosen anzuschauen. Diese Argumentation gefällt mir nicht besonders. (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Damit wir noch mehr Schulden haben? – Da haben Sie mich jetzt nicht richtig verstanden. Ich habe gesagt, 2002 werden wir einen um 100 Milliarden höheren Schuldenstand haben.

Das Ergebnis ist: Der Herr Bundeskanzler schweigt, FPÖ-Klubobmann Westenthaler sieht nur Polemik, und ÖVP-Sozialsprecher Feurstein meint, Unfallrentner sollten auch ihr Scherflein beitragen. Ob 7 000 S von 20 000 S ein kleines Scherflein sind, überlasse ich Ihrer Beurteilung. ÖVP-Abgeordnete Dr. Brinek spricht von kleinen Einbußen, und das einfache Mitglied in Kärnten empfiehlt den Unfallrentnern schriftlich, sie mögen über den Zaun der eigenen Egozentrik blicken. – Na, das wird jemanden, der im Monat 7 000 S weniger hat und fast unter der Existenzgrundlage liegt, sehr trösten. (Bundesrat Weilharter: Frau Kollegin! Wovon sprechen Sie?)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas von der Spitzenkandidatin, denn ich glaube, Sie wollten das unbedingt wissen. Frau Dr. Partik-Pablé bezieht eine Richterpension, die sie als ihre Privatsache sieht. Gut. (Bundesrätin Haunschmid: Sie werden ihr doch nicht ihre Pension absprechen wollen!) Zusätzlich hat sie aber auch noch ihren Nationalratsbezug und prangert Abzocker an!


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Ich glaube, es kann ganz einfach nicht sein, dass man Wasser predigt und Wein trinkt! (Beifall bei der SPÖ.) Sie ist gegen die Unfallrentenbesteuerung, stimmt aber gegen deren Abschaffung. Also irgendwo passt das nicht. (Bundesrätin Haunschmid: Sie hat aber auch ein behindertes Kind! – Bundesrätin Schicker: Darum geht es nicht!)

Herr Staatssekretär Finz hat uns heute erklärt, es gibt keine Ausnahmen, wir müssten auch die Unfallrenten besteuern. Ich frage nach: Wie schaut es denn aus mit den Renten nach dem Heeresversorgungsgesetz? Wie schaut es aus mit den Renten nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz und nach dem Opferfürsorgegesetz? – Diese Renten sind meines Wissens nach auch nicht besteuert, und daher meine ich, wir könnten dieses Privileg auch den Unfallrenten zubilligen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der Burgenländische Landtag hat gestern einen Dringlichkeitsantrag zur Aufhebung der Besteuerung der Unfallrenten mit den Stimmen der SPÖ und der Grünen beschlossen. Vorbildhaft, kann ich nur sagen, und ich bedanke mich dafür! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie alle, meine Damen und Herren Bundesräte, haben heute die Möglichkeit, Ihr Gewissen zu erleichtern. Reden Sie nicht vom Abfedern von Härtefällen oder vom Einrichten von Arbeitskreisen! Es sind 100 000 Härtefälle (Ruf bei der SPÖ: 108 000!), weil die Pensionshöhe, wie wir schon gehört haben, aus bekannten Gründen niedrig angesetzt ist. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Stimmen Sie dem heutigen Entschließungsantrag der Sozialdemokraten zu, und warten Sie nicht auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes! (Beifall bei der SPÖ.)

16.50

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hagen. – Bitte.

16.51

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Von Kollegin Fuchs wurde hier die Aussage gemacht, dass der Ring Freiheitlicher Jugend in Wien vor Volks- und Hauptschulen Bier-Gutscheine verteilt, das heißt, die Schüler zum Freibier in ihren Lokalitäten animiert. – Ich muss dazu sagen: Das, was Sie hier zitiert haben, stellt eine strafbare Handlung dar. Ich fordere Sie auf, das zu beweisen oder diese Äußerung zurückzunehmen und sich bei den Kollegen des Rings Freiheitlicher Jugend zu entschuldigen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Fuchs: Jeden Montag ab 20 Uhr ...!)

Sie haben das hier ganz klar gesagt, im Wissen, dass Sie Immunität besitzen hinsichtlich der Äußerungen, die Sie hier tätigen. (Bundesrätin Fuchs: Das sind Fakten! Fakten!) Ich möchte, dass Sie das beweisen! Das sollen Sie hier beweisen, denn das, was Sie dieser Jugendorganisation vorwerfen, stellt eine strafbare Handlung dar! Sie müssen das beweisen (Bundesrätin Fuchs: Sie werden hoffentlich so viel Zugang zu Ihrer Jugendorganisation haben!), denn sonst stellt das – das sage ich Ihnen schon – den Tatbestand der Verleumdung dar. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Staatssekretär. – Bitte.

16.52

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich habe es in meiner ersten Wortmeldung noch nicht ausgeführt – ich wollte wissen, ob Sie sich das Gesetz, das im Bundesrat durchgegangen ist, eigentlich näher angesehen haben, nachdem ja heute eine dringliche Anfrage gestellt haben.

Im Gesetz sind bei der Unfallbesteuerung schon Härtefälle ausgeglichen worden. 10 000 Leute bekommen jetzt – trotz Besteuerung – eine höhere Rente als vorher. Was ist da gemacht worden? (Zwischenruf des Bundesrates Marizzi. ) – Ich wollte es nur wissen. Sie greifen das an.


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Es ist bei jenen Personen, die eine mehr als 70-prozentige Erwerbsminderung haben, der Zuschlag von 20 auf 50 Prozent erhöht worden.

Jetzt treten jedoch noch weitere Härtefälle auf, die wir geglaubt haben mit dieser Maßnahme zu verhindern, und die werden wir sehr rasch beseitigen. (Bundesrat Marizzi: 100 000!)  – Man sollte also wirklich die Gesetze genauer anschauen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Marizzi: Da geht es nicht um Zahlen, sondern um Menschen! – Bundesrat Ledolter  – in Richtung SPÖ –: Hören Sie doch auf mit dem scheinheiligen Getue! Der Herr Staatssekretär erklärt gerade die Zusammenhänge!)

Frau Bundesrätin Fuchs! Sie haben Fälle angeführt, bei denen es auf einmal eine gewaltige Erhöhung bei den Abzügen gibt. – Das stimmt, aber das ist nur deshalb so, weil die Lohnbuchhaltungen in den Pensionsversicherungsanstalten den Jänner noch nicht umgestellt hatten, da kommt etwas als Nachtrag wieder zurück. Aber wir sind gerne bereit: Geben Sie uns die Lohnzettel, und wir werden jedem einzelnen Fall nachgehen! – Aber nur deshalb ist das zu Stande gekommen.

So war es auch bei der Gemeinde Wien: Dort wurde auch nicht die gesamte Lohnbuchhaltung rechtzeitig umgestellt, wodurch es im Februar und März höhere Abzüge gegeben hat. Frau Stadträtin Brauner schreibt dann in einem Begleitbrief zu den Gehaltszetteln: Entschuldigung, dass Sie trotz einer Gehaltserhöhung netto weniger herausbekommen, aber das sind die unsozialen Maßnahmen der Bundesregierung – ohne zu sagen, dass das ein Versagen der Buchhaltung ist! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Anhaltende Zwischenrufe.)

16.54

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte.

16.55

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Frau Bundesrätin Fuchs! Nicht nur, dass Sie das übersehen haben, ich finde, man muss auch eine andere Äußerung noch kurz aufgreifen: Sie haben sich darüber aufgeregt, dass Äußerungen nachjustiert werden, dass man draufkommt, dass man etwas besser machen könnte.

Frau Kollegin Fuchs! Das ist das Regieren neuen Stils! – Es gibt Äußerungen (Zwischenrufe bei der SPÖ), Frau Kollegin Fuchs, berühmter Politiker, wie etwa: Niemand kann mich zwingen, dass ich den Blödsinn, den ich gestern gesagt habe, auch heute noch vertrete!

Jetzt sage ich Ihnen aber noch etwas Wesentliches dazu: Frau Kollegin Fuchs! Ich weiß, warum Sie das einfach nicht verstehen: weil Ihre Politiker in alten Zeiten permanent das Gleiche gesagt haben. Von einem Finanzminister zum anderen haben wir gehört: Die Pensionen sind bis 2500, bis 2800 1000-prozentig gesichert. Von einem Finanzminister nach dem anderen haben wir permanent gehört, dass es keine Budgetprobleme gibt. – Erst heute wissen wir, dass jede dieser Mitteilungen zwar gleich lautend, aber gleich lautend die Unwahrheit gewesen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Roswitha Bachner, Hedda Kainz und Genossen auf Fassung einer Entschließung betreffend Abschaffung der unsozialen Besteuerung der Unfallrenten vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen (Bundesrat Marizzi: Der Haider-Antrag ist das!) und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
673. Sitzung / Seite 117

Handzeichen. – Es ist dies die Minderheit. (Rufe bei der SPÖ – in Richtung Freiheitliche –: Mitstimmen!)

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Weilharter, Mag. Himmer und Genossen auf Fassung einer Entschließung betreffend Härteausgleich bei Unfallrenten vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist die Stimmenmehrheit. (Rufe bei den Freiheitlichen – in Richtung SPÖ –: Mitstimmen!)

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E.166)

Die Tagesordnung ist erschöpft. – Das war ja schon der Fall, aber wir haben jetzt auch unsere dringliche Anfrage erledigt.

Ich gebe Ihnen noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 15 Anfragen eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 19. April 2001, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht des Bundesrates beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Mittwoch, 18. April 2001, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 16.59 Uhr