Stenographisches Protokoll

677. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Mittwoch, 23. Mai 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

677. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Mittwoch, 23. Mai 2001

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 23. Mai 2001: 9.32 – 13.37

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Tagesordnung

1. Wahl eines Vizepräsidenten des Bundesrates für den Rest des 1. Halbjahres 2001

2. Wahl eines Schriftführers für den Rest des 1. Halbjahres 2001

3. Bundesgesetz über die Entsendung von Soldaten zur Hilfeleistung in das Ausland (Auslandseinsatzgesetz 2001 – AusIEG 2001)

4. Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990, das Heeresgebührengesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 1994, das Munitionslagergesetz, das Sperrgebietsgesetz 1995 und das Militär-Auszeichnungsgesetz geändert werden (Auslandseinsatzanpassungsgesetz – AuslEAG)

5. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial und das Waffengesetz 1996 geändert werden sowie ein Truppenaufenthaltsgesetz erlassen wird

6. Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta)

7. Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen samt Erklärungen

8. Wahl von Ausschüssen

9. Selbständiger Antrag der Bundesräte Ing. Gerd Klamt, Jürgen Weiss, Anna Elisabeth Haselbach, Ludwig Bieringer, Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm und Kollegen auf Abhaltung einer Enquete betreffend “Die föderalistischen Mitwirkungsrechte in der österreichischen EU-Politik” (127/A-BR/01 der Beilagen)

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat 7


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
677. Sitzung / Seite 2

Angelobung der Bundesräte Roswitha Bachner, Dr. Peter Böhm, Mag. John Gudenus, Anna Elisabeth Haselbach, Mag. Harald Himmer, Mag. Dietmar Hoscher, Albrecht Konecny, Dr. Ferdinand Maier, Stefan Schennach, Harald Reisenberger und Reinhard Todt 7

Schreiben des Bundeskanzlers betreffend Nominierung des österreichischen Mitglieds Dr. Hubert Weber als Kandidat für die Funktion eines Mitgliedes des Europäischen Rechnungshofes gemäß Artikel 23c Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 2 B-VG 25

Ergänzungen der Tagesordnung gemäß § 41 (3) GO-BR

Ergänzung um Beschluss des Nationalrates vom 10. Mai 2001 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) 26

Ergänzung um Selbständigen Antrag 127/A-BR/01 26

Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung

Stefan Schennach 27

Antrag des Bundesrates Stefan Schennach gemäß § 45 (3), dem Ausschuss für innere Angelegenheiten für den dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zugewiesenen Bericht über die Lage zur inneren Sicherheit in Österreich 1999 eine Frist bis 21. Juni 2001 zu setzen 27

Ludwig Bieringer 28

Ablehnung 65

Wahl eines Vizepräsidenten des Bundesrates für den Rest des 1. Halbjahres 2001 28

Wahl eines Schriftführers für den Rest des 1. Halbjahres 2001 29

Wahl von Ausschüssen 64

Personalien

Entschuldigung 7

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 25

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 24

Ausschüsse

Zuweisungen 25

Fragestunde

Bundesministerium für Justiz 9

Gottfried Kneifel (1162/M-BR/01); Hedda Kainz, Engelbert Weilharter

Ferdinand Gstöttner (1168/M-BR/01); Dr. Robert Aspöck, Johann Ledolter

Georg Keuschnigg (1163/M-BR/01); Horst Freiberger, Wilhelm Grissemann


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
677. Sitzung / Seite 3

Dr. Robert Aspöck (1166/M-BR/01); Alfred Schöls, Johanna Auer

Johanna Auer (1169/M-BR/01); Christoph Hagen, Mag. Harald Himmer

Dr. Vincenz Liechtenstein (1164/M-BR/01); Ludwig Buchinger

Hedda Kainz (1170/M-BR/01); Dr. Peter Böhm, Franz Wolfinger

Uta Barbara Pühringer (1165/M-BR/01); Johanna Schicker, Ulrike Haunschmid

Dr. Peter Böhm (1167/M-BR/01); Günther Köberl

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

(3) Beschluss des Nationalrates vom 11. Mai 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Entsendung von Soldaten zur Hilfeleistung in das Ausland (Auslandseinsatzgesetz 2001 – AuslEG 2001) (535 und 560/NR sowie 6355/BR d. B.)

(4) Beschluss des Nationalrates vom 11. Mai 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990, das Heeresgebührengesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 1994, das Munitionslagergesetz, das Sperrgebietsgesetz 1995 und das Militär-Auszeichnungsgesetz geändert werden (Auslandseinsatzanpassungsgesetz – AuslEAG) (536 und 561/NR sowie 6354 und 6356/BR d. B.)

Berichterstatter: Klaus Gasteiger 30

[Antrag, zu (3) und (4) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Gottfried Kneifel 30

Theodor Binna 32

Mag. John Gudenus 33

Stefan Schennach 34

Bundesminister Herbert Scheibner 35


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 4

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3) und (4) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 38

(5) Beschluss des Nationalrates vom 10. Mai 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial und das Waffengesetz 1996 geändert werden sowie ein Truppenaufenthaltsgesetz erlassen wird (428 und 555/NR sowie 6353 und 6357/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Höllerer 38

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Herbert Thumpser 39

Alfred Schöls 41

Herbert Würschl 42

Mag. John Gudenus 44

Stefan Schennach 46

Mag. Harald Himmer 48

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 49

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 51

(6) Beschluss des Nationalrates vom 10. Mai 2001 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (421 und 556/NR sowie 6358/BR d. B.)

Berichterstatter: Horst Freiberger 52

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Paul Fasching 52

Anna Schlaffer 53

Dr. Robert Aspöck 54

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck 56

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 57

(7) Beschluss des Nationalrates vom 10. Mai 2001 betreffend eine Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen samt Erklärungen (437, 576 und Zu 576/NR sowie 6359/BR d. B.)

Berichterstatter: Friedrich Hensler 57

(Antrag, 1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates vom 10. Mai 2001 gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, und 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, den vorliegenden Staatsvertrag gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Georg Keuschnigg 58

Johanna Auer 58

Mag. Christof Neuner 59

Stefan Schennach 60

Johanna Schicker 61

Staatssekretär Franz Morak 62

Annahme des Antrages des Berichterstatters, 1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates vom 10. Mai 2001 gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, und 2. gegen den Beschluss des Nationalrates, den vorliegenden Staatsvertrag gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 64

(9) Selbständiger Antrag der Bundesräte Ing. Gerd Klamt, Jürgen Weiss, Anna Elisabeth Haselbach, Ludwig Bieringer, Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm und Kollegen auf Abhaltung einer Enquete betreffend “Die föderalistischen Mitwirkungsrechte in der österreichischen EU-Politik" (127/A-BR/01 der Beilagen)

Annahme (mit Stimmeneinhelligkeit) 65


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 5

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Hedda Kainz, Johann Kraml und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Schließung von Gendarmerieposten in Oberösterreich (1806/J-BR/01)

der Bundesräte Manfred Gruber und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Schließung von Gendarmerieposten in Salzburg (1807/J-BR/01)

der Bundesräte Klaus Gasteiger und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Schließung von Gendarmerieposten in Tirol (1808/J-BR/01)

der Bundesräte Klaus Gasteiger und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Schließung von Gendarmerieposten in Vorarlberg (1809/J-BR/01)

der Bundesräte Anna Elisabeth Haselbach, Mag. Dietmar Hoscher, Albrecht Konecny, Roswitha Bachner und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Schließung von Gendarmerieposten in Wien (1810/J-BR/01)

der Bundesräte Mag. Melitta Trunk, Herbert Würschl und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Schließung von Gendarmerieposten in Kärnten (1811/J-BR/01)

der Bundesräte Karl Boden, Peter Marizzi, Herbert Thumpser und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Schließung von Gendarmerieposten in Niederösterreich (1812/J-BR/01)

der Bundesräte Theodor Binna, Horst Freiberger, Günther Kaltenbacher, Johanna Schicker und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Schließung von Gendarmerieposten in der Steiermark (1813/J-BR/01)

der Bundesräte Johanna Auer, Anna Schlaffer und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Schließung von Gendarmerieposten im Burgenland (1814/J-BR/01)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundeskanzler betreffend Weiterentwicklung der Europäischen Union (1815/J-BR/01)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Weiterentwicklung der Europäischen Union (1816/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Weiterbeschäftigung eines Mitarbeiters, der durch seine rechtsradikalen und antisemitischen Aktivitäten und Äußerungen bekannt ist (1817/J-BR/01)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Frage der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen (1644/AB-BR/01 zu 1785/J-BR/01)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1645/AB-BR/01 zu 1783/J-BR/01)


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 6

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Kollegen (1646/AB-BR/01 zu 1782/J-BR/01)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Frage der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen (1647/AB-BR/01 zu 1784/J-BR/01)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen (1648/AB-BR/01 zu 1793/J-BR/01)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1649/AB-BR/01 zu 1791/J-BR/01)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1650/AB-BR/01 zu 1786/J-BR/01)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und KollegInnen (1651/AB-BR/01 zu 1788/J-BR/01)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Klaus Gasteiger und GenossInnen (1652/AB-BR/01zu 1787/J-BR/01)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1653/AB-BR/01 zu 1792/J-BR/01)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1654/AB-BR/01 zu 1790/J-BR/01)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Christoph Hagen und Kollegen (1655/AB-BR/01 zu 1794/J-BR/01)

Zurückgezogen wurde

Anfrage

der Bundesräte Anna Elisabeth Haselbach, Mag. Dietmar Hoscher, Albrecht Konecny und Roswitha Bachner an den Bundesminister für Inneres betreffend Schließung von Gendarmerieposten in Wien (1810/J-BR/01)

 


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 7

Beginn der Sitzung: 9.32 Uhr

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich eröffne die 677. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 676. Sitzung des Bundesrates vom 19. April 2001 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich niemand.

Entschuldigt ist das Mitglied des Bundesrates Herwig Hösele.

Angelobung

Präsident Ing. Gerd Klamt: Eingelangt ist ein Schreiben des Ersten Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsveränderungen im Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung.

Schriftführerin Hedda Kainz: Das angesprochene Schreiben lautet:

"Sehr geehrter Herr Präsident!

In der konstituierenden Sitzung des Wiener Landtags am heutigen Tag fand die Wahl der 11 Mitglieder des Bundesrats und deren Ersatzmitglieder statt.

Auf Grund der proportionellen Berechnung nach dem d'Hondtschen System entfallen die einzelnen Bundesratsmandate auf die wahlwerbenden Parteien in folgender Reihenfolge:

auf die SPÖ die 1., 2., 4., 6., 9. und 10. Stelle,

auf die FPÖ die 3. und 8. Stelle,

auf die ÖVP 5. und 11. Stelle,

auf die Grünen die 7. Stelle.

Die Gesamtreihung lautet auf Grund der von der Sozialdemokratischen Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats, dem Klub der Wiener Freiheitlichen, dem ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien und dem Grünen Klub im Rathaus erstatteten Vorschläge laut beiliegender Liste.

Die Gewählten entsprechen den Bestimmungen der Bundesverfassung.

Johann Hatzl

Erster Präsident"

Ich bringe nun die Liste der Wiener Bundesräte mit Stand 27. April 2001 zur Verlesung:

"1. Stelle: Anna Elisabeth Haselbach; Ersatz: Erika Stubenvoll

2. Stelle: Albrecht Karl Konecny; Ersatz: Heinz Vettermann

3. Stelle: Univ.-Prof. Dr. Peter Böhm; Ersatz: Mag. Michael Tschamutter

4. Stelle: Roswitha Bachner; Ersatz: Fritz Strobl

5. Stelle: Mag. Harry Himmer; Ersatz: Ing. Michael Chapo

6. Stelle: Mag. Dietmar Hoscher; Ersatz: Martina Ludwig


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 8

7. Stelle: Stefan Schennach; Ersatz: Jutta Sander

8. Stelle: Mag. John Gudenus; Ersatz: Gerold Saßmann

9. Stelle: Harald Reisenberger; Ersatz: Sandra Frauenberger

10. Stelle: Reinhard Todt; Ersatz: Martina Malyar

11. Stelle: Dr. Ferdinand Maier; Ersatz: Dipl.-Ing. Dr. Herlinde Rothauer

Auf die Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags entfallen die 1., 2., 4., 6., 9. und 10. Stelle, auf den Klub der Wiener Freiheitlichen entfallen die 3. und 8. Stelle, auf den ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien entfallen die 5. und 11. Stelle, auf den Grünen Klub im Rathaus entfällt die 7. Stelle."

Präsident Ing. Gerd Klamt: Die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich ihre Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel und anschließend um den Namensaufruf.

Schriftführerin Hedda Kainz: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Roswitha Bachner, Dr. Peter Böhm, Mag. John Gudenus, Anna Elisabeth Haselbach, Mag. Harald Himmer, Mag. Dietmar Hoscher, Prof. Albrecht Konecny, Dr. Ferdinand Maier, Stefan Schennach, Harald Reisenberger.

Schriftführerin Hedda Kainz: Roswitha Bachner.

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Dr. Peter Böhm.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Mag. John Gudenus.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Anna Elisabeth Haselbach.

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Mag. Harald Himmer.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Mag. Dietmar Hoscher.

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Professor Albrecht Konecny.

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Dr. Ferdinand Maier.


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 9

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier
(ÖVP, Wien): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Stefan Schennach.

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Ich gelobe.

Schriftführerin Hedda Kainz: Harald Reisenberger.

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Ich gelobe.

Schriftführerin des Bundesrates Hedda Kainz: Reinhard Todt.

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Ich gelobe.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich begrüße die neuen beziehungsweise wiedergewählten Mitglieder des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall. – Die eben gewählten Bundesratsmitglieder gratulieren einander mittels Handschlag.)

Fragestunde

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich beginne jetzt – um 9.39 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Justiz

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir kommen nunmehr zur 1. Anfrage, 1162/M-BR/01, an den Herrn Bundesminister für Justiz.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 10

Bundesrat Gottfried Kneifel, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es häufen sich in letzter Zeit die Kfz-Schadensfälle, bei denen mit den Mindestdeckungssummen die Schadensereignisse nicht mehr bereinigt werden können. Meine Frage lautet daher:

1162/M-BR/01

Wann ist mit einer Erhöhung der Mindestdeckungssummen in der Kraftfahrzeughaftpflicht zu rechnen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Seitens des Bundesministeriums für Justiz sind diesbezüglich die legistischen Vorarbeiten abgeschlossen. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist in Begutachtung gegangen, der letzte Konsens der Parteien in dieser Frage liegt aber noch nicht vor.

Das Thema ist aus meiner Sicht von Ihnen richtig als ein relevantes Thema angesprochen worden. Wir bemühen uns darum, diese Novelle sowohl im Bereich des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes als auch im Bereich der Haftpflichtversicherungssummen durchzubringen. Die derzeitigen Höchstsummen sind gesetzlich gesehen 15 Millionen Schilling für Personenschäden. Das scheint auch mir etwas wenig zu sein, wenn man auch hinzufügen muss, dass die Mehrzahl der Österreicher – wir glauben, dass es zirka 80 Prozent sind – bereits freiwillig höher versichert ist.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Es wäre in diesem Zusammenhang auch interessant zu hören, wie sich die Mindestdeckungssummen im europäischen Vergleich gestalten, also in Bezug auf Österreich.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Im europäischen Vergleich liegt Österreich im Hinblick auf die Versicherungssummen der Höhe nach schlecht, nämlich im untersten oder unteren Bereich. In Deutschland beträgt zum Beispiel die Mindestversicherungssumme 105 Millionen Schilling, andere Länder in der EU haben überhaupt keine Obergrenze.

Ich glaube, dass wir diesbezüglich etwas unternehmen sollten, wie ich schon in meiner ersten Antwort gesagt habe. (Bundesrat Kneifel: Können Sie das etwas genauer sagen!) Ich kann die Länder auch im Detail nachreichen. Wir haben eine genaue Liste. Ich glaube, ähnlich ungünstig liegt außer Österreich nur Griechenland, ansonsten sind die Bürger aller anderen Länder eher höher, aus meiner Sicht also besser versichert.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Eine Frage drängt sich geradezu auf: Hat es in diesen Beratungen auf eine Erhöhung der Deckungssummen auch Ansätze der Versicherungswirtschaft gegeben, damit auch weitere Prämienerhöhungen zu begehren?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir sind in dieser Frage sehr aufmerksam, und zwar auch aus dem Anlass der Umstellung des Schillings auf den Euro. Hier möchten wir auch jeden Vorwand für eine Erhöhung der Prämien vermeiden. Die Versicherungen sprechen das nicht direkt an, aber wir rechnen damit, dass eine Erhöhung der Haftpflichtversicherungssummen auch zu einer Prämienerhöhung führen wird.

Da wir nicht die Ursache für eine Erhöhung sein möchten, die im inneren Zusammenhang nicht gerechtfertigt ist, führen wir diesbezüglich noch Gespräche mit den Versicherungen. Es soll nicht so sein, dass eine an sich gerechtfertigte, auf das europäische Niveau heranführende Erhöhung der Mindestdeckungssummen zu der Antwort der Versicherung führt, dass deshalb jetzt die Prämien erhöht werden müssen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Bundesminister! Worin liegen die Vorteile einer Anhebung der Mindestdeckungssummen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Die Vorteile liegen darin, dass bei Verkehrsunfällen mit sehr hohen Schadenssummen, also insbesondere 15 Millionen Schilling übersteigenden Summen, die Leute, die zum Beispiel schuldhaft einen solchen Verkehrsunfall verursacht haben, nicht zur persönlichen Haftung herangezogen werden müssen.

Wir müssen aber auch andere Dinge bedenken: Es sind in den Verträgen oft "versteckte" – unter Anführungszeichen – Formulierungen enthalten, die Gefahrenquellen sein können. Zum Beispiel muss man sich, was viele Österreicher nicht wissen oder ihnen nicht gewärtig ist, bei so genannten Gefahrentransporten zusatzversichern lassen, um nicht aus der Haftung herauszufallen. Schon wenn man eine Camping-Gasflasche transportiert, kann es passieren, dass in diesem Fall die Versicherung wegfällt.


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 11

Wir möchten im Zuge der Novellierung auch diese Probleme bereinigen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Danke.

Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 1168/M-BR/01, an den Herrn Bundesminister.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ferdinand Gstöttner, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1168/M-BR/01

Haben Ihre Gespräche mit Vertretern von Bundesländern und Gemeinden bereits ein Umdenken Ihrerseits betreffend den Plan der radikalen Kürzung der Anzahl der Bezirksgerichte bewirkt?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 12

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer:
Ein Umdenken meinerseits wurde diesbezüglich nicht bewirkt. Im Gegenteil: Ich bin von dem Reformbedarf mehr denn je überzeugt. Ich habe diese Überzeugung auch in Direktkontakten mit der Bevölkerung gewonnen, die diesem Problem sehr aufgeschlossen gegenübersteht.

Wir haben mittlerweile alle Landesregierungen besucht, wir haben auch mit allen Landesregierungen Gespräche führen können. – Wir laden auch alle Mitglieder des Bundesrates ein, sich über die Problematik zu informieren. – Die Mitglieder der Landesregierungen sind durchgehend beeindruckt von unseren Argumenten, und sämtliche Landesregierungen haben zum Ausdruck ... (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Wo? Wo?) Bevor Sie es lächerlich machen, bitte ich Sie, sich einmal in das Ministerium zu begeben. Wir kommen auch zu Ihnen her. Wir führen Ihnen unsere Argumente gerne vor. Sie haben sich diese meines Wissens noch gar nicht voll zu Gemüte geführt. Alle Landesregierungen bestätigen im Prinzip den Reformbedarf – nur in unterschiedlicher Intensität.

Den größten Fortschritt haben wir gestern bei dem Gespräch mit Landeshauptmann Weingartner in Tirol erzielt, der selbst erklärt hat, dass ihm Bezirksgerichte, die weniger als zwei Richter auslasten, nicht mehr effizient zu sein scheinen. Unsere Vorstellung aus fachlicher Sicht liegt höher, aber schon wenn wir dieser Vorstellung des Herrn Landeshauptmannes Weingartner folgen, dann haben wir einen großen Fortschritt erzielt. Er sagt zwar, dass er diese Linie bundesweit und in Tirol selbst nur dann vertritt, wenn sich auch die anderen Bundesländer dieser Regelung anschließen, aber ich glaube, diesem Argument kann sich niemand verschließen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Der Bezirk Ried hat 36 Gemeinden mit 55 722 Einwohnern und zwei Bezirksgerichte mit 3,6 Richtern, der Bezirk Schärding hat 30 Gemeinden mit 56 334 Einwohnern sowie drei Bezirksgerichte mit 3,6 Richtern. Daraus soll ein Bezirksgericht in Ried gemacht werden. Ich darf dazusagen, dass die Zusammenlegung beziehungsweise Auflösung im Bezirk Schärding natürlich nicht verstanden wird und auf Protest stößt. Ich habe das auch am vergangenen Montag bei diesem Gespräch kurz erwähnt.

Meine Frage lautet daher: Die Mindestforderung ist – nicht nur für Schärding, sondern auch für andere Bezirke in Österreich –, dass in jedem Bezirk zumindest ein Bezirksgericht erhalten bleibt. Wie stehen Sie dazu?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 13

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer:
Grundsätzlich positiv, weil auch das schon einen Fortschritt bedeutet. Es stellt dies unseren Ehrgeiz allerdings nicht ganz zufrieden, weil wir unsere Vorschläge in einem größeren Rahmen bedenken und vorstellen möchten.

Tatsache ist aber, dass die Formel, ein Bezirksgericht entspricht dem Sprengel einer Bezirkshauptmannschaft, durchaus überlegenswert wäre. Wir müssen bedenken, dass wir in Österreich 192 Bezirksgerichte und 89 Bezirkshauptmannschaften haben, wobei die Städte mit eigenem Statut in dieser Zahl schon inkludiert sind. Wir würden also bei Realisierung dieser Formel die Anzahl der Bezirksgerichte in etwa halbieren. Sie sehen, wie groß der Reformbedarf in Wirklichkeit ist.


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 14

Präsident Ing. Gerd Klamt:
Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Bundesminister! In der Öffentlichkeit wurde offenbar absichtlich der unrichtige Eindruck erweckt, als würden Sie Kärnten bei der bundesweiten Schließung kleiner und kleinster Bezirksgerichte bevorzugt behandeln.

Daher lautet meine Frage: Wie stellt sich die derzeitige Situation der Bezirksgerichte in Kärnten – vor allem im Verhältnis Bezirksgerichte zu Bezirkshauptmannschaften; wobei die besondere Situation der zweisprachigen Gerichte in Kärnten zu beachten ist – im Vergleich zu den übrigen Bundesländern dar?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Kärnten hat unter Landeshauptmann Wagner meines Wissens eine sehr durchgehende Reform gemacht, und es stehen dort neun Bezirksverwaltungsbehörden acht Bezirksgerichten gegenüber. Kärnten hat also ungefähr jenes Ausmaß an Reform verwirklicht, das uns als erster Schritt vorschwebt.

Kärnten hat natürlich ein "Sonderproblem" – Sonderproblem ausdrücklich unter Anführungszeichen –, weil (ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Hoscher: Ja, das kann man sagen! – Bundesrat Konecny: Wenn Sie das sagen!) dort im zweisprachigen Gebiet drei Gerichte sind, die wir auch gerne effizienter gestalten würden.

Kärnten hat in etwa – vielleicht stimmen die Zahlen 9 und 8 nicht so genau, ich glaube aber schon, dass ich hier nicht unrichtig liege – nicht diese Problematik, wie sie unsere großen Sorgenkinder, das sind Oberösterreich, Salzburg und die Steiermark, haben. Da ist die Struktur wirklich veraltet und praktisch jener entsprechend, die wir bereits im Jahre 1848 gehabt haben. Kärnten hat ein relativ kleines Gericht, das nur 1,2 Richter auslastet, das ist Hermagor. Hermagor hat aber eine Bezirkshauptmannschaft. Insofern ist der Gleichstand wieder hergestellt.

Der Landeshauptmann von Kärnten hat gesagt, wenn die anderen Bundesländer mit der Reform in etwa auf sein Niveau gleichziehen, dann wäre er zu weiteren Reformmaßnahmen gemeinsam mit den anderen Bundesländern bereit.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Danke. – Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Johann Ledolter gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Bundesminister! Sie haben in Ihrer ersten Anfragebeantwortung schon sehr ausführlich darauf Bezug genommen, wie diese Schließung und Strukturierung vor sich geht. Nachdem die Opposition aber durchaus in dramatischer Form, bis hin zur Panikmache (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), dieses Thema behandelt, hätte ich Sie gerne ersucht, noch einmal zu präzisieren, wie weit Sie vom Konzept Ihres Vorgängers, Gerichte nur in beschränktem Umfang zusammenzulegen, gänzlich abgegangen sind.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Soweit ich es weiß, hat man unter Minister Michalek (Bundesrat Konecny: Das war aber nicht Ihr Vorgänger! Da hat es noch jemand gegeben!)  – ich komme schon drauf, Herr Bundesrat – das Konzept entwickelt, dass aus der Sicht der Justiz, nämlich aus der Sicht der effizienten Betrachtung, Gerichte, die weniger als einen Richter auslasten, auf gar keinen Fall tolerabel sind. Das sind 29.

Mein Vorgänger Michael Krüger hat eher den Standpunkt eingenommen, dass man in diese Struktur nicht eingreifen sollte.

Ich habe den Standpunkt eingenommen und nehme ihn nach wie vor ein, dass wir die Gerichte effizienter gestalten müssen. Es geht mir dabei weniger um Effizienz im Sinne des monetären Bereiches, also des betriebswirtschaftlichen Bereiches, sondern vor allem um Effizienz im Sinne einer Spezialisierung.

Es sind Rechtsanwendung, Rechtsberatung und Rechtsauskunft und auch Urteilsschöpfung bei Gericht ohne Spezialisierung einfach nicht mehr möglich. Wir haben 40 Branchen zu betreuen. Bezirksrichter, die nur ein Gericht betreuen, das ohnedies nur zur Hälfte ausgelastet ist, die also auch zwischen Gerichten pendeln, können meines Erachtens auf Dauer diese optimale Rechtsbetreuung nicht mehr gewährleisten.

Aus unserer Sicht bedeutet eine optimale Rechtsbetreuung, dass wirklich alle Branchen von Spezialisten oder zumindest ansatzweise von Spezialisten betreut werden können. Unsere Vorstellung wäre, dass ein Bezirksgericht zumindest zehn Richter aufweisen sollte. Wir sind aber über jeden Schritt dankbar, der sich in diese Richtung bewegt.

Unsere Antwort und unser Problembewusstsein lautet also: Effizienzsteigerung durch Spezialisierung. Spezialisieren kann man aber nur dort, wo ausreichend viele Richter zur Verfügung stehen. Wenn ich auf einem Gericht einen "halben" Richter – unter Anführungszeichen – habe, kann ich den nicht spezialisieren. Das ist ein Rückschritt in der Rechtsbetreuung, den ich nicht verantworten möchte, den ich aber den Ländern in die Verantwortung gebe, denn diese haben das Recht, dazu ja oder nein zu sagen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Danke.

Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, 1163/M-BR/01.

Ich ersuche Herrn Bundesrat Georg Keuschnigg um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Meine Hauptfrage wurde im Zuge der vorhergegangenen Anfragebeantwortung zur Gänze erledigt. Ich darf daher mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, gleich zu einer Zusatzfrage kommen.

Herr Bundesminister! In welchem zeitlichen Rahmen wollen Sie die Reform der Gerichtsorganisation bewältigen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Der zeitliche Rahmen ist aus meiner Sicht nicht erstrangig zu betrachten. Wir sind mit einer Gerichtsorganisation konfrontiert, die im Prinzip 153 Jahre alt ist, die sich geographisch so aufgegliedert hat, dass man eine Verhandlung mit Ochsengespann oder Pferdegespann erreichen konnte.

Wir sind auch damit zufrieden, wenn wir zum Beispiel – völlig unverbindlich gesagt – im nächsten Jahrzehnt, aber mit möglichst baldiger legistischer Regelung zu einer moderneren Struktur kommen. Es kommt uns nicht auf den Zeitpunkt an, es kommt uns vor allem darauf an, dass man die Bevölkerung mit einer solchen Regelung nicht überfährt. Aber das Überfahren ist ohnedies sehr schwer möglich, weil, statistisch nachgewiesen, jeder Österreicher nur einmal in seinem Leben zu Gericht geht. Also der Schock könnte auch bei kürzeren Umsetzungsfristen nicht allzu groß sein.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich ersuche, die Hauptfrage zu stellen, beziehungsweise war das jetzt die Hauptfrage, wenn in weiterer Folge auf die Zusatzfrage verzichtet wird.

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Die Hauptfrage ist im Zuge der vorhergehenden Anfragebeantwortung beantwortet worden.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Danke. – Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Horst Freiberger gemeldet.

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Sie haben bei der vergangenen Frage geantwortet, dass bei Ihren Gesprächen mit den Landesregierungen durchaus signalisiert wurde oder für Sie erkennbar war, dass großes Verständnis für Ihre Pläne in den Ländern vorherrsche.

Meiner Information zufolge trifft das in der Steiermark nicht zu. In der Steiermark wurde in der Landesregierung klar signalisiert, dass mit Ihrem Vorschlag, in der Steiermark lediglich neun so genannte Eingangsgerichte zu installieren, absolut nicht das Auslangen gefunden wird, und es ist bekannt, dass die Schließung einzelner Bezirksgerichte nur mit der Zustimmung des zuständigen Landes erfolgen kann.

Da dieses Signal aus der Steiermark gegen diese Schließungen so klar ist, frage ich Sie: Was ist Ihr konkreter Vorschlag, um Ihre Gerichtsorganisationsreform für die Steiermark weiter zu betreiben?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich möchte zunächst präzisieren: Ich habe gesagt, dass aus allen Bundesländern eine Antwort gekommen ist, die man als Bejahung des Reformbedarfes werten kann. Und bei allem Respekt für Frau Landeshauptmann Klasnic: Sie ist nicht die Steiermark! Sie ist persönlich dagegen, aber es gibt in der Steiermark auch andere relevante Stimmen.

Ich möchte das anhand eines Beispiels erläutern: Die Steiermark hat ein Bezirksgericht, nämlich Mariazell, das eine Einwohneranzahl von 4 800 versorgt. Der deutsche Durchschnitt ist 119 000, der bayrische Durchschnitt ist 169 000 pro Amtsgericht. Also ein absolut kleinstes Gericht, das 4 000 Einwohner betreut und nicht im Entferntesten ausgelastet sein kann, mit dem Hinweis zu verteidigen, es müsse auf jeden Fall bestehen bleiben, ist meines Erachtens kein Standpunkt, den man langfristig durchhalten kann. Dieser Standpunkt wird sich in Kürze überlebt haben.

Ich sage bei solchen Diskussionen immer Folgendes: Ich als Bundesminister für Justiz muss mich in dieser Phase der Diskussion jetzt noch sehr bemühen, eine verbesserte rechtliche Versorgung vor Ort durch Einrichtung von Bürgerservices nachzuweisen. Das will ich auch machen, und zwar in Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten und Notaren, die verbindliche Auskünfte geben, die unter der Haftung von Anwälten und Notaren stehen und die wir als Justizministerium auch, so weit es geht, mitzufinanzieren bereit sind.

Dieser Verbesserung wird man sich auf Dauer nicht verschließen können. Ich bitte nur eines zu bedenken: Wenn der Reformbedarf einmal so unverkennbar ist, dass ein Justizminister nichts mehr anbieten muss, dann wird die Reform ohne Gegenleistung des Ministeriums erfolgen. Und das wird irgendwann einmal der Fall sein, wenn man jetzt mit uns nicht eingehender und sachlicher diskutiert.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Wilhelm Grissemann gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ist Ihnen die geographische Abgeschiedenheit des Bezirksgerichts Reutte bewusst? Ich denke da insbesondere an die rechtsuchende Bevölkerung vom Lechtal. Bei einer beabsichtigten Zusam


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menlegung mit Imst ist da im Extremfall jemand mit dem Auto bis zu drei Stunden unterwegs nach Imst, sodass eine Zusammenlegung mit Imst eigentlich nicht realistisch erscheint.


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Präsident Ing. Gerd Klamt:
Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Es ist richtig, dass Reutte aus dieser Sicht ein Härtefall ist, bei dem wir durchaus wieder – unter Anführungszeichen – "verhandlungsbereit" sind; es entscheiden ja die Landesregierungen. Das ist sicher ein Problem. Aber wir haben zum Beispiel auch das Problem des Kleinen Walsertals, die dort ansässige Bevölkerung muss meines Wissens nach Bregenz reisen. Wir gehen auf solche Sonderprobleme durchaus ein.

Wenn wir die Formel einhalten, dass zwei Richter pro Gericht die Mindestgröße sind, wird Reutte bestehen bleiben. Reutte wird aber auch bestehen bleiben, wenn die geographischen Besonderheiten so geartet sind, dass sie einfach eine Sonderregelung erforderlich machen.

Es gibt auch Probleme in der anderen Richtung, wie in der Steiermark. In der Steiermark gibt es die Gemeinde Radkersburg, die eine Bezirkshauptmannschaft hat, aber sie lastet nicht einmal ein Bezirksgericht aus. Das ist zum Beispiel ein Sonderfall in der anderen Richtung.

Die Generallinie ist für den ersten Schritt sicherlich für beide Seiten akzeptabel: eine BH pro Sprengel eines Bezirksgerichtes mit Berücksichtigung von Sonderfällen.


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Präsident Ing. Gerd Klamt:
Danke.

Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 1166/M-BR/01. Ich ersuche Herrn Bundesrat Dr. Robert Aspöck um die Verlesung.

Bundesrat Dr. Robert Aspöck ( Freiheitliche, Salzburg): Herr Bundesminister! Meine Anfrage lautet:

1166/M-BR/01

Was gedenken Sie zum Schutz der Rechte Dritter zu tun, da immer wieder geheime Akten zu Lasten Dritter veröffentlicht werden?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich gedenke zum Schutz der Rechte Dritter soviel und in der gleichen Art vorzuschlagen wie auch meine Vorgänger. Das heißt: Es ist in den letzten Jahrzehnten schon sehr viel geschehen, und wir wollen diese Linie fortsetzen.

Geschehen ist zum Beispiel die Einrichtung des § 301 Strafgesetzbuch – unter dem sozialistischen Justizminister Broda –, die vorsieht, dass Inhalte von Verhandlungen vor Gericht und Verwaltungsbehörden, die nicht öffentlich sind, nicht veröffentlicht werden dürfen und das – unbeanstandet seit 26 Jahren – in Österreich unter Strafsanktion steht.

Diese Linie wurde fortgesetzt. Bei der Novellierung des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes, zum Beispiel im § 182d, wurde von allen Seiten begrüßt beziehungsweise von niemandem beanstandet, dass in gleicher Weise, mit Hilfe desselben Straftatbestandes der Schutz von Inhalten aus der Intimsphäre aus Pflegschaftsverfahren erfolgen soll. In gleicher Weise wurde durch dasselbe Gesetz zum selben Zeitpunkt auch ein Schutz im Sinne des § 209 eingerichtet, demzufolge auch Inhalte aus der Abrechnung oder aus Vermögensverhältnissen von Pflegebefohlenen geheim zu halten sind. So könnte ich weitere Beispiele nennen.

Ich glaube, dass sich der Gesetzgeber hier auf einer sehr geraden und logischen Linie befindet, und ich habe bisher keinen Grund gesehen, von dieser Linie abzuweichen, weil vor allem auch in den Begutachtungsverfahren das nicht kritisiert wurde, vor allem auch nicht von der Richterschaft, die solche Regelungen zum Teil angeregt, zum Teil begrüßt hat. Solche Regelungen werden vor allem auch vom Datenschutzrat begrüßt.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Bundesminister! Können Journalisten nach derzeitiger Gesetzeslage die rechtliche Verfolgung eines allfälligen Amtsmissbrauches durch Weitergabe von der Öffentlichkeit sonst nicht zugänglichen Aktenstücken und allenfalls auch die eigene Anstiftung zum Amtsmissbrauch nicht ohnehin dadurch verhindern, dass sie sich auf ihr Redaktionsgeheimnis berufen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Im Prinzip zeigen Sie eine Fallgruppe auf, die ich bejahend beantworten muss. Das heißt, sie können sich auf das Redaktionsgeheimnis berufen.

Ich möchte aber gleichzeitig klarstellen, dass Journalisten genauso wie alle anderen Berufsgruppen, auch wenn sie in manchen Bereichen eine Sonderstellung haben, natürlich den österreichischen Gesetzen unterworfen sind – wie alle Österreicher und sonstigen Personen, die sich im Land aufhalten, auch.

Es gibt im Übrigen keinen Journalisten-Paragraphen. Auch § 56, der im Entwurf vorliegt – seit dem Jahr 1998 unverändert im Text –, ist kein Journalisten-Paragraph. Er wendet sich nicht gegen Journalisten im Besonderen. (Bundesrat Würschl: Gegen wen dann? – Ruf: Das ist eine Zusatzfrage!)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Alfred Schöls gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Wie wollen Sie eine ausgewogene Balance zwischen den Rechtsgütern der Presse- und Medienfreiheit einerseits sowie des Rechtes jedes Einzelnen auf Datenschutz und auf ein faires und unabhängiges Verfahren andererseits erreichen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Diese ausgewogene Balance ist, so möchte ich sagen, das seit jeher Ziel jedes Gesetzgebers, wobei die Richtlinie im Artikel 10 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgegeben ist.

In diesem Artikel 10 ist vorgesehen, dass der Gesetzgeber zum Schutz bestimmter Rechtsgüter einfachgesetzliche Regelungen – ich formuliere das jetzt einmal praktisch – schaffen kann, zum Beispiel zum Schutz des Amtsgeheimnisses, zum Schutz der Persönlichkeitsrechte, die auch einen gesonderten Schutz in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention genießen.

Der österreichische Gesetzgeber hat mehrfach den Begriff der "schutzwürdigen Interessen" verwendet, zum Beispiel seit 1993 im § 7a des Mediengesetzes. "Schutzwürdige Interessen" bedeutet, dass zum Beispiel die Medienfreiheit, bei aller Hochachtung, die wir haben, und bei der Notwendigkeit, die wir ihr einräumen, die Medienberichterstattung eben auch auf die Interessen Dritter, unbeteiligter Dritter vor allem, und die Intimsphäre und Privatsphäre Rücksicht nehme sollte – und auch tut. Wir haben auch den Ehrenkodex der österreichischen Presse, der dies ausdrücklich vorsieht. Jene Journalisten, mit denen ich gesprochen und diese Thematik erörtert habe, haben immer erklärt, und zwar ausschließlich erklärt, solche Fälle der Intimsphäre und der Privatsphäre würden sie ohnedies berücksichtigen.

Das heißt aber nicht, dass der Gesetzgeber dieses Spannungsfeld übersehen darf. Dieses Spannungsfeld besteht in der Presse- und Informationsfreiheit einerseits und im Persönlichkeitsschutz andererseits. Ich betone, dass nicht daran gedacht ist, die Rechte der Presse, der Journalisten oder der Medienfreiheit in irgendeiner Form einzuengen. Aber: Regelungsvorschläge wird man noch machen dürfen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Johanna Auer gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Herr Bundesminister! Welche konkreten Überlegungen streben Sie an, gegen bezeichnende so genannte undichte Stellen in den Ämtern und Behörden vorzugehen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir haben bereits im Herbst in der Bundesregierung konkrete Maßnahmen besprochen. Zum Beispiel werden im Justizbereich die Aktenstücke, wenn sie kopiert werden, auf Grund einer eingelegten oder eingearbeiteten Folie automatisch mit der quer verlaufenden Überschrift "Justiz" unter Hinweis auch auf die Kopiertätigkeit versehen. Das heißt, das ist ein rein praktischer Schutz.

Außerdem haben wir in der Bundesregierung grundsätzlich die Meinung dahin gehend gebildet, dass man einen Schadenersatzanspruch dann bekommt, wenn in die Intimsphäre des Einzelnen unberechtigt eingegriffen wird, zum Beispiel in der Form von Veröffentlichung von Aktenteilen. Das sieht so aus, dass der Betroffene, in dessen Intimsphäre eingegriffen wird, lediglich beweisen muss, dass aus einem geheim zu haltenden Akt ihn betreffende Details unter Verletzung der Intim- oder Privatsphäre veröffentlicht wurden, und dann bekommt er einen pauschalen Schadenersatz. Das Neue und die Erleichterung dabei ist, dass man nicht mehr den Täter spezifizieren muss, sondern nur mehr die Tatsache der Rechtsverletzung.

Dieses Gesetz ist noch nicht umgesetzt, es ist noch im Entstehen, weil es schwierige Rechtsprobleme aufwirft. Es ist auch hier nicht daran gedacht, in irgendeiner Form in die Rechte der Medien, in die Pressefreiheit oder in die Informationsfreiheit einzugreifen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage, 1169/M. Ich ersuche Frau Bundesrätin Johanna Auer um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Herr Bundesminister! Meine Anfrage hat folgenden Wortlaut:

1169/M-BR/01

Sind Sie bereit, den von Ihnen vorgeschlagenen § 56 StPO auf Grund der massiven Kritik durch ExpertInnen und JournalistInnen zurückzuziehen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Vor allem bin ich nicht nur bereit, sondern erhoffe mir sogar, dass man endlich mit uns sachlich darüber diskutiert und nicht Vorurteile über die Medien ausrichtet.

Ich darf Ihnen die Entstehungsgeschichte dieses Paragraphen, der nicht von mir stammt – auch in der Entwurfsform nicht von mir stammt –, noch einmal deutlich machen, weil ich hoffe, vor diesem hohen Forum größeres Verständnis dafür zu finden.

Wie schon erwähnt: Im Jahre 1975 wurde unter Minister Broda ein § 301 beschlossen, der die Geheimhaltung von Aktenstücken regeln soll auf strafrechtlicher Ebene, als strafrechtlicher Tatbestand, und zwar mit dem Ziel, diese Amtsgeheimnisse zu wahren. Dieser Paragraph wurde, Gott sei Dank, weil sich die Journalisten nahezu ausschließlich im Prinzip daran halten, wenig judiziert. Es ist zu keinen spektakulären Fällen gekommen.

Im Jahre 1997 hat man den Lauschangriff geregelt und dabei überlegt, dass naturgemäß Akteninhalte entstehen, die nur die Intimsphäre betreffen, aber sonst für die Weiterführung des Aktes in keiner Weise von Bedeutung sind. Man hat daher diesen Paragraphen – mit Ihrer Zustimmung, so nehme ich an – um Abs. 3 erweitert. Dieser Abs. 3 sollte also verhüten, dass Zufallser


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gebnisse im Rahmen von Lauschangriffen an die Öffentlichkeit dringen, weil sie nicht von öffentlichem Interesse sind.

Ich nenne ein Beispiel: Im Rahmen eines Lauschangriffes wird ein Restaurant verkabelt, und es werden damit nicht nur die Gespräche von Verdächtigen abgehört, sondern auch die Gespräche zufällig dort anwesender Personen. Um die Inhalte solcher Gespräche, bei denen es um Details des Privat- und Familienlebens geht, schützen zu können, hat die Koalition im Jahre 1997 § 301 erweitert.

Im Rahmen der Strafprozessordnung, die nunmehr 27 Jahre diskutiert wird, hat man nun unter anderem auch die Beschuldigtenrechte ausgedehnt, und zwar nicht nur im § 56, sondern auch im § 53. Ich bitte, den auch einmal zu lesen.

Nach § 53 dieses Entwurfes bekommt der Beschuldigte einen Anspruch auf sehr frühe Akteneinsicht. Das versetzt ihn ähnlich wie beim Lauschangriff wieder in die Lage, Zufallsergebnisse der Ermittlungen zu erfahren. Damit der Beschuldigte diese Zufallsergebnisse, die ihm gar nicht zur Verteidigung dienen, nicht missbräuchlich verwenden kann, hat man sich wieder des § 301 besonnen und den Vorschlag gemacht, eine allfällige – eine allfällige! – Regelung wieder im Bereich des § 301 anzusiedeln. Man hat keinen konkreten Strafvorschlag gemacht.

Das ist bereits im Jahre 1998 textgleich vorgelegen, und das wurde in Begutachtung gegeben. Kein Parlamentsklub hat sich damals gegen diese Regelung ausgesprochen, keine Partei, niemand! Im Gegenteil, der Vorsitzende des Datenschutzrates, Herr Strutzenberger, hat diese Regelung, die Sie jetzt so heftig kritisieren, ausdrücklich als Fortschritt begrüßt, um das einmal klarzustellen.

Es liegt also kein Journalisten-Paragraph vor, es liegt das Bemühen der Republik Österreich vor, im Rahmen der gesetzgeberischen Kompetenz dieses Spannungsfeld in moderner Art und Weise und im Bereich des Artikels 10 EMRK ordentlich und angemessen zu regeln. Diesem Bemühen kann ich mich nicht verschließen. Ich bitte hier um sachliche Diskussion.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird von der Anfragestellerin eine Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Christoph Hagen gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ist es richtig, dass durch die Veröffentlichung von geheimen Gerichtsakten durch Journalisten Dritte zu Schaden gekommen sind?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich könnte hier auf keinen konkreten Fall verweisen und würde das auch nicht tun, weil ich schon erwähnt habe, dass sich die Journalisten ganz im Sinne des Ehrenkodex der österreichischen Presse sehr häufig und sehr diszipliniert danach richten.

Aber es wurde im legistischen Bereich, also unter den Legisten, zum Beispiel folgender Fall als Anwendungsfall diskutiert: Ein Kinderschänder hat, als die Ermittlungen gegen ihn immer ernster und dichter wurden, angekündigt, er würde Namen, Bilder und Adressen der geschändeten Kinder im Internet veröffentlichen. Es wurde also ein konkreter Missbrauch angedroht. – Das war zum Beispiel eine Frage der Regelungsabsicht, das war Motiv für das Vorgehen im Sinne der bisherigen, von mir aufgezeigten Linie.

Daneben gibt es natürlich Zufallsergebnisse im Strafverfahren, die sehr konkret erörtert wurden, als Möglichkeit nämlich, zum Beispiel: Wirtschaftsgeheimnisse, Konstruktionsgeheimnisse – das könnte einem Unternehmen sehr schaden.


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Sie wissen, dass zum Beispiel vor einigen Wochen ein Zwischenbericht der SOKO auf einer anonymen Webseite im Internet veröffentlicht wurde. An all diese Möglichkeiten muss man denken. Es ist ohnedies schwierig genug, diese Form des Missbrauches in den Griff zu bekommen.

Wir müssen auch bedenken, dass zum Beispiel Krankengeschichten, psychologische Gutachten, psychiatrische Gutachten, Vermögensverhältnisse und so weiter auf diese Art missbräuchlich verwendet werden könnten.

Um es abzurunden: Der Verweis, dass ohnedies ein Schadenersatzrecht besteht, und der Verweis, dass ohnedies das Mediengesetz besteht, sind diskutabel im Sinne von vielleicht nicht ausreichend, weil dadurch der Betroffene, in dessen Intimsphäre eingedrungen wird, gezwungen wird, auf eigenes Kostenrisiko gegen riesige Unternehmungen, gegen vielleicht sehr vermögende Beschuldigte, gegen gut organisierte Beschuldigte, unter Umständen aber auch gegen Medien – ich wiederhole es: auf eigenes Kostenrisiko – zu prozessieren. Das ist ein Unterschied!

Ich erhoffe mir Diskussionsbeiträge hinsichtlich dieses Spannungsfeldes, das jeden von uns betreffen kann, insbesondere aber Personen, die sich nicht an die Öffentlichkeit begeben wollen. Ich erhoffe mir, dass wir das einmal ausreichend und sachlich diskutieren, und biete auch hier an, die Klubs zu besuchen, um eine Diskussion in Gang zu bringen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Herr Bundesminister! Wie ist diese Thematik in vergleichbaren EU-Ländern geregelt? Wie ist die diesbezügliche Regelung etwa in Deutschland?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: In Deutschland gibt es eine Bestimmung, die detaillierter ist als jene in Österreich, aber gleichzeitig auch strenger von der Strafandrohung her. Auch in Deutschland ist man, so glaube ich, permanent bemüht, eine angemessene Regelung dieses Spannungsfeldes zu finden.

Ich könnte Ihnen den genauen Text jetzt vorlesen, aber ich kann Ihnen den genauen Text auch zusenden. Wenn jemand Wert darauf legt, lege ich den deutschen Text im Wortlaut vor, aber das bringt eigentlich nicht viel, weil er rein juristisch ist und drei Absätze betrifft. Im Prinzip sind die Deutschen aber genauso bemüht wie wir.

In manchen Ländern dürften die Regelungen noch strenger sein. Im Medium "Der Standard" wurde veröffentlicht, dass zum Beispiel ein Journalist in den Niederlanden derzeit eine Haftstrafe verbüßt. In Spanien ist die Situation liberaler. Die Situation ist unterschiedlich, aber Sie veranlassen mich, auf Folgendes hinzuweisen: Ich habe bereits im Sommer 2000 erste Vorbereitungen getroffen, um eine Medienenquete vorzubereiten, weil es keine verlässliche wissenschaftliche Untersuchung gibt, die die Medienrechte der EU-Staaten zueinander in Bezug setzt. Wir haben jetzt über meine Initiative an die EU-Staaten eine ausführliche Fragenliste geschickt, damit wir einmal einen ersten Eindruck darüber bekommen, wie die Situation innerhalb der EU ist, und werden nach Maßgabe des Einlangens der Antworten – wir erwarten sie bis Juni – eine Medienenquete einberufen, bei der wir selbstverständlich auch die Medien zur Teilnahme auffordern werden.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage, 1164/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


Bundesrat
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1164/M-BR/01

Wann werden Sie dem Parlament die im Regierungsübereinkommen vorgesehenen Maßnahmen zur Beschleunigung der Zivilverfahren zuleiten?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.


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Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer:
Hoffentlich bald, Herr Bundesrat! Wir haben noch Gespräche betreffend die Frage der Eventualmaxime zu führen. Die Eventualmaxime bedeutet, dass bei sonstigem Ausschluss die Prozessparteien ihr gesamtes Vorbringen in einem sehr frühen Stadium erstatten müssen. Die Anwälte wehren sich mit einigen guten Argumenten dagegen. Wir werden, so glaube ich, noch ein, zwei Verhandlungsrunden benötigen und meines Erachtens – das sage ich mit großer Überzeugung – im Sommer in den Ministerrat gehen können. Da werden wir sicherlich große Beschleunigungseffekte haben, auch wenn wir die gemilderte Eventualmaxime nicht ganz nach meinen Vorstellungen durchbringen werden.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Herr Bundesminister! Wird es nach Ihren Vorstellungen zu einer Beschränkung von Rechtsmittelmöglichkeiten kommen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wenn, dann in einem sehr geringen Bereich. Im Bereich der Räumungsexekutionen haben wir schon nachgegeben, obwohl ich sagen muss, dass das Nachgeben dogmatisch, legistisch nicht unbedingt notwendig war, es war mehr eine Emotion, die uns da entgegengekommen ist, denn wir hätten gerne Räumungsbefehle auch mit Zahlungsbefehlen durchgeführt, weil wir im Bereich der Zahlungsbefehle nicht die geringste Beanstandung haben, aber die Stimmung war dagegen, und wir haben nachgegeben. Das ist das eine.

Sonst wird vielleicht der Widerspruch gegen das Versäumnisurteil fallen, das könnte sein, da mit Hilfe dieses Widerspruches gemäß einer Argumentation des Oberlandesgerichtes Wien doch einiger Missbrauch im Sinne einer Verzögerung herbeigeführt werden kann.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ludwig Buchinger gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Ludwig Buchinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Gibt es seitens der Richterschaft Zustimmung zu den von Ihnen bereits vorgeschlagenen Reformen zur Beschleunigung?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Im Prinzip ja. Die Richterschaft ist mit den Vorschlägen, was die Zivilprozessordnung anlangt, eher einverstanden.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 1170/M. Ich ersuche Frau Bundesrätin Hedda Kainz um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1170/M-BR/01

Wie gedenken Sie, auch angesichts der sehr kurzen Begutachtungsfrist, bei der Vorverfahrensreform einen ausreichenden gesellschaftlichen Konsens für ein im Grunde wichtiges Gesetzesprojekt zu finden?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Die Vorverfahrensreform wird seit 27 Jahren betrieben. Sie wird sehr intensiv seit Vorliegen des Diskussionsentwurfes 1998 betrieben, weil sie in weiten Bereichen seit diesem Zeitpunkt – 1998 – schon feststeht.

Die Begutachtungsfrist wurde mit vier Monaten, bis Mitte September, sehr lange angesetzt. Für jedermann zugänglich ist der Gesetzentwurf bereits jetzt über das Internet. Ich glaube, nachdem es ohnedies so heftig diskutiert wird, sind viereinhalb Monate Begutachtungsfrist wohl ausreichend.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Dennoch gibt es sehr kontroversielle Standpunkte. In welcher Form gehen Sie auf diese Einwände ein? Gab es und gibt es eine formelle Möglichkeit, da Übereinstimmung zu erreichen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Es ist gute Tradition des Justizministeriums, auf alle Einwendungen einzugehen, die in einer Begutachtung geäußert werden, gleichgültig, ob sie auf den ersten Blick berechtigt sind oder nicht. Der Konsens ist sicher mein Ziel. Konsens wird aber nur dann erzielbar sein, wenn man endlich sachlich darüber diskutiert.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehen Sie doch eine Chance, hier zu diesem Konsens zu kommen, wenn eine sachliche Diskussion stattfindet und die über die Medien überbrachten Vorurteile vermieden werden können?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich bin überzeugt davon, dass dieses Gesetz konsensfähig ist. Das natürliche Spannungsfeld liegt im Bereich Staatsanwaltschaft, Untersuchungsrichter und Ermittlungsbehörden. Die jetzige Tendenz in der Diskussion, der Staatsanwalt bekäme so viele Rechte, dass er zusätzlich auch vom Parlament kontrolliert werden müsste, ist meines Erachtens völlig verfehlt.

Die Tätigkeit der Staatsanwälte wird weitgehend transparenter werden, denn wir bauen auch die Rechte der Geschädigten in diesem Entwurf aus, es wird der Privatkläger institutionalisiert. Das heißt, der Privatkläger ist weiterhin Verfahrensbeteiligter, auch wenn sein Schaden als Geschädigter schon ersetzt wurde. Er bleibt also im Verfahren Partei. Er kann und wird natürlich auch Beweisanträge stellen – all das ist neu –, und werden seine Beweisanträge nicht bewilligt, kann er sich dagegen beschweren. Jeder Akt ist auf diese Art und Weise irgendwann einmal öffentlich.

Meines Erachtens ist es nicht notwendig, in diesem Ausmaß, wie es jetzt geschieht, die korrekte Arbeit der Richter und Staatsanwälte in den Vorverfahren allgemein in Zweifel zu ziehen, weil niemand einen konkreten Fall einer Unkorrektheit nachweisen kann, trotzdem wird aber in der Diskussion so getan, als wäre diese nahezu an der Tagesordnung.

Ich sage es unmissverständlich, die Staatsanwälte haben das für sich selbst Gott sei Dank auch schon gesagt, obwohl es eine Selbstverständlichkeit ist: Ich zweifle nicht an der Korrektheit der Arbeit der Staatsanwälte und der Richter. Eine vermehrte Kontrolle ist schon deshalb möglich, weil der Privatkläger eingeführt wird, mit Beschwerderecht, Beweisantragsrechten und natürlich auch der Möglichkeit, jeden Akt seinem Willen zufolge – allerdings nicht dann, wenn es die Behörde will, sondern wenn der Akt abgeschlossen ist – an die Öffentlichkeit zu bringen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr


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Bundesrat Franz Wolfinger gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Bundesminister! Ganz generell gefragt: Welche weiteren wichtigen Schwerpunkte enthält die von Ihnen vorgelegte Vorverfahrensreform?


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 23

Präsident Ing. Gerd Klamt:
Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Die Vorverfahrensreform hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses Spannungsfeld, das von drei Behördengruppen im Rahmen des Vorverfahrens zu bearbeiten ist, neu zu regeln und zu strukturieren, und zwar nicht mit grundsätzlich neuen Gedanken, sondern nur mit jenen Gedanken, die bisher in Lehre und Judikatur schon angewendet und geäußert wurden.

Der Staatsanwalt hat die Aufgabe, zu prüfen, ob ein Sachverhalt zu einer Anklage ausreicht oder ob er sich mit einer Verfahrenseinstellung begnügen kann. Er leitet das Verfahren in Kooperation mit den Ermittlungsbehörden, die vor Ort, so wie dies bisher praktiziert wurde, die Ermittlungstätigkeit durchführen.

Die Gerichte werden aufgewertet, sie sind die Grundrechtsschützer und haben keine Doppelfunktion mehr, weil auch in der Lehre kritisiert wurde, dass der Untersuchungsrichter einerseits Ermittlungsorgan und andererseits Wahrer der Grundrechte ist. Meines Erachtens werden die Gerichte aufgewertet, und wir haben keinen Zweifel an der Korrektheit der Arbeit aller Beteiligten zu haben.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Danke.

Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, 1165/M. Ich ersuche Frau Bundesrätin Uta Barbara Pühringer um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1165/M-BR/01

Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die Betroffenen von den Neuregelungen des Kindschaftsrechtsänderungsgesetzes, insbesondere der gemeinsamen Obsorge, zu informieren?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir treffen alle Maßnahmen, die eine moderne Kommunikationsgesellschaft zur Verfügung hat: über Internet, in Vorträgen, in Broschüren, in Büchern und Diskussionen. Ich habe am Montag und am Dienstag an solchen Diskussionen in Linz und in Innsbruck teilgenommen. Sie sind sehr interessant.

Nur ein Wort zur so genannten gemeinsamen Obsorge: Es gibt keine gemeinsame Obsorge, sondern eine Obsorge beider Teile. Wie bei aufrechter Ehe sind beide Elternteile berechtigt, Obsorgemaßnahmen auch nach der Scheidung zu treffen, wenn sie das wollen und wenn sie dem Gericht eine entsprechende Vereinbarung vorlegen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Wann kann mit gesetzlichen Regelungen betreffend ein Berufsrecht der Mediatoren gerechnet werden?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Begutachtungsende: voraussichtlich Sommer; Regierungsvorlage: voraussichtlich Ende 2001.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Johanna Schicker gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Bundesminister! Beim Kindschaftsrechtsänderungsgesetz wurde auf die übliche Begutachtung verzichtet. Was war der Grund hiefür, beziehungsweise wird das bei so heiklen Gesetzen, bei denen es um eine faire Situation von Kindern und Familien geht, die künftige Vorgangsweise der Regierung sein?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Ich danke für die Möglichkeit, diesen gravierenden und das Ministerium fast diskriminierenden Vorwurf aufklären zu können.

Natürlich wurde auf eine Begutachtung nicht verzichtet. Darüber hinaus haben im vorigen Jahr mehr Justizausschusssitzungen stattgefunden als in den Jahren davor.

Wir haben inländische und ausländische Experten gehört, und vor allem jene Experten, die im praktischen Bereich arbeiten und nicht am grünen Tisch, haben das Kindschaftsrechtsänderungsgesetz begrüßt. Vor allem haben wir uns aber auch an ein deutsches Modell und deutsche Erfahrungen angelehnt und diese noch verbessert.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Bundesminister! Welche EU-Mitgliedsstaaten haben bereits ein vergleichbares Gesetz beschlossen? Sie haben gesagt, dass man in Deutschland bereits Erfahrungen gemacht hat. Welcher Art sind diese Erfahrungen, sodass man daraus einen eventuellen dringlichen Nachholbedarf in Österreich ableiten kann?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir werden über die Erfahrungen mit diesem Gesetz bis zum Jahr 2005 eine Studie vorlegen. Im EU-Bereich hat Deutschland eine ähnliche Regelung, aber zum Beispiel ohne die Verpflichtung, eine schriftliche Vereinbarung der geschiedenen Eltern vorzulegen. Das bezeichnen die Deutschen als Fortschritt im Vergleich zur eigenen Situation. Ansonsten befinden wir uns EU-weit im Trend. Die meisten EU-Staaten haben ähnliche Regelungen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage, 1167/M. Ich ersuche Herrn Bundesrat Dr. Peter Böhm um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

1167/M-BR/01

Werden Sie eine Änderung der Finanzierung der Krankenbehandlung von Häftlingen anstreben?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Wir haben mit den Behandlungskosten für kranke Häftlinge große Probleme, weil wir vom Gesetzgeber wie russische oder amerikanische Milliardäre behandelt werden, die hier erkranken. Wir haben nämlich keine Vereinbarung mit den Ländern bezüglich der Regelung der Behandlungskosten. Wir haben also keinen Tarif, keinen Sozialversicherungstarif, sondern wir zahlen wie Privatpatienten, die keinerlei Versicherung haben.


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 24

Wir müssen das unbedingt ändern, weil das eine echte Diskriminierung des Justizministeriums ist, das zunehmend zu einem "Sozialministerium Nr. 2" wird. Wir haben gigantische Kostensteigerungen, bis zu 400 Prozent. Wir liegen bei den Kosten im Jahr 2000 bei 224 Millionen Schilling und werden im Jahre 2004, wenn es so weitergeht, voraussichtlich 400 Millionen Schilling bezahlen müssen.

Wenn wir den Sozialversicherungstarif bezahlen dürften und nicht wie Privatpatienten behandelt würden, dann würden wir uns jährlich 118 Millionen Schilling ersparen. Wir müssen mit dem Sozialminister und mit den Klubs darüber verhandeln, weil wir diese Situation finanziell nicht mehr verkraften können.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Welche Finanzierungsform schwebt Ihnen vor? Sollen die Häftlinge in die allgemeine Krankenversicherung, in die Allgemeine Sozialversicherung eingegliedert werden, oder gibt es alternative Finanzierungsvorstellungen?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Die Eingliederung wäre ein mögliches Modell, aber es würde uns genügen, wenn wir nur diejenigen Kosten bezahlen würden, die den versicherten Patienten angelastet werden. Diese Regelung allein würde bedeuten, dass wir die erwähnten 118 Millionen Schilling einsparen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Günther Köberl gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wie liegen die Häufigkeit der Erkrankungen und die daraus entstehenden Kosten für Krankenbehandlungen von Häftlingen im internationalen Vergleich?

Präsident Ing. Gerd Klamt: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Im internationalen Vergleich ist uns keine Situation bekannt, die ein Ministerium so schlecht stellt wie das österreichische. Genauere Zahlen kann ich Ihnen nicht sagen.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Danke, Herr Bundesminister.

Die Fragestunde ist beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Ing. Gerd Klamt: Es sind Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen eingelangt.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Hedda Kainz: " An den Präsidenten des Bundesrates:

Der Herr Bundespräsident hat am 26. April 2001, Zl. 300.100/24-BEV/2001, folgende Entschließung gefasst:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner am 9. Mai 2001 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer, innerhalb der Zeiträume vom 10. bis 13. Mai beziehungsweise 20. bis 30. Mai 2001 den


Bundesrat
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Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein und am 16. und 17. Mai 2001 die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer mit der Vertretung."

In Ergänzung dazu liegt folgende Mitteilung des Bundespräsidenten vor:

GZ. 300.100/34-BEV/2001:

"Unter teilweiser Reassumierung der Entschließung vom 26. April 2001 betraue ich auf Vorschlag des Bundeskanzlers für die Dauer der Verhinderung der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner am 23. Mai 2001 den Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner mit der Vertretung."

Weiters liegt folgendes Schreiben an den Präsidenten des Bundesrates vor:

"Der Herr Bundespräsident hat am 3. Mai 2001, Zl. 300.100/31-BEV/01, folgende Entschließung gefasst:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt vom 23. bis 27. Mai 2001 die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer mit der Vertretung."

Präsident Ing. Gerd Klamt: Dient zur Kenntnis.

Eingelangt sind weiters 12 Anfragebeantwortungen, 1644/AB bis 1655/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Herrn Bundeskanzlers, wonach gemäß Artikel 23c Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 2 B-VG das bisherige österreichische Mitglied, Herr Dr. Hubert Weber, als Kandidat für die Funktion eines Mitgliedes des Europäischen Rechnungshofes für die am 1. Jänner 2001 neu beginnende sechsjährige Funktionsperiode wieder nominiert wird.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Hedda Kainz: "Sehr geehrter Herr Präsident! Gemäß Artikel 23c Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 B-VG darf ich Ihnen mitteilen, dass der Ministerrat, nach öffentlicher Interessentensuche und kommissioneller Vorauswahl sowie Durchführung von Konsultationen mit den im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Parteien, in seiner Sitzung am 8. Mai 2001 beschlossen hat – die Herstellung des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates vorausgesetzt –, das bisherige österreichische Mitglied, Herrn Dr. Hubert Weber, als Kandidaten für die Funktion eines Mitgliedes des Europäischen Rechnungshofes für die am 1. Jänner 2001 neu beginnende sechsjährige Funktionsperiode wiederzunominieren.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Dient zur Kenntnis.

Den eingelangten Außenpolitischen Bericht 2000 der Bundesregierung habe ich dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zur Vorbereitung zugewiesen.

Eingelangt sind ferner jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorbereitung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte hierüber erstattet.

Ich habe alle diese Vorlagen sowie die Wahl eines Vizepräsidenten des Bundesrates und eines Schriftführers für den Rest des 1. Halbjahres 2001 sowie durchzuführende Ausschusswahlen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.


Bundesrat
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Ergänzung der Tagesordnung

Präsident Ing. Gerd Klamt: Da der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen seine Sitzung vom 6. April 2001 nur unterbrochen hat und diese daher noch offen war, sind die Einberufung, die Verhandlung und der Ausschussbericht vom 21. Mai 2001 rechtsunwirksam. Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen hat nun heute seine am 6. April 2001 unterbrochene Sitzung wieder aufgenommen und geschlossen.

In einer anschließenden Sitzung hat der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen den Beschluss des Nationalrates vom 10. Mai 2001 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) vorberaten und einen Bericht erstattet.

Gemäß § 41 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates schlage ich daher vor, die Tagesordnung um den Beschluss des Nationalrates vom 10. Mai 2001 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) zu ergänzen.

Für die Ergänzung der Tagesordnung ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die der Ergänzung der Tagesordnung zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag auf Ergänzung der Tagesordnung ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Ich werde diesen Tagesordnungspunkt anstelle des obsoleten Tagesordnungspunktes 6 in Verhandlung nehmen.

Abstandnahme von der 24-stündigen Aufliegefrist

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich schlage weiters vor, von der 24-stündigen Aufliegefrist des Ausschussberichtes hinsichtlich des Tagesordnungspunktes 6 Abstand zu nehmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnahme von der 24-stündigen Aufliegefrist des gegenständlichen Ausschussberichtes einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag ist somit mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Weitere Ergänzung der Tagesordnung

Präsident Ing. Gerd Klamt: Die Bundesräte Ing. Gerd Klamt, Jürgen Weiss, Anna Elisabeth Haselbach, Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm und Kollegen haben gemäß § 21 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Selbständigen Antrag 127/A auf Abhaltung einer Enquete betreffend die föderalistischen Mitwirkungsrechte in der österreichischen EU-Politik eingebracht.

Weiters wurde gemäß § 16 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates beantragt, diesen Selbständigen Antrag ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen.

Ich lasse daher über den gegenständlichen Antrag gemäß § 16 Abs. 3 GO-BR ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, abstimmen. Hiezu ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem vorliegenden Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 27

Der Antrag, den gegenständlichen Antrag auf Abhaltung einer Enquete ohne Vorberatung durch einen Ausschuss unmittelbar in Verhandlung zu nehmen, ist somit mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Den gegenständlichen Antrag auf Abhaltung einer Enquete werde ich als 9. und letzten Tagesordnungspunkt in Verhandlung nehmen.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich beabsichtige, die Debatte über die Punkte 3 und 4 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen. (Bundesrat Schennach: Zur Geschäftsbehandlung!)

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

Fristsetzungsantrag

10.43

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle hiemit den Antrag auf Fristsetzung für den dem Innenausschuss zugewiesenen Bericht über die Lage zur inneren Sicherheit in Österreich 1999 – oder kurz Sicherheitsbericht 1999 genannt – bis zum 21. Juni.

Begründung: Derzeit findet eine sehr intensive öffentliche Debatte über die Umstrukturierung von Polizei und Gendarmerie statt, insbesondere über die Zusammenlegung oder Schließung von Gendarmerie- und Polizeidienststellen, aber auch über den Abbau von Gendarmerie-Planstellen.

Ich denke, dass der Sicherheitsbericht 1999 eine gute Möglichkeit wäre, mit dem zuständigen Ressortminister über diese Fragen noch rechtzeitig zu diskutieren, denn im Herbst sollen diese Umstrukturierungen, Zusammenlegungen und Schließungen bereits vonstatten gehen.

Ich erinnere zum Beispiel an die Vorhaben im Bereich der Gendarmerie. Für Salzburg, das als erstes Bundesland drankommt, sieht es etwa wie folgt aus: Schließungen von 13 bis 20 Gendarmeriedienststellen: zum Beispiel in Annaberg, Seekirchen, Kuchl, Puch, Lend, Unken; oder in Oberösterreich: 12 bis 25 Schließungen, zum Beispiel in Stadl-Paura, Riedau, Ampflwang; in Niederösterreich sollen zwischen 42 und 59 Gendarmerieposten geschlossen werden: zum Beispiel in Kierling, Berndorf, Hirtenberg, Gutenstein; und in Kärnten sollen es bis zu 30 Dienststellen sein.

In Wien soll jedes zweite Kommissariat geschlossen werden beziehungsweise sollen 23 Bezirkskommissariate auf 14 zusammengelegt werden.

Die Auflösung auch der Sondereinheit MEK Linz, Wels, Steyr auf vier Standorte bundesweit sind meiner Meinung nach Punkte, die wir gerade vor dem Hintergrund des Sicherheitsberichtes 1999 diskutieren sollten, aber auch die Frage der Umstrukturierung von Gendarmerie und Polizei sowie der Bereich Ausbildung und Arbeitssituation, die Arbeitsverhältnisse bei der Polizei.

Ich ersuche Sie daher, dieser Fristsetzung Ihre Zustimmung zu geben.

Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang auch noch eine persönliche Bemerkung: Es ist sicherlich eine besondere Situation, dass 15 Jahre nach dem Einzug der Grünen in den Natio


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 28

nalrat – und mittlerweile in acht Landtage – heute der erste grüne Bundesrat auch diesem Gremium angehört.

Die FPÖ ist vor zehn Jahren mit einer Bundesrätin in dieses Gremium eingezogen. (Bundesrätin Haselbach: Er zieht den Analogschluss!) Eine Ein-Mann-Fraktion – bei der FPÖ damals eine Ein-Frau-Fraktion – ist natürlich in besonderem Maße auch auf die Zusammenarbeit mit allen Fraktionen angewiesen. Ich werde diese Zusammenarbeit mit allen Fraktionen so weit wie möglich suchen, und es entspricht dem Stil meines bisherigen politischen Lebens, diese Form der Zusammenarbeit auch zu pflegen.

Aber eine neue, vierte Fraktion in diesem Hohen Haus bedeutet natürlich auch neue Ideen, neue Anregungen, und ich lade Sie dazu ein, hier möglichst große Offenheit zu zeigen. In diesem Sinne ersuche ich Sie, auch dieser Fristsetzung zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

10.47

Präsident Ing. Gerd Klamt: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Das war jetzt mehr als eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung.

Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag von Bundesrat Stefan Schennach gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten für die Berichterstattung über den Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich eine Frist bis 21. Juni 2001 zu setzen, gehört.

Die Abstimmung über diesen Fristsetzungsantrag erfolgt gemäß § 45 Abs. 3 nach Erledigung der Tagesordnung.

Da es üblich ist, zu einem Geschäftsordnungsantrag je einen Vertreter der Fraktionen kurz Stellung nehmen zu lassen, stelle ich die Frage, ob jemand in diesem Sinne das Wort wünscht. – Herr Bundesrat Bieringer, bitte.

10.48

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Fristsetzungsantrag ist nicht notwendig. Der Vorsitzende des Ausschusses für innere Angelegenheiten wird für 19. Juni den Sicherheitsbericht 1999 auf die Tagesordnung setzen und in Verhandlung nehmen, und gleichzeitig wird der Sicherheitsbericht bei der Sitzung am 21. Juni im Plenum in Verhandlung genommen werden. Der Herr Bundesminister für Inneres wird anwesend sein. Es erübrigt sich daher, einen Fristsetzungsantrag zu stellen. (Beifall bei der ÖVP.)

10.49

Präsident Ing. Gerd Klamt: Gibt es dazu eine weitere Wortmeldung? – Das ist nicht der Fall. Tagesordnung des Plenums des Bundesrates

Tagesordnung

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

1. Punkt

Wahl eines Vizepräsidenten des Bundesrates für den Rest des 1. Halbjahres 2001

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Wahl eines Vizepräsidenten des Bundesrates für den Rest des 1. Halbjahres 2001.

Diese Wahl ist durch die vom neu konstituierten Wiener Landtag durchgeführten Neuwahlen in den Bundesrat notwendig geworden. Ich werde die Wahl durch Erhebung von den Sitzen vornehmen lassen.


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 29

Es liegt mir der Vorschlag vor, Frau Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach für den Rest des 1. Halbjahres 2001 zur Vizepräsidentin zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach: (SPÖ, Wien): Danke, Herr Präsident. Ich bedanke mich vor allen Dingen für das Vertrauen und nehme die Wahl gerne an! (Allgemeiner Beifall.)

2. Punkt

Wahl eines Schriftführers für den Rest des 1. Halbjahres 2001

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung: Wahl eines Schriftführers für den Rest des 1. Halbjahres 2001.

Auch diese Wahl ist durch die vom neu konstituierten Wiener Landtag durchgeführten Neuwahlen in den Bundesrat notwendig geworden. Ich werde die Wahl durch Handzeichen vornehmen lassen.

Es liegt mir der Vorschlag vor, Herrn Bundesrat Christoph Hagen für den Rest des 1. Halbjahres 2001 zum Schriftführer zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen. (Bundesrat Marizzi: Abfertigung neu!)

Ich frage den Gewählten, ob er die Wahl annimmt.

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Ich nehme die Wahl an und bedanke mich für das Vertrauen. (Allgemeiner Beifall.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Mai 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Entsendung von Soldaten zur Hilfeleistung in das Ausland (Auslandseinsatzgesetz 2001 – AuslEG 2001) (535 und 560/NR sowie 6355/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 11. Mai 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990, das Heeresgebührengesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 1994, das Munitionslagergesetz, das Sperrgebietsgesetz 1995 und das Militär-Auszeichnungsgesetz geändert werden (Auslandseinsatzanpassungsgesetz – AuslEAG) (536 und 561/NR sowie 6354/BR und 6356/BR der Beilagen)

Präsident Ing. Gerd Klamt: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 und 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Entsendung von Soldaten zur Hilfeleistung in das Ausland und das Auslandseinsatzanpassungsgesetz.


Bundesrat
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677. Sitzung / Seite 30

Die Berichterstattung über die Punkte 3 und 4 hat Herr Bundesrat Klaus Gasteiger übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Klaus Gasteiger : Herr Bundesminister! Herr Präsident! Ich berichte aus dem Landesverteidigungsausschuss über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Mai 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Entsendung von Soldaten zur Hilfeleistung in das Ausland, Auslandseinsatzgesetz 2001.

Der Bericht liegt allen in schriftlicher Form vor, ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Landesverteidigungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Mai 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen diesen Gesetzesentwurf keinen Einspruch zu erheben.

Der zweite Bericht des Landesverteidigungsausschusses betrifft den Beschluss des Nationalrates vom 11. Mai 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990, das Heeresgebührengesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 1994, das Munitionslagergesetz, das Sperrgebietsgesetz 1995 und das Militär-Auszeichnungsgesetz geändert werden (Auslandseinsatzanpassungsgesetz).

Der Bericht liegt auch in diesem Fall allen vor, ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Landesverteidigungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Mai 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Ing. Gerd Klamt: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gottfried Kneifel. Ich erteile es ihm.

10.54

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einsätze des österreichischen Bundesheeres im Ausland finden derzeit in 14 Staaten der Welt statt, und zwar nicht nur in Europa, sondern auch international und global. Beispiele dafür sind Bosnien, der Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Georgien, die Westsahara, Zypern, Äthiopien und vor allem der Golan. Insgesamt sind bei diesen Einsätzen 1 138 Mann im Ausland für friedensstiftende und friedenserhaltende Missionen und Aktionen tätig.

Die Republik Österreich hat im Vergleich zu anderen europäischen Staaten beispielgebend sowohl die Entschädigungsfragen als auch die Versicherungsfragen für diese Personen optimal gelöst, und unsere Soldaten, die im Auslandseinsatz stehen, werden gut versorgt und gut bezahlt. Meines Wissens entschädigt nur Norwegen seine Soldaten besser als die Republik Österreich.

Damit man sich ein praktisches Bild von der Besoldungssituation unserer im Ausland tätigen Soldaten machen kann, gebe ich Ihnen zwei Beispiele: Ein LKW-Fahrer im Gefreitenrang wird für seinen Einsatz im ehemaligen Jugoslawien mit rund 35 000 S netto entlohnt, und ein Bataillonskommandant etwa im Majors- oder Oberstleutnantrang erhält zirka 60 000 S netto, wenn er im Ausland tätig ist.

Seit dem ersten Einsatz des österreichischen Bundesheeres im Ausland – 1960 im Kongo – leisteten insgesamt rund 45 000 österreichische Soldaten ihren Einsatz im Ausland. Wir wissen, dass Friedenssicherung nicht nur ein nationales, österreichisches Anliegen und nicht nur von europäischer Bedeutung ist, sondern dass es vielmehr eines weltumspannenden und globalen Einsatzes bedarf.


Bundesrat
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Während bis zum Jahr 1992 Auslandseinsätze ausschließlich im Verantwortungsbereich des jeweiligen Generaltruppeninspektors gelegen waren, ist ab diesem Zeitpunkt dieses wichtige Ziel der Friedenserhaltung und Friedenssicherung zur Aufgabe des gesamten Bundesheeres definiert worden. Hervorragend hat sich dieses Konzept des damaligen Generaltruppeninspektors Majcen und seines für Rekrutierung, Ausbildung und Entsendung verantwortlichen Kommandanten Günther Winkler in der Bosnien-Krise beim NATO-Einsatz bewährt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Leute arbeiten ganz hervorragend – die Kommandanten, aber auch die anderen nachgeordneten Ränge. Ihnen, aber auch jedem einzelnen österreichischen Soldaten des Aktiv- und Milizstandes gilt für die tatsächlichen Einsätze und auch für die Einsatzbereitschaft unser bester und herzlicher Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Die heutige Debatte im Bundesrat soll aber auch eine aktuelle politische Bewertung darstellen und mögliche Konsequenzen aufzeigen, inwieweit wir zukünftig unsere Auslandseinsätze mit dem Ziel, einen konkreten Beitrag zum Frieden in Europa und in der Welt zu leisten, noch optimieren und verbessern können. Ich sehe dafür zwei wichtige, konkrete Ansatzpunkte und Anregungen oder auch Forderungen – egal, wie man das nennen will – für die Republik generell und für den Bundesminister für Landesverteidigung speziell.

Erstens: die materielle Seite dieser Einsätze. Unsere Soldaten brauchen modernes und vor allem mannsicherndes und mannschützendes Gerät. Ich meine, die Sicherheit unserer Soldaten im Ausland muss unser oberster Auftrag sein. Diesbezüglich gibt es Probleme, die man nicht kaschieren, sondern aussprechen soll.

Ein Beispiel dafür: Die Gesamtzahl der PANDUR-Schützenpanzer beträgt derzeit 68, das heißt, wie können nur einen Verband damit ausstatten!

Zweitens: die Ausrüstung, um die internationalen Verpflichtungen besser erfüllen zu können. Es geht nicht nur um Personenfahrzeuge, sondern es geht auch um Kommunikationsgeräte, es geht um Nachtsichtgeräte, um Funkgeräte und um Telefone. Es kann doch nicht so sein – besser gesagt, es kann eben schon passieren, wie das Beispiel zeigt –, dass unsere Soldaten ihre eigenen Handys und ihre eigenen Geräte im Auslandseinsatz verwenden müssen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht schlicht und einfach darum, dass sich unsere Soldaten im Einsatzgebiet behaupten können, wobei der Kampfeinsatz keineswegs Krieg heißen muss, weil wir auch Militärbeobachter, Verbindungsoffiziere und anderes Personal zur Friedenssicherung entsenden.

Wir brauchen daher für die neuen Ziele im Ausland und für die neue Konzeption des Heeres neue materielle Anforderungen, aber auch neue ideelle Anforderungen. Ich meine, dass es zu diesen wichtigen Themen gehört, zum Beispiel die Motivation und die Bereitschaft der Soldaten, ins Ausland zu gehen, zu heben und zu verbessern. Oft fehlt das Verständnis für die neue Aufgabenstellung, ja man könnte fast von einem Verzögerungsmoment sprechen. Es muss uns zu denken geben, dass zwar seit 1996 aufwendige Werbekampagnen für Auslandseinsätze gelaufen sind und jeder Kommandant angewiesen ist, die Präsenzdiener im fünften Monat ausführlich über Auslandseinsätze zu informieren und zu belehren, aber mit dem mageren Ergebnis, dass nur rund 20 Prozent der Berufsoffiziere und Berufsunteroffiziere überhaupt eine Bereitschaft zeigen, Auslandseinsätze durchzuführen. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Das folgende Beispiel soll dazu dienen, dies konkret zu verdeutlichen. Von 114 Teilnehmern des letzten Stabsoffizierskurses an der HUAK waren 18 schon im Auslandseinsatz. Nach dem Kurs, nach intensiver Beratung und Information haben sich weitere sieben gemeldet und ebenfalls die Bereitschaft gezeigt, Auslandseinsätze zu übernehmen. Es sind also nur 25 von 114, die diese Aufgabe als Beruf übernommen haben. Das ist zu wenig, meine sehr geehrten Damen und Herren!


Bundesrat
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Ein weiteres Beispiel: Von 150 Teilnehmern des Unteroffizierslehrgangs waren gar nur neun im Ausland, und nach der zweijährigen Dienstzeit, die diese Zugsführer zu leisten haben, waren nur weitere vier bereit, Auslandseinsätze zu übernehmen.

Ich glaube, man muss daraus Lehren ziehen. Die Bereitschaft der österreichischen Berufssoldaten zu Auslandseinsätzen ist sehr gering. Man muss offen sagen, dass unser Beamtensystem gerade für diese Einsätze nur bedingt tauglich ist. Ich habe versucht, mich in diese Situation hineinzudenken. Vielleicht ist das Herausgerissensein aus dem zivilen Umfeld – aus der Familie, aus der Geborgenheit der heimatlichen Umgebung – ein Grund dafür, obwohl der Soldat selbst bestimmen kann, wann und wo er seinen Einsatz macht.

Unser Ziel müsste es deshalb sein, die Betreuungskomponente der im Ausland befindlichen Soldaten, insbesondere ihres zivilen Umfeldes, anzuheben und ihnen mehr Information über diejenigen aus ihrem Umfeld, die in der Heimat geblieben sind, zu geben. Ich denke an die Ehegatten – in den meisten Fällen ist es die Ehegattin –, oder ich denke an die Kinder, die Familienangehörigen, die Verwandten, die Bekannten und die Freunde. Dort sollten wir über Wert, Ziel und Bedeutung dieser Auslandseinsätze mehr informieren. Dann wird es, so glaube ich, auch mehr Verständnis für diese Fragen und Themen geben.

Meine Damen und Herren! Wenn es aber nicht gelingt, die Bereitschaft der Berufssoldaten für Auslandseinsätze von derzeit nur 20 auf vielleicht 40 oder 50 Prozent anzuheben, dann müssen wir überlegen, ob wir Auslandseinsätze in Zukunft überhaupt noch effizient und erfolgreich durchführen können.

Da ich ein konsequenter Verfechter des Prinzips der Freiwilligkeit bin, halte ich nichts von einem Marschbefehl und davon, dass jemand auf Knopfdruck ins Ausland geschickt wird. Ich bin ein Verfechter des Prinzips der Freiwilligkeit und glaube deshalb, dass wir die Motivation und das Umfeld dieser Personen wesentlich verbessern müssen.

Geschätzter Herr Bundesminister! Ein konkreter Vorschlag dazu wäre, dass das Bundesministerium für Landesverteidigung überlegt, jede Kommandanten- und Stabsfunktion von einem vorausgehenden, mindestens sechs Monate dauernden Auslandseinsatz abhängig zu machen, getreu dem Prinzip "Ausbildung vor Einteilung", sodass dem Heer gut ausgebildete Kommandanten zur Verfügung stehen. Zukünftig sollte es im österreichischen Bundesheer keinen Kommandanten ohne Auslandserfahrung mehr geben.

Dasselbe gilt für Berufsunteroffiziere: Bevor die Beförderung in eine C-wertige Funktion erfolgt, soll ein Auslandseinsatz nachgewiesen werden. Neben der körperlichen und geistigen Fitness soll zukünftig auch Auslandserfahrung ein Kriterium dafür sein. Zu dieser Personalsteuerungsmaßnahme ist nicht einmal ein neues Gesetz erforderlich.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Es geht schlicht und einfach darum: Was will die Firma Österreich von ihren Bediensteten, oder was will die Firma Bundesheer von ihren Beschäftigten? – Friedenssicherung und Friedenserhaltung in Europa und in der Welt sind internationale Anliegen. Deshalb muss unser Bundesheer international wettbewerbsfähig sein und den Veränderungen in Europa und in der Welt auch bei der Personal- und Karriereplanung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rechnung tragen, um Auslandseinsätze in Zukunft effizient und verlässlich erfüllen zu können. Letztlich geht es darum, den Veränderungen in Europa – insbesondere seit 1989 – und in der Welt auch darin, die Personalsteuerungsmaßnahmen des Bundesheeres entsprechend einzusetzen, Rechnung zu tragen. – Ich danke (Beifall bei der ÖVP.)

11.06

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Theodor Binna. Ich erteile ihm das Wort.

11.06

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich im Namen der sozialdemokratischen Fraktion bei allen Soldaten, die im Ausland und im Assistenzeinsatz an der Grenze Dienst tun,


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für ihre Leistungen auf das Allerherzlichste bedanken! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.) Österreich leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Friedenssicherung in und um Europa.

Es scheint mir auch besonders erwähnenswert zu sein, dass mit diesen Gesetzesvorlagen eine Änderung des Militär-Auszeichnungsgesetzes beschlossen und eine Einsatzmedaille eingeführt wird, sodass es ein ersichtliches Zeichen für die erbrachten Leistungen gibt.

Wir haben zirka 2 000 Mann im Assistenzeinsatz an der Grenze und zirka 1 200 Mann im Ausland stationiert. Ich möchte hier die Gelegenheit nützen und zu den Assistenzeinsätzen an der Grenze etwas sagen, weil ich glaube, dass sie weniger schwierig als die Einsätze im Ausland sind.

Vor zirka einem Jahr gab es einen Vorfall, bei dem sich zwei Rekruten angeblich gegenseitig ins Genick geschossen haben. Dieser Vorfall ist leider noch nicht aufgeklärt, und die Vermutung steht nahe, dass ein Dritter daran beteiligt war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man sich gegenseitig ins Genick schießen und damit töten kann. Alle an der Grenze Dienst tuenden Soldaten wissen über diesen Vorfall Bescheid. Ich glaube daher, es ist besonders wichtig, dass diese Rekruten vermehrte psychologische Betreuung bekommen, die es angeblich gibt, die aber leider fast nicht vorhanden ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Soldaten machen Dienst mit schlotternden Knien und großem "Muffensausen". Speziell der Patrouillendienst ist nicht sehr einfach. Ich richte daher an Sie, Herr Bundesminister, die Bitte, speziell die psychologische Betreuung zu verbessern. Ich meine auch, dass es notwendig wäre, diesen so genannten "Jungschwänzen" speziell beim Patrouillengang einen erfahrenen Unteroffizier zur Seite zu stellen.

Das Bundesheer ist im Großen und Ganzen sicherlich Männersache. Ich möchte hier aber trotzdem erwähnen, dass es mit dieser Gesetzesänderung auch Frauen ermöglicht wird, nach abgeleistetem Ausbildungsdienst am Auslandseinsatz teilzunehmen.

Insgesamt wird mit der vorliegenden Neufassung des Auslandseinsatzgesetzes durch sinnvolle Ergänzungen und Modifizierungen insbesondere den praktischen Anforderungen und Gegebenheiten des Auslandseinsatzes Rechnung getragen. Dazu erteilen wir gerne unsere Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.09

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus das Wort. – Bitte.

11.10

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Den beiden Gesetzen, denen wir heute die Zustimmung geben, ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, da sich alle Parteien sowohl im Nationalrat als auch hier im Bundesrat dazu bekennen und dies auch mit durchaus engagierten Worten zum Ausdruck bringen.

Trotzdem möchte ich aber Folgendes anmerken und damit auf Kollegen Kneifel eingehen, da er sich hier besonders mit dem Wert des Auslandseinsatzes befasst hat. Natürlich hätte er schon vor eineinhalb Jahren die gleichen Worte an einen ÖVP-Minister richten können: dass die materielle Ausstattung des Bundesheers nicht an einem gegenwärtigen Bundesminister allein scheitert, sondern dass es in den vorangehenden 40, ja bald 50 Jahren nie das Notwendige gegeben hat. Es waren, mit wenigen Ausnahmen, immer ÖVP-Bundesminister, die das Bundesheer geführt haben, und es waren dies aber auch SPÖ-Bundesminister. (Bundesrätin Schicker: Wenige!)

Ich habe gesagt: mit wenigen Ausnahmen. – Es waren auch SPÖ-Bundesminister. (Bundesrätin Schicker: Kurz!) Es war die Koalition, und alle diese Koalitionsregierungen haben es am Not


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wendigen für das österreichische Bundesheer fehlen lassen. (Ruf bei der ÖVP: Und die freiheitliche Opposition ...!)

Diese beiden Gesetze, die wir heute hier behandeln – nämlich das Auslandseinsatzanpassungsgesetz und das Auslandseinsatzgesetz –, verursachen im Grunde genommen keine materiellen Kosten für die Republik Österreich. Es ist für alle Fraktionen hier, die guten Willens sind, sehr leicht, diesen Gesetzen zuzustimmen. Aber materiell drückt sich der gute Wille in Budgetzahlen aus, und dafür kann man nicht einen Bundesminister allein verantwortlich machen.

Wenn jetzt die Sozialdemokraten bei den Budgetzahlen sagen, dass zu wenig vorhanden ist, dann muss man ihnen antworten: Was habt ihr in den früheren Jahren gemacht? – Es geht nicht an, immer nur darüber zu klagen, aber nichts dazu beigetragen zu haben. Stimmt zu und tragt dazu bei – alle Fraktionen! –, dass die Budgetzahlen erhöht werden! Denn mit Ausnahme der Freiheitlichen haben es alle im Abstimmungsverhalten und bei den Verhandlungen am guten Willen fehlen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da Kollege Kneifel bedauert hat, dass wenig Engagement und wenig Freiwilligkeit vorhanden sind, um Auslandseinsätze aufzugreifen, möchte ich drei Bemerkungen dazu machen:

Ist es nicht so, dass gerade jetzt ein Jugendführer der Sozialdemokraten aufgerufen hat mit den Worten: "Soldaten sind Mörder"? Wer will sich schon gerne als "Mörder" bezeichnen lassen, Kollegen von der Sozialdemokratie? – Dem Kerl gehört der Kopf geschoren oder zumindest gut gewaschen, damit er zur Besinnung kommt. Soldaten sind keine Mörder! Das muss einmal klar festgestellt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Natürlich: 50 Jahre Erziehung, die einer starken neutralen, um nicht zu sagen: fast pazifistischen Grundhaltung das Wort geredet haben (Bundesrat Thumpser: Gott sei Dank!), tragen dazu bei, dass auch die österreichischen Soldaten eine Grundeinstellung zu ihrem Beruf haben, den ich sehr wohl akzeptiere und schätze. Ich bin ebenfalls so aufgewachsen. Für mich ist der Ort der Verteidigung des Vaterlandes die Landesgrenze gewesen, ich habe es auch mit meinem Eid und mit meiner Ausbildung so gelernt.

Herr Bundesminister! Dies umzustellen, wird schwierig werden. Es ist eine mentale Grundtendenz, die auch die Eltern den Kindern weitergeben. So schnell lässt sich das nicht machen.

Herr Kollege Kneifel! Ob die verpflichtende Auslandseinsatzerfahrung zur Laufbahn des Soldaten dazugehört, müssten wir erst hinterfragen. (Bundesrat Kneifel: Für Kommandanten, nicht für einfache Soldaten!) Ja, für Kommandanten. – Das ist etwas Ähnliches wie im Zweiten Weltkrieg die Ostfront-Erfahrung. Ich will nicht bezweifeln, dass das gut war – aber es hat viel Blutzoll gekostet! Daher bitte ich, dies genau zu überlegen.

Ich freue mich aber, heute diesen beiden Gesetzen mit vollem Herzen zustimmen zu können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.15

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Stefan Schennach das Wort. – Bitte.

11.15

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Heeresgesetze in den letzten 15 Jahren jemals mit Einstimmigkeit beide Häuser passiert hätten. Jetzt ist das ein solcher Moment. Es ist auch mein erster Tagesordnungspunkt, bei dem ich diesen beiden Gesetzen zustimmen kann, und ich stimme gerne zu, denn ich denke, sie beinhalten zwei sehr wichtige Bereiche.

Der eine Bereich ist das Engagement Österreichs für Peace-keeping-Maßnahmen, für Friedenseinsätze im Ausland. Seit dem ersten Einsatz im Kongo, seit dem ersten Afrika-Einsatz, sind österreichische Blauhelme in aller Welt unterwegs gewesen. Die besondere Rolle Österreichs


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am Golan oder in Zypern muss ich hier nicht eigens erwähnen. Ich denke, dass in der Diskussion über die Zukunft des österreichischen Bundesheeres diese Frage von ganz besonderer Wichtigkeit werden wird.

Seitens der Grünen sind wir immer dafür eingetreten, den Anteil der Blauhelme deutlich zu erhöhen. Österreich hat hier eine besondere Kompetenz, aber durch seine Rolle als neutraler Staat auch eine besondere politische Situation. Umso mehr bedauere ich, Herr Bundesminister, dass Österreich seine Zelte in Zypern abbricht und die österreichischen Soldaten, die nahezu schon zum Bild des modernen Zyperns gehören, abberufen werden. Ich hoffe, dass das nicht generell zur Politik der Bundesregierung wird, sich diesen Verpflichtungen zu entziehen.

Der zweite Punkt, der meiner Meinung nach begrüßenswert ist, ist Folgender – obwohl ich nicht weiß, ob Frauenemanzipation ihr wichtigstes Ziel und ihre Verwirklichung unbedingt auch beim Heer erreichen muss, ob dies das wichtige Thema ist –: Immerhin ermöglichen wir es mit diesem Gesetz auch Frauen, im Ausland tätig zu werden. Da wir gerade die Rolle in Peace-keeping-Maßnahmen haben, also eine Rolle, bei der auch sehr viel Fingerspitzengefühl und sehr viel Dialog notwendig sind, spielen meiner Ansicht nach Frauen im Heer auch eine ganz besondere Rolle – wie wir das auch schon bei der Polizei gesehen haben. (Beifall der Bundesrätin Bachner sowie der Bundesräte Thumpser und Dr. Liechtenstein. )

Insofern stimme ich diesem Gesetz gerne zu. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ und der ÖVP.)

11.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Herbert Scheibner das Wort. – Bitte.

11.18

Bundesminister für Landesverteidigung Herbert Scheibner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen von dieser Stelle aus meinen Dank für die einstimmige Unterstützung dieser beiden Gesetze aussprechen. Es ist richtig, dass es, wie Herr Bundesrat Schennach gesagt hat, viele Jahre her ist – auch ich war zehn Jahre im Nationalrat und kann mich nicht daran erinnern –, dass es einmal in beiden Häusern einen einstimmigen Beschluss betreffend eine gesetzliche Heeresmaterie gegeben hat.

Ich halte das für einen zu Optimismus Anlass gebenden Schritt in die Richtung, dass wir in Fragen der Sicherheitspolitik und der Landesverteidigung vielleicht doch einmal einen größeren nationalen Konsens über die notwendigen Maßnahmen erreichen können. Dieser nationale Konsens ist wichtig, gerade in einer Zeit, in der wir eine neue Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin diskutieren, die die Grundlage für alle weiteren Maßnahmen und Notwendigkeiten im Bereich der Sicherheitspolitik im Allgemeinen und – mein Ressort betreffend – des österreichischen Bundesheeres im Besonderen darstellt.

Die Materien, die durch dieses Gesetz geändert oder reformiert werden, sind selbstverständlich nicht Gegenstand grundlegender Reformen im Bereich der Landesverteidigung. Aber es ergeben sich doch, wie schon angesprochen worden ist, in einigen Bereichen neue Möglichkeiten, etwa für Frauen, in den Auslandseinsatz zu gehen. Die Einsatzmedaille, die neu eingerichtet worden ist, ist ein sichtbares Zeichen der Anerkennung für wichtige und hervorragende Leistungen unserer Soldaten im In- und Ausland. Es soll damit auch ein Signal für einen wichtigen Bereich, nämlich in Richtung Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau, gegeben werden.

Ich möchte im Besonderen noch auf die Debattenbeiträge zu den Auslandseinsätzen eingehen. Auch hier habe ich – wenn ich das richtig aufgefasst habe – eine einhellige Unterstützung des internationalen Engagements des österreichischen Bundesheeres heraushören können.

Gestern war ich selbst im Kosovo, und ich kann Ihnen sagen: Was unsere Soldaten dort leisten, ist kein UN-Peace-keeping-Einsatz, sondern eine herausfordernde Aufgabe in einem schwierigen Umfeld. In einem Verbund von, so glaube ich, 39 Staaten geht es darum, in einer sensiblen Region Frieden zu schaffen und zu erhalten sowie die Grundlage für eine politische Lösung in dieser Region herbeizuführen.


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Ich kann Ihnen sagen, dass wir auf die Leistungen des Heeres wirklich stolz sein können – das sage ich als Österreicher. Überall in der Region kann man, wenn man mit Experten spricht, nur höchste Anerkennung für die Leistungen der Österreicher hören. Vielleicht bringen wir – ich glaube, das ist besonders wichtig – auch diese besondere österreichische Note in derartige Einsätze ein: Im Gegensatz zu manchen anderen haben wir es geschafft, absolute Zustimmung der örtlichen Bevölkerung für unsere Aufgaben zu erringen, weil wir ganz einfach ein besonderes Einfühlungsvermögen auch für die kulturellen Gegebenheiten in der Region haben und weil die österreichischen Soldaten nicht nur in ihrer militärischen Funktion auftreten, sondern in vielen Bereichen auch humanitäre Hilfe leisten und der Bevölkerung bei den tagesaktuellen Notwendigkeiten Unterstützung geben.

Ich erinnere daran, dass auch das österreichische Bundesheer mitgeholfen hat, das Krankenhaus in Suva Reka in Zusammenarbeit mit zivilen Organisationen zu renovieren und neu auszustatten. All das sind Punkte, die gemeinsam mit der militärischen Aufgabe zu sehen sind.

Der klassische UN-Peace-keeping-Einsatz – um auch zu Ihrer Frage zu kommen, Herr Bundesrat Schennach – wird in Zukunft an Bedeutung verlieren. Wir sehen, dass es nur noch sehr schwer möglich ist, einen Konflikt sozusagen von außen zu beobachten und zu warten, bis die Streitparteien an einem Punkt angelangt sind, an dem sie jeweils für sich oder gemeinsam zu der Erkenntnis kommen, dass es mit militärischen Mitteln nicht mehr weitergeht und eine Pufferzone errichten, in der dann UN-Blauhelme sozusagen den Status quo erhalten.

Wenn Sie sagen, dass die Blauhelme in Zypern schon zum Bild des modernen Zyperns gehören, dann halte ich das nicht für positiv. Ich denke, gerade Zypern zeigt, dass wir es – obwohl es hier um europäische Staaten geht – nicht geschafft haben, neben dem Waffenstillstand – der selbstverständlich aufrechtzuerhalten ist – klare und vor allem realistische Lösungen für die Zukunft dieser Regionen und Staaten und damit für eine dauerhafte Konfliktbewältigung und Konfliktlösung anzubieten. Das haben wir in Zypern über viele Jahrzehnte gesehen, das sehen wir jetzt beginnend aber auch in Bosnien und im Kosovo. Nach wie vor fehlt es an realistischen politischen Visionen für diese Region, und nach wie vor fehlt es an zivilen Strukturen, die geeignet wären, die örtliche Bevölkerung und auch die vernünftigen politischen Gruppierungen bei der Bewältigung dieser jeweils schwierigen Problematik zu unterstützen.

Es wird in Zukunft selbstverständlich notwendig sein, dass wir uns noch stärker im Bereich des internationalen Krisenmanagements engagieren. Die Europäische Union arbeitet sehr ambitioniert daran, gemeinsame Krisen-Reaktionskräfte aufzustellen, und Österreich hat sich verpflichtet, dazu einen entsprechenden Beitrag einzubringen. Ich glaube, das ist ein Beitrag der Solidarität in Krisenregionen, aber auch ein Beitrag zur Sicherheit Europas und damit auch zur Sicherheit Österreichs.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen – das ist vielleicht auch eine Frage dieser Bewusstseinsänderung, die Herr Bundesrat Gudenus angesprochen hat –, dass jeder Krisenherd in Europa, aber auch rund um Europa, eine mittelbare und manchmal auch unmittelbare Auswirkung auf die Sicherheitsinteressen aller europäischen Staaten – und damit auch auf unsere Sicherheitsinteressen – hat. Deshalb haben wir auch ein Interesse daran, dass es gemeinsame Kräfte der demokratischen Staaten gibt, die politisch – aber, wenn es notwendig ist, auch militärisch – in der Lage sind, derartige Krisen zu bewältigen.

Das hat selbstverständlich auch eine Auswirkung auf den Dienstbetrieb im österreichischen Bundesheer. Ich gebe Ihnen darin Recht, dass auch in dieser Hinsicht das Bewusstsein bis vor kurzem noch nicht in ausreichendem Maß vorhanden gewesen ist. Das ist aber nicht verwunderlich, denn bis vor kurzem war der Auslandseinsatz im Rahmen der UNO eine Nebentätigkeit des österreichischen Bundesheeres. Der Kern war die militärische Landesverteidigung, das heißt, die Abwehr einer militärischen Aggression gegen das österreichische Staatsgebiet von außen. Diese Kernaufgabe wird in Zukunft etwas in den Hintergrund treten, und die Auslandseinsätze werden an Bedeutung gewinnen.


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Man kann aber heute einem Soldaten, der ein Alter von 45 oder 50 Jahren hat, nur schwer den Vorwurf machen, dass er nie ins Ausland gegangen ist. Vielleicht hat er dazu gar nicht die Möglichkeit gehabt. Von vielen Seiten höre ich, dass man zum Teil kein Interesse daran gehabt hat, jemanden in diese Nebentätigkeit abwandern zu lassen, weil man ihn ganz einfach hier gebraucht hat.

Aber es ist notwendig, jetzt neue Signale zu setzen. Ich versuche bereits, etwa bei den Bataillonskommanden – dort, wo man jüngere Leute in Offiziersfunktionen bringt – sehr genau dafür Signale zu setzen, dass dann, wenn zwei gleich gute Kandidaten zur Auswahl stehen, derjenige den Vorzug bekommt, der bereits Auslandserfahrung hat. Wir signalisieren damit auch klar, dass es in Zukunft unmöglich sein wird, dass jemand in einer höheren Kommandantenfunktion tätig ist, der über keine Auslandserfahrung verfügt. Das wird bei der Ausbildung sowohl an der Heeres-Unteroffiziersakademie als auch an der Theresianischen Militärakademie entsprechend berücksichtigt, und da hat es in kurzer Zeit schon Fortschritte gegeben.

Ich kann Ihnen sagen, dass es noch vor wenigen Monaten sehr wohl Probleme gegeben hat, das notwendige Personal zu rekrutieren, und zwar vor allem für KFOR im Kosovo. Aber jetzt hat es eine wirkliche Kehrtwendung, eine Trendumkehr gegeben, und für die nächste Rotation haben sich ganze Verbände geschlossen gemeldet, um in den Auslandseinsatz zu gehen. Das halte ich für eine sehr positive Entwicklung, und das zeigt, dass man nicht den Soldaten den Vorwurf machen darf. Vielmehr müssen die politischen Vorgaben gegeben werden – der Auftrag muss klargestellt werden, die Priorität muss klargelegt werden –, und dann sind auch die Soldaten des österreichischen Bundesheeres bereit und willens, diese Aufgaben zu erfüllen.

Das, was Sie über die Ausrüstung und das Gerät gesagt haben, stimmt nur mittelbar. Denn für die derzeit durchgeführten Auslandseinsätze – deshalb war es auch notwendig, die Kräfte auf die neuen Gegebenheiten zu fokussieren und die Einsätze um eine Peace-keeping-Mission zu reduzieren – haben wir das notwendige Gerät, die modernste und beste Ausrüstung. Dabei geht es um einen konkreten Einsatz, da geht es auch um eine Gefährdung unserer Soldaten, und da wäre es unverantwortlich, Soldaten in einen Einsatz zu schicken, ohne ihnen die bestmögliche Ausrüstung mitzugeben.

Ich möchte – weil Sie auch die Funkausrüstung angesprochen haben – mit gewissem Stolz hinzufügen, dass es bis vor wenigen Tagen so war: In einer bestimmten Region im Kosovo mussten die Österreicher die Funkverbindung für die deutsche Brigade herstellen, weil unsere Kurzwellengeräte wesentlich leistungsstärker als das Gerät sind, das die Deutschen dort bis jetzt gehabt haben. Das heißt, wir haben sehr gute Ausrüstung, aber natürlich nur in geringer Stückzahl.

Die Probleme werden hier zu diskutieren sein, wenn es darum geht, unseren Beitrag für die EU-Eingreiftruppe darzustellen. Dafür müssen wir 2 000 Soldaten – und nicht 500 wie etwa derzeit im Kosovo – bereitstellen, die rasch verfügbar zu sein haben. Es wird uns auch vor Probleme stellen, wenn etwa aus dem Kosovo darum angefragt werden wird, dass wir das Engagement personell und materiell erweitern sollen, denn wir sind bei dem modernen und hochtechnologischen Gerät, das wir dort zur Verfügung stellen können, absolut am Limit.

Zum Abschluss muss ich selbstverständlich darauf hinweisen, dass wir neben den Auslandseinsätzen auch unverzichtbare Aufgaben im Inland – für die Sicherheit der Bevölkerung im zivilen wie im militärischen Bereich – zu erfüllen haben. Es wird notwendig sein, dafür in Zukunft mehr Mittel und auch mehr an Infrastruktur als bisher zur Verfügung zu stellen. Wenn man – das ist ein berechtigter Wunsch der Österreicher – von einer Institution wie dem österreichischen Bundesheer Sicherheit verlangt, dann muss die Politik die Weichen dafür stellen, dass das Bundesheer auch jene Sicherheit geben kann, die von uns gefordert wird.

Ich hoffe, dass der breite Konsens, den wir heute bei dieser kleinen oder begrenzten Materie hier zum Ausdruck bringen können, auch in der Diskussion um die Aufgaben im Rahmen der Sicherheitsdoktrin hergestellt werden kann, umso mehr auch dann, wenn es darum gehen wird, die notwendigen – ich sage: die notwendigen; nicht mehr, aber auch nicht weniger – Ressour


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cen für die Aufgabenerfüllung und die bestmögliche Sicherheit unserer Soldaten bereitzustellen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.30

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Mai 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Entsendung von Soldaten zur Hilfeleistung in das Ausland. (Bundesrat Kneifel spricht mit Bundesminister Scheibner.) Ich bitte, dem Abstimmungsvorgang die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken.

Wir kommen zum Beschluss des Nationalrates vom 11. Mai 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Entsendung von Soldaten zur Hilfeleistung in das Ausland (Auslandseinsatzgesetz 2001).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 11. Mai 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wehrgesetz 1990, das Heeresgebührengesetz 2001, das Heeresdisziplinargesetz 1994, das Munitionslagergesetz, das Sperrgebietsgesetz 1995 und das Militär-Auszeichnungsgesetz geändert werden (Auslandseinsatzanpassungsgesetz).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Mai 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial und das Waffengesetz 1996 geändert werden sowie ein Truppenaufenthaltsgesetz erlassen wird (428 und 555/NR sowie 6353 und 6357/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 5. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial und das Waffengesetz 1996 geändert werden sowie ein Truppenaufenthaltsgesetz erlassen wird

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Anna Höllerer übernommen. Ich bitte sie darum.

Berichterstatterin Anna Höllerer: Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Mai 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial und das Waffengesetz 1996 geändert werden sowie ein Truppenaufenthaltsgesetz erlassen wird, liegt in schriftlicher Form vor und ist daher allen Bundesrätinnen und Bundesräten bekannt.


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Ich verzichte auf die Verlesung und berichte, dass der Ausschuss für innere Angelegenheiten nach Beratung der Vorlage am 21. Mai 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag stellt, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich bedanke mich.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich als Erster Herr Bundesrat Herbert Thumpser. Ich erteile es ihm.

11.33

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eingangs drei Bemerkungen zu Kollegen Gudenus:

Bemerkung eins: Ich kann mich noch dunkel an einen Verteidigungsminister Frischenschlager erinnern. Ich weiß nicht, ob er zumindest aus Ihrer Sicht einmal der FPÖ angehört hat, aber vielleicht heute schon aus dem Gedächtnis gestrichen ist.

Bemerkung zwei: Gott sei Dank haben unsere Jugendlichen – ich habe einen 12-jährigen Sohn – eine pazifistische, gesellschaftsbejahende Grundeinstellung. (Bundesrat Mag. Gudenus: Was, Sie haben nur einen Sohn? Da können Sie nicht damit angeben! Ich habe vier! So ein Schwachsinn!) Denn mir ist diese Grundeinstellung immer noch lieber als eine aggressive und gewaltbereite. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Dritten, Kollege Gudenus: Wenn ein Jugendfunktionär der Sozialdemokratischen Partei – ich kenne diesen Ausdruck nicht, auch nicht das Flugblatt – so etwas geschrieben hat, was Sie hier zitiert haben, dann ist es, sage ich jetzt einmal, zu verurteilen. Man kann dem allerdings nur dadurch begegnen, indem man auch mit diesen jungen Leuten spricht und Argumente bringt, und nicht durch Tätlichkeit, wie Sie es hier gesagt haben, indem man ihnen nämlich den Kopf schert, weil ein geschorener Kopf bei einem Jugendlichen in Verbindung mit Bomberjacken und Fliegerstiefeln hat zu einem Großteil für mich einen rechtsradikalen Einschlag. (Beifall bei der SPÖ.) Und dem, liebe Kolleginnen und Kollegen, gilt es auf das Entschiedenste entgegenzuwirken. (Bundesrat Mag. Gudenus: Der Ausspruch hat für mich einen Schlag des Linksradikalen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Durchsicht des uns heute vorliegenden Kriegsmaterial- und Truppenaufenthaltsgesetzes kommt man über eine Diskussion um die österreichische Neutralität nicht hinweg, und dies haben auch die Diskussionen zu diesem Gesetz in der letzten Zeit gezeigt. Wenn man diese Vorlage betrachtet und studiert, dann muss man zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass die Frage der österreichischen Neutralität und auch die Zukunft eines neutralen Österreichs in einer Europäischen Gemeinschaft scheibchenweise, aber doch dem Beitritt zur NATO geopfert wird (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer )  – nur wird es nicht offen ausgesprochen, sondern versteckt. Wie sonst ist es zu erklären, dass sämtliche – ich betone dies nochmals: sämtliche – Neutralitätszitate aus diesem Kriegsmaterialgesetz gestrichen sind. Und ich werde den Verdacht nicht los, dass mit einer einfachen Gesetzesmaterie versucht wird, die Neutralität auszuhöhlen.

Wenn das, meine sehr geehrten Damen und Herren der Regierungsparteien, Ihr Ziel ist, wenn das Ihr erklärtes Ziel ist, dann sagen Sie es doch. Dann diskutieren wir offen, welchen Stellenwert die Neutralität für uns und für die österreichische Bevölkerung hat. Dann tun wir dies in einer offenen Art und Weise und nicht versteckt unter dem Titel Kriegsmaterial- und Truppenaufenthaltsgesetz. (Beifall bei der SPÖ und dem Grünen.)

Wenn es Ihr Ziel ist, meine sehr verehrten Damen und Herren der Regierungsparteien, Mitglied der NATO zu werden, deren Wichtigkeit Sie bei jeder Gelegenheit auch entsprechend betonen, dann tun wir dies. Dann diskutieren wir offen, welchen Stellenwert ein NATO-Beitritt für uns und die österreichische Bevölkerung hat, aber offen und nicht versteckt.


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Denn wie sonst, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist § 1 Abs. 2 des Truppenaufenthaltsgesetzes zu verstehen, der lautet: "Der Aufenthalt umfasst das Überqueren der Grenze zu, den vorübergehenden Aufenthalt in und das Verlassen von österreichischem Hoheitsgebiet."

Ich bin froh, dass im Zuge der Beratungen auch im Ausschuss über den Begriff "vorübergehend" diskutiert und dieser nachgefragt wurde. Bestürzt, aber leider in einer meiner Meinung nach nicht offenen Diskussion bestärkt wurde ich, als im Ausschuss keine Antwort auf die Frage gegeben werden konnte. (Bundesrat Mag. Gudenus: War sehr schwach! Da gebe ich Ihnen Recht!)

Was heißt nun "vorübergehend"? Bedeutet dies eine Woche, ein Monat, ein Jahr oder einen längeren vorübergehenden Zeitraum?

Wie ist die Interpretation im Ausschuss zu deuten, dass auch für Nachschub gesorgt werden muss, was in diesem Zusammenhang mit vorübergehend erklärt wurde?

Wie kann man § 4 Ziffer 9 in diesem Gesetz interpretieren, der lautet: "Ist es zur Erreichung des Aufenthaltszweckes erforderlich, dürfen Telekommunikationseinrichtungen innerhalb eines bestimmten" – wieder solch ein schwammiger Begriff – "Zeitraumes mit Zustimmung der Fernmeldebehörde ohne weitere Bewilligung errichtet und betrieben werden, ..."

Was heißt das, werte Kolleginnen und Kollegen? Heißt dies, dass für einen unbegrenzten, vorübergehenden Aufenthalt ausländischer Truppen auf österreichischem Gebiet sämtliche Einrichtungen geschaffen werden können? Heißt dies, dass es zur vorübergehenden Errichtung von militärischen Stützpunkten auf österreichischem Gebiet kommen wird? – Ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, interpretiere das so.

Meine sehr verehrten Damen und Herren der Regierungsparteien! Dies steht allerdings in krassem Widerspruch zum Neutralitätsgesetz. Aber vielleicht kann der Herr Bundesminister die Begriffe "vorübergehend" und "einen bestimmten Zeitraum" näher definieren und in Tagen, Wochen, Monaten oder vielleicht sogar Jahren ausdrücken.

Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind nur einige Anmerkungen dazu, warum ich die Neutralität durch diese Bundesregierung gefährdet sehe.

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage: Wie ernst ist die Neutralität dieser Bundesregierung? Warum muss es ein neutrales Finnland sein, das die Vermittlung des Friedensabkommens im Kosovo übernahm? Warum konnte dies nicht durch Österreich übernommen werden? (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Und warum hat sich nicht Österreich verstärkt als Vermittler präsentiert? – Es liegt der Schluss nahe, dass die Vorbereitung auf einen NATO-Beitritt dieser Bundesregierung wichtiger ist als aktive Neutralitätspolitik. (Beifall bei der SPÖ und dem Grünen.)

Kollege Steinbichler! Du kannst dich gern zu Wort melden, das bringt überhaupt nichts. (Weitere Zwischenrufe des Bundesrates Steinbichler. ) Du hast schon etwas gelernt, der ehemalige Bundeskanzler, du hast schon gelernt. Danke schön.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einige Worte noch zum Kriegsmaterialgesetz: Ich werde den Verdacht nicht los, dass in einer so sensiblen Materie die Qualität der Außenpolitik zugunsten der Quantität des Waffenhandels und der Rüstungsindustrie geht. Und ich sage jetzt wieder einen Begriff: administrative Erleichterungen für Handel mit Kriegsmaterial. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was ist darunter zu verstehen?

Warum es in diesem Zusammenhang zu einer Machtkonzentration beim Innenminister kommt, ist auch nur schwer zu erklären. Die Tatsache, dass bei einer außenpolitisch so heiklen Materie gerade ein Innenminister, der über kaum oder fast keine Informationen aus dem Ausland verfügt, außenpolitisch so schwer wiegende Entscheidungen trifft, scheint mir sehr problematisch zu sein. Bisher mussten der Bundeskanzler, die Bundesregierung, aber auch der Rat für Auswärtige Angelegenheiten in die Vollziehung und damit in die Verantwortung mit eingebunden


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werden. Dies war ein System der wechselseitigen Machtbegrenzung. Dies wird nun zugunsten der Machtkonzentration des Innenministeriums abgeschafft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das waren nur einige von vielen unklaren Punkten in diesem Gesetzesvorschlag. Wir Sozialdemokraten werden für die Neutralität Österreichs und deshalb in logischer Konsequenz gegen diesen Gesetzesvorschlag stimmen. (Beifall bei der SPÖ und dem Grünen.)

11.43

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Alfred Schöls das Wort. – Bitte.

11.43

Bundesrat Alfred Schöls (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Regieführung der heutigen Tagesordnung hätte es nicht besser zu Stande bringen können, dass wir bei der vorhergehenden Debatte zu Recht stolz darauf waren und stolz darauf sind, was österreichische Soldaten im Ausland im Rahmen der Friedenserhaltung und der Friedenssicherung leisten.

Lieber Kollege Thumpser! Ich halte es für etwas eigenartig, und für mich ist es befremdend, wenn die sozialistische Partei Österreichs (Rufe bei der SPÖ: Sozialdemokratische!) oder Sozialdemokratische Partei Österreichs, bei deren Namen – Zufall oder Tatsache – Österreich am Schluss kommt, während bei der Österreichischen Volkspartei Österreich zuerst steht – das ist aber eine andere Geschichte –, bei der vorhergehenden Debatte froh darüber war, dass in diesen Fragen Einhelligkeit herrscht, während, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei diesem Tagesordnungspunkt, bei dem es nicht statthaft ist, eine Neutralitätsdebatte zu führen, eine Solidaritäts debatte geführt wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Friedenserhaltung und Friedenssicherung dürfen uns nicht nur wir Österreicher in egoistischer Weise erwarten, sondern Friedenserhaltung und -sicherung steht auch anderen Staaten – hier denke ich gerade an das ehemalige Jugoslawien – zu, und daher hat auch die internationale Staatengemeinschaft dazu ihren Beitrag zu leisten. Daher behandelt die heutige Vorlage ... (Zwischenruf des Bundesrates Thumpser. – Schreien verstärkt nicht die Argumente, das ist nur ein Zeichen von Unsicherheit. Daher möchte ich schon betonen, dass die heutigen Vorlagen schlicht und einfach dazu dienen, dass wir als Republik Österreich in der Lage sind, unseren internationalen Verpflichtungen effizienter nachzukommen.

Kollege Thumpser! Man kann noch so viele Gruselgeschichten in die Welt setzen, aber wenn du hier die Frage des § 1 Truppenaufenthaltsgesetz ansprichst und meinst, das wäre ein Zeichen der Schwäche dieser Gesetzesnovelle oder würde vielleicht irgendwo die Neutralität aushöhlen, dann, liebe Freunde, würde ich bitten, ohne dass ich mich jetzt als Militärstratege hier herstellen möchte, einmal militärisch strategisch denken zu lassen in der Sozialdemokratischen Partei, denn es gehört ganz einfach zur Kriegs- und Verteidigungsstrategie dazu, dass ich nicht den Plan auf den Tisch lege und sage, drei Wochen dürft ihr in Österreich stationiert sein und wenn die 21 Tage vorbei sind, dann ist Abmarsch der Truppen, egal, was passiert. Also es ist an und für sich Sinn und Zweck einer vernünftigen Strategie, dass die Dinge auch so formuliert werden, und es ist überhaupt kein Anlass, Gruselgeschichten und Verunsicherung in die Bevölkerung zu bringen.

Die Novelle zu diesem Kriegsmaterialgesetz ist schlicht und einfach eine logische Fortschreibung jener Verpflichtungen, die wir mit dem Petersberger Abkommen eingegangen sind. Im Jahr 1998 – das wurde auch im Nationalrat schon angesprochen – gab es einen gemeinsamen Initiativantrag, dem auch der baldige Volksanwalt und Noch-Klubobmann Kostelka zugestimmt hat. Wir fühlen uns sowohl der UNO als auch der EU, als auch der OSZE entsprechend verpflichtet und wollen diese Verpflichtungen auch einhalten.

Im Gegenteil, ich bin überzeugt davon  –  das hat auch die Debatte im Innenausschuss gezeigt –, dass mit dieser sensiblen Materie in dieser Novelle sehr verantwortungsvoll umgegangen wird. Wir haben im Kriegsmaterialgesetz ein klares Verbot von ABC-Waffen, von Anti-Per


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sonen-Minen und all diesen Dingen, die es in diesem sensiblen Bereich gibt, festgeschrieben. Die Bundesregierung, vor allem der ressortzuständige Innenminister hat sich sehr verantwortungsvoll verhalten. Es geht nicht um Neutralität, sondern es geht darum, Solidarität zu zeigen und gegen Egoismus einzutreten.

Liebe Freunde! Manches Mal wird bei den linken Friedensbewegten immer nur ein Halbsatz zitiert, und es werden alte Friedenstauben hergenommen, die da sagen: Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin. Und dann wird Schluss gemacht. (Bundesrat Dr. Aspöck: Jawohl, richtig!) Das Zitat geht weiter: Dann kommt der Krieg zu dir. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Daher haben wir auch die Verpflichtung, die völkerrechtlichen Bestimmungen entsprechend einzuhalten.

Aus diesem Grund, liebe Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus, bin ich froh, dass der derzeitige Innenminister diesen Handlungsbedarf erkannt und auch die entsprechende Kompentenzbereinigung durchgeführt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

11.49

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr


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Bundesrat Herbert Würschl. Ich erteile ihm das Wort. (Rufe: Gudenus!) Nein, es entspricht der Geschäftsordnung, dass zwischen Pro- und Kontraredner abzuwechseln ist. Und in der Reihenfolge der Anmeldungen ist der nächste Redner Herr Herbert Würschl. Dies entspricht übrigens auch einer in der Präsidialkonferenz getroffenen Übereinstimmung. (Bundesrat Thumpser: Jetzt musst du den Text sofort umschreiben!)

11.50

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zunächst die Ausführungen meines Fraktionskollegen Thumpser etwas zu berichtigen. Er hat wörtlich gemeint, die Neutralität sei in Gefahr. Diesbezüglich habe ich keine Angst, denn die Parteien ÖVP und FPÖ sind zu klein, um ein Verfassungsgesetz zu ändern, und das ist sehr erfreulich. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Novelle zum Kriegsmaterialgesetz, zum Waffengesetz und das Truppenaufenthaltsgesetz provozieren geradezu grundsätzliche Aussagen. Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass das Jahr 1945 für uns Österreicherinnen und Österreicher ein sehr schönes, großartiges Jahr war, weil das der Beginn der Freiheit war, der Beginn der Zweiten Republik. Im Jahr 1918 gab es den Versuch, die Demokratie zu installieren. Das ist aber durch Nationalsozialisten und in erster Linie auch durch Austrofaschisten beendet worden.

In dieser Zweiten Republik, in der wir erfreulicherweise in Freiheit leben – das betone ich nochmals –, war der 26. Oktober 1955 für mich, aber auch für sehr viele andere Österreicherinnen und Österreicher ein ganz markanter Tag, weil nämlich an diesem Tag die so genannte immerwährende Neutralität beschlossen wurde, und zwar in großer Einhelligkeit. Das ist eine sehr schöne Sache auch für die heutige Zeit, weil wir uns aus kriegerischen Auseinandersetzungen heraushalten können und weil wir eben für Friede und Freiheit einstehen. Das ist das Prinzip der Sozialdemokratie. (Beifall bei der SPÖ.)

Es tut mir heute sehr Leid, feststellen zu müssen, wenn ich mir die Politik, nicht so sehr der Freiheitlichen Partei, aber der ÖVP anschaue, die sich immer wieder christlich sozial nennen, dass hier gewisse Dinge einreißen, die einfach für Demokraten nicht in Ordnung sind. Ich muss auch dazu sagen, dass gewisse ... (Bundesrat Hensler: Wieso? Sind wir keine Demokraten, Herr Kollege? Das ist ungeheuerlich, so eine Aussage! – Rufe bei der SPÖ: Geh! Geh!)  – Ja, ich komme schon dazu, Herr Kollege! Dass eine Partei artikuliert und in der Öffentlichkeit sagt, die ... (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )


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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Am Wort ist Herr Bundesrat Würschl. Ich bitte, dies bei der Dauer der Zwischenrufe zu berücksichtigen.

Bundesrat Herbert Würschl (fortsetzend): Ich verweise noch einmal auf die Österreichische Volkspartei, eine Partei, die zwar den Bundeskanzler stellt, auf Grund von Postenschacher, keine Frage, aber eine Partei, die lumpige 27 Prozent hat, die im Parlament die drittstärkste Partei ist, maßt sich an, das Neutralitätsgesetz in Verruf zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir uns diese Gesetze anschauen, wenn man analysiert, dann sieht man eindeutig, dass es darum geht, die Neutralität, so wie wir sie meinen, in Frage zu stellen. Da tun sich Widersprüche auf. Ja selbstverständlich bin ich dafür, dass wir, wie es hier formuliert ist, bündnisfrei sind. Wir sind aber einen Schritt weiter. Wir sind nicht nur bündnisfrei, sondern wir sind auch neutral. Und wir Sozialdemokraten mit unserer Stärke werden es auch zu verhindern wissen, dass die Neutralität auf Umwegen oder auch direkt abgeschafft wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage mich oder ich frage Sie: Welchen Sinn ergibt ein Verzicht oder die Aufgabe der Neutralität? – Ich weiß, dass wir seit Jahren in dieser Frage gefordert sind und dieser Bereich immer wieder andiskutiert wird. Bruno Kreisky war an und für sich tief betroffen, als wir Sozialdemokraten, wie ich meine, den Fehler gemacht haben, der ÖVP mit Alois Mock den Außenminister zuzugestehen.

Wenn ich jetzt in die heutige Zeit zurückkomme, dann muss ich sagen, vor allem in Kärnten erlebe ich das immer wieder, dass wir, wenn wir heute etwa nach Slowenien, Kroatien oder Mazedonien oder wo auch immer hinfahren, immer wieder Emotion, teilweise negative Emotion erfahren, weil man weiß, dass dieser Herr Alois Mock, der, Gott sei Dank, politische Vergangenheit ist, eine sehr eindeutige Stellungnahme oder Positionierung für kroatische Nationalisten abgegeben hat. Und da sollten wir uns, so glaube ich, heraushalten, wir sollen neutral sein und im Sinne der Neutralität leben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Das Gesetz, die Novelle zum Kriegsmaterialgesetz ist für mich nichts anderes als ein Lobbying, eine Unterstützung der Rüstungsindustrie. Das wird natürlich Herrn Glock in Kärnten, einen Waffenschieber, Waffenhändler, sehr freuen, wenn er durch diese Novelle eine gewisse Unterstützung bekommt. (Bundesrat Grissemann: Aber die Arbeitsplätze sind schon recht!) Herr Kollege! Ich nehme an, auch Ihr Parteiobmann beziehungsweise Ihr "einfaches Parteimitglied" geht bei Herrn Glock ein und aus, ich weiß nicht, ob er dort Parteigelder zur Unterstützung abholt, das weiß ich nicht, aber für mich ist das Kriegsmaterialgesetz und dessen Novellierung eine einzige Provokation, wenn man im Sinne der Neutralität denkt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Truppenaufenthaltsgesetz beziehungsweise die Formulierung ist auch insofern provokant, als man, wenn man Neutralität ernst nimmt, davon ausgeht, dass das Neutralitätsgesetz vor allem drei Hauptkriterien beinhaltet, nämlich erstens keine Kriege zu führen, ich glaube, da sind wir froh. Aber wenn man die Geschichte betrachtet, dann sieht man, dass wir Österreicher immer wieder sehr gern Kriege geführt haben. Wir bekennen uns heute dazu, dass wir keine kriegerischen Auseinandersetzungen mehr wollen.

Zweitens bekennen wir uns durch das Neutralitätsgesetz dazu, dass auf österreichischem Staatsgebiet keine fremden Truppen zu stationieren sind. Und das frustriert mich auch: Die Vorredner haben bereits auf die Formulierung "vorübergehend" hingewiesen. Ja, bitte, was ist "vorübergehend"? – Über tausend Jahre hatten wir eine monarchische Staatsform. Aus heutiger Sicht können wir sagen, dass das vorübergehend war, weil wir heute in einer Demokratie leben. Ich meine, es ist ein bisschen weit hergeholt, aber ich möchte darauf verweisen, dass vorübergehend kein fixer Zeitpunkt ist. (Zwischenrufe.)

Drittens, sehr geehrte Damen und Herren, bekennen wir uns beim Neutralitätsgesetz auch dazu, dass es kein Militärbündnis zu geben hat. Und genau diese Gesetzesnovellen laufen der Neutralität zuwider, und deshalb werden wir Sozialdemokraten immer dagegen auftreten und auch heute dagegen stimmen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.57

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus das Wort. – Bitte.

11.57

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! "Ich bin der Meinung, dass unserem Land kein guter Dienst erwiesen wird, wenn man permanent versucht, diese Debatte zu emotionalisieren. ...

Gehen wir nicht davon aus, dass der eigene Standpunkt zu 100 Prozent der einzig mögliche ist und als einziger Österreich vor Krieg bewahren und den Frieden sichern wird, sondern davon, dass wir seit dem Jahre 1989 in einer sicherheitspolitisch flexiblen Situation sind, in der einzelne Staaten unterschiedliche Schritte mit einer Zielsetzung unternehmen, nämlich Sicherheit, Frieden und Stabilität in Europa zu schaffen.

In diesem Zusammenhang stellen wir fest – und das halte ich für einen Fortschritt –, dass man versucht, sich von der alten Wagenburg-Mentalität, die durch die militärischen Blöcke zum Ausdruck gekommen ist, in Richtung kollektives Krisenmanagement zu entwickeln. Das ist in Wirklichkeit das Aufgreifen der alten Idee, die hinter der Gründung der Vereinten Nationen gesteckt ist. Nun versucht man, diese über zusätzliche Instrumentarien auch in Europa mit Leben zu erfüllen.

Österreich hat sich, meiner Auffassung nach vernünftigerweise, gegenüber dieser Kooperationsmöglichkeit erweiterter Form nicht verschlossen, sondern ganz im Gegenteil all jene Kooperationsebenen, die mit unserer verfassungsrechtlichen Grundlage, die gültig ist, vereinbar sind, auf- und wahrgenommen und damit klar seine Bereitschaft unterstrichen, alles, was auf Basis der bisherigen verfassungsrechtlichen Grundlage möglich ist, im Rahmen von Kooperationen zu leisten. ... Alle völkerrechtlichen Gutachter gehen davon aus, lesen Sie auch die neuesten Publikationen zu diesem Thema ..." – Ich verweise auch auf künftig erscheinende Publikationen zu diesem Thema.

"Ich halte es für eine saubere Vorgangsweise, zu sagen, dass wir auf Basis unserer Verfassungsgesetze zu Solidarität und Kooperation bereit sind. ...

Überhaupt signalisiert die ganze Teilnahme an" diesen und vorangegangenen ähnlichen Gesetzen "... deutlich die Bereitschaft Österreichs, auf Basis unserer derzeitigen verfassungsrechtlichen Grundlage am internationalen solidarischen Krisenmanagement teilzunehmen" (Beifall bei den Freiheitlichen), "dass wir keine Trittbrettfahrer sind, uns nicht von der internationalen Verantwortung abseilen und im Rahmen unserer Möglichkeiten das tun, was wir für richtig erachten.

"Offen gestanden, die einzige Ebene, die ich in diesem Zusammenhang für relevant halte, ist die Herausbildung eines kollektiven Sicherheitssystems in Europa, ausgehend vom Kern der Europäischen Union, und eine globale Kooperation im Rahmen der Vereinten Nationen." (Beifall bei den Freiheitlichen.)

"Wir ... wissen, dass wir in beiden Bereichen erst am Beginn ... sind, ..." "Daher halte ich eine Verstärkung der europäischen Komponente nicht für eine Drohgebärde oder eine Absage an die transatlantische Kooperation, sondern für einen ganz entscheidenden Schritt zur Herstellung einer vernünftigen Balance in diesem Bereich."

"Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Abkommen, das wir heute beschließen werden, ist meiner Ansicht nach eine konstruktive Fortsetzung des sicherheitspolitischen Weges Österreichs auf Basis unserer gegebenen verfassungsmäßigen Grundlage." (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Bieringer. ) "Es werden mit diesem Abkommen nicht irgendwelche Apokalypsen kommen, weder werden gleich alle Seilbahnen in Österreich abstürzen, noch wird sofort überall die Todesstrafe verhängt werden, oder welche Schreckensszenarien noch präsentiert wurden. Es ist ein weiterer Schritt der Einordnung Österreichs in ein internationales Krisenmanagement, und das halte ich für richtig." (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)


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677. Sitzung / Seite 45

Ich vermisse den Applaus der Sozialdemokraten, denn das war eine Rede des Abgeordneten Gusenbauer aus dem Jahre 1998. (Rufe bei der SPÖ: Wissen wir! Wissen wir!) Sie ist Ihnen wohl bekannt. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Gasteiger: Aber es ist ein Unterschied, wer es sagt! – Bundesrat Dr. Nittmann: Das Vorsitzenden-Wort ... gilt nichts mehr!)

Wir Freiheitlichen sind seit ungefähr eineinhalb Jahren in der Regierung, und uns liegt auch daran, die Kontinuität der Regierungspolitik aufrechtzuerhalten, insbesondere die, welche internationale Verpflichtungen, internationale Entwicklungen anlangt.

Wenn Sie mich persönlich fragen, meine Damen und Herren (Bundesrat Konecny: Nein!), so habe ich natürlich einige Einschränkungen zu diesem Gesetz. – Herr Bundesminister! Es gibt einige Punkte, die mir nicht sehr geheuer sind. Es ist ein Gesetz, welches im Besonderen die Landesverteidigung betrifft, speziell in Artikel II, "Bundesgesetz über den Aufenthalt ausländischer Truppen", und vom Innenministerium wahrgenommen wird. Mir ist nicht ganz klar, warum diese Konstruktion gewählt worden ist. (Ruf bei der ÖVP: ... weiß die Qualität zu schätzen!) Es heißt auch interessanterweise – da muss ich Kollegen Thumpser, aber auch Kollegen Würschl nicht gerade Recht geben, aber die Überlegungen, die Kritik teilen (demonstrativer Beifall des Bundesrates Gasteiger )  – Aufenthaltsgesetz, also "Bundesgesetz über den Aufenthalt", auch wenn dann in weiterer Folge von einem vorübergehenden Aufenthalt die Rede ist.

Die Kollegen von der Sozialdemokratie profitieren davon, dass die Freiheitlichen gestern im Ausschuss die Frage bezüglich des Begriffes "vorübergehend" an die Beamten des Innenministeriums gestellt haben. (Bundesrat Thumpser: Sie waren die Ersten – deshalb!) Ich bedaure, dass die Auskunftsfreudigkeit der Beamten des Innenministeriums nicht so überragend war, dass man sagen könnte: Hiemit sind wir zufrieden.

Warum lautet es nicht "kurzfristig"? – Das ist zwar auch ein unbestimmter Gesetzesbegriff und gibt die Möglichkeit für verschiedene Interpretationen, und ich will auch nicht auf das Beispiel des Kollegen Würschl zurückgreifen, wonach im Rückblick auch die 1 000 Jahre monarchische Herrschaft vorübergehend waren. Mir reichen schon zehn Jahre Besatzungsmacht, die auch nur vorübergehend war. (Bundesrat Gasteiger: Und mir 15 Monate dieser Bundesregierung!)

Es sollte also der Begriff "vorübergehend" durch "kurzfristig" ersetzt werden. Wir werden es nicht tun – und ich werde dem Gesetz zustimmen (Ruf bei der SPÖ: Oh!), das sage ich gleich dazu.

Es gibt einen weiteren Punkt, den ich darin vermisse, nämlich eine Obergrenze für gleichzeitig sich in Österreich aufhaltende ausländische Militärpersonen. So wie das ASVG schon Novellen hat – demnächst an die 30 –, wird vielleicht auch dieses Gesetz aus Vernunftsgründen früher oder später novelliert werden (Bundesrat Gasteiger: Ah so? Bravo!), und zwar in der Hinsicht, das man eine Obergrenze der gleichzeitig sich in Österreich aufhaltenden Militärpersonen vorsieht und dieses Wort "vorübergehend" durch "kurzfristig" ersetzt. (Beifall und Bravo-Rufe bei Bundesräten der SPÖ.)

Was den Truppenaufenthalt anlangt, findet übrigens am 10. Juni in der Schweiz eine Volksabstimmung statt, da es dort ein ähnliches Problem gibt. Die Schweizer in ihrer urdemokratischen Einstellung werden die richtigen Schlüsse aus diesem Gesetz, aus dieser Vorlage ziehen. Wir werden dann davon hören.

Was den Fernmeldebetrieb anlangt, teile ich ebenfalls die Überlegungen des Kollegen Thumpser. Jawohl, wir wollen kein zweites ECHELON in Österreich haben. Es reicht uns das, was wir in Bad Aibling haben, welches von allen Fraktionen in Brüssel kritisch erwähnt wurde – ohne entsprechende Reaktion aus Washington.

Es wäre vielleicht noch anzumerken, dass die "Uniformtrageerlaubnis" unbegrenzt erteilt wird. Ob es so notwendig ist, dass ausländische Soldaten jetzt überall in Österreich in Uniform herumlaufen, sodass wir uns fragen müssen, sind wir jetzt besetzt oder sind wir nur vorübergehend besetzt, das weiß ich nicht. (Heiterkeit bei der SPÖ.)


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Ich zweifle nicht an dem guten Willen des Herrn Bundesministers, ich zweifle auch nicht am guten Willen des Herrn Bundesministers für Landesverteidigung. Ich gehe davon aus, dass manche Schwächen in diesem Gesetz, welches wir Freiheitliche heute auch mit beschließen, im Laufe der Zeit beseitigt werden, denn jedes Gesetz, welches einen Neubeginn in einer gewissen Art und Weise darstellt, zeigt manch legistische oder formalistische Schwächen, die im Laufe des Gesetzesgebrauchs durch gute Einsichten in die Materie geändert werden können.

In diesem Sinne wünsche ich dem Gesetz und denen, die es gemacht haben, viel Glück. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Gasteiger: Das seid aber ihr selbst!)

12.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

12.07

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass man einem Gesetz zustimmt und gleichzeitig dermaßen viele Schwächen feststellt, wundert mich – das nur an die Adresse meines Vorredners gerichtet. Sie haben in Ihrem zweiten Teil eigentlich nur mehr Mängel um Mängel um Mängel aufgelistet. Aber das müssen Sie mit Ihrem Gewissen vereinbaren, wie Sie das machen. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Kollege Schöls hat gesagt, es wundere ihn, dass zwei Militärgesetze mit großer Einhelligkeit beschlossen wurden und es bei diesen beiden Gesetzen ganz anders läuft. Der Unterschied ist, dass die ersten beiden Gesetze der Neutralität zu Gesicht gestanden sind und die Neutralität geehrt haben, diese beiden Gesetze aber die Aushöhlung der Neutralität, die scheibchenweise Zertrümmerung der Neutralität fortsetzen – und das hätten Sie drüberschreiben müssen. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Sagen Sie doch der Bevölkerung ehrlich: Wir wollen das Neutralitätsgesetz verändern! – Sagen Sie es offen und ehrlich! Aber Sie wissen, warum Sie es nicht tun, denn Sie werden ein klares Nein zur Antwort bekommen! (Bundesrat Mag. Gudenus: Die Sozialdemokraten haben ... ausgehöhlt! Das ist ja schon geschehen, Herr Kollege! Da können wir ja nichts mehr ändern!) 66 bis 75 Prozent der österreichischen Bevölkerung halten an der Neutralität fest. Aber Sie beschädigen diese Neutralität heute substanziell. (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie ist beschädigt! – Bundesrat Dr. Nittmann: Seit 1. 1. 1995! – Rufe bei der SPÖ – in Richtung Freiheitliche –: Stimmt ja nicht!)

In Hinblick auf die Neutralität ist es mit Sicherheit in den letzten zehn Jahren – ich bin froh, dass es bei der Sozialdemokratie auch zu einer Haltungsänderung gekommen ist, denn wir wissen noch, wer die Unterschrift unter die Petersberger Papiere gesetzt hat – zu einer politischen Änderung und Umorientierung gekommen. Das muss man akzeptieren.

Nur: Das heutige Gesetz, diese beiden Vorlagen, die Sie heute beschließen, gehören zu den schwersten Beschädigungen der Neutralität. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Sagen Sie es! Sagen Sie es! (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Mag. Gudenus: Sie ist ja schon beschädigt!)

Ich erinnere die ÖVP, es war Alois Mock, der der Öffentlichkeit garantiert hat – das war dann auch der Grund, warum die Volksabstimmung positiv ausgegangen ist –, dass EU-Beitritt und Neutralität vereinbar seien. (Bundesrat Würschl: Das war ein christlicher Pharisäer!) Heute wollen Sie von dieser Garantie-Erklärung nichts mehr wissen. (Ruf: Pharisäer!) Das ist so, als ob sich eine Versicherung im Garantiefall, im Versicherungsfall zurückzieht. Und dieser Garantiefall ist im Falle der Neutralität jetzt die europäische Sicherheitsdebatte, die Findung einer neuen europäischen Sicherheitsstruktur – und die Neutralität ist der unverwechselbare und eigenständige Beitrag Österreichs für die europäische Sicherheitspolitik der Zukunft.


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677. Sitzung / Seite 47

Hier (der Redner deutet auf die ÖVP) sitzen die Enkerln von Leopold Figl. (Widerspruch des Bundesrates Ing. Missethon. ) Wenn Herr Figl wüsste, wie seine politischen Enkeln oder Urenkeln mit jenem Gesetz umgehen, auf das die Gründungsväter der Zweiten Republik so stolz waren, nämlich die Neutralität! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Freiberger: Genau das sage ich auch!)

Nehmen wir doch § 3 Abs. 1, da steht klar: "... die Worte ,unter besonderer Berücksichtigung der immerwährenden Neutralität‘ in Z 1 entfallen ebenso wie die Worte ,unter Bedachtnahme auf die immerwährende Neutralität‘ in Z 4." – Zitatende.

Sagen Sie der Bevölkerung: Wir sind dabei, die Neutralität einer Veränderung zuzuführen. Stellen Sie sich einer Volksabstimmung! Denn nur eine Volksabstimmung kann diese Verfassungsänderung legitimieren und nicht diese Einfachgesetzgebung, mit der Sie hier vorgehen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Nittmann. )

In § 3 Abs. 1a schreiben Sie in vier Punkten all das, auf das wir uns einigen könnten, nämlich: "Beschluss des Sicherheitsrates" und so weiter, im Rahmen der OSZE und – dann fügen Sie einen Beisatz ein – "soweit dem keine völkerrechtlichen Verpflichtungen oder" – und jetzt kommt es! – "überwiegende außenpolitische Interessen der Republik Österreich entgegenstehen, ..." – Und diese ändern sich bekanntlich je nach Couleur der Regierung, derzeit heißt das grünes Licht in Richtung NATO, grünes Licht dafür, Österreich in ein Militärbündnis zu führen. Dazu kann ich nur ein entschiedenes Nein sagen! Wir wollen keine ausländischen Truppen in Österreich!

Die Diskussion, die Herr Gudenus angeführt hat, war für ihn ein bisschen überraschend: Warum heißt es nicht kurzfristig? Warum lässt man diese Uniformen tragen? – Wären Sie in der NATO, Herr Gudenus, wären Sie auch dafür, denn solch einen Truppenübungsplatz wie Allentsteig wünsche ich mir! Einen völlig überdimensionierten Truppenübungsplatz kann sich auch die NATO als Übungsbereich nur wünschen – für Österreich völlig überdimensioniert, im europäischen Rahmen überdimensioniert.

Jene, die seinerzeit das Gesetz über die Waffenexporte erlassen haben, waren nicht dumm, wenn sie darin vier Ministerien involviert haben, denn es ist eine heikle und sensible Frage, wenn ein neutraler Staat Waffen exportiert. Da gab es immer wieder Fragen, etwa damals beim Tschad, der im Konflikt mit Nachbarländern war – und und und. Deshalb hat man gesagt: Es müssen mehrere Ministerien ihre Bewilligung erteilen.

Das heute nur mehr auf ein Ministerium zu reduzieren, halte ich für den völlig falschen Weg. Der Innenminister entscheidet alleine, ohne Beratung zum Beispiel mit dem Außenministerium. – Meine Damen und Herren! Das ist falsch! Hier winkt das neue "Noricum".

Ich frage mich auch: Warum haben Sie sich so dagegen gewehrt, dass dem Parlament über die Waffenexporte Bericht erstattet wird? – Sie werden zwar künftig der Europäischen Union und Wassenaar Bericht erstatten, aber Sie waren nicht bereit, eine Berichterstattung auch an den österreichischen Nationalrat vorzunehmen. Warum? Warum muss man Waffenexporte aus Österreich vor der eigenen Volksvertretung geheim halten?

Letzter Punkt: Ich möchte Sie hier noch darüber informieren, dass sich 37 NGOs ganz klar und entschieden dagegen ausgesprochen haben.

Meine Damen und Herren! Ich appelliere an Sie, diese Gesetze nicht unter einer falschen Solidaritätsdebatte zu verstecken! Was heißt Solidarität? (Bundesrat Mag. Gudenus: Das frage ich mich auch!) Was heißt Solidarität im militärischen Bereich? Ist es ausschließlich eine Frage von Solidarität Üben gegenüber der NATO und ihren bereits außerhalb ihrer Staatengebiete befindlichen Aktionen? Oder ist es nicht vielmehr jene Solidarität, die wir heute einstimmig beschlossen haben, nämlich bei den Peace-keeping-Maßnahmen mit UNO-Mandat, die sehr wohl eine der wichtigsten Aufgaben eines neutralen Landes sind und für die Österreich in der ganzen Welt auch geschätzt wird?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
677. Sitzung / Seite 48

Deshalb appelliere ich an Sie: Geben Sie diesen beiden Gesetzen nicht die Zustimmung, denn sie sind zum Schaden der österreichischen Neutralität, der österreichischen Neutralitätspolitik!

Die Neutralität Österreichs ist keine Ikone, sie ist ein Verfassungsauftrag, nur: ein Verfassungsauftrag, der leider von der Regierung immer wieder gebrochen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

12.16

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Harald Himmer das Wort. – Bitte.

12.16

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil ich glaube, dass man es nicht unwidersprochen lassen kann, dass die Rolle des Herrn Dr. Mock von Herrn Kollegen Würschl dargestellt wird. Herr Dr. Mock ist einer der größten Österreicher und Europäer der vergangenen Jahre und Jahrzehnte gewesen (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen – Bundesrat Kraml: Ja, für Sie!), in dessen Schuhgröße Sie, sehr geehrter Herr Kollege Würschl, mit Ihrer gesamten Körperlänge nicht passen. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ich möchte hier festhalten, dass es Dr. Mock war, der Österreich im maßgeblichen Ausmaß in die Europäische Union geführt hat. (Bundesrat Gasteiger: Nicht nur!) Ich möchte noch einmal betonen: Er ist ein großer Österreicher, ein großer Europäer und ein großer Demokrat. Und eben weil er ein großer Demokrat ist, hat er auch eine sehr aufgeschlossene Haltung dem Umstand gegenüber gehabt, dass Menschen in sozialistischen Systemen, aus den Fesseln der sozialistischen Umklammerung in die Demokratie wollten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Deswegen hat es damals, in diesen Jahren, auch Unterstützung für die Anerkennung von Kroatien und Slowenien gegeben.

Sie von der sozialdemokratischen Fraktion sind dafür bekannt, dass Sie gerade während des großen Umbruchs in Europa, als die kommunistischen Systeme in sich zusammengebrochen sind, von der Geschwindigkeit dieses Vorgangs überrascht waren und immer geglaubt haben, man dürfe das eigentlich nicht unterstützen. Herr Dr. Mock ist ein großer Demokrat und hat diese Bewegungen immer unterstützt. (Bundesrat Kraml: Und wen haben sie jetzt gewählt in Kroatien?)

Damit möchte ich auf das, was der Kollege von den Grünen gesagt hat, Bezug nehmen: Wenn Dr. Mock in der Zeit des EU-Beitritts gesagt hat, dass wir als neutrales Land dieser Europäischen Union beitreten können, dann hat das auch gestimmt! Und wenn wir heute unsere Neutralität neu definieren, dann machen wir es wie damals, als wir unser Neutralitätsgesetz selbst beschlossen haben, dann sind es nämlich auch wieder wir mit unseren demokratischen Einrichtungen und mit unserer demokratisch gewählten Regierung, die neue Wege in der Sicherheitspolitik gehen können. (Bundesrat Gasteiger: Die Regierung wählt man nicht! Das wissen Sie nicht, Herr Kollege?)

Man soll die Augen vor Entwicklungen nicht verschließen. Es hat sich ein Bedeutungswandel unserer Neutralität ergeben, sie ist heute mit dem Neutralitätsverständnis der sechziger Jahre nicht mehr vergleichbar. – Zitat Dr. Josef Cap vom 3. April 1997. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Man wird sehen, wie weit sich die NATO von einem reinen Militärbündnis zu einer Friedenseinrichtung entwickelt. Auch wenn sie Letzteres wird, bin ich trotzdem dafür, dass wir unser Neutralitätsgesetz ändern. – Zitat Dr. Josef Cap, 3. April 1997. (Rufe bei der ÖVP: Hört, hört!)

Die Integration Russlands in die NATO ist eine Kernfrage. Gelingt sie nicht, ist alles obsolet. Ansonsten, bei einer rasanten Entwicklung, gibt es die Empfehlung zum NATO-Beitritt im Frühjahr 1998 – spätestens! – Dr. Josef Cap, 3. April 1997. (Bundesrat Gasteiger: Haben Sie die jüngste Aussage auch dabei? – Rufe bei der ÖVP: Hört, hört!)

Noch präziser: Der designierte Obmann der SPÖ-Parlamentsfraktion sagt am 12. Juni: Ich bin für einen Beitritt Österreichs zur NATO!


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
677. Sitzung / Seite 49

In der Zwischenzeit – das gebe ich zu – ist er designierter Klubobmann der SPÖ-Fraktion und hat jetzt seine Meinung "geringfügig" modifiziert: "... kann ich mir nicht vorstellen, dass man eine Mitgliedschaft Österreichs in dieser NATO anpeilt." – Na, Geradlinigkeit in der Politik ist ja etwas wert! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich glaube, das ist auch der Kern der Diskussion, die wir hier geführt haben. Das war mir wichtig zu erwähnen.

Einen Punkt wollte ich zum Abschluss noch unterstreichen, weil gerade aus der sozialdemokratischen Ecke der Vorwurf gekommen ist, dass wir nicht demokratisch wären: Bedenken Sie, dass gerade Menschen wie Dr. Mock – ich bin stolz darauf, dass er der Ehrenvorsitzende der Österreichischen Volkspartei ist – immer Garanten dafür waren, dass in diesem Land und auch in unserer Außenpolitik demokratische Kräfte unterstützt werden und wir diejenigen sind, die derartige Entwicklungen in der österreichischen Sicherheitspolitik in qualifiziertestem demokratischem Rahmen durchführen werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.22

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile Herrn Bundesminister Dr. Ernst Strasser das Wort. – Bitte.

12.22

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Truppentransite, Überflüge und Kriegsmaterialexporte sind eine sensible Angelegenheit. Daher enthält diese Regierungsvorlage auch eine ganze Reihe von Kautelen, wie eben die Bedachtnahme auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen und die überwiegende Interessenlage Österreichs, aber auch den Umstand, dass ein Aufenthalt fremder Truppen in Österreich natürlich nur vorübergehend sein darf.

Daher gleich eine Anmerkung zum Begriff "vorübergehend": Es ist richtig, dass das ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, bei dem von Fall zu Fall zu entscheiden sein wird. Das ist selbstverständlich, weil diese Materie nicht über einen Leisten geschlagen werden kann. Denken Sie nur an die Truppentransporte, die wir in der Vergangenheit wegen Friedensoperationen in Jugoslawien durch Österreich hatten! Da gab es dauernd das Problem, dass schon lange im Vorhinein feststand, dass bestimmte Truppentransporte über längere Zeiträume hinweg stattfinden werden. Es war damals notwendig, dass zum Teil sogar Gesetze beschlossen werden mussten, um diese Truppentransporte, einen nach dem anderen – obwohl man über ein Jahr hinweg gewusst hat, was da kommen wird –, genehmigen zu können.

Mit dem Rechtbegriff "vorübergehend" will man die Möglichkeit schaffen, dass in einem guten gemeinsamen Vorgehen von Kanzleramt, Außenministerium, Landesverteidigungsministerium und Innenministerium dafür gesorgt wird, dass diese Genehmigungen in einer verwaltungsschonenden Art und Weise auch erwirkt werden können. (Bundesrat Mag. Gudenus: Kurzfristig ...?)

Zum Zweiten, zum angesprochenen § 4 Punkt 9 des Artikels II, den Herr Bundesrat Thumpser angesprochen hat. – Vielleicht ist es möglich, diese Information an den Herrn Bundesrat, den ich zumindest im Moment nicht im Saal sehe, weiterzugeben. Dieser bestimmte Zeitraum, den er angesprochen hat, umschreibt nur den Rahmen, in dem ein Regierungsübereinkommen hinsichtlich einer Bewilligung von Telekommunikationseinrichtungen abgeschlossen werden darf – sonst nichts. Die weitergehenden Überlegungen, die der Herr Bundesrat hineinzuinterpretieren vermeint hat, bestehen auf Grund dieser gesetzlichen Bestimmung nicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Vorlage entspricht voll und ganz dem Inhalt, dem Wesen und den Zielen der österreichischen Neutralität! Ich möchte das sehr klar festhalten. Wenn einzelne Mitglieder dieses Hauses so weit gehen zu sagen, hier läge ein Verfassungsbruch vor, dann muss ich das sehr ernsthaft zurückweisen. Das ist ein Vorwurf, der nicht so einfach zur Kenntnis genommen werden darf. Ich darf Sie, Herr Bundesrat Schennach, dringend ersuchen, dass Sie, wenn Sie Anhaltspunkte dafür haben, diese nicht nur benennen, sondern auch zu den für derartige Vorwürfe verfassungsmäßig zuständigen Organen gehen. Es ist aus meiner Sicht mehr als unstatthaft, sich hier zu solch einer Meinung durchzuringen, aber


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dann, wenn man dieser Meinung ist, als aufrechter Demokrat nicht die entsprechenden verfassungsrechtlichen Wege beschreitet. Ich halte das für einen Vorgang, der zumindest den Anschein der Doppelzüngigkeit hat. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Da Figl genannt wurde, möchte ich noch einige Punkte zur Neutralität sagen: Erstens: Bereits mit dem UNO-Beitritt Österreichs im Dezember 1955 hat es eine Weiterentwicklung der österreichischen Neutralität gegeben. Ich darf alle, die den Geschichtsunterricht intensiv genossen haben, darauf hinweisen, dass einer der führenden Verfechter dieses UNO-Beitritts eben jener genannte Figl war.

Zweitens: Während des zweiten Golfkrieges Irak-Kuwait 1990/91 hat sich in Österreich – und zwar gemeinsam! – die Rechtsauffassung durchgesetzt, dass die Verpflichtung zur Durchführung von Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Vorrang vor Neutralitätsverpflichtungen zukommt. Das ist nicht ein Ergebnis der jetzigen Diskussion, sondern das war damals das Ergebnis einer intensiven Diskussion im Parlament und in der Öffentlichkeit über unsere Verpflichtungen – Das war 1990/91!

In der Folge wurden Überflugs- und Durchfuhrgenehmigungen auf Grundlage der Resolutionen des Sicherheitsrates erteilt; und somit wurden auch das Bundesgesetz für die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial sowie § 320 des Strafgesetzbuches, nämlich jener Paragraph der Neutralitätsgefährdung, bereits damals novelliert, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, man muss auch eines sehr klar dazu sagen: Es wurde damit nicht nur sozusagen das Neutralitätsverständnis weiterentwickelt, sondern es wurden auch die entsprechenden rechtlichen Parameter dazu weiterentwickelt, so wie es eine moderne dynamische Gesellschaft auch zu Recht versteht.

Dritter Punkt: Die selbstverständlich einschneidendste Änderung in der Weiterentwicklung der österreichischen Neutralität ist mit dem österreichischen EU-Beitritt am 1. Jänner 1995 in Kraft getreten, als wir den Vertrag von Maastricht und damit auch dessen Bestimmungen über eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik übernommen haben. Ich brauche hier nicht auf Artikel J.4 zu verweisen, in dem die Perspektive einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte, eröffnet wurde. Auch dies wurde in der bereits angesprochenen Volksabstimmung im Vorfeld klar dargestellt und vom österreichischen Volk auch eindrucksvoll bestätigt.

Ich brauche viertens nicht auf den Artikel 23 der österreichischen Bundesverfassung hinzuweisen und verweise nachfolgend – fünftens – auf den Vertrag von Amsterdam, an dessen Zustandekommen Österreich als EU-Mitglied bereits mitgewirkt hat und der selbstverständlich hier im Parlament mit ratifiziert worden ist, in dem auch als Ziel eine schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik klar genannt wurde. Anlässlich der Ratifizierung dieses Vertrages hat im Übrigen der Nationalrat den erwähnten Artikel 23f noch einmal weiterentwickelt und noch einmal angepasst.

So weit die Punkte zur österreichischen Neutralität, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Was jetzt die beiden vorliegenden Novellen betrifft, so darf ich festhalten, dass wir damit eine Kompetenzbereinigung durchgeführt haben, die derzeit vier Bundesministerien befasst, die Anhörung des BKA entfällt. Mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung werden wir anstelle des Einvernehmens direkten Kontakt und Anhörung pflegen, aber wir werden selbstverständlich, in Prüfung der gesetzlichen Kriterien, insbesondere der Menschenrechtssituation, unverändert und in besonders heiklen Fällen den Rat für Auswärtige Angelegenheiten weiter befassen. Auch der Verfassungsdienst ist ein wichtiger Informant und Einflussnehmer auf unsere Entscheidungen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Zum Zweiten: Wir haben die Verankerung von internationalen Berichtspflichten vorgenommen. Herr Bundesrat Schennach! Das ist heute für Sie die erste Sitzung, und daher habe ich auch Verständnis dafür, dass die volle Information noch nicht so gegeben sein kann, aber es ist einfach nicht richtig, dass das Parlament in einer anderen Art und Weise – Sie meinten sogar in minderer Qualität – informiert werden würde, als irgendwelche internationalen Berichtspflichten,


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die wir übernommen haben, dies vorsehen. Ich habe bereits im Parlament klargestellt, dass die Berichte genau in derselben Art und Weise erfolgen werden, wie das international auf Grund dieser Gesetzeslage notwendig ist.

Zu den Kriegsmaterial-Vermittlungsgeschäften ist zu sagen: Wir haben die Erfassung aller Kriegsmaterial-Vermittlungsgeschäfte durch Übernahme in das Regelungsregime des Kriegsmaterialiengesetzes festgelegt. Das bedeutet eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem bisherigen Zustand. Wir regeln die Vernichtung ausgeschiedener Leichtwaffen aus dem Bestand des Bundesheeres, und wir regeln, wann und wie die Bewegung von Truppen nach und durch Österreich gestattet werden kann.

Herr Bundesrat Gudenus! Erlauben Sie mir auch hier eine rechtliche Klarstellung: Was das Truppenaufenthaltsgesetz betrifft – ich freue mich, dass wir einer Meinung sind –, muss ich sagen, auch wenn Sie das in den entsprechenden Unterlagen nicht vorgefunden haben: Selbstverständlich wird das Truppenaufenthaltsgesetz ausschließlich vom Außenamt und von der Landesverteidigung vollzogen, wir haben hier keine Vollzugsmöglichkeiten! Das ist genau das, was Sie angeregt und dringend moniert haben. Ich darf Ihnen sagen, das ist Zweck und Ziel dieses Gesetzes. Genauso wie Sie sich das vorgestellt haben, wird das auch umgesetzt.

Wir haben eine Klarstellung bei den ABC-Waffen vorgenommen und schließlich auch eine Klarstellung im Waffengesetz, wonach Regelungen des Waffengesetzes so lange auf einen Gegenstand anzuwenden sind, solange dieser einen verwendungsfähigen Teil einer Schusswaffe enthält.

Ich bin davon überzeugt, dass diese gesetzlichen Grundlagen, die hier dem Bundesrat zur Diskussion und zur Beschlussfassung vorliegen, wesentliche Elemente einer Vereinfachung, einer rascheren und präziseren Handlungsanleitung für unsere Beamten sind und auch eine Verbesserung im internationalen Kontext in Darstellung und Durchführung unseres Neutralitätsstandpunktes sein werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Mai 2001 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (421 und 556/NR sowie 6358/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Freiberger übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.


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Berichterstatter Horst Freiberger:
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Mai 2001 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) ist allen Kolleginnen und Kollegen schriftlich zugegangen. Ich erspare mir und Ihnen die Verlesung.

Ich komme nun zum Beschlussantrag: Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 23. Mai 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Fasching. – Bitte.

12.35

Bundesrat Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für mich ist es eine besondere Ehre, dass ich bei meiner ersten Rede im Bundesrat zu genau jenem Thema sprechen darf, das ich selbst im Landtag mitverhandelt habe, nämlich zum Thema Patientenanwalt und dem Antrag betreffend die Patientencharta.

Auf Grund der vorliegenden Vereinbarungen zwischen dem Bund und dem Land Burgenland gemäß Artikel 15a des österreichischen Bundes-Verfassungsgesetzes werden die Patientenrechte sichergestellt.

Patientenrechte gelten als typische Querschnittsmaterie, welche über eine Vielzahl von Bundes- und Landesgesetzen verstreut sind. Diesen Kompetenzdschungel gilt es zu durchschlagen und eindeutige Verpflichtungen und Aufgaben festzulegen. Von Seiten des Burgenlandes begrüße ich eindeutig diesen Staatsvertrag.

In der Patientencharta werden sowohl ärztliche als auch pflegerische Leistungen, weiters Leistungen aller im Gesundheitsbereich tätigen Berufsgruppen sowie kurative und Vorsorgemaßnahmen erfasst. Als Grundsätze, meine Damen und Herren, sind der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Patientinnen und Patienten, die Wahrung ihrer Menschenwürde und Diskriminierungsverbote vorangestellt.

Die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich darin, wie sie mit Kranken und Schwachen umgeht. Diesen Menschen soll verstärkt unsere Zuwendung gelten. Mit der Patientencharta ist ein weiterer wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan.

Wir sind gegen eine medizinische Zweidrittelgesellschaft. Durch die Patientencharta wird ein Hin- und Herschieben der Verantwortung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen durch eine klare Absprache vermieden. Die österreichische Charta über die Rechte der Patienten und die Qualität in der Gesundheitsvorsorge sind beispielhaft.

Meine Damen und Herren! Auf einzelne Punkte möchte ich näher eingehen, da bereits in der Vergangenheit und auch in Zukunft zu diesem Thema kontroverse Standpunkte von den politischen Parteien eingenommen werden.

Ein wesentlicher Punkt scheint die Verpflichtung zu sein, ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Die Organisationsstrukturen in den Krankenhäusern sind so zu gestalten, dass ein Abschiednehmen in einem humanen, menschenwürdigen Umfeld möglich ist. Wir wollen aber kein Aufweichen der Moral und Menschen am Lebensende nach ihrer Nützlichkeit betrachten, deshalb sind wir strikt gegen eine gesetzliche Erlaubnis der aktiven Sterbehilfe. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Wir sollten die Angst vor dem Tod verlieren und lernen, damit richtig umzugehen, und den Hospiz-Gedanken im Besonderen fördern.


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Einige Sätze zur Diskussion um den Härtefonds: Als Österreichische Volkspartei werden wir uns für eine rasche finanzielle Hilfe bei medizinischen Härtefällen einsetzen. Für einen Großteil der Schäden nach Operationen gibt es in Österreich derzeit von Rechts wegen keine Entschädigung. Jeder zehnte Geschädigte geht in Österreich den Weg, vor Gericht Schadenersatz zu fordern. Der gegenwärtige Zustand der Ärztehaftung ist sowohl für geschädigte Patienten als auch für Ärzte nicht zufrieden stellend, da die Beweislast für ein Verschulden der Patient trägt und ein Verschulden des Arztes schwer nachzuweisen ist.

Diese Tatsache soll aber keinesfalls dazu führen, dass die Beweislast zur Gänze den Ärzten aufgebürdet wird. Das würde zu einer Defensivmedizin führen und Ärzte kriminalisieren. Das ist eine Forderung über parteipolitische Grenzen hinweg.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über die Finanzierung des Härtefonds, ob Bund, Länder, Ärzte, Krankenanstalten oder Sozialversicherungsträger wird sicherlich noch viel diskutiert werden. Eine Lösung ist derzeit nicht in Aussicht, ich bin aber überzeugt davon, dass diese Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern auch dafür einen Weg finden wird.

Meine Damen und Herren! Das Burgenland war das letzte Bundesland, das einen Patientenanwalt eingerichtet hat. Mit dem Abschluss dieses Vertrages sind wir neben Kärnten unter den Ersten, und ich freue mich, dass wir diesen Weg auf Initiative der Österreichischen Volkspartei gegangen sind. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.40

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Schlaffer. – Bitte.

12.41

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Staatssekretär! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eines vorweg feststellen: Als burgenländische Mandatarin freue ich mich darüber, dass diese 15a-Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Burgenland zu Stande gekommen ist.

Mit dem Burgenland hat das zweite Bundesland rechtlich verbindliche Schritte zur Sicherstellung der Patientenrechte gesetzt. Und da ich mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen kann, dass Kollege Dr. Aspöck als nächster Redner betonen wird, dass Kärnten als erstes Bundesland schon 1999 eine Vereinbarung beschlossen hat (Bundesrat Freiberger  – in Richtung des Bundesrates Dr. Aspöck –: Jetzt kannst du einen Absatz aus deiner Rede streichen!), möchte ich doch festhalten, dass die diesbezüglichen Vorarbeiten schon lange vor dem Amtsantritt Ihres Landeshauptmannes Haider begonnen haben und Sie sich daher schwer tun werden, es als seinen alleinigen Verdienst darzustellen.

Ebenso wenig kann die vorliegende Patientencharta als alleinige Errungenschaft der derzeitigen Bundesregierung gefeiert werden. Ich darf darauf hinweisen, dass die wesentlichen Schritte für die Entwicklung einer Patientencharta von sozialdemokratischen Bundesministern gesetzt wurden.

Kollege Fasching! Mich wundert es immer wieder, wie sehr sich die Österreichische Volkspartei dann, wenn es etwas zu feiern gilt, sehr wohl daran erinnert, auch dabei gewesen zu sein, aber dann, wenn etwas nicht so positiv läuft, so tut, als wäre sie nicht dabei gewesen. Eines noch, Herr Kollege Fasching: Im Burgenland gibt es schon lange eine sozialdemokratisch geführte Regierung! Diskutieren wir an anderer Stelle, wer die Signale im Burgenland gesetzt hat und in Zukunft setzen wird! (Beifall bei der SPÖ.)

Uns Sozialdemokraten war und ist eine Politik, die der Gesundheit und dem Wohl der österreichischen Bevölkerung dient, immer oberstes Prinzip. Nicht zuletzt deswegen behandeln wir heute auch die Initiative eines sozialdemokratischen Bundeslandes. In der vorliegenden Vereinbarung ist neben einer Kodifikation von auf sieben Gesetze verstreuten Bestimmungen zu Gunsten von Patienten durch eine vollständige und übersichtliche Zusammenfassung der


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Rechte des Patienten im Besonderen auch der Schutz der Persönlichkeitsrechte des Patienten verankert. Letzterem kommt besondere Bedeutung zu in jenen Fällen, in denen Patienten auf Grund der Umstände nicht in der Lage sind, ihre Rechte selbst wahrzunehmen.

Ausdrücklich begrüße ich auch die Festschreibung im Artikel 25, demnach unmündigen Minderjährigen bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres bei einem stationären Aufenthalt auf Wunsch, sofern räumliche Gründe nicht entgegenstehen, die Mitaufnahme einer Begleitperson zu ermöglichen ist. Kinder bedürfen in allen Lebenslagen eines besonderen Schutzes. Es kann daher diese Regelung dazu beitragen, die psychische Belastung eines Kindes bei einem Spitalsaufenthalt so gering wie möglich zu halten.

Im Lichte manch anderer gesetzlichen Bestimmungen kommt auch dem Inhalt des zweiten Abschnittes eine besondere Bedeutung zu. Demzufolge erfordert die Gleichbehandlung der Patienten, dass der Zugang zu notwendigen Leistungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens ohne Unterschied des Alters, des Geschlechts, der Herkunft, des Vermögens oder Ähnliches möglich ist. Herr Staatssekretär! Ich denke doch, dass die Einführung der Ambulanzgebühr hiebei schon als erster Verstoß des Bundes gesehen werden kann.

Durch die Unterzeichnung dieser 15a-Vereinbarung verpflichten sich der Bund und das Land Burgenland wechselseitig zur Sicherstellung der darin festgelegten Patientenrechte im Rahmen ihrer Zuständigkeiten.

Geschätzte Damen und Herren! Gesundheit ist eines der wichtigsten Zukunftsthemen schlechthin und bedeutet mehr als nur Freisein von Krankheit, nämlich seelisches und soziales Wohlbefinden und damit höchste individuelle Lebensqualität. Die sichere und systematische Weiterentwicklung des medizinischen Leistungsangebotes und der Qualität des Gesundheitswesens muss daher einen zentralen Stellenwert einnehmen.

Das Burgenland befindet sich auf dem besten Weg, seinen Bürgerinnen und Bürgern heute und auch in Zukunft eine moderne, bedarfsgerechte und leistungsfähige Gesundheitsvorsorge anbieten zu können. In jedem Gesundheitssystem ist jedoch der behandlungs- und heilungssuchende Patient der schwächere und daher der schutzbedürftige. Und dessen Rechte gilt es abzusichern.

Der Burgenländische Landtag hat in seiner Sitzung vom 26. April 2001 einstimmig die Annahme der Patientencharta beschlossen und damit ein ausdrückliches landespolitisches Bekenntnis in Richtung Absicherung und Verstärkung von Patientenrechten gegeben. Da die Zusammenarbeit zwischen Bund und dem Land Burgenland für beide Seiten Vorteile mit sich bringt, werden wir seitens der sozialdemokratischen Fraktion der vorliegenden Vereinbarung unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

12.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Aspöck. – Bitte.

12.46

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da wir Freiheitlichen bisher noch darauf verzichtet haben – wir werden es sicher nachholen –, auch aus dem Burgenland einen Bundesrat zu entsenden (allgemeine Heiterkeit bei der SPÖ), habe ich vom Klub die Ehre erhalten, in dieser Angelegenheit kurz das Wort zu ergreifen.

Frau Kollegin Schlaffer! Sie brauchen keine Angst zu haben, Sie lagen falsch in der Vermutung, dass ich meine an und für sich nur sehr kurz beabsichtigte Wortmeldung in eine Lobeshymne auf Jörg Haider ummünzen möchte. Ich möchte nur eines auf eine Bemerkung, die Sie gemacht haben, nämlich: Burgenland ist ein sozialdemokratisches Bundesland!, erwidern: Genau das sind die Dinge, die wir ändern wollen. Wir wollen keine sozialdemokratischen, und wir wollen keine ÖVP-Bundesländer und wir wollen keine FPÖ-Bundesländer! Kärnten soll den Kärntnern gehören (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), und es soll ein Bundesland nicht danach


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beurteilt werden, welche Farbe zufälligerweise der Herr Landeshauptmann hat. – Das sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben! (Bundesrat Freiberger: Kärnten gehört den Oberösterreichern!)

Meine Damen und Herren! Inhaltlich ist an und für sich bereits alles gesagt worden. Es handelt sich auch um einen einstimmigen Beschluss, der in diesem Punkt gefasst werden wird. Ich möchte daher vielleicht etwas in die Geschichte zurückgehen und feststellen, dass es gar nicht so selbstverständlich ist, was wir heute in unserer Zeit an Patientenrechten haben. Es liegt nicht einmal zwei Jahrzehnte zurück, da war die rechtliche Situation eigentlich noch furchtbar. Stellen Sie sich vor, dass der Oberste Gerichtshof erst 1984 feststellen musste, dass dem Patienten in seine eigene Krankengeschichte Einsicht zu gewähren ist!

Anhand einer kleinen Geschichte, die ich Ihnen in diesem Zusammenhang erzählen möchte, sehen Sie, wie schlimm das war. Da ist es tatsächlich vorgekommen, dass andere Leute Einsicht, Teilmitteilungen erhalten haben, was den Patienten aber verweigert wurde.

Als noch ganz junger Anwalt erlebte ich eine Geschichte, die ich hier kurz erzählen möchte: Eine junge Mutter trug unter dem Herzen ein kerngesundes Kind. Nach einer Unzahl von haarsträubenden Kunstfehlern – die können immer passieren, in jedem Beruf passieren Fehler – vor der Entbindung, also bei der Einleitung, und bei der Entbindung kam ein schwerst geschädigtes Kind gerade noch lebend zur Welt. Eigentlich, wie die Krankengeschichte dann zeigte, war es damals schon nicht mehr lebend, sondern wurde wieder zurückgeholt. Es hatte APGAR-O – Sie sehen, Herr Staatssekretär, ich habe mich damals medizinisch sehr damit befasst, ich habe mich beraten lassen –, und es kam schwerstbehindert zur Welt. Um überhaupt überleben zu können, wurde dieses Kind sofort in eine Spezialklinik geflogen. Die Eltern waren dann bald anwaltlich vertreten, weil sie irgendwie das Gespür hatten, dass da etwas nicht richtig gelaufen war.

Die Eltern kamen eines Tages zu ihrem Anwalt und erzählten ihm, dass man ihnen im Krankenhaus gesagt habe: Nehmt doch das Kind mit nach Hause! Der Anwalt – ich hatte damals viel Glück – war damals über Beratung aus medizinisch-fachlicher Sicht – das konnte ich nicht beurteilen – bestens informiert, und ich wusste, dass in solch einem Fall akute Lebensgefahr drohte. Als Jurist wiederum wusste ich – daran sieht man, was sich in den letzten 20 Jahren in der Judikatur alles getan hat, auch bei Schadenersatz und so weiter –, dass im Falle des Todes, des Ablebens des Kindes mit keinem wie immer gearteten Schmerzensgeldanspruch, sonstigen Ersatz, vielleicht gerade noch Begräbniskosten, zu rechnen war.

Ich gab den Eltern daher den Rat: Okay, geht in das Krankenhaus und sagt den Ärzten: Wir nehmen das Kind nach Hause, wenn sie uns eine schriftliche Bestätigung geben, dass damit für das Leben des Kindes und dessen Wohlergehen keinerlei Gefahr verbunden ist!

Einige Tage später erschien in einer sehr bekannten Zeitung unter einer riesigen Headline ein Artikel. Die Headline – damit komme ich jetzt zu einem Thema, das wir heute schon einmal behandelt haben –, lautete: Entsetzlich! – Eltern wollen behindertes Kind nicht nach Hause nehmen! Und der nachfolgende Artikel gab den Eltern – das können Sie sich wohl vorstellen, meine Damen und Herren – den Rest.

Ich möchte an dieser Stelle an die diesbezügliche Debatte erinnern. Man kann über journalistische Freiheit, eine vernünftige Begrenzung und einen Anspruch darauf, dass über gewisse Dinge nicht berichtet wird, schon verschiedentlich diskutieren, da es auch verschiedene Fälle gibt.

Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, mich nicht misszuverstehen. Ich möchte diese Geschichte keinesfalls als einen Angriff auf die Medizin oder gar die Medizinerinnen und Mediziner in unserem Lande verstanden wissen. Jeder von uns weiß, wie redlich sich Ärztinnen und Ärzte, mit wenigen Ausnahmen – schwarze Schafe gibt es immer, gibt es in jedem Beruf, und es passieren auch überall einmal Fehler –, um das Wohl der Patienten bemühen. Ich wollte nur aufzeigen, dass auch so etwas wie das, was ich Ihnen erzählt habe, passieren konnte, und wollte damit aufzeigen, dass wir mit jedem rechtlichen Schritt, mit dem wir das Verhältnis


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zwischen Arzt und Patient wieder regeln und in geordnete juristische Bahnen bringen, einen wahren Schritt nach vorne machen.

Zu der Vereinbarung nach Artikel 15a B-VG, zu deren Abschluss nach Kärnten – jetzt habe ich Kärnten erwähnt – nun auch das Burgenland bereit ist, kann man, so glaube ich, diesem Bundesland und seiner Bevölkerung nur gratulieren. – Meine Fraktion wird dieser Vorlage selbstverständlich zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Staatssekretär. – Bitte.

12.55

Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich glaube, der heutige Tag ist ein Tag, an dem man sich über diesen Punkt, der gerade abgehandelt wird, eigentlich grundsätzlich nur freuen kann.

Ich glaube, es ist nicht notwendig, dass man Urheberschaften hervorhebt oder wer jetzt wofür verantwortlich ist. Für mich gilt in diesem Fall der Bibelspruch: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! Und hier wird etwas Gutes getan. Wenn ich jetzt nicht nur als Staatssekretär, sondern auch mit meiner Seele als Arzt zu Ihnen sprechen darf, so möchte ich sagen, dass hier etwas gelungen ist, was vor einem Jahr noch nicht so möglich schien, was aber inzwischen bereits eine Kettenreaktion in eine positive Richtung ausgelöst hat. Ich glaube, dass damit eine vertrauensbildende Maßnahme für alle Österreicherinnen und Österreicher gesetzt wird. Sie stärkt das Vertrauen in die Politik und das Vertrauen in die Medizin.

Niemand, der reinen Herzens ist und das Beste gibt, braucht sich vor Kontrolle zu fürchten. Er braucht sich auch nicht zu fürchten vor der Verantwortung, die er übernommen hat, wenn sie entsprechend geregelt ist. Als vor etwas mehr als einem Jahr diese sehr vernünftige Sache zwischen dem Bund, unter der Federführung von Frau Bundesministerin Hostasch, und dem jetzigen Landeshauptmann Haider unterzeichnet wurde, war ich der Meinung, dass das auch etwas für ganz Österreich wäre. Damals hat man mich etwas belächelt. Heute haben wir das Resultat: Aus diesem etwas milde Belächeltem ist eine sehr seriöse Sache geworden.

Ich darf Ihnen Folgendes vermitteln – um aufzuzeigen, wie sich das inzwischen entwickelt hat –: Sie stimmen heute nicht nur über das Burgenland ab, sondern es hat bereits Oberösterreich unterzeichnet, es ist im Ministerrat am 3. 4. dieses Jahres Steiermark beschlossen worden, es ist im Ministerrat am 2. 5. dieses Jahres Niederösterreich beschlossen worden, und auch Tirol hat bereits sein Interesse angemeldet, dieser Vereinbarung beizutreten. Sie sehen also, dass zwei Drittel der österreichischen Bundesländer nunmehr zu der Auffassung gekommen sind, dass diese Charta etwas sehr Vernünftiges darstellt.

Ich würde daher auch ersuchen, dass die Vertreter der drei noch ausstehenden Bundesländer, die noch nicht reagiert haben, in ihrem Wirkungsbereich tätig werden und – wieder mit einem Bibelspruch: Tut Gutes und redet darüber! – mit den jeweils Verantwortlichen darüber sprechen, das umzusetzen.

Ich darf Ihnen noch sagen, was das im Grunde noch zusätzlich ausgelöst hat: die Bereitschaft und die Möglichkeit, auch die verschuldensunabhängige Patientenversicherung umzusetzen, über die 30 Jahre lang erfolglos diskutiert wurde. Auch das ist eine 15a-Vereinbarung, die mit den Bundesländern beschlossen werden konnte.

Es ist aber auch dazu gekommen, dass die Patientenrechte bei bereits bestehenden Gesetzen, nämlich dort, wo die Ursache war, dass man die vielen verschiedenen Gesetze in eine übersichtliche Charta zusammengefasst hat, zu einer Weiterentwicklung geführt haben. Wie Sie vielleicht wissen, haben wir gestern im Ministerrat das Ärztegesetz beschlossen. Dort sind bereits Weiterentwicklungen auf Grund dieser Charta geschehen, nämlich die Ausdehnung des Patientenrechtes auf Einsichtnahme in seine Krankengeschichte nicht nur im Spital, sondern


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auch beim niedergelassenen Arzt; darüber hinaus eine Hemmnis der Verjährungsfrist bei Schiedsgerichtsfällen. – All das sind Weiterentwicklungen, die ohne ein solches Gesetz im Grunde nicht möglich gewesen wären.

Daher möchte ich für Sie alle noch einmal ganz kurz die Eckpunkte dieses Charta zusammenfassen, die für mich die Wesentlichsten sind: Das eine ist das Recht auf Behandlung und Pflege, und das andere ist das Recht auf Würde und Integrität und das Recht auf Selbstbestimmung und Information. Nebenbei gibt es auch das Recht auf Dokumentation sowie besondere Bestimmungen für Kinder, wie schon erwähnt wurde, und überhaupt die Vertretung von Patienteninteressen und die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen.

Eines möchte ich auch hervorheben – es wurde ganz am Anfang erwähnt –: dass gerade die Patientencharta der Garant dafür ist, dass Österreich nicht den holländischen Weg geht, indem sich ein Land innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zum ersten Mal außerhalb die europäische Wertegemeinschaft stellt. Dort hat es keinen Protest gegeben, aber ich bin sehr froh, dass Österreich keinerlei Tendenzen zeigt, einen ähnlichen Weg zu gehen. – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 10. Mai 2001 betreffend eine Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen samt Erklärungen (437, 576 und Zu 576/NR sowie 6359/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen samt Erklärungen.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Hensler übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Friedrich Hensler: Frau Präsidentin! Geschätzte Herren Staatssekretäre! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Jänner 2001 betreffend eine Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen samt Erklärungen.

Dieser Bericht liegt allen Bundesrätinnen und Bundesräten schriftlich vor, ich beschränke mich daher auf das Wesentliche.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 21. Mai 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates vom 10. Mai 2001 gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, und


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2. gegen den Beschluss des Nationalrates, den vorliegenden Staatsvertrag gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als erster Redner Herr Bundesrat Keuschnigg. – Bitte.

13.02

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Die Zustimmung zum Beschluss des Nationalrates betreffend eine Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen fällt, so darf ich vermuten, allen Fraktionen des Bundesrates leicht, und ich darf für meine Fraktion unsere Zustimmung bereits jetzt zusagen.

Ich halte es generell für ein Grundelement jeder Politik einer entwickelten Demokratie, die politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Situation jedes und aller Staatsbürger laufend zu verbessern und weiterzuentwickeln. In besonderer Weise trifft dies natürlich auf Personen und Gruppen zu, die in irgendeiner Weise in einer Minderheitenposition sind.

Ich möchte nicht ausufern, aber klar feststellen, dass es mir um das Prinzip der Solidarität geht, auf das alle im Staate vertrauen, bauen und sich blind verlassen können sollen, und mir geht es weiters um die Liberalität und die Großzügigkeit des Staatsganzen uneingeschränkt für Behinderte genauso wie für Familien, für Armutsgefährdete genauso wie für Alte und für alle, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden.

Die vorliegende Charta zu beschließen, ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Ihre Stoßrichtung ist sehr präzise, und ich darf – um das klar zu machen – auch eine negative Abgrenzung versuchen: Es geht in diesem Werk nicht um die Minderheitenrechte als solche, es geht nicht um die Schaffung von Individual- und Kollektivrechten von ethnischen und kulturellen Minderheiten, sondern es geht um die Förderung des kulturellen Bestandes an Sprachenvielfalt.

Diese Charta hat zum Ziel, diesen kulturellen Schatz Europas zu sichern und zu erhalten. Die Menschen sollen ermutigt und unterstützt werden in der Verwendung ihrer angestammten Sprache – all das im Rahmen des Machbaren, des Zumutbaren und des Möglichen.

Hohes Haus! Wir alle lesen Zeitungen, in denen fast täglich über die Probleme mit Minderheiten in Europa berichtet wird, und wir stellen fest, dass bei allen diskutierbaren Unzulänglichkeiten in Österreich doch ein hoher Standard herrscht, dass die Leute im Großen und Ganzen zufrieden sind. Natürlich handelt es sich um einen laufenden Qualitätsprozess, der ständige Obacht erfordert und der nicht immer einfach ist, spannt sich doch der Bogen der Förderung der Regional- oder Minderheitensprachen von der Vorschule bis zur Hochschule, vom Justizwesen bis zu den Medien und von der Verwaltung bis zur kulturellen Entfaltung und zu manch anderem weiteren.

Österreich kann aber jetzt schon auf einen hohen Standard verweisen, der teilweise deutlich über die Empfehlungen dieser Charta hinausgeht, deshalb bin ich auch guten Mutes, dass das Niveau der Förderung der Regional- und Minderheitensprachen auch weiterhin angehoben werden kann. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

13.06

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Auer. – Bitte.

13.06

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, die bereits im Jahre 1992 unterzeichnet wurde, liegt nunmehr zur Ratifikation vor. Es geht dabei um den Schutz der historisch gewachsenen Regional- oder Minderheitensprachen, aber auch darum, im Rahmen des Zumutbaren und Möglichen die Benutzung der Regional-


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oder Minderheitensprachen im Bildungswesen und in den Medien sicherzustellen und ihre Verwendung in Justiz und Verwaltung, im Wirtschafts- und im Sozialleben sowie bei kulturellen Tätigkeiten zu erlauben und zu fördern.

Die vorliegende Charta löst aber nicht zufrieden stellend die Nichtgleichbehandlung des Ungarischen und des Kroatischen in Wien. Für die burgenländischen Kroaten in Wien ist dies ein Rückschritt hinter die bereits bestehende Anerkennung als Teil der burgenländisch-kroatischen Volksgruppe.

Schon seit dem Jahr 1993 gibt es einen burgenländischen Volksgruppenbeirat im Bundeskanzleramt, und bereits seit der Zwischenkriegszeit gibt es einen kroatischen Kulturverein. Darüber hinaus lebt mindestens ein Viertel der burgenländischen Kroaten in Wien, aber lediglich darauf wird im Rahmen der Bestimmungen zum Schutz nationaler Minderheiten ausdrücklich Rücksicht genommen.

Meine Damen und Herren! Da es also um den Schutz der Kultur und nicht um autochthone Siedlungsgebiete oder um politische Repräsentanz geht, wäre zu begrüßen – das gilt sowohl für die Burgenlandkroaten als auch für die Roma –, dies gleichfalls in der Charta zu verankern, denn die vorliegende Urkunde ist noch nicht wirklich eine Weiterentwicklung des Minderheitenschutzes, sondern lediglich eine Festschreibung des Status quo, wie bereits von Experten in diversen Ausschüssen festgestellt wurde.

Darüber hinaus muss festgehalten werden, dass nicht vieles zum Positiven der Minderheiten durchgesetzt wurde. Man denke nur an die Größenordnung der festgesetzten Beträge für die Volksgruppenförderung im Budget, oder man denke an die Kürzungen der Mittel für die Volksgruppenmedien.

Im Burgenland – darauf bin ich als Burgenländerin sehr stolz – haben die Amtssprachenverordnung und die Topographieverordnung mustergültig gegriffen: In den Schulen wird zweisprachig unterrichtet, und an den Ortseinfahrten finden sich bereits zweisprachige Ortstafeln. Nur: Die Burgenlandkroaten wollen sich aber durch die Ratifikation dieser Charta ihr Existenzrecht in Wien nicht nehmen lassen, und sie fordern ihr Recht auf ihre Muttersprache.

Durch die heutige Mobilität der jeweiligen Auspendler zu den Arbeitsstätten außerhalb des Burgenlandes, insbesondere nach Wien, kommt es immer wieder zu Einschränkungen der Rechte auf Gebrauch der Muttersprache, und so kann die kulturelle Identität nicht ausgelebt werden.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass wir der Ratifikation dieser Charta zustimmen werden, wir weisen aber energisch darauf hin, dass wir gerne diese Charta auch auf die Burgenlandkroaten in Wien angewandt haben wollen. Deshalb rufe ich den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stoisits, Mag. Posch und Genossen betreffend Umsetzung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen in Erinnerung, und ich fordere die Chance auf Weiterentwicklung des Volksgruppenrechtes ein, denn die Verwendung der Minderheitensprachen ist ein Menschenrecht, und Minderheitensprachen sind auch ein sehr wichtiges Kulturgut. (Beifall bei der SPÖ.)

13.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Neuner. – Bitte.

13.10

Bundesrat Mag. Christof Neuner (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden dieser Charta, die, wie wir schon gehört haben, im Jahre 1992 unterzeichnet wurde und jetzt ratifiziert werden soll, zustimmen, denn alles, was die Vielfalt der Völker, der Kultur und der Sprache fördert, ist zu unterstützen, und alles, was zu einer Einebnung dieser Vielfalt führt, ist abzulehnen.


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Von ausländischen Beobachtern – die Opposition und die Medien haben in der Vergangenheit häufig von den drei Weisen gesprochen – ist dieser Bundesregierung im vergangenen Jahr öffentlich bestätigt worden, dass unser Land in der Frage des Minderheitsschutzes eine ganz bedeutende Rolle in Europa übernommen hat. Die österreichische Minderheitenpolitik ist – und wir wissen das – vorbildlich. Die österreichischen Standards des Minderheitenschutzes liegen weit über denen anderer Staaten, und das hat man auch einmal positiv zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn es nicht in jedermanns Weltbild passt.

Durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union hat sich viel verändert. Ich darf als Kärntner von unserer Senza Confini-Bewerbung zur Olympiade kurz schildern: Es haben sich die drei Alpen-Adria-Länder Slowenien, Julisch-Friaul-Venezien und Kärnten um die Olympiade beworben. Es ist leider nicht gelungen, aber es gibt Projekte, bei denen man schaut, dass man eine Weltmeisterschaft oder eine Europameisterschaft zur Austragung bekommt.

Unser Präsident Gerd Klamt hat im Moment die Präsidentschaft des Bundesrates inne, und es war ihm ein Anliegen, unsere Nachbarstaaten Slowenien und Italien zu besuchen, und so kam es vor ungefähr einem Monat zu einem offiziellen Staatstreffen des Präsidenten des österreichischen Bundesrates und des Präsidenten des Staatsrates in Slowenien. Es hat dort mehrere Gespräche gegeben, unter anderem mit dem Präsidenten Kucan, und zwar über Themen wie etwa das Kulturabkommen, das mittlerweile unterzeichnet worden ist, oder über die Frage des AKW Krško oder auch über Minderheitenrechte wie beispielsweise die Rechte der Gottscheer.

Es gibt natürlich überall Scharfmacher, denen das zu viel oder zu wenig ist, was erreicht ist. In Kärnten ist sehr viel im Gange, und zwar die Ausweitung des zweisprachigen Unterrichts im Süden des Landes auf die vierte Schulstufe, Verbesserungen zugunsten der slowenischen Volksgruppe im Kindergartenbereich und im Musikschulwesen und die Aufstellung von 34 weiteren Ortstafeln in Erfüllung einer Verordnung aus dem Jahre 1977. Das wird jetzt durchgeführt. Oder im Radiobereich: Die zeitliche Ausdehnung der Sender Radio "Korotan" und Radio "Agora" auf zwölf Stunden ist im Gange und durch die Mithilfe des ORF im Rahmen der neuen gesetzlichen Regelungen abgesichert.

Ich glaube, dass das solch ein sensibles Thema ist, dass wir kein politisches Hickhack daraus machen sollten. Es sind natürlich Verbesserungen anzustreben, und es ist sehr sensibel dabei vorzugehen, und deswegen werden wir heute dieser Charta zustimmen. Ich glaube, es ist dies ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

13.15

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Die Förderung der historischen Regional- oder Minderheitensprachen in Europa ist ein nur zu begrüßender Akt, denn daraus leiten sich auch Rechte ab, wodurch Sprache im öffentlichen Leben anerkannt wird. Deshalb erteile auch ich gerne meine Zustimmung zu dieser Charta.

Aber warum kommt die Charta erst neun Jahre später, als sie unterzeichnet wurde. Da haben wohl einige Regierungen davor die Zeit verstreichen lassen. Warum, das ist mir nicht klar – oder doch, und das drückt auch die heutige Form aus, nämlich dass hier eine Minimalvariante vorliegt, denn diese Charta ist restriktiv und inkludiert keine konkreten Maßnahmen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das so ganz dem Wunsch unseres Staatssekretärs, den ich an sich als großzügigen Menschen in der Politik kennen gelernt habe, entspricht. Dass er hier diesen restriktiven Weg beschreitet, muss wohl im Verbund mit dem Koalitionspartner zu sehen sein.

Österreich erfüllt in dieser Charta nur 35 von 70 möglichen Schutzbestimmungen, und sie hat nur diesen Teil innerstaatlicher Schutzbestimmungen auch völkerrechtlich verbindlich gemacht.


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Warum hier dermaßen restriktiv vorgegangen wird, ist mir als politischem Menschen unverständlich, denn ich halte es für wichtig, dass gerade von der Mehrheitsbevölkerung ein klares Zeichen an die Regional- oder Minderheitensprachen gesetzt wird.

Eines, Herr Staatssekretär, verstehe ich überhaupt nicht: Ihre Ablehnung der Anerkennung der burgenländischen Kroaten in Wien als autochthone Volksgruppe. Das ist ein Faktum!

Einzelne Punkte dieser Charta werden sehr wohl für die Tschechen in Wien, für die Slowaken in Wien, auch für die burgenländischen Roma in Wien angewandt, aber den burgenländischen Kroaten in Wien verweigern Sie hier diese wichtige Anerkennung. Frau Kollegin Auer hat es vorhin schon ausgeführt, wie lange die Geschichte der burgenländischen Kroaten in Wien ist. Seit 1934 besteht der kroatische Kulturverein in Wien.

Abschließend noch etwas, was mich bedrückt: Wenn wir heute der Ratifizierung dieser Charta einstimmig zustimmen, dann möchte ich, liebe Kollegen und Kolleginnen von der FPÖ, schon an die Worte, die im Zusammenhang mit der Volkszählung aus Kärnten gekommen sind, erinnern. Der Kärntner Landeshauptmann hat in einer Rede vor dem "Kärntner Heimatbund" von einer "schleichenden Slowenisierung" gesprochen beziehungsweise vor einer "schleichenden Slowenisierung" gewarnt (Bundesrat Weilharter: Waren Sie dabei?), sodass wir nun ein Neuaufflackern der Ortstafeldebatte haben. Ich denke, das darf nicht der Geist sein, in dem wir uns heute einstimmig hinter diese Charta stellen. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

13.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Schicker. – Bitte.

13.18

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist unbestritten, dass die kulturelle Vielfalt ein überaus wertvolles Kulturerbe für ganz Europa darstellt, und das ist als solches in den Gemeinschaftsverträgen auch anerkannt.

Eine der wichtigsten Ausdrucksformen dieser kulturellen Vielfalt sind die Sprachen, einschließlich der Minderheiten- oder Regionalsprachen, da sie ein lebendiges Kulturerbe darstellen, dessen Gebrauch auf alle Lebensbereiche der Bürger ausstrahlt.

Nicht umsonst wurde auch das Jahr 2001 sowohl von der Europäischen Union als auch vom Europarat zum "Europäischen Jahr der Sprachen" erklärt, in dessen Rahmen alle Sprachen als gleichwertig anerkannt wurden.

Aber gerade im Bereich der Minderheitensprachen ist der Europarat immer wieder auf gewisse Schwierigkeiten gestoßen, da die Unterstützung mancher Mitgliedsländer nicht besonders groß war und die Ratifizierung der Charta deshalb auch eine unendliche Geschichte wurde.

Auch in Österreich – man braucht es nicht zu verschweigen – hat sich der Zeitraum von der Unterzeichnung im Jahre 1992 bis zur Ratifizierung durch das Parlament auf neun Jahre erstreckt. Die Ratifizierung ist aber erst der Anfang, die Umsetzung muss nun raschest vorangetrieben werden.

Aus diesem Grund gilt nämlich nicht nur ein Diskriminierungsverbot hinsichtlich der Benutzung dieser Sprachen, sondern "es geht" in erster Linie auch "darum, im Rahmen des", wie es in der Charta heißt, "Zumutbaren und Möglichen" – auch ein "Gummiparagraph", dessen Bedeutung man nicht genau definieren kann – "die Benutzung der Regional- oder Minderheitensprachen" vor allem "im Bildungsbereich und in den Medien sicherzustellen und ihre Benutzung im Justiz- und Verwaltungsbereich, im Wirtschafts- und Sozialleben sowie bei kulturellen Tätigkeiten" zu fördern. – So heißt es, so wurde es in der Charta formuliert.


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Minderheitensprachen im Sinne der Charta sind in Österreich – es wurde schon angesprochen –: Burgenlandkroatisch, Slowenisch, Ungarisch, Tschechisch, Slowakisch und Romanes der österreichischen Volksgruppe der Roma.

Das Romanes, das bisher nur in Form von mündlicher Überlieferung weitergetragen wurde, wird nun in Form eines Projektes der Sprachwissenschaft an der Universität Graz auch zu Papier gebracht. Es wurde unter Mithilfe der in Oberwart lebenden Roma bisher ein Alphabetbuch, ein Wörterbuch, Computer-Sprachlernspiele und andere Lehrbücher erstellt. Des Weiteren wurden auch Volkshochschulkurse eingerichtet, die auch von Nicht-Roma besucht werden können.

Diese Maßnahmen, meine Damen und Herren, zielen darauf ab, nicht nur die Sprache der Roma zu erhalten – sie zählt zu den sterbenden Sprachen –, sondern auch das Selbstbewusstsein dieser Volksgruppe allgemein zu stärken.

Auf eines möchte ich in diesem Zusammenhang noch hinweisen, nämlich darauf, dass die Ratifizierung nur ein erster, wenngleich sehr wichtiger Schritt ist und dass es darüber hinaus der Umsetzung weiterer sprachpolitischer und -pädagogischer Maßnahmen bedarf – und dass diese vor allem gewollt werden muss; der Wille muss vorhanden sein.

Eines ist nämlich sicher, und im folgenden Zitat, mit dem ich meine Ausführungen schließe, wird es auf den Punkt gebracht: Wenn eine europäische Sprache stirbt, dann stirbt auch ein Teil Europas. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Staatssekretär. – Bitte.

13.22

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Bei aller vernommenen Kritik meine ich, dass der Geist dieser Debatte einer ist, der mich hoffen lässt, dass wir diese Vorlage heute hier in diesem Hause beschließen werden, dass der Ratifizierung dieser Charta heute hier zugestimmt wird.

Diese Charta stellt ein wichtiges völkerrechtliches Instrument zum Schutz und zur Erhaltung der Sprachen der sechs in Österreich beheimateten Volksgruppen dar. Ich meine, auch mit dieser Maßnahme zeigt die Bundesregierung ihr offensives Zugehen auf die österreichischen Volksgruppen und Minderheiten auf.

Ich erinnere Sie in diesem Zusammenhang an die Staatszielbestimmung, an die Topographieverordnung-Burgenland, an die Amtssprachenverordnung-Ungarisch, und heute setzen wir – trotz aller Kritik, die hier dazu angebracht wurde – einen weiteren Meilenstein.

Dieser Meilenstein besteht immerhin darin, dass die innerstaatlich gewährleisteten Rechte auch völkerrechtlich abgesichert werden. Man kann nicht nur sagen, damit wird der Status quo einbetoniert, nein, das ist ein Mehrwert! Die Bundesregierung wird damit ein weiteres in Memorandum der österreichischen Volksgruppen festgelegtes Anliegen der Volksgruppen erfüllen.

Aus europäischem Blickwinkel ist dazu zu sagen, dass die Sprachencharta zwar bereits seit 1992 – es wurde schon darauf hingewiesen – zur Unterzeichnung auflag, dass sie aber erst am 1. März 1998, nach der Ratifikation durch fünf Staaten, völkerrechtlich in Kraft getreten ist. Nachdem vor einigen Wochen noch die beiden Staaten Großbritannien und Spanien diese Charta ratifiziert haben, haben nunmehr 13 – ich betone: 13 von 43! – Mitgliedstaaten des Europarates diese Sprachencharta ratifiziert.

Die Ratifizierung dieser Charta durch Österreich unterstreicht das Bemühen Österreichs, im Bereich des Minderheitenschutzes eine Vorbildfunktion einzunehmen. An dieser Stelle möchte ich auch etwas zu der von Frau Bundesrätin Auer geäußerten Kritik anmerken:


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Sie werden sich erinnern, dass wir Bindungen im Budget – vor allem im ersten Budgetjahr – hatten, die teilweise 10, 15 Prozent ausgemacht haben, und ich möchte schon darauf verweisen, dass die Bundesregierung gerade in diesem sensiblen Bereich die Budgetansätze gleich hoch gelassen hat, ja mehr noch, dass wir – auch das wurde heute kritisiert – im Bereich der Förderung der Medien der Minderheiten von einer Impulsförderung ausgegangen sind, sie dann reduziert haben und sie jetzt  – das bitte ich auch zur Kenntnis zu nehmen! – im ORF-Gesetz verankert haben, und zwar in Form einer, wie ich meine, sehr liberalen Lösung. Das heißt, es sind einerseits die Möglichkeiten, hier zu variieren, vor allem auch für den ORF, gegeben, was aber andererseits nur unter dem Schutz der unter diesem Blickwinkel gesetzten Bedingungen erfolgen kann.

Österreich wird anlässlich der Ratifikation der Sprachencharta die Sprachen der sechs autochthonen Volksgruppen unter den Schutz des Teiles II der Charta stellen. Dieser Teil enthält allgemeine Ziele und Grundsätze zugunsten der genannten Sprachen und ist unabhängig von den jeweiligen autochthonen Sprachgebieten zu sehen.

Österreich wird zudem das Burgenlandkroatische, das Slowenische und das Ungarische im jeweiligen Sprachgebiet im Burgenland als Sprachen bezeichnen, auf die Teil III der Charta anwendbar sein soll. Damit wird Österreich für jede dieser drei Sprachen in den jeweiligen autochthonen Siedlungsgebieten mindestens 35 konkrete Verpflichtungen zum Schutz und zur Förderung dieser Sprachen eingehen.

Darüber hinaus wird Österreich in freiwilliger Selbstbindung Sprachen in anderen autochthonen Siedlungsgebieten nennen, für die einzelne Verpflichtungen aus Teil III übernommen werden, nämlich für das Tschechische, für das Slowakische und das Ungarische in Wien, für das Slowenische in der Steiermark und für das Romanes im Burgenland.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch auf die vorgebrachte Kritik eingehen, wonach die Bundesregierung auch Burgenlandkroatisch im Land Wien in der soeben erwähnten freiwilligen Selbstbindung hätte anführen sollen oder müssen. Dazu ist einmal zu sagen, dass die Erklärung an das autochthone Siedlungsgebiet der betroffenen Volksgruppen anknüpft. Es gibt aber meines Wissens nach keine Argumente, die rechtlich begründen würden, warum auch in Wien autochthones Siedlungsgebiet der burgenlandkroatischen Volksgruppe in Österreich wäre. Auch wenn es unbestritten ist, was heute mehrmals angemerkt wurde, dass die Burgenlandkroaten in Wien in einigen Vereinen organisiert sind – die im Übrigen aus der Volksgruppenförderung finanziert werden, und das soll auch weiterhin so bleiben –, handelt es sich bei den in Wien ansässigen Burgenlandkroaten zum größten Teil um Angehörige der im Burgenland beheimateten Volksgruppe, die etwa aus beruflichen Gründen oder aus Gründen eines Studiums bestimmte Lebensabschnitte außerhalb des Burgenlandes verbringen.

Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass auch Wien autochthones Siedlungsgebiet der Burgenlandkroaten wäre. Das heißt aber nicht, dass das Burgenlandkroatische als Sprache in Wien überhaupt nicht vom Schutz dieser Charta erfasst sein wird.

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass das Burgenlandkroatische nach Teil II der Charta, die die Ziele und die Grundsätze betrifft, nicht nur im autochthonen Siedlungsgebiet im Burgenland, sondern überall in Österreich und somit auch in Wien geschützt ist.

Lassen Sie mich zum Schluss noch hinzufügen, warum wir von "Burgenlandkroatisch" sprechen und nicht der Ausdruck "Kroatisch" gebraucht wird. Das Burgenlandkroatische ist als Schriftsprache normiert, und auch die Lehrpläne nach dem Minderheitenschutzgesetz für das Burgenland verwenden den Terminus "Burgenlandkroatisch". Was in meinen Augen aber wichtiger erscheint, ist, dass die Festlegung auf den Begriff des "Burgenlandkroatischen" einem einhelligen Wunsch des Volksgruppenbeirates entspricht, und dieser sollte respektiert werden.

Ich meine, dass die Ratifizierung dieser Sprachencharta ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem gemeinsamen europäischen Standard der Rechte der Volksgruppen ist, und ich ersuche Sie daher, die Bemühung dieser Bundesregierung in diesem Bereich zu unterstützen. – Ich danke Ihnen vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.29


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Da der vorliegende Beschluss des Nationalrates Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrats gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG, den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG, den gegenständlichen Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

8. Punkt

Wahl von Ausschüssen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung: Wahl von Ausschüssen.

Auf Grund der Wiener Landtagswahl sind Wahlen von Ausschüssen notwendig geworden.

Es liegt mir ein Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm und Kollegen vor, gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, den Ausschuss für innere Angelegenheiten, den Landesverteidigungsausschuss, den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft, den Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen und den Ausschuss für Verfassung und Föderalismus mit jeweils 18 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern neu zu wählen, wobei jeweils 8 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 7 auf die SPÖ und 3 auf die FPÖ entfallen.

Es liegt mir weiters ein Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm und Kollegen vor, gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Ständigen Gemeinsamen Ausschuss im Sinne des § 9 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 mit 13 Mitgliedern und Ersatzmitgliedern neu zu wählen, wobei 6 Mitglieder und Ersatzmitglieder auf die ÖVP, 5 auf die SPÖ und 2 auf die FPÖ entfallen.

Ferner liegt mir ein Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm und Kollegen vor, gemäß § 13 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates den Geschäftsordnungsausschuss und Unvereinbarkeitsausschuss mit jeweils 12 Mitgliedern


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und Ersatzmitgliedern neu zu wählen, wobei jeweils 6 Mitglieder auf die ÖVP, 4 auf die SPÖ und 2 auf die FPÖ entfallen.

Die Zusammensetzung in den Ausschüssen mit 15 Mitgliedern bleibt unverändert.

Ich werde diese drei Anträge unter einem abstimmen lassen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesen Anträgen ihre Zustimmung geben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Die Ausschüsse gemäß § 13 der Geschäftsordnung des Bundesrates sind somit neu gewählt.

Im Sinne des § 13 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates sind die von den Fraktionen auf sie entfallenden Ausschussmitglieder und Ersatzmitglieder schriftlich namhaft zu machen und diese gelten damit als gewählt.

Die Konstituierung der Ausschüsse ist für Dienstag, den 19. Juni 2001 in Aussicht genommen.

9. Punkt

Selbständiger Antrag der Bundesräte Ing. Gerd Klamt, Jürgen Weiss, Anna Elisabeth Haselbach, Ludwig Bieringer, Prof. Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm und Kollegen auf Abhaltung einer Enquete betreffend “Föderalistische Mitwirkungsrechte in der österreichischen EU-Politik” am Mittwoch, dem 27. Juni 2001 (127/A-BR/01 der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung: Selbständiger Antrag der Bundesräte Ing. Gerd Klamt, Jürgen Weiss, Anna Elisabeth Haselbach, Ludwig Bieringer, Prof. Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm und Kollegen auf Abhaltung einer Enquete betreffend "Föderalistische Mitwirkungsrechte in der österreichischen EU-Politik" am Mittwoch, dem 27. Juni 2001.

Es ist keine Debatte zu diesem Antrag gewünscht.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag der Bundesräte Ing. Klamt, Weiss, Haselbach, Bieringer, Professor Konecny, Dr. Böhm und Kollegen auf Abhaltung einer Enquete betreffend “Föderalistische Mitwirkungsrechte in der österreichischen EU-Politik” am Mittwoch, dem 27. Juni 2001 zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Abhaltung einer Enquete ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Wir kommen noch zur Abstimmung über den Fristsetzungsantrag von Bundesrat Schennach.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, dem Ausschuss für innere Angelegenheiten für die Berichterstattung über den Bericht der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich, Sicherheitsbericht 1999 – er hat die Zahl III-216/BR d. B. –, eine Frist bis 21. Juni 2001 zu setzen, zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Minderheit.

Der Antrag ist somit abgelehnt.

Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwölf Anfragen eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 21. Juni 2001, 9 Uhr in Aussicht genommen.


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Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 19. Juni 2001, ab 14 Uhr vorgesehen.

Ich wünsche Ihnen ein gutes Nachhausekommen und ein schönes verlängertes Wochenende.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 13.37 Uhr