Stenographisches Protokoll

679. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 19., und Freitag, 20. Juli 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

679. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 19., und Freitag, 20. Juli 2001

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 19. Juli 2001: 9.02 – 1.23 Uhr

Freitag, 20. Juli 2001: 10.06 – 20.03 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Richterdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Verfassungsgerichtshofgesetz, das Poststrukturgesetz und das Bundesbahngesetz 1992 geändert werden sowie das Bundesbahn-Pensionsgesetz geschaffen wird (Pensionsreformgesetz 2001)

2. 14. Sportbericht 1997

3. 15. Sportbericht 1998 und 15. Sportbericht 1998, 2. Auflage

4. 16. Sportbericht 1999

5. Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Saatgutgesetz 1997, das Futtermittelgesetz 1999, das Qualitätsklassengesetz und das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert werden und mit dem ein Bundesgesetz über den Schutz von Pflanzensorten (Sortenschutzgesetz 2001) erlassen wird (Agrarrechtsänderungsgesetz 2001)

6. Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 1985, das AMA-Gesetz 1992, das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzgutgesetz 1997, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Rebenverkehrsgesetz 1996, das Futtermittelgesetz 1999, das Düngemittelgesetz 1994, das Saatgutgesetz 1997, das Sortenschutzgesetz, das Forstgesetz 1975, das Forstliche Vermehrungsgutgesetz, das Weingesetz 1999, das Qualitätsklassengesetz, das Wasserrechtsgesetz 1959, das Wasserbautenförderungsgesetz 1985, das Chemikaliengesetz 1996, das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, das Gesetz über ein Verbot des Verbrennens biogener Materialien außerhalb von Anlagen, das Ozongesetz, das Umweltkontrollgesetz, das Umweltinformationsgesetz, das Umweltgutachter- und Standorteverzeichnisgesetz, das Artenhandelsgesetz, das Umweltförderungsgesetz und das Abfallwirtschaftsgesetz geändert werden (Euro-Umstellungsgesetz Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft – EUG-LFUW)


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679. Sitzung / Seite 2

7. Bundesgesetz über begleitende Regelungen zur EMAS-V II (Umweltmanagementgesetz – UMG)

8. Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs (AGC) samt Anlagen, Änderungen der Anlage I, Anhang und Erklärung der Republik Österreich

9. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Rechtsstellung von Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Grenzabfertigung Dienstleistungen erbringen

10. Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 geändert wird

11. Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird

12. Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 geändert wird (Asylgesetz-Novelle 2001)

13. Bundesgesetz über Maßnahmen anlässlich der Umwandlung der NÖ Umweltschutzanstalt in eine Kapitalgesellschaft

14. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden

15. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Aufgaben und die Einrichtung des Österreichischen Rundfunks (Rundfunkgesetz – RFG) und das Arbeitsverfassungsgesetz 1974 geändert werden

16. Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privates Fernsehen erlassen werden (Privatfernsehgesetz – PrTV-G)

17. Bundesgesetz über die Ausübung exklusiver Fernsehübertragungsrechte (Fernseh-Exklusivrechtegesetz – FERG)

18. Bundesgesetz über die Errichtung und Organisation der Finanzmarktaufsichtsbehörde und über die Änderung des Bankwesengesetzes, des Wertpapieraufsichtsgesetzes, des Investmentfondsgesetzes, des Beteiligungsfondsgesetzes, des Sparkassengesetzes, des Bausparkassengesetzes, des Hypothekenbankengesetzes, des Pfandbriefgesetzes, des EGVG, des Börsegesetzes 1989, des Versicherungsaufsichtsgesetzes, des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetzes 1994, des Pensionskassengesetzes, des Kapitalmarktgesetzes, des Handelsgesetzbuches, des Aktiengesetzes, des GmbH-Gesetzes und des Nationalbankgesetzes 1984 (Finanzmarktaufsichtsgesetz – FMAG)

19. 1. Euro-Umstellungsgesetz – Bund

20. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Bangladesch über die Förderung und den Schutz von Investitionen

21. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen

22. Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Haschemitischen Königreich Jordanien über die Förderung und den Schutz von Investitionen

23. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Mazedonien über die Förderung und den Schutz von Investitionen


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 3

24. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Sultanats Oman über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

25. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Arabischen Republik Ägypten über die Förderung und den Schutz von Investitionen

26. Bundesgesetz über den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen

27. Bundesgesetz über einen österreichischen Beitrag zum Treuhandfonds für hochverschuldete arme Länder (HIPC-Trust Fund)

28. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Veräußerung der Anteile des Bundes an der Österreichischer Bundesverlag Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen und das Bundesgesetz über die Neuregelung der Rechtsstellung des Österreichischen Bundesverlages geändert wird

29. Bundesgesetz, mit dem eine IAF-Service GmbH gegründet wird und das Bundessozialämtergesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, die Konkursordnung und das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert werden

30. Bundesgesetz, mit dem das Heimarbeitsgesetz 1960 geändert wird

31. Bundesgesetz, mit dem ein Kinderbetreuungsgeldgesetz erlassen wird sowie das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Eltern-Karenzurlaubsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Karenzgeldgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und die Exekutionsordnung geändert werden

32. Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (58. Novelle zum ASVG)

33. Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (25. Novelle zum GSVG)

34. Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (24. Novelle zum BSVG)

35. Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird

36. Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (28. Novelle zum B-KUVG)

37. Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (2. Ärztegesetz-Novelle)

38. Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta)

39. Bundesgesetz über die Österreichische Apothekerkammer (Apothekerkammergesetz 2001)

40. Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Pensionsgesetz 1965,


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 4

das Richterdienstgesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz, das Nebengebührenzulagengesetz, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Rechtspraktikantengesetz, das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Bundesfinanzgesetz 2001 und das Bundesministeriengesetz 1986 geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2001 – Universitäten)

41. Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird

42. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Änderung des Vertrages über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Notenwechsel vom 22. Dezember 1993 und vom 14. Jänner 1994 samt Anlage

43. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau über den Amtssitz der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau

44. Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Internationalen Seegerichtshofs

45. Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft

46. Erklärung der Republik Österreich betreffend die einvernehmliche Beendigung von drei Staatsverträgen im Verhältnis zur Tschechischen Republik

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Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat 20

Angelobung des Bundesrates Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 20

Antrittsansprache des Präsidenten Alfred Schöls 20

Ordnungsruf gemäß § 70 Abs. 3 371

Unterbrechungen 248 und 310

Personalien

Entschuldigung 20 und 248

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 44

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 44

Ausschüsse

Zuweisungen 44


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 5

Fragestunde

Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport 23

Ludwig Bieringer (1181/M-BR/01); Theodor Binna, Mag. John Gudenus

Theodor Binna (1187/M-BR/01); Dr. Robert Aspöck, Josef Saller

Uta Barbara Pühringer (1182/M-BR/01); Mag. Melitta Trunk, Christoph Hagen

Christoph Hagen (1185/M-BR/01); Ing. Walter Grasberger, Herbert Thumpser

Mag. Melitta Trunk (1188/M-BR/01); Herwig Hösele, Stefan Schennach

Ing. Walter Grasberger (1183/M-BR/01); Klaus Gasteiger, Dr. Klaus Peter Nittmann

Herbert Thumpser (1189/M-BR/01); Thomas Ram, Dipl.-Ing. Hannes Missethon

Hans Ager (1184/M-BR/01); Mag. Melitta Trunk, Ulrike Haunschmid

Dr. Klaus Peter Nittmann (1186/M-BR/01); Georg Keuschnigg, Theodor Binna

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Ferdinand Gstöttner und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes – Anfragenserie, Anfrage I (1832/J-BR/01)

der Bundesräte Ferdinand Gstöttner und GenossInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes – Anfragenserie, Anfrage II (1833/J-BR/01)

Begründung: Ferdinand Gstöttner 120

Beantwortung: Bundesminister Dr. Ernst Strasser 123

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 127

Redner:

Peter Marizzi 130 und 174

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer 132, 151 und 166

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 133, 166 und 176

Mag. Michael Strugl 134

Johanna Schicker (zur Geschäftsbehandlung) 139

Johanna Auer 140

Ulrike Haunschmid 141

Stefan Schennach 143

Ing. Walter Grasberger 145

Reinhard Todt 147

Dr. Peter Böhm 149

Herbert Würschl 152

Manfred Gruber 154

Harald Reisenberger 156

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann 160

Albrecht Konecny 163 und 175

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 170


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 6

Leopold Steinbichler 172

Ludwig Bieringer 177

Dr. Robert Aspöck 178


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 7

Entschließungsantrag der Bundesräte Peter Marizzi und GenossInnen betreffend Neuverhandlung der Schließung von Gerichtsstandorten zu Gunsten des ländlichen Raumes 130

Ablehnung 179

Entschließungsantrag der Bundesräte Johanna Auer und GenossInnen betreffend den Bericht an den Bundesrat über die Personaldotationen im Falle der Zusammenlegung von Gendarmerieposten 140

Ablehnung 179

Entschließungsantrag der Bundesräte Reinhard Todt, Harald Reisenberger und GenossInnen betreffend das Wiener Forderungspaket zur Sicherheit in Wien 149

Ablehnung 179

Entschließungsantrag der Bundesräte Herbert Würschl und GenossInnen betreffend Neuverhandlungen der Schließung der Gendarmerieposten zu Gunsten des ländlichen Raumes 154

Ablehnung 179

der Bundesräte Johanna Schicker und GenossInnen an die Bundesministerin für Innovation, Verkehr und Technologie betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes – Anfragenserie, Anfrage III (1834/J-BR/01)

der Bundesräte Johanna Schicker und GenossInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes – Anfragenserie, Anfrage IV (1835/J-BR/01)

Begründung: Johanna Schicker 180

Beantwortung: Bundesministerin Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger 182

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 188

Redner:

Klaus Gasteiger 193

Georg Keuschnigg 197

Ulrike Haunschmid 200

Mag. Melitta Trunk 202

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (tatsächliche Berichtigung) 205

Ernst Winter 205

Günther Kaltenbacher 207

Engelbert Weilharter 208

Johanna Schicker 210

Bundesministerin Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger 210 und 216

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 214

Ferdinand Gstöttner 215

Mag. Dietmar Hoscher 216

Entschließungsantrag der Bundesräte Klaus Gasteiger und GenossInnen betreffend: Für einen qualitativ hochwertigen Nahverkehr 197

Ablehnung 218

Entschließungsantrag der Bundesräte Ulrike Haunschmid, Georg Keuschnigg und Kollegen betreffend Berichte über gemeinwirtschaftliche Leistungen im Verkehrsbereich 209

Annahme (E.168) 218

Entschließungsantrag der Bundesräte Ernst Winter und GenossInnen betreffend: Das neue Konzept der Finanzverwaltung darf den ländlichen Raum nicht schädigen 206

Ablehnung 218

Verhandlungen

(1) Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Richterdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Verfassungsgerichtshofgesetz, das Poststrukturgesetz und das Bundesbahngesetz 1992 geändert werden sowie das Bundesbahn-Pensionsgesetz geschaffen wird (Pensionsreformgesetz 2001) (438/A und 699/NR sowie 6372 und 6406/BR d. B.)

Berichterstatter: Friedrich Hensler 46

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Herbert Würschl 46

Uta Barbara Pühringer 47

Christoph Hagen 48

Ing. Gerd Klamt 49

Bundesministerin Dr. Susanne Riess-Passer 50

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 52

Gemeinsame Beratung über

(2) 14. Sportbericht 1997 (III-190-BR/99 sowie 6407/BR d. B.)

(3) 15. Sportbericht 1998 und 15. Sportbericht 1998, 2. Auflage (III-196-BR/99 und Zu III-196-BR/00 sowie 6408/BR d. B.)

(4) 16. Sportbericht 1999 (III-215-BR/00 sowie 6409/BR d. B.)

Berichterstatter: Herbert Thumpser 52

[Antrag, zu (2), (3) und (4) die Berichte zur Kenntnis zu nehmen]

Redner:

Günther Köberl 53

Theodor Binna 55

Thomas Ram 57

Ulrike Haunschmid 58

Bundesministerin Dr. Susanne Riess-Passer 60

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2), (3) und (4) die Berichte zur Kenntnis zu nehmen (mit Stimmeneinhelligkeit) 62


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 8

(5) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Saatgutgesetz 1997, das Futtermittelgesetz 1999, das Qualitätsklassengesetz und das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert werden und mit dem ein Bundesgesetz über den Schutz von Pflanzensorten (Sortenschutzgesetz 2001) erlassen wird (Agrarrechtsänderungsgesetz 2001) (642 und 700/NR sowie 6399 und 6410/BR d. B.)

Berichterstatterin: Anna Höllerer 63

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 9

Redner:

Johann Kraml 63

Friedrich Hensler 64

Stefan Schennach 65

Mag. John Gudenus 66

Georg Keuschnigg 67

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 69


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 10

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 71

(6) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 1985, das AMA-Gesetz 1992, das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzgutgesetz 1997, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Rebenverkehrsgesetz 1996, das Futtermittelgesetz 1999, das Düngemittelgesetz 1994, das Saatgutgesetz 1997, das Sortenschutzgesetz, das Forstgesetz 1975, das Forstliche Vermehrungsgutgesetz, das Weingesetz 1999, das Qualitätsklassengesetz, das Wasserrechtsgesetz 1959, das Wasserbautenförderungsgesetz 1985, das Chemikaliengesetz 1996, das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, das Gesetz über ein Verbot des Verbrennens biogener Materialien außerhalb von Anlagen, das Ozongesetz, das Umweltkontrollgesetz, das Umweltinformationsgesetz, das Umweltgutachter- und Standorteverzeichnisgesetz, das Artenhandelsgesetz, das Umweltförderungsgesetz und das Abfallwirtschaftsgesetz geändert werden (Euro-Umstellungsgesetz Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft – EUG-LFUW) (592 und 701/NR sowie 6411/BR d. B.)

Berichterstatter: Franz Wolfinger 72

(Antrag, dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen)

Redner:

Leopold Steinbichler 72

Johann Kraml 73

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 74

Annahme des Antrages des Berichterstatters, dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 75

(7) Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2001 betreffend ein Bundesgesetz über begleitende Regelungen zur EMAS-V II (Umweltmanagementgesetz – UMG) (352 und Zu 352 und 645/NR sowie 6412/BR d. B.)

Berichterstatter: Franz Wolfinger 75

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Johanna Auer 75

Anna Höllerer 77

Mag. John Gudenus 78

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 79

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 80

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 81

Entschließungsantrag der Bundesräte Anna Höllerer, Johanna Auer, Mag. John Gudenus und Kollegen betreffend die Vorlage des Berichtes gemäß § 28 Umweltmanagementgesetz an den Bundesrat 77

Annahme (E.167) 82

Gemeinsame Beratung über

(8) Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs (AGC) samt Anlagen, Änderungen der Anlage I, Anhang und Erklärung der Republik Österreich (308 und 678/NR sowie 6413/BR d. B.)

(9) Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Rechtsstellung von Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Grenzabfertigung Dienstleistungen erbringen (446 und 680/NR sowie 6414/BR d. B.)

(10) Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 geändert wird (668 und 681/NR sowie 6405 und 6415/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 82

[Antrag, zu (8), (9) und (10) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Karl Boden 83

Gottfried Kneifel 83

Wilhelm Grissemann 85

Bundesministerin Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger 86

Manfred Gruber 89

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (8) und (9) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 89

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (10) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 90

(11) Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird (484 und 736/NR sowie 6416/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 90

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Robert Aspöck 90

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 90

(12) Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 geändert wird (Asylgesetz-Novelle 2001) (669 und 693/NR sowie 6417/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Michael Strugl 91

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Herbert Thumpser 91

Johann Ledolter 92

Stefan Schennach 94

Christoph Hagen 95

Bundesminister Dr. Ernst Strasser 97

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 98

(13) Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über Maßnahmen anlässlich der Umwandlung der NÖ Umweltschutzanstalt in eine Kapitalgesellschaft (421/A und 685/NR sowie 6418/BR d. B.)

Berichterstatterin: Johanna Auer 98

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger 98

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 99

(14) Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden (525 und 687/NR sowie 6419/BR d. B.)

Berichterstatterin: Hedda Kainz 99

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Harald Himmer 100

Mag. Dietmar Hoscher 100

Dr. Peter Böhm 101

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 103

Gemeinsame Beratung über

(15) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Aufgaben und die Einrichtung des Österreichischen Rundfunks (Rundfunkgesetz – RFG) und das Arbeitsverfassungsgesetz 1974 geändert werden (634 und 719/NR sowie 6395 und 6420/BR d. B.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 11

(16) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privates Fernsehen erlassen werden (Privatfernsehgesetz – PrTV-G) (635 und 720/NR sowie 6421/BR d. B.)

(17) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung exklusiver Fernsehübertragungsrechte (Fernseh-Exklusivrechtegesetz – FERG) (285 und 722/NR sowie 6422/BR d. B.)

Berichterstatter: Gottfried Kneifel 103

[Antrag, zu (15), (16) und (17) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Mag. Melitta Trunk 104

Mag. Harald Himmer 108

Dr. Peter Böhm (zur Geschäftsbehandlung) 113 und 233

Herbert Thumpser 114

Ing. Gerd Klamt 116

Stefan Schennach 117, 218 und 234

und (tatsächliche Berichtigung) 225

Dr. Ferdinand Maier 221

Dr. Robert Aspöck 223

Herwig Hösele 226

Staatssekretär Franz Morak 227

Albrecht Konecny 232

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (15), (16) und (17) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 237

(18) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung und Organisation der Finanzmarktaufsichtsbehörde und über die Änderung des Bankwesengesetzes, des Wertpapieraufsichtsgesetzes, des Investmentfondsgesetzes, des Beteiligungsfondsgesetzes, des Sparkassengesetzes, des Bausparkassengesetzes, des Hypothekenbankengesetzes, des Pfandbriefgesetzes, des EGVG, des Börsegesetzes 1989, des Versicherungsaufsichtsgesetzes, des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetzes 1994, des Pensionskassengesetzes, des Kapitalmarktgesetzes, des Handelsgesetzbuches, des Aktiengesetzes, des GmbH-Gesetzes und des Nationalbankgesetzes 1984 (Finanzmarktaufsichtsgesetz – FMAG) (641 und 714/NR sowie 6423/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Robert Aspöck 237

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Johann Kraml 238

Dr. Ferdinand Maier 238

Wilhelm Grissemann 239

Staatssekretär Dr. Alfred Finz 240

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 241

Gemeinsame Beratung über

(19) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend 1. Euro-Umstellungsgesetz – Bund (621 und 704/NR sowie 6398 und 6424/BR d. B.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 12

(20) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Bangladesch über die Förderung und den Schutz von Investitionen (441 und 705/NR sowie 6425/BR d. B.)

(21) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen (520 und 706/NR sowie 6426/BR d. B.)

(22) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Haschemitischen Königreich Jordanien über die Förderung und den Schutz von Investitionen (519 und 707/NR sowie 6427/BR d. B.)

(23) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Mazedonien über die Förderung und den Schutz von Investitionen (552 und 708/NR sowie 6428/BR d. B.)

(24) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Sultanats Oman über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (599 und 709/NR sowie 6429/BR d. B.)

(25) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Arabischen Republik Ägypten über die Förderung und den Schutz von Investitionen (596 und 710/NR sowie 6430/BR d. B.)

(26) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen (632 und 711/NR sowie 6431/BR d. B.)

(27) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über einen österreichischen Beitrag zum Treuhandfonds für hochverschuldete arme Länder (HIPC-Trust Fund) (633 und 713/NR sowie 6432/BR d. B.)

(28) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Veräußerung der Anteile des Bundes an der Österreichischer Bundesverlag Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen und das Bundesgesetz über die Neuregelung der Rechtsstellung des Österreichischen Bundesverlages geändert wird (631 und 703/NR sowie 6433/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Robert Aspöck 243

[Antrag, zu (19), (26) und (27) keinen Einspruch zu erheben, zu (20), (21), (22), (23), (24) und (25) dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen und zu (28) gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben]


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 13

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (19) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 244

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (20), (21), (22), (23), (24) und (25) dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 244

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (26) und (27) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 246

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (28) gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 246

(29) Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine IAF-Service GmbH gegründet wird und das Bundessozialämtergesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, die Konkursordnung und das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert werden (666 und 737/NR sowie 6434/BR d. B.)

Berichterstatter: Thomas Ram 247

(Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 247

(30) Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimarbeitsgesetz 1960 geändert wird (595 und 735/NR sowie 6435/BR d. B.)

Berichterstatter: Thomas Ram 248

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 248

(31) Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Kinderbetreuungsgeldgesetz erlassen wird sowie das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Eltern-Karenzurlaubsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Karenzgeldgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und die Exekutionsordnung geändert werden (620 und 715/NR sowie 6436/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Weilharter 249

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Hedda Kainz 249

Margarete Aburumieh 251


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 14

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann 253

Johanna Schicker 257

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 260


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 15

Anna Höllerer (tatsächliche Berichtigung) 262

Germana Fösleitner 262

Mag. Melitta Trunk 264

Ulrike Haunschmid 268

Herbert Würschl 271

Mag. Harald Himmer 273

Ing. Gerd Klamt 274

Ing. Franz Gruber 276

Leopold Steinbichler 276

Ilse Giesinger 278

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 278

Gemeinsame Beratung über

(32) Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (58. Novelle zum ASVG) (624 und 726/NR sowie 6400 und 6437/BR d. B.)

(33) Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (25. Novelle zum GSVG) (625 und 727/NR sowie 6438/BR d. B.)

(34) Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (24. Novelle zum BSVG) (626 und 728/NR sowie 6401 und 6439/BR d. B.)

(35) Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (729/NR sowie 6402 und 6440/BR d. B.)

(36) Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (28. Novelle zum B-KUVG) (627 und 730/NR sowie 6403 und 6441/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Klaus Peter Nittmann 279

[Antrag, zu (32), (33), (34), (35) und (36) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Roswitha Bachner 280

Ludwig Bieringer (zur Geschäftsbehandlung) 284

und 322

und (tatsächliche Berichtigung) 326

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 284, 298, 305, 313 und 327

Gottfried Kneifel 290

Horst Freiberger 294

und (tatsächliche Berichtigung) 303

Engelbert Weilharter 301

Günther Kaltenbacher 304

Herwig Hösele 307 und 310

Hedda Kainz 311

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann 315

Stefan Schennach 319 und 328

Anna Höllerer 321

Albrecht Konecny 324

Antrag der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Erhebung eines Einspruches gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (58. Novelle zum ASVG) 284

Ablehnung 329

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung 329

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (32) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 330

Entschließungsantrag der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen betreffend Abwehr von Berufsverboten für standespolitische Interessenvertreter 325

Ablehnung 330

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (33), (34), (35) und (36) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 330

(37) Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (2. Ärztegesetz-Novelle) (629 und 689/NR sowie 6404 und 6442/BR d. B.)

Berichterstatterin: Ulrike Haunschmid 331

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Manfred Gruber 331

Maria Grander 332

Bundesminister Mag. Herbert Haupt 333

Engelbert Weilharter 336

Anna Schlaffer 336

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 338

(38) Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (537 und 691/NR sowie 6443/BR d. B.)

Berichterstatterin: Roswitha Bachner 338

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Ing. Walter Grasberger 338

Manfred Gruber 339

Dr. Klaus Peter Nittmann 340

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmeneinhelligkeit) 341


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 16

(39) Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Österreichische Apothekerkammer (Apothekerkammergesetz 2001) (628 und 692/NR sowie 6444/BR d. B.)

Berichterstatterin: Ulrike Haunschmid 342

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Manfred Gruber 342

Günther Köberl 343

Engelbert Weilharter 344

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 345

(40) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Pensionsgesetz 1965, das Richterdienstgesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz, das Nebengebührenzulagengesetz, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Rechtspraktikantengesetz, das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Bundesfinanzgesetz 2001 und das Bundesministeriengesetz 1986 geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2001 – Universitäten) (636 und 697/NR sowie 6396 und 6445/BR d. B.)

Berichterstatter: Günther Köberl 345

(Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Anna Elisabeth Haselbach 345

Mag. Michael Strugl 348

Dr. Peter Böhm 350

Josef Saller 352

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 352

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 354

(41) Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird (630 und 696/NR sowie 6397 und 6446/BR d. B.)

Berichterstatter: Leopold Steinbichler 354

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Mag. Michael Strugl 355

Herbert Würschl 356


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 17

Thomas Ram 357

Bundesministerin Elisabeth Gehrer 358

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 359

Gemeinsame Beratung über

(42) Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Änderung des Vertrages über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Notenwechsel vom 22. Dezember 1993 und vom 14. Jänner 1994 samt Anlage (449 und 672/NR sowie 6447/BR d. B.)

(43) Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau über den Amtssitz der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau (488 und 673/NR sowie 6448/BR d. B.)

(44) Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Internationalen Seegerichtshofs (538 und 674/NR sowie 6449/BR d. B.)

(45) Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft (563 und 675/NR sowie 6450/BR d. B.)

(46) Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich betreffend die einvernehmliche Beendigung von drei Staatsverträgen im Verhältnis zur Tschechischen Republik (588 und 676/NR sowie 6451/BR d. B.)

Berichterstatter: Paul Fasching 360

[Antrag, zu (42) und (46) keinen Einspruch zu erheben und zu (43), (44) und (45) dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen]

Redner:

Gottfried Kneifel 360

Albrecht Konecny 362

Ing. Gerd Klamt 363

Stefan Schennach 364

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 365

Mag. John Gudenus 367

Johann Kraml 369

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (42) und (46) keinen Einspruch zu erheben (mit Stimmenmehrheit) 369

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (43), (44) und (45) dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (mit Stimmeneinhelligkeit) 370


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 18

Entschließungsantrag der Bundesräte Gottfried Kneifel, Ing. Gerd Klamt, Johann Kraml, Stefan Schennach und Kollegen betreffend die konsequente Fortsetzung der gemeinsamen Anti-Atompolitik 361

Annahme (E.169) 371

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Dipl.-Ing. Hannes Missethon und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Geisterfahrer-Stopp (1828/J-BR/01)

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Westautobahn im Bereich Knoten Linz/Ansfelden (1829/J-BR/01)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 19

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend österreichische Beitragszahlungen für die UNRWA (1830/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Grundverkäufe der Österreichischen Bundesforste (1831/J-BR/01)

der Bundesräte Ferdinand Gstöttner und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes – Anfragenserie, Anfrage I (1832/J-BR/01)

der Bundesräte Ferdinand Gstöttner und GenossInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes – Anfragenserie, Anfrage II (1833/J-BR/01)

der Bundesräte Johanna Schicker und GenossInnen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes – Anfragenserie, Anfrage III (1834/J-BR/01)

der Bundesräte Johanna Schicker und GenossInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes – Anfragenserie, Anfrage IV (1835/J-BR/01)

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Erstellung des Generalverkehrsplans (1836/J-BR/01)

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend den Eigenverbrauch-Tatbestand zum Schutz der heimischen Leasing-Firmen und grenznahen Reparaturwerkstätten (1837/J-BR/01)

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend die Erlassung der Verordnung über die Feststellung des Grades der Behinderung im Sinne des § 14 Abs. 3 Behinderteneinstellungsgesetz (1838/J-BR/01)

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Inventsanierung von Bundesvermögen (1839/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Nichtbeantwortung der Zusatzfrage des Bundesrates Binna (1840/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Nichtbeantwortung der Zusatzfrage des Bundesrates Binna (1841/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Konsequenzen der Führung eines "Miniressorts" (1842/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Nötigung von Kindern (1843/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Parteimitgliedschaft (1844/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Überprüfung der Beschäftigungsverträge von Kabinettsmitgliedern (1845/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Eindämmung der Gesetzesflut (1846/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Kindergeld als Absicherung für Spitzensportlerinnen (1847/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend äußerst präzise Antwort (1848/J-BR/01)

der Bundesräte Dr. Peter Böhm und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend die Festnahme von Grünen Gemeinderäten (1849/J-BR/01)

Anfragebeantwortungen

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1663/AB-BR/01 zu 1815/J-BR/01)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 20

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Präsident Alfred Schöls: Ich eröffne die 679. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 678. Sitzung des Bundesrates vom 21. Juni 2001 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Entschuldigt hat sich das Mitglied des Bundesrates Roswitha Bachner.

Angelobung

Präsident Alfred Schöls: Eingelangt ist ein Schreiben des Präsidenten des Niederösterreichischen Landtages betreffend Mandatsveränderung im Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführer Christoph Hagen: "Betrifft: Wahl von einem Mitglied und zwei Ersatzmitgliedern des Bundesrates"

Sehr geehrter Herr Präsident!

Der Landtag von Niederösterreich hat in seiner 41. Sitzung am 28. 6. 2 001 auf Vorschlag des NÖ Landtagsklubs der Freiheitlichen Herrn Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger, geb. 10. 01. 1940, wh. in 3021 Pressbaum, Hauptstraße 10A (anstelle von Ludwig Buchinger) als Mitglied des Bundesrates und Herrn LAbg. Gottfried Waldhäusl als sein Ersatzmitglied gewählt.

Weiters wurde Herr LAbg. Wolfgang Haberler, geb. 31. 10. 1964, wh. in 2700 Wiener Neustadt, Wassergasse 33, als Ersatzmitglied des Bundesrates (anstelle von Josef Dinhopel) für Herrn Bundesrat Thomas Ram gewählt.

Mit freundlichen Grüßen

Mag. Edmund Freibauer"

Präsident Alfred Schöls: Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger ist im Hause anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten "Ich gelobe" zu leisten sein.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

Schriftführer Christoph Hagen: "Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Ich gelobe.

Präsident Alfred Schöls: Ich begrüße das neue Mitglied des Bundesrates recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

Antrittsansprache des Präsidenten

9.06

Präsident Alfred Schöls: Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der turnusmäßige Wechsel im Vorsitz des Bundesrates führt dazu, dass im zweiten Halbjahr dieses Jahres das Bundesland Niederösterreich die Präsidentschaft im Bundesrat ausüben kann.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 21

Es ist für mich eine besondere Auszeichnung, als vom Niederösterreichischen Landtag erstgereihter Bundesrat in diesem Halbjahr die Funktion des Präsidenten innezuhaben. Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Damen und Herren des Landtages von Niederösterreich für dieses Vertrauen bedanken!

Ich empfinde es auch als eine Ehre für den Bundesrat, dass der Präsident des Landtages von Niederösterreich, Herr Mag. Edmund Freibauer, in unserer Mitte ist. Ich darf dich, Herr Präsident, recht herzlich bei uns begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich darf an dieser Stelle auch alle Damen und Herren, die bei der heutigen Bundesratssitzung anwesend sind, als Zuhörer und Gäste recht herzlich begrüßen. Stellvertretend für alle gilt mein Gruß dem Präsidenten außer Dienst Freund Payer. Lieber Freund Payer! Ich freue mich ganz besonders über deine Anwesenheit. (Allgemeiner Beifall.)

In dieser Stunde der Freude möchte ich aber auch an unseren Kollegen Bundesrat Präsidenten Engelbert Schaufler denken, den der Herr für uns alle unerwartet und viel zu früh zu sich gerufen hat.

Ich darf auch den Mitgliedern der Präsidialkonferenz für die kollegiale und freundschaftliche Aufnahme und den Damen und Herren des Bundesratsdienstes für die vorbildhafte Unterstützung bei der Einführung in diese für mich neue Funktion ein aufrichtiges Danke sagen.

Danken möchte ich auch meinem Vorgänger als Präsidenten des Bundesrates, Kollegen Bundesrat Ing. Klamt, für sein Wirken in der ersten Hälfte dieses Jahres.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Gerade in den letzten Wochen und Monaten wurden wieder einmal auch in öffentlichen Diskussionen über unser parlamentarisches System verschiedene und dabei auch sehr divergierende Aussagen getroffen. Für mich ist die Demokratie ein Wert an sich, und daher darf diese Diskussion nicht ausschließlich aus monetären Gesichtspunkten geführt werden! Für mich bedeuten weniger gewählte Volksvertreter auch weniger Mitwirkungsmöglichkeiten des Staatsvolkes.

Ebenso muss es nach meinem Verständnis allen politisch interessierten Menschen möglich sein, sich auch für Mandate und parlamentarische Funktionen zu bewerben, und es darf kein Berufsverbot für standespolitische Interessenvertreter geben.

Die Stellung des Bundesrates und seine Stärkung werden in der Regel als verfassungsrechtliche Aufgaben gesehen. Ich möchte einmal klar aussprechen, dass diese Frage auf der Grundlage bereits vorhandener vielfältiger Möglichkeiten in erster Linie politisch zu lösen ist.

Solange sich die Länder und der Bundesrat mehrheitlich durch politische Vereinbarungen eingebunden sehen, vom Nationalrat einmal getroffene Entscheidungen auf keinen Fall mehr korrigieren zu können, so lange wird jede Diskussion über neue verfassungsrechtliche Strukturen oder Instrumente ins Leere gehen.

Unbeschadet dessen gibt es aber immer wieder Initiativen, die ich durchaus als "Schwimmen gegen den Strom der Realverfassung" bezeichnen möchte. Ich erinnere hier nur an die Anträge, die immer wieder gestellt und von beinahe allen im Bundesrat vertretenen Parteien unterstützt werden, dass dem Bundesrat ein Stellungnahmerecht vor Fassung von Gesetzesbeschlüssen durch den Nationalrat eingeräumt wird. Gemeinsam mit dem ebenfalls schon mehrfach beantragten Recht der Berichtigung formal fehlerhafter Beschlüsse wäre dies eine praxisgerechte Ergänzung des Einspruchsrechtes.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle aber nicht erst seit der Übernahme der Funktion des Präsidenten, sondern schon seit meiner Mandatsübernahme hier in diesem Haus immer wieder fest, dass die Sinnhaftigkeit der Länderkammer nicht ausschließlich an den beeinspruchten und verhinderten Gesetzesvorlagen zu messen ist. Wir können jenen nicht dienen, die meinen, dass der Bundesrat der Krampus der Nation ist und wir nur dann gut sind, wenn wir gegen alles sind, was vom Nationalrat beschlossen wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 22

Gerade wenn ich an das Regionalradiogesetz, das Umweltmanagementgesetz oder das Katastrophenfondsgesetz denke, muss ich sagen, dass wir bei diesen Materien sozusagen als Rute im Fenster sehr wohl sehr qualitativ Länderinteressen wahrgenommen haben.

Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht in einem Nebeneinander, sondern in einem Miteinander sollten wir alle gemeinsam unsere Bundesländer vertreten und ihnen dienen. Darum muss auch die Zusammenarbeit in Zukunft noch besser koordiniert werden.

Für mich wäre es durchaus begrüßenswert, wenn die Präsidenten des Bundesrates nicht nur den Landtagspräsidentenkonferenzen, sondern – natürlich ohne Stimmrecht – auch den Landeshauptleutekonferenzen dann beigezogen würden, wenn der Bundesrat aus diesen Beratungen entsprechende Aufträge umzusetzen hat.

Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Aller Voraussicht nach werden wir in dieser Jahreshälfte auch den Vertrag von Nizza in der Länderkammer diskutieren. In den letzten Wochen wurde sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat eine Enquete abgehalten, und dabei wurde auch die Frage des Föderalismus und der Mitwirkungsrechte angesprochen. Unbestritten hat sich seit unserem Beitritt zur EU vieles verändert, aber dabei nicht unbedingt alles verbessert.

Wir verlangen zu Recht das Miteinander aus der Sicht des Föderalismus und des Regionalismus in der Europäischen Union. Aber, meine sehr geschätzten Damen und Herren, das, was wir von der EU an Subsidiarität verlangen, sollten wir in der Republik Österreich selbst einbringen, nämlich im Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.

Der Föderalismus dient der Subsidiarität, der Kostenersparnis und der Bürgernähe, um die wir alle uns bemühen. Diese Sicht föderalistischer Verantwortung soll zeigen, dass die Politik und auch alle föderalistischen Reformbemühungen nicht Selbstzweck sind und auch nie sein dürfen. Es wäre traurig, wenn wir in einem Nebeneinander oder in einem Gegeneinander föderalistische Anliegen vertreten würden!

Hohes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht nur Zeitungskommentatoren schreiben davon, dass wir seit der Bildung dieser Bundesregierung in vielen Fragen von der Konsensdemokratie zur Konfliktdemokratie gewechselt sind. Wir selbst als Politiker leben diesen Wechsel in unterschiedlicher Intensität beinahe täglich.

Unsere politischen Väter und Großväter haben diese Zweite Republik aus Schutt und Asche aufgebaut und uns alle in die Lage versetzt, in einem schönen und – auf sehr viele Bereiche zutreffend – sicheren Land zu gestalten. Nehmen wir diese Herausforderung sowohl für den nationalen als auch für den europäischen Bereich mit der angebrachten Demut wahr!

In den letzten Monaten wurden in einigen Bereichen Änderungen und Anpassungen vorgenommen, die nicht das Verständnis und die Zustimmung aller gefunden haben. Ich bedauere sehr, dass von zu vielen ein Ton angesprochen wurde, der Anlass zur Sorge gibt. Dies gilt sowohl für nationale Fragen als auch für die europäische Diskussion.

Martin Buber, dessen Lebensgrundsatz lautet: "Alles wirkliche Leben ist Begegnung", hat unter anderem festgehalten: "Ich glaube trotz allem, dass die Menschen in dieser Stunde ins Gespräch, in ein echtes Gespräch miteinander kommen können. Ein echtes Gespräch ist eins, in dem jeder der Partner den anderen, auch wo er in einem Gegensatz zu ihm steht, als diesen existenten Andern wahrnimmt, bejaht und bestätigt, nur so kann der Gegensatz zwar gewiß nicht aus der Welt geschafft, aber menschlich ausgetragen und der Überwindung zugeführt werden."

In diesem Sinne, meine sehr geschätzten Damen und Herren, darf ich Sie um das Gespräch und um Ihre Unterstützung im zweiten Halbjahr bitten. (Allgemeiner Beifall.)

9.17

Ich danke für Ihre Bekundung der Zustimmung.


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Bevor wir zur Fragestunde kommen, darf ich einer Kollegin aus unserer Mitte recht herzlich zu einem runden Geburtstag gratulieren. Frau Bundesrätin Germana Fösleitner hat gestern ihren persönlichen Jubeltag gefeiert. Liebe Kollegin Fösleitner! Ich gratuliere dir dazu auch im Namen des Bundesrates recht herzlich. (Allgemeiner Beifall.)

Fragestunde

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nun zur Fragestunde. Ich beginne jetzt – um 9.18 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport

Präsident Alfred Schöls: Wir kommen zur 1. Anfrage, 1181/M, an die Frau Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn


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Bundesrat Ludwig Bieringer, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Frau Vizekanzlerin! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Frage lautet:

1181/M-BR/01

Ist die Nicht-EU-Ausländerregelung in der Fußballbundesliga aus der Sicht Ihres Ressorts lediglich eine "Lex Fußball?"

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesrat! Es handelt sich natürlich nicht um eine "Lex Fußball", sondern es hat sich hier ein aktueller Regelungsbedarf dadurch ergeben, dass von Seiten der Bundesliga an die Bundesregierung das Ansinnen herangetragen wurde, anstelle der bisherigen Regelung, wonach fünf, nicht aus EU-Ländern kommende ausländische Spieler in der Bundesliga für einen Verein spielberechtigt sein konnten, diese Zahl auf acht zu erhöhen. Ich habe das aus sportpolitischer Sicht für falsch gehalten, weil ich es nicht für zweckmäßig erachte, ohne Qualitätskriterien eine Ausweitung dieser Regelung vorzunehmen.

Wir haben aber dem Ansinnen der Vereine, die Wettbewerbsfähigkeit in internationalen Bewerben zu wahren, dadurch Rechnung getragen, dass wir jetzt eine Regelung geschaffen haben, die es ermöglicht, dass vier Nicht-EU-Spieler sozusagen ohne Beschränkungen verpflichtet werden können, zwei Spieler Nationalspieler in ihrem jeweiligen Heimatland sein müssen, also ein relativ hohes Qualitätskriterium erfüllen müssen, und ein weiterer Spieler eine Nachwuchshoffnung im Sinne eines U-19 oder U-21-Spielers in seinem Heimatland sein muss.

Das ist eine Regelung, die auch in anderen europäischen Ländern durchaus in dieser Form angewandt wird und die dafür sorgt, dass erstens dem österreichischen Fußballnachwuchs entsprechende Karrieremöglichkeiten in Österreich geboten werden, dass zweitens der Nachwuchs für die österreichische Nationalmannschaft entsprechende Spielmöglichkeiten in der obersten Spielklasse hat und dass drittens bei der Verpflichtung von Ausländern besondere Qualitätskriterien zum Tragen kommen, was auch im Sinne der Vereine und Verbände ist.

Wir haben eine gemeinsame Lösung mit dem Österreichischen Fußballbund, den Bundesligavereinen und der Spielergewerkschaft getroffen, die gemeinsam unterzeichnet wurde und jetzt auch so umgesetzt wird.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Frau Vizekanzlerin! Welchen Stellenwert räumen Sie in diesem Zusammenhang der Nachwuchsarbeit im heimischen Fußball – ich denke zum Beispiel an die Fußballakademie des Herrn Stronach – ein?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Ich räume der Nachwuchsarbeit nicht nur im Fußball, sondern generell im österreichischen Sport einen extrem hohen Stellenwert ein. Es ist insbesondere im Fußball, wie ich meine, notwendig, schon in frühen Jahren Talente zu erkennen und auch zu fördern. Im Sinne dessen ist natürlich jede Initiative, wie auch die von Ihnen genannte Fußballakademie, zu begrüßen.

Ein Teil unserer Vereinbarung mit dem ÖFB, der Bundesliga und der Spielergewerkschaft beinhaltet ein umfangreiches Programm zur Nachwuchsförderung in diesem Bereich, an dem sich das Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport mit entsprechenden Förderungen beteiligen wird, das sicherstellen soll, dass in Zusammenarbeit mit den Schulen, mit den Verbänden frühzeitig gezielte Förderungsmaßnahmen gesetzt werden. Wir haben mit den Bundesligavereinen auch entsprechende Schwerpunktsetzungen vereinbart. Eine Zielsetzung ist zum Beispiel, dass jeder Bundesligaverein in Hinkunft einen bestimmten Teil seines Budgets der Nachwuchsarbeit widmen soll, dass es entsprechende Nachwuchsausbildungsstätten auf der Basis der schon bestehenden Einrichtungen geben soll. Wir haben 29 Landesausbildungszentren, wir haben Bundesnachwuchszentren. Wir haben eine Akademie in diesem Bereich. Ich glaube, dass all diese Initiativen unterstützenswert sind, weil sie dem österreichischen Fußballnachwuchs entsprechende Chancen und Möglichkeiten eröffnen.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Theodor Binna gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Frau Vizekanzlerin! Auf einem Spielbericht müssen neun Spieler aufscheinen, die Österreicher sind. Der österreichische Pass genügt, der Spieler muss nicht für das österreichische Nationalteam spielberechtigt sein. Die restlichen neun Spieler dürfen beziehungsweise können Ausländer sein, wobei EU-Ausländer Nicht-EU-Ausländern gleichgehalten werden. Daher meine Frage: Ist diese Regelung EU-konform?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Die Zielsetzung dieser Regelung – das möchte ich zunächst einmal sagen – war ein Anliegen sowohl der Spielergewerkschaft als auch des Österreichischen Fußballbundes, die mit diesem Anliegen an mich herangetreten sind. Ich habe dieses Anliegen auch für gerechtfertigt gehalten und es deshalb unterstützt. Die Zielsetzung dieser Regelung ist, österreichischen Spielern die Möglichkeit zu geben, auch in der höchsten Spielklasse zum Einsatz zu kommen.

Wir haben in anderen Mitgliedsländern eine sehr negative Entwicklung erlebt, die dazu geführt hat, dass oft keine Spieler des eigenen Landes mehr in Bundesligavereinen spielberechtigt sind oder zum Einsatz kommen, was natürlich auch auf die Nationalmannschaft und deren Aufstellung und damit auch auf die Wettbewerbsfähigkeit in diesem Bereich sehr nachhaltige negative Auswirkungen hat.

Deswegen haben der Österreichische Fußballbund, die Spielergewerkschaft, die Bundesligavereine und mein Ministerium gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eine freiwillige Vereinbarung getroffen, ein Gentlemen’s Agreement, und ich gehe davon aus, dass alle Beteiligten diese Vereinbarung, dieses Gentlemen’s Agreement auch einhalten werden, das genau diese Zielsetzung erfüllen soll.

Ich glaube, dass die Spielergewerkschaft, die dieses Anliegen viele Jahre hindurch vertreten hat, ein berechtigtes Interesse daran hat, auch dem österreichischen Fußballnachwuchs diese Möglichkeit zu geben, weil wir sonst die Nachwuchsarbeit, die wir gerade diskutiert haben, nicht


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erfolgreich umsetzen können, wenn wir den Sportlern nicht von ihrer Ausbildung her auch die Möglichkeit des Umstiegs in den Spitzensport geben. Das gilt für den Fußball genauso wie für alle anderen Sportarten.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Vizekanzlerin! Hast du neben der Nicht-EU-Ausländerregelung weitere Zielsetzungen mit dem Österreichischen Fußballbund und der Bundesliga vereinbart?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Ich habe schon gesagt, dass wir mit der Bundesliga ein sehr umfassendes Konzept zur Nachwuchsförderung vereinbart haben, auch mit dem Österreichischen Fußballbund. Eines dieser Projekte ist zum Beispiel ein Projekt im Rahmen von "Top Sport Austria" – mit der Zielsetzung, für die Europameisterschaft der U-19-Nationalmannschaften 2004 eine entsprechende Förderung zu geben; auch mit dem langfristigen Ziel, für die Europameisterschaft 2008 eine entsprechende Förderung sicherzustellen. Wir arbeiten in diesem Bereich mit den Bundesnachwuchszentren, Leistungsausbildungszentren und den Sportakademien sehr eng zusammen.

Die Bundesligavereine haben sich freiwillig dazu bereit erklärt, einen bestimmten Teil ihres Budgets der Nachwuchsarbeit zu widmen. Wir forcieren die Schulkooperation in diesem Bereich in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit dem Bundesministerium für Unterricht. Und wir haben darüber hinaus auch die Zielsetzung bei der Errichtung von Sportinfrastrukturprojekten in Österreich, auch die Nachwuchsarbeit zu einer Zielsetzung zu machen.

Wir haben zum Beispiel im Fall der Errichtung des Stadions in Salzburg dieses Projekt und dessen Förderung mit einem Nachwuchskonzept, mit einer Investition der Betreiber des Stadions für die Nachwuchsarbeit in diesem Bereich verknüpft. Ich halte das für sinnvoll, weil wir Sportstätten bauen, damit die jungen Nachwuchssportler in Österreich dann auch in diesen Sportstätten ihre Sportart erfolgreich ausüben können sollen.

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 1187/M, an die Frau Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Theodor Binna, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Frau Vizekanzlerin! Meine Frage:

1187/M-BR/01

Welche Maßnahmen werden von Ihnen vorbereitet, um das von Ihnen geforderte Streikverbot für öffentlich Bedienstete umzusetzen?

Präsident Alfred Schöls: Bitte. Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich gehe davon aus, dass Ihnen die österreichische Rechtslage und daher auch die Tatsache bekannt ist, dass es in Österreich kein Streikrecht für Beamte gibt, sondern dass das unentschuldigte Fernbleiben vom Dienst und die Teilnahme an einem Streik in dieser Zeit selbstverständlich eine Verletzung der Pflicht zur Dienstanwesenheit und zur Aufgabenbesorgung darstellt.

Wir haben in diesem Fall eine unterschiedliche Regelung zwischen Vertragsbediensteten und Beamten. Vertragsbedienstete, die unentschuldigt vom Dienst fernbleiben, haben mit einem Entfall der Bezüge als Folge dieses Fernbleibens zu rechnen – nicht so Beamte, die drei Tage unentschuldigt fernbleiben können, um zum Beispiel an einem Streik teilzunehmen. Ich halte das eigentlich für eine untragbare Regelung, und es gibt auch in keinem anderen Land eine ver


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gleichbare Regelung. In Deutschland zum Beispiel ist ein Streikverbot für Beamte ausdrücklich im Gesetz verankert.

Aber noch einmal: Es gibt kein Streikrecht für Beamte.

Es hat im vorigen Jahr einige Fälle gegeben, in denen Dienststellenversammlungen während der Dienstzeit durchgeführt wurden, um gewerkschaftliche Urabstimmungen durchzuführen. Ich habe gegen diese missbräuchliche Umfunktionierung von Dienststellenversammlungen, die diese Zielsetzungen im Personalvertretungsgesetz ausdrücklich nicht haben, eine Beschwerde bei der Personalvertretungs-Aufsichtskommission erhoben. Dieser Beschwerde wurde mit Bescheid vom 29. Jänner 2001 Folge gegeben, in dem ausdrücklich festgestellt wurde – ich zitiere –, dass die Geschäftsführung des Dienststellenausschusses durch die Aussendung des Rundschreibens vom 19. 9. 2000 mit dem angeschlossenen Beiblatt zur Abstimmung über die Bereitschaft zur aktiven Teilnahme an gewerkschaftlichen Maßnahmen gesetzwidrig war.

Ich gehe davon aus, dass allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes und auch den Gewerkschaftsfunktionären – vor allem diesen – die Einhaltung der österreichischen Gesetzeslage ein besonderes Anliegen sein sollte.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Frau Vizekanzlerin! Was werden Sie als zuständiges Regierungsmitglied unternehmen, um für die öffentlich Bediensteten einen Reallohnverlust durch die von der Regierung verschuldete Anheizung der Inflation in Österreich im Jahr 2002 zu verhindern? (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Es handelt sich bei der Frage der Inflation um keinen Gegenstand der Vollziehung meines Ressorts. Ich beantworte sie aber trotzdem gerne, weil ich Ihre Ansicht so nicht im Raum stehen lassen kann.

Es ist absolut falsch, dass die Inflation durch irgendwelche Maßnahmen, die die Regierung gesetzt hat, angeheizt würde. Ganz im Gegenteil. (Ironische Heiterkeit und demonstrativer Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Manfred Gruber: Sie sind die Einzige, die das glaubt!) – Ihre wirtschaftspolitischen Ansichten in Ehren, aber Ihre wirtschaftspolitische Expertise hat in den vergangenen 30 Jahren dazu geführt, dass Österreich ein Rekorddefizit gehabt hat. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Hat ganz gut funktioniert!)

Die höchste Verschuldung und die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik sind die Folge Ihrer wirtschaftspolitischen Fähigkeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Auch das ist eine Folge des wirtschaftlichen Verständnisses, wie es in Ihrer Fraktion gepflegt wird und wie Sie es in Ihrer Regierung auch umgesetzt haben. (Zwischenruf des Bundesrates Manfred Gruber. )

Diese Bundesregierung hat im Gegensatz dazu dafür gesorgt, dass wir die niedrigste Arbeitslosenrate haben (Bundesrat Manfred Gruber: Dafür können Sie noch nichts!), dass wir de facto Vollbeschäftigung bei den jungen Menschen in diesem Land haben (Bundesrätin Schicker: Die Maßnahmen stammen von uns!) und dass wir im Jahr 2002 erstmals keine Neuverschuldung mehr in diesem Land haben werden. Wir werden keine neuen Schulden haben (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP – Bravorufe bei den Freiheitlichen) und damit auch keine Folgebelastungen für die junge Generation in diesem Land, der wir uns im besonderen Maße verpflichtet fühlen. Das festzuhalten, war mir bei Ihrer Zusatzfrage wichtig. In diesem Sinne danke ich Ihnen sehr herzlich für diese Zusatzfrage. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck gemeldet. – Bitte.


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Bundesrat Dr. Robert Aspöck
(Freiheitliche, Salzburg): Frau Vizekanzlerin! Es ist allgemein bekannt, dass Ihnen aus Schulen Briefe zugegangen sind, die das Los der Lehrer beklagen und die – natürlich unter Anleitung der Lehrer – so aussehen sollten, als wären sie tatsächlich von den zehnjährigen Kindern geschrieben worden.

Frau Vizekanzlerin! Was halten Sie von solchen Aktionen?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.


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Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer:
Hohes Haus! Wir haben in den letzten Monaten ... (Bundesrat 
Konecny: Das ist aber auch kein Gegenstand der Vollziehung! – Bundesrat Mag. Hoscher: Das ist eine unzulässige Frage! – Bundesrätin Schicker: Gehört das auch zum Sport!) Der Sinn einer Fragestunde, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist, dass Sie Fragen stellen und meine Antwort darauf wissen wollen. Wenn das nicht so ist, dann können wir uns die Fragestunde schenken. Es war Ihr Anliegen, mich hier in diesem Haus zu befragen, und nicht meine Idee, hier herzukommen.

Nun zur Beantwortung der Frage des Herrn Bundesrates: Wir haben in den letzten Wochen und Monaten sehr intensiv mit den Vertretern der Lehrergewerkschaft über die Frage einer neuen Regelung im Bereich der Lehrerarbeitszeit verhandelt und haben mit der Gewerkschaft der Pflichtschullehrer ein, wie ich meine, sehr positives und konstruktives Ergebnis im Sinne der Jahresarbeitszeit für Lehrer erreicht.

Dieses Ergebnis haben wir sehr intensiv und lange mit der Gewerkschaft besprochen, wobei wir auch viele Anregungen der Gewerkschaft aufgegriffen haben. Ich bedauere sehr, dass ein gleiches Vorgehen im Bereich der AHS-Lehrer aus offensichtlich parteipolitischen Erwägungen nicht möglich war und es vermehrt dazu kommt, dass in gewissen Schulen in ganz Österreich, in allen Bundesländern, Schüler dazu angehalten werden, politische Resolutionen an die Regierung zu verfassen.

Zehnjährige Schüler werden also dazu genötigt, an die Regierungsmitglieder Resolutionen hinsichtlich der Lehrergehälter zu verfassen. (Zwischenruf des Bundesrates Würschl. ) Sie werden mir nicht erklären können, lieber Herr Kollege von der sozialdemokratischen Fraktion, dass sich zehnjährige Kinder in ihrer Pause zusammensetzen und sagen: Jetzt machen wir einmal eine Resolution an die Bundesregierung und fordern mehr Gehalt für unsere armen Lehrer! (Bundesrätin Schicker: Das ist eine Unterstellung! – Bundesrat Würschl: Wo? – Bundesrat Gasteiger: Wer und wo?) – Ich lege Ihnen das gerne vor (Bundesrat Gasteiger: Wer und wo?), ich lege Ihnen das gerne vor. (Bundesrat Gasteiger: Wer und wo?)

Herr Kollege! Ich sage gerade, ich werde Ihnen jede einzelne Schule nennen und auch die Namen der dazugehörigen Direktoren, die samt und sonders Ihrer Fraktion angehören.

Ich halte eine solche Vorgangsweise deswegen für unzumutbar, weil Schulen Ausbildungsstätten für unsere jungen Menschen sind und nicht in irgendeiner Weise der parteipolitischen Manipulation dienen sollen. Das gilt für alle Parteien gleichermaßen. Parteipolitik ist aus der Schule herauszuhalten. Lehrer haben jedes Recht, mir Ihre Anliegen mitzuteilen, auch in Resolutionen. Das ist überhaupt keine Frage. Aber zehnjährige Kinder für solche Aktionen zu missbrauchen, halte ich für verurteilenswert. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Dr. Böhm: Das ist ganz schlimm!)

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Josef Saller gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Denken Sie weiterhin daran, dienst-, besoldungs- und pensionsrechtliche Maßnahmen, soweit sie den öffentlichen Dienst betreffen, sozialpartnerschaftlich vorzunehmen?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Selbstverständlich. Wir haben, so glaube ich, auch in den letzten eineinhalb Jahren in einigen sehr wesentlichen Bereichen mit den Sozialpartnern beziehungsweise mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst sehr gute gemeinsame Lösungen erarbeitet. Das war bei der Gehaltsvereinbarung so, in deren Rahmen wir mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst in sehr langen, ausdauernden, schwierigen, aber letztendlich erfolgreichen Verhandlungen eine gemeinsame Lösung getroffen haben.

Das war im Bereich der Pflichtschullehrer so, den ich schon erwähnt habe. Das war vor allem auch im Bereich der Reform des Universitätslehrer-Dienstrechtes so, bei dem wir gemeinsam mit der Gewerkschaft ein, wie ich meine, historisches Reformprojekt umgesetzt haben, das sicherstellt, dass im Bereich der Universitäten der Vorbereitung auf die Autonomie der Universitäten, der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und vor allem der Zielrichtung der bestmöglichen Ausbildung für die Studierenden in diesem Land Rechnung getragen wird. Wir haben gemeinsam mit der Gewerkschaft der Universitätslehrer ein Modell erarbeitet, das auch international Anerkennung findet und auch in anderen Ländern zum Vorbild für ähnliche Regelungen genommen wird.

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, 1182/M, an die Frau Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Uta Barbara Pühringer, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Meine Frage lautet:

1182/M-BR/01

Welche weitergehenden Reformen planen Sie im Dienstrecht der öffentlich Bediensteten?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Bundesrätin! Ich habe schon auf die Maßnahmen, die wir bereits gesetzt haben, hingewiesen, wie zum Beispiel im Beamten-Dienstrecht für die Universitätslehrer, das morgen in diesem Haus auch zur Diskussion stehen wird.

Unser gemeinsames Anliegen ist es, mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst dafür zu sorgen, dass wir eine Reform bewerkstelligen, die die Einkommensverteilung und Alterslastigkeit des Besoldungssystems, wie es sich über Jahrzehnte entwickelt hat, dahin gehend bereinigt, dass wir die Einkommenskurve abflachen, das heißt, dass es höhere Einstiegsgehälter geben soll und dafür eine flachere Kurve des Anstiegs, dass also die Leistung zur Grundlage gemacht wird und nicht das Senioritätsprinzip im Sinne der Altersvorrückung.

Ich glaube, dass das ein wichtiger Schritt und vor allem auch deswegen wichtig ist, weil eine unserer Zielsetzungen sein muss, die Mobilität zwischen dem öffentlichen Dienst und der privaten Wirtschaft auch zu ermöglichen.

Wir haben derzeit folgende Entwicklung in Österreich: Wir haben so viele unterschiedliche Dienst- und Besoldungssysteme, dass schon ein Wechsel zwischen dem Bundes- und dem Landesdienst eine Aufgabe für höhere Mathematik geworden und kaum mehr möglich ist. Ich glaube, dass das nicht im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ist, sondern eine wesentliche Motivationsgrundlage ist, eine leistungsorientierte Belohnung zu haben und den Mitarbeitern auch die Flexibilität des Wechsels zwischen Systemen zu ermöglichen, ohne dass sie Rechte, die sie bereits erworben haben, verlieren.

Das ist unsere Zielsetzung in diesem Bereich. Ich glaube, dass das einer der ganz entscheidenden Bereiche ist, dass wir für entsprechende Regelungen sorgen, darüber hinaus auch Unge


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rechtigkeiten und Ungleichheiten zwischen Beamten und Vertragsbediensteten entsprechend ausgleichen und eine Harmonisierung des Pensionssystems herbeiführen, weil ich sehr nachhaltig der Meinung bin, dass der österreichische Arbeitsmarkt nur dann wirklich funktionsfähig sein wird, wenn es gleiche Spielregeln für alle auf diesem Arbeitsmarkt gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Alfred Schöls: Wir eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Welche Maßnahmen sehen Sie vor, um in bestimmten Bereichen des öffentlichen Dienstes, die von einem Wegfall von Aufgaben besonders betroffen sein werden, personelle Vorkehrungen zu treffen? – Ich denke dabei ganz konkret an Sozialpläne.

Präsident Alfred Schöls: Frau Vizekanzlerin, bitte.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Bundesrätin! Wir haben im Zusammenhang mit Ausgliederungen von Einrichtungen aus dem Bundesdienst entsprechende Sozialpläne vorgesehen, die allerdings zeitlich befristet und nur auf den Bereich der auszugliedernden Einrichtungen beschränkt sind.

Ich bin der Meinung, dass ein generelles System von Sozialplänen nicht zielführend ist, sondern dass wir in Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Regelungen finden müssen, die bei Organisationsänderungen dort, wo es erforderlich ist, oder beim Wegfall von Aufgaben die Möglichkeit des Wechsels entweder in andere Bereiche des öffentlichen Dienstes oder, wie ich angesprochen habe, auch in die Privatwirtschaft vorsehen, ohne dass der betreffende Mitarbeiter mit Gesetzesfolgen konfrontiert ist, die zum Entfall seiner bisher erworbenen Pensionsansprüche oder anderer Ansprüche führen.

Ich glaube, dass das das wesentlich sinnvollere System ist und dass Sozialpläne nur dort zum Einsatz kommen sollen, wo es keine andere Möglichkeit gibt – aber auch dort natürlich nur in Absprache mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk gemeldet. – Bitte.

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Frau Bundesministerin! In welchem Ausmaß wirken sich diese Reformmaßnahmen auf die weiblichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst aus? In welcher Form sehen Sie Sozialpläne beziehungsweise Unterstützungsmaßnahmen für weibliche Beschäftigte im öffentlichen Dienst vor?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Die von mir genannten Maßnahmen wirken sich in keinem Fall negativ für Frauen im öffentlichen Dienst aus. Ganz im Gegenteil: Diese Bundesregierung hat eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, die für Frauen generell, aber damit natürlich auch für Frauen im öffentlichen Dienst wesentliche Vorteile bringen. Zum Beispiel: Die pensionsbegründende Anrechnung von Kindererziehungszeiten halte ich für einen ganz wesentlichen Fortschritt. Das Kindergeld ist eine derjenigen Maßnahmen, die für Frauen völlig neue und verbesserte Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bringen. Das gilt selbstverständlich für Frauen in der Privatwirtschaft genauso wie für Frauen im öffentlichen Dienst.

Die von Ihnen erwähnten Sozialpläne halte ich per se für keinen Vorteil für Frauen, sondern ganz im Gegenteil: Ich glaube, dass wir dafür Sorge zu tragen haben, dass Frauen die gleichen Aufstiegschancen und Karrieremöglichkeiten haben sollen wie männliche Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Ich kann für mein Ministerium in Anspruch nehmen, dass wir einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Frauen auch in leitenden Funktionen haben. Ich glaube, wir sind das Ministerium mit dem höchsten Frauenanteil – nicht nur generell, sondern auch in führenden Leitungsfunktionen des öffentlichen Dienstes. Das ist auch etwas, was eine wesentliche Zielset


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zung sein muss. Insofern glaube ich, dass wir, was Frauenförderung in diesem Bereich betrifft, ein besonderes Augenmerk darauf legen und das auch mit Fakten entsprechend belegen können. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Christoph Hagen gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wurden Sie von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst wegen des Vorruhestandsmodells für Exekutivbeamte bereits kontaktiert?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Bundesrat! Ich habe den Vorschlag für ein solches Modell den Medien entnommen. Er ist meinem Ministerium nicht zugeleitet worden, deswegen konnten wir uns auch nicht damit befassen.

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 1185/M, an die Frau Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Christoph Hagen, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1185/M-BR/01

Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Exekutivbeamten sind in Vorbereitung?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Wir haben eine ganze Reihe von Maßnahmen nicht nur in Vorbereitung, sondern auch in Umsetzung. Morgen steht in diesem Haus im Rahmen der Dienstrechts-Novelle eine ganze Reihe dieser Maßnahmen auch zur Beschlussfassung, die im Nationalrat schon beschlossen wurden. Ich möchte nur einige Schwerpunkte herausgreifen:

Ein für mich besonders wichtiger Bereich ist die Änderung des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetzes im Sinne einer Ausdehnung der Anspruchsberechtigung für die Betroffenen. Wir haben gerade anhand des tragischen Unfalles von zwei Exekutivbeamten auf der Südosttangente in Wien gesehen, dass die bisherige gesetzliche Regelung so eng gefasst war, dass in diesem konkreten Fall keine Anspruchsberechtigung für die Hinterbliebenen bestanden hätte. Ich habe in meinem Ressort eine Weisung erteilt, eine Auszahlung der Mittel aus diesem Fonds trotzdem vorzunehmen, weil ich diese Gesetzeslage für nicht vertretbar gehalten habe.

Wir haben das jetzt in der Richtung geändert, dass bei Arbeitsunfällen, die sich in Hinkunft im Zusammenhang mit den exekutivdienstlichen Pflichten ereignen, auch eine Anspruchsberechtigung für Hilfeleistungen aus diesem Gesetz vorgesehen ist.

Die Bevorschussung von Schmerzensgeld war ein langjähriges Anliegen der Exekutivgewerkschaften, auch unter dem Gesichtspunkt, dass Exekutivbeamte, die oft einen besonders gefährlichen Dienst zu verrichten haben, wenn sie verletzt werden, oft damit konfrontiert sind, dass selbst, wenn ihnen von Gericht Schmerzensgeld zugesprochen wird und sie einen Anspruch erwerben, dieser Anspruch nicht einbringlich ist. Ich halte es auch für eine Aufgabe des Bundes als Dienstgeber, den Beamten auch dieses Schmerzensgeld entsprechend zu bevorschussen beziehungsweise zu erstatten, wenn es nicht einbringlich ist.


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Wir haben darüber hinaus ein langjähriges Ärgernis beseitigt, was den Ausgleich der zeitlichen Inanspruchnahme von Exekutivbeamten vor Gericht betrifft, und haben auch dafür Sorge getragen, dass Exekutivbeamten, die besonders oft als Zeugen, aber auch sehr oft – auch ungerechtfertigt – als Beschuldigte geladen sind, dann, wenn ein Freispruch erfolgt, die Anwesenheit vor Gericht 1 : 1 als Freizeit abgegolten wird.

Wir haben darüber hinaus eine Milderung der Bezugskürzung bei längerem Krankenstand vorgenommen, weil eine Regelung getroffen wurde, die besonders die Exekutivbeamten negativ betroffen hat, weil Exekutivbeamte ein geringes Grundgehalt, aber viele Zulagen und Nebengebühren haben. Die Bezugskürzung war in diesem Fall daher unangemessen, und wir haben diese Regelung getroffen, um keine Ungerechtigkeiten zuzulassen und einen Zustand herzustellen, der die Exekutivbeamten in diesem Bereich nicht benachteiligt.


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Präsident Alfred Schöls:
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Exekutivbeamte sind in letzter Zeit zum Teil ungerechtfertigten Angriffen ausgesetzt. Planen Sie Maßnahmen zu ihrer Unterstützung?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Das ist völlig richtig, Herr Bundesrat! Wir waren in den letzten Monaten vermehrt damit konfrontiert, dass Exekutivbeamte im Zusammenhang mit ihren Einsätzen zum Schutz der Bevölkerung gegen gewalttätige Demonstranten sowohl bei Demonstrationen in Wien, zuletzt aber auch in Salzburg, körperlichen Attacken ausgesetzt waren, teilweise auch Verletzungen hinnehmen mussten und auf das Übelste beschimpft und bespuckt wurden. Das heißt, sie haben einen besonders schwierigen Dienst zu verrichten, sind bei diesem Dienst auch besonderen Belastungen ausgesetzt und auch oft mit Vorwürfen, sehr oft auch ungerechtfertigten Vorwürfen konfrontiert.

Mein Ministerium erarbeitet gemeinsam mit dem Innenministerium eine Regelung, die in diesem Zusammenhang eine Rechtsschutzversicherung für Beamte möglich macht beziehungsweise eine Bevorschussung oder Übernahme von Anwaltskosten durch den Bund als Dienstgeber für jene Beamte vorsieht, die zu Unrecht beschuldigt werden und sich vor Gericht verantworten müssen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Halten Sie es für denkbar, in den Geltungsbereich des nunmehr novellierten Wachebeamten-Hilfeleistungsgesetzes auch andere Beamte oder Vertragsbedienstete einzubeziehen, die auf Grund besonderer berufsspezifischer Gefahrenmomente zu Schaden oder vielleicht gar ums Leben gekommen sind?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Ja, Herr Bundesart, ich halte das für möglich. Wir arbeiten auch an entsprechenden Regelungen, besonders was die Hilfeleistung nach dem Auslandseinsatzgesetz betrifft. In diesem Fall gibt es Bereiche, bei denen MitarbeiterInnen des öffentlichen Dienstes in besonders gefährliche Situationen kommen können, daher arbeiten wir gemeinsam mit dem zuständigen Fachressort – das ist das Bundesministerium für Landesverteidigung –, dem Finanzressort, aber auch dem Bundesministerium für Inneres und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst an einer Regelung. Wir hoffen, im Herbst so weit zu sein, dass wir dem Parlament eine entsprechende Regierungsvorlage zur Beschlussfassung vorlegen können.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Herbert Thumpser gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Nachdem Sie die Frage vorher nicht beantwortet haben, möchte ich Sie fragen: Von welchen SchülerInnen aus welchen Schulen haben Sie Protestbriefe erhalten? (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich habe diese Frage an die zuständige Ressortministerin, Frau Unterrichtsministerin Gehrer, weitergeleitet, die auch für allfällige dienstrechtliche Konsequenzen, die sich aus dem Vorgehen der betroffenen Lehrer oder Direktoren ergeben, zuständig ist. Frau Bundesministerin Gehrer ist das zuständige Regierungsmitglied, sie wird sich dieser Sache annehmen, und deswegen habe ich auch ihr diese Informationen entsprechend weitergeleitet.

Präsident Alfred Schöls: Ich darf bei der Gelegenheit auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung verweisen, die vorsehen, dass die Zusatzfrage im Zusammenhang mit der Hauptfrage stehen muss. Ich tue mir bei allem Verständnis schwer, da den Zusammenhang zu sehen. (Bundesrat Thumpser: Verbesserung der Situation der Beamten!)

Ich komme nunmehr zur 5. Anfrage, 1188/M, an die Frau Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport.

Ich bitte Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Frau Vizekanzlerin! Meine Frage lautet:

1188/M-BR/01

Was hat die von Ihnen im März 2001 angekündigte Überprüfung aller Beschäftigungsverträge der Ministersekretäre in den Büros von freiheitlichen Ministern ergeben?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Auch das ist kein Gegenstand der Vollziehung meines Ressorts. Ich beantworte Ihnen die Frage aber selbstverständlich trotzdem gerne:

Sie wissen, dass es vorgegebene Arbeitsplatzbewertungen gibt, auch für Mitarbeiter der Kabinette in den einzelnen Ressorts. Diese Arbeitsplatzbewertungen werden auch eingehalten. Ich kann Ihnen für mein Ressort – denn nur dazu bin ich befugt – die entsprechenden genauen Angaben über die Gehälter machen. Die Spanne der Gehälter der Mitarbeiter meines Kabinetts bewegt sich zwischen 15 914 S und 89 607 S, das ist das höchste Gehalt in diesem Zusammenhang.

Ich kann Ihnen auch gerne, wenn Sie daran Interesse haben, aber ich möchte Ihre Zeit nicht zu sehr in Anspruch nehmen (Bundesrat Mag. Hoscher: Ganz lieb!), obwohl es eine sehr interessante Frage ist – ich sehe schon, dass Sie es hören wollen, also mache ich das gerne –, einen Vergleich der Kosten und der Zahl der Mitarbeiter mit den früheren Kabinetten der früheren Bundesregierung (Bundesrat Würschl: Nein, jetzt wollen wir wissen!) darlegen (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP), weil ich glaube, dass das sehr veranschaulicht, wie unterschiedlich diese Dinge gehandhabt werden. (Bundesrat Gasteiger: Sachaufwand!)

Ich vergleiche das Finanzministerium heute mit dem Finanzministerium früher, das heißt Finanzministerium Grasser mit Finanzministerium Edlinger. Herr Finanzminister Grasser hat in seinem Kabinett acht Mitarbeiter beschäftigt. Herr Finanzminister Edlinger hatte in seinem Kabi


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nett elf Mitarbeiter, also drei Mitarbeiter mehr als Grasser, beschäftigt. (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen.)

Die Höhe der Belohnungen ... (Bundesrat Mag. Hoscher: Das ist falsch! ...) Nein! Der Staatssekretär ist nicht eingerechnet. Nein, das ist falsch, Herr Kollege! Ich spreche nur und ausschließlich vom Kabinett des jeweiligen Finanzministers. Entschuldigen Sie, aber Sie können das gerne nachprüfen (Bundesrat Mag. Hoscher: Ja!): acht Mitarbeiter bei Grasser und elf Mitarbeiter bei Edlinger.

Überstunden in der Zentralleitung ... (Bundesrat Manfred Gruber: Frau Vizekanzlerin! Das war nicht die Frage!) Ich weiß schon, dass das sehr unangenehm ist, Herr Kollege, aber Frau Kollegin Trunk hat mich gefragt, wie es in den freiheitlichen Kabinetten aussieht. Ich sage Ihnen das jetzt. (Bundesrat Manfred Gruber: Das war auch nicht die Frage, bitte!) Sie hat mich gefragt: Wie sind die Regelungen in den Kabinetten? – Überstunden in der Zentralleitung im Finanzministerium im Jahr 2000 unter Finanzminister Grasser: 19 161, Überstunden im Jahr 1998 in der Zentralleitung unter Finanzminister Edlinger: 33 719. (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) – Zum Mitschreiben für Frau Kollegin Trunk: 19 161 Überstunden unter Grasser, 33 719 Überstunden unter Edlinger.

Nachdem Sie nicht glauben sollen, dass das ein Einzelfall ist, haben wir auch in anderen Kabinetten diesen Vergleich angestellt, zum Beispiel im Verkehrsministerium, wobei man noch hinzufügen muss, dass das Verkehrsministerium unter Frau Bundesministerin Forstinger ein wesentlich größeres Ressort ist, weil es mehr Agenden umfasst, als das seinerzeit unter Einem der Fall war. (Bundesrätin Mag. Trunk: Wissenschaft und Forschung!) Stand der Mitarbeiter im Kabinett der Frau Ministerin Forstinger: 15 Mitarbeiter, Kabinett Einem seinerzeit: 19 Mitarbeiter. (Oje-Rufe bei den Freiheitlichen.) Im Kabinett des Ministeriums Forstinger ist ein Beamter tätig, bei Einem waren es fünf Beamte, Forstinger hat drei Vertragsbedienstete, Einem sieben Vertragsbedienstete. – Ich könnte das jetzt noch sehr lange fortsetzen, ich möchte Sie aber nicht zu sehr quälen. Sie können für jedes einzelne Ressort von mir (Bundesrat Manfred Gruber: Frau Vizekanzlerin! Sie haben das Thema verfehlt!) sehr gerne den Vergleich von damals und heute, vorher und nachher haben, und er wird leider Gottes immer zu Ihren Lasten und zu unseren Gunsten ausgehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Frau Vizekanzlerin! Angesichts der Nichtbeantwortung meiner Frage und des Herstellens von Vergleichen, die unvergleichbar sind (Bundesrat Mag. Hoscher: Machen wir eine Dringliche!), weil Caspar Einem beispielsweise das Wissenschaftsministerium dazu hatte, stelle ich meine Zusatzfragen.

Erstens: Wie erklären Sie sich die Weigerung der freiheitlichen Minister, vor dem kleinen Untersuchungsausschuss auszusagen, wenn alles in Ordnung ist? Zweitens: Wie viele zusätzliche Mitarbeiter hat das Sportreferat in der jetzigen Regierung? Wie viele Mitarbeiter hat Staatssekretär Finz?

Präsident Alfred Schöls: Ich verweise aber schon auf die Bestimmungen der Geschäftsordnung, die für die Fragestunde gelten. – Bitte, Frau Vizekanzlerin. (Bundesrat Mag. Hoscher: Sie will eine Antwort auf die Fragen!)

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Meine aufgeregten Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion! Ich habe die Frage sehr wohl beantwortet. Die Frage der Frau Bundesrätin Trunk hat nämlich gelautet: Was hat die Überprüfung der Beschäftigungsverträge ergeben? – Ich habe den Vergleich angestellt, und erst der Vergleich macht sicher. Deswegen liefert dieser Vergleich (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP) auch die Kennzahlen, nach denen wir das beurteilen können. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was mein Ressort betrifft, so bedanke ich mich ebenfalls für diese Frage. Mein Ressort ist, wie Sie wissen, aus der Zusammenlegung von einigen Agenden entstanden. Ich habe im Gegen


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satz zu all meinen Vorgängern in diesem Bereich kein eigenes Ministerbüro eingerichtet, sondern ich habe ein Kabinett mit der Besorgung sowohl meiner Aufgaben als Vizekanzlerin und damit der Regierungskoordination als auch mit den Aufgaben meiner Ressortverantwortlichkeit öffentliche Leistung und Sport eingerichtet. In meinem Kabinett sind sieben Referenten tätig. Sie können die Verwaltung gerne mit jenen meiner Vorgänger bis in die frühen fünfziger und sechziger Jahre vergleichen und werden kaum eine solch schlanke Ressortverwaltung wie meine finden.

Die Gehälter habe ich Ihnen schon offen gelegt. Wir haben in den überwiegenden Fällen, in denen keine extra Überstunden abgegolten werden, All-Inclusive-Verträge. Auch die Arbeitsleihverträge wurden als All-Inclusive-Verträge abgeschlossen, sodass in diesem Zusammenhang in meinem Ressort keinerlei annähernd vergleichbare Kosten entstehen, als das früher der Fall war. Wie gesagt, die Tatsache, dass ich im Gegensatz zu all meinen Amtsvorgängern gar keine eigenes Ministerkabinett eingerichtet habe, hat zu einer entsprechenden Einsparung im personellen Bereich geführt. Ich habe auch wesentlich – ich sage das der Vollständigkeit halber hinzu –weniger Mitarbeiter, als das früher zum Beispiel Staatssekretär Wittmann oder auch Frau Staatssekretärin Prammer in ihren relativ kleineren Ressortbereichen hatten. Herr Staatssekretär Wittmann hatte wesentlich mehr Mitarbeiter. (Bundesrat Gasteiger: Sachaufwand!)

Was die Zahl der Mitarbeiter des Herrn Staatssekretärs Finz betrifft, so würde ich Sie bitten, den Herrn Finanzminister oder den Herrn Staatssekretär selbst zu befragen. Sie werden verstehen, dass ich Ihnen diese Frage nicht aus dem Stegreif beantworten kann. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Präsident Alfred Schöls:
Zu einer Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Hösele gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Vizekanzlerin! Im Zusammenhang mit den Diskussionen um die Beschäftigungsverträge sind insbesondere auch die Arbeitsleihverträge debattiert worden. Meines Wissens hat der Rechnungshof im Vorjahr die Ministerbüros der letzten Legislaturperiode geprüft. Hat der Rechnungshof im Zusammenhang mit den Arbeitsleihverträgen grundsätzlich Kritik geübt?


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Präsident Alfred Schöls:
Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Der Rechnungshof hat, wie Sie richtig gesagt haben, die Ministerbüros der vergangenen Legislaturperiode geprüft, für die es eine sehr große Anzahl von Arbeitsleihverträgen in den verschiedenen Ressorts gegeben hat. Er hat in seinem Bericht vom Juni 2000 insbesondere darauf hingewiesen, dass für einen nicht im Bundesdienst stehenden Mitarbeiter, für den der Bund die Personalkosten trägt, eine dem Beschäftigungsausmaß und der Wertigkeit der Dienstleistung entsprechend freie Planstelle zu binden ist. Das ist einmal ein wichtiger Punkt.

Das heißt, der Rechnungshof hat angemerkt, dass der Abschluss von Arbeitsleihverträgen nur dann als gerechtfertigt angesehen werden kann, wenn er an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist. Das ist zum Beispiel das Binden an eine Planstelle, um eben keine versteckte Personalvermehrung in diesem Bereich zu ermöglichen, aber auch der Abschluss eines solchen Vertrages für einen begrenzten Zeitraum. Das ist ein besonders wichtiger Punkt, weil früher solche Arbeitsleihverträge oft unbefristet abgeschlossen wurden und daher – Frau Kollegin Trunk, das bitte ich Sie, vielleicht auch einmal zu überprüfen – zu besonders hohen Folgekosten auch für den Bund geführt haben. Das gibt es heute nicht mehr, denn wir wollen solche Folgekosten erst gar nicht entstehen lassen. Weiters erfolgt der Abschluss eines solchen Vertrages beschränkt auf eine besondere, fachliche Funktion. Nur unter diesen Voraussetzungen wird von Ministern dieser Bundesregierung ein solcher Arbeitsleihvertrag in Anspruch genommen.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach gemeldet. – Bitte.

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Nachdem die Logik der Hauptfrage in die Richtung geht: Wann beginnt die Bundesregierung ebenfalls zu sparen, so wie sie es von der Bevölkerung fordert?, richte ich folgende Frage an Sie: Warum werden in den Ministerien legistische Arbeiten, Gesetzentwürfe nicht mehr von den sachkundigen Beamten erstellt, sondern warum geht die Regierung vermehrt den Weg, solche Gesetzentwürfe, etwa beim Gesetz betreffend den Hauptverband oder beim Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, für viel Steuergeld von privaten Kanzleien machen zu lassen? (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Ich kann das nur für meinen Ressortbereich beantworten: In meinem Ressortbereich werden alle Gesetzesvorlagen ausschließlich von den dafür zuständigen und hoch qualifizierten Beamten vorbereitet und ausgearbeitet. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage, 1183/M, an die Frau Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Walter Grasberger, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Meine Frage lautet:

1183/M-BR/01

Wann werden Sie dem Parlament konkrete Vorlagen zur Umsetzung der geplanten Verwaltungsreform vorlegen?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wir haben in den Verhandlungen über jenen Teil der Verwaltungsreform, der die Vereinfachung der Verwaltung zwischen Bund und Ländern betrifft, mit den Ländern einen Großteil der Agenden bereits im Konsens erarbeitet. Ein entsprechendes Verwaltungsreformgesetz wird jetzt vorbereitet und in den nächsten Wochen in die Begutachtung gehen.

Das ist eine sehr umfangreiche legistische Herausforderung, weil es sich zum einen um eine Deregulierung in fast 60 Materiengesetzen handelt, weil entsprechend der Empfehlung der Aufgabenreformkommission, aber auch der Vorschläge der Länder einige Gesetze überhaupt außer Kraft gesetzt werden sollen und weil wir zum anderen sicherstellen wollen, dass im Rahmen der Bezirkshauptmannschaft-neu durch das "One-Stop-Shop"-Prinzip eine entsprechende Erleichterung für den Bürger dadurch entstehen soll, dass es nur mehr eine Anlaufstelle für Verwaltungsverfahren gibt und auch die Instanzenzüge entsprechend verkürzt werden.

Die Mitarbeiter aller betroffenen Ressorts arbeiten unter Hochdruck an dieser Aufgabe. Das ist besonders für die legistischen Abteilungen in allen Ministerien eine riesige Aufgabe, aber wir sind zuversichtlich, dass wir in den nächsten Wochen bereits den Großteil dieser Reformmaßnahmen in die Begutachtung schicken können. Jene Bereiche, die noch zur Diskussion stehen und sich noch im Verhandlungsstadium befinden, sollen bis zum Monat September beziehungsweise Oktober so weit abgeschlossen sein, dass auch sie dann dem Parlament vorgelegt werden können.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Planen Sie dazu im Herbst einen Reform-Dialog?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Wir planen dazu im Herbst einen Reform-Dialog, weil wir der Meinung sind, dass sich diese Einrichtung insofern sehr bewährt hat, als sie allen sozialpartnerschaftlichen, aber auch sonst gesellschaftspolitisch relevanten Kräften die Möglichkeit bietet, sich an solch grundsätzlichen Themen aktiv zu beteiligen.

Wir haben den Reform-Dialog zur Verwaltungsreform 1 vor einigen Wochen abgehalten und haben sehr konstruktive Diskussionen geführt und auch Ergebnisse aus diesem Reform-Dialog erzielt. Wir wollen im Herbst nach Vorliegen sozusagen des Endergebnisses – wie ich Ihnen gesagt habe, es ist der Monat Oktober in Aussicht genommen – einen solchen zweiten Reform-Dialog mit dem endgültigen Ergebnis abhalten.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Gasteiger gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Frau Vizekanzlerin! Da sich die Zusatzfrage an die Hauptfrage knüpfen muss, frage ich Sie Folgendes:

Zum einen: Welchen Inhalt wird diese Vorlage der Verwaltungsreform haben? – Zum anderen: Welche Kosten werden entstehen? – Da meine ich aber nicht die Kosten der Staatsreform, so wie sie heute präsentiert werden mit 111 Millionen Schilling im Finanzministerium und 7,3 Millionen Schilling in Ihrem Ministerium. (Bundesrat Dr.  Aspöck: Das sind zwei Fragen!) Welche Kosten und welchen Inhalt werden diese Verwaltungsreform haben?

Präsident Alfred Schöls: Frau Vizekanzlerin, bitte.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich bitte Sie und die Kollegen Ihrer Fraktion um Verständnis, dass all die Fragen, die Sie betreffend anderer Ministerien an mich stellen, von mir nicht beantwortet werden können. Es steht Ihnen frei, sich jeden Minister hier zu einer Fragestunde einzuladen. (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. ) – Den Teil, der mich betrifft, beantworte ich gleich, aber ich möchte schon sagen, dass es Ihnen frei steht, jeden Minister, den Sie befragen wollen, einzuladen. Heute wollten Sie mich in der Fragestunde befragen, also kann ich Ihnen auch nur zu den Angelegenheiten meines Ressorts entsprechende Auskünfte geben.

Was die Beratungskosten in meinem Ressort betrifft, so sehen Sie, dass sie außerordentlich gering sind und wir das nur in den Fällen in Anspruch nehmen, in denen eine fachmännische externe Expertise notwendig ist, zum Beispiel im EDV-Bereich, bei dem es notwendig ist, im Zusammenhang mit Vernetzungen auch mit externen Stellen ein entsprechendes Know-how in Anspruch zu nehmen.

Der Inhalt der Verwaltungsreform, den ich Ihnen gerne erläutere, besteht in erster Linie darin, dass wir eine bürgerfreundliche Verwaltung sicherstellen wollen, in deren Rahmen dem Bürger die Möglichkeit geboten wird, an einer Stelle seine Behördenwege zu erledigen – das ist in diesem Fall die Bezirkshauptmannschaft, das heißt, dass es nicht mehr diesen Marathonlauf von Stelle zu Stellen geben wird. Die Instanzenzüge werden entsprechend verkürzt, und damit wird auch die Verfahrensdauer deutlich verkürzt – das ist besonders in Fragen der Standortpolitik ein ganz wichtiger Faktor, der auch der Rechtssicherheit besser entspricht, als das bisher der Fall ist.


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Der Deregulierung im Sinne der Eindämmung der Gesetzesflut und der Überregulierung in vielen Bereichen wird entsprechend Rechnung getragen, und darüber hinaus wird – das sind jene Maßnahmen, die wir mit den Ländern verhandeln – der Bund natürlich in seinem eigenen Wirkungsbereich entsprechend einschneidende Reformmaßnahmen zur Senkung der Kosten im Bereich der Verwaltung der Zentralstellen entsprechend sicherstellen, die ich auch gerne im Detail erläutern kann, aber nachdem die Fragestunde schon einige Zeit in Anspruch nimmt, werde ich versuchen, mich kurz zu fassen. (Bundesrat Gasteiger: Wir haben Zeit!) – Sie haben Zeit, ich habe auch Zeit, also sage ich es Ihnen gerne. Ich bin froh, wenn ich das darstellen kann.

Im Bereich der Bundesverwaltung ist ein sehr umfangreiches Verwaltungsreform- und -innovationsprogramm im Gange, das sich die Reform des Beschaffungswesens zum Ziel gesetzt hat – etwas, was auch im Parlament schon beschlossen und auch in diesem Haus schon diskutiert wurde –, entsprechende Kostenersparnisse bei den Ausgaben dadurch sicherzustellen, dass der Bund als Zentraleinkäufer bei verschiedenen Produkten, Produktbereichen auftritt und dadurch auch entsprechende Kostenreduktionen erwirkt.

Eine Reform des Buchhaltungswesens des Bundes ist gerade in Arbeit, die sicherstellen soll, dass im Rahmen dieser Verwaltungsbereiche entsprechende Einsparungen vorgenommen werden. Es gab in den vergangenen Jahrzehnten Vorgänger-Regierungen, die – für mich völlig unverständlich – Strukturen geschaffen haben, die dazu geführt haben, dass es etwa 90 verschiedene Bundesbuchhaltungen auf das ganze Land verteilt gibt. Das ist etwas, was man unter ökonomischen Gesichtspunkten niemandem wirklich erklären kann – deswegen die Zusammenfassung mit der EDV-Reform in diesem Bereich und damit eine deutliche Kostenreduktion und -entlastung für den Bürger in diesem Bereich.

Wir haben im Bereich von e-Government eine ganze Fülle von Maßnahmen: die Ausweitung des Amtshelfers "help.gv" im Sinne dessen, dass der Bürger nicht nur – so wie bisher – einen Amtswegweiser vorfindet, sondern auch Behördenerledigungen interaktiv vornehmen kann. Wir haben dafür gesorgt, dass auch jene Menschen, die keinen direkten Internetzugang haben, nicht benachteiligt werden, und haben in Zusammenarbeit mit den österreichischen Trafiken und mit dem Trafikenverband das so genannte Trafik-net ins Leben gerufen, das sicherstellen soll, dass auch Menschen, die zu Hause keinen Internet-Zugang haben, an einer Stelle möglichst nahe ihres Wohnortes diese Dienste möglichst kostengünstig in Anspruch nehmen können. Wir sind diesbezüglich auf einem guten Wege.

Wir haben mit e-Business zusammen mit dem Wirtschaftsministerium und auch mit der Bundeswirtschaftskammer und anderen Einrichtungen der Wirtschaft erreicht, dass wir Geschäftsvorgänge – Gewerbeanmeldungen, Gewerbeummeldungen und viele andere Vorgänge in diesem Bereich – schon interaktiv über das Netz abwickeln können. Wir sind sehr viel weiter als viele andere europäische Staaten in diesem Bereich. Besonders was den Lissabon-Prozess und die Zielsetzungen der Europäischen Union in dieser Hinsicht betrifft, kann sich Österreich mit seinen Maßnahmen, die wir in diesem Bereich gesetzt haben, durchaus sehen lassen.

Wir haben darüber hinaus eine Reform der Kosten- und Leistungs-Rechnung in der öffentlichen Verwaltung in Arbeit, die bis zum nächsten Jahr abgeschlossen und auch umgesetzt werden soll, so wie das auch in modernen Wirtschaften der Fall ist, wie es in anderen europäischen Staaten schon der Fall ist. New Public Management in diesem Bereich, auch durchaus nach Schweizer Vorbild – das kann man nicht 1 : 1 übertragen –, führt dazu, dass es zu entsprechenden Kostenersparnissen in diesem Bereich kommt.

Wir glauben, dass all das Maßnahmen sind, die dazu dienen, nicht nur Verwaltungskosten, die nicht der Leistungsverbesserung dienen, einzusparen, sondern – im Gegenteil – auch die Leistungsverbesserung für den Bürger unmittelbar spürbar zu machen, indem er kürzere, schnellere Amtswege hat, indem der Bürger vom Staat nicht mehr als Untertan, so wie früher und unter Ihrer Regierung, sondern als Kunde, als Service-Kunde des Staates betrachtet wird. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Das ist unsere Zielsetzung bei der Verwaltungsreform. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)


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Präsident Alfred Schöls:
Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Nittmann gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Vizekanzlerin! Kollege Gasteiger hat meine Frage zum Teil schon vorweggenommen – ich stelle sie trotzdem:

Keine Bundesregierung seit Bruno Kreisky hat dem Land einen derartigen Reformschub gebracht wie diese. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) An welchen weiteren Reformmaßnahmen im Verwaltungsbereich arbeitet die Bundesregierung zurzeit?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Neben den von mir schon genannten Projekten arbeiten wir insbesondere in den einzelnen Ressorts an Maßnahmen zur Leistungsverbesserung für den Bürger in verschiedensten Bereichen. Besonders das Justizministerium ist sehr innovativ mit Projekten im EDV-Bereich. Das elektronische Grundbuch, das elektronische Firmenbuch – all das sind Maßnahmen, die sich im Interesse der Servicefreundlichkeit der Verwaltung entsprechend auswirken. So ist es auch in vielen anderen Ressortbereichen.

Die Reform der Support-Prozesse – das heißt, die Präsidialreform in den einzelnen Ministerien – ist im Gange. Ich möchte besonders zwei Ministerien hervorheben, nämlich das Bundesministerium für Landesverteidigung – der Verteidigungsminister hat eine sehr schlanke Organisationsform für dieses Ministerium gestaltet – und das Landwirtschaftsministerium des Herrn Bundesministers Molterer, in dem dasselbe der Fall ist, indem man nämlich in den Strukturen der Zentralverwaltung entsprechende Verschlankungen schafft, um genau das zu tun, was Herr Kollege Gasteiger angesprochen und zu Recht angesprochen hat, nämlich den Bürger dort zu entlasten, wo es bisher Doppel- und Mehrfachgleisigkeiten gegeben hat.

Die Verhandlungen, die wir mit den Ländern führen, haben in erster Linie die Zielsetzung, dort, wo es Doppel- und Mehrfachkompetenzen gegeben hat, die zu sehr langen Verwaltungsverfahren geführt haben, entsprechend zu verbessern. Der Bund gibt seine Mitwirkungsrechte in vielen Bereichen freiwillig auf. Wir haben in der Vergangenheit Beispiele gehabt, dass Tausende Akten in den Ministerien bearbeitet werden mussten, ohne dass es dafür eine Notwendigkeit gab, wie zum Beispiel im Forstgesetz. Da eine Verschlankung durchzuführen, die Kompetenzen eigenständig und autonom an die Länder zu übertragen, bringt eine schnellere und bürgerfreundlichere Verwaltung.

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 1189/M, an die Frau Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Thumpser, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1189/M-BR/01

Welche Bereiche des von Ihnen aufwendig propagierten Projektes "e-Government" konnten bisher zu welchen Kosten realisiert werden?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Dies ist ein Projekt, das nicht nur von mir propagiert wird, sondern das vor allem ein Auftrag der Europäischen Union aus dem Lissabon-Prozess ist, und zwar mit der Zielsetzung, in allen Bereichen – sowohl der Bildung, der Wirtschaft, aber auch der Staatsverwaltung – die Möglichkeiten der modernen Kommunikations- und Informationstechnologien zu nutzen.


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Den Amtshelfer "help.gv.at" habe ich schon erwähnt. Er ist in einem wesentlichen Erweiterungsprozess begriffen – in dem Sinne, wie ich das vorher schon geschildert habe. Es gibt die Einführung der Bürgerkarte, der Chipkarte als Möglichkeit des sehr einfachen und direkten Zuganges des Bürgers zur Verwaltung, so wie das in vielen anderen europäischen Ländern, zum Beispiel in den skandinavischen Staaten schon sehr erfolgreich der Fall ist.

Die Erstellung eines IT-Sicherheitshandbuches ist im Gange, weil uns das ein besonders wichtiges Anliegen ist, die Datensicherheit auch in diesem Bereich entsprechend sicherzustellen. Die Umsetzung des elektronischen Aktes in allen Bundesministerien und damit auch die Schaffung der Möglichkeit, einen Akt gleichzeitig an mehreren Stellen bearbeiten zu können und die Verfahren dann entsprechend zu verkürzen, ist ein ganz wichtiger Bereich in diesem Zusammenhang.

Der ECDL, der Europäische Computer-Führerschein ist, wie ich meine, ein besonderes Projekt, das sowohl im Bildungsbereich für Lehrer wie auch für Schüler einen besonderen Input gibt, das wir aber auch für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes geöffnet haben, um ihnen im Sinne der Verbesserung der Ausbildung und damit auch der Schaffung von mehr Karrieremöglichkeiten entsprechende Chancen zu bieten. Das wird von meinem Ministerium auch entsprechend unterstützt.

Im Bereich des Justizministeriums möchte ich, wie schon gesagt, das ADV-Grundbuch und das ADV-Firmenbuch hervorheben, im Bereich des Finanzministeriums die Umsetzung von Finanz-Online, das heißt, die elektronischen Anbringen an die Finanzverwaltung, aber auch Zoll-Online ist ein solches Projekt im Finanzministerium.

Im Bildungsministerium haben in der Zwischenzeit 17 000 Lehrer einen direkten Internet-Zugang. Das ist im europäischen Vergleich eine hervorragende Bilanz, die wir hier ziehen können und die auch eine Grundvoraussetzung ist, um den Schülerinnen und Schülern auch den Zugang zu diesen neuen Medien zu ermöglichen. (Bundesrat Thumpser spricht mit Bundesrat Kraml. ) – Wenn Sie Interesse an der Beantwortung Ihrer Frage haben, würde ich Sie um Aufmerksamkeit bitten. (Bundesrat Thumpser: Ich höre Ihnen zu!)

Im Bildungsbereich konnte den Lehrern der entsprechende Zugang ermöglicht werden, womit auch die Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Ausbildung der Schüler in diesem Bereich funktionieren kann.

Im Bereich des Wirtschaftsministeriums ist e-Business – das habe ich schon erwähnt – ein ganz wesentlicher Bereich, ein Standortvorteil, den wir auch gegenüber anderen haben, bei dem die Gründung von jungen Unternehmen, die Umwandlung von Unternehmen, die Übersiedlung von Unternehmen über das Internet entsprechend schneller und viel kostengünstiger als bisher vonstatten gehen kann. Ähnliche Projekte gibt es auch in vielen anderen Ressorts und Ministerien.

Im Innenministerium ist das Zentrale Melderegister zum Beispiel ein wichtiges Projekt, das die Verwaltung enorm entlastet und auch zu entsprechenden Einsparungen führt. (Bundesrat Gasteiger: Das nicht funktioniert!) – Das funktioniert schon, Herr Kollege! (Bundesrat Gasteiger: Nein!) Das wissen Sie vielleicht nicht, aber das funktioniert selbstverständlich schon hervorragend (Bundesrat Gasteiger: Ich weiß, dass es nicht funktioniert!), weil wir gerade im Bereich des Innenministeriums – das möchte ich jetzt schon einmal sagen – bei vielen Pilotprojekten in diesem Bereich, die auch schon aus der vergangenen Legislaturperiode stammen, hervorragende Ergebnisse haben.

Ich möchte gerade im Bereich des Innenressorts erwähnen, dass wir, was das Pass- und Meldewesen betrifft, besondere Projekte haben. Das Passamt Liesing ... (Bundesrat Konecny: Wieso? Wird es noch einmal teurer!) Herr Kollege! Das Kommissariat Liesing in Wien zum Beispiel ist eine jener Stellen gewesen, die von sich aus ein Projekt entwickelt haben, dass ein Pass innerhalb weniger Stunden ausgestellt werden kann. Das ist ein hervorragendes Projekt, das hat Vorbildwirkung für andere Bereiche der Bundesverwaltung, und deswegen werden wir


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das in anderen Bereichen mit Unterstützung der engagierten und innovativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch entsprechend erfolgreich umsetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ein umfangreiches Projekt haben Sie jetzt dargestellt. Meine Zusatzfrage dazu lautet: Welche Kosten sind bisher in dieses Projekt geflossen?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Die Kosten, die entstehen, muss man natürlich im Zusammenhang mit den Einsparungen sehen, die diese Dinge bringen, denn die elektronische Verwaltung hat in erster Linie einen Einsparungseffekt. Das können Sie nicht nur in Österreich, sondern an allen internationalen Beispielen nachvollziehen. (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. ) – Wenn Sie mich ausreden lassen, Herr Kollege, beantworte ich die Frage gerne, aber Sie gestatten mir, dass ich es so beantworte, wie ich es für richtig halte.

Ich halte es für richtig, Ihnen zu sagen, dass der Einsparungseffekt das zentrale Anliegen bei diesen Dingen ist. Die Kosten, die für den Amtshelfer Help-Online entstehen – das ist der einzige Bereich, der in meinem Ressort angesiedelt ist und den ich Ihnen auch beantworten kann –, beläuft sich auf 15 Millionen Schilling im Jahr. Das ist im Übrigen ein Projekt, das von der Vorgänger-Regierung auch entsprechend eingesetzt und, wie ich meine, zu Recht auch umgesetzt wurde und das wir jetzt im Sinne der interaktiven Kommunikation ausbauen.

Die Einsparung, die dadurch entsteht, Herr Kollege, ist ganz einfach, und ich nehme an, Sie selbst können sich das auch entsprechend vorstellen. Wenn wir es schaffen, dass möglichst viele Amtswege online abgewickelt werden können, sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den einzelnen Amtsstellen entsprechend entlastet und können sich sehr darauf konzentrieren – das ist das Modell, das in anderen Staaten schon sehr erfolgreich umgesetzt wurde –, die Aufgabe zu erfüllen, die die wichtigste ist, nämlich die Beratungs- und Servicetätigkeit für den Bürger. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ram gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Geschätzte Frau Vizekanzlerin! Welche Maßnahmen zur Verbesserung der IT-Koordination wurden von Ihnen gesetzt?

Präsident Alfred Schöls: Frau Vizekanzlerin, bitte.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Es gibt natürlich die Herausforderung, dass wir die IT-Angelegenheiten zwischen den einzelnen Ressorts und den nachgeordneten Dienststellen entsprechend zu koordinieren haben, damit auch ein reibungsloses Funktionieren und ein entsprechender Informationsaustausch interaktiv möglich ist. Wir haben deswegen die Einrichtung eines IKT-Boards beschlossen, das dergestalt funktioniert, dass jedes Ressort einen IT-Mitarbeiter aus seinem Bereich in diese Gruppe entsendet, um auch hier die gegenseitige Information und Koordination optimal sicherstellen zu können. Das ist kein externer Beratervertrag – das sage ich gleich vorsorglich für die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion, damit sie keine Anfrage stellen müssen –, sondern das ist eine Zusammenarbeit der einzelnen Ressorts miteinander – mit der Zielsetzung, eine entsprechend optimale Koordination sicherzustellen. (Bundesrätin Schicker: Frau Vizekanzlerin! Es tut weh, Ihnen zuzuhören! – Zwischenruf des Bundesrates Thumpser. )

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.


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Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon
(ÖVP, Steiermark): Frau Vizekanzlerin! Sie haben schon ausführlich dargelegt, dass e-Government natürlich auch im Bereich der Europäischen Union eine wesentliche Zielsetzung ist. Wo liegen die Stärken und Verbesserungspotenziale Österreichs im Vergleich zu den anderen europäischen Staaten?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 42

Präsident Alfred Schöls:
Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Österreich ist im europäischen Vergleich, was zum Beispiel den Amtshelfer betrifft, führend. Es gibt viele europäische Staaten, die zu uns kommen und dieses Modell von unseren Mitarbeitern auch übernehmen. Im e-Business-Bereich sind wir sicher sehr weit vorne. Im Bildungsbereich, so glaube ich, wird es sehr wesentlich davon abhängen, dass wir uns im europäischen Kontext auch auf dem Niveau der anderen Mitgliedsstaaten bewegen, um den Austausch gerade in diesem wichtigen Bereich und unseren jungen Menschen in den Schulen und Universitäten den internationalen Austausch zu ermöglichen.

Wo wir sicher noch einen Nachholbedarf haben, ist im Bereich der Bürgerkarte. Ich glaube, dass das ein Projekt ist, das, wie gesagt, besonders in den skandinavischen Ländern sehr erfolgreich umgesetzt wurde und für die Bürger eine große Erleichterung bringt, zum Beispiel in Form von Dokumentenladen, dass man bei den Ämtern nämlich nicht mehr diese dicke Mappe an Dokumenten vorlegen muss, sondern dass es eine codierte Dokumentenlade mit entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen gibt.

Die Österreichische Notariatskammer zum Beispiel arbeitet sehr intensiv an einem solchen Projekt, das ich auch für sehr zielführend halte und das wir uns auch gemeinsam zum Beispiel mit der Notariatskammer, der Rechtsanwaltskammer, aber auch anderen Stellen in diesem Bereich in der Umsetzung relativ rasch vorstellen können, sobald die Bürgerkarte umgesetzt ist.

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, 1184/M, an die Frau Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ager, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Liebe Vizekanzlerin! Um wieder auf den Sport zu kommen:

1184/M-BR/01

Welche Schwerpunkte setzen Sie für Frauen im österreichischen Sport?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Kollege! Wir haben eine Reihe von Förderungsmaßnahmen für Frauen im österreichischen Sport. Ich möchte sagen, dass es im Rahmen von "Top Sport Austria" keine Bevorzugung von Männern in irgendeinem Bereich gibt und wir alle Projekte, die eingereicht werden, mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit prüfen. Wir haben darüber hinaus aber auch noch ein spezielles Frauenförderungsprogramm im Spitzensport. Das betrifft Sportlerinnen, die nicht von "Top Sport Austria" gefördert werden können, weil sie das Leistungsniveau noch nicht erreicht haben, von denen aber anzunehmen ist, dass sie dieses Niveau für internationale Wettbewerbe erreichen werden.

Da gibt es entsprechende Förderungsmaßnahmen aus meinem Ressort. Ich kann Ihnen auch einige Beispiele nennen – das ist natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit –: im Bereich Badminton, Bob und Skeleton, Handball, Judo, Leichtathletik, Orientierungslauf, Rodeln, Schießen, Schwimmen, Tischtennis, Triathlon und natürlich Projekte der Sporthilfe und der Bundessportorganisation, die wir in diesem Bereich besonders mit der Zielsetzung der Frauenförderung unterstützen.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Nein.

Dann rufe ich Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk auf, die sich zu einer Zusatzfrage gemeldet hat. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Frau Vizekanzlerin! Welche Frauenfördermaßnahmen werden im Bereich der Existenzsicherung von Sportlerinnen gesetzt, weil es eine wesentliche Grundlage ist, unter welchen Lebens- und auch ökonomischen Voraussetzungen frau oder man Sport betreibt? Ist der zuständige Frauenminister seiner Aufgabenstellung gerecht geworden, und hat er Ihnen als Frauenminister entsprechende Empfehlungen oder Vorstellungen für Frauen im Sport präsentiert? (Bundesrätin Giesinger: Schon wieder zwei Fragen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Präsident Alfred Schöls: Ich möchte bitten, dass wir uns an die Geschäftsordnung halten. Frau Vizekanzlerin! Es liegt an Ihnen, ob Sie die nicht zulässige Zusatzfrage beantworten.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Ich beantworte auch diese nicht zulässige Zusatzfrage selbstverständlich gerne.

Ich weise Sie darauf hin, dass ich in meinem Ressort, aus den Mitteln meines Ressorts nur Frauensport fördern kann. Das ist ein Gesetz, das Ihnen hoffentlich bekannt ist, nach welchen Richtlinien Sportförderungsmittel vergeben werden können. In diesem Zusammenhang fördere ich Frauensport in meinem Ressort. Herr Bundesminister Haupt, Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Frauen, hat die Frauenförderung in seinem Verantwortungsbereich. Ich schlage daher vor – da ich weiß, dass das ein Thema ist, das Sie besonders interessiert –, dass Sie auch ihn einmal zu einer Fragestunde einladen. Aber ich kann Ihnen gerne versichern, dass der Herr Frauenminister im Bereich der Frauenförderung alles tut, was notwendig ist, um in diesem Bereich auch die Existenzsicherung von Frauen umzusetzen.

Die wichtigste Maßnahme, die er gesetzt hat, ist das von mir heute schon einmal erwähnte Kindergeld. Das ist eine Frage der Existenzsicherung von Frauen, der Einkommensverbesserung von Frauen, der Verbesserung der Chancengleichheit von Frauen durch die Vereinbarung ... (Bundesrätin Schicker: Wir reden von Sportlerinnen! Wir reden von Sportlerinnen! Existenzsicherung von Sportlerinnen!) – Frau Kollegin Schicker! Überstrapazieren Sie meine Geduld nicht! (Heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Trunk hat ausdrücklich darum gebeten, dass ich ihr eine Frage beantworte, die nichts mit meinem Ressort zu tun hat. Das versuche ich gerade zu tun, obwohl ich dazu nicht verpflichtet wäre. (Bundesrat Konecny: Sie hat eindeutig zum Sport gefragt! – Bundesrätin Schicker: Nur auf Sportlerinnen bezogen!)

Was den Sport betrifft, habe ich Ihre Frage beantwortet. Sie hat mir eine Frage im Zusammenhang mit der Frauenförderung aus dem Sozialministerium gestellt, die ich Ihnen jetzt auch beantwortet habe. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Wir nicht!)

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage. (Bundesrat Marizzi: Warum sind Sie denn so angerührt? – Das ist ja unwahrscheinlich! – Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Ich bin überhaupt nicht angerührt!)

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Vizekanzlerin! Ich bedanke mich, Sie haben die Fragen bereits ausführlichst beantwortet – über Ihre Kompetenz hinaus! Ich bedanke mich herzlich. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage, 1186/M, an die Frau Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport.


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 43

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Vizekanzlerin! Meine Frage lautet:

1186/M-BR/01

Welche Zielsetzungen verfolgen Sie mit dem Spitzensportprojekt "Top Sport Austria"?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Vizekanzlerin.


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 44

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer:
Herr Bundesrat! Das Projekt "Top Sport Austria" ist aus der Reform des früheren Spitzensportausschusses hervorgegangen – mit der Zielsetzung, hochqualitative Unterstützung für die Vorbereitung von Sportlern auf internationale Wettbewerbe und entsprechende Erfolge bei diesen Wettbewerben – zum Beispiel bei Olympischen Spielen, aber auch Weltmeisterschaften und Europameisterschaften – sicherzustellen. Das ist ein partnerschaftliches Projekt zwischen Sport, Kultur, Wirtschaft und meinem Ressort, das sicherstellen soll, dass es moderne Sportstrukturen gibt, qualifizierte Trainingsmethoden, aber auch die notwendige sportwissenschaftliche Begleitung in diesem Bereich und die Evaluierung von sportwissenschaftlichen Ergebnissen. Daher wurde das "Top Sport Austria"-Projekt auch mit einem wissenschaftlichen Beirat konstruiert, der sozusagen die Evaluierung aus der sportpolitischen Sicht wahrnimmt, und einem Finanzbeirat, der die Förderungsmaßnahmen umzusetzen hat.

Wir haben dieses Projekt gemeinsam mit den Ländern auch in der vor zwei Wochen stattgefundenen Landes-Sportreferenten-Konferenz diskutiert und werden es, wie ich meine, sehr erfolgreich zum Nutzen der österreichischen Sportlerinnen und Sportler umsetzen.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Nein.

Damit rufe ich für die nächste Zusatzfrage Herrn Bundesrat Georg Keuschnigg auf. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Frau Bundesministerin! Wie viele Mittel stehen für dieses Projekt in diesem Jahr zur Verfügung, und wie viele Projekte können damit gefördert werden?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Wir haben für dieses Jahr einen Mitteleinsatz – ich kann jetzt nur von Bundesmitteln sprechen – von derzeit noch rund 7,7 Millionen Schilling. Dazu kommen noch 2 Millionen Schilling aus den Mitteln der Sporthilfe plus die Förderungsmaßnahmen der Länder, die die Möglichkeit haben, sich an diesen Förderungsmaßnahmen für die Sportler aus ihren Bundesländern zu beteiligen. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben sichergestellt, dass die Abwicklung der Projekte möglichst rasch erfolgt, sodass die Sportler auch unmittelbar und sehr schnell direkt zu diesen Fördergeldern kommen, um ihre Trainingsvorbereitungen auf die internationalen Bewerbe und Veranstaltungen möglichst zeitgerecht und umfassend in Angriff nehmen zu können.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eine weitere Zusatzfrage wird von Herrn Bundesrat Binna gewünscht. Ich bitte ihn, die Frage zu stellen.

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Frau Vizekanzlerin! Um welche konkreten Projekte handelt es sich beim Modell "Top Sport Austria"?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, Frau Vizekanzlerin.

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer: Es handelt sich um eine Reihe von Projekten, die von den Vereinen und Verbänden in einer ganzen Reihe von Sportarten eingereicht werden; das ist die ganze Bandbreite des österreichischen Sports. Die Abwicklung dieser Projekte erfolgt dergestalt, dass der wissenschaftliche Beirat dieses Projekt prüft, die Förderungswürdigkeit dieses Projektes in einem Gutachten feststellt – es sind sechs unabhängige Wissenschaftler in diesem Beirat vertreten –, dann die Förderungswürdigkeit des Projektes in einem Gutachten bestätigt wird und der Finanzbeirat dann über die Höhe der Förderung entscheidet und die Länder natürlich eingeladen sind, diese Maßnahmen entsprechend zu unterstützen, was in fast allen Bundesländern auch entsprechend getan wird. Die Abwicklung ist, wie gesagt, rasch und unbürokratisch, weil das auch im Sinne der Sportler ist.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke.

Damit sind wir am Ende der Fragestunde angelangt.

Einlauf und Zuweisungen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Eingelangt ist ein Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend eine Ministervertretung.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens, das zur Kenntnis dient.

Schriftführerin Hedda Kainz: "Der Herr Bundespräsident hat am 13. Juli 2001, Zl. 300.100/52-BEV/01, folgende Entschließung gefasst:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Landesverteidigung Herbert Scheibner am 20. Juli 2001 beziehungsweise innerhalb des Zeitraumes vom 13. bis 15. August 2001 den Bundesminister für Justiz, Dr. Dieter Böhmdorfer mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen.

Für den Bundeskanzler: Ministerialrat Dr. Wiesmüller."

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Verlesung dieses Schreibens.

Eingelangt ist weiters die Anfragebeantwortung 1663/AB, die dem Anfragesteller übermittelt wurde. Die Anfragebeantwortung wurde vervielfältigt und ist bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingegangenen Anfragebeantwortung.

Eingelangt sind ferner jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Der Herr Präsident hat diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorbehandlung zugewiesen.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über den bereits früher eingelangten Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2001 betreffend Umweltmanagementgesetz und die ebenfalls früher eingelangten und zugewiesenen Sportberichte aufgenommen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

All diese Vorlagen hat der Herr Präsident auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.


Bundesrat
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Behandlung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es ist beabsichtigt, die Debatte über die Punkte 2 bis 4, 8 bis 10, 15 bis 17, 19 bis 28, 32 bis 36 sowie 42 bis 46 der Tagesordnung jeweils unter einem abzuführen.

Wir dagegen ein Einwand erhoben? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Ich gebe Ihnen weiters bekannt, dass die Sitzung über Vorschlag der Präsidialkonferenz nach dem Tagesordnungspunkt 30 unterbrochen und morgen Freitag, 20. Juli 2001, um 10 Uhr mit dem Tagesordnungspunkt 31 fortgesetzt wird.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Ankündigung von dringlichen Anfragen

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, dass mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Ferdinand Gstöttner und Genossen betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes an den Herrn Bundesminister für Inneres vorliegt.

Weiters liegt ein zweites Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Ferdinand Gstöttner und Genossen betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes an den Herrn Bundesminister für Justiz vor.

Gemäß § 61 Abs. 6 der Geschäftsordnung ziehe ich die dringliche Behandlung der beiden Anfragen zusammen. Die Zustimmung der unterzeichneten Bundesräte dazu liegt vor.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung dieser beiden dringlichen Anfragen an den Schluss der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Überdies gebe ich bekannt, dass ein weiteres Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Johanna Schicker und Genossen betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes an die Frau Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vorliegt.

Schließlich liegt noch ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Johanna Schicker und Genossen betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes an des Herrn Bundesminister für Finanzen vor.

Da auch diese beiden Anfragen in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen, wird die dringliche Behandlung der genannten Anfragen gemäß § 61 Abs. 6 der Geschäftsordnung zusammengezogen. Die Zustimmung der unterzeichneten Bundesräte dazu liegt vor.

Die Behandlung dieser beiden Anfragen wird unmittelbar im Anschluss an die Behandlung der beiden dringlichen Anfragen der Bundesräte Ferdinand Gstöttner und Genossen an den Herrn Bundesminister für Inneres beziehungsweise an den Herrn Bundesminister für Justiz erfolgen.

Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein.

1. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Pensionsgesetz 1965, das Nebengebührenzulagengesetz, das Richterdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienst


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 46

rechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Teilpensionsgesetz, das Verfassungsgerichtshofgesetz, das Poststrukturgesetz und das Bundesbahngesetz 1992 geändert werden sowie das Bundesbahn-Pensionsgesetz geschaffen wird (Pensionsreformgesetz 2001) (438/A und 699 /NR sowie 6372 und 6406/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zum 1. Punkt: Pensionsreformgesetz 2001.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Hensler übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Friedrich Hensler: Frau Vizepräsidentin! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus zu Gehör. Es geht darin generell um das Pensionsreformgesetz 2001. Ich konzentriere mich auf das Wesentliche:

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht über den Antrag, den der Ausschuss gestellt hat. Dieser Bericht des Ausschusses liegt Ihnen schriftlich vor.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Würschl. Ich bitte ihn, das Wort zu ergreifen.

10.36

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das vorliegende Gesetzeswerk wird von der Sozialdemokratie entschieden abgelehnt, weil darin vor allem drei Punkte für die österreichische Bevölkerung negativ zum Tragen kommen.

Erstens bedeuten diese Gesetzesnovellen großteils einen finanziellen Raubzug gegen die Österreicherinnen und Österreicher durch diese Bundesregierung, durch die Einheitspartei ÖVP und FPÖ.

Zweitens ist auffällig, dass vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum so genannten Handkuss kommen.

Und drittens bedeutet es eine wesentliche Verschlechterung für die Pensionistinnen und Pensionisten.

Der Berichterstatter hat soeben das Wort "Pensionsreformgesetz" in den Mund genommen, richtigerweise, um es nicht zu verfälschen, müsste es heißen "Pensionsraubzugsgesetz". (Beifall der SPÖ.)

Meiner Ansicht nach hat Herr Kollege Schöls heute in seiner Antrittsrede etwas an und für sich ganz Richtiges gesagt hat, indem er auf jene Österreicherinnen und Österreicher Bezug genommen hat, die nach dem fürchterlichen Austrofaschismus, nach dem Nationalsozialismus, dem Zweiten Weltkrieg dieses Österreich, so wie es heute dasteht, aufgebaut haben.

Das, was in diesem Gesetzeskonvolut zum Ausdruck gebracht wird, haben die älteren Menschen Österreichs nicht verdient!

Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Gesetz kommt es zu massiven Pensionskürzungen – etwas, das unsererseits, seitens der Sozialdemokratie, nicht kommentarlos hingenommen werden kann! Obwohl wir, sehr geehrte Damen und Herren, heute in einem Österreich leben, das, eingebettet in Europa – dort gibt es die gleichen Tendenzen –, ein steigendes Wirtschaftswachstum zu verzeichnen hat, gehen wir her und nehmen den Österreichern, die dieses Land aufgebaut haben, etwas weg.


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 47

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Verfassungsgerichtshof hat dieses Gesetzeskonvolut richtigerweise aufgehoben. Ich bedauere es außerordentlich, dass die Bundesregierung, die Einheitspartei, nicht die Chance, nicht die Zeit genützt hat, um diese so genannte "Reform" – unter Anführungszeichen – neuerlich zu überdenken, Schwächen abzubauen, die Abkassierensbestimmungen herauszunehmen, es tatsächlich zu verbessern. All das ist nicht geschehen!

Wir Sozialdemokraten, sehr geehrte Damen und Herren, haben klare Vorstellungen, wie ein Pensionssystem gestaltet werden soll.

Erstens hat das Pensionssystem durch eine entsprechende Beitragsleistung der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der öffentlichen Hand abgesichert zu werden. (Bundesrätin Giesinger: ... umgesetzt! – Bundesrat Weilharter: 30 Jahre Zeit gehabt! – Zwischenrufe der Bundesräte Dipl.-Ing. Missethon und Steinbichler. )

Zweitens – das habe ich schon ausgeführt, sehr geehrte Damen und Herren – haben es die älteren Menschen, unsere Großväter, unsere Großmütter, nicht verdient, durch diese Bundesregierung abkassiert zu werden.

Ich meine, sie haben ein Recht darauf, ihren Lebensabend entsprechend würdig abgesichert zu bekommen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Sie haben ... klare Vorstellungen! – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

10.40


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Pühringer. – Bitte.

10.40

Bundesrätin Uta Barbara Pühringer (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Frau Vizekanzlerin! Meine Damen und Herren! Kollege Würschl hat zu Recht angeführt, dass der Verfassungsgerichtshof die Reform, die wir im Vorjahr beschlossen haben, aufgehoben hat, aber nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern aus rein formalen. Wir müssen uns daher heute neuerlich damit befassen. Ich denke, dass sich die Argumentation der Fraktionen, die voriges Jahr vorgebracht wurde, nicht sehr geändert hat. Ich möchte jene meiner Fraktion, die dieses Gesetz befürwortet hat, heute nicht wiederholen, sondern mich zu zwei Punkten äußern, zu denen ich damals in meinem Redebeitrag hier an dieser Stelle sehr kritische Worte gefunden habe, zwei Punkte, die heute Gott sei Dank in abgeänderter Form vorliegen.

Erstens: Wir haben im Vorjahr den Wegfall des Abschlags bei vorzeitiger Pensionierung nach Dienstunfällen beschlossen, aber leider nur befristet. Ich habe in meiner Wortmeldung in Ihre Richtung, Frau Vizekanzlerin – Sie waren damals anwesend –, angemerkt, dass ich glaube, dass das nur eine Lücke im Gesetz war, und darum gebeten, dass man das bei nächster Gelegenheit repariert.

Wir haben heute die Gelegenheit dazu. Es ist nämlich vorgesehen – allerdings nicht jetzt beim Pensionsgesetz, sondern unter Punkt 40, unter dem wir das Dienstrecht behandeln –, diese Regelung nun unbefristet wirksam werden zu lassen. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt betrifft die Bezugskürzung um ein Drittel nach einem mehr als sechsmonatigen Krankenstand. Viele von uns haben – ich glaube, zu Recht – diese Härte nicht eingesehen, sie wurde nun im vorliegenden Entwurf wesentlich abgeschwächt. Die Kürzung wird jetzt rückwirkend nach 182 Kalendertagen – man hat also dieselbe Regelung vorgesehen wie für Vertragsbedienstete – auf 80 Prozent erfolgen, also auf jenen Prozentsatz, den man im günstigsten Fall bei Pensionierung erreichen kann.

Natürlich hätten wir es lieber gesehen, wenn die Kürzung wieder ganz gefallen wäre. Sie stellt aber sicherlich einen, so glaube ich, einsichtigen und begründbaren Kompromiss dar, und ich möchte mich bei allen, die sich sowohl auf parlamentarischer Ebene als auch in meiner Gewerkschaft darum bemüht haben, bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

10.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hagen. – Bitte.

10.43

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Vizekanzlerin! Hohes Haus! Ausgangsposition nach 30 Jahren SPÖ-Regierung waren leere Pensionskassen – kaum jemand geht in die Regelpension mit 60 bis 65 Jahren –, eine höhere Lebenserwartung – was positiv ist (Bundesrat Thumpser: Ich habe schon geglaubt, das ist auch etwas Schlechtes! – Heiterkeit bei der SPÖ)  – und Horrorszenarien für die Jugend. Man muss sich das einmal vorstellen: Im Jahre 2030 müsste ein Drittel der Bevölkerung Pensionsbeiträge zahlen und für die anderen zwei Drittel der Bevölkerung, die Pensionisten, aufkommen! Das ist für einen jungen Menschen wirklich ein Horrorszenario.

Auch wir Jungen wollen eine Pension. Schon vor zirka zwei, drei Jahren haben die Kollegen mit mir über die Pension diskutiert. In meinem Alter von 32 Jahren macht man sich noch nicht so viele Gedanken über die Pension, aber es gibt Kollegen, die dem Pensionsantrittsalter viel näher sind, und ich muss sagen, auch die jungen Kollegen haben zu mir immer gesagt: Wir bekommen ohnehin keine Pension mehr, und wenn wir überhaupt eine bekommen, dann eine Mindestpension. – Das war die Ausgangslage nach einer 30-jährigen SPÖ-Regierung. (Bundesrat Manfred Gruber: Aber es hat jeder eine Pension gekriegt in dieser Zeit!)  – Ich spreche von der Zukunft. (Zwischenruf des Bundesrates Würschl. )

Ältere Beitragszahler fragten mich, wo denn ihre Pensionsbeiträge geblieben seien, wenn die Pensionskassen leer sind. Diese Frage muss ich einmal der SPÖ stellen: Wo sind denn diese Pensionsbeiträge, die diese ältere Generation, die vom Herrn Kollegen Würschl angesprochen wurde, einbezahlt hat? Wo ist dieses Geld? Hat die SPÖ diese Beträge abkassiert? (Zwischenruf des Bundesrates Kraml. ) Hat die SPÖ diese Beträge abkassiert? Wo ist das Geld? (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Schicker: Sie wissen aber schon, dass es ein Umlagesystem gibt?)

Diese Leute haben einen Pensionsbeitrag einbezahlt, und der muss irgendwo geblieben sein. Wo ist dieser Betrag? – Das frage ich einmal die SPÖ. (Ruf bei der SPÖ: Sie sollten sich einmal mit dem System auseinander setzen! Dann brauchen Sie das Geld nicht zu suchen!)  – Nein! Das sind die Fakten. (Bundesrat Kraml: Sie haben das System nicht begriffen! – Bundesrätin Schicker: Frau Vizekanzlerin! Erklären Sie dem Kollegen, was ein Umlagesystem ist! Lebenslanges Lernen ist angesagt bei manchen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! SPÖ-ÖVP-Koalitionsverhandlungen vor zwei Jahren: Erhöhung des Pensionsantrittsalters! Man höre und staune: Erhöhung des Pensionsantrittsalters um zwei Jahre! Diese Regierung, diese FPÖ-ÖVP-Koalition, hat lediglich eine Erhöhung um eineinhalb Jahre beschlossen. Aber ich habe damals bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP keinen Aufschrei der Kollegen hier im Bundesrat gehört.

Ein zweites Beispiel: SPÖ-ÖVP-Koalitionsverhandlungen: Anhebung des Pensionsbeitrages um 1 Prozent. Das war für die SPÖ in Ordnung. Heute regt man sich über 0,8 Prozent Erhöhung auf und das ist plötzlich ein Skandal. Ich frage mich schon, mit welcher gespaltener Zunge die SPÖ spricht.

Nun zum angesprochenen Paragraphen 13c, welche für uns Exekutivbeamte – wir haben ein relativ hohes Verletzungsrisiko und einen körperlich stark belastenden Dienst – ein sehr großes Problem darstellte. § 13c wurde nun so geregelt, dass sich in den ersten sechs Monaten für die Beamten nichts ändert, und dass ab dem siebenten Krankenstandsmonat 80 Prozent des Grundgehaltes plus 80 Prozent der Nebengebühren vor der Erkrankung ausbezahlt werden.

Das ist in meinen Augen eine sehr vernünftige Lösung, für die ich im Namen der Exekutive der Frau Vizekanzlerin recht herzlich danken möchte. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Thumpser: Der Applaus hat sich aber in Grenzen gehalten!)


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679. Sitzung / Seite 49

Das meiste ist schon bei der Besprechung dieses Gesetzes im letzten Jahr gesagt worden. Ich möchte damit abschließen, dass die freiheitliche Fraktion diesem Gesetz natürlich sehr gerne zustimmen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Gasteiger: Logisch!)

10.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Klamt. – Bitte.

10.48

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Frau Vizekanzlerin! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wichtigkeit der längerfristigen Sicherung des Pensionssystems steht für mich außer Streit. Es ist ganz einfach akuter Handlungsbedarf gegeben. Unser lange gepriesenes Pensionssystem baut auf einem Generationenvertrag auf, der von der jungen Generation aufgekündigt werden wird, wenn nicht bald etwas geschieht. Stellen Sie sich vor, dass in nicht allzu ferner Zeit auf einen Beschäftigten eine Pensionistin beziehungsweise ein Pensionist kommen wird! Diese Rechnung kann nicht aufgehen, zumal auch in guten Zeiten keine Rücklagen gebildet wurden.

Auf lange Sicht wird kein Weg an einem Drei-Säulen-Modell – staatliche Pension, betriebliche Pensionskasse und Eigenvorsorge – vorbeiführen. Die im vorliegenden Gesetz vorgesehenen Änderungen sind positive Mosaiksteine in einem Gesamtmosaik, das uns noch sehr lange beschäftigen wird. Von einer echten Harmonisierung der Pensionssysteme, zum Beispiel von ASVG-Beschäftigten und Beamten, sind wir noch meilenweit entfernt. Ich warne von dieser Stelle aus vor einem Klassenkampf, geschützte Bereiche gegen ungeschützte Bereiche, der uns bevorsteht.

Die durchschnittliche monatliche Pension der Beamten in der Höhe von rund 30 000 S und die um rund 50 Prozent niedrigere monatliche Pension von ASVG-Beschäftigten beweisen, dass in den langen Jahrzehnten der SPÖ-dominierten Regierungen fürchterliche Ungerechtigkeiten entstanden sind, die nun von der neuen Regierungskoalition zumindest "entspannt" werden müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ein sehr steiniger, aber ein sehr notwendiger Weg, der im Sinne unserer Zukunft von allen Fraktionen gemeinsam gegangen werden müsste.

Als einer der in diesem Hause unterrepräsentierten Privatangestellten möchte ich Sie mit einem Vergleich für diese Thematik sensibilisieren. Schon die Anhebung des Pensionsantrittsalters trifft einen pragmatisierten Beamten anders als einen Beschäftigten der Privatwirtschaft. Manchmal habe ich den Eindruck, dass in diesem Haus von Beamten für Beamte Gesetze gemacht werden, dass man die Privatwirtschaft und all jene, die unter das ASVG fallen, dabei vergisst.

Für den Beamten bedeutet die Anhebung des Pensionsantrittsalters um eineinhalb Jahre, dass er zunächst einmal eineinhalb Jahre länger 100 Prozent seiner Bezüge bekommt. Ob er oder sie diese eineinhalb Jahre mit mehr oder weniger Leistung erfüllt, ist angesichts der stark gesicherten Arbeitsplätze bei den Beamten von relativ geringer Bedeutung. Ein Privatangestellter, der im fortgeschrittenen Alter seinen Job verloren hat und unvermittelbar ist, lebt vielleicht von der Notstandshilfe und wartet eineinhalb Jahre länger auf seine relativ niedrige ASVG-Pension. (Bundesrat Marizzi: Das können Sie alles ändern!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das muss man sich einmal vorstellen! Es ist sehr entwürdigend, was manche Leute erleben müssen. (Bundesrat Marizzi: Sie sind in der Regierung, Sie können alles ändern!) Jene Privatangestellte, die im fortgeschrittenen Alter noch einen Job haben, stehen unter einem sehr hohen Konkurrenzdruck und unter einem sehr starken Kündigungsdruck. Viele können diesem Druck nur schwer standhalten.

Harmonisierung bedeutet für mich: gleiche Rechte und Pflichten für alle Pensionisten und ein transparentes, für alle Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbares System. Ob die Pensionisten in ihrem aktiven Erwerbsleben selbständig oder unselbständig, ob sie Staatsdiener oder Staatserhalter, ob sie Akademiker oder Handwerker und so weiter waren, bleibt egal. Ihre messbare


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Leistung in der Pension ist eindeutig gleich zu setzen, sie ist nämlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, null! Damit muss der Pensionsbezug für alle nachvollziehbar die einbezahlten Beiträge widerspiegeln.

Es werden sich noch viele Versicherungsmathematiker den Kopf darüber zerbrechen müssen, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Lebenseinkommen, Abfertigung, Sicherheit des Arbeitsplatzes und so weiter sind zu bewerten! Die derzeitige Höchstbemessungsgrundlage im ASVG, nämlich 44 400 S, muss zum Maß der Dinge werden.

Ich werde diesen Tagesordnungspunkt mittragen, bin mir aber dessen bewusst, dass noch sehr viel Arbeit vor uns steht. – Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.54

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist nun die Frau Vizekanzlerin. – Bitte.

10.55

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Bundesrat Klamt hat richtigerweise angesprochen, dass es bei der Sicherung des Pensionssystems um die Garantie des Generationenvertrags geht, und zwar zum einen für diejenigen, die schon in Pension sind, und zum anderen für diejenigen, die heute im Erwerbsleben stehen und die Sicherheit und Garantie haben müssen, dass auch sie einmal eine Altersvorsorge haben werden.

Herr Kollege Würschl! Das ist genau das, was ich an Ihrer Argumentation eigentlich nicht verstanden habe. Sie haben gesagt, damit gäbe es eine drastische und dramatische Verschlechterung für die derzeit in Pension befindlichen Menschen. Ganz das Gegenteil ist der Fall, muss ich Ihnen sagen. Es wurde vielmehr in bestehende Pensionen bewusst – das war besondere Zielsetzung dieser Bundesregierung – nicht eingegriffen. In bestehende Pensionen wurde nicht eingegriffen (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP), und zwar deshalb, weil es sich hiebei um Menschen handelt, die dieses Land, wie Sie richtig gesagt haben, wieder aufgebaut haben und in einer sehr schwierigen Situation, unter sehr schwierigen Bedingungen im Arbeitsleben gestanden sind. Es war uns daher ein besonderes Anliegen, eine Gruppe in diesem Zusammenhang besonders zu berücksichtigen, die bei allen vorangegangenen Bundesregierungen eigentlich nie Beachtung gefunden hat, nämlich die Gruppe der Kriegsheimkehrer und der Spätheimkehrer, also jener, die lange in Kriegsgefangenschaft gewesen sind. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Es ist uns bewusst, dass es keine Regelung geben kann, die das Leid dieser Menschen wieder gutmacht, aber es ist eine Anerkennung, indem wir im Zusammenhang mit der Pension die besondere Leistung dieser Menschen und das besondere Leid, das sie erlitten haben, berücksichtigen.

Die moderate und stufenweise Anhebung des Frühpensionsalters um 18 Monate als Raubzug zu bezeichnen, Herr Kollege Würschl, ist deswegen ein bisschen verwegen, wenn Sie mir erlauben, das so zu sagen, weil – Herr Bundesrat Hagen hat das schon ausgeführt – in dem schon ausverhandelten Paktum zwischen der sozialdemokratischen Fraktion und der ÖVP, der schriftlich nachzulesen ist – Sie schütteln den Kopf, vielleicht haben Sie das nicht gelesen, aber es steht jedenfalls so darin –, eigentlich eine Anhebung ... (Bundesrat Würschl: Das interessiert uns nicht!) Mich interessiert das, was passiert wäre! (Bundesrat Manfred Gruber: Darum ist er ja nicht zu Stande gekommen!)

Die Menschen in diesem Land haben ein Recht darauf, zu erfahren, was die Alternative zu dieser Bundesregierung gewesen wäre! Die Alternative zu dieser Bundesregierung wäre eine Regierung von SPÖ und ÖVP gewesen. Auf Ihr Betreiben hin, auf jenes der damaligen Sozialministerin Hostasch (Bundesrat Manfred Gruber: Darum ist er ja nicht zu Stande gekommen!), ist in dieses Koalitionspapier eine Anhebung des Frühpensionsalters um volle zwei Jahre –


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nicht 18 Monate, sondern volle zwei Jahre! – aufgenommen worden! Wenn Sie 18 Monate als Raubzug bezeichnen, Herr Kollege Würschl, dann würde mich interessieren, was eine Anhebung um zwei Jahre ist! (Bundesrat Manfred Gruber: Frau Vizekanzlerin! Darum ist er ja nicht zu Stande gekommen!) Denn das, was Sie vorgehabt hätten, ist eine Anhebung des Pensionsantrittsalters um ein halbes Jahr mehr!

Auch die Anhebung des Pensionssicherungsbeitrages um 0,8 Prozent haben Sie als Raubzug bezeichnet. Das, was im schon ausverhandelten Paktum mit den Vertretern Ihrer Partei, also der damaligen sozialdemokratischen Regierungsmitglieder, vorgesehen war, war eine Anhebung um 1 Prozent, ein volles Prozent! Wenn 0,8 Prozent ein Raubzug sind, Herr Kollege Würschl, was ist dann eine Anhebung um 1 Prozent? Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht? – Das müssen Sie doch den Menschen in diesem Land erklären!

Was uns ein besonderes Anliegen im Zusammenhang mit dieser Pensionsreform war – vieles davon ist von meinen Vorrednern schon gesagt worden –, ist die Begünstigung jener, die lange Versicherungszeiten haben. Diese können wie bisher weiter ohne Abschläge in Pension gehen. Auch das ist etwas, was in Ihrem Pensionsreformkonzept nicht vorgesehen war. Bei Ihnen hätten jene, die lange gearbeitet haben, jene, die schon in früher Jugend zu arbeiten begonnen haben und lange Versicherungszeiten haben, diese Anhebung um zwei Jahre genauso gehabt. Das ist nun nicht der Fall, sondern diejenigen, die lange Versicherungszeiten haben, können so wie bisher, ungekürzt, in Pension gehen.

Die Anrechnung der Kindererziehungszeiten für Frauen bis zu fünf Jahre als pensionsbegründende Zeiten ist ein wesentlicher Fortschritt für die eigenständige pensionsrechtliche Absicherung von Frauen, die uns ein besonderes Anliegen sind.

Der Vollständigkeit halber sei – obwohl es eine Selbstverständlichkeit ist, aber angesichts Ihrer Wortmeldung muss es trotzdem noch einmal ausdrücklich betont werden – die Tatsache erwähnt, dass alle, die krank sind, selbstverständlich so wie bisher in Pension gehen können und keinerlei Verschlechterungen erfahren, weder was Abschläge noch was die Anhebung des Alters betrifft.

Auch die Wertsicherung mit Fixbeträgen ist ein interessanter Punkt, Herr Kollege Würschl! Wären wir den Vorschlägen der sozialdemokratischen Fraktion und den Vorschlägen Ihres Seniorenvertreters Karl Blecha gefolgt, dann hätte es eine Wertsicherung im Ausmaß einer prozentmäßigen Anpassung gegeben. Das hätte einen ganz klaren Effekt gehabt: Die kleinen Pensionsbezieher hätten wenig oder fast gar nichts bekommen, aber je höher das Pensionseinkommen, desto höher wäre die Wertanpassung gewesen.

Das – das sage ich Ihnen offen – ist ein Konzept, das wir nicht vertreten. Deswegen haben wir gesagt, mit Fixbeträgen stellen wir sicher, dass die Bezieher kleiner und mittlerer Pensionen eine entsprechende Einkommensverbesserung erfahren, und zwar zu Lasten der Bezieher hoher Pensionen. Dazu bekenne ich mich auch. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass sich gerade die Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion diesem Standpunkt angeschlossen hätten. Es wäre ihnen im Sinne der sozialen Gerechtigkeit gut angestanden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Das sind aus meiner Sicht die wichtigsten Punkte im Zusammenhang mit der Reform des Pensionssystems. Ich glaube, dass auch die Neuregelung des § 13c, wie sie Herr Bundesrat Hagen angesprochen hat, eine wichtige Maßnahme war – ich habe das schon erwähnt –, weil wir nicht zulassen können, dass sich Maßnahmen zu Lasten einer Gruppe im öffentlichen Dienst besonders auswirken.

Insgesamt halte ich es für einen Fortschritt, dass wir mit dieser Pensionsreform Regelungen gefunden haben, die gleichermaßen für den öffentlichen Dienst als auch für die ASVG-Versicherten gelten, weil ich glaube, dass das auch ein Schritt in Richtung Harmonisierung und Gerechtigkeit im Ausgleich zwischen den Pensionssystemen ist. Das wollen wir auch in Hinkunft entsprechend so halten, was ich heute schon ausgeführt habe. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.01


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

2. Punkt

14. Sportbericht 1997 (III-190-BR/99 sowie 6407/BR der Beilagen)

3. Punkt

15. Sportbericht 1998 und 15. Sportbericht 1998, 2. Auflage (III-196-BR/99 und Zu III-196-BR/00 sowie 6408/BR der Beilagen)

4. Punkt

16. Sportbericht 1999 (III-215-BR/00 sowie 6409/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 bis 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

14. Sportbericht 1997,

15. Sportbericht 1998 und 15. Sportbericht 1998, 2. Auflage sowie

16. Sportbericht 1999.

Die Berichterstattung über die Punkte 2 bis 4 hat Herr Bundesrat Thumpser übernommen. Ich bitte um die Berichte.

Berichterstatter Herbert Thumpser: Frau Vizepräsidentin! Frau Vizekanzlerin! Ich bringe Ihnen den Bericht des Ausschusses für öffentliche Leistung und Sport betreffend den 14. Sportbericht 1997. Der Bericht liegt schriftlich vor. Ich beschränke mich auf das Wesentliche.


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 53

Der Ausschuss für öffentliche Leistung und Sport stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Der Bericht des Ausschusses für öffentliche Leistung und Sport betreffend den 15. Sportbericht 1998 und den 15. Sportbericht 1998, 2. Auflage, liegt ebenfalls schriftlich vor.

Der Ausschuss für öffentliche Leistung und Sport stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Auch der Bericht des Ausschusses für öffentliche Leistung und Sport betreffend den 16. Sportbericht 1999 liegt schriftlich vor.

Der Ausschuss für öffentliche Leistung und Sport stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen in die Debatte ein, die, wie gesagt, über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Köberl. – Bitte.

11.04

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Vizekanzlerin! In der heutigen Sitzung liegen die Sportberichte der Jahre 1997, 1998 und 1999 vor.

Wie sagte doch der unvergessene Winston Churchill? "No sports"! Wie singt mit zynischem Unterton der Sänger Reinhard Fendrich? "Es lebe der Sport"! – So halten doch viele noch immer – und Gott sei Dank – Sport für die schönste Nebensache der Welt, ebenso die sportliche Begeisterung und auch die sportliche Aktivität.

Zurzeit findet das wohl bekannteste Radrennen der Welt statt, nämlich die Tour de France. Dort gibt es einen Passus, dass jemand bei Zeitüberschreitung aus der Wertung genommen werden kann. Wir haben in diesem Haus Glück, denn sonst wäre vielleicht der Sportbericht 1997 wegen Zeitüberschreitung aus der Wertung genommen worden. Es war nicht leicht, sich an die Sportereignisse aus dem Jahre 1997 zu erinnern.

Ich habe in der Vorbereitung zur heutigen Sitzung in den Sportberichten 1997 bis 1999 geschmökert. Der Großteil der Inhalte der einzelnen Teilbereiche hat sich kaum oder unwesentlich verändert. Es werden im Wesentlichen statistische Zahlen zu Vereinen, Sportlerinnen und Sportlern und eine Auflistung von Sportförderungen wiedergegeben.

Die Richtlinien für die allgemeine Sportförderung sind nach dem Bundes-Sportförderungsgesetz 1969 klar geregelt und festgelegt. Zwar ist der Sport nach Artikel 15 der Bundesverfassung in Gesetzgebung und Vollziehung Landesache, doch fördert der Bund den Sport auf Grundlage des Artikels 17 der Bundesverfassung nach der so genannten Privatwirtschaftsverwaltung. Die politische Zuständigkeit wanderte am 31. März des Jahres 2000 vom Bundeskanzleramt zum Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport, also zur Frau Vizekanzlerin.

Die Mittel für die Sportförderung betrugen im Jahre 1999 insgesamt zirka 707 Millionen Schilling im Gegensatz zu 593 Millionen Schilling im Jahre 1997, was doch eine erkleckliche Erhöhung darstellt. Die besondere Sportförderung, die aus den Mitteln der Sport-Toto-Einnahmen gewährt wird, betrug im Jahre 1999 440 Millionen und ist von 1997, 400 Millionen, über 1998, 420 Millionen, eben auf diese Summe angestiegen. Davon gingen 1999 zirka 95 Millionen an die einzelnen Fachverbände, beginnend vom Österreichischen Aero-Club bis hin zum Österreichischen Wasserskiverband.

148 Millionen – das ist der Löwenanteil, wenn ich das so bezeichnen darf – erhielt der ÖFB. Zirka 60 Millionen gingen jeweils an den ASKÖ, ASVÖ und die Union, zirka 14,6 Millionen gingen an das Österreichische Olympische Comité.

Die allgemeine Sportförderung umfasste Investitionsförderungen in der Höhe von etwa 130 Millionen Schilling. Die größten Brocken davon entfielen 1999 auf das neue Innsbrucker Tivoli-Stadion mit 54 Millionen, und es gab auch eine Vorfinanzierung für die Ski-WM in St. Anton mit zirka 39 Millionen.

Die sonstige Sportförderung belief sich auf 124,5 Millionen Schilling. Diese reicht von der allgemeinen Förderung an Sportverbände über Sportgroßveranstaltungen, Behindertensport, Frauenförderung, Spitzensportförderung und Trainerausbildungsförderung bis hin zu der für mich ganz persönlich wichtigen Nachwuchsförderung und der medizinisch sportwissenschaftlichen Betreuung.


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Die Kontrolle der so genannten Toto-Mittel erfolgte durch einen Kontrollausschuss. Es ist doch beachtlich, dass dieser Kontrollausschuss 1999 26 Sitzungen abgehalten hat.

Mit dem Bundesgesetz über die Neuorganisation der Bundessporteinrichtungen und mit der Änderung des Bundes-Sportförderungsgesetzes wurden die Grundlagen für die Ausgliederung der Bundessporteinrichtungen geschaffen. Mit Anfang Jänner 1999 übernahm die neu gegründete Gesellschaft die meisten bisherigen Bundessporteinrichtungen. Man kann eigentlich rückblickend sagen, dass diese Ausgliederungen durchaus sehr erfolgreich waren.

Ich habe mich dafür besonders interessiert, da sich in meiner oberösterreichischen Nachbargemeinde in Obertraun das Bundessport- und Freizeitzentrum Obertraun befindet und diese Anlage mit den neu adaptierten Indoor- und Outdoorbereichen als das "Mekka" – unter Anführungszeichen – der Sportanlagen im Salzkammergut gilt.

Zur Förderung des Leistungssports und der entsprechenden Nachwuchsausbildung leisten besonders die so genannten Leistungszentren sehr wertvolle Dienste. Das Sportleistungsmodell in der Südstadt ist richtungsweisend für viele ähnliche Modelle in den Bundesländern geworden. Dabei darf ich als Steirer besonders auch auf die Skihandelsschule in Schladming eingehen. Dort gibt es unterschiedliche Schultypen, die Spitzensportler von Rang und Namen hervorgebracht haben. Ich darf nur einige davon erwähnen: Renate Götschl, Michaela Dorfmeister, Alexandra Meissnitzer, Christian Mayer und Fritz Strobl waren alle Schülerinnen und Schüler der Skihandelsschule in Schladming.

Weitere Kapitel des Berichtes beschäftigen sich mit der Nachwuchsförderung, der Frauenförderung und der Trainerausbildung. Darauf folgen eine Auflistung über staatliche Auszeichnungen im Sport sowie eine detaillierte Übersicht über die erfolgreichen österreichischen Sportlerinnen und Sportler in den jeweiligen Jahren. Ich erinnere mich – und wahrscheinlich wir alle gemeinsam – noch besonders gut an die WM-Titel einer Renate Götschl, einer Alexandra Meissnitzer und eines Hermann Maier im Jahre 1999 im Super-G und in der Abfahrt sowie an den wohl unvergessenen Gewinn des Weltmeistertitels der 4 x 10 Kilometer-Staffel bei der Nordischen Ski-WM in der Ramsau. Das waren für alle, die das mitverfolgt haben, wahrscheinlich bleibende Eindrücke, positive Eindrücke des österreichischen Sports.

Im Kapitel "Internationale Angelegenheiten" wird das Wesentlichste über die europäische Zusammenarbeit im Sport aufgezeigt. Dass der Bereich Sport in unserer modernen Gesellschaft ein sehr vielschichtiges und vernetztes Anliegen geworden ist, zeigen auch die im Bericht enthaltenen Teilbereiche aus den einzelnen Ministerien.

Ich darf nur das Wichtigste herausgreifen:

Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten: Sport und Schule, Schulen mit sportlichem Schwerpunkt. Es gibt in Österreich 108 Sporthauptschulen, Schulen für Leistungssportler, Sportlehrwesen, Unfallverhütung, Bewegungserziehung und Schulsportbewegung.

Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr: Institute für Sportwissenschaften an den österreichischen Universitäten;

Bundesministerium für Landesverteidigung: Sportheereszentren und Heeresleistungssportzentrum.

Das Bundesministerium für Finanzen ist zuständig für die steuertechnischen Belange für Sportler und Vereine.

Beim Bundesministerium für Inneres geht es um die Überwachungsgebühren und die Einbürgerungen. Es ist sehr oft in den Medien zu lesen, dass auf Grund sportlicher Erfolge der Schritt der Einbürgerung gesetzt wird. Im Jahre 1999 war das insgesamt sechsmal der Fall, also eine Zahl, die die Relation klarstellt.


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Im Anschluss daran erfolgt im Sportbericht eine Auflistung der wichtigsten österreichischen Sportorganisationen und -vereine, beginnend mit der BSO, der Bundessportorganisation, die alle wesentlichen Teilverbände umfasst, über das Österreichische Olympische Comité bis hin zu den österreichischen Behindertensportverbänden und den österreichischen Lotterien, die in den 50 Jahren der Sportförderung insgesamt 8,6 Milliarden Schilling für den Sport aufgewandt haben.

Interessant war für mich auch die Vereinsstatistik. Nach den angemeldeten Vereinen sind die Fußballvereine mit 2 300 Vereinen und 387 000 Mitgliedern an erster Stelle. Raten Sie bitte, wer an dritter Stelle steht! Ich wäre selbst nicht draufgekommen, obwohl ich diesen Sport auch aktiv ausübe. Es sind die Eisstockschützen mit 1 837 Vereinen und insgesamt 118 000 Mitgliedern. (Zwischenruf des Bundesrates Binna. )  – Wir sehen uns im Winter wieder, Herr Kollege! (Heiterkeit.)

Ich glaube, der Stellenwert des Sports ist allgemein unbestritten. Er ist von der wichtigsten Nebensache zu einem wirtschaftlichen Faktor in Österreich geworden. Das Zugpferd Spitzensport ist, so glaube ich, für uns alle verständlich, wenn wir die sportlichen Erfolge der letzten Zeit sehen. Die so genannte Maier-Mania hat natürlich auch in der Schiindustrie Bewegung ausgelöst – Bewegung im positiven Sinn. Überhaupt sind Großveranstaltungen zu einem Wirtschaftsfaktor geworden.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an zwei steirische Großveranstaltungen, den Österreich Grand Prix der Formel 1 auf dem A1-Ring, der Hunderttausende nach Österreich lockt und einen Werbewert in Millionenhöhe bringt. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Schicker: Da zahlt das Land dazu! Das gehört Bernie Ecclestone!)

Ich erinnere mich auch ganz besonders gerne an die Skiflug-WM am Kulm in meiner Nachbargemeinde, wobei es Begeisterung bei allen gegeben hat, die dabei waren.

Ich darf noch ganz kurz den Erziehungswert des Sports ansprechen. In den Vereinen wird da Wesentliches für die Erziehung unserer Jugend geleistet. Es wird vor allem in Mannschaftssportarten dem Jugendlichen etwas geboten, was weit außerhalb des sportlichen Bereichs liegt. Dabei kann er etwas für das Leben mitnehmen.

Ich darf in diesem Zusammenhang sehr herzlich allen Vereinen und allen Funktionären, die dort ihre meist ehrenamtliche Tätigkeit ausüben, danken. Da werden viel Zeit, viel Energie und auch private Mittel eingesetzt, damit vor allem die jungen Sportler in den Vereinen ihren Sport ausüben können.

Viel Erfolg und eine weitere positive Entwicklung des österreichischen Sports wünsche ich uns allen, besonders aber den aktiven österreichischen Sportlern! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen sowie Beifall bei der SPÖ.)

11.15

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Binna. – Bitte.

11.15

Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Vizekanzlerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist für mich äußerst erfreulich, dass bei der heutigen gedrängten Tagesordnung doch für das Thema Sport Zeit ist.

Ich glaube, wir brauchen nicht darüber zu diskutieren, wie wichtig der Sport ist. Ich meine aber trotzdem, dass speziell der Breitensport immer mehr zur Nebensache wird. Für mich ist im Sport noch immer das Ehrenamt einer der wichtigsten Faktoren. (Bundesrat Steinbichler: In welchem Land ist das, wo der Sport zur Nebensache wird?)  – Ich werde das nachher noch beweisen. – Zirka 1,5 Millionen Stunden an ehrenamtlichen Leistungen werden wöchentlich vollbracht. Rechnet man diese Leistungen auf das Jahr hoch und dotiert sie mit 100 S, sind das Kosten in der Höhe von 7,6 Milliarden Schilling, die der Staat nicht finanzieren muss! Daher gilt


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mein besonderer Dank allen ehrenamtlichen Funktionären, die diese freiwilligen Leistungen erbringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Mein besonderer Dank gilt auch allen Dachverbänden, allen Vereinen und vor allem allen Sportlerinnen und Sportlern, die Österreich immer wieder speziell im Ausland bestens vertreten.

Bedanken möchte ich mich auch bei Hubert Neuper, dem ehemaligen Verantwortlichen der Sporthilfe, der es von 1997 bis 1999 geschafft hat, zirka 6 Millionen Schilling aus Großsportveranstaltungen in die Sporthilfe fließen zu lassen.

Ein wichtiges Thema ist auch Sport und Gesundheit. Viel diskutiert werden immer die Kosten der Sportverletzungen, die derzeit zirka 4,1 Milliarden Schilling ausmachen. Die Kosten derjenigen, die aber überhaupt keinen Sport betreiben, machen derzeit zirka 7,8 Milliarden Schilling aus. Der Hauptanteil dabei sind mit 37 Prozent Herzkrankheiten, die auch zum Tod führen können, ein zweiter großer Anteil sind Rückenleiden und Bandscheibenvorfälle mit 26 Prozent.

Das Ministerium für soziale Sicherheit und Generationen hat daher eine Studie mit dem Titel "Sport und Gesundheit" in Auftrag gegeben, die von den Dachverbänden durchgeführt wurde. Dabei werden Sportler in drei Gruppen erfasst: die Gruppe drei, die einmal bis zweimal im Monat Sport betreibt, die Gruppe zwei, die ein- bis zweimal in der Woche Sport betreibt, und die Gruppe eins sind aktive Sportler.

Die Gruppe eins umfasst zirka 18 Prozent, die Gruppe zwei 22 Prozent und die Gruppe drei 60 Prozent.

Gäbe es durch Bewusstseinsbildung Aktionen, wie es sie mit "Fit mach mit" oder heuer im Frühjahr mit "Leichter leben" gegeben hat, die selbstverständlich auch Kosten verursachen, und gelänge es, von der Gruppe drei 50 Prozent in die Gruppe zwei zu bringen, würde das eine Einsparung in der Höhe von 11,5 Milliarden Schilling bringen.

Ich weiß, dass diese Kosten nicht messbar sind. Da von dieser Studie aber leider nichts zu hören ist, stelle ich die Vermutung an, dass sie in irgendeiner Schublade liegt. Wir könnten uns sonst die Reform des Hauptverbandes ersparen und würden auch nicht über Pflichtversicherung oder Versicherungspflicht diskutieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiteres Thema ist das Thema Schulsport. 23 Prozent aller Kinder, die in die Schule eintreten, weisen Haltungsschäden auf. Bei den Schulabgängern mit 14 bis 15 Jahren sind es schon 66 Prozent.

Frau Vizekanzlerin! Sie schreiben in der Einleitung zum Sportbericht 1999, wie wichtig Sport im Kindergarten und im Pflichtschulalter sei. Ich möchte dazu ein Beispiel aus dem Bezirk Liezen bringen. Mit dem Schuljahr 2001/02 werden zirka 1 000 Unterrichtsstunden gestrichen, und es liegt für mich die Vermutung nahe, dass davon auch Turnstunden betroffen sein werden. Die Haltungsschäden werden sich noch mehr verschlechtern und dadurch mehr Kosten verursachen. Der umgekehrte Weg wäre der richtige, Frau Ministerin, dieser ist der falsche!

Nicht vergessen möchte ich den Behindertensport. Behinderte leben, leider Gottes, noch immer am Rande unserer Gesellschaft. Mit dem Behindertensport wird versucht, diesem Personenkreis über den Sport eine neue Aufgabe zu geben. Es ist fast unvorstellbar, welch großartige Leistungen Behindertensportler erbringen.

Dazu zwei Beispiele: Bei den Paralympics in Sydney schaffte ein doppelamputierter 100-Meter-Läufer die Distanz von 100 Metern in 10,15 Sekunden. Derzeit gelingt es in Österreich keinem aktiven Spitzensportler, diese Marke zu erreichen.

Das zweite Beispiel ist ein beinamputierter Hochspringer, der es geschafft hat, über 1,80 Meter zu springen.


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Kritisieren möchte ich da die Medien, weil 14 Tage vorher die Olympischen Spiele stattgefunden haben und rund um die Uhr darüber berichtet wurde! Ich musste sehr lange nachsehen, bis ich einen Beitrag des ORF über 20 Minuten gefunden habe, der sich mit den Leistungen der Behindertensportler befasst hat. Ich glaube nicht, dass sich diese Sportler das verdient haben.

Zum Schluss möchte ich noch eine Bemerkung machen; das ist eine Bitte an Sie, Frau Bundesministerin! Auch kleine WM-Veranstaltungen, wie die Naturbahnrodel-WM in Stein an der Enns, haben es sich verdient, dass Sie anwesend sind und nicht nur die Ski-WM in St. Anton besuchen, wo Sie eine Woche lang auf Kosten des Steuerzahlers im ÖSV-Dress im Mittelpunkt gestanden sind. (Beifall bei der SPÖ. – Vizekanzlerin Dr. Riess-Passer: Das ist eine Frechheit von Ihnen!)

Den Sportberichten erteilen wir selbstverständlich unsere Zustimmung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ram. – Bitte.

11.21

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Vizekanzlerin! Kurz ein paar Worte (in Richtung des Bundesrates Binna ) zu deiner Kritik an der Präsenz der Frau Vizekanzlerin bei der Ski-WM in St. Anton. Ich glaube, deine Kritik wäre noch stärker gewesen, wären die Frau Vizekanzlerin und die Regierung nicht dort gewesen. Ich meine, dass es ganz einfach wichtig ist, dass man sich seitens der Regierung und seitens der Bevölkerung hinter solche Veranstaltungen stellt, weil sie für das Bild von Österreich im Ausland extrem wichtig sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wie meine Vorredner gesagt haben, liegen uns heute die Sportberichte über die Jahre 1997 und 1998, aber auch 1999 vor. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass es für uns nicht leicht ist – für den Bundesrat geradewegs etwas beschämend –, dass wir so weit zurückliegende Berichte heute diskutieren sollen und müssen. Deswegen hat es mich mit Freude erfüllt, dass die Frau Vizekanzlerin angekündigt hat, dass die Berichte in Zukunft aktueller gestaltet und die Diskussionen in geringerer zeitlicher Abfolge erfolgen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Fertig sind sie schon lange, nur diskutiert haben wir sie nicht!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Sport ist ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft und dient vielen Menschen in unserem Land nicht nur zur Freizeitgestaltung und -betätigung, sondern er trägt auch wesentlich zur persönlichen Entwicklung bei. Besonders der Breitensport ist für die Gesundheit und das Zusammenleben von enormer Bedeutung. Voraussetzung dafür sind nahe und leistbare Sportstätten. Die Errichtung von Sportstätten ist zwar oft mit öffentlichen Zuschüssen verbunden, sie tragen aber zur Verbesserung der Gesundheit bei und ersparen uns – so, wie es auch mein Vorredner gesagt hat – einiges an Kosten, die aus Krankheiten resultieren.

Da die Nähe von Sporteinrichtungen mit entscheidend ist, ob und wie oft Sport betrieben wird, sollte vor allem beim Bau neuer Wohnhausanlagen auf die Lage von Sportanlagen und auf natürliche Voraussetzungen für sportliche Betätigung Rücksicht genommen werden. Ich denke, dass es in diesem Zusammenhang durchaus sinnvoll wäre, auch einen Teil der Wohnbauförderungsmittel für Gesundheit und Sport zweckzuwidmen, um so die sportliche Betätigung in der unmittelbaren Wohngegend zu ermöglichen.

Doch jetzt zum Sportbericht 1999 im Detail: Für die Sportförderung wurden im Jahre 1999 insgesamt 707 Millionen Schilling aufgewendet. Über die genaue Verwendung und die genaue Aufteilung dieser Mittel hat Herr Bundesrat Köberl schon alles gesagt, deswegen möchte ich Ihnen eine Wiederholung ersparen.

Wichtig erscheint mir, dass der Sportbericht in übersichtlicher und transparenter Art und Weise zeigt, wofür diese Mittel verwendet wurden. Für diese übersichtliche und transparente Form der


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Darstellung, aber auch für den Bericht im Gesamten möchte ich seitens meiner Fraktion den damit befassten Beamten meinen herzlichen Dank aussprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ein wichtiges Kapitel im Sportbericht 1999 befasst sich auch mit der Nachwuchsarbeit. Neben der Förderung der Nachwuchsarbeit von Vereinen ist vor allem die Errichtung von Schulen mit sportlichen Schwerpunkten von enormer Bedeutung. Speziell die Erfolge der österreichischen Skisportler in den letzten Jahren sind zu einem großen Teil sicher auf die hervorragenden Ausbildungsmöglichkeiten in diesem Bereich zurückzuführen.

Leider mangelt es in anderen Bereichen noch an Ausbildungszentren und Schulen für Kinder und Jugendliche. Auch deshalb freut es mich, dass die Frau Vizekanzlerin in der Fragestunde den weiteren Ausbau von Ausbildungszentren in diesem Bereich angekündigt hat, was sich sicher auch in einigen Jahren in den Ergebnissen bei internationalen Bewerben in diesen Sportarten niederschlagen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Sportbericht 1999 finden sich wirklich hervorragende Ergebnisse bei Europa- und Weltmeisterschaften und auch bei anderen internationalen Veranstaltungen. Darunter befinden sich zahlreiche bekannte Namen, wie wir sie heute schon gehört haben, aber ebenso zahlreiche Namen von erfolgreichen Sportlern, die nicht so im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehen.

Ich möchte stellvertretend für diese erfolgreichen Sportler einen jungen Mann aus meiner Heimatstadt Fischamend besonders hervorheben. Thomas Rosenberger gewann 1999 bei der Schwimm-Europameisterschaft der Behinderten in Braunschweig die Goldmedaille über 50 Meter Brustschwimmen. Thomas Rosenberger wurde 1969 geboren, war in seiner Kindheit immer dem Sport verbunden, hat wie die anderen Burschen in seinem Alter in meiner Heimatgemeinde Fußball gespielt und betätigte sich auch in anderen Sportarten. Seit einem schweren Motorradunfall vor wenigen Jahren ist er beidseitig gelähmt und an den Rollstuhl gefesselt. Durch eiserne Disziplin und Willensstärke gelang es ihm, seine Liebe zum Sport weiterhin umzusetzen, denn ein Leben ohne Sport wäre für ihn nicht sinnvoll gewesen.

Das Beispiel dieses großartigen Menschen zeigt, welchen positiven Einfluss der Sport auf die Persönlichkeit haben kann. Es zeigt aber auch, dass die wirklichen Helden und die wirklichen Spitzensportler nicht immer jene sind, die in den Medien dargestellt werden, sondern dass es besonders die Vertreter des Behindertensports sind, die diese großartigen Leistungen erbringen, die aber von den Medien nicht berücksichtigt werden. In dieser Hinsicht darf ich mich den Worten meines Vorredners anschließen und auch Kritik an den Medien üben, dass über den Behindertensport viel zu wenig berichtet wird und er viel zu wenig Beachtung findet. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Binna. )

Sehr verehrte Damen und Herren! Auch ich möchte mich am Ende meines Redebeitrages bei jenen Tausenden Sportfunktionären bedanken, die durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit einen unersetzlichen Beitrag für den Sport und die Gesellschaft in unserem Land leisten.

An Sie, sehr geehrte Frau Vizekanzlerin, darf ich appellieren, den erfolgreichen Weg der österreichischen Sportpolitik fortzusetzen und weiterhin auch Ihre persönliche berufliche Erfahrung zum Vorteil des österreichischen Sports für uns alle einzubringen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Haunschmid. – Bitte.

11.28

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Vizepräsidentin! Frau Vizekanzlerin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Herren Kollegen Köberl und Ram haben den Sportbericht schon im Detail präsentiert. Für mich als Touristikerin ist es ein bisschen eine Verpflichtung, Folgendes darzulegen: Sport und Tourismus sind in Österreich untrennbar mit


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einander verbunden. Das heißt, dass ein ganz großes Teil des Tourismusaufkommens der großartigen Ausübungsmöglichkeit von vielerlei Sportarten zu verdanken ist.

Österreich, das Tourismusland, Österreich, das Sportland: Das heißt, es gibt kaum einen Staat auf dieser Welt, der es auf Grund seiner landschaftlichen Gegebenheiten ermöglicht, so viele Sportarten auszuüben. Österreich hat auch die dazu notwendige Infrastruktur. Und diese Infrastruktur – laut neuestem Stand, den wir beobachten können – wird durch die Arbeit des Sportministeriums immer weiter ausgebaut.

Wir haben zwar die Voraussetzung, dass wir Berge, Seen, Radwege, Rennstrecken, Flüsse und vielerlei Sportstätten haben, Sport und Österreich bedeutet aber nicht nur Tourismus, es bedeutet auch Kultur und Tradition – jahrhundertelange Tradition. Aus Österreich sind immer schon Sportgrößen hervorgegangen. Österreich kann stolz auf die Ausrichtung von Olympischen Spielen und von Weltmeisterschaften zurückblicken, die hervorragend organisiert worden sind und auf die wir alle auch berechtigt stolz sein können.

Es ist daher auch berechtigt, den ausübenden Sportlern gegenüber verpflichtend, ein eigenes Ministerium nur für Sport zu haben, so wie es seit der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen auch gelungen ist, ein eigenes Staatssekretariat für Tourismuswirtschaft zu haben.

Wir streben einem Ziel entgegen, meine Damen und Herren, nämlich das Gesundheitsland Nummer 1 zu werden. Gesundheit ist untrennbar mit Sport verbunden, Gesundheit für Körper, Geist und Seele.

Im Zusammenhang mit Sport und Gesundheit gilt es aber auch, besonderes Augenmerk auf den Behindertensport zu legen. Es ist uns eine ganz besondere Freude, dass es unserer Vizekanzlerin und Sportministerin gelungen ist, die Behindertensportolympiade 2006 nach Österreich zu bringen, nämlich in die Wildschönau (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), in ein Tal, das eines der schönsten Landschaftsbilder zeigt, vor allem aber eines der naturreinsten Täler Österreichs ist, wohl auch ein Tal, wo der Tourismus en gros noch nicht so sehr Fuß fassen konnte und man sich wirklich anstrengen muss, nicht nur Insider, sondern auch viele andere Besucher in dieses Tal zu bringen. Ich glaube aber, dass es sich auf Grund dieser Olympiade im Jahr 2006 dann auch besser vermarkten können wird. Als Touristikerin freue ich mich ganz besonders darauf. (Bundesrat Konecny: Sie haben das Tal nicht genannt!)  – O ja, Wildschönau, Herr Kollege, Sie müssen ein bisschen aufpassen!

Mit dieser Veranstaltung wird eben dieses Tal jenen Stellenwert erhalten, der ihm wirklich schon lange gebührt auf Grund einwandfreier, gesunder Luft, gesunden Waldes, gesunder Almen und Wiesen und herrlich bodenständiger Produkte – ich war erst kürzlich dort – und vor allem fleißiger und herzlicher Menschen, die bestens geeignet sind, für eine Olympiade für die großartigsten Menschen, die wir kennen, nämlich die Behinderten, denen unsere besondere Aufmerksamkeit und Achtung gebührt, zu arbeiten.

Ich danke Ihnen, Frau Vizekanzlerin, für Ihren Einsatz und für die Zusage zur Unterstützung und vor allem für die Übernahme der Präsidentschaft für diese Olympiade.

Sport und Wirtschaft: Ein Großteil der weltbekanntesten Sportartikel wird in Österreich erzeugt, und diese Betriebe sind, wie unsere Sportler, aber auch unsere Touristiker, die besten Botschafter dieses Landes. Wenn auch ein belgischer oder französischer Staatspräsident noch immer glaubt, mit den Sanktionen Recht getan zu haben, wenn ein Bundeskanzler Schröder vermeiden will, erfolgreichen Menschen in Österreich die Hand zu schütteln, so möchte ich schon zu bedenken geben, auf welchen Schibrettern (Rufe bei der SPÖ: Thema verfehlt!) er und seine Familie beispielsweise ihren Wintersport ausüben, oder dass die "Adidas"-Leiberln, mit denen sie sich auch im Fernsehen präsentieren, alle aus Österreich kommen. Weltweit gibt es unsere Sportartikel, und sie werden überall gut angenommen. (Bundesrat Konecny: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich!)

Wir sind dankbar, Frau Vizekanzlerin, für Ihren Entschluss, den hervorragenden Sportnachwuchs verstärkt zu unterstützen und zu fördern, denn wir sind Ihrer Meinung, dass wir in Öster


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reich große Ressourcen und größte Reserven an hervorragenden Sportlern haben. Die Beträge, die zum Ankauf von ausländischen Sportlern verwendet werden, sind, so glaube ich, sinnvoller in die eigenen Leute und in die Sportstätten zu investieren.

Es ist erstaunlich, dass die sozialistischen Kollegen diesem Bericht 1999, der doch von dem jetzigen Sportministerium, von den jetzigen Beamten, und zwar mit weniger Beamten, verfasst worden ist, doch auch zustimmen – so viel ich weiß. (Bundesrätin Mag. Trunk: Wer war 1999 für den Sport verantwortlich?)

Ich glaube, dass wir den Leistungen und dem Einsatz der Sportler Ehre erweisen können und dass wir vor allem stolz darauf sein können, eine Sportministerin zu haben, meine Damen und Herren, die es nicht als notwendig erachtet, bei Veranstaltungen in der ersten Reihe zu stehen (Rufe bei der SPÖ: Wo sonst?), sondern sich, so wie in Schladming, unter die Menge mischt. Man hat sie zwar in Schladming nicht gesehen, sie war aber sehr wohl anwesend. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie setzt sich dafür ein, die höchstmögliche Summe vom Finanzminister zu bekommen, um eine Infrastruktur zu schaffen, die den Sportlern die Möglichkeit bietet, eben diese Höchstleitungen zu erzielen, die uns alle so stolz machen.

Sie ist aber auch eine Vizekanzlerin und eine Sportministerin, die sich – und das habe ich aus vielerlei Sportlermündern erfahren können – auch über den Aufstieg eines kleinen Fußballklubs in die Landesliga wirklich freut. – Dafür herzlichen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich glaube, dass wir diesen Sportlern insofern danken können, als wir alles tun, auch als Touristiker, um Österreich als eine der schönsten Sportlandschaften der Welt zu erhalten. – Danke vielmals. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.37

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist die Frau Vizekanzlerin. – Bitte.

11.37

Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, dass sich die heute hier zur Debatte stehenden Berichte auf die vergangene Legislaturperiode beziehen und daher nicht meine Ressortzuständigkeit betreffen. Ich kann Ihnen versichern, dass der Sportbericht für das Jahr 2000, also für das erste Jahr meiner Ressortzuständigkeit, noch in diesem Herbst dem Parlament zugeleitet werden wird, sodass er auch noch in diesem Jahr debattiert und auch endbehandelt werden kann, weil ich es ehrlich gestanden nicht als sinnvoll erachte, dass wir jetzt über drei Jahre zurückliegende Ereignisse reden.

Ich möchte auch dazusagen, dass der Sportbericht seit Herbst 2000 – das war mir ein wichtiges Anliegen – auch über das Internet abrufbar ist. Ich glaube, er soll auch der interessierten Sportöffentlichkeit entsprechend zugänglich sein; und das wird auch selbstverständlich mit den weiteren Sportberichten gleich gehandhabt werden.

Wie immer muss ich natürlich einiges richtig stellen, was von Seiten der Opposition, namentlich von Herrn Kollegen Binna, gesagt wurde. Opposition ist dazu da, die Regierung zu kritisieren, das ist überhaupt keine Frage, aber wenn, dann möchte ich Sie wirklich bitten, tun Sie es bitte auf der Grundlage von Fakten und nicht beruhend auf Dingen, die Ihnen irgendjemand irgendwo erzählt hat.

Sie haben zum einen behauptet, es müssten Turnstunden gestrichen werden, weil es weniger Unterrichtsstunden in den Schulen gibt. – Herr Kollege Binna! Das Gegenteil ist der Fall! Es war Ihre Fraktion, die sich darüber beschwert hat, dass die Lehrer jetzt mehr Zeit in der Klasse verbringen müssen und um das gleiche Geld mehr unterrichten müssen. Sie müssen nur die


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Flugblätter der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter lesen, um Ihre eigene Argumentation sofort widerlegt zu finden. Die Beschwerden, die von Ihrer Seite gekommen sind, waren, dass mehr Unterrichtsstunden geleistet werden müssen! Folglich wird es nicht weniger Turnstunden geben. Das ist eine Rechnung, die nicht aufgehen kann. – Das ist das eine. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zum Zweiten: Behindertensport. – Sie haben in der Sache völlig Recht. Ich stimme mit Ihnen überein, dass es unsere gemeinsame Verpflichtung ist, alles zu tun, um den Behindertensport entsprechend zu fördern. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass Sie diese Anregung auch einmal an alle meine Vorgänger in den letzten Jahrzehnten, in denen die SPÖ ununterbrochen Verantwortung für das Sportressort getragen hat, herangetragen hätten, denn das finanzielle Defizit, das wir heute im Behindertensport haben, hat damit zu tun, dass dieser Bereich nie ausreichend ausgestattet war.

Ich kann Ihnen nur sagen: Für meinen Bereich habe ich sichergestellt, dass im Gegensatz zu früher, wo Spitzensport-Fördermittel für Behinderte per Gesetz nicht zugänglich waren, dafür Sorge getragen ist, dass im Rahmen des "Top-Sport-Austria"-Projektes die Mittel der Spitzensportförderung in gleichem Umfang auch für Behinderte zugänglich sein sollen, weil Spitzensport in diesem Bereich geleistet wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zu Ihrer Frage bezüglich meiner Anwesenheit bei Sport-Veranstaltungen, Herr Kollege Binna: Ich erspare Ihnen jetzt die Auflistung dessen, bei denen meine Ressort-Vorgänger waren oder nicht waren, aber ich gebe Ihnen sehr gerne Auskunft darüber, wo ich im Rahmen meiner zeitlichen und terminlichen Möglichkeiten anwesend bin.

Zur Naturbahn-Rodel WM: Die Naturbahn-Rodel WM ist eine Veranstaltung – das Naturbahn-Rodeln insgesamt –, die von mir eine besondere – und zwar über das mit meinen Vorgängern vereinbarte Ausmaß hinaus – Förderung erhalten hat, und zwar auch mit Zielsetzung auf Turin 2006, weil es unser Anliegen ist, auch dafür zu sorgen, dass Naturbahn-Rodeln eine olympische Sportart wird. Wir haben zu diesem Zwecke eine besondere Förderung für den Ausbau der Strecke – einem entsprechend olympiareifen Ausbau der Strecke – für die Naturbahn-Rodel WM gegeben und zusätzlich noch eine Förderung für die Weltmeisterschaft per se.

Ich selbst habe mit den Veranstaltern vor Ort entsprechend Kontakt gehabt, habe gemeinsam mit den Veranstaltern das Projekt auch der Presse vorgestellt und bin im besten Einvernehmen mit den Veranstaltern dieser Weltmeisterschaft. Von diesen kommt die Beschwerde sicher nicht, deswegen weise ich sie auch zurück. – Ich mache aber darauf aufmerksam, dass es einer einzelnen Person unmöglich ist, bei allen Sportveranstaltungen in Österreich anwesend zu sein, und dass die Anwesenheit oder Nicht-Anwesenheit eines Regierungsmitgliedes über die Bedeutung und Wichtigkeit der Sportveranstaltung gar nichts aussagt, sondern nur die Begeisterung, der Einsatz und das Engagement der Sportler und die Freude des Publikums wichtig sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es ist richtig, dass ich in St. Anton war, es ist falsch, dass ich dort auf Kosten der Steuerzahler war. Ich habe meinen Aufenthalt privat bezahlt. Ich habe dort sehr interessante Kollegen getroffen, so etwa Ihren Parteivorsitzenden Alfred Gusenbauer, der auch in St. Anton war, und zwar mit einer Delegation von sozialdemokratischen PolitikerInnen aus Bund und Land, was uns gefreut hat, weil das eine wichtige Veranstaltung für den österreichischen Sport gewesen ist. Herr Gusenbauer hat offensichtlich im Gegensatz zu Ihnen die Bedeutung dieser Veranstaltung erkannt und war dort – was uns gefreut hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich war natürlich auch bei einer ganzen Fülle von Veranstaltungen, die Ihrer Aufmerksamkeit auch deswegen entgangen sind, weil sie natürlich keine mediale Beachtung gefunden haben – wie ich meine, zu Unrecht nicht gefunden haben. Ich war bei der Verabschiedung der paraolympischen Sportler in Enns, als sie zur Olympiade nach Sydney gefahren sind. Ich stimme mit Ihnen überein, dass es bedauerlich ist, dass der ORF dieses Ereignis und andere Ereignisse des Behindertensportes nicht in ausreichendem Ausmaß berücksichtigt. Gerade deshalb war es so wichtig, mit dem neuen ORF-Gesetz Voraussetzungen dafür zu schaffen (Beifall bei den


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Freiheitlichen und der ÖVP), dass eine objektive Berichterstattung auch über Rand-Sportarten in Zukunft stattfinden wird. (Bundesrat
Konecny: Jetzt wissen wir endlich, warum es beschlossen werden soll!) – Unter anderem, Herr Kollege Konecny!

Es kann schon sein, dass Ihnen der Behindertensport kein besonderes Anliegen ist – für mich hat er absolute Priorität. (Bundesrat Konecny: Oja, aber Sie haben nicht deshalb das ORF-Gesetz gemacht!) Für mich ist Behindertensport ein Schwerpunkt meiner Sportpolitik (Bundesrat Marizzi: Sie können uns viel erzählen, aber nicht alles! Wir glauben ja viel, aber schön langsam!), und selbstverständlich ist die Tatsache, dass es in Hinkunft ein verbreitertes Medienangebot gibt – auch im Fernsehbereich –, auch eine Erweiterung der Möglichkeiten auch für so genannte Rand-Sportarten, medial präsent zu sein.

Das ist ein Thema, das nicht nur den Behindertensport trifft, sondern auch andere. Je breiter das Angebot ist, desto breiter auch die Möglichkeit der Darstellungen, der Möglichkeit, Sponsoren ... (Bundesrat Konecny:  ... vom Interview eines Kärntner Fußballpräsidenten!)  – Sie hat nie gestört, dass Herr Bundeskanzler Vranitzky Vorsitzender der Freunde der österreichischen Nationalmannschaft war und es bis heute ist. Es hat Sie nie gestört, dass ein politischer Funktionär (Bundesrat Thumpser: Er hat wenigstens ein bisschen eine Ahnung von Fußball gehabt! Er hat wenigstens gewusst, dass der Ball rund ist!) auch ein entsprechendes Amt im Sport innehat. Also wenn schon, dann gleiches Recht für alle! – Aber vielleicht stört Sie, Herr Kollege Konecny, als Wiener nur der große Erfolg des FC Kärnten und der Aufstieg in die erste Liga. Das ist ein großer Erfolg. – Ich bedanke mich. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Der steirische Trainer war dafür verantwortlich!)

11.44

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach (das Glockenzeichen gebend): Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Gibt es noch Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Berichte getrennt erfolgt.

Wir kommen zur Abstimmung über den 14. Sportbericht 1997.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den 15. Sportbericht 1998 und die zweite Auflage des 15. Sportberichtes aus 1998.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den 16. Sportbericht 1999.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.


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5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Saatgutgesetz 1997, das Futtermittelgesetz 1999, das Qualitätsklassengesetz und das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert werden und mit dem ein Bundesgesetz über den Schutz von Pflanzensorten (Sortenschutzgesetz 2001) erlassen wird (Agrarrechtsänderungsgesetz 2001) (642 und 700/NR sowie 6399 und 6410/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung: Agrarrechtsänderungsgesetz 2001.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Höllerer übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Anna Höllerer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine werten Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz 1994, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Saatgutgesetz 1997, das Futtermittelgesetz 1999, das Qualitätsklassengesetz und das Wasserrechtsgesetz 1959 geändert werden und mit dem ein Bundesgesetz über den Schutz von Pflanzensorten (Sortenschutzgesetz 2001) erlassen wird (Agrarrechtsänderungsgesetz 2001), liegt allen Bundesrätinnen und Bundesräten vor, ich kann daher auf die Verlesung verzichten.

Ich berichte, dass der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag stellt, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

11.47

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Agrarrechtsänderungsgesetz werden insgesamt acht Gesetze geändert, und zwar das Düngemittelgesetz, das Pflanzenschutzgesetz, das Pflanzenschutzmittelgesetz, das Saatgutgesetz, das Futtermittelgesetz, das Qualitätsklassengesetz sowie das Wasserrechtsgesetz und das Sortenschutzgesetz. Wesentliche Änderungen mit negativen Folgen bringen die Änderungen im Wasserrechtsgesetz und im Sortenschutzgesetz mit sich.

Meine Damen und Herren! Die nachträgliche Legalisierung umweltschädlicher Anlagen bringt eine dramatische Verschlechterung für Grund- und Oberflächengewässer mit sich. Die Abwasser-Emittenten werden für ihr Nichtstun noch vom Gesetzgeber belohnt, zudem wird künftig auch das Recht der Gemeinden dort massiv eingeschränkt. Ich glaube, es kann nicht sein, dass die Wasserqualität allein wirtschaftlichen Interessen geopfert wird.

Herr Bundesminister! Ich bin nun auch schon einige Jahre in diesem Haus, und immer wieder diskutieren wir über den Gewässerschutz – weitergegangen ist diesbezüglich nicht sehr viel! Sie werden das natürlich anders sehen – das ist auch ganz klar –, das ändert aber trotzdem nichts daran, dass mit dem vorliegenden Gesetz die Verursacher mit Samthandschuhen angefasst werden. Wenn ich daran denke, dass für die Landwirtschaft – zumindest bei uns in Oberösterreich ist das noch so – kein Anschlusszwang an das öffentliche Kanalnetz besteht, dann gibt es dafür eigentlich keinerlei triftige Gründe, außer dass man sich eben die Gebühren erspart.

Reines Trinkwasser ist unser wichtigstes Nahrungsmittel. – Diese Gesetzesvorlage trägt nicht zur Verbesserung dieser Situation bei, und daher lehnen wir das ab.


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Meine Damen und Herren! Das Sortenschutzgesetz schützt jetzt auch wieder die großen Saatgutkonzerne. In Zukunft können jene Landwirte, die eigenes Saatgut vermehren wollen, das nicht mehr ohne Zustimmung der Sorteninhaber tun. Das Ganze steht unter der Devise "Absicherung der österreichischen Saatgutwirtschaft auf Kosten der kleinen Landwirte", und das ist auch abzulehnen.

Ein Musterbeispiel, wie Großkonzerne arbeiten und handeln, zeigt uns jetzt die Firma Pioneer mit dem genverunreinigten oder genverseuchten Mais, der auf den Feldern ausgebracht worden ist. Ich meine daher, all das hat uns auch zu kümmern. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Dr. Nittmann. )

Wer eindeutig gegen Gesetze verstößt, ist meiner Meinung nach strafbar. Wir haben ein eindeutiges Gesetz in diesem Bereich, und eigentlich sollte dieser Firma die Handelslizenz, wenn es das irgendwo gibt, entzogen werden.

Meine Damen und Herren! Seit März war bekannt, dass dieser Mais ausgebracht worden ist, reagiert hat vorerst einmal niemand. Der Ball wurde vom Gesundheitsminister den Ländern zugespielt, die Länder waren nicht zuständig, und dann landete alles wieder beim Gesundheitsminister. Er hatte dann auch keine Zeit, weil er gerade den Hauptverband und die Sozialpartnerschaft zerschlagen musste, und erst jetzt, kurz vor der Maisblüte, hat man sich mit den Bauern geeinigt.

Wenn ich mir das so überlege, dann muss ich sagen, der oberösterreichische Landeshauptmann und Agrarreferent Dr. Pühringer ist sicherheitshalber vorerst einmal auf Tauchstation gegangen und hat dann angemerkt, dass es eigentlich keinen völlig genfreien Mais gibt. Meine Damen und Herren! Ich glaube, das ist ein sorgloses Umgehen mit der Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher, und das müssen wir ablehnen. Daher stimmen wir dieser Gesetzesvorlage nicht zu. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

11.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hensler. – Bitte.

11.52

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren im Bundesrat! Meinem Vorredner Kraml möchte ich Folgendes sagen: Ich glaube, dieses Agrarrechtsänderungsgesetz dokumentiert den Weitblick unserer Agrarpolitik überhaupt. Ich möchte das unterstreichen, zumal sehr wohl auch von führenden Persönlichkeiten der EU anerkannt wird, dass diese Agrarpolitik im Interesse der Konsumenten und gleichzeitig auch der Produzenten zielführend organisiert und gestaltet wird.

Ich möchte zum Agrarrechtsänderungsgesetz 2001 Folgendes sagen: Es ist sicher unbestritten, die Änderungen betreffen auf der einen Seite die Landwirtschaft, auf der anderen Seite ebenso den Konsumenten. Ich möchte einige Punkte bezüglich des Düngemittelgesetzes hervorstreichen. Es ist sicher in sehr vielen Bereichen eine Übertragung an das Forschungszentrum für Agrarbiologie Voraussetzung, es ist aber auch gleichzeitig in sehr vielen Bereichen ein Eckpfeiler einer vernünftigen Agrarpolitik. Bei Düngemitteln gibt es immer wieder Diskussionen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte eines klar und deutlich sagen: Es kann immer wieder Diskussionen geben, und es soll diese geben, aber ich als praktizierender Landwirt bin davon überzeugt, dass für Grund und Boden Düngung sehr wohl wichtig ist. In diesem Bereich hat Österreich eine Vorreiterrolle eingenommen. Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich möchte klar und deutlich unterstreichen: Wir haben in diesem Bereich mit dem ÖPUL-Programm aktiv dazu beigetragen, dass gerade über gezielte Düngung ein Konsens mit den Produzenten einerseits und den Konsumenten andererseits erreicht werden konnte.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch darauf verweisen, dass ich selbst die Möglichkeit gehabt habe, an einer Tagung in Stockholm teilzunehmen. Dort wurde uns von führenden Persönlichkeiten der EU im Umweltbereich dokumentiert, dass die österreichische Agrarpolitik fort


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schrittlich und zielführend im Interesse der Bauern und der Konsumenten ist. – Danke schön dafür, Herr Bundesminister! (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Pflanzenschutzmittelgesetz möchte ich ebenfalls etwas sagen. Es ist so, dass es gerade im Bereich Pflanzenschutzmittel der Zulassung bedarf. Da gibt es noch unterschiedliche Interpretationen, da gibt es sicher ebenso Preisunterschiede.

Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich weiß sehr wohl, dass diese Unterschiede mit dem Mehrwertsteuersatz zusammenhängen. Hier bedarf es einer Harmonisierung, um gegenüber den anderen EU-Ländern, den anderen Mitbewerbern konkurrenzfähig zu sein. Ich möchte dokumentieren, dass in Österreich diesbezüglich noch Impulse zu setzen sind. Was mir persönlich aber sehr wichtig zu sein scheint, ist die Tatsache, dass gerade die Zulassung auf Grund dieses Gesetzes wesentlich schneller möglich und eine gewisse Kooperation wichtig ist.

Beim Sortenschutzgesetz 2001 gab es, wie schon erwähnt, die größte Änderung überhaupt. Herr Bundesrat Kraml! Ihr Wissen, Ihr Potenzial im landwirtschaftlichen Bereich sehe ich eher sehr negativ, denn gerade in diesem Bereich muss man sehr gefühlvoll argumentieren. (Bundesrätin Mag. Trunk: Es gibt kein negatives Wissen!) Ich glaube, dass dieses Privileg – ich möchte das Wort "Privileg" in diese Richtung interpretieren: berechtigte Forderung der Bauern, dass der Nachbau und gleichzeitig auch die Existenz der Vermehrung gesichert sind – in diesem Gesetz zweifelsohne verankert ist. Es ist ein wichtiger Eckpfeiler für die Zukunft der Landwirtschaft und sichert gleichzeitig auch die Zukunft der österreichischen Saatgutwirtschaft. Ich glaube, dieser Konsens wurde mit diesem Gesetz erreicht, und ich bin sehr stolz, dass in diesem Bereich sehr viel weitergebracht wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Zusammenfassend: Das Agrarrechtsänderungsgesetz schafft die Voraussetzung für eine vernünftige und weit blickende Agrarpolitik und bringt gleichzeitig eine strukturelle Vereinfachung in diesem Bereich mit sich. Danke, sehr geehrter Herr Bundesminister, für diesen Weitblick, für diese zielführende Agrarpolitik. Die Österreichische Volkspartei wird gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

11.57

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Bevor ich zum Gesetz Stellung nehme, möchte ich Folgendes sagen: Herr Bundesminister! Sie werden in Kürze, so nehme ich an, zum Klimaschutzgipfel aufbrechen, und auch als Kontraredner denke ich doch, die Erwartungen dieses Hauses, aber auch der Bevölkerung werden sein, trotz der Kontrastellung der USA und Japans in keiner Weise in den Bemühungen nachzulassen. Im Sinne des Klimaschutzes und im Sinne der Zukunft unseres Planeten wünsche ich Ihnen viel Erfolg beim kommenden Klimaschutzgipfel. (Bundesrat Dr. Nittmann: Und Durchsetzungsvermögen!) Und auch Durchsetzungsvermögen!

Ich habe gehört, dass der Herr Minister Vorstellungen für eine Zwischenlösung in dieser schwierigen Situation hat. Diese Zwischenlösung darf auf keinen Fall einen Rückschritt bedeuten. Es darf nur in einem fortschrittlichen Verfahren Zwischenlösungen geben, da das Kyoto-Abkommen ohnedies ein sehr sanftes Abkommen bisher darstellt. Immerhin, wie ich heute gehört habe, erklären sich über 70 Prozent der amerikanischen Bevölkerung nicht mit der Haltung ihres Präsidenten einverstanden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Nun aber zu diesem Gesetz. Herr Minister! Wenn ich Ihnen jetzt auch Lorbeeren mit auf den Weg gegeben habe, muss ich doch sagen, ich verstehe es nicht, dass ein ÖVP-Landwirtschaftsminister ein solches Gesetz vorlegt, das doch einen massiven Eingriff in die traditionellen bäuerlichen Rechte darstellt.

Das bedeutet eine materielle Enteignung der Bauern an den von ihnen selbst gezogenen Feldfrüchten. Die Bauern müssen in Hinkunft Nachbaugebühren bezahlen, also Abgaben für ihr hof


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eigenes Saatgut zahlen. (Bundesrat Hensler: Wer sagt das?) Damit wird die Verwendung von Saatgut einer laufenden Kontrolle von Saatgutfirmen und Saatgutmultis unterstellt. Also die Logik dieses Gesetzes heißt: Saatgutwirtschaft kommt vor bäuerlichen Interessen.

Das erfolgt durch die heutige Beschlussfassung, indem ein angebliches Landwirteprivileg abgeschafft wird. Der bisherige § 6 zum Sortenschutzgesetz hat den Anbau und die gegenseitige bäuerliche Hilfe, wenn das Vermehrungsmaterial aus dem eigenen Anbau des Landwirtes stammt, aus dem Sortenschutz ausgenommen. Das tut es jetzt nicht mehr. Jetzt – wahrscheinlich bereits ab Herbst – werden die Bauern mit Nachgebühren belastet werden. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Wie viel sollen die Bauern denn noch zahlen? Ist die Politik, die eine Stützung der bäuerlichen Erwerbstätigkeit vorsieht, reines Lippenbekenntnis? – Das ist das Aus für ein jahrhundertealtes bäuerliches Grundrecht.

Herr Minister! Sie werden jetzt in Ihrer Beantwortung sagen, es handle sich um eine Kann-Bestimmung. Richtig, es ist eine Kann-Bestimmung, aber mit dieser Kann-Bestimmung wird es über kurz oder lang dazu kommen, dass die gewerblichen Züchter – in deren Interesse und in diesem Geist ist dieses Gesetz offensichtlich auch geschaffen – ihre Interessen wahrnehmen werden. Das heißt, dass die Landwirte entweder jedes Jahr neues Saatgut erwerben müssen oder für die Wiederverwertung Nachgebühren zahlen müssen.

Das ist unvereinbar mit dem Konzept der "Farmer Rights", das heißt der Anerkennung der Kulturpflanzenvielfalt. Aber auch die "Arche Noah", ein Verein, auf den auch Sie stolz sind und den auch Sie immer lobend erwähnt haben, auf den wir alle sehr stolz sein können und der auch unterstützt wird (Bundesrat Konecny: Von Ihnen unterstützt!), spricht von einer Marginalisierung, einer Gefährdung für die genetische Diversität der Kulturpflanzen.

Angesichts der Krise der Landwirtschaft ist es mir unverständlich, dass wirtschaftliche Interessen von gewerblichen Firmen vor bäuerliches Interesse gesetzt werden. In diesem Sinne werde ich diesem Gesetz keine Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

12.03

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

12.03

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Es sind sich, auch wenn wir ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten haben, alle vier Parteien, die hier vertreten sind, einig, dass sie der bäuerlichen Bevölkerung Österreichs, aber auch den Konsumenten helfen und dazu beitragen wollen, dass richtig produziert, aber auch gesund konsumiert werden kann. Aus diesem Grund scheint mir auch dieses Agrarrechtsänderungsgesetz besonders wichtig zu sein. Aber ich gebe zu, wir haben einen unterschiedlichen Zugang beziehungsweise eine unterschiedliche Betrachtungsweise.

Wenn heute in der "Presse" steht: "Die Verunreinigung des Genmaissaatgutes der Saatgutfirma Pioneer ..." (gesprochen wie "Pionier" – Bundesrat Hensler: Pioneer – englische Aussprache – heißt das!) Von mir aus "Pioneer". Das ist mir kein Anliegen. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) Herr Kollege Hensler dürfte eine besondere Beziehung zur Firma Pioneer haben, sonst wüsste er es nicht so genau. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.) Wenn also die Verunreinigungen zufällig sind und eine unvermeidbare Verschmutzung eintritt, dann muss ich sagen, dieses Gesetz ist absolut notwendig, um die Unvermeidbarkeit und die Zufälligkeit zu verhindern. Es geht nicht an, dass die österreichischen Konsumenten auf Grund von so genannten Unvermeidbarkeiten und Zufälligkeiten möglicherweise Schaden nehmen.

Wir meinen, diesem Gesetz sehr wohl zustimmen zu müssen. Kollege Kraml meint, Genmais und diesem Gesetz nicht zustimmen zu können. Warum kann er nicht zustimmen? Welche Probleme hat er? (Bundesrat Kraml: Auf das kommst du nie! – Bundesrat Boden: Er muss nicht zustimmen! Wir müssen nicht zustimmen!) Kollege Schennach ist auch für den Schutz der


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Bauern und tritt für den Schutz der Kulturpflanzen ein. Wir tun es auch. Und Kollege Hensler, der sehr genau weiß, dass man "Pioneer" sagt statt "Pionier" (Heiterkeit)  – ich halte das für wichtig bei diesem Gesetz (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen)  –, erwähnt die Konsumenten und die Produzenten.

Ich muss Ihnen sagen, Kollegen, es gibt einen Bereich, der bei den meisten dieser Diskussionen hier im Raum nicht erwähnt wird: Das ist der Bereich, der zwischen Konsument und Produzent liegt, dem sowohl der Konsument wie auch der Produzent fast hilflos ausgeliefert sind. Das sind jene Bereiche, die die Produzenten mit Betriebsmitteln – mit Saatgut, mit Düngemitteln, Pflanzenschutz und anderem mehr – versorgen, und auf der Konsumentenseite sind es jene Bereiche, die Verarbeitung, Vermarktung und Weiteres sicherstellen sollen. Das sind Bereiche, die in ganz wenigen Händen sind und denen sowohl der Bauer als Produzent als auch der Konsument – das sind wir alle – ausgeliefert sind.

Wenn es uns mit diesem Gesetz gelingt, Herr Bundesminister, hier mehr Transparenz, aber auch mehr Konsumentensicherheit hereinzubekommen, dann ist es mir recht, und wir stimmen gerne zu.

Es gibt gewisse Organisationen, die sich im Vorfeld zu diesem Gesetz natürlich lächerlich gemacht haben. Dazu gehört Greenpeace. Greenpeace baut genverseuchtes Saatgut vor dem Amtssitz des Ministers an und fordert dann eine amtliche Entfernung. Eigentlich sollte man Greenpeace auffordern, selbst das, was es angerichtet hat, zu entfernen. Sie wehren sich dagegen, dass so etwas angebaut wird. Dieser exemplarische Anbau zeigt, dass Greenpeace von der ursprünglich guten Überlegung und guten Idee, für den Erhalt der Natur einzutreten, auf eine Organisation umgeschwenkt ist, die politischen Richtungen folgt, die hier – zum Glück – regierungsmäßig nicht vertreten sind. Greenpeace macht sich langsam zum Gespött der Bevölkerung, weil man nicht einerseits sagen kann: Wir wollen keinen genverseuchten Mais!, wenn man andererseits exemplarisch dem Herrn Minister vor der Haustür genverseuchten Mais anbaut.

Natürlich haben Kärnten – wohlgemerkt: Kärnten! –, aber auch Österreich (Bundesrat Konecny: Oberösterreich!), Oberösterreich nicht gezögert, unbürokratisch entsprechende Maßnahmen zu setzen, um jenen Bauern, die mit verseuchtem Genmais beliefert wurden, zu helfen. Sie werden entschädigt. Aber was mir sehr wichtig ist, Herr Kollege Hensler: An die Firma "Pioneer", wie Sie sagen, sollen wahrscheinlich auch Regressforderungen gestellt werden. Und für diese Regressforderungen sind wir natürlich auch sehr. Ich hoffe, Herr Bundesminister, diese Regressforderungen sind schon gestellt worden oder werden in Kürze gestellt. Natürlich muss man erst die Höhe des Schadens kennen. Das ist es. Aber allein der Schaden, den sie vor Ihrem Amtssitz angerichtet haben ... (Bundesminister Mag. Molterer: Das war Greenpeace!) – Da ist aber auch eine Regressforderung notwendig, denn sie haben das Saatgut von Pioneer bekommen, wo die Bauern auch einkaufen.

Ich glaube, dass es absolut notwendig ist, dass dieser verseuchte Genmais weder als Lebensmittel noch als Futtermittel verwendet werden darf, daher also nicht zum Anbau zugelassen werden darf. Ich verstehe nicht, warum Sie – die Kollegen von den Sozialdemokraten und der einzige Kollege von den Grünen hier – sich gegen ein Gesetz wenden, welches die Weiterverarbeitung dieses verseuchten Genmaises als Lebensmittel und Futtermittel untersagt. Es ist mir einfach unverständlich, wie man solch ein Gesetz ablehnen kann.

Ich meine daher, wir, die wir dieses Gesetz mitgestaltet haben und heute mitbeschließen werden, sind auf dem richtigen Weg, Jene anderen gehen einen Sonderweg. Sie mögen ihn gehen. Wir gehen den unseren! – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.10

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Keuschnigg. Ich erteile ihm das Wort.

12.10

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Vorweg eine kurze Bemerkung zu Ihnen, Herr Kollege Kraml, zum Thema Wasserrecht:


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Man hat gelegentlich den Eindruck, dass manche Reden, die hier gehalten werden, nicht nur vor den Ausschüssen geschrieben werden, sondern gelegentlich auch schon vor den Verhandlungen, denn wir waren gemeinsam am Dienstag im Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, in dem uns Herr Sektionsleiter Abentung darüber informiert hat, dass diese Fristerstreckungsmöglichkeit bis zum Jahr 2015 nur für jene Gebiete gilt, in denen eine öffentliche Kanalisation geplant ist.

Sie werden wahrscheinlich nicht dagegen sein, dass man es den Leuten erspart, dass sie teure Investitionen tätigen und dann möglicherweise zwei Jahre später die Anschlussgebühren an die öffentliche Abwasseranlage bezahlen. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie für solch eine Vorgangsweise durchaus zu haben sind.

Ich möchte mich heute etwas intensiver mit dem an sich uninteressanteren Teil, mit den Verwaltungsabläufen, die in diesem Agrarrechtspaket stecken, befassen:

Ein wesentlicher Teil befasst sich mit der Veränderung und der Straffung von Verwaltungsabläufen, also mit dem Versuch, die Effizienz der Verfahren zu steigern. Das zentrale Element ist die Einführung eines Einhandprinzips, wonach die Bundesämter und andere zuständige Stellen nicht nur die fachliche Begutachtung durchführen, sondern sofort auch den dazugehörigen Bescheid ausstellen. Damit braucht der Akt nicht mehr weiterzuwandern.

Das ist vielleicht keine besonders große Sache, das Entscheidende scheint mir aber doch zu sein, dass hier ganzheitliche Zuständigkeiten in der Verwaltung geschaffen werden, dass sehr klare Verantwortlichkeiten festgelegt werden, was die Grundlage dafür ist, dass Ämter und Behörden ihre eigene Leistungserfüllung und ihre Aufgabenerfüllung besser kontrollieren können und damit auch mehr Motivation für ihre Mitarbeiter und ihr Management erhalten.

Wozu solche Dinge oft nützen, möchte ich an dem aktuellen Beispiel Bundesforste, zu dem dieser Tage in Salzburg eine Pressekonferenz gegeben wurde, erläutern:

Die Bundesforste wurden im Jahr 1997 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und ausgegliedert. Seither hat sich dieses Unternehmen zu einem international herzeigbaren Forstleitbetrieb entwickelt, der sich technisch modernisiert hat, der neue Produkte – von Forst-Consulting bis zu Forstdienstleistungen – aufweist, der ganz einfach mit Dynamik und Optimismus seine Aufgaben meistert.

Wenn jetzt, wenige Jahre später, die Bundesforste selbst sagen, dass sie ein tolles Unternehmen sind, dass sie wettbewerbsfähig sind, dass sie ihre Leistungen auf dem Markt unterbringen können, dann glaube ich, dass das Motivation für das Management, aber auch für die Mitarbeiter ist und dass das vor allem für die Republik Österreich ein sehr wertvoller Bestand ist.

Dass wir bei der Reorganisation unserer Ämter gelegentlich etwas schneller sind, habe ich vergangene Woche bei einer Reise durch die neuen Bundesländer erfahren, als Frau Bundesministerin Künast zu jeder vollen Stunde mitgeteilt hat, dass sie jetzt an so etwas Ähnliches wie die Schaffung einer Ernährungssicherungsagentur denkt – etwas, das wir in Österreich an sich schon voll auf der Schiene haben.

Diese Überprüfung hat in Deutschland etwas länger gedauert, aber ich habe mir dabei gedacht, Herr Bundesminister, vielleicht sollten wir in einer Art interfraktionellem und internationalem Austausch der Frau Bundesministerin Künast die Regierungsvorlage zur Verfügung stellen. Da erspart sie sich vielleicht einiges an Arbeit. (Bundesrat Bieringer: Glaubst du, dass sie lernfähig ist?) – Das wird man sehen. Jedenfalls gibt es dann eine saubere Vorlage.

Zwei Kollegen haben das Sortenschutzgesetz angesprochen. Auf sie trifft auch die eingangs festgestellte Bemerkung zu. Aber der Sortenschutz ist ein Thema, das wenig Spaß verträgt, über das man seriös diskutieren soll. Dieser Versuch, die Bauern gegen die Saatguterzeuger und Sortenentwickler auszuspielen, ist in gewisser Weise, so glaube ich, unseriös und in der Sache einfach ungerecht. Notwendig ist eine faire Balance zwischen diesen beiden Wirtschaftspartnern. Denn eines sollte man schon dazusagen: Es wird von Pioneer, von Multis und von


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anderen Dingen gesprochen, aber die Saatbau Linz gehört den österreichischen Bauern. Das ist eine Einrichtung, ein Unternehmen der österreichischen Bauern, und Sie können davon ausgehen, dass sie schon in der Lage sind, sich das untereinander zu richten, was ihr eigenes Unternehmen für das Saatgut verlangt. (Beifall bei der ÖVP.)

Es muss aber immer wieder – auch wenn Sie das ein bisschen wegschieben, Herr Kollege Schennach – darauf hingewiesen werden, dass es von größter Wichtigkeit ist, dass eine inländische Saatgutsortenentwicklung und Saatgutvermehrung stattfindet. Dafür braucht es Rahmenbedingungen, die mit diesem Gesetz ausgewogen geschaffen werden. Wenn wir nämlich die Saatgut- und Sortenentwicklung ausschließlich der Preisentwicklung und den Märkten überlassen, dann werden in relativ kurzer Zeit nur mehr einige internationale Konzerne das Geschehen diktieren.

Was heißt das für den heimischen Bauern? – Der heimische Bauer lebt zu einem guten Teil auch davon, dass er über Sorten verfügt, die der Geografie, dem Klima und der Region angepasst sind, und dass er mit diesen Sorten Marktnischen ausfüllen kann. Dem österreichischen Bauern ist doch nicht damit gedient, wenn er nur mehr die Alternative von Einheitssorten zur Verfügung hat, die über die ganze Welt entwickelt und damit auch vertrieben werden und natürlich auf Grund der Mengen Erträge bringen!

Beim Saatgut und bei der Sortenentwicklung sollte man das Maximum an Eigenständigkeit bewahren, und dazu braucht es natürlich auch eine faire Finanzierungsregelung, zumal das Landwirteprivileg – auch wenn das Wort "Privileg" hier vom Begriff her schon falsch ist – gesichert ist. Das wissen Sie auch.

Wir haben bei der BSE-Krise sehr deutlich festgestellt, wie wichtig es ist, dass wir eine eigenständige Linie fahren, dass wir eine sorgsame österreichische Agrarpolitik haben, dass wir nicht in allen Dingen nur vom Ausland abhängig sind, sondern dass wir selbst steuernd eingreifen können. Das ist auch beim Sortenschutz ein ganz dringendes Anliegen, und aus diesem Grund sollte man diesem Gesetz die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.18

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer das Wort. – Bitte.

12.18

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesrat Schennach! Ich möchte mich zuerst für die guten Wünsche bedanken, die mich – ich nehme an, im Namen aller in diesem Haus – begleiten, was die Klimaschutz-Konferenz betrifft. Es ist ein hartes Stück Arbeit, das für dieses Wochenende vor uns steht. Die Zeichen sind nicht ganz optimal. Das muss man ganz nüchtern sagen.

Herr Bundesrat Kraml! Sie haben Ihre Rede absolut richtig begonnen. Sie haben exakt richtig aufgezählt, welche acht Gesetzesnovellen vom Agrarrechtsänderungsgesetz betroffen sind, aber dann scheiden sich unsere Geister.

Zum Sortenschutzgesetz. Herr Bundesrat Schennach! Ich würde bitten, sich mit der Sache zu beschäftigen und nicht das herunterzulesen, was irgendjemand aufgeschrieben hat. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach schüttelt den Kopf.)

Der Punkt ist folgender: Der österreichische Bauer ... (Bundesrat Würschl: Was soll diese Qualifizierung?) Entschuldigung, sind Sie an einem Dialog interessiert oder nicht? (Bundesrat Konecny: Das war nicht wirklich ein Dialog!) – Ich sage Ihnen, Herr Bundesrat, auch ein Regierungsmitglied hat das Recht, seine Stellungnahme hier abzugeben, so wie es will. Davon gehe ich aus. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein österreichischer Bauer hat Interesse daran, dass er hochqualitatives Saatgut bekommt. Ein österreichischer Bauer hat Interesse daran, dass wir in Österreich Saatgutproduktion haben,


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dass in österreichischen Unternehmen Saatgut produziert wird, weil der Anteil des Saatgutes, das wir aus internationalen Konzernen bekommen, schon sehr hoch ist, beispielsweise beim Mais.

Warum ist das so? – Der Aufwand, eine Sorte zu züchten, geht in die Millionenhöhe, und zwar nicht ein-, sondern dreistellige Millionenhöhe, und die österreichische Saatgutwirtschaft war nicht mehr in der Lage, jene wirtschaftliche Basis zu haben, sich das leisten zu können. Daher ist Mais in andere Hände gegangen.

Die Grundüberlegung ist doch, dass ein Züchter die Investition, die er tätigt, wieder verdienen kann. Wie verdient er sie? – Indem er Originalsaatgut verkauft. Dazu braucht er einen Schutz – geistiges Eigentum –, und diesen gewährt das Sortenschutzgesetz als eigenständiges Recht, das sich ganz klar vom Patentrecht unterscheidet. Daher ist es gut, dass der Züchter einen Schutz hat und seine Investition wieder verdienen kann, denn sonst werden wir keine Züchter mehr haben – beispielsweise unter anderem Züchter, die Saatgut ohne Anwendung von Gentechnologie erzeugen wollen, wie es die österreichischen Saatgutzüchter tun. Der Bauer hat Interesse an der Erhaltung einer österreichischen Saatgutwirtschaft.

Die Frage des Nachbaus: Wir haben die Möglichkeit, dass der Bauer sein eigenes Saatgut nachbauen kann, in dem Gesetz gesichert. Gesichert! Die Vereinbarung – Herr Bundesrat Schennach, lesen Sie das nach, Sie haben Recht, ich werde jetzt sagen – kann abgeschlossen werden, aber unabhängig von der Frage, ob eine Vereinbarung abgeschlossen wird oder nicht – auch wenn sie nicht abgeschlossen wird –, ist das Recht auf eigenen Nachbau absolut gesichert. Das sagt das Gesetz. Das Gesetz besagt nur, wenn eine derartige Vereinbarung, die abgeschlossen werden kann, entsteht, dann sind dafür bestimmte Parameter einzuhalten, und es besagt noch dazu, dass Kleinerzeuger von diesen Vereinbarungen ausgenommen sind.

Daher würde ich bitten, auch bei der Darstellung in dieser Präzision zu bleiben. Es ist keine Einschränkung des Landwirteprivilegs, sondern, ganz im Gegenteil, eine – wie es Bundesrat Keuschnigg gesagt hat – rechtlich klargestellte Balance, die letztendlich die wirtschaftlichen Interessen im Sinne der Erhaltung einer Saatgutwirtschaft, aber genauso die bäuerlichen Interessen bei der Erhaltung der Möglichkeiten, eigenen Nachbau anzubauen, definiert. Es ist aus meiner Sicht eine sehr vernünftige Regelung, die letztendlich breite Zustimmung findet.

Zur Frage Genmais auch eine sehr präzise Antwort, weil auch hier in der öffentlichen Diskussion viel durcheinander geraten ist: In Österreich werden nur Sorten angebaut, die in Österreich zugelassen sind. Bei mehreren Untersuchungen meines Hauses hat sich herausgestellt, dass Verunreinigungen mit einem in der Europäischen Union zugelassenen Konstrukt bestehen, das in Österreich der Verbotsverordnung unterliegt. Daraufhin hat der für das Gentechnikgesetz zuständige Minister Haupt völlig richtig die Länder darüber informiert und ihnen geraten, dort, wo sensible Regionen sind, tätig zu werden.

Die Untersuchungsergebnisse betreffend eine zweite Charge besagen, dass ein nicht zugelassenes Konstrukt gefunden wurde. Da hat Minister Haupt genauso reagiert. Er hat die Länder informiert und aufgefordert, Schritte zu setzen. Wir arbeiten derzeit gemeinsam an der Festlegung von Toleranzregelungen, die notwendigerweise in die gesetzlichen Grundlagen auch auf europäischer Ebene verankert werden müssen, weil offensichtlich diese Frage der Verunreinigung eine neue Dimension durch die Gentechnologie erhält. Denn Verunreinigung im Saatgut war bisher nichts Neues, aber eben keine gentechnische Verunreinigung, sondern eine mit sortenfremden Samen oder Unkräutersamen beispielsweise. Das ist Faktum und nichts sonst.

Zum Thema Wasserrechtsgesetz: Meine Damen und Herren! Die Länder sind an den Bund herangetreten und haben gebeten, das Wasserrechtsgesetz zu novellieren. Warum? – Weil die Länder die Möglichkeit erhalten wollten, die Fristerstreckung über das Jahr 2010 auf das Jahr 2015 vornehmen zu können. Die Länder wollten nicht nur Anlagen bis 10 EWG, sondern auch Anlagen bis zu 50 Einwohnergleichwerten in diese Prioritätenreihung hineinbringen, um damit nach ihrem Gutdünken – das halte ich für gut – eine Prioritätenreihung zu setzen.


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Zweitens: Die Bürger wollen dieses Gesetz. Ich darf hier in diesem Hohen Haus sehr deutlich sagen, dass ich vermeiden will, dass ein Bürger zweimal zur Kasse gebeten wird. In einem Gebiet, in dem eine Anlage in Planung ist, von einem Einfamilienhaus-Errichter zu verlangen, dass er in dieser Zeit eine teure Kläranlage für sich errichtet und zwei, drei Jahre später anschließen muss und noch einmal zahlt – wollen Sie das? – Ich will das nicht. Das heißt, wir haben dem Wunsch der Länder und der Bürger entsprochen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Dritter Punkt: Es wurde gesagt, mit dieser Novelle würde der Standard sinken. Damit Sie einen Vergleich haben: Der Anschlussgrad an kommunale biologische Kläranlagen ist zwischen 1991 und 2001, also in einer Zeit, in der wir bereits diese Ausnahmeregelung hatten, von 68 Prozent auf 86 Prozent gestiegen. Der Anschluss an dichte Senkgruben sank in diesem Zeitraum von 17,8 Prozent auf 8,4 Prozent, und der Entsorgungsgrad über sonstige sank von 14,2 auf 5,6 Prozent.

Meine Damen und Herren! Daran können Sie ersehen, dass wir – Bund, Länder und Gemeinden – die vielen Milliarden Schilling richtig investiert haben, um durch diese Güte unsere Gewässerschutzpolitik die Qualität unseres Wassers sicherzustellen, worum uns viele beneiden.

Ich meine daher, dass es eigentlich sehr viel Sinn macht, diesen Novellen zuzustimmen, die die Qualität des Grundwassers und der Abwasserpolitik sicherstellen, die dem Wunsch der Länder nach mehr Flexibilität entgegenkommen und die dem Bürger Kosten ersparen, wo er sonst zweimal zur Kasse gebeten werden würde. Ich würde meinen, das sind Argumente für ein Ja. (Beifall bei der ÖVP.)

12.28


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 72

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist offenkundig nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit .

Der Antrag ist angenommen .

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 1985, das AMA-Gesetz 1992, das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997, das Pflanzenschutzgesetz 1995, das Pflanzgutgesetz 1997, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Rebenverkehrsgesetz 1996, das Futtermittelgesetz 1999, das Düngemittelgesetz 1994, das Saatgutgesetz 1997, das Sortenschutzgesetz, das Forstgesetz 1975, das Forstliche Vermehrungsgutgesetz, das Weingesetz 1999, das Qualitätsklassengesetz, das Wasserrechtsgesetz 1959, das Wasserbautenförderungsgesetz 1985, das Chemikaliengesetz 1996, das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, das Gesetz über ein Verbot des Verbrennens biogener Materialien außerhalb von Anlagen, das Ozongesetz, das Umweltkontrollgesetz, das Umweltinformationsgesetz, das Umweltgutachter- und Standorteverzeichnisgesetz, das Artenhandelsgesetz, das Umweltförderungsgesetz und das Abfallwirtschaftsgesetz geändert werden (Euro-Umstellungsgesetz Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft – EUG-LFUW) (592 und 701/NR der Beilagen sowie 6411/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung: Euro-Umstellungsgesetz Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Franz Wolfinger übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Franz Wolfinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft betreffend Euro-Umstellungsgesetz Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft. Der Inhalt des Berichtes liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , den Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Leopold Steinbichler das Wort. – Bitte.

12.29

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum vorliegenden Gesetz: Das Euro-Umstellungsgesetz betrifft hauptsächlich die Währungsumstellung. Bei der Umrechnung wurden die Eurobeträge gerundet. So wie in den anderen Bereichen ist auch in der Landwirtschaft die Notwendigkeit gegeben, bis zum 1. 1. 2002 anzupassen.

Erster Vorteil der gemeinsamen Währung: Wechselkursschwankungen, die bisher bei diversen Importen und Exporten zu gewaltigen finanziellen Nachteilen führten, sind damit endgültig passé.

Ich möchte noch einen kurzen Nachsatz zu dem angesprochenen Sortenschutzgesetz bringen, das natürlich auch von der Euroumstellung betroffen ist, worauf der Herr Minister schon eingegangen ist, und die Sorgen ansprechen, die von Kollegen Gudenus in Richtung Genmais geäußert wurden.

Natürlich stellt sich für uns Bauern als Praktiker eine ganz grundsätzliche Frage, nämlich die Haftungsfrage. Wir müssen bei jedem Produkt, das wir verkaufen, schriftlich erklären, rückstandsfrei, nach bäuerlicher fachlicher Praxis produziert zu haben und hiefür die Haftung übernehmen. Dasselbe verlangen wir auch von unseren Konzernen und Zulieferern, die sich mit diesen Geschäften selbstverständlich auch den Gewinn erwirtschaften.

Aber nachdem auch das AMA-Gesetz von dieser Novelle betroffen ist, darf ich mir eine persönliche Anmerkung erlauben: Während der heißen Phase der BSE-Diskussion, die mich besonders beschäftigt hat, hatte ich lange Zeit die Hoffnung, dass die Intensität der Diskussion, mit der man sich seitens der Medien mit dem Thema Rindfleisch – oft auch in sehr unfairer Weise – beschäftigt hat, nach der Abkühlung dieser heißen Phase ihre Fortsetzung in Bezug auf andere Bereiche der Lebensmittelindustrie und der Lebensmittelversorgung, auch hinsichtlich der Dosenfleischnahrung, wenn ich es so bezeichnen darf, finden wird.

Ich bedanke mich heute an dieser Stelle beim ORF, der gestern in einem "Report international" davon berichtet hat, dass die so genannten selbsternannten Experten damals empfohlen haben, man möge anstelle des sehr gesunden Rindfleisches – wie wir wissen, ist das eine der besten Fleischqualitäten, die wir anzubieten haben – eine andere Fleischsorte essen, und zwar sollen wir umstellen auf die drei K’s in der Ernährung: Krokodil, Klapperschlange und Känguru. Wir wissen, dass zum Beispiel bei allen Festbanketts und Menüs heute bei der Vorspeise natürlich auch Shrimps angeboten werden. Mit viel Bewunderung und Erstaunen habe ich gestern den Bericht im "Report international" gehört – ich meine nicht den erschütternden Bericht über die Spenderorgane der hingerichteten Chinesen – über die Art und Weise, wie man in Thailand


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Shrimps produziert. Leider ist Kollege Marizzi nicht im Raum, denn ich hätte ihm sonst heute gerne ein Angebot gemacht: Er hätte da ein sehr großes Betätigungsfeld, nämlich im Sinne des Konsumentenschutzes einmal zu schauen, was den Leuten auf den Tisch gegeben wird.

So hat der Leiter dort stolz festgestellt, dass sie seit dem Jahr 1995 die Produktion von Shrimps verzehnfacht haben und jetzt durch die internationale BSE-Krise nochmals eine deutliche Steigerung möglich geworden ist. Man hörte aber auch, dass Hormone eingesetzt werden, dass ganz gezielt und ganz massiv Antibiotika verwendet werden, dass in Thailand ganze Landstriche vernichtet werden, weil durch das Pumpen des Salzwassers die Natur völlig aus dem Gleichgewicht gerät. Angesichts dessen müssen wir doch bedenken, was wir mit der Umstellung unserer Ernährungsweise bewirken würden: nämlich nicht nur die Vernichtung der gepflegten Kulturlandschaft vor Ort, die für den Tourismus, wie wir von Kollegin Haunschmid gehört haben, und auch für die Lebensqualität unserer Konsumenten von größter Bedeutung ist – denn wenn Fleisch nicht mehr gegessen wird, dann ist die Bewirtschaftung der Flächen nicht mehr gesichert –, sondern auch größte Umweltschäden in den produzierenden Drittländern. Ich bitte, diese Problematik zu beachten und dem Kollegen Marizzi dies mitzuteilen; ich werde das heute noch in persönlicher Form tun.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Wenn Sie vier dringliche Anfragen betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes einbringen (Bundesrat Winter: Das sind zu wenig!), so werte ich das als Kompliment für die Agrarpolitik und für den anwesenden Minister Molterer. Ich finde es auch gut, dass Sie damit sagen wollen, dass die Bauernpolitik beziehungsweise die Agrarpolitik in besten Händen ist. Wir haben uns damit eine Anfrage an den Landwirtschaftsminister erspart, weil Sie mit dieser Vorgangsweise nach meinem Dafürhalten auch Ihr Einverständnis erklären. Ich halte das für vernünftig und sehe das so, wie auch Sie es wahrscheinlich sehen.

Zum vorliegenden Gesetzentwurf darf ich Folgendes sagen: Es macht Sinn, auch in diesem Bereich im Sinne der zukünftigen Entwicklungen diese Anpassung mitzumachen, und wir von der ÖVP-Fraktion werden daher diesem Gesetzentwurf selbstverständlich unsere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.35


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 74

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Johann Kraml das Wort. – Bitte.

12.35

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich habe jetzt Glück, denn es hat Kollege Steinbichler vor mir gesprochen, und ich brauche mich nicht mehr so anzustrengen, weil ich jetzt weiß, was alles in diesem Gesetz steht. (Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Ich darf vorausschicken, dass meine Fraktion dem Euro-Umstellungsgesetz Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zustimmen wird. Ich möchte aber trotzdem einige kritische Anmerkungen machen, und zwar geht es dabei um die allgemeine Euro-Umstellung, weil im Ausschussbericht geschrieben steht, dass die Beträge geglättet beziehungsweise gerundet werden. Wie das mit der Glättung und der Rundung im normalen Euro-Umstellungsprozess ist, schreiben jetzt die Zeitungen. Diese weisen vermehrt darauf hin, dass wir mit einer bevorstehenden massiven Teuerungswelle werden rechnen müssen.

Es werden die Preise jetzt schon angehoben, um dann, wenn es zur Euro-Umstellung kommt, einen "kommoden" oder den psychologisch richtigen Euro-Betrag zu haben. Es wird dann so sein, dass sich jene Firmen, die das jetzt schon machen, dann bei der Euro-Umstellung werden feiern lassen, dass sie die Preise 1 : 1 weitergeben. Das dürfte es, meine Damen und Herren, nicht geben!

Wie gesagt, wir werden diesem Euro-Umstellungsgesetz unsere Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

12.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich zu seiner ersten Rede Herrn Bundesrat Dr. Bernd Lindinger das Wort. – Bitte.

12.36

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Das vorliegende Gesetz beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Umstellung von unserer Währung Schilling auf den Euro. Dazu sind sicher einige Bemerkungen zu machen, weil sich der österreichische Bürger nicht gerne vom Schilling trennt.

Wir erinnern uns noch sehr genau an die Versicherung der damaligen Regierung vor der EU-Abstimmung, der Schilling werde bleiben. Dieses Versprechen, den Schilling beizubehalten, war geradezu ein Akt neuer Identitätsstiftung, das Angebot einer Möglichkeit, in diesem größeren Land, das dann EU heißen wird und deren integrierender Bestandteil unser Österreich sein wird, eine neue Identität zu finden.

Aber Vieles ist anders gelaufen, als es sich selbst EU-Befürworter damals erwartet haben. Nur in Gesprächen mit dem einfachen Bürger – da meine ich nicht unser einfaches Parteimitglied Jörg Haider, sondern Herrn und Frau Österreicher auf der Straße (ironische Heiterkeit des Bundesrates Konecny – erfährt man, dass sich viele nicht mehr erinnern können oder wollen, dass sie vielleicht für den EU-Beitritt gestimmt haben. Man findet sehr wenige, die sich dazu bekennen, und das sagt mehr aus als viele unabhängige Umfragen von Meinungsforschungsinstituten.

Der EU-Beitritt bedeutet auch eine gemeinsame Währung, und die gemeinsame Währung heißt in Zukunft Euro. Aber in Wirklichkeit haben wir schon den Euro, seit es in der EU die starren Umrechnungskurse gibt. Eine Anmerkung dazu: Dass aber die Banken noch immer Wechselgebühren einheben, ist in diesem Zusammenhang sicher nicht einzusehen.

Jetzt wird die neue Währung lediglich sichtbarer, da sie schon, wie gesagt, vorhanden ist. Sie wird sichtbarer für jeden, weil ab 1. Jänner 2002 mit einheitlichem EU-Geld, nämlich mit dem Euro, bezahlt werden wird. Wir zahlen aber jetzt auch schon mit dem Euro, nur merken das viele nicht. Man merkt es aber doch ganz deutlich an den hohen Ölpreisen und an den Benzinpreisen und an all den Folgen, die durch die hohen Preise bedingt sind. Wir zahlen deswegen diese hohen Preise, weil der Euro leider nicht jenen Wert hat, den unser alter Schilling einmal gehabt hat.

Das vorliegende Euo-Umstellungsgesetz ist nur mehr die letzte Konsequenz dieser Politik, nämlich dass auch in den Rechtsvorschriften Euro-Beträge den Schilling ablösen.

Wenn wir A sagen, so müssen wir auch bei diesem Gesetz B sagen, und somit wird auch meine Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Erlauben Sie mir, hier noch eine Parallelität anzumerken: Vor vielen Jahren sind die technischen Einheiten umgestellt worden, und zwar nicht nur europaweit, sondern auf der ganzen Welt, und auf einmal, über Nacht, ist die Kraft nicht mehr in Kilopond gemessen worden, sondern statt einem Kilopond mussten wir alle damals auf einmal mit 9,81 Newton rechnen. Alle Angaben waren umzurechnen, und für einen Techniker, der gewohnt war, mit runden Zahlen zu rechnen, waren auf einmal nur Dezimalstellen da. Es ist aber trotzdem gegangen, auch wenn die alten Einheiten museal geworden sind. Nun hat die Technik dies auch nicht umgebracht. Ich hoffe, dass der Euro das nicht auch mit unserer Wirtschaft tut. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.40

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 75

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Da der gegenständliche Beschluss in dessen Artikel 1 Ziffer 1 § 93, Artikel 2 Ziffer 1 § 1 und Artikel 3 Ziffer 1 Artikel I Verfassungsbestimmungen enthält, ist hiezu gemäß Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz eine Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2001 betreffend ein Bundesgesetz über begleitende Regelungen zur EMAS-V II (Umweltmanagementgesetz – UMG) (352, Zu 352 und 645/NR sowie 6412/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über begleitende Regelungen zur EMAS-Verordnung II (Umweltmanagementgesetz – UMG).

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Franz Wolfinger übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Franz Wolfinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2001 betreffend ein Bundesgesetz über begleitende Regelungen zur EMAS-Verordnung II.

Der Inhalt des Berichts liegt allen Bundesräten in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat die Beratung des gegenständlichen Gesetzesbeschlusses am 19. Juni 2001 und am 21. Juni 2001 vertagt und stellt nach neuerlicher Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Johanna Auer das Wort. – Bitte.

12.43

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zum Umweltmanagement passt Folgendes: Das neue Motto dieser Bundesregierung im Umweltschutz scheint zu lauten: Freiwilligkeit statt ordnungspolitische Maßnahmen.


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679. Sitzung / Seite 76

Meine Damen und Herren! Gerade diese Maßnahmen sollen in Zukunft einfach entfallen. So sollen viele wichtige behördliche Umweltauflagen für Betriebe, die ein EMAS-Zertifikat haben, wegfallen. Der Umweltschutz für Betriebe wird nicht verbessert. Es gibt keine Beweise und auch keine Kontrolle dafür, dass in Betrieben tatsächlich ausreichend Umweltschutzmaßnahmen gesetzt wurden.

Das EMAS-Zertifikat besagt nicht mehr, dass im Betrieb ein Umweltmanagementsystem eingeführt wurde, und es wird dann in Zukunft möglich sein, eine Kapazitätserweiterung von Firmen ohne behördliche Genehmigung durchzuführen. Es entfallen auch behördliche Kontrollen, Anrainer und Nachbarn können und dürfen in umweltrelevanten Angelegenheiten kaum noch mitreden.

Meine Damen und Herren! Wo sehen Sie das Positive daran, dass angeblich Parteienrechte gewahrt bleiben? Wird es in Zukunft leichter möglich sein, entsprechende Anlagenveränderungen und Vorhaben, die ein Unternehmen plant, auch umzusetzen?

In Betrieben müssen künftighin Emissionsdaten nicht mehr aufgezeichnet werden. Sicher – als freiwilliges Instrument wäre dieses EMAS-Zertifikat akzeptabel und durchaus wünschenswert. Aber warum in Zukunft plötzlich derartige Privilegien mit dem EMAS-Zertifikat verbunden werden sollen, ist nicht nachvollziehbar. Dass dieser Entwurf enorme Nachteile für die Wirtschaft mit sich bringt, liegt klar auf der Hand. Wir haben das schon des Öfteren aufgezeigt.

Rechtsunsicherheit – das schafft dieses Gesetz!

Unterlassungsklagen – bisher war mit einer behördlichen Genehmigung Schutz davor gegeben.

Aber da die behördliche Genehmigung bei EMAS-zertifizierten Firmen nur noch im Ausnahmefall notwendig sein wird, entfällt diese Genehmigung und damit auch der Schutz vor Unterlassungsklagen.

Kurz zusammengefasst: Diese Verordnung, die zwar Freiwilligkeit enthält und angeblich auch Parteienrechte gewährt sowie gleichfalls zum Inhalt haben soll, einen konsolidierten Bescheid für zukünftige Vorhaben vorlegen zu können, und in welcher die Finanzierung geregelt sein soll, stellt keinesfalls eine solch gute und runde Sache dar, die im Sinne der Wirtschaft und der Ökologie gelegen wäre.

Der negative Punkt, der uns zur Ablehnung dieses Entwurfes zwingt, ist, dass solch ein freiwilliges System mit der Unabhängigkeit der Umweltgutachter steht und fällt.

Wir lehnen ein Umweltgesetz ab, das Deregulierung und Umweltabbau mehr verfolgt als einen fairen Ausgleich. Man kann nicht alles mit freiwilligen Umweltsystemen regeln.

Der Versuch, einen Weg der freiwilligen Vereinbarung zu gehen – Partnerschaft auf der einen Seite und ordnungspolitische Maßnahmen auf der anderen Seite –, ist einfach untauglich.

Dass Zertifizierung im Umweltbereich – aber nicht nur im Umweltbereich – ein hoch attraktives und modernes Instrument ist, bei welchem sich Betriebe angeblich freiwillig höheren Anforderungen stellen und damit angeblich mehr Rechtssicherheit erzielen, lasse ich hintangestellt, denn Deregulierung geht unserer Meinung nach rein auf Kosten der Umwelt.

Dieses Umweltmanagementgesetz ist ein gutes Beispiel dafür, welchen Stellenwert die Umweltpolitik für diese Bundesregierung hat. Dieses Umweltmanagementgesetz liegt ganz auf der Linie der neuen blau-schwarzen oder schwarz-blauen Regierung. Wir lehnen es ab!

Zum Abschluss möchte ich aber doch noch etwas Positives sagen und darauf hinweisen, dass wir den von der Bundesrätin Höllerer einzubringenden Entschließungsantrag unterstützen und diesem unsere Zustimmung geben werden. (Beifall bei der SPÖ.)

12.48


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 77

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Anna Höllerer. Ich erteile ihr das Wort.

12.48

Bundesrätin Anna Höllerer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte vorweg meine Vorrednerin berichtigen: Im Jahre 1993 hat der Rat der Europäischen Kommission die EMAS-Verordnung, in der immer die freiwillige Beteiligung von gewerblichen Unternehmen am System des Umweltmanagements und der Umweltprüfung geregelt war und ist, erlassen. Es war also immer freiwillig, das möchte ich betonen. Nach fünf Jahren ist es notwendig, dem Rat Änderungen vorzuschlagen.

Alle vier Jahre hat der Bundesminister dem Nationalrat über die Maßnahmen, die auf Grund dieses Umweltmanagementgesetzes gesetzt wurden, zu berichten – allerdings nicht dem Bundesrat, und daher möchte ich gerne folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Anna Höllerer, Johanna Auer, Mag. John Gudenus und Kollegen betreffend Vorlage des Berichts gemäß § 28 UMG an den Bundesrat, eingebracht im Zuge der Debatte zum Beschluss des Nationalrates vom 6. Juni 2001 betreffend ein Bundesgesetz über begleitende Regelungen zur EMAS-Verordnung II (Umweltmanagementgesetz)

Gemäß § 28 Umweltmanagementgesetz hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft dem Nationalrat alle vier Jahre über die Anwendung der EMAS-Verordnung und die Vollziehung dieses Bundesgesetzes zu berichten.

Eine Berichterstattung an den Bundesrat ist nicht vorgesehen, obwohl es keinen sachlichen Grund dafür gibt, den Bericht nicht beiden Organen der Bundesgesetzgebung vorzulegen. Dies gilt umso mehr, als von der Vollziehung dieses Gesetzes teilweise auch Landesbehörden betroffen sind.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird ersucht, den gemäß § 28 Umweltmanagementgesetz dem Nationalrat zu erstattenden Bericht in Zukunft auch dem Bundesrat vorzulegen.

*****

Ich darf diesen Entschließungsantrag einbringen. (Die Rednerin überreicht Vizepräsidenten Weiss den Entschließungsantrag.)

Die wesentlichen Punkte in diesem Umweltmanagementgesetz bewirken vor allem eine Verwaltungsvereinfachung. Die Erlassung eines konsolidierten Genehmigungsbescheides bedeutet, dass die Bezirksverwaltungsbehörde als zuständige Behörde nach Vorlage aller Genehmigungen einen Bescheid erlassen kann.

Selbstverständlich ist es auch von Vorteil, dass eingetragene geprüfte Gutachter ihre Beurteilung bezüglich der Umweltqualität der Betriebe abgeben können, und eine große Verwaltungsvereinfachung ist es natürlich auch, dass es eine Zuständigkeitskonzentration im Bundesministerium für Umwelt bezüglich der Eintragung der Umweltgutachter geben wird.

Selbstverständlich ist es so, dass in der österreichischen Umweltpolitik in den vergangenen Jahren Maßnahmen gesetzt wurden, die vor allem das Prinzip der Nachhaltigkeit berücksichtigt


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haben, und das in allen Wirtschaftsbereichen. Wir wissen aber auch, dass die Akzeptanz der Wirtschaftstreibenden bezüglich der ordnungspolitischen Maßnahmen bei betrieblichen Veränderungen an Grenzen gestoßen sind. Das gilt auch in Bezug auf die Belastbarkeit der öffentlichen Verwaltung, bei der dasselbe Problem aufgetaucht ist. Das ist endgültig ausgereizt.

Der hohe Grad an Bürokratismus, der notwendig ist, und die Zeitabfolge, die damit verbunden ist, sind von den Betrieben und auch von Seiten der Verwaltung einfach nicht mehr zu verkraften.

Ich kann Ihnen das sehr gut an einem praktischen Beispiel erklären: In unserer Nachbargemeinde gibt es einen Betrieb, der sich auf Holzbau konzentriert und Fertigteilhäuser in Holzbauweise hergestellt hat. Dieser Betrieb ist längst über seine Kapazitäten hinaus gewachsen und hatte eine Betriebserweiterung vorgesehen. Es lagen auch die Pläne dafür vor, lediglich die Genehmigungen ließen auf sich warten. Dieser Betrieb hat auf Grund dessen mit einem italienischen Betrieb ein Partnerschaftsabkommen geschlossen. Es werden nun die Holzbauteile in Norditalien vorgefertigt und von den Mitarbeitern dieses Betriebes lediglich zusammengebaut.

Nach und nach hat es Änderungen bei den Plänen gegeben. Eineinhalb Jahre hat der Unternehmer darauf gewartet, für diesen Umbau alle Genehmigungen zu erhalten. Da hatte dieser Unternehmer bereits das Handtuch geworfen. Er konzentriert sich jetzt rein auf den Handel und auf die Zusammenarbeit mit dem Partnerbetrieb in Italien.

Können Sie mir sagen: Worin liegt da ein Vorteil für die Umwelt? – Ich glaube nicht, dass die Betriebe in Italien umweltgerechter handeln, als dies in Österreich möglich wäre. Noch dazu ist dieser Betrieb in einer Gegend angesiedelt, in der jeder Arbeitsplatz gefragt ist, aber eine zukünftige Betriebsausweitung ist nicht mehr zu erwarten.

Das Ziel dieser Verordnung ist es, die Bereitschaft der Betriebe zur freiwilligen Zertifizierung zu forcieren. Diese ist auch tatsächlich gegeben. Es ist ein neuer Weg der Partnerschaft, die bereits existiert, die aber durch die Möglichkeit, die mit diesem Umweltmanagementgesetz geschaffen wird, und zwar der Möglichkeit einer Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Verwaltung und Umwelt, noch forciert wird.

Wenn Sie sagen, Deregulierung sei gleichzusetzen mit Umweltabbau, so möchte ich das Gegenteil behaupten, denn Überregulierung bewirkt lediglich, dass Gesetze umgangen werden, dass die Gefahr der Nichtakzeptanz gegeben ist, und das ist unserer Umwelt sicherlich nicht zuträglich.

Es ist also dieses Umweltmanagementgesetz zu begrüßen, denn es liegt mit der freiwilligen Umweltzertifizierung ein sehr modernes Instrument vor, das vor allem für die Betriebe, die sich der Umweltqualitätsprüfung stellen, eine große Herausforderung bedeutet, und das verdient Vertrauen, da ist unproduktive Kritik fehl am Platze.

Dieses Umweltmanagementgesetz enthält die Möglichkeit, die ökonomischen und die ökologischen Interessen eindeutig in ein gutes Einvernehmen zu bringen. An dieser Stelle darf ich sagen: Obwohl dieses Gesetz den Bundesrat noch nicht passiert hat, wurde es bereits mit dem Öko-Managerpreis ausgezeichnet, und das zeigt deutlich, dass sehr wohl alle Interessen auf das Beste gewahrt sind. Ich kann Sie daher nur auffordern: Stimmen Sie diesem Gesetz zu! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.55

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von den Bundesräten Höllerer, Auer und Gudenus eingebrachte und verlesene Entschließungsantrag betreffend Vorlage des Berichtes gemäß § 28 Umweltmanagementgesetz an den Bundesrat ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

12.55

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Es ist dankenswert, dass Kollegin Anna Höllerer diesen Entschlie


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ßungsantrag eingebracht hat. Er wird auch von uns unterstützt. Es ist auf keinen Fall einzusehen, warum nur der Nationalrat alle vier Jahre einen Bericht über die Vollziehung des vorliegenden Umweltmanagementgesetzes bekommen soll. Natürlich hat dieser Bericht auch im Bundesrat behandelt zu werden.

Dieses Gesetz enthält mehrere Vorteile und bietet für die Absicherung einer in Zukunft lebenswerten Umwelt einige Aspekte, die die bisherige Situation verbessern werden.

Ich finde es gut, dass die Konzentration der Zuständigkeit für die Eintragung der Umweltgutachter beim Umweltministerium erfolgt.

Ich erkenne in diesem Gesetz eine Symmetrie beim Rechtsschutz. Gegen die Eintragung in das Standortverzeichnis können nunmehr auch die Umweltanwaltschaften sozusagen als Vertreter der Umwelt Einspruch erheben.

Ich finde es gut, dass ein System der Freiwilligkeit errichtet wird. Mit diesem System der Freiwilligkeit fällt natürlich nicht die Unabhängigkeit der Umweltgutachter. Ich finde es gut, dass nur dafür gesorgt werden soll und nicht auch garantiert werden kann, dass das, was vorgesehen ist, geschieht.

Garantien auf diesem Gebiet kann kein Mensch geben, aber man kann Sorge dafür tragen, dass es die Aufgabe des entsprechenden Ministeriums und gegebenenfalls auch des Gesetzgebers ist, Mängel, die inzwischen erkannt wurden, zu beseitigen.

Ich bin der Überzeugung, dass dieses Umweltmanagementgesetz, welches mehr Deregulierung bringen soll, nicht zum Abbau der Sorge um die Umwelt, nicht zum Umweltabbau führen wird. Es wird von einigen Vertretern anderer Parteien darauf hingewiesen, dass dies so sein könnte. Sein könnte Vieles – ich bin aber der Überzeugung, dass es nicht sein wird, und wenn Mängel auftreten sollten, werden wir, die Gesetzgeber, in geraumer Zeit eine Verbesserung herbeiführen. Aber von vornherein davon auszugehen, dass eine Deregulierung Mängel bringe, hieße, dem Zentralstaat in aller Üppigkeit Folge leisten zu wollen. Dafür stehen wir Freiheitlichen auf keinen Fall!

Deregulierung bedeutet nicht automatisch Umweltabbau. Ich betone dies noch einmal, weil insbesondere Vertreter der Grünen diese Befürchtung in ehrlicher Überzeugung und auch ehrlicher Sorge um dieses Land ausdrücken. Ich sage Ihnen: Ich habe diese Überzeugung nicht! Vielmehr bin ich der Meinung: Deregulierung führt nicht dazu!

Ich glaube sogar eher, dass Regulierung nicht automatisch zu Umweltschutz führt. Sie trägt dazu bei, Abwehrmechanismen bei den betroffenen Personen und Einrichtungen hervorzurufen. Wir müssen die positive Idee dieses Gesetzes fördern und die positive Grundeinstellung der betroffenen Bevölkerungsgruppen zur Umwelt, zu einer Zukunft mit gesunder Umwelt bejahen. Diese Bevölkerung ist durchaus in der Lage, das zu erkennen. Zwangs- und Polizeistaatsmaßnahmen werden nicht dazu führen.

Dieses Gesetz führt zur Verwaltungsvereinfachung. Dieses Gesetz führt durch Anreize dazu, dass man sich freiwillig der Zertifizierung unterziehen wird. Weiters besteht ein Anreiz, in Zukunft weniger Verwaltungsaufwand hervorzurufen.

Unterm Strich gesehen und alles in allem haben Sie von mir nichts Negatives zu diesem Punkt gehört. Im Grunde genommen muss man sagen: ein gutes Gesetz! Die Zukunft wird es beweisen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.01

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon das Wort. – Bitte.

13.01

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Frau Kollegin Auer! Ich muss einiges richtig stellen oder zumindest einige Ihrer


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Thesen widerlegen, was Umweltmanagement betrifft. Ganz generell: Umweltmanagementsysteme werden heute meist eingeführt, weil sich Unternehmen einen Vorteil davon versprechen, einen Vorteil mit dokumentierten Managementsystemen bei Produktgleichheit.

Zum Teil werden diese Umweltmanagementsysteme auch vom Kunden sehr klar gefordert. Das heißt zum Teil: Man bekommt keinen Auftrag mehr, oder man kommt gar nicht in die Angebotsituation, wenn man dieses zertifizierte Managementsystem nicht nachweisen kann.

Das Prinzip der Freiwilligkeit war immer gegeben. Meines Erachtens soll es auch so bleiben. Wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, wollen Sie das Umweltmanagementsystem quasi zum Gesetz erheben. War das Ihre Anregung? – Mit einer solchen ordnungspolitischen Maßnahme würden wir jenen engagierten Unternehmen, die sich durch die Freiwilligkeit einen Vorteil verschaffen wollen, diesen Vorteil wieder wegnehmen.

Bei diesen Managementsystemen – ganz egal, ob es Qualitäts-, Umwelt- oder Sicherheitsmanagementsysteme sind – geht es im Grunde darum, dass wir Prozesse im Unternehmen festlegen, und zwar in Bezug darauf, wie wir zu Ergebnissen kommen, wie wir zu Informationen und zu Berichten kommen. Es geht darum, dass diese Prozesse überprüfbar werden, und zwar durch interne Auditoren oder auch durch Externe von Zertifizierungsstellen.

Im Grunde genommen sind diese Managementsysteme sehr effiziente Systeme, solange sie nicht ordnungspolitisch verordnet werden. Ich denke, es soll auch so bleiben. Das wäre mir sehr wichtig, weil das aus einer eigenen Motivation heraus entstehen soll. Dann sind diese Systeme auch effizient.

Wir werden diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

13.04

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer das Wort. – Bitte.

13.04

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur zu einigen Aspekten, die in der Debatte angesprochen worden sind, Stellung nehmen.

Erstens: Welche Instrumente hat moderne Umweltpolitik, Frau Bundesrätin? – Das erste Instrument moderner Umweltpolitik heißt Bewusstseinsbildung und Bewusstseinsschärfung. Deswegen haben wir in diesem Hohen Haus – auch mit Zustimmung großer Teile des Bundesrates – etwa ein Gesetz wie das Personenkraftwagen-Verbraucherinformationsgesetz beschlossen. Damit ist für einen Verbraucher erkennbar, welche spezifische Umweltbelastung der von ihm zu erwerbende PKW bewirkt. Das ist klug, damit stehen dem Verbraucher mehrere Entscheidungsgründe zur Verfügung. Er kennt nicht nur die Farbe oder die PS-Zahl, sondern er weiß auch, was damit bewirkt wird.

Zweitens wird es natürlich auch in Zukunft Ordnungspolitik geben, das ist überhaupt keine Frage. Wir haben in diesem Haus vor kurzem das Immissionsschutzgesetz-Luft beschlossen, womit für alle Wirtschaftsbeteiligten ein klarer ordnungspolitischer Rahmen vorgegeben ist, damit auch fairer Wettbewerb innerhalb der Wirtschaft auf hohem ökologischem Niveau besteht.

Drittens wird es – etwa im Förderungsbereich – selbstverständlich Anreize zur Umstellung auf nachwachsende Energieträger, auf erneuerbare Energien geben, aber – viertens – selbstverständlich auch das Prinzip der Partnerschaft zwischen Verwaltung und Wirtschaft zur Erreichung von gemeinsam definierten Zielen.

Das Umweltmanagementgesetz dient zwei Zielen. Erstens ist dies die Umsetzung der EMAS-II-Verordnung. Aber zweitens – ja, hier unterscheiden wir uns – dient es selbstverständlich dem Zweck, Anreize für Unternehmer zu schaffen, die sich freiwillig dem Prinzip der Zertifizierung


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unterwerfen. Schauen Sie sich einmal praktisch in einem Betrieb an, welcher Aufwand es für einen Betrieb ist, diese Zertifizierungsarbeit durchzuführen. Das ist kein "Spaziergang", sondern das benötigt einen hohen unternehmerischen Aufwand, und es erfordert Können und Engagement der Mitarbeiter.

Was will ich, was will die Verwaltung? – Wir wollen auch einen Anreiz dafür schaffen, dass Betriebe an der Zertifizierung teilnehmen, indem wir sie von Verwaltungstätigkeit entlasten und ihnen das in die Verantwortung des eigenen Betriebs übergeben, sodass – das sage ich ganz offen – auch die öffentliche Hand etwas davon hat.

Wenn Sie meinen, dass Deregulierung das Umweltniveau schwächt, dann möchte ich Sie fragen: Stimmt denn Ihr Umkehrschluss auf eine Regulierung? – Auch in dieser Hinsicht unterscheiden wir uns. Wenn die Sozialdemokratie das meint, dann soll die Sozialdemokratie das klar sagen. Ich meine, dass die Wirtschaft jenes Maß an Verantwortlichkeit hat, die letztendlich auch hohe ökologische Standards mit geringerem Verwaltungsaufwand ermöglicht.

Meine Damen und Herren! Drittens bringt dieses Gesetz eine Reihe von Verwaltungsvereinfachungen mit sich, von denen schon gesprochen worden ist.

Nur zwei Anmerkungen noch, Frau Bundesrätin! Sie meinen, dass die Frage der Unterlassungsklage nicht geklärt sei. Das ist ganz einfach falsch. Die Behörde hat nach Vorliegen der Erklärung des Umweltgutachters die Anzeige der Anlagenänderung selbstverständlich mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen. Das ist mit Bescheid zur Kenntnis zu nehmen, und dieser Bescheid ist ein Genehmigungsbescheid, daher ist Ihr Argument hinsichtlich der Unterlassungsklage nicht stichhaltig.

Frau Bundesrätin! Zweitens haben Sie von den Parteienrechten gesprochen. Schauen Sie sich auch hier das Gesetz im Detail an: Es ist ein völlig neuer Ansatz darin enthalten, der durch vorbeugende Kommunikation einen Konflikt nach Möglichkeit vermeiden soll. Ich halte das für sehr spannend. Sollen wir denn als Gesetzgeber immer nur dann tätig werden, wenn es schon zu spät ist und – in dem Sinne – erst dann regeln, wenn ein Konflikt da ist? – Nein, ich möchte, dass wir Konflikte zwischen Bürgern und Wirtschaft, zwischen Anrainern und Unternehmen vermeiden. In diesem Sinn ist es tatsächlich auch eine neue Rechtskultur, die mit diesem Gesetz beschritten wird.

Letzte Bemerkung: Sie haben gemeint, die Wirtschaft könne da nicht sehr glücklich sein; offensichtlich haben Sie nicht mit der Wirtschaft gesprochen. Ich habe jedoch mit der Wirtschaft gesprochen. Frau Bundesrätin! Ein Ausdruck besteht wohl darin, dass das Team, das dieses Gesetz erarbeitet hat – wie schon angesprochen wurde –, mit dem "Öko-Manager" ausgezeichnet wurde. Ich möchte mich dezidiert bei diesem Team herzlich bedanken und zu dieser Auszeichnung gratulieren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.09

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Nein, das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag ist angenommen.


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Es liegt ein Antrag der Bundesräte Höllerer, Auer, Mag. Gudenus auf Fassung einer Entschließung betreffend Vorlage des Berichts gemäß § 28 Umweltmanagementgesetz an den Bundesrat vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E.167)

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs (AGC) samt Anlagen, Änderungen der Anlage I, Anhang und Erklärung der Republik Österreich (308 und 678/NR sowie 6413/BR der Beilagen)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Rechtsstellung von Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Grenzabfertigung Dienstleistungen erbringen (446 und 680/NR sowie 6414/BR der Beilagen)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 geändert wird (668 und 681/NR sowie 6405/BR der Beilagen und 6415/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 8 bis 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs (AGC) samt Anlagen, Änderungen der Anlage I, Anhang und Erklärung der Republik Österreich,

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Rechtsstellung von Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Grenzabfertigung Dienstleistungen erbringen, und schließlich

ein Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 8 bis 10 hat Herr Bundesrat Engelbert Weilharter übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie zu Punkt 8. Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor, sodass ich mit Ihrem Einverständnis auf einen Vortrag verzichten darf und mich auf die Antragstellung beschränken kann.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.


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Ich darf gleich den Bericht zum Tagesordnungspunkt 9 bringen und auch hier mit Ihrem Einverständnis auf den Vortrag verzichten, weil der Bericht in schriftlicher Form vorliegt.

Nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 stellt der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme nun zu Tagesordnungspunkt 10. Auch hier darf ich mich, da der Bericht in schriftlicher Form vorliegt, auf die Antragstellung beschränken.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Karl Boden das Wort. – Bitte.

13.12

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Verkehrsministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gehen wir von den Schlagworten wie "Pionier" und "Pioneer" oder "Global 2000" und "Greenpeace" zu anderen Schlagworten wie "Taurus", "InterCity" oder "EuroNight" über. Ich glaube, auch alle diese Schlagworte sind uns bekannt.

Im Punkt 8 der Tagesordnung geht es um ein Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs. Durch die Entwicklung des europäischen Raumes wird es notwendig, dass die Verkehrsströme nicht mehr auf Landesebene ausgerichtet werden, sondern dass europäische Transitrouten errichtet werden. Es geht hier um Normen und Absichtserklärungen, an die sich die Länder halten und die in nationale Entwicklungspläne eingearbeitet werden sollen. Um nicht Gefahr zu laufen, dass Österreich umfahren wird, wird es sehr wichtig sein, diese bestimmten Linien so schnell wie möglich auf entsprechenden Standard zu bringen und entsprechend auszubauen.

Meine Damen und Herren! Trotz vieler Gegenargumente wird es eine wichtige Grundlage auch dafür sein, dass der Semmering-Basistunnel errichtet wird. Ihr Vorgänger, Frau Ministerin, Herr Verkehrsminister Schmid hat im Bundesrat einmal erklärt: Solange er Verkehrsminister ist, wird der Semmeringtunnel gebaut werden. – Leider, so muss ich dazu sagen, war er zu wenig lange Verkehrsminister.

Wir Sozialdemokraten werden diesem Gesetzentwurf und auch dem 9. Punkt der Tagesordnung, in dem es um ein Abkommen zwischen den Regierungen Österreichs und Ungarns über die Rechtsstellung der Unternehmen im Zusammenhang mit der Grenzabfertigung geht, unsere Zustimmung geben.

Anders steht es um die Änderung im Güterbeförderungsgesetz, mit der wieder einmal die Unternehmen verschont und die Fahrer belastet werden – allein schon wenn man bedenkt, dass es Firmen gibt, die zehn LKWs angemeldet haben, aber zu den zehn LKWs nur zwei Fahrer gemeldet haben, oder wenn man bedenkt, dass es Lastautos gibt, die nicht nur in der eigenen Gemeinde, sondern auch in der Nachbargemeinde – und das ohne Bewilligung – abgestellt werden können. Ich denke, wenn neben Touristenhotels um 5 Uhr ein LKW gestartet wird, ist das nicht zielführend. Diesem Gesetz können wir Sozialdemokraten nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.15

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Gottfried Kneifel. Ich erteile ihm das Wort.

13.15

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich stimme meinem Vorredner, Herrn Kollegen


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Boden, darin zu, dass die Transeuropäischen Netze, die europäischen Verbindungen, möglichst rasch ausgebaut werden sollen, damit wir entsprechende Anbindungen haben, damit wir unsere Chancen in einem zusammenwachsenden Europa wahren und die entsprechenden Verkehrsverbindungen unseren Kunden und der gesamten Bevölkerung anbieten können.

Worin ich Ihnen nicht ganz zustimme, ist Ihre Aussage zum Güterbeförderungsgesetz. Ich glaube, dass dieses Güterbeförderungsgesetz ein Musterbeispiel für das neue Regieren seit eineinhalb Jahren ist, weil dieses Gesetz lang ersehnte Entbürokratisierungen und Verbesserungen mit sich bringt. Ich freue mich ganz besonders, weil diese Initiative auf den Präsidenten der Oberösterreichischen Wirtschaftskammer Sigl zurückgeht, der mit der Frau Bundesministerin im März dieses Jahres diesbezüglich Kontakt aufgenommen und ersucht hat, diese bürokratischen Hindernisse im Güterbeförderungsgesetz zu beseitigen. Ich bedanke mich deshalb auch bei der Frau Bundesministerin für die rasche Reaktion und für die Umsetzung dieses wichtigen Anliegens eines Großteils der österreichischen Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die jetzt vorliegende Novellierung kann sich durchaus sehen lassen und bringt für die Betroffenen eine ganze Reihe wesentlicher Entlastungen mit sich – nicht nur für die Betriebe, sondern auch für die Behörden, die gleich von mehreren Aufgaben entlastet werden, was vor allem im Hinblick auf die Bundesstaatsreform von wesentlicher Bedeutung ist und meiner Meinung nach auch als Vorbild für ähnliche Schritte im Hinblick auf eine umfassende Staatsreform gelten kann.

Herr Kollege Boden! Mit bis zu 6 000 S Verwaltungsstrafe wurde von einzelnen Behörden in Österreich das Nicht-Mitführen einer Werksverkehrskarte bestraft. Diese Bestimmung hatte vor dem EU-Beitritt Österreichs durchaus eine Berechtigung und auch eine Bedeutung, weil sie damals als Unterscheidungsmerkmal beim grenzüberschreitenden Güterverkehr zwischen transportgenehmigungsfreien Werksverkehrsbeförderungen – insbesondere für Deutschland, Italien und Großbritannien – sowie transportgenehmigungspflichtigen Beförderungen von gewerblichen Güterbeförderungsunternehmen diente.

Aber seit dem EU-Beitritt, seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und der Liberalisierung des gewerblichen Straßengüterverkehrs innerhalb der EU, ist diese Werksverkehrskarte überflüssig geworden. Seither sind Transporte von gewerblichen Güterbeförderungsunternehmen und von Werksverkehrsunternehmen völlig gleichgestellt; innerhalb der EU gibt es kein Erfordernis von Transportgenehmigungen mehr.

Deshalb ist meiner Ansicht nach vom Staat und vom Gesetzgeber her die richtige Maßnahme zu setzen. Diese überflüssige Genehmigung, die auch jetzt noch hin und wieder von Exekutivorganen eingefordert worden ist und mit der die Fahrer – da gebe ich Ihnen Recht – belästigt worden sind, fällt jetzt weg. Das ist doch ein Vorteil!

Seit dem EU-Beitritt Österreichs hat also diese Werksverkehrskarte ihre Berechtigung verloren. Mit der jetzigen Novelle wird die völlig unnötige Bürokratie für die Betriebe und die große administrative Belastung insbesondere für die Bezirksverwaltungsbehörden abgeschafft. Damit Sie sich eine Vorstellung davon machen können, was diese Entlastung bedeutet, habe ich mich bei der Statistik Austria erkundigt, wie viele von dieser Reform und von dieser Maßnahme betroffen sind.

Zum Stichtag 31. 12. 2000 waren es in Österreich insgesamt 205 000 LKW – das entspricht einem Anteil von 63 Prozent –, die eine Werksverkehrskarte mitführen mussten. Der gewerbliche Verkehr hat am LKW-Bestand lediglich einen Anteil von 8 Prozent, das sind nicht einmal 27 000 LKWs; die restlichen fast 100 000 LKWs des Gesamtbestandes von fast 330 000 LKWs befinden sich im öffentlichen Bereich, etwa bei Polizei, Gendarmerie, Bundesheer, Straßenmeistereien und in ähnlichen Einrichtungen.

Mit der Abschaffung dieser Werksverkehrskarte wird also für fast zwei Drittel des heimischen LKW-Bestandes eine dramatische und weitgehende Entbürokratisierung durchgesetzt. Mit


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diesem neuen Gesetz ergibt sich daher ein Quantensprung! Man muss sich die große Anzahl von Verwaltungsakten vorstellen, die bisher nötig waren und mit denen die Betriebe, aber auch die Fahrer und die Mitarbeiter der Transportunternehmen geknechtet wurden – all das fällt jetzt weg! Das ist ein großer Fortschritt für eine sehr wichtige Branche, nämlich für die Transportbranche.

Ich denke, es ist außerdem ein Fortschritt, dass die Konzessionsarten wesentlich vereinfacht wurden. Es wird jetzt innerhalb Österreichs nur noch eine einheitliche innerstaatliche Konzession geben, im Gegensatz zu den früheren Güternah- und Güterfernverkehrskonzessionen. All das ist ein wesentlicher Bürokratieabbau, ein Fortschritt, eine Vereinheitlichung und eine Hinwendung zu einem eher einfachen System, ohne dass staatliche oder behördliche Interessen irgendwie beeinträchtigt werden. Auch das muss meiner Ansicht nach einmal festgestellt werden.

Ein Fortschritt ist es außerdem, dass die bestehenden Kleintransporteure in Österreich – immerhin 5 000 Unternehmen mit einer bisherigen freien Konzession über die Berechtigung zur Beförderung von Gütern und Fahrzeugen mit bis zu 600 Kilogramm an Nutzlast – eine wesentliche Anpassung und Erleichterung erfahren. Die bestehenden Konzessionen sollen automatisch als Konzessionen nach der neuen Gewichtsgrenze und nach der jedermann geläufigen Grenze der Lenkerberechtigungsgruppe B – also für Fahrzeuge bis zu 3,5 Tonnen als höchst zulässigem Gesamtgewicht – gelten.

Eine wichtige Maßnahme in diesem Gesetz scheint mir auch die neue Strafbestimmung zu sein; diese wird von mir befürwortet. Es ist sehr sinnvoll, dass der Strafrahmen und die Strafbemessung vervierfacht wurden. Bisher hat man mit 5 000 S das Auslangen gefunden; wenn jemand erwischt wurde, hat er 5 000 S Strafe gezahlt. Dieser Rahmen wurde erhöht, und ich stehe nicht an, es zu befürworten, dass die Strafe erhöht wird. Denn wir sind dazu da, die gesetzestreuen Betriebe zu vertreten, aber nicht diejenigen, die Gesetze brechen. Ich denke, das sollte unsere Auffassung sein, und deshalb sollen diejenigen, die sich in dieser Hinsicht danebenbenehmen und ohne entsprechende Konzession tätig sind, auch mit der entsprechenden Strafe rechnen müssen. Das halte ich für einen Fortschritt, das ist positiv zu bewerten.

Wichtig für viele Güterbeförderungsunternehmen ist weiters, dass sie die erforderlichen LKW-Abstellplätze nicht mehr nur im Verwaltungsbezirk des Unternehmensbezirkes, sondern auch in einem angrenzenden Verwaltungsbezirk nachweisen können. Was Sie angesprochen haben, Herr Kollege ... (Bundesrat Boden: Da wird Frau Haunschmid in ihrem Bezirk aus angrenzenden Bezirken die Lastwagen ...!) Damit wird vor allem die Benachteiligung von Unternehmen mit Sitz am Rande eines Verwaltungsbezirkes beseitigt. (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. ) Sie können bisher zum Beispiel Abstellplätze in einer benachbarten Gemeinde, wenn diese in einem anderen Verwaltungsbezirk liegt, nicht zum Nachweis der Abstellplätze nutzen.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Alles in allem ist das ein wesentlicher Fortschritt, ein Quantensprung, ein Musterbeispiel für neues Regieren und für eine schnelle Reaktion im Sinne eines schlanken und trotzdem starken Staates mit starken Behörden.

Frau Ministerin! Ich wünsche mir, dass diese Maßnahme auch ein Vorbild für weitere Schritte auf dem Wege zu einer gelungenen und positiven Staatsreform zum Vorteil unserer Bürgerinnen und Bürger ist, damit die Beamten, die bisher mit diesem bürokratischen Kram, mit der Ausstellung dieser kleinlichen Karte, beschäftigt waren, endlich Zeit für das Wesentliche haben (Bundesrätin Schicker: Die werden in Pension geschickt, diese Arbeitnehmer!), nämlich für die Beratung des Bürgers, für das Service und für die Information des Staatsbürgers. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.25

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Wilhelm Grissemann das Wort. – Bitte.

13.25

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Ich glaube, die Freundlichkeit des Brüsseler


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Transit-Gipfels von letzter Woche ist verflogen; wir haben wieder Alltag. Damit komme ich zu dem Tagesordnungspunkt betreffend ein Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs – AGC. (Bundesrat Gasteiger: War eh nicht mehr als Freundlichkeit!)

Die EU-Kommission hat die Grundsätze für die künftige Verkehrspolitik veröffentlicht. Die ungleiche Entwicklung der verschiedenen Verkehrsträger, die Überlastung bestimmter Verkehrswege und damit natürlich die Belastungen für Umwelt und Bürger werden als Hauptproblem erkannt. Selbstverständlich bietet das Europäische Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs die Möglichkeit, lenkend einzugreifen. – So weit, so gut.

Die Schaffung eines homogenen europäischen Schienennetzes ist selbstverständlich eine Voraussetzung dafür, die Schiene im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern wettbewerbsfähig zu machen. Was wir allerdings unbedingt brauchen, ist die Kostenwahrheit im Verkehr – wir wissen es, Frau Ministerin! Denn nur dann sind die Investitionen für die Schiene in Milliardenhöhe nicht in den Sand gesetzt. Aber da beginnen nun wieder meine Zweifel. (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. )

Da beginnen nun wieder meine Zweifel, Herr Kollege Gasteiger! Wie ernst kann man eigentlich die EU-Kommission nehmen, wenn sie zwar die erwähnten neuen Grundsätze für die künftige Verkehrspolitik veröffentlicht und in sensiblen Gebieten jetzt sogar weitere Mautzuschläge möglich macht – als sensible Gebiete gelten Regionen mit vielen natürlichen Hindernissen wie unsere Alpen, also natürlich auch die Tiroler Alpen –, gleichzeitig aber nicht bereit ist (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger )  – Frau Ministerin, ich darf Sie direkt ansprechen –, die Ökopunkte gemäß dem Transitvertrag zu kürzen.

Zur Erklärung: Für heuer müssen 1 Million Ökopunkte – das entspricht rund 160 000 Transitfahrten – gestrichen werden.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich empfehle, zu klagen und den Fall vor den EuGH zu bringen. Vertrag ist Vertrag! Gerade wir Tiroler sind bei Vertragsverletzungen sehr empfindlich, weil wir diese Vertragsverletzungen auch "auslöffeln" müssen. (Bundesrätin Schicker: Nicht nur die Tiroler!)

Hoher Bundesrat! Ich möchte mich kurz fassen: Mögen sich die Hoffnungen, die man in dieses Europäische Übereinkommen setzt, erfüllen! Möge die Bahn jene Renaissance erleben, die wir ihr im eigenen Interesse wünschen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesministerin Dr. Monika Forstinger das Wort. – Bitte.

13.28

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Nur ein paar Punkte zu Ihren Anmerkungen, im Wesentlichen zum Güterbeförderungsgesetz.

Herr Bundesrat Kneifel! Ich danke Ihnen dafür, dass Sie im Detail dargestellt haben, welche administrativen Hürden wir ausgleichen können und wie wesentliche Punkte, die von der Wirtschaft schon lange gefordert wurden, ausgeglichen werden können.

Es gab bei der Erstellung dieses Güterbeförderungsgesetzes eine so genannte "Win-Win"-Situation, eine Gewinner-Gewinner-Situation auszuhandeln. Denn die Wirtschaft war nicht leicht einerseits von den hohen Strafen zu überzeugen – das ist auch selbstverständlich –, aber andererseits davon, dass nunmehr auch die Unternehmer gestraft werden können, wenn sie ihre Fahrer bei der Ökopunkte-Registrierung nicht richtig anleiten.

Das ist nicht nur deshalb ein ganz wesentlicher Punkt, weil wir damit die Gleichbehandlung der in- und ausländischen Unternehmen und der in- und ausländischen Fahrer schaffen, sondern


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auch, weil wir sehr viel Druck von den Fahrern nehmen. Nicht nur die Übermüdung und die fehlende Ruhezeit sind es, die zu vielen Unfällen führen, sondern auch der Druck, den die Fahrer zu ertragen haben, sodass sich immer weniger dazu bereit erklären, die Transporte – insbesondere beim Transit – zu übernehmen, womit sich auch der Druck auf diejenigen laufend steigert, die noch im Beruf sind.

Somit ist es eine deutliche Entlastung, und alle Argumente, wie beispielsweise der Unternehmer leite die Fahrer an, sie könnten nichts dafür, sind damit entkräftet.

Ich bin schon sehr erstaunt, dass gerade Sie von der Sozialdemokratischen Partei sich unseren Argumenten in diesem Zusammenhang verschließen, denn in diesem Gesetz werden mehrere Punkte geregelt, die unter anderem unsere starke Transitpolitik unterstützen. Gerade das Mitführen der so genannten CEMT-Genehmigungen – das sind die Genehmigungen, die die Drittlandfahrer in den Nachbarländern brauchen, mit denen wir nur bilaterale Abkommen haben und die noch nicht Mitglieder in der Europäischen Union sind – ist ganz wesentlich, was die Belastung durch den Verkehr angeht. Es ist immer wieder vorgekommen, dass diese CEMT-Genehmigungen nicht im Auto mitgeführt wurden, und es wurde nun ein für alle Mal ganz klar geregelt, dass das strafbar ist, dass das Mitführen dieser Genehmigung unbedingt erforderlich ist. Das ist notwendig, um kontrollieren zu können, dass diese nicht ausgedehnt auch von anderen Fahrern und anderen Unternehmen verwendet werden können.

Ich habe schon gesagt, dass durch dieses Gesetz sehr viele administrative Mängel beseitigt und neue Strafbedingungen festgelegt wurden.

Lassen Sie mich noch ein paar Anmerkungen zur EU-Verkehrspolitik machen: Die Frage, ob wir die Kommission auffordern sollen, zu handeln, hat sich erübrigt, denn das habe ich schon getan. Bei aller Freundlichkeit und bei aller guten Zusammenarbeit gehört es selbstverständlich dazu, dass wir Verträge, die wir abschließen, auch einhalten. Daher habe ich vorgestern die Aufforderung zur Reduktion eingebracht, denn es ist ganz wesentlich, dass wir uns die Rechtssicherheit wahren. Wir können nicht schieben, wir können auch nicht warten, bis die Kommission ihren Antrag zurückzieht, denn dann haben wir alle unsere starken Positionen verloren. Diese brauchen wir aber, damit wir eine Nachfolgeregelung nach 2003 erreichen können. Denn nur wer stark in der Verhandlung ist, kann sich auch darüber hinaus Bedingungen erarbeiten und diese auch verhandeln. Das ist ganz klar. Ich möchte nicht, dass es wieder passiert, dass man in der Nacht, bevor der Vertrag ausläuft, Systeme erfinden muss, die, wie sich erst im Nachhinein herausstellt, manchmal Probleme machen.

Ich sage ganz klar: Alle Mitgliedsländer haben diesen Vertrag unterschrieben. Alle haben sich zu den Detailbedingungen bekannt, und so müssen sie auch eingehalten werden. Es ist ein wichtiges Zeichen von uns, dass wir unsere Rechtsposition wahren wollen, und daher: Keine Sorge – das auch an die Tiroler –, wir werden sehr stark bleiben, gerade was das Thema Verkehr betrifft. (Präsident Schöls übernimmt den Vorsitz.)

Nichtsdestotrotz sind in diesem Weißbuch sehr viele Grundsätze enthalten, die unserer Verkehrspolitik entsprechen. Die Einstufung der sensiblen Zonen ist schon angesprochen worden, wobei sich diese Frage für uns nicht stellt, denn wir haben mit der Alpenkonvention gesagt, was sensibel ist. Das ist nicht nur Tirol, das ist auch der Ost-West-Bereich, das sind die Ballungszentren, das ist die Tauern-Strecke, und das ist die Pyhrn-Strecke.

Ganz Österreich ist durch die geographische Lage und auch auf Grund der Situation, in der wir als klassisches Transitland sind, ein sehr schützenswerter, also sensibler Bereich. Es geht im Wesentlichen darum, dass wir herausarbeiten, warum wir in weiten Bereichen die Einstufung in sensible Zonen brauchen, um dann auch entsprechend Mauten einheben zu können.

Auch die Frage, ob wir aus diesen Mitteln Eisenbahninfrastruktur-Investitionen finanzieren können, ist für uns sehr wichtig, und wir stehen dem sehr positiv gegenüber. Daher sind auch die Grundprinzipien für uns wichtig. Wir alle wissen aber, wie lange es dauert, bis Grundregeln, bis Grundsätze umgesetzt werden. Daher ist es wichtig, dass wir sehr rasch darangehen, das


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auch umzusetzen, und die Kommission immer wieder auffordern, dieses Papier auch tatsächlich zu beschließen. Es müssen die detaillierten Regelungen für den Verkehrsministerrat auch rechtlich anwendbar sein. Gleichzeitig müssen wir aber darauf achten, dass wir dann, wenn unser Vertrag ausläuft, Übergangsregelungen haben. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt, den wir erreicht haben, denn da war erstmals von Übergangsregelungen die Rede, die für Österreich in der künftigen Verkehrspolitik absolute Bedingung sind.

Ich glaube, es ist ganz wesentlich, dass wir diesbezüglich mit einheitlicher Sprache sprechen. Denn wie sollten wir unsere Position in der EU wahren, wenn wir hier im Parlament, wenn wir in den verschiedenen Parteien nur Kleinigkeiten suchen, um darzulegen, dass wir diesbezüglich keinen gemeinsamen Standpunkt haben? – Jeder, der im Verkehrsbereich für Österreich etwas tun und sich dafür einsetzen will, sollte bitte verhindern, dass wir durch Kleinkram-Diskussionen unseren Standpunkt uneinheitlich präsentieren, denn wir stehen natürlich unter Beobachtung. Jeder weiß, dass wir konsequent vorgehen müssen, wenn wir für Österreich etwas erreichen wollen. Daher sind alle diese Diskussionen, etwa: Sind Strafen möglich; ist es überhaupt möglich, Lenker zu erheben; müssen wir nicht Daten für die Unternehmen haben?, nicht dazu angetan, unsere Position zu wahren.

Es wurde auch noch einmal der Semmering-Basistunnel angesprochen. Ich stehe absolut zum Semmering-Basistunnel, das sage ich in aller Deutlichkeit. Ich stehe zur gesamten Südbahn, und der Semmering ist ein Teil davon. Aber das ist nicht nur meine Entscheidung. Ich glaube, Sie sollten in Ihren Reihen eine gemeinsame Meinung finden, dass dieses Projekt auch realisiert werden kann (Bundesrätin Schicker: In unseren Reihen haben wir Beschlüsse, Frau Ministerin!), denn es ist nicht einzusehen, dass in sehr vielen Bundesländern große Strecke marginal nicht finanziert werden können, wenn es in Teilstrecken durch Blockierung von finanziellen Mitteln und auch durch das Ausnutzen von Kompetenzen, die nicht im Bereich des Bundes liegen, zu Verhinderungen und Verzögerungen kommt.

Es gilt, alles daranzusetzen, um davon zu überzeugen, dass gerade dieses Projekt im Zusammenhang mit der gesamten Südbahn, das heißt Koralm plus Semmering, eine sehr wichtige Verkehrsverbindung für Österreich ist. Sie alle sind aufgerufen, diese Überzeugungsarbeit mitzutragen, damit wir dieses Projekt auch entsprechend realisieren können. Wenn ich nicht sehr deutlich zum Semmering stehen würde, hätte ich sicher nicht mein Ja zur Koralmbahn gegeben, denn da gilt es, die Gesamtheit zu betrachten.

Ein Grund dafür, dass es immer wieder zu diesen Detaildiskussionen kommt, ist unter anderem auch, dass wir in Österreich keine strukturierte, keine verbindliche Verkehrspolitik gehabt haben. Da gab es einerseits den Straßenbau, andererseits den Schienenausbau. Überlegen Sie bitte, was das für mich bedeutete: Ich kam in ein Ministerium, in dem es zu diesen zwei wesentlichen Verkehrsträgern unterschiedliche Meinungen gab wie: man müsse die A 1, die West-Autobahn, nicht ausbauen, wenn man die Westbahn viergleisig ausbaut! – Ich frage Sie: Wer von Ihnen kann das heute noch unterschreiben? (Bundesrat Thumpser: Wer war denn Ihr Vorgänger? – Schmid hat er geheißen, oder?)

Schauen Sie sich die Staus auf der West-Autobahn an, schauen Sie sich an, wie weit die Westbahn ausgebaut wurde! Sowohl im Autobahn- als auch im Schnellbahnbereich gibt es Lücken, es ist überall nur ein Stückwerk, und gleichzeitig gibt es eine Verkehrspolitik, die sich widerspricht.

Es gilt daher nun, das zusammenzufassen und einmal eine strukturierte Verkehrspolitik zu machen. Das ist die Arbeit, die ich zu tun habe, und da sollten wir nicht durch Details in der Diskussion Linien, von deren Wichtigkeit wir überzeugt sind, zerreden und mit Formalverfahren und in der Kompetenzaufteilung alles verhindern, was wir schon einmal für wichtig gehalten haben. Ich darf Sie bitten, alles dazu zu tun. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie Beifall des Bundesrates Boden. )

13.38


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 89

Präsident Alfred Schöls:
Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Manfred Gruber. Ich erteile es ihm.

13.38

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang eine erfreuliche Mitteilung machen, Frau Ministerin. Sie waren am 27. Juni, als in Bad Hofgastein das Ergebnis des Meditationsforums Ausbau Tauernachse Nord-Süd im Gasteinertal präsentiert wurde, leider verhindert. Man ist sich im sensiblen Bereich Gasteinertal – Thermenquellen, Fremdenverkehr, Tourismus und alles, was damit im Zusammenhang steht – einig geworden, einen zweigleisigen Ausbau in dieser Form zuzulassen. Jetzt hängt es davon ab, dass jemand da ist, der das Geld in die Hand nimmt und sagt: Okay, Eisenbahn, Gemeinden, Land Salzburg, ihr seid euch einig geworden, es gibt ein Projekt, das auch umsetzbar ist, es wird dem Schwerverkehr auf der Schiene sehr helfen – man rechnet dort mit 250 Zügen in 24 Stunden –, dieses Projekt ist fertig.

Ich darf Sie höflich ersuchen, Frau Ministerin, sich dessen anzunehmen, denn die Entscheidung, ob das Projekt auch entsprechend rasch umgesetzt wird, liegt jetzt bei einer höheren Stelle.

Wir, die Bürgermeister und die Mitbürger in Gastein, das Land Salzburg, die Bahn, haben unsere Vorarbeiten geleistet. Wir haben eine Trasse festgelegt, und diese Trasse kann jetzt möglichst schnell im Sinne dieser Grundlagen umgesetzt werden. Ich möchte Sie dazu höflichst und herzlichst einladen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.40

Präsident Alfred Schöls: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des Internationalen Eisenbahnverkehrs (ACG) samt Anlagen, Änderungen der Anlage I, Anhang und Erklärung der Republik Österreich.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist damit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Ungarn über die Rechtsstellung von Unternehmen, die im Zusammenhang mit der Grenzabfertigung Dienstleistungen erbringen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Güterbeförderungsgesetz 1995 geändert wird.


Bundesrat
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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird (484 und 736/NR sowie 6416/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nun zu Punkt 11 der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Engelbert Weilharter übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, sodass ich mit Ihrem Einverständnis auf einen inhaltlichen Vortrag verzichten darf und mich auf die Antragstellung beschränken kann.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Schöls: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Aspöck. Ich erteile es ihm.

13.43

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Angst, es werden nur wenige Sätze.

Mit der vorliegenden Novelle zum Patentanwaltsgesetz werden längst fällige Liberalisierungen durchgeführt. Obwohl der Reformbedarf sicherlich ebenfalls längst bekannt war, ist es früheren Regierungen – aus welchem Grund auch immer – nicht gelungen, solche Liberalisierungen durchzuführen. Aber gleich auch Blumen: Umso anerkennenswerter finde ich es, dass die rot-grüne Fundamentalopposition (demonstratives Räuspern bei der SPÖ) in der Erkenntnis, dass diese Reformen notwendig sind, sich dazu durchgerungen hat, diesem Gesetz – ebenso wie wir – die Zustimmung zu erteilen, und dafür danke ich herzlich. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.44

Präsident Alfred Schöls: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist damit angenommen.


Bundesrat
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12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 geändert wird (Asylgesetz-Novelle 2001) (669 und 693/NR sowie 6417/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nun zu Punkt 12 der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 geändert wird (Asylgesetz-Novelle 2001).

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Strugl übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Michael Strugl: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 1997 geändert wird, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich verzichte daher auf die Verlesung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Schöls: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Bundesrat Thumpser. Ich erteile ihm dieses.

13.46

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Nur zwei Vorbemerkungen.

Die erste Vorbemerkung: Unser "Geplänkel" – unter Anführungszeichen – anlässlich der letzten Bundesratsdebatte hat Früchte getragen. (Bundesminister Dr. Strasser: Das kann nur mein "Geplänkel" gewesen sein! – Heiterkeit.) Ich bedanke mich und stehe auch nicht an, das hier auch zu sagen, dass Sie die Zusage eingehalten haben.

Wir haben über die Situation im Bezirk Lilienfeld betreffend Gendarmerieposten, so glaube ich, sehr ausführlich diskutiert. Ich freue mich, dass der Bezirk Lilienfeld einer von zwei Bezirken in Niederösterreich ist, in denen kein Posten geschlossen wird. Auf der anderen Seite tut es mir wieder leid, dass 21 Bezirke in Niederösterreich von Postenschließungen betroffen sind. (Bundesrat Ledolter: Da kann was nicht stimmen! Wir haben nur 21!)  – Also gut, dann sind es 19; okay.

Meine zweite Vorbemerkung ist ein wenig ernster. Herr Bundesminister! Wir begehen heuer das Internationale Jahr der Freiwilligen. Herr Bundeskanzler Schüssel und die Frau Vizekanzlerin haben in einem Vortrag an den Ministerrat zu diesem Thema Folgendes gesagt – ich zitiere wörtlich –: Allen Aktivitäten ist gemein, dass der Kontakt von Mensch zu Mensch im Mittelpunkt steht. Österreich verfügt über eine funktionierende Bürgergesellschaft – da möchte ich nur anmerken, dass es auch Bürgerinnen gibt, die sich in Vereinen engagieren – und sticht unter den Ländern Europas durch eine besondere Vielfalt an Vereinen und Freiwilligeninitiativen hervor. Die öffentliche Hand nimmt ihre Verantwortung mittels eines breiten Förderinstrumentariums wahr.

Diese Verantwortung, sehr geehrter Herr Bundesminister, wird aber im Bereich des Asyls nicht in dieser Form wahrgenommen. Wie sonst wäre es zu interpretieren, dass sowohl die Hilferufe der Caritas als auch die Hilferufe der Organisation "Asyl in Not", der vom Innenministerium leider die Subventionen gänzlich gestrichen wurden, unüberhörbar sind? – Waren es in den letzten Jahren, nämlich bis 1999, noch rund eine halbe Million Schilling, die an Fördermitteln ausbezahlt wurden, so waren es im Jahr 2000 nur mehr 200 000 S, und im heurigen Jahr hat sich diese Summe auf Null reduziert. – Und das in einem Jahr, in dem den Freiwilligenorganisa


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tionen solch hohe Bedeutung zukommt und in dem landauf, landab Freiwilligenorganisationen und deren Vertreterinnen und Vertreter ausgezeichnet werden! Ich glaube, das ist eine etwas doppelbödige Moral: einerseits in den Medien die Bedeutung der Freiwilligenarbeit hervorzuheben und andererseits Fördermittel für jene Organisationen, die es brauchen, zu streichen.

Gerade Sie, Herr Bundesminister, betonen immer wieder und bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Wichtigkeit der NGOs und wie sehr Sie auf die Arbeit dieser Organisationen angewiesen seien. Ich bitte Sie deshalb, gerade die Organisation "Asyl in Not" auch in diesem Jahr finanziell zu unterstützen und die Unterstützung auch in Zukunft entsprechend abzusichern.

Zum Gesetz selbst: Grundrecht jedes Menschen ist es, Asyl zu bekommen, also Sicherheit vor Verfolgung in seinem Heimatland, aus welchen Gründen auch immer. Die heute hier zu beschließende Materie kann dieses Grundrecht nicht mehr gewährleisten. Sie kann es deshalb nicht mehr gewährleisten, weil, sollten Sie diese Novelle heute hier beschließen, ein Einfallstor für Kettenabschiebungen geöffnet wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat das in seinen Erkenntnissen auch ausgeführt.

Mir scheint, das geschieht nach dem Motto: Hauptsache, der Asylant ist weg, aus den Augen, aus dem Sinn, ein Problem weniger. – Was wann wie und wo mit diesen Menschen passiert, scheint egal zu sein. Eine Reihe von Stellungnahmen zu diesem Gesetz – von der Caritas angefangen über die Wiener Landesregierung – hat genau auf dieses Manko aufmerksam gemacht. Aber wie bei so vielen Gesetzen in der letzten Zeit setzen Sie sich offenbar auch darüber hinweg und nehmen diese Anregungen und Stellungnahmen nicht wahr.

Wenn Sie heute dieses Gesetz so beschließen, gehen Sie sogar noch einen Schritt weiter: Sie desavouieren mit dieser Beschlussfassung einen Entscheid des Höchstgerichtes. Wir werden diesem Gesetz deshalb unsere Zustimmung nicht geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.51

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ledolter. – Bitte.

13.52

Bundesrat Johann Ledolter (ÖVP, Niederösterreich): Verehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorweg, weil es heute anscheinend so üblich ist, ein paar Vorbemerkungen, die Sie auch mir gestatten mögen.

Mir fehlt gerade als niederösterreichischem Bundesrat jedes Verständnis dafür, dass hier von einem Kollegen aus Niederösterreich die Wertschätzung der Freiwilligen eingemahnt wird – gerade in einem Bundesland, das vor zwei Jahren ein eigenes Jahr der niederösterreichischen Freiwilligen ausgerufen hat (Bundesrat Thumpser: Da musst du zuhören! Das habe ich nicht gemeint!), an dessen Spitze mit Erwin Pröll ein Landeshauptmann steht, der nicht müde wird, den Freiwilligen Unterstützung zu geben. – Ich komme gleich auf das, was du gemeint hast, Herr Kollege!

Erwin Pröll ist ein Landeshauptmann, der sich stets bemüht, die Freiwilligenorganisationen nach allen Kräften zu fördern, und diese Vorbildwirkung ist letztlich auch österreichweit zu spüren.

Ich habe aber auch kein Verständnis dafür, meine Damen und Herren, dass man eine zusätzliche Unterstützung für eine Kleinorganisation einfordert, die, wie ich aus berufenem Munde höre, ihr Ziel nicht so sehr in der Vertretung der Interessen der Asylwerber sieht, sondern die es offensichtlich darauf angelegt hat, politisch aktiv zu sein, die Querelen mit dem Bundesministerium sucht und die medienwirksam versucht, jenen in die Barriere zu fahren, die sich wirklich um die Anliegen der Asylwerber bemühen.

Ich glaube, meine Damen und Herren, dass doch in dieser Republik weitgehend Konsens darüber besteht, dass Asylpolitik und Asylgesetzgebung eine gewisse Tradition haben – es klingt nach Kindesweglegung, wenn plötzlich ein Bruch gesucht wird –, dass diese Tradition in der Gesetzgebung in einer effizienten und klaren Art und Weise fortgesetzt wird. Diese Novellierung


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ist nur deshalb notwendig geworden, weil der Verwaltungsgerichtshof in einem Erkenntnis gemeint hat, dass die Sicherheit der angrenzenden EU-Staaten beziehungsweise der Beitrittskandidaten als Drittländer in Frage gestellt wird.

Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich auch an dieser Stelle sagen, um ein wenig dem sich abzeichnenden rot-grünen Lamento – ich nehme an, dass Herr Kollege Schennach das fortsetzen wird, was Kollege Thumpser begonnen hat, um bei dieser Tradition zu bleiben – vorzubeugen: Die Volkspartei steht zum Asylrecht. (Beifall bei der ÖVP.) Die Volkspartei steht dazu, dass Asylanten zu schützen sind, dass jenen, die aus ethnischen, aus religiösen, aus politischen oder sonstigen Gründen in ihren Herkunftsländern verfolgt werden, dieses Grundrecht einzuräumen ist.

Wir stehen auf dem Boden der Humanität, wir stehen auf dem Boden der Menschenrechte, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das lassen wir uns auch nicht durch Beiträge dieser Art in Frage stellen!

Diese Novelle, meine Damen und Herren, verfolgt drei große Ziele: zum einen das Ziel der Entlastung des Bundesasylamtes als Behörde erster Instanz. Diese Maßnahme wird dadurch wirksam, dass die Befristung auf drei Monate wegfällt, die bisher Asylanten gegenüber ausgesprochen wurde und die sie gezwungen hat, alle drei Monate zu diesem Asylamt zu pilgern und um eine Verlängerung anzusuchen. Es erfolgt also ein Bürokratieabbau im klassischen Sinne, so wie es die Volkspartei, wie es diese Regierung überhaupt versteht, neu zu regieren.

Ein zweiter Punkt ist die Herabsetzung des Eintrittsalters der Handlungsfähigkeit von jugendlichen Asylwerbern von 19 auf 18 Jahre, was sich durch die Gesetzgebung ohnehin ergibt.

Drittens erfolgt eine Antwort auf dieses VwGH-Erkenntnis in der Form, dass die Sicherung des bisher geltenden Drittstaaten-Konzepts entsprechend nachzuvollziehen ist, und zwar in der Form, dass der Nachweis der Übereinstimmung der Drittstaatsklausel im Drittstaat mit den Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention geführt werden muss.

Meine Damen und Herren! Wenn wir davon ausgehen, dass wir in unseren Nachbarländern EU-Mitglieder und Beitrittskandidaten haben – das ist Faktum –, dann sollten wir uns doch sehr wohl überlegen, ob wir mit zweierlei Maß messen, ob wir einerseits die Türen öffnen und Hände ausstrecken und auf der anderen Seite in einer sehr fragwürdigen Art und Weise diesen Staaten die Sicherheit eines Drittlandes absprechen wollen. Das ist nämlich eine Vorgangsweise, die nicht wirklich verständlich erscheint.

Ich möchte an dieser Stelle dem Herrn Bundesminister zur konsequenten Vorgangsweise, zur Fortsetzung dieses erfolgreichen Weges in einem Ministerium gratulieren, das durchaus nicht zu den einfachen zählt – nicht zuletzt auch auf Grund der langjährigen Tradition, in der es geführt wurde, einer Tradition, die eigentlich in der Phase des Überganges von SP-Ministern zur jetzigen Regierung kulminierte.

Meine Damen und Herren! Ich möchte die Vorkommnisse nur ganz kurz in Erinnerung rufen, vor allem jenen, die jetzt bei diesem Gesetz vielleicht wieder ein wenig zu sensibel sind, die plötzlich wieder die ach so bescheidene Sprache führen und die meinen, dass es schon so lange her wäre, dass man Fenster ausgehängt hat, dass man EDV-Anlagen demoliert hat, dass Mikrofone und Informationsträger demontiert wurden und dass eine Devastierung stattgefunden hat, die ihresgleichen spottet und in dieser Republik bisher noch nicht vorgekommen war. (Rufe bei der SPÖ: Wo? Wo?)

Meine geschätzten sensiblen Kollegen von der SPÖ! Fragen Sie jene, die dort am Werke waren – das ist in Ihrem Informationskreis leicht möglich –, dann werden Sie diese Informationen bestätigt finden. Ansonsten ist es möglich, auch entsprechende Augen- und Ohrenzeugen aufzubieten.


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Zum erfolgreichen Weg des Bundesministers Strasser sei nur noch die Ergänzung erwähnt, dass der effiziente Umgang mit Asylwerbern fortgesetzt und eine Adaptierung einer Materie vorgenommen werden, die ihre Wurzeln in der vorigen Periode hatte.

Als Abschluss zu diesem Thema, meine Damen und Herren, sei gesagt: Die Republik Österreich ist nicht so schlecht unterwegs, in Österreich kommen 2,5 Asylwerber auf 1 000 Einwohner. Wir liegen damit europaweit auf dem vierten Platz, und dieser Wert demonstriert auch der Bevölkerung gegenüber, dass der Umgang mit Asylwerbern in Österreich durchaus korrekt und positiv ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.01

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

14.01

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ledolter! Es ist schon spannend, dass Sie meine Rede schon erahnen können. Herr Kollege Himmer hat seine Rede zum ORF-Gesetz schon in der APA gehalten. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Das ist wahrscheinlich ein Zeiteinsparungsfaktor – meine Rede jedenfalls wurde noch nicht gehalten. Aber ich bin erschüttert über das ... (Bundesrat Ledolter: Ich lasse mich gerne überraschen!) Ich hätte die Rede ein bisschen anders begonnen, aber Sie zwingen mich jetzt zu dieser Änderung.

Was haben Sie jetzt gesagt? – Sie haben gesagt, "Asyl in Not" soll aus zwei Gründen keine Subventionen mehr bekommen. Der eine Grund ist: Das ist eine Pimperlorganisation, sprich: irgendeine kleine Organisation. – Das ist eine Stiftung mit einer langen Tradition, eine Stiftung, die Preisträgerin ist, Menschenrechtspreise bekommen hat, also eine arrivierte Organisation. –Sie soll auch deswegen nichts bekommen, so haben Sie gesagt – das riecht jetzt nach Revanchepolitik –, weil sie Maßnahmen der Regierung kritisiert. – Die Caritas macht das ebenso! Die Caritas kritisiert ebenfalls Maßnahmen der Regierung in diesem Bereich! (Bundesrat Mag. Hoscher: Das ist das Demokratieverständnis, ganz einfach!) Immerhin wurden in zwei Jahren die Subventionen für diese Stiftung von 500 000 S auf null gesetzt, auf null Schilling. (Bundesrat Konecny: Das hat natürlich gar nichts miteinander zu tun!) Und dann sagen Sie, die ÖVP stehe voll zum Asylrecht, aber die Organisationen, die dafür tätig sind, dürfen nicht kritisieren, müssen das Maul halten, nur dann bekommen sie Geld. Das ist wirklich abenteuerlich! (Bundesrat Freiberger: Das ist christlich-sozial! – Bundesrat Ledolter: Dagegen verwahre ich mich! Ich lasse mir das nicht in den Mund legen! Das habe ich nicht gesagt!) Dann müssen Sie es entgegnen! (Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Sie haben auch die Anzahl an Asylwerbern in Österreich genannt. Sie haben aber eine Zahl zu erwähnen unterlassen, nämlich wie viele tatsächlich Asyl bekommen. Da liegen wir nicht an vierter Stelle, Sie wissen das, glaube ich. (Bundesrat Freiberger: Der nicht, der weiß das nicht!) Diesbezüglich liegen wir an einer der letzten Stellen.

Aber kommen wir nun zum Gesetz. Es tut mir Leid – ich sage das ganz offen und ehrlich, denn ich halte Herrn Innenminister Strasser als einen positiven Faktor in der Regierung, an der es viel zu kritisieren gibt; Strasser macht einige Dinge, die es zu würdigen gilt –, aber diese Novelle, die er hier vorgelegt hat, kann ich nicht begrüßen, in keiner Weise. Der Verwaltungsgerichtshof hat erzwungen, eine Rechtssicherheit herbeizuführen, denn er hat festgestellt, dass die Drittstaatsbestimmung nicht zu einem Einfallstor für Kettenabschiebungen werden darf. Nur: Diese Novelle, so sagen viele NGOs – sie dürfen das aber offensichtlich nicht allzu laut sagen, denn dann werden ihre Subventionen gekürzt –, ist überfallsartig gekommen, das war blitzartig, die schafft diese Rechtssicherheit nicht.

Das humane Ringelreihen-Spiel wird weitergehen. Es wird wieder zu einer sehr interessanten Auseinandersetzung, so nehme ich an, vor dem Verfassungsgerichtshof kommen, ob auch diese Novelle, der Sie heute mehrheitlich die Zustimmung geben werden, halten wird.


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679. Sitzung / Seite 95

Dieses Gesetz erklärt den niedrigsten Asylstandard innerhalb der EU zum EU-Standard und macht aus nicht sicheren Ländern sichere Drittstaaten. Das ist einfach eine Umdefinierung, ein Dumping in Menschenrechtsfragen.

Der Herr Innenminister hat bei seinem Amtsantritt gesagt, dass er sich immer bemühen wird, mit den NGOs zusammenzuarbeiten, aber in der Frage "Asyl in Not", so würde ich sagen, ist das mehr als die kalte Schulter, ebenso auch in der Frage der Standards. Die NGOs haben sich in zig Stellungnahmen negativ dazu geäußert, aber auch von kirchlicher Seite ist eine klare Stellungnahme dazu abgegeben worden. Unter dem Strich bleibt: Die Regierung versteht unter Vereinheitlichung des Asylverfahrens nur die Festschreibung auf dem niedrigsten Standard. Und das macht man, indem man den schlechtesten Standard der EU heranzieht.

Es gibt einen positiven Bereich, und das ist der Wegfall der Befristung für die vorläufige Aufenthaltsbewilligung, die bisher mit drei Monaten gegeben war. Das ist äußerst positiv und schafft in diesem Bereich für viele Menschen ein bisschen Mehr an Rechtssicherheit. Aber es ändert nichts am grundsätzlichen Mangel an einem möglicherweise wieder verfassungswidrigen Gesetz.

Kettenabschiebung bedeutet, Österreich kann auf Grund seiner Drittlandsklausel in ein Land mit einer Drittlandsklausel abschieben, und dieses Land mit einer Drittlandsklausel kann wieder in ein weiteres Land abschieben. Es ist menschenunwürdig, Menschen, die politisch, religiös, sexuell verfolgt werden und Asyl suchen, herumzuschieben wie Pakete, die man nicht will. Das ist ein unwürdiges Ringelspiel. Diesem Gesetz kann man nicht zustimmen! (Beifall bei der SPÖ.)

14.07

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Christoph Hagen. Ich erteile es ihm.

14.07

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Wir beschließen heute eine Novelle zum Asylgesetz, die erstens das Gesetz an die neu geltende Volljährigkeit, in diesem Fall 18 Jahre, anpasst, die zweitens die Beschleunigung des Asylverfahrens herbeiführt, denn in letzter Zeit und auch noch unter SPÖ-Ministern haben sich diese Verfahren sehr lange hinausgezögert, was nicht zum Vorteil des Asylwerbenden war. Und drittens beschließen wir mit dieser Novelle die Sicherung der bisher geltenden Drittstaatenklausel.

Zur Volljährigkeit: Die Volljährigkeit besteht in Österreich für alle Bürger gleich, egal, welche Hautfarbe, Religion, Nationalität sie haben. Volljährigkeit ist jetzt mit 18 Jahren gegeben, das ist in diesem Gesetz geregelt, früher trat sie mit 19 Jahren ein. Also ich kann daran nichts Schlimmes finden.

Der zweite Punkt, die Beschleunigung des Asylverfahrens, ist für mich eine sehr positive Sache, da der Antragsteller schneller Gewissheit bekommt, ob ihm Asyl gewährt wird oder nicht. Er befindet sich also in Zukunft nicht mehr so lange im "luftleeren Raum" und weiß schneller, wo es langgeht. Das ist für mich eine absolut positive Sache.

Zur Drittstaatenklausel, die Kollege Schennach angesprochen hat, ich glaube, aber auch Herr Thumpser: Wenn man sich die alte Regelung anschaut und zu Gemüte führt, muss man davon ausgehen, dass die Schweiz und sogar Italien keine sicheren Drittstaaten sind. Da ist es doch ganz logisch, dass hier eine Reform vonnöten ist, wenn nicht einmal die Schweiz und Italien als sichere Drittstaaten gelten. Also da ist es für mich klar, dass in diesem Bereich reformiert werden muss.

Ich glaube, es ist ein Skandal, Beitrittsländer wie Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien als unsichere Drittstaaten zu bezeichnen. Wenn sie EU-Reife haben, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie unsichere Drittstaaten sind. Ich glaube nicht, dass das ein gutes Argument war, Herr Kollege Schennach!


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Was die Asylwerber betrifft, möchte ich noch kurz etwas sagen, was mir gerade in den letzten Tagen aufgefallen ist. Ich habe in einem deutschen Privatsender einen Bericht über Asylwerber in Deutschland gesehen. Da gibt es ein Land in Afrika, das seine Staatsbürger nicht zurücknimmt, wenn sie keinen Pass haben. Das spricht sich natürlich bei den Asylwerbern herum. Faktum ist, dass sämtliche Drogendealer in dieser Stadt – ich glaube, es war Hamburg – herumstolzieren und ihre Geschäfte machen, zum Nachteil unserer Bevölkerung beziehungsweise in dem Fall der deutschen, aber bei uns schaut es auch nicht anders aus, denn hinsichtlich der rechtlichen Lage ist es egal, ob sie aus Deutschland oder aus Österreich abgeschoben werden. Der wirft seinen Pass weg, gibt sich als Staatsbürger dieses Staates aus und kann nicht abgeschoben werden. Das weiß er, macht seine Geschäfte und befindet sich sozusagen im gesetzesleeren Raum. Das heißt, er kann nicht abgeschoben werden und wird irgendwann wieder auf die Straße gesetzt.

Das ist für mich eine absolut unzureichende Situation, und es ist höchst an der Zeit, dass da etwas geschieht. Wie das zu lösen ist, müssen andere ausarbeiten, aber so kann das sicher nicht weitergehen.

Noch kurz zu diesem Bericht im deutschen Fernsehen: Da wurde solch ein Asylwerber, der sagte, er stamme aus diesem Staat – der Name ist mir jetzt leider nicht bekannt, ich habe ihn vergessen, ihn mir nicht aufgeschrieben, aber ich will ihn hier auch gar nicht als Information für Asylbetrüger weitergeben; so will ich diese Herrschaften nennen, die diesen Asylmissbrauch betreiben –, befragt, ob er den Namen der Hauptstadt dieses Staates nennen kann. Er hat herumgestottert und gesagt, er hätte früher woanders gelebt, aber jetzt sei er Staatsbürger dieses Staates. – Nur so viel zur Glaubwürdigkeit.

Diese Herrschaften werden natürlich von gewissen Organisationen, wie sie jetzt angesprochen worden sind, verteidigt: von der Caritas oder "Asyl in Not". (Bundesrat Konecny schüttelt den Kopf.) Ja, lieber Herr Konecny, das ist so! Unter Innenminister Schlögl wurden Razzien bei der Caritas, in Caritas-Heimen gemacht, bei denen Drogendealer kontrolliert wurden. (Bundesrat Konecny: Deswegen sind Sie schon verurteilt! Also wiederholen Sie es hier nicht!) Diese Herrschaften wurden unter Kollegen Schlögl, der in meinen Augen ein sehr guter Innenminister war, kontrolliert, und es wurde festgestellt, dass die Caritas solche Asylmissbraucher – so will ich sie jetzt einmal nennen – beherbergt. Ich glaube nicht, dass diese Organisationen ein Recht haben, auf diese Regierung zu schimpfen und mit dem Finger zu zeigen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte aber trotzdem nicht verabsäumen zu sagen, dass es sehr wohl Menschen in Not gibt und sehr wohl viele Leute, die hier zuwandern und wirklich Asyl benötigen, die in ihren Heimatstaaten verfolgt werden. Das ist absolut richtig. Und diese Menschen tun mir Leid. Ich habe beruflich sehr viel mit solchen Leuten zu tun gehabt, die wirklich sehr viel mitgemacht haben. Das hat man ihren Gesichtern angesehen, das ist einem durch Mark und Bein gegangen, das muss ich schon sagen. Aber ich bin schon der Meinung, dass man eine Auslese finden muss, damit man die Asylbetrüger von den wirklich Asyl Suchenden, die das Recht haben, Asyl zu bekommen, trennen kann. Und ich glaube, dass dieses Gesetz ein weiterer Schritt in diese Richtung ist.

Noch etwas: Ich glaube, dass die Schlepper – da ist in der letzten Zeit ohnedies relativ viel passiert – noch stärker verfolgt und bekämpft werden müssen, denn das, was sich da mit diesen Schleppern bei diesen Geschäften, die diese Herrschaften machen, abspielt, kann sicher nicht befürwortet werden, und da sind wir, Herr Minister, mit unserer Gesetzeslage und unseren Bemühungen auf dem richtigen Weg. Ich glaube, Sie waren vor kurzem in China, wenn ich das richtig im Kopf habe – war das China?, irgendwo da drüben; oder war es Japan? (Bundesrat Konecny: Irgendwo da drüben! Alle Japaner sind Chinesen, hat Karl Kraus gesagt!) –, und haben in diese Richtung das Ohr aufgesperrt und geschaut, dass diese Schlepperorganisationen besser verfolgt werden können. Hiezu möchte ich Ihnen noch gratulieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.14


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 97

Präsident Alfred Schöls:
Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

14.15

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf zu ein paar Punkten Stellung nehmen.

Zuerst zu der Frage, die da aufgeworfen wurde, in welchem Zustand ich das Ministerium übernommen hätte. Ich glaube, es ist hier jetzt nicht der Anlass dazu, darüber ausführlich zu diskutieren. Ich möchte nur vor diesem Hohen Bundesrat zur Kenntnis bringen, dass ich sehr gerne bereit bin, ausführlich über den Zustand des Hauses und den Zustand des Ministerbüros zu informieren und zu diskutieren – für den Fall, dass das gewollt wird. Ich habe heute gesehen, dass eine Fraktion in diesem Haus eine große Zahl an dringlichen Anfragen vorbereitet hat. Ich stehe jederzeit für solch eine dringliche Anfrage zur Verfügung, falls das gewünscht wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum Zweiten darf ich zur Organisation, die hier angesprochen worden ist, zur Geschäftspolitik oder auch zur Art und Weise, wie unser Haus mit dieser Organisation umgeht, Folgendes festhalten: Ich möchte sehr ersuchen und einladen, den Standpunkt unseres Hauses zu unterstützen, dass wir diesen Organisationen beziehungsweise deren maßgeblichen Vertretern, die sagen, dass Flüchtlinge nach Europa und nach Österreich kommen sollen, weil sich Österreich und Europa an deren Herkunftsländern vergriffen und vergangen hätten, dass wir Organisationen, für die das einer der wichtigsten Punkte ihrer Politik ist, die solch eine Vorgangsweise präferieren, nicht an vorderster Stelle unsere Unterstützung zukommen lassen. Ich bitte um Unterstützung für diese Vorgangsweise meines Ressorts! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Offen gestanden ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass eine im Parlament vertretene Fraktion einen derartigen rotweißroten Standpunkt nicht unterstützt. Ich halte ihn für einen österreichischen Standpunkt, und wir werden, falls wir keine andere Aufforderung durch den Nationalrat oder durch den Bundesrat bekommen, diese Politik sehr klar fortsetzen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Einen dritten Punkt muss ich auch noch aufklären, Herr Bundesrat Schennach, betreffend die Geschichte mit dem niedrigsten EU-Standard. Darf ich Sie einladen – ich habe das von dieser Stelle aus schon ein- oder zweimal machen dürfen –, sich die vollständige Information geben zu lassen: Es ist richtig, dass der Begutachtungsentwurf möglicherweise eine derartige Interpretation hätte zulassen können. Damit diese Interpretation gar nicht möglich ist, haben wir eine eindeutige Formulierung in dem jetzt zum Beschluss vorliegenden Text vorgesehen. Ich darf Sie bitten, diesen Text in Ihre Diskussionsbeiträge einzubeziehen und keine Vortexte. Ich danke Ihnen herzlich für dieses Verständnis.

Zuletzt darf ich sehr klar sagen: Es geht uns um die Sicherung des bisher geltenden Drittstaatenkonzepts durch ausdrückliche Klarstellung. Lassen Sie mich das auch als für das Sicherheits-, das Innenressort politisch Verantwortlicher sagen: Ein Status als sicherer Drittstaat ist aus meiner Sicht Voraussetzung dafür, dass man ernsthaft über einen Beitritt zur Europäischen Union diskutieren kann. EU-Mitglied werden zu wollen und kein sicherer Drittstaat zu sein, das passt für mich nicht zusammen. Auch hier ersuche ich Sie sehr um Unterstützung dieses Standpunktes.

Es gibt noch zwei andere Punkte, die mit dieser Novelle neu geregelt werden, nämlich erstens die Beschleunigung des Asylverfahrens erster Instanz durch Entlastung des Bundesasylamtes und zweitens die Anpassung der Handlungsfähigkeit im Asylverfahren an die neue österreichische Volljährigkeitsgrenze von 18 Jahren. Ich möchte, Herr Bundesrat Schennach, auch zurückweisen, dass da eine überfallsartige Vorgangsweise gewählt worden sei. (Bundesrat Schennach: Ich habe die NGOs zitiert!) Ich verstehe nicht, wie man etwas überfallsartig nennen kann, wenn wir – trotz hoher Dringlichkeit der zu setzenden Maßnahmen, eben weil wir alle Gesichtspunkte berücksichtigt und diskutiert haben wollten – eine Begutachtungsphase eingeleitet haben, diese Begutachtung auch sehr ernst genommen und einige sehr interessante,


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679. Sitzung / Seite 98

gute Beiträge, die im Begutachtungsverfahren ans Licht gekommen sind, in unseren endgültigen Text eingearbeitet haben.

Ich bin dankbar für jeden Hinweis, was wir darüber hinaus in unserem Haus noch tun sollten, um von Ihnen nicht ein anderes Mal mit dem Odium einer überfallsartigen Vorgangsweise getadelt zu werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.21

Präsident Alfred Schöls: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über Maßnahmen anlässlich der Umwandlung der NÖ Umweltschutzanstalt in eine Kapitalgesellschaft (421/A und 685/NR sowie 6418/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nun zu Punkt 13 der Tagesordnung: Bundesgesetz über Maßnahmen anlässlich der Umwandlung der NÖ Umweltschutzanstalt in eine Kapitalgesellschaft.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Johanna Auer übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Johanna Auer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über Maßnahmen anlässlich der Umwandlung der NÖ Umweltschutzanstalt in eine Kapitalgesellschaft.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, sodass ich mit Ihrem Einverständnis umgehend zur Verlesung des Antrages komme:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Schöls: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Lindinger. Ich erteile es ihm.

14.23

Bundesrat Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger (Freiheitliche, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Hoher Bundesrat! Das vorliegende Gesetz hat die Umwandlung der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt in eine Kapitalgesellschaft zum Gegenstand. Aus meiner früheren Tätigkeit in der Privatwirtschaft kenne ich die Niederösterreichische Umweltschutzanstalt recht genau. Ich bin sicher einer der ersten Kunden gewesen, die die Umweltschutzanstalt


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betreut hat. Es ging damals um die Analyse von Galvanikschlämmen, die Klassifizierung dieser Schlämme und letztlich um die Beurteilung der Deponiefähigkeit. Aus dieser Zeit kann ich der Umweltschutzanstalt nur das allerbeste Zeugnis ausstellen. Es sind dort Kompetenz, Erfahrung und Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Wirtschaft jederzeit vorhanden gewesen. Später, als die Metallrückgewinnung technischer Stand geworden war, auch in dieser Phase der Entwicklung ist die Anstalt immer hilfreich zur Seite gestanden.

Die Technologien ändern sich, und mit der rasanten Änderung der Technologie, mit dem Fortschritt der technischen Entwicklung müssen sich auch die entsprechenden Gesetze ändern, um die neue Lage nachvollziehen zu können.

Mit einer rasanten Entwicklung ist aber auch die wirtschaftliche Stellung der einschlägigen Institute auf dem Markt ein sehr wichtiger Faktor geworden. Nichts korreliert enger als der technische Fortschritt und die Nachfrage der entsprechenden Technologie auf dem Markt. Hier hat die Privatwirtschaft eindeutig die besseren Chancen, weil diese in der Regel wirtschaftlicher und operativ besser geführt wird und dadurch flexibler, schneller und marktorientiert reagieren kann.

Ich will hier nicht die zwei Möglichkeiten einer Privatisierung diskutieren oder auch nur ansprechen; das ist im Nationalrat schon geschehen, und hier haben wir nur über das beschlossene Gesetz des Nationalrates zu befinden. Der Geist dieses Gesetzes ist nicht die Privatisierung zur Profitmaximierung, sondern die Maximierung der Marktchancen zum Wohle aller Österreicher und unserer Umwelt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.25


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 100

Präsident Alfred Schöls:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden (525 und 687/NR sowie 6419/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nun zu Tagesordnungspunkt 14: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Hedda Kainz übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Hedda Kainz: Der Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden, liegt Ihnen schriftlich vor. Ich beschränke mich daher auf den Antrag:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Schöls: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Himmer. Ich erteile es ihm.

14.27

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Das Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof stammt aus dem Jahr 1968 und ist damit in weiten Bereichen nicht mehr zeitgemäß. Hinsichtlich der Gerichte in erster und zweiter Instanz sind in der Zwischenzeit zahlreiche Neuregelungen im Bereich des Gerichtsorganisationsgesetzes erfolgt, und es sollen daher auch die Bestimmungen im Bundesgesetz über den Obersten Gerichtshof entsprechend angepasst werden.

Wir schaffen damit keine neue Bürokratie für den Obersten Gerichtshof, sondern wir stellen die aktuelle organisatorische Praxis im Gerichtshof auf ein gesetzliches Fundament. Zum Beispiel wird erstmals die elektronische Anwendbarkeit der Informationstechnik auch gesetzlich verankert und in diesem Zusammenhang auch die Aktenaufbewahrung auf elektronische Datenträger gestartet, sofern sie permanent verfügbar bleiben. Darauf beziehen sich auch Details im Hinblick auf die Publizität und Anonymisierung der Entscheidungen.

Besonderes Augenmerk wurde bei dieser Novelle auf die Publizität und auf die Zugänglichkeit dieser Entscheidungen gelegt, und diesbezüglich wird in dieser Novelle zum Gerichtsorganisationsgesetz auch berücksichtigt, dass Entscheidungen der ersten und zweiten Instanz, sofern sie besondere Bedeutung haben, die über die Allgemeinheit hinausgeht, zugänglich sein müssen und somit in die Dokumentationen aufgenommen werden.

Das heißt, alles in allem ist diese Novelle dazu angetan, den Obersten Gerichtshof in seiner Arbeit zu unterstützen, dass er effizient und rechtsstaatlich tätig sein kann. Ich denke, das ist ein guter Grund, dass wir alle diesem Gesetz die Zustimmung geben werden, wie das auch meine Fraktion machen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.29

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Hoscher. Ich erteile es ihm.

14.29

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Himmer hat verdienstvollerweise schon etliches zum OGH-Gesetz vorweggenommen, ich kann mich also kurz fassen.

Es handelt sich, wie gesagt, um ein Gesetz aus dem Jahre 1968, das sicherlich einiger zeitgemäßer Adaptionen bedurfte, das ist überhaupt keine Frage, wenngleich mir noch eine Menge älterer Gesetze als das OGH Gesetz einfallen würden. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. ) – So ist es.

Zu begrüßen ist aus meiner Sicht, dass der Präsident des OGH neben den zwei Vizepräsidenten und den 16 Senatspräsidenten zur Besorgung von Justizverwaltungsaufgaben eben auch diese heranziehen kann. Dies ist sicher im Sinne einer effizienten Bewältigung der vielfältigen Aufgaben des OGH, die wirklich nicht unterschätzt werden sollten, auch wenn es im praktischen Vollzug das Herausbilden gewisser Schienen bedeuten wird, aber das muss nichts Schlechtes sein.

Wesentlich scheint mir auch die Möglichkeit zu sein, salopp ausgedrückt, wissenschaftliche Mitarbeiter dem Evidenzbüro zuzuteilen. Das bedeutet eine wichtige Angleichung der Arbeitsbedingungen des OGH an jene anderer Höchstgerichte. Mir ist schon bewusst, dass manche hier im Vorfeld, auch in der Begutachtung gewisse Bedenken angemeldet haben, etwa mit der Begründung, dass man Assistenten nicht die Rechtsprechung überlassen sollte. Ich glaube nur, das findet nicht statt, dieser Vorwurf geht sicherlich ins Leere. Es ist viel eher zu befürchten, dass es


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aus finanziellen Gründen nicht zu solchen Zuteilungen oder nicht zu ausreichenden Zuteilungen kommen wird und die geschaffene Möglichkeit damit theoretisch ist. Ich hoffe, dass das Gesetz in diesem Sinne auch vollzogen wird und es nicht bei einer bloßen Kannbestimmung, wie es im Gesetz vorgesehen ist, bleibt.

Diskutieren, so glaube ich, kann man auch die Beschränkung der Vollversammlung auf die Beschlussfassung über den Tätigkeitsbericht. Man könnte also durchaus die Auffassung vertreten, dass ein derart gewichtiges Gremium wie die Vollversammlung auch über besonders schwierige Entscheidungen des OGH befinden könnte, um diesen erhöhtes Gewicht zu verleihen. Aber, wie gesagt, das ist Ansichtssache und keine Kritik in dem Sinn am Entwurf.

Was den Tätigkeitsbericht selbst angeht, ist hingegen sehr zu begrüßen, dass dieser nicht nur dem Bundesminister für Justiz zur Verfügung steht, sondern nunmehr auch etwa dem Präsidenten des Nationalrates oder den Landeshauptleuten. Auch da bleibt es hoffentlich bei keiner Kannbestimmung.

Was die Transparenz weiterhin angeht – da möchte ich Kollegen Himmer ebenfalls zustim-
men –, scheinen mir auch die Bestimmungen über die Entscheidungsdokumentation Justiz von besonderer Bedeutung zu sein, denn die Einrichtung einer allgemein zugänglichen und hoffentlich auch weiterhin kostenlosen Datenbank, in die etwa eben die Entscheidungen des OGH aufzunehmen sind, soweit sie materiell von Bedeutung sind, entspricht nicht nur dem Stand der heutigen Informationstechnik, sondern ist im Hinblick darauf, dass zum Beispiel in der Rechtsdatenbank des Bundes lange Zeit die OGH-Entscheidungen im Gegensatz zu jenen des VwGH und des VfGH nicht enthalten waren, sehr erfreulich.

Erfreulich ist auch, dass im Ausschuss des Nationalrates die Regierungsvorlage einer deutlichen Revision unterzogen wurde, wobei die Vorschläge des OGH zu diesem Gesetz offensichtlich nicht gewichtig genug waren, um sie gleich in den Ministerratsvortrag einzubeziehen, sondern das ist erst im Ausschuss geschehen.

Immerhin findet sich etwa in der Regierungsvorlage noch der mittlerweile Gott sei Dank gestrichene § 13 (3) alt – eine anachronistische Bestimmung, die Rechtssachen, in denen bereits eine Rechtsmittelentscheidung ergangen ist, im Falle eines neuerlichen Rechtsmittels wieder derselben Senatsabteilung zugewiesen hätte, etwas, was in allen sonstigen Instanzen eigentlich ausgeschlossen ist und sicherlich auch einer Anfechtung bei der EMRK nicht standgehalten hätte.

Das wirkliche Problem, das wir mit diesem Gesetz haben, ist in diesem Sinne nicht der Inhalt des Gesetzes. Ich glaube, dass es ein gutes Gesetz ist. Es liegt vielmehr in der gebetsmühlenartigen Behauptung der Regierungsparteien – das wurde auch im Nationalrat betont –, ihnen stünde eine Fundamentalopposition gegenüber. Wir stehen daher vor der Schwierigkeit, einerseits einer sinnvollen Gesetzesnovelle die Zustimmung geben zu wollen, auf der anderen Seite aber auch die Erwartungshaltung der Regierung nicht enttäuschen zu wollen. Fürwahr keine leichte Sache. (Beifall bei der SPÖ.)

14.33

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm. Ich erteile es ihm.

14.34

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Beim heute zu beschließenden Gesetzesvorhaben handelt es sich um eine Aktualisierung und Modernisierung des Bundesgesetzes über den Obersten Gerichtshof aus dem Jahre 1968. Primär geht es dabei um den Anschluss an den heutigen Stand der Rechts- und Organisationsentwicklung. Im Besonderen hebe ich, wie dies auch schon meine beiden Vorredner getan haben, hervor, dass die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen werden, die Informationstechnik in ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstand für die Dokumentation der Entscheidungen des OGH nutzbar zu machen.


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In Zukunft werden diese Erkenntnisse im Rahmen einer allgemein zugänglichen Datenbank, der Entscheidungsdokumentation Justiz – JUDOK, erfasst und aufbereitet. Der Bundesminister für Justiz hat diese Datenbank einzurichten. In diese sind mittels automatisationsunterstützter Datenverarbeitung die mit Begründung versehenen Entscheidungen des OGH im Volltext und die vom Evidenzbüro des OGH mit so genannten Rechtssätzen aufbereiteten Entscheidungen aufzunehmen.

Der Bundesminister legt mit Verordnung fest, welche Übermittlungsstellen für die Abfrage einzurichten und welche Bedingungen für einen sicheren Betrieb der Entscheidungsdokumentation einzuhalten sind.

Namen, Anschriften und Ortsangaben, die Rückschlüsse auf die konkrete Rechtssache zulassen, sind im Interesse des Persönlichkeitsschutzes zu anonymisieren. Die erstellten Daten werden nach technischer Möglichkeit auch im Internet zugänglich gemacht werden.

Zugleich wird auch der organisatorische Status des Obersten Gerichtshofes an den europäischen Standard vergleichbarer Höchstgerichte angepasst. Dazu zählen insbesondere die erstmalige klare Umschreibung, welche Justizverwaltungsaufgaben der OGH und wer sie im Einzelnen zu besorgen hat, und das Streben nach Ausgewogenheit der Geschäftsverteilung im Hinblick auf fachliche Gesichtspunkte wie auch gleichmäßige Belastung aller Senate und Senatsmitglieder des OGH.

Die Regelungen über die Erstellung der jährlichen Geschäftsverteilung orientieren sich an den Grundsätzen, die sich bei den Bezirksgerichten und in Gerichtshöfen erster und zweiter Instanz bewährt haben.

Die Zuteilung von Richtern und Staatsanwälten zum Evidenzbüro findet erstmals eine klare Rechtsgrundlage.

Ich selbst begrüße durchaus auch die Heranziehung von Assistenten, weil, wie Kollege Hoscher zu Recht hervorgehoben hat, keine Rede davon ist, dass sie an der Rechtsprechung zu beteiligen sind, sondern nur an der Analyse des Entscheidungsmaterials und der Erarbeitung der ohnehin von den Senaten vorgegebenen Rechtssätze.

Im Gerichtsorganisationsgesetz werden vor allem die Aufgaben im Bereich der inneren Revision, die an den Gerichtshöfen erster und zweiter Instanz seit 1994 vorgesehen ist, zeitgemäß geregelt.

Dabei wird der auf der Ebene des Oberlandesgerichts angesiedelte Leitende Visitator durch die Visitatoren der Landesgerichte des betreffenden OLG-Sprengels unterstützt. Visitator des Landesgerichtes ist der Vizepräsident, bei mehreren Vizepräsidenten der damit vom Präsidenten des OLG betraute Vizepräsident.

Es versteht sich von selbst, dass der Visitator des Landesgerichtes in dieser Funktion freilich nicht bei dem Gericht, zu dem er ernannt ist, eingesetzt werden darf. Auf das mit dieser Neubestimmung der Funktion des Vizepräsidenten verbundene spezifische Anforderungsprofil wird künftig bei der Ausschreibung und Besetzung dieser Planstelle Bedacht zu nehmen sein.

Die bei der Tätigkeit in der inneren Revision erworbenen Erfahrungen, Sprengelkenntnisse und aktuellen Managementmethoden werden einer zeitgemäßen Gerichtsadministration zweifellos zugute kommen.

Alles in allem sehe ich in den vorgesehenen Neuregelungen im OGH-Gesetz und im Gerichtsorganisationsgesetz sowohl einen Zugewinn an Rechtsstaatlichkeit der inneren Strukturen und Abläufe des OGH als auch einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der inneren Revision der Gerichte im Ganzen.

Nicht zuletzt verbessert der verstärkte Einsatz der Informationstechnik zur Entscheidungsdokumentation auch den Zugang des Bürgers zum Recht ganz erheblich.


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Gerne wird daher auch meine Fraktion dieser Vorlage ihre Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.38

Präsident Alfred Schöls: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Aufgaben und die Einrichtung des Österreichischen Rundfunks (Rundfunkgesetz – RFG) und das Arbeitsverfassungsgesetz 1974 geändert werden (634 und 719/NR sowie 6395/BR der Beilagen und 6420/BR der Beilagen)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privates Fernsehen erlassen werden (Privatfernsehgesetz – PrTV-G) (635 und 720/NR sowie 6421/BR der Beilagen)

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung exklusiver Fernsehübertragungsrechte (Fernseh-Exklusivrechtegesetz – FERG) (285 und 722/NR sowie 6422/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nun zu den Punkten 15 bis 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Aufgaben und die Einrichtung des Österreichischen Rundfunks (Rundfunkgesetz – RFG) und das Arbeitsverfassungsgesetz 1974 geändert werden,

ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privates Fernsehen erlassen werden (Privatfernsehgesetz – PrTV-G) sowie

ein Bundesgesetz über die Ausübung exklusiver Fernsehübertragungsrechte (Fernseh-Exklusivrechtegesetz – FERG).

Die Berichterstattung über die Punkte 15 bis 17 hat Herr Bundesrat Gottfried Kneifel übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Gottfried Kneifel: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich bringe Ihnen den Bericht des Ausschusses für Verfassung und


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679. Sitzung / Seite 104

Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Aufgaben und Einrichtung des Österreichischen Rundfunks (Rundfunkgesetz – RFG) und das Arbeitsverfassungsgesetz 1974 geändert werden, zur Kenntnis.

Ich gehe davon aus, dass Ihnen der volle Wortlaut des Berichtes zugegangen ist.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Auch der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privates Fernsehen erlassen werden (Privatfernsehgesetz – PrTV-G) liegt Ihnen vor.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Letztlich bringe ich den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung exklusiver Fernsehübertragungsrechte (Fernseh-Exklusivrechtegesetz – FERG).

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, ebenfalls keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Schöls: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk. Ich erteile es ihr.

14.42

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär! Die Diskussion und die Debatte rund um diese neuen gesetzlichen Maßnahmen und Bestimmungen waren lange und intensiv. Gerade deshalb habe ich mich als Bundesrätin selbst mit diesem Gesetz, das die Lebens- und Arbeitsform eines der wesentlichsten Medieneinrichtungen der Republik Österreich bestimmt, intensiv befasst, es analysiert und auch mit Richtlinien anderer europäischer Staaten verglichen, und zwar deshalb ganz intensiv, weil ich keiner Propaganda und keiner vorgefertigten Meinung, egal, von welcher Seite auch immer, aufsitzen wollte.

Ich werde mich hier im Bundesrat explizit auf nur fünf Punkte – es gäbe wesentlich mehr, aber es gilt auch, präzise und effizient zu sein – beziehen, auf fünf Punkte, die auch anderenorts kritisiert und moniert wurden, die allerdings mit keinem einzigen sach- und inhaltsbezogenen Satz seitens der Vertreter der Regierungsparteien entkräftet werden konnten. – Vielleicht gelingt uns dieses Wunder heute im Bundesrat.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Punkt eins: Unbestritten ist bis heute und wohl auch ganz besonders nach In-Kraft-Treten der neuen gesetzlichen Bestimmungen, dass der neue Stiftungsrat eine Zweidrittelmehrheit in der Frage des Entsendungsrechtes für FPÖ und ÖVP darstellt. Wenn ich mich hier auf meine schriftliche Vorfertigung beziehe, dann deshalb, weil ich mir von den Regierungsparteien erwarte, dass sie sprachliche Korrektheit auch beim Zuhören anwenden. Das heißt, unbestritten ist die Zweidrittelmehrheit – in Prozenten noch etwas darüber – im Bereich des Entsendungsrechtes für FPÖ und ÖVP.

Ich denke, das ist weder Zufall noch entspricht es dem Anspruch dessen, was ÖVP und FPÖ logischerweise in ihrer Argumentation nach außen tragen, dem Anspruch der – ich zitiere, was Sie immer sagen – Entpolitisierung des ORF. Zum Begriff "Entpolitisierung" erlaube ich mir dann später ganz kurz Stellung zu beziehen.


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 105

Eine Schaffung einer Mehrheit via legistischer Maßnahmen, die auch nicht durch ein Wählerergebnis legitimiert ist, ist kein Zufall für mich, sondern das bedeutet Machtausübung par excellence. Wenn ich es negativ formulieren würde, würde ich es als Form der Machtergreifung bezeichnen. Das ist auch eine Form der Machtergreifung (Bundesrat Dr. Böhm: Ein heikles Wort! Die historische Konnotation kennen Sie!) – Wahrheiten kann man immer laut aussprechen, sie können nicht einmal entgegnet werden –, die nicht dem Wählerwillen entspricht.

Zweitens: In diesen Stiftungsrat wollen Sie – ich zitiere jetzt Sie, wenn Sie die Namen auch noch dazu haben wollen, dann liefere ich sie Ihnen auch noch, aber ich denke, Sie haben genau so wie ich auch die heftige Debatte im Nationalrat nachgelesen; daher wird jeder, der sich damit, zumindest mit den Reden im Nationalrat beschäftigt hat, wissen, wovon ich spreche – Experten und – ich sage dann auch noch dazu – Expertinnen entsenden – der Herr Bundeskanzler hat es sich auch jüngst nicht nehmen lassen, zu sagen, es werden auch Frauen entsandt werden –, die frei von parteipolitischen Interessen handeln, so sagen Sie. Ich frage Sie: Warum, wenn es Ihnen nicht um einen besonderen Einfluss von Macht geht, verschaffen Sie sich dann eine Zweidrittelmehrheit beim Entsendungsrecht? – Diese Frage wird mir der Herr Staatssekretär oder die Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und FPÖ beantworten. Ich werde auch sehr genau zuhören, ob Sie polemisch, wie Sie es immer der Opposition unterstellen, oder ob Sie mir in der Sache antworten.

Diese Experten und – ich füge hinzu – Expertinnen werden dann entsandt. Entsendung heißt eine Vollmacht mit sich tragen. Das heißt, man wird nicht von irgendjemandem entsandt. Im Gegenteil, wenn mich jemand Falscher entsendet, würde ich dieses Entsendungsrecht nicht in Anspruch nehmen. Das heißt, sie werden von Regierungen, der Bundesregierung, der Landesregierung, anderen Interessenvertretungen und Parteien entsandt. Ich frage Sie: Was soll der oder die Entsandte tun, außer das zu vollziehen, was die Entsender als Konzept ihm oder ihr mitgeben? (Zwischenrufe der Bundesräte Dr. Aspöck und Kneifel. )

Nein, das ist völlig vernünftig. Wissen Sie, warum? – Es geht nicht um die Entsendung von irgendjemandem, sondern Entsendung mit einem Auftrag bedeutet auch Entsendung mit einer Verpflichtung. Das heißt, wenn Sie meinen, wir nominieren irgendwelche Menschen, die niemandem verantwortlich sind, weder dem Entsender noch dem Wähler, noch der österreichischen Bevölkerung, dann, so muss ich sagen, ist Ihr Zwischenruf noch viel schlimmer als das, was ich vermutet habe. Aber ich vermute nicht, sondern bleibe ziemlich hart an den Fakten. Das heißt, Sie werden mir beantworten, welchen Auftrag die Entsandten wahrnehmen werden. (Bundesrat Kneifel: Den Gesetzesauftrag!) Ich glaube, Sie haben sich ein bisserl intensiver damit beschäftigt. Wenn wir nur das Gesetz vollziehen, dann brauchen wir eigentlich überhaupt keine Beauftragten. Also so staatszerstörerisch will ich nicht werden, und ich setze schon voraus, dass Sie auch wissen, warum es Aufsichtsräte und dergleichen und auch das jetzige neue ORF-Gesetz gibt.

Dritter Punkt: Sie schaffen ein generelles Weisungsrecht für den ORF-Generaldirektor. Es liegt wohl nur daran, dass ich Germanistin mit fremdsprachlichen Kenntnissen bin und meine, dass einfach die Begriffe "Weisungsrecht" und "Generaldirektor" eine Qualität für sich haben. Ich kommentiere sie nicht. (Bundesrat Dr. Aspöck: Schuldirektor!) Aber es ist nicht abwegig, wenn ich damit assoziiere, dass dann der jeweilige Generaldirektor anweist, welche Freiheit die dort tätigen Menschen auszuüben haben und welche Freiheit die Entsender meinen. Ich zitiere jetzt nicht die Debatten und Beiträge, die im Zusammenhang mit der Diskussion um das neue ORF-Gesetz gefallen sind, sondern komme später darauf zurück.

Punkt vier: Hörer und Seher sind de facto rechtlose und mitsprachelose Kunden geworden. Dieses Faktum können Sie nicht entkräften, vielleicht geschieht das Wunder heute.

Punkt fünf: Eine ganz besondere Nichtqualität dieser gesetzlichen Bestimmungen und dieses Gesetzes liegt in der Aufgabenbeschreibung dieses Stiftungsrates. Ich denke, es ist nicht vermessen und nicht verwegen, wenn man diesen Stiftungsrat mit einem Aufsichtsrat in irgendeiner Weise vergleicht, weil so ungleich sind sie nicht.


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Stellen Sie sich bitte vor, wenn Sie als Unternehmerparteien sagen würden (Zwischenruf von Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann ) – auch Arbeitnehmerparteien, völlig Wurscht, welche Parteien –, ein Aufsichtsrat bekommt mit zur Aufgabe, sich in das operative Geschäft mit einzubringen! Ich glaube, das entspricht nicht den gesetzlichen Bestimmungen eines Aufsichtsrates, und Sie würden sich auch massiv dagegen verwahren. Das ist keine Behauptung, sondern es ist festgelegt auch in der Kritik und in der Anweisung des Rechnungshofes. Das heißt, auch auf diese Kritik sind Sie nicht einmal mit einem Augenzwinkern eingegangen, sondern Sie lassen die Kritik des Rechnungshofes beiseite und setzen durch, was Sie durchsetzen wollen.

Weiters: Völlig unverständlich, und zwar nicht nur aus der Sicht einer Kärntnerin, und völlig abzulehnen sind die Relativierung und die Reduzierung im Bereich der Sendungen für Volksgruppen, für Minderheiten, für Minderheiten, die aus der Migration resultieren, und auch für jenen Bereich, auf den Österreich an sich ziemlich stolz sein könnte – trotz sehr geringen Aufwandes an Personal und anderem –, nämlich für den internationalen Bereich der Sendungen des ORF. Das heißt, Sie haben ganz offensichtlich den Mut, diesen bisher verpflichtenden Auftrag, Minderheitensendungen, Volksgruppensendungen, Sendungen für Migrantinnen und Migranten, die internationale Sendung des ORF zu machen, zu einer Kannbestimmung umzufunktionieren. Das heißt, es kann geschehen oder auch nicht. Da ist es nicht sehr weit hergeholt, wenn man sagt: Unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und der Einsparungen kann dann vieles nicht geschehen.

Bei diesem Punkt muss ich Ihnen sagen: Da unterstelle und ordne ich Ihren sehr gewaltvollen politischen Willen zu. Auf der einen Seite sprechen Sie von Internationalität und Multikulturalität – Sie werden es verstehen, wenn ich das als Kärntnerin tue, die auch die Werbeslogans des eigenen Landeshauptmannes im Ohr hat –, auf der anderen Seite machen Sie aus dem Auftrag genau zu jenen Sendungen, die einen wesentlicher Beitrag zur kulturellen Identität Österreichs darstellen, die auch einen wesentlichen Beitrag für die Menschen aus Österreich in anderen Ländern darstellen, die aber sogar auch einen wesentlichen Beitrag für die touristische Informationsinfrastruktur darstellen – Gäste in Österreich hören sich nämlich gerne die französischen, englischen Nachrichten aus ihrer eigenen Heimat an –, eine Kannbestimmung. Das ist politischer Wille, und wenn es Ihnen nur passiert ist, dann können wir das sehr schnell ändern.

Ich beziehe mich in aller Kürze auch auf die Wortmeldungen – aber hier wirklich nur selektiv –, Wortspenden und Diskussionsbeiträge rund um dieses neue Gesetz, die ich mir angehört und mehrmals gelesen habe, und zwar mit dem Blick und dem Ohr der Staatsbürgerin, aber auch einer vormaligen Journalistin.

Alles, was da aus den Tiefen eines Feindbildbewusstseins gegen die Opposition, gegen Journalistinnen und Journalisten, gegen ORF-Verantwortliche, insbesondere der beiden Klubobmänner Westenkhol – ich verkürze sie schon zu Westenkhol –, Westenthaler und Khol verbal ans Tageslicht der Öffentlichkeit transportiert wurde, ist, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ein demokratiepolitisch mehr als bedenkliches Outing.

Ich zitiere hier nur ganz wenige Sätze, die gefallen sind, und lasse ganz bewusst einige Dinge weg, weil es meiner politischen Kultur widerspricht, etwas zu zitieren, was ich selbst nicht aussprechen möchte. Ich zitiere aus dem Sittenbild des nicht-demokratischen Umgangs parlamentarischer Formen: Da werden Interventionen ans Tageslicht befördert, die jenseits aller Grenzen der Vorstellungskraft der politischen Einflussnahme liegen. Da wird gedroht. – Ich muss die Sätze nicht ausführen, sie fallen Ihnen selbst ein. – Da werden ORF-Mitarbeiter zensuriert, da werden Massenklagen gegen die gesamte ORF- und andere Führungsmannschaften des ORF angedroht, Mehrfachklagen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Darüber müssen Sie sich in der ÖVP nicht aufregen. Das ist nur ein Disput der FPÖ. (Zwischenruf bei der ÖVP: Erinnern Sie sich! Sie waren das, Sie selbst!) Darüber regen sich – das ist eigentlich das Kuriosum – nicht eine Sozialdemokratin allein und viele sich wundernde Österreicherinnen und Österreicher auf, sondern da regt sich sogar der Kärntner Landeshauptmann auf, der, ohne ihn persönlich und politisch nahe treten zu wollen, ziemlich amtsbekannt dafür ist, dass er sich im Umgang mit Worten nicht immer ganz der feinen Knigge- oder einer anderen Sprache bedient, sondern auch ganz


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schön wortgewaltig sein kann. Sogar der Landeshauptmann von Kärnten fordert die eigenen Parteifreunde und -innen auf der Bundesebene auf, diesem Schwachsinn ein Ende zu machen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bei allen Debatten und allen Debattenbeiträgen haben aber offensichtlich insbesondere die Sprecher der Regierungsparteien, die Vertreterinnen und Vertreter von ÖVP und FPÖ, in der Hitze des Gefechtes – es war mehr als eine Hitze des Gefechtes, es war in Wirklichkeit ein Krieg der Worte, und ein Krieg der Worte entspricht sicher nicht der politischen Form der Auseinandersetzung um sachliche, demokratiepolitische In-
halte –, vergessen, worum es hier geht. Es geht beim ORF und den Neuregelungen in Wirklichkeit nicht um das Objekt einer Regierungsbegierde. Und ich relativiere nichts, überhaupt nichts. Das heißt, wenn Sie Interventionen vonseiten der SPÖ, der Grünen und der anderen vorwerfen, dann, so muss ich sagen, ist jede Form der Intervention sehr sachlich zu prüfen und die Freiheit des Journalismus sehr genau zu wahren. Wenn diese Interventionen eine Form der politischen Kultur unterschreiten, dann ist das strikt zurückzuweisen.

Aber Sie haben ganz vergessen, dass es dabei nicht um das Objekt einer Regierungsbegierde geht, sondern in Wirklichkeit um ein wirtschaftlich zu führendes und das größte Kulturunternehmen der Republik Österreich. Dieses wirtschaftlich zu führende Kulturunternehmen der Republik Österreich sollte in Wirklichkeit – und ich erinnere jetzt Sie daran: Entparteipolitisierung des ORF – nicht die verlängerte Werkbank der jeweils Regierungsmächtigen sein, und ganz bewusst sage ich "der jeweils Regierungsmächtigen".

Um Ihnen in Erinnerung zu rufen: Ihr Klubobmann Khol sagte – das kann ich, obwohl es mir schwer fällt, noch aussprechen, weil es eigentlich so ein kärntnerisches Wort ist, vielleicht auch ein tirolerisches –: "Die roten Gfrieser!" – Gemeint sind damit Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Polleruhs. – Lesen Sie die Protokolle der Ausschusssitzungen nach, und lesen Sie zumindest populäre Zeitungen, in denen es viele Bilder gibt, und damit meine ich jetzt nicht das "profil"!

Da war von "Rotlauf" die Rede. – Gemeint ist damit nicht nur offensichtlich, sondern sehr klar und explizit sozialdemokratische Gesinnung. Da war von "Bassenastreit um den ORF" die Rede. – Dabei zitiere ich einen Journalisten, der das formuliert hat, und auch den Landeshauptmann von Kärnten, Jörg Haider.

Da war von "Schwachsinn" die Rede. Ich zitiere Landeshauptmann Jörg Haider. Er nannte die Werbeeinschränkungen für den ORF einen "Schwachsinn". Und da war sogar vom – ich zitiere – "heiligen Krieg" des FPÖ-Klubobmannes Westenthaler gegen den ORF die Rede. Und da ist von Klage durch Westenthaler gegen die ORF-Führung die Rede.

Der Kärntner Landeshauptmann – jetzt berufe ich mich mehrfach darauf, dass ich Entsandte des Kärntner Landtages bin – himself mahnte – ich zitiere Jörg Haider –: Man solle sich nicht mit gegenseitigen Klagen bedrohen, man solle sich wieder an den Verhandlungstisch setzen! Als von Interventionen die Rede war, meint eben derselbe – ich zitiere –: Interventionen sind etwas im politischen Geschäft Übliches. – Ich gebe zu, im "Format" hat er das etwas länger ausgeführt. Er hat gesagt: Es ist bekannt, dass alle Parteien intervenieren.

Aber, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, intervenire – das heißt dazwischenkommen – hat verschiedene Qualitäten. Wenn es heißt, dass man seinen Einfluss ... (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Nein, venire heißt kommen. Ich glaube, jene, die Latein erduldet, ertragen oder es leidenschaftlich im Gymnasium gemacht haben, werden es wissen, auch in der ÖVP. Aber fragen Sie Herrn Khol, er ist ein hervorragender Lateiner.

Das heißt, Intervention zur Richtigstellung, zur Klarstellung und – ich bin sogar so ehrlich, das zu sagen – zur Durchsetzung des politischen Willens kann legitim ein. Es ist aber nicht mehr legitim, wenn damit Drohung von Entlassung, menschliche Bedrohung und Bedrohung von Demokratie gemeint sind. Das ist eine Intervention, die einen massiven Qualitätsunterschied zur Folge und zur Grundlage hat.


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Da Sie von der ÖVP heute im Gegensatz zur FPÖ ein solch großes Diskussionsbedürfnis haben, darf ich Ihnen von der ÖVP sagen: Ich nehme an, dass Sie mir die Aussage Ihres Nationalratsabgeordneten sicher erklären werden, der offensichtlich im Übermut der Machtgier mehreren Journalistinnen und Journalisten gegenüber erklärt hat – ich zitiere –: "In der ORF-Diskussion spielt Westenthaler den Kettenhund. Wir" – gemeint ist die ÖVP – "haben uns längst durchgesetzt gegen die Blauen." – Zitatende. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich frage Sie: Ist das die politische Kultur des Diskurses, der Debatte um neue gesetzliche Bestimmungen für das einflussreichste und wichtigste Kulturunternehmen der Republik Österreich?

Ein letzter Punkt: Keine Journalistin und kein Journalist haben es sich verdient, was ÖVP und FPÖ in ihren Kübel-Anwürfen gegen die vormalige Regierung vorbringen. Und dabei können wir die ÖVP ganz weglassen, weil sie ja "amtsbekannterweise" offenbar nie dabei war; allerdings sollten Sie von der ÖVP dann auch einmal Ihre Gagen zurückzahlen! – Ich meine jetzt nur die vorige Regierung, die "Jahrzehnte der SPÖ" und Ihren Vorwurf des parteipolitischen Einflusses auf Journalisten.

Wissen Sie, was Sie damit betrieben haben? – Sie haben sämtlichen Redakteurinnen und Redakteuren, Journalistinnen und Journalisten des ORF quasi unterstellt, sie wären willfährige Erfüllungsgehilfen irgendeiner Regierung. Und davon distanziere ich mich!– Egal, welche politische Gesinnung er in sich trägt: Kein Journalist in der Republik Österreich ist willfähriger Befehlsempfänger! Die Sozialdemokratie geht von freiem Journalismus, von Auseinandersetzung, Debatte und Diskurs aus, aber nicht in der Form, wie "Westenkhol" und -thaler es meinen! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Sittenbild der FPÖ, die heute ganz leise ist: Ich kommentiere nicht den parteiinternen Macht- und Schlagabtausch zwischen Westenthaler und dem Kärntner Landeshauptmann. Ich sage nur: Westenthaler meint: Da fällt mir Haider in den Rücken. Da steht aber die Vizekanzlerin an meiner Seite. – Die Vizekanzlerin ihrerseits stellt sich schnell an die Seite des Kärntner Landeshauptmannes. Da will Klubobmann Westenthaler zurücktreten, doch ... (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Ja, ich hätte mich schon gefreut, ich gebe es zu. – Also: Er will zurücktreten, aber es verlässt ihn im letzten Augenblick der Mut, und es kommt der Rücktritt vom Rücktritt. – So viel zum Sittenbild des Diskurses. Und noch immer geht es um neue gesetzliche Rahmenbedingungen für das wichtigste Kultur- und Medienunternehmen in der Republik Österreich.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich appelliere nicht an Sie, sondern ich werde es Ihnen wahrscheinlich in einem Weihnachtsbrief noch einmal in Erinnerung rufen: Die ÖVP hat gemeint – ich weiß nicht, ob es Herr Khol oder Herr Bundeskanzler Schüssel war –: Wir werden an unseren Taten gemessen. – Dem stimme ich zu. Ich werde Ihnen noch in Erinnerung rufen, dass eine Regierung – jede Regierung! – in einer Demokratie daran gemessen wird, inwiefern sie Freiheit nicht nur ermöglicht, sondern fördert, inwiefern sie Kritik nicht nur ermöglicht, sondern fördert, und inwiefern demokratische Kultur und die Freiheit des Journalismus und der Kunst nicht nur gefördert, sondern gefordert werden! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das sagen Sie uns nach 30 Jahren SPÖ-Regierungsbeteiligung?!)

15.04

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte. (Bundesrat Gasteiger: In der APA steht es heute schon drin! – Bundesrat Konecny: Lies einfach mit!)

15.05

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich habe großes Amüsement damit ausgelöst, dass es eine Presseaussendung gibt. Ich weiß nicht, was mich angesichts der Freiheit, die Sie so gerne ansprechen und die wir haben, daran hindern sollte (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk ), eine Aussage zu


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einem Thema zu machen, bevor ich mich dazu im Parlament zu Wort melde. Aber Sie definieren ja Freiheit sehr individuell.

Im Übrigen bin ich wirklich froh, dass wir in einem freien Land leben. Daher dürfen auch Personen wie Sie ihre Meinung zum Ausdruck bringen, und das ist wichtig! (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ.) Das ist wichtig! – Wir für unseren Teil haben die Freiheit, darauf eine Antwort zu geben. Wozu ich Ihre Fraktionskollegen beglückwünsche, ist, dass diese zumindest die Gedankenfreiheit haben, sich zu dem, was Sie sagen, etwas zu denken, wenn sie schon nicht nachher herauskommen müssen, um dann etwas dazu zu sagen. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Was Ihre generelle Linie betrifft, so muss ich sagen: Sie sind eine perfekte Vertreterin des Besitzdenkens, nämlich des Besitzdenkens von Uralt-Sozialdemokraten. Das erinnert mich eigentlich an die Phase der Koalitionsverhandlungen, weil die Verhandlungen mit der SPÖ nicht zuletzt daran gescheitert sind, dass man bei der SPÖ auf dem Standpunkt gestanden ist: Das Finanzministerium gehört der SPÖ, und es ist ganz ungeheuerlich, dass man einmal einen unabhängigen Experten in das Finanzministerium bringen könnte, und da machen wir nicht mehr mit. (Bundesrat Konecny: Waren Sie dabei, Kollege Himmer? Das ist mir aber neu! – Weitere lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dann wollten Sie allein eine Regierung bilden (weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ), und zwar gegen die parlamentarische Mehrheit. Na, dann machen wir es eben allein!, war die Strategie von Herrn Klima. (Bundesrat Dr. Aspöck: Abfertigungsmillionär!) Und dann, als Sie wieder aufgewacht sind, haben Sie nicht nur den Finanzminister nicht mehr gehabt, sondern überhaupt keine Regierungsfunktionen mehr. Und seither ist der große Kater da. (Bundesrätin Mag. Trunk: Können Sie mir bitte erklären, in welchem Zusammenhang diese Materie steht?)

Jetzt kommt eine Regierung ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Frau Kollegin Trunk! Ich habe Ihnen zugehört (Bundesrat Konecny: Nein, das kann man nicht sagen!), und Sie können mir glauben ... (Anhaltende Zwischenrufe.)

Ich habe ohne Zwischenrufe den Ausführungen der Kollegin Folge geleistet. Natürlich ist das so "anspruchsvoll" ... (Bundesrat Konecny: Wenn Sie der Kollegin "Folge leisten", dann müssen Sie jetzt dagegen stimmen!)  – Ich habe dem Folge geleistet, dass ich ihr, ihrer Bitte, zugehört habe. (Bundesrat Konecny: Was soll das heißen auf Deutsch?! – Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk.  – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bin glücklich darüber, dass nach wie vor so viel intellektuelles Potenzial in der Sozialdemokratie vorhanden ist – mit lateinischen Zitaten und auch Belehrungen vom Herrn Professor. Das macht mich eigentlich sehr froh. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Haben Sie jetzt lateinisch geredet?)

Was ich noch zum Demokratieverständnis ausführen ... (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Frau Präsidentin! Das ist wirklich unerträglich! Es ist eigentlich nicht mehr möglich, die Rede fortzusetzen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Gegenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Unruhe im Saal.) Ist es möglich, dass ich mit den Ausführungen fortsetze?

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Himmer! Es ist selbstverständlich, dass Sie fortsetzen können. Ich hatte hier oben den Eindruck, dass Sie sich auch durchaus Gehör verschaffen konnten, sonst wären nicht so viele Repliken gekommen. (Beifall bei der SPÖ.) Ich bitte Sie aber, jetzt fortzusetzen.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (fortsetzend): Zum Thema Demokratie: Es ist jetzt so, dass die Sozialdemokratie in starker Sorge um die Demokratie insgesamt ist, weil das Verständnis von Demokratie von Ihrer Seite offensichtlich darauf fußt, dass nur dort, wo die Sozialdemokratie bestimmt, Demokratie vorhanden ist. (Bundesrat Manfred Gruber: Das ist eine bösartige Unterstellung! – Bundesrätin Mag. Trunk: Der Schelm spricht, wie er denkt!)


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Ich frage mich schon, was es mit diesen Plaketten "SOS Demokratie" auf sich hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Mir fehlt eigentlich nur das Fragezeichen dahinter, denn für mich heißt das: "Sozi, oh Sozi, was ist Demokratie?" (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Im Prinzip haben Sie versucht, fünf Punkte aufzugreifen, und davon war einer, dass Sie mit Entsetzen festgestellt haben, dass bei den Rechten auf Entsendung in die entsprechenden Gremien die "Sozi, oh Sozi" wieder keine Mehrheit haben. (Bundesrätin Mag. Trunk: Kein Wort ...!) Das bildet sich natürlich auch in den parlamentarischen Mehrheiten ab, mit denen die gegenwärtige Regierung unterstützt wird.

Dabei Worte zu wählen wie, dass es sich dabei um eine "Machtergreifung wider den Wählerwillen" handelt, ist völlig absurd, wenn Sie bedenken, dass hier nichts anderes abläuft, als dass eine Regierung, die übrigens unter Staatssekretär Morak erstmals auch Medienpolitik macht, vom Parlament begleitet dazu Beschlüsse fasst. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Das kann nie gegen den Wählerwillen sein, denn das, was wir hier an parlamentarischer Mehrheit zur Verfügung haben, steht auf der Basis des Wählerwillens. (Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ. – Bundesrat Manfred Gruber: ... dass die kleinste Partei den Kanzler stellt! – Weitere anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Aber ich weiß, für Sie ist alles, was nicht Sozi ist, keine Mehrheit, und alles, was nicht Sozi ist, ist nicht Wählerwille. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sozi, oh Sozi, was ist Demokratie? (Unruhe im Saal.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Am Wort ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. (Neuerliche Zwischenrufe.) – Bitte.

Bundesrat Mag. Harald Himmer (fortsetzend): Bei dem generellen Weisungsrecht des Generalintendanten (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk ) ist mir nicht bekannt, dass sich irgendetwas in diesem Zusammenhang am Status der Journalisten und der Berichterstattung oder daran, wie die Redaktionsabwicklung stattfindet, ändern würde. (Bundesrat Manfred Gruber: Seit dreißig Jahren der ÖVP ...! – Weitere Zwischenrufe.)

Der nächste Punkt ist, dass Sie über das Aufsichtsratsgremium philosophiert haben. Dazu muss ich Ihnen sagen: Ich für meinen Teil bin natürlich bei weitem nicht so intelligent wie die Frau Kollegin (Bundesrat Konecny: Das stimmt! Sie haben Recht! Sie haben absolut Recht! – demonstrativer Beifall bei der SPÖ), aber ich habe das studiert, bin Prokurist einer GmbH, arbeite seit zehn Jahren in einem privatwirtschaftlichen Unternehmen und habe sehr viele Aufsichtsratssitzungen miterlebt. Ich weiß nicht, in wie vielen Aufsichtsräten Sie sitzen, Frau Kollegin Trunk, und was Sie generell vom Handelsrecht verstehen (Bundesrätin Mag. Trunk: Wo sitzen Sie?), aber so etwas wie Ihre Ausführungen und Ihre Interpretationen, welche Rechte und Pflichten ein Aufsichtsrat hat, ist mir noch bei keiner Vorlesung und bei keinem realen Geschehen begegnet. Da spielen Sie in einer eigenen Liga. Ihre Frage ist schlicht und einfach nicht beantwortbar. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Wenn Sie heute Worte wie "Feindbildbewusstsein" und "gewaltvoller politischer Machtwille" in den Mund nehmen, dann muss ich wirklich sagen, es ist schon eigenartig, was Ihnen Angst verursacht, nämlich dass eine Regierung und ein Parlament normal ihre Arbeit tun. Und dazu gehört eben auch, dass Minderheiten bei Abstimmungen in der Minderheit bleiben.

Sie sind aber sehr wehleidig, wenn es Ausrutscher gibt. Die Zitate, die Sie gebracht haben – egal, ob das Herrn Kollegen Khol oder andere betrifft –, mögen mit gutem Recht im Einzelfall absolut kritikwürdig sein. Das ist überhaupt keine Frage. Jene Fraktion werfe den ersten Stein, bei der solche Aussagen nicht vorkommen! Mit solchen Vorwürfen geben Sie sich aber einer gewissen Skurrilität preis, denn glauben Sie, irgendjemand in diesem Raum hat nicht miterlebt, wie Herr Häupl gesagt hat, wer aller "ein Koffer" ist? (Bundesrat Konecny: Das ist wahrheitsbeweisfähig!) Glauben Sie, dass, wenn Sie über Interventionen reden, irgendjemand in diesem Raum nicht Bescheid weiß, wie die Berichterstattung etwa über "Euroteam" stattgefunden hat,


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und darüber, welche Interventionen es dabei beim ORF gegeben hat? Glauben Sie, irgendjemand in diesem Raum hat nicht mitbekommen, dass man vom Generalsekretariat des ORF direkt in die Parteizentrale der SPÖ wechseln kann?! (Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Hat dich Westenthaler gebissen?!)

Denken Sie, dass eine anonyme Gruppe, frisch vom Mond angekommen, nicht weiß, welche Realitäten es gibt, die von der Sozialdemokratie geschaffen worden sind? – Ein guter ORF ist für Sie ein roter ORF, ist für Sie eine durch und durch sozialdemokratische ... (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Zum Gegenstand! Können Sie zum Gegenstand sprechen? Das ist eine Anregung!)

Sie sind hier nicht der Präsident und haben mir derartige Zwischenrufe nicht zu geben, Herr Professor! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mag. Trunk: Kommen Sie zur Beantwortung der Frage!)  – Sie sind auch nicht die Präsidentin, Frau Kollegin Trunk! (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ. – Die Vizepräsidentin gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Mit der vorliegenden Gesetzesmaterie, die uns zur Beratung vorliegt, soll auf der einen Seite ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk geschaffen werden und gleichzeitig auch die Möglichkeit, dass sich auf der anderen Seite private Anbieter etablieren können. Das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten bedeutet sehr wohl eine Belebung der österreichischen Medienlandschaft, eine zusätzliche Vielfalt bei der Stärkung des Medienstandortes, ein Plus für die Werbewirtschaft, für die Filmwirtschaft, für die Produktionswirtschaft und für eine Vielzahl von kreativen Bereichen innerhalb der österreichischen Wirtschaft.

Es ist so, dass die prinzipielle Intention, die von den zu Grunde liegenden Gesetzesmaterien angesprochen ist, ja nicht eine ist, die genuin in Österreich entstanden ist, sondern es hat auch die Europäische Kommission hiezu sehr deutlich Stellung bezogen. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass es sich bei den Rundfunkgebühren um staatliche Beihilfen handelt.

Daraus folgt, dass diese einer Überprüfung durch die Europäische Kommission unterliegen und von dieser genehmigt werden müssen. Um die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht feststellen zu können, verlangt die Europäische Kommission folgende Kriterien: die Einhaltung der Transparenzrichtlinie, das heißt, eine rechnungsmäßige Trennung von gebührenfinanzierten und nicht gebührenfinanzierten Tätigkeiten, und eine klare Festlegung des öffentlich-rechtlichen Auftrages durch den Gesetzgeber.

Die Europäische Kommission sieht weiters ein Kontrollsystem vor, was die Wahrung des öffentlich-rechtlichen Auftrages betrifft. Dies erfolgt sowohl durch den Veranstalter selbst, als auch durch eine unabhängige Behörde, und das geschieht laut ORF-Gesetz, Frau Kollegin Trunk, durch den entparteipolitisierten Stiftungsrat einerseits und durch den unabhängigen Bundeskommissionssenat andererseits. (Bundesrat Manfred Gruber: Wer’s glaubt, wird selig!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass wohl alle, die von dieser Welt sind – und ich glaube, es gibt keine anderen in diesem Raum –, wissen, dass sich bei Gremien, in denen "Subjekte" sind, eben subjektive Meinungen bilden, und dass daher sozusagen Objektivität immer nur in der Form gewährleistet sein kann, dass man eine möglichst breite oder möglichst große Unabhängigkeit schafft. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Die Personen, die in die unterschiedlichen Kontrollgremien entsandt werden, werden alle einen Namen tragen, werden einen Lebenslauf haben, werden ein Kompetenzfeld haben. Natürlich sind diese Personen nicht sakrosankt – auch nicht gegenüber der Opposition! Natürlich kann man diese Personen kritisieren! Es gibt keine Garantien dafür, dass diese Personen immer Standpunkte einnehmen, die bei allen eine Beeindruckung hervorrufen. Das ist eine völlig klare Sache. Aber es ist ein deutlicher Qualitätsfortschritt, dass wir jetzt ein Gesetz vorliegen haben, wonach Personen für ein Kontrollgremium gesucht werden, die ein Kompetenzfeld haben. Man kann doch nicht sagen, dass das bisher der Fall gewesen ist. Von dem, was insbesondere von Ihrer Seite ... (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )


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Ja, Kompetenz bedeutet bei Ihnen eine Entsendung von Managern, die auch jederzeit dafür in Frage kommen, später wieder in die Löwelstraße zurückzukehren. Das ist jene Kompetenz, die bei Ihnen verlangt wird! Der vorliegende Gesetzentwurf plant etwas anderes.

In diesem Zusammenhang muss man auch bedenken, dass die Kommission, die Europäische Kommission, die Sie beiläufig kennen werden – das ist keine Kommission, die aus der "bösen" schwarz-blauen Bundesregierung zusammengesetzt ist –, natürlich die Mitgliedstaaten überprüfen wird. Dabei wird insbesondere geprüft, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch Preisunterbietungen auf dem Werbemarkt gewisse Wettbewerbsverzerrungen herbeiführt. Das heißt: Kommerzielle Aktivitäten müssen daher kostendeckend erfolgen und dürfen nicht aus den Gebühren finanziert werden.

Frau Kollegin Trunk hat das zwar nicht angesprochen, wie sie überhaupt über das Gesetz selbst eigentlich nichts gesagt hat, aber ein wesentlicher Bestandteil der Diskussion in den vergangenen Wochen und Monaten ist sehr stark um die Thematik der Werbeeinnahmen gekreist.

Dazu möchte ich, weil ich doch denke, dass das eine Erwähnung wert ist, anmerken, wie es aussieht, wenn man ein Benchmarking macht, was man feststellt, wenn man ein bisschen über die Grenzen blickt, wenn man untersucht, wie andere Länder ihren Rundfunk finanzieren und wie andere Länder Werbezeiten beschränken, nicht beschränken et cetera. Das möchte ich ganz kurz anführen.

Der staatliche Rundfunk in Dänemark, Finnland, Großbritannien und Norwegen ist ausschließlich gebührenfinanziert. Auch Schweden ist immer ein interessantes Beispiel, weil es da mitunter sentimentale Anwandlungen bei der Sozialdemokratie gibt. Auch dort ist der Rundfunk ausschließlich gebührenfinanziert.

Ein Vergleich bezüglich der Beschränkung der Werbezeiten pro Tag ergibt Folgendes: Beim Österreichischen Rundfunk, um das in Erinnerung zu rufen, ist die Werbezeit auf 42 Minuten pro Tag beschränkt und innerhalb einer Stunde auf 12 Minuten. Der Vergleich zeigt, es gibt in Europa weit darüber hinausgehende Begrenzungen, etwa in Belgien: 6 Minuten pro Stunde; oder in Deutschland: ARD, ZDF und Landesrundfunkanstalten dürfen maximal 20 Minuten Werbung pro Tag senden. Man könnte auch einige andere Beispiele anführen, etwa Frankreich, Italien et cetera.

Interessant ist auch ein Vergleich, was die absolute Höhe der Werbeeinnahmen anlangt. Auch da liegt der ORF mit 5,1 Milliarden Schilling Einnahmen absolut im europäischen Spitzenfeld. Wenn man die Größe des Landes in Relation zu den anderen Ländern setzt, liegt Österreich damit absolut an der Spitze.

Wenn man sich weiters das Verhältnis zwischen Gebührenfinanzierung und Werbeeinnahmen ansieht, dann stellt man fest, es liegt beim Österreichischen Rundfunk bei ungefähr fifty/fifty. Ich glaube, exakt sind es 49 Prozent. Das ist gerade noch vergleichbar mit ... (Bundesrätin Mag. Trunk: Was ist vergleichbar?)

Frau Präsidentin! Ich möchte in diesem Haus endlich wieder einmal eine Rede halten, bei der ich nicht 47 Zwischenrufe der Frau Kollegin Trunk habe. Ich bin hier nicht beim Interview bei Ihnen, Frau Kollegin Trunk! Sie verstehen keinen Satz! Sie haben bei jedem Satz drei Zwischenfragen. Es ist unerträglich! (Lebhafter Widerspruch bei der SPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen allen Fraktionen. – Unruhe im Saal. – Ruf bei der SPÖ: Beruhigen Sie sich!)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Himmer! Nachdem Sie mich jetzt direkt angesprochen und erklärt haben, dass es für Sie unerträglich sei, gestatten Sie mir hier, dass ich auch eine ganz persönliche Wertung der gegenwärtigen Situation vornehme. Es macht Ihnen persönlich wirkliches Vergnügen, die Leute so zu reizen, dass Zwischenrufe kommen. Das ist eindeutig so! (Beifall bei der SPÖ.) Und dieses Vergnügen will Ihnen niemand nehmen. (Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Dagegen hat niemand etwas, wenn es ein bisschen lebhafter hier im Raum ist. Aber dann plötzlich zu sagen: Ich halte das nicht aus, dass Zwischenrufe kommen!, halte ich einfach für eine Ungerechtigkeit. (Neuerlicher, erheblicher Widerspruch bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Rufe bei der ÖVP: Ungeheuerlich! – Bundesrat Mag. Gudenus hebt die Hand und dreht sie mit dem Daumen nach unten.)

Herr Dr. Maier! Darf ich Ihnen jetzt etwas sagen: Von diesem Rednerpult aus, ungefähr vor fünfzehn Minuten, hat Herr Kollege Himmer gemeint, dass wir immerhin ein derart freiheitsliebendes Land sind, dass "Personen wie Sie"  – (die Vizepräsidentin ahmt eine verächtliche Redeweise nach und deutet mit einer wegwerfenden Handbewegung in Richtung SPÖ) – "reden dürfen".

Bitte, meine Damen und Herren, ich kommentiere das nicht. Ich bitte Sie nur, über diesen Unterton nachzudenken.

Und jetzt bitte ich Kollegen Himmer, fortzusetzen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Haunschmid: Auch von der eigenen Fraktion! Diese einseitige Beurteilung! Einseitiger geht es nicht mehr! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mag. Trunk: Psst!)

Bundesrat Mag. Harald Himmer (fortsetzend): Hohes Haus! Ich anerkenne absolut, dass eine Debatte lebhaft sein soll, und ich bin auch der Meinung der Präsidentin, dass das auch immer vom Redner mit initiiert wird. Ich wollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass es ein Unterschied ist, ob es hie und da einen Zwischenruf gibt oder ob bei jedem Satz drei Verständnisfragen gestellt werden. Ich würde nämlich in einer lebendigen Debatte an sich gerne auf Zwischenrufe eingehen, aber ich fühle mich nicht in der Lage, auf Zwischenrufe einzugehen, wenn ich pro Satz drei Verständnisfragen der Frau Kollegin bekomme. Dann vergeht mir der Spaß. Sonst bin ich durchaus für jede hitzige und originelle Debatte zu haben.

Um aber das Klima nicht noch einmal hochzufahren, will ich zu einer Abrundung kommen und noch einmal betonen, dass das zentrale Anliegen dieses Entwurfes eine präzise Trennung zwischen öffentlich-rechtlichen Aufgaben und anderen Aktivitäten des Österreichischen Rundfunks ist und wobei der öffentlich-rechtliche Kernauftrag sowohl in einem technischen Versorgungsauftrag als auch in einem inhaltlichen Programmauftrag fußt. Ferner wird zum Bestandteil des Auftrages auch die Veranstaltung von dem mit den Rundfunkprogrammen im Zusammenhang stehenden Online-Diensten und Teletexten gehören. Das heißt, neben den klassischen öffentlich-rechtlichen Aktivitäten soll es dem ORF ermöglicht werden, kommerzielle, gewinnorientierte Aktivitäten im Rundfunk zu setzen, insbesondere durch die Spartenprogramme, die organisatorisch und rechnerisch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk durchzuführen sind.

In diesem Gesetzentwurf befindet sich auch der Auftrag, die Programme digital-terrestrisch zu verbreiten, das heißt, die Umstellung auf die digitale Verbreitung wird sich nach dem laut Privatfernsehgesetz zu erstellenden Digitalisierungskonzept zu orientieren haben. Hier gibt es auch die digitale Plattform Austria, bei der auch der ORF maßgeblich mitwirkt. Das heißt, dass der ORF auch in Zukunft – das ist ein klares Bekenntnis – selbstverständlich ein Gesamtprogrammangebot wird bringen können, das sich an der Vielfalt der Interessen der Hörer und Seher zu orientieren hat und natürlich auch diesbezügliche Kriterien, wie Qualität, Innovation und Integration und auch Verständigung in den Vordergrund zu rücken hat. Das ist der ganz klare, politische Wille, der von der Medienpolitik, von der Bundesregierung ausgeht und der von der diese Bundesregierung unterstützenden parlamentarischen Mehrheit in diesem Hohen Haus mitgetragen wird. Das ist auch der Grund, warum meine Fraktion den vorliegenden Gesetzentwürfen die Zustimmung erteilen wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Professor Böhm hat sich zur Geschäftsbehandlung zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.30

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsbehandlung): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Mein Vorredner wurde kritisiert, eine Äußerung gemacht zu haben, bei der ein gewisser Unterton herauszuhören war.


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Ich verweise aus Gründen der Fairness und der Gleichbehandlung darauf, dass die angeblich so provozierte Frau Kollegin Trunk vorhin laut und vernehmlich die Äußerung gemacht hat: Der Schelm ist so, wie er denkt. (Bundesrätin Mag. Trunk: "Spricht"!)

Ich bitte auch in diesem Fall um eine entsprechende Vorgangsweise. – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.31

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich muss gestehen, dass ich den genauen Zusammenhang, in dem diese Äußerung gefallen ist, nicht mehr in Erinnerung habe. Aber wenn der Zusammenhang ein solcher gewesen ist, dass die Äußerung für die angesprochene Person kränkend ist oder sie herabsetzt, dann stehe ich selbstverständlich nicht an, die Rednerin darum zu bitten, diesen Ausspruch zurückzunehmen und sich bei Herrn Kollegen Himmer entsprechend zu entschuldigen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP. – Bundesrat Mag. Himmer: ... gekränkt ...! – Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP.)

Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Thumpser zu Wort gemeldet. – Bitte. (Bundesrat Konecny  – in Richtung des sich erst nach einer kurzen Verzögerung zum Rednerpult begebenden Bundesrates Thumpser –: Geh halt! Komm!)

Da Kollege Thumpser jetzt etwas verwundert ist, darf ich dazu sagen: Auch ich war über die Reihenfolge etwas verwundert, denn nach meiner Vorstellung wäre jetzt eigentlich Kollege Klamt an der Reihe gewesen – aber ich habe es wirklich so hier am Bildschirm stehen. (Bundesrat Kraml: Er hat nichts dazu zu sagen! – Rufe bei der SPÖ: Die Freiheitlichen haben nichts dazu zu sagen!)

15.32

Bundesrat Herbert Thumpser (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn wir heute dieses Gesetz diskutieren, dann tun wir dies unter einer unrühmlichen Voraussetzung: unter der Voraussetzung, dass dieses Gesetz von den Regierungsparteien heute hier wahrscheinlich nicht, so wie es auch vom neuen Präsidenten des Bundesrates, Kollegen Schöls, in seiner Antrittsrede gefordert wurde, unter dem Titel der Konsens-, sondern unter dem Titel der Konfliktpolitik beschlossen werden wird.

Da wird im Vorlauf eines Gesetzes desavouiert, da werden im Vorlauf eines Gesetzes Menschen eingeschüchtert, und da wird mittels Klagsdrohung Druck ausgeübt. Dies könnte unter einem Titel zusammengefasst werden, der sich in einem vorige Woche erschienenen Artikel widerspiegelt, nämlich unter dem Titel "Politik bei Menschenjagd". Ich möchte aus diesem Artikel kurz zitieren:

Politik bei Menschenjagd lautet das neue Prinzip. Das Erschreckende ist, dass dieses System im Österreich des Jahres 2001 tatsächlich funktioniert.

Nein, erst kommen die persönlichen Angriffe, die Hatz. Die meisten geben dann ohnehin klein bei. Das ist keine Entpolitisierung, sondern eine dramatische Verpolitisierung. Jetzt verlagert Peter Westenthaler, ein wahrhaft begabter Politaktionist, den Kampf um den ORF auf das Unternehmen, auf die höchstpersönliche Ebene. Weil das Unternehmen nicht spurt, weil Redakteure sich öffentlich gegen Interventionen wehren, soll es eine Strafanzeige gegen den Generalintendanten geben. Das ist blanker Terror, eine Vorgangsweise, die auch völlig unhysterischen Menschen kalte Schauer über den Rücken jagt. – Dies ist dem Leitartikel einer Zeitschrift in ihrer Ausgabe der vorigen Woche entnommen.

Das geht dann sogar so weit, dass Herr Westenthaler von dem einfachen Parteimitglied seiner eigenen Partei zurückgepfiffen werden muss. (Bundesrat Grissemann: Wer sagt denn das?) Meine Kolleginnen und Kollegen vor allem von der Regierungspartei! Diese Vorgangsweise einer öffentlichen Desavouierung von Persönlichkeiten ist entsprechend abzulehnen!


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussionen in der letzten halben Stunde hier im Saal haben ein ähnliches Bild gezeigt, nämlich dass es immer mehr zur Unsitte wird, mit Untergriffen zu arbeiten. Ich möchte mich – unabhängig davon, von welcher Seite das kommt – von dieser Methode distanzieren.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über das ORF-Gesetz diskutieren, dann kommen wir nicht umhin, auch über ein Thema zu sprechen, das zwangsläufig damit zusammenfällt – Kollegin Trunk hat das auch schon kurz angesprochen –, nämlich das Thema der Interventionen. Ich möchte diese Interventionen in zwei Bereiche unterteilen: Ein Bereich davon ist als Richtigstellung eines Beitrages zu verstehen. Solche Richtigstellungen hat es immer gegeben und wird es wahrscheinlich auch in Zukunft geben. Auch Bundeskanzler Schüssel hat dazu im Nationalrat gesagt:

Niemand in diesem Saal ist keusch, niemand ist vor der Versuchung gefeit, auf der größten Medienorgel zu spielen und natürlich seine Botschaft platzieren zu wollen. Das ist auch klar. Wir kämpfen genauso wie andere Gruppen um Sendezeiten und um Marktanteile in Informationssendungen. – Das ist also der eine Bereich der Interventionen.

In letzter Zeit hat es aber noch einen zweiten Teil von Interventionen gegeben, der zu einem Hilfeschrei der Redakteure geführt hat, nämlich insofern, als es dabei nicht nur um die Richtigstellung von Beiträgen ging, sondern um inhaltliche Eingriffe in die Programmgestaltung und in die Redakteursstuben. Diese Interventionen haben zu einem Hilfeschrei der Redakteure geführt, die sogar Resolutionen verfasst haben, um sich gegen diese inhaltlichen Eingriffe zu wehren.

Wie sonst wäre es zu verstehen, wenn Redakteure offen zugeben: Früher ist interveniert worden mit dem Schlusssatz: "Aber bringen müsst es ihr!" – Heute wird interveniert mit dem Schlusssatz: "Wenn das nicht kommt, wende ich mich an den Generalintendanten!" – Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Druckausübung, und diese Worte sind in den Medien der letzten Wochen auch entsprechend nachzulesen.

Mittlerweile gibt es anscheinend eine dritte Form der Intervention, nämlich in der Art der Beeinflussung ganzer Redaktionen oder eines gesamten Sendeablaufes. Es ist heute schon einige Male über den FC Kärnten gesprochen worden, und ich gratuliere dem FC Kärnten zu seinem Aufstieg in die Bundesliga und wünsche ihm von dieser Stelle aus alles Gute! (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Aber wie sonst wäre es zu verstehen, dass eine Sportredaktion, ein Medium einem Landeshauptmann Sendezeit zur Verfügung stellt und dieser über Fußball spricht, wobei sich dann herausstellt, dass das nicht unbedingt sein Metier ist (Heiterkeit des Bundesrates Konecny ) und sich bei ihm der Begriff des Fußballs zum Teil darauf reduziert, dass der Ball rund ist. (Bundesrat Konecny: Nun ja, das ist ja schon etwas!)

Es stellt sich nun die Frage, ob der Sportchef im ORF hier etwa quasi in vorauseilendem Gehorsam gehandelt hat, weil er vielleicht in Zukunft etwas werden will. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn das ein Beispiel dessen ist, was Sie unter "Qualitätsfernsehen" verstehen, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, ORF! Wenn dies ein Merkmal der zukünftigen Programmqualität einer Sportberichterstattung, die bisher zweifelsohne eine der besten weltweit war, sein soll, dann gute Nacht, ORF!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute hier schon einige Male der Stiftungsrat angesprochen und diskutiert worden. Wir werden keine Mandatare, keine Parteiangestellten, keine Parteisekretäre, keine Pressereferenten und so weiter mehr entsenden, sagt Klubobmann Dr. Khol. Was er allerdings nicht dazugesagt hat, ist, dass er in diesen Stiftungsrat selbstverständlich Leute seines beziehungsweise Ihres Vertrauens entsenden wird, die dann – ganz logisch – so entscheiden werden, wie das Herr Khol oder Herrn Westenthaler wollen.

Der Einfluss wird nicht, so wie dies immer wieder auch von der Regierung propagiert wird, geringer, sondern der Einfluss wird einzementiert und zwischen Schwarz und Blau aufgeteilt.


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Dieser Einfluss wird – ich sage Ihnen das auch hier von dieser Stelle aus – so weit gehen, dass Journalisten in Zukunft nicht mehr unabhängig sein werden, sondern dass sie in die Geiselhaft des Stiftungsrates (Bundesrat Mag. Himmer: Das weißt du!) und – um es jetzt überspitzt zu formulieren – in die Geiselhaft dieser Bundesregierung genommen werden. Denn alles, was den zukünftigen ORF betrifft, wird vom Stiftungsrat entschieden werden. Wenn in diesem Zusammenhang dann noch von der "journalistischen Freiheit" gesprochen wird, kann ich wieder nur sagen: Gute Nacht, ORF!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Summe werden im Stiftungsrat die Leute der ÖVP/FPÖ-Regierung sitzen, die ihre Vorstellungen, ihre Ideen und auch ihr Gesellschaftsbild dementsprechend im ORF hinüberbringen werden. (Bundesrätin Mag. Trunk: Dann werden halt die halben Leute ausschalten!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Gesetz, das – so nehme ich an – die Regierungsparteien heute hier beschließen werden, wird den ORF politisch abhängiger machen und wirtschaftlich gefährden. Dieses Gesetz ist ein weiterer Schritt hin zu einer Gefährdung der Unabhängigkeit des österreichischen Journalismus. Es garantiert einer 27-Prozent-Partei die 66-prozentige Mehrheit im Stiftungsrat und damit die 100-prozentige Einflussnahme! – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

15.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Klamt. – Bitte.

15.44

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die drei Tagesordnungspunkte 15, 16 und 17 wurden lange und ausführlich in der Öffentlichkeit und jetzt auch hier in diesem Saal diskutiert.

Tatsache ist, dass in Österreich ein neues Medienzeitalter eingeläutet wird: Es wird offener, und es wird freier. Das Monopol des ORF wird der Vergangenheit angehören. Damit wird dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte aus dem Jahre 1993 endlich entsprochen.

Alle politischen Parteien versuchen, die Möglichkeiten des Rundfunks und Fernsehens auszuschöpfen. Dazu sind sie aus meiner Sicht im Sinne einer funktionierenden Demokratie auch verpflichtet. Die Unabhängigkeit und die Objektivität der Berichterstattung sollen und dürfen aber darunter nicht leiden. Es wird aber immer ein Spannungsfeld zwischen den Parteien und dem Rundfunk und Fernsehen geben, und es wird auch immer Interventionen geben.

Bereits im Jahre 1964 gab es ein großes Volksbegehren mit dem Ziel, die Einflussnahme der Parteien, die es auch damals schon gegeben hat, auf den Österreichischen Rundfunk zu reduzieren. Die Zeit nach diesem Volksbegehren, dem weitgehend entsprochen wurde, war für den ORF sehr erfolgreich. Es gab Informationen, viele Eigenproduktionen und großartige Kultur-, Sport- und Unterhaltungssendungen.

In der Ära Kreisky wurde die Einflussnahme der SPÖ auf den ORF systematisch und für die SPÖ sehr erfreulich vorangetrieben. (Bundesrat Manfred Gruber: Das war eher über Gerd Bacher!) Die SPÖ wird in die (Bundesrat Konecny: ... ist er zum Generalintendanten gewählt worden!) – da wir vom Sittenbild gesprochen haben – Geschichtsbücher Österreichs sicherlich als jene Partei eingehen, die die Möglichkeiten der Einflussnahme – meine Vorrednerin Kollegin Melitta Trunk hat von "Machtausübung" gesprochen; ich würde eher von einer Nutzung der Möglichkeiten der Einflussnahme sprechen – auf den ORF am besten und am perfektesten für ihre Zwecke zu nutzen wusste. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mag. Trunk: Herr Bacher war "Befehlsempfänger" der SPÖ! Herr Weis war ein "Befehlsempfänger" der SPÖ! – Bundesrat Manfred Gruber: Der war Generalsekretär der SPÖ, der Gerd Bacher, oder?)

In jener Zeit wurde auch mit den Privilegien im ORF begonnen, die heute als Wildwuchs nicht übersehen werden können und entsprechend gestutzt werden müssen. Im Volksmund wurde


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dem ORF die Bezeichnung "Rotfunk" zugesprochen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Nicht im Volksmund! – Bundesrat Manfred Gruber: Mit einem schwarzen Kapitän!) – Im Volksmund, in der öffentlichen Meinung! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Bei freiheitlichen Parteimitgliedern!)

Diese Zeiten, meine sehr verehrten Damen und Herren dieses Bundesrates, müssen der Vergangenheit angehören! Es muss neue Regeln für eine positive Entwicklung des ORF im immer härter werdenden internationalen Wettbewerb geben. Diese Regeln stehen heute auf der Tagesordnung. Politiker und Parteiangestellte werden das Kuratorium beziehungsweise den Stiftungsrat verlassen. (Bundesrat Manfred Gruber: Für Gesinnungsfreunde!) Es besteht schon ein Unterschied zwischen Experten und Parteisekretären. Meine Kollegin Melitta Trunk hat das anscheinend nicht honoriert, dass Experten statt Parteisekretäre in diesen Stiftungsrat hineingehen (Bundesrätin Mag. Trunk: Das hab ich nie!), aber aus meiner Sicht ist es schon ein großer Unterschied, ob ich Experten mit einem Gesetzesauftrag in ein Kuratorium entsende oder ob ich dort einen Parteiangestellten hineinsetze, der selbstverständlich immer seiner Partei verpflichtet ist. (Bundesrat Manfred Gruber: Wenn die Experten eingefärbt sind, ist es kein Unterschied! Gefärbte Experten ergeben keinen Unterschied!)

Meine Damen und Herren! Das ist sicherlich ein Quantensprung, den Sie anscheinend nicht verstehen wollen. (Bundesrätin Mag. Trunk: ... die Experten im KELAG-Aufsichtsrat ... die Landesregierung! – Weitere Zwischenrufe der Bundesrätin Mag. Trunk. ) Es ist auf jeden Fall eine Verbesserung, wenn ich Experten anstelle von Parteisekretären in ein Kuratorium entsende. Das ist sicher eine Verbesserung und ein Schritt in die richtige Richtung, der zur Entflechtung der fein gesponnenen Netzwerke beitragen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

Die Mitarbeiter des ORF werden diese neu gewonnenen Freiräume brauchen, um voll motiviert jene Kreativität zu entwickeln, die zur Erfüllung des neuen Programmauftrages notwendig sein wird. Konkurrenz belebt! 17 Jahre nach Deutschland wird Privatfernsehen nun endlich auch in Österreich möglich.

Die Einschränkungen, die für den ORF im Bereich Werbung festgelegt werden, sind vertretbar, wenn man bedenkt, dass dem ORF Gebühren zukommen, die private Sender nicht einheben können. (Bundesrätin Mag. Trunk: Dann müssen Sie das Herrn Haider sagen! Der hat sich aufgeregt!) Die wirtschaftliche Unabhängigkeit des ORF ist bei vernünftigem Umgang mit den zur Verfügung stehenden Geldmitteln gewährleistet.

Dem Föderalismusgedanken wurde ebenfalls weitgehend entsprochen.

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne wird die freiheitliche Fraktion die Tagesordnungspunkte 15, 16 und 17 mittragen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Na Gott sei Dank!)  – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.51

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster Redner ist Herr Bundesrat Schennach zu Wort gemeldet. – Herr Bundesrat, werden Sie mit 9 Minuten Redezeit auskommen? (Bundesrat Schennach: Ansonsten müssen Sie mich eben unterbrechen!) Gut. Dann würde ich Sie bitten, zum Rednerpult zu kommen.

15.52

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Nach vielen Monaten der Diskussion über die Neuordnung der Medienlandschaft in Österreich liegt heute zwar noch nicht alles – es kommen noch ein paar relativ wichtige Gesetze zur Presseförderung –, aber doch eines der wichtigsten Stücke hier auf dem Tisch. Es bleibt mir, was das Gesetz zur Novellierung des Rundfunks betrifft, noch einmal die Möglichkeit, an Sie zu appellieren: Stimmen Sie heute diesem Gesetz nicht zu!


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Dieses Gesetz ist zum Schaden des ORF. Es ist eine Verhöhnung der Öffentlichkeit, wenn da von Entpolitisierung gesprochen wird. Ich frage mich – und ich spreche dabei in Richtung der Freiheitlichen Partei –: Wann wachen Sie endlich auf? – Haider ist offensichtlich schon aufgewacht, aber die Frage ist: Wann wacht die Freiheitliche Partei auf?, denn das, was unter dem Schlagwort "Entpolitisierung" geschieht, ist letztlich nichts anderes als der große Farbentausch: die schwarze Machtübernahme im ORF – mit dem 18., wahrscheinlich auch noch dem 19. Stiftungsratsmandat.

Herr Himmer hat heute in einer APA-Aussendung geschrieben: "Opposition geht es bei ORF nur um Machtanspruch". (Heiterkeit der Bundesrätin Mag. Trunk. ) – Machtanspruch ist das, was Sie angesichts dieser Konstruktion sichtbar werden lassen, dieser Konstruktion des Stiftungsrates, dessen Entpolitisierung eine reine Schimäre ist! Das zeigt sich schon an dem, was Sie in das Gesetz geschrieben haben – ein Mitglied Ihrer Fraktion, ein ÖVP-Minister, hat gemeint, dieses Gesetz sei nicht mit einem Bleistift, sondern mit einem Baumstamm geschrieben, was diese Bestimmung betrifft –, nämlich dass keine geheimen Abstimmungen zugelassen sein werden! – Was bedeutet das: Man will die Stiftungsräte natürlich in ihrem Stimmverhalten kontrollieren! – Es hat nichts mit dem Aktiengesetz zu tun, wenn ich zum Beispiel in einer Geschäftsordnung die Bestimmung vorsehe, dass personelle Wahlen einer Geheimhaltung unterliegen. Das ist kein Widerspruch zum Aktiengesetz!

Ich habe mir bei all diesen Diskussionen immer gedacht: Wo ist eigentlich der Mentor dieses Gesetzes? – Andreas Khol war bei den meisten Verhandlungen nicht dabei. Irgendwie muss er wiederholt beichten gegangen sein. Was die große "Entpolitisierung" betrifft, so sagte erst zu Pfingsten Khol – der dann nicht mehr im Stiftungsrat sitzen wird, weil kein ÖVP-Politiker im Stiftungsrat sitzen wird; aber Khol weiß es! –: ORF-Weis hat gute Chancen auf Wiederwahl. – Westenthaler weiß es auch – er geht wahrscheinlich nicht beichten (Heiterkeit der Bundesrätin Schicker )  –, er meinte in "tv media": Weis hat noch eine Bewährungszeit.

Aber wie wissen Khol und Westenthaler, wer neuer Generaldirektor wird, wenn sie dort nicht drinnen sitzen und wenn es ein entpolitisiertes, nur nach fachlichen, sachlichen Gesichtspunkten zusammengesetztes Gremium ist?

Nein, meine Damen und Herren, die drittstärkste Partei im Nationalrat wird mehr als 50 Prozent der Stiftungsräte stellen, und sie wird auch die Mehrheit im Publikumsrat stellen. Das ist die große ORF-Reform auf politischer Seite. Man hatte nicht den Mut gehabt, den Stiftungsrat so zu verkleinern, wie er einem vergleichbaren Kapitalunternehmen mit 11 Milliarden Schilling Einnahmen entsprechen würde, nämlich auf ungefähr 15 bis 20 Mitglieder. Der nachfolgende Redner, Herr Dr. Maier, der aus der Wirtschaft kommt, wird mir das sicherlich bestätigen können – ohne dass das hier eine Polemik ist. (Rufe bei der SPÖ: Raiffeisen! Das ist ein Unterschied! Der ist Raiffeisen-General!)

Beim Zustandekommen dieses ORF-Gesetzes war einer der wesentlichen Gesichtspunkte auch das Motto: Platz schaffen für Privat-TV! – Aber es kann doch nicht Anspruch der Politik sein, sich um wirtschaftliche Grundlagen privater Unternehmen zu kümmern, sondern sie muss Ordnungskriterien schaffen – Ordnungskriterien, die ein privates TV zulassen.

Wenn ich an Sie appelliere, dass die eine oder andere Person aus unserer Mitte beim ORF-Gesetz doch ein anderes Stimmverhalten an den Tag legen möge, so sage ich heute: Ich werde anders stimmen als die Mehrheit der grünen Fraktion hinsichtlich des Privat-TV. Ich halte die Zulassung von Privat-TV und die Verabschiedung dieses Gesetzes für richtig (demonstrativer Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP) – ich hoffe, Sie haben meinen ersten Appell nicht überhört! –, auch wenn die Begleitmusik dazu nicht ideal ist und auch die sachlichen Fragen in diesem Zusammenhang nicht in idealer Weise und zum Teil falsch gelöst sind. Wären wir etwa um Medienvielfalt bemüht gewesen, so hätte man die dritte Frequenz nicht einer quasi internationalen Abspielkette mit sehr wenig österreichischem Anteil übergeben dürfen. Letztlich geben doch die Vorverhandlungen zwischen Schüssel und Kloiber – das pfeifen bereits die Spatzen vom Dach! – zu der Befürchtung Anlass, dass es da zu einer Farce-Ausschreibung kommen wird, was die Lizenz betrifft. Es wäre richtiger gewesen, diese dritte Lizenz zu digitali


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sieren, daraus vier digitale Kanäle zu machen und die vierte Inselfrequenz zu privatisieren. Auf diese Weise hätten wir viele kleine, private TV-Anstalten und nicht einen internationalen Konzern, der eine dritte Anstalt bekommt.

Sie haben entschieden, der ORF muss wirtschaftlich geschwächt werden. – Der ORF ist in Österreich sicherlich ein starkes Unternehmen – ein starkes informationspolitisches, kulturpolitisches, bildungspolitisches und unterhaltungspolitisches Unternehmen –, aber international ist der ORF ein kleiner, ein winzig kleiner Floh. Sie schaden nun diesem ORF. Über die Zahlen, die geschätzt wurden, können wir streiten; ich sage einmal: Sie schaden ihm in einer Größenordnung von mindestens 600 Millionen bis 1 Milliarde Schilling.

Es geht aber gar nicht so sehr um den Schaden, den Sie dem ORF zufügen, sondern um die Folgeschäden, die Sie damit auslösen: Sie schaden der österreichischen Filmwirtschaft, die sich in den letzten zwei Jahren wiederum international platziert hat, die wirklich gute Arbeit leistet und einen der innovativsten Bereiche für die Zukunft darstellt. Aber Sie alle wissen, dass Filmwirtschaft ohne eine starke Partnerschaft nicht möglich ist. Und der ORF hat im Jahre 2000 erstmals über eine Milliarde Schilling aus der österreichischen Filmwirtschaft geschöpft.

Sie schaden dem Kulturbereich: Durch Ihr Gesetz gibt es im Grunde keinen Kulturkanal. Österreich ist, so glaube ich, innerhalb der EU eines der letzten Länder, das keinen Kulturkanal hat!

Jetzt überantworten Sie einen Kulturkanal dem freien Markt. Sie sagen, es soll ein Spartenkanal werden, der sich aus privaten Geldern selbst finanziert. Wer das sagt, kann es mit einem Kulturkanal nicht ernst meinen – und das von einem Staatssekretär, der aus dem Kulturbereich kommt. Das ist mir einfach unverständlich.

Sie schaden aber auch der Wirtschaft, das zeigen die verschiedensten Stellungnahmen zu diesem Gesetz, von der Bundeswirtschaftskammer abwärts über Teilorganisationen, alle Stellungnahmen waren negativ. Sie haben das aber einfach nicht zur Kenntnis genommen.

Sie schaden aber auch – und daher der Appell, den ich heute hier besonders unterstreiche –, wenn Sie heute diesem Gesetz zustimmen, à la longue den Bundesländerstudios. Viele Landeshauptleute haben offen oder weniger offen ihre Kritik an diesem Gesetz geäußert. Von den 11 Milliarden Schilling, die der ORF ausgibt, betragen 2,3 Milliarden Schilling die Kosten für die Landesstudios, vom billigsten mit 220 Millionen bis zum teuersten mit etwas über 300 Millionen. Diese Struktur wird sich ein ORF, der in seiner Wirtschaftlichkeit eingeschränkt ist, in diesem vollen Umfang nicht mehr leisten können.

Da es 16 Uhr ist, unterbreche ich jetzt meine Rede und werde sie nach der dringlichen Anfrage fortsetzen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP, der SPÖ und den Freiheitlichen.)

16.01

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zur Tagesordnung. Sie haben gehört, dass Herr Kollege Schennach seine Ausführungen noch nicht beendet hat, er wird nach Wiederaufnahme unserer Tagesordnung wieder das Wort ergreifen.

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Ferdinand Gstöttner und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes – Anfragensereie, Anfrage I (1832/J-BR/01)

der Bundesräte Ferdinand Gstöttner und GenossInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes – Anfragensereie, Anfrage II (1833/J-BR/01)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen zur Verhandlung der dringlichen Anfragen. Es sind dies die Anfragen der Bundesräte Ferdinand Gstöttner und Genossen an den Herrn Bundesminister für Inneres sowie an den Herrn Bundesminister für Justiz.


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Da diese Anfragen inzwischen allen Bundesräten zugegangen sind, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Herrn Bundesrat Ferdinand Gstöttner als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfragen das Wort. – Bitte.

16.02

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister Strasser! Herr Bundesminister Böhmdorfer! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! In unseren dringlichen Anfragen sind Positionen und Punkte angeführt, die uns Sozialdemokraten Sorgen bereiten. Es steht außer Zweifel, dass die derzeit von der Bundesregierung vollzogene Politik den ländlichen Raum aushöhlt und auch – wie schon in den Anfragen beschrieben ist – Kosten an die Gemeinden und Länder übergewälzt werden, die letzten Endes eine Einschränkung der dort zu erfüllenden Arbeit bedeuten.

Lassen Sie mich einige Positionen herausarbeiten: Wir haben im Speziellen Teil die Gendarmerieposten genannt. Die Sicherheit der Bevölkerung, die Bekämpfung der Kriminalität, eine effiziente Arbeit der Polizei und der Gendarmerie waren schon immer echte Anliegen der SPÖ. Für uns war es daher eine  (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es sind jetzt weitere Posten zur Schließung vorgesehen, und das ist der Punkt, der uns auf den Plan ruft und uns Anlass zur Sorge gibt. Wir glauben nämlich, dass dadurch die Möglichkeit des direkten Kontaktes mit der Gendarmerie und der Polizei in Frage steht und dass Lösungen, wie sie auch andiskutiert werden, nämlich so genannte Besuchstage oder Servicetage, auf keinen Fall die Kontakte mit der Bevölkerung ersetzen können.

Wir wissen aus Gesprächen mit den Gendarmen am Lande, dass es ganz wichtig ist, dass ein direkter Kontakt mit der Bevölkerung besteht, weil aus diesen Kontakten heraus eine ganze Reihe von Informationen und von wichtigen Mitteilungen im Vorfeld bekannt werden und dadurch auch größere Schwierigkeiten vermieden werden können.

Es soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass man sich wirklich Gedanken machen muss angesichts der Tatsache, dass zum Beispiel auch für Wien vorgesehen ist, Polizeiwachzimmer zu schließen oder zusammenzulegen, dass Überlegungen angestellt werden, die mobilen Einsatzkommandos in Linz, Wels und Steyr, die sich wirklich bewährt haben, umzugruppieren, und dass man sich Gedanken darüber machen sollte, wie das weitergehen soll, denn das sind bewährte Einrichtungen, auf die niemand verzichten möchte.

Wenn es auch nicht ganz dazu passt, so passt es aber doch dazu, weil es auch mit Sicherheit zu tun hat: Es gibt im Bereich der Zollwache die so genannte MÜG, die mobile Überwachungsgruppe, die hier auch ergänzend wertvollste Arbeit leistet, insbesondere in den Grenzbereichen. Sie ist dort auch – so wie die anderen – im Zusammenhang mit Drogen, Suchtgift, Alkoholika, Zigaretten, Waffen, Munition, Gefahrenguttransportkontrollen, Kontrolle der technischen Mängel, Lenkzeitüberschreitung sehr erfolgreich. Auch das soll nicht unerwähnt bleiben. Es sollte daher in Erinnerung gerufen werden, dass das Einrichtungen sind, auf die man nicht verzichten sollte.

Die Bezirksgerichte waren schon Thema einer Anfrage. Sie sind laufend Thema, und die Diskussion hat in den Bezirken zu gewaltiger Unruhe geführt, nicht deshalb, weil als Beispiel angeführt wurde, dass ein normaler Bürger nur einmal im Leben mit dem Bezirksgericht zu tun hat, sondern ganz einfach deshalb, weil dies eine Kette von weiteren Maßnahmen und Begleitumständen auslöst und zum Beispiel auch das Grundbuch betrifft. So ist es zum Beispiel auch eine logische Schlussfolgerung, dass Rechtsanwälte überlegen, ob sie ihre Niederlassungen in Gemeinden und Städten, in denen die Bezirksgerichte aufgelöst werden, weiter aufrechterhalten können, was auch wieder einen Qualitätsverlust für diese Gebiete bedeuten würde.

Ich führe bei dieser Gelegenheit noch ein Beispiel als Ergänzung an, nämlich die Vermessungsämter, die in verschiedenen Bezirken schon abgezogen beziehungsweise zusammengelegt wurden. Auch das ist ein Qualitätsverlust für kleinere Bezirke, weil damit ein wesentlich


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längerer Weg gegeben ist. Wie man hört, soll im Zusammenhang mit den Vermessungsämtern eine neue Regelung, eine Ausgliederung, im Ministerrat bereits beschlossen sein, die zwar vom Rechnungshof angeblich kritisiert wurde, aber anscheinend doch durchgezogen wird.

Ich stelle noch einmal fest: Es ist dies eine Qualitätsverschlechterung für die Menschen, die in diesen Bezirken wohnen.

Ein weiterer Punkt, der uns zu denken gibt, sind die Überlegungen hinsichtlich der Finanzämter. Es gibt Finanzämter, die zu Servicestellen gemacht werden sollen – um kein anderes Wort zu verwenden; ich möchte nicht polemisieren. Wir meinen halt auf Grund der Erfahrung, dass es diese Finanzämter sind, die sich durch ihre Bürgernähe, durch diesen Bürgerservice mehr als bewährt haben und mehr als Berechtigung hätten, auch in Zukunft in den Bezirken tätig zu sein.

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang: Wir haben schon öfters darüber diskutiert, und es soll auch heute nicht unerwähnt bleiben, dass im Zusammenhang mit der gesamten Entwicklung für die Gemeinden und ihre Bürgerinnen und Bürger Probleme entstehen – durch die Neuregelung der Getränkesteuer, durch die Werbeabgabe, durch verschiedene Begleitumstände. Es kann natürlich niemand etwas dafür, wenn eine Gemeinde auf Grund der Volkszählung weniger Bürger hat, aber Probleme für die Gemeinden, die weniger Bürger haben, sind natürlich gegeben. Es ist auch für viele Gemeinden ein Riesenproblem  (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) – Die waren gar nicht so schlecht gestellt, Herr Kollege!

Aber es ist ganz einfach zu beantworten: Man darf nicht stehen bleiben, sondern man muss sich immer mit der Zeit bewegen und auf die aktuelle Situation eingehen, weil sonst die Gemeinden letzten Endes auf derselben Stelle bleiben, und das wäre unverantwortlich gegenüber allen, ganz gleich unter welcher Mehrheit wo gearbeitet wird.

Tatsache ist, dass die Gemeinden wichtige Auftraggeber für die Wirtschaft und damit auch Arbeitsplatzgaranten sind. All das darf man in Summe bei diesen Überlegungen nicht übersehen, sondern es muss einem bewusst sein, dass auch hier bei einer Verschlechterung eine Kettenreaktion ausgelöst wird, bei der, so glaube ich, jeder nachdenken muss, ob er sie verantworten kann.

Es spielen da viele Punkte hinein, die noch genannt werden müssen, wenn wir die nächste Position kurz streifen. Ich nehme vorweg, dass es auch bei den ÖBB eine ganze Reihe von Umstellungen gibt, die sich negativ auf gewisse Regionen auswirken, wie zum Beispiel auch auf unsere – wenn ich das so allgemein bezeichnen darf –, wo man auf Strecken, die sich bewährt haben und auf denen auch Auslastungen gegeben waren, zum Beispiel keine zusätzlichen Garnituren mehr an den EuroNight anhängt. Das war aber ein sehr wichtiger Punkt für die Pendler, für Leute, die aus wirtschaftlichen Gründen in Wien zu tun hatten. Diese Leute haben jetzt nur noch die Möglichkeit, in einen Schlafzug einzusteigen und zu versuchen, irgendwo einen Platz zu ergattern. – Das ist meiner Meinung nach die verkehrte Politik. So kann man die ÖBB nicht zu dem machen, als das man sie haben möchte, nämlich attraktiv. (Bundesrat Bieringer: Vor zwei Jahren ist uns genau das passiert!) – Das hat sich in der letzten Zeit ergeben, bitte. (Bundesrat Bieringer: Nein, vor zwei Jahren!) Jetzt auch!

Ein weiterer Punkt, den wir nicht übersehen dürfen: Wir erleben mit, dass gewisse Strecken stillgelegt werden. Ich gebe schon zu, dass es auch Strecken gibt, die nicht mehr rentabel sind, aber ich glaube, dass wir als Staat doch auch die Verpflichtung haben, für öffentliche Verkehrsmittel in Regionen zu sorgen, in denen es die Leute nicht so einfach haben.

Die Postämter sind noch ein eigener Punkt. Da möchte ich nicht vorgreifen, muss aber sagen: Das, was sich dort abspielt, ist auch etwas, das für uns, die wir auf dem Land sind, beschämend ist. Der Briefträger, die kleinen Postämter sind Kontaktstellen und Zentren, Anlaufstellen, auf die wir schwer verzichten können. Es ist unverständlich, dass man da einen solchen Kurs einschlägt.

Das, was bei diesen Dingen meistens untergeht, ist die Entwicklung bei der Telekom. Wir sehen sie auch immer noch als Post. Dort werden ganze Bereiche ausgelagert, stillgelegt, in andere


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Bereiche verlagert – in andere Bezirke zum Beispiel verlegt. Ich frage mich, wie künftighin dort die Netzerhaltung gewährleistet sein soll, wer künftighin, wenn eine Gemeinde Straßenbaumaßnahmen vornimmt, kommt und sagt: Da ist das Kabel, da müssen wir aufpassen! Das sind Dinge, auf die man anscheinend keinen Wert legt. Darauf, wie man das aber in der praktischen Arbeit löst, bin ich gespannt. Es war jetzt schon sehr schwierig, Vertreter von der Telekom zu bekommen; wenn diese noch weiter weg sind, wird es noch schwieriger werden. – Ganz abgesehen davon hat man den Leuten teilweise nur ein paar Tage Zeit gegeben und sie in den Vorruhestand geschickt. Oder man verwendet sie jetzt zum Beispiel für die Bereitschaft, nur mit dem Grundgehalt ohne Zulagen. Das sind Dinge, die diesen Menschen schwer zumutbar sind.

Zu den Postbussen, die für uns auf dem Land auch sehr wichtig sind, weil sie die Verkehrslage abdecken, kann ich im Moment noch wenig sagen, aber auch dort sind gewaltige Maßnahmen der Schließung vorgesehen.

Was mich auch sehr beunruhigt, ist die Entwicklung im Bereich des Arbeitsmarktservice. Da hat es Regelungen gegeben, die sich nach anfänglichen Schwierigkeiten recht gut bewährt haben. Jetzt überlegt man wieder etwas Neues, und da weiß man noch nicht genau, wohin es führt. Etwas, was relativ gut läuft, sollte man nicht ständig ändern, weil das auch zu Verunsicherung und zu Unruhe führt.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Die genannten beziehungsweise in unseren dringlichen Anfragen enthaltenen Punkte treffen die Menschen in unseren Bundesländern. Optimieren: ja; Sicherheit reduzieren: ein klares Nein; soziale Ausgewogenheit gefährden: ebenso ein klares Nein. Ganze Regionen erleiden nicht mehr gutzumachende Schäden. Nicht zu übersehen ist, dass die Chancengleichheit nicht mehr gegeben ist, ja sich sogar verschlechtert hat.

Ich finde, dass der Staat zu gewissen Dienstleistungen verpflichtet ist. Das gehört auch zur Lebensqualität. Wenn ich mir aber ansehe, was sich da und dort tut, dann muss ich sagen, es sind die geplanten Maßnahmen so ausgelegt, dass die Gefahr besteht, dass der ländliche Raum wirklich ausgedünnt wird und damit die Bevölkerung dort echt benachteiligt ist.

Eine Feststellung möchte ich aber schon treffen: Es soll und es darf nicht sein, dass Stadt und ländliche Gemeinden, dass Länder und Bund gegeneinander ausgespielt werden. Überall leben Menschen, die zu Recht erwarten, dass sich die Politik für sie einsetzen muss und einsetzen soll. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe.

Manchmal – ich habe das auch gehört, als diese Anfragen vorgelegen sind – wird unsere Sorge als Panikmache dargestellt. Alles andere als das ist es! Es ist unsere echte Sorge über die bedenkliche Entwicklung, die wir hier verzeichnen müssen: Wenn der ländliche Raum immer weniger attraktiv wird, führt dies zu Konsequenzen. Wenn die Jugend aus den Gemeinden abzieht und letztlich dann nur mehr ältere Menschen dort sind, wird es im doppelten Sinn problematisch werden. Ein nicht unwesentlicher Teil der schon vielfach zur Gewohnheit und fast Selbstverständlichkeit gewordenen Leistungen ist bedroht – das sei hier nochmals erwähnt.

Es geht nicht nur um Arbeitsplätze, es geht auch um qualifizierte Arbeitsplätze, die mit solchen Maßnahmen in unseren Regionen verlorengehen. Betroffen sind die Menschen, die dort wohnen. Wenn die Arbeitsplätze weniger werden, wenn sich der Druck am Arbeitsplatz noch erhöht, dann werden die Möglichkeiten, freiwillige Dienste zu leisten, immer schwieriger. Erlauben Sie mir, diesen Gedanken auch noch einzubringen!

Unsere freiwilligen Feuerwehren, die Rettungsdienste, die Sozialdienste leisten auf freiwilliger Basis sehr viel für die Öffentlichkeit, für die Menschen. Das kann man nicht oft genug erwähnen und Dank dafür aussprechen. Wenn dies aber auf freiwilliger Basis aus den genannten Gründen nicht mehr möglich wäre, dann müsste jemand anderer diese Leistung übernehmen. Ich frage mich nur, wer. Die Gemeinden könnten sich die Kostenauswirkungen auf keinen Fall leisten, aber sicher auch nicht die Länder und der Bund, denn das, was da geleistet wird, geht in die Millionenhöhe und ist ein Punkt, der sehr oft übersehen wird. Dieser Umstand muss uns bewusst sein, und wir müssen gegensteuern, bevor es zu spät ist.


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Die Ausdünnung unseres ländlichen Raumes würde auch noch die Verkehrsprobleme in den einzelnen Regionen erhöhen. Wesentlich längere Wege zu den Ämtern und Dienstleistungszentren, zu den Arbeitsplätzen bringen Probleme, die man sich leicht vorstellen kann, deren Folgen man aber nur schwer abschätzen kann. Nicht alle Menschen haben ein eigenes Fahrzeug, manche sind auch aus gesundheitlichen Gründen nicht so mobil und daher auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Es würden sich fast unüberwindbare Barrieren ergeben.

Durch die Politik, wie sie derzeit von der Bundesregierung gemacht wird, befürchten wir negative Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitssituation der Menschen. Wir sehen spürbare Verluste für die Infrastruktur und die Lebensqualität in den Bezirken unserer Bundesländer. Wir befürchten einen Abbau der Qualität des Wirtschaftsstandortes und damit verbunden weniger Arbeitsplätze – vor allem für die Jugend – und die Gefahr der Entsiedelung der ländlichen Gebiete. Fehlende Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten, zu wenig Möglichkeiten der Ausbildung in höheren Schulen in den Regionen – das ist ein schwieriger Kreislauf.

Ganz allgemein sei festgestellt, dass der Zugang zum Recht, auch zu anderen gesellschaftlichen Dienstleistungen, für alle gegeben sein muss. Hochwertige und flächendeckende Sicherheitseinrichtungen und schnelle Hilfe bei Unfällen und in Katastrophenfällen müssen ebenso gewährleistet sein.

Oftmals wird auf die so genannte elektronische Revolution und deren positive Auswirkungen hingewiesen. Fast jeder Haushalt, so heißt es, hat Zugang zum Internet. Realität ist aber auch, dass es jetzt und auch in Zukunft Menschen geben wird, die sich solche Anlagen nicht leisten können, auch nicht die erforderliche Ausbildung dafür haben oder einfach zu alt sind, um sich noch dieser Aufgabe zu stellen. Wir werden daher auch auf diese Personenkreise Rücksicht nehmen und gewisse Serviceleistungen in den Regionen aufrechterhalten müssen.

Meine Damen und Herren! Die Sicherheits- und Serviceleistungen sind in vielen Bezirken und Gemeinden in Frage gestellt. Die Menschen sind verunsichert, aber nicht nur die Bürger, sondern auch die Beamten und Bediensteten. Sie wissen manchmal nicht mehr, wie es weitergeht, wie die berufliche Zukunft aussieht. Auch unsere dringlichen Anfragen sind von dieser Sorge um die Zukunft, auch von der Sorge um die Zukunft unserer Gemeinden getragen. Ich habe schon einige Punkte angeführt, ich möchte sie nochmals verstärken: Entfall der Getränkesteuer, Rückgang der Kommunalsteuer, Volkszählungsergebnis, höhere Aufwendungen durch Auftrags-, Aufgabenverlagerungen, weniger Spielraum bedeutet Verminderung der Investitionsmöglichkeiten. Ich möchte mich hier nicht wiederholen.

Da sind Maßnahmen dringend notwendig, und es sind in Zusammenarbeit Lösungen zu suchen. Zusperren, Zusammenlegen, Einstellen, Verkaufen – darin sehe ich allerdings keine Lösung.

Herr Bundesminister Strasser! Herr Bundesminister Böhmdorfer! Ich bin gespannt auf Ihre Antworten auf unsere dringlichen Anfragen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und der SPÖ.)

16.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung ist zunächst der Herr Bundesminister für Inneres zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.21

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zur Beantwortung der Anfragen komme, darf ich die Gelegenheit wahrnehmen, die notwendige und überfällige Neustrukturierung des österreichischen Sicherheitsapparates hier vor diesem Gremium in gebotener Kürze darzulegen. Ich möchte dies in vier Punkten darstellen.

Zum Ersten: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sparen in der Verwaltung, damit wir in die Sicherheit vor Ort investieren können. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Wenn ich vom Begründer der Anfrage höre, dass er verunsichert ist, dann habe ich ein gewisses Verständnis für diese Unsicherheit, denn das ist geradezu ein Umkehren jener Politik, die in meinem Haus in den letzten 20, 25 Jahren stattgefunden hat.

Zum Zweiten haben diese Bemühungen schon jetzt dazu geführt – ich bedanke mich insbesondere bei den führenden Beamten unseres Hauses dafür, auch bei den Polizeidirektoren und Landesgendarmeriekommandanten –, dass wir im Jahr 2000 und jetzt auch im Jahr 2001 so viele Beamte im Außendienst, also direkt für die Sicherheit der Bevölkerung vor Ort, haben, wie das seit acht Jahren nicht der Fall war. Das ist ein Ergebnis unserer Bemühungen, das direkt und sofort wirksam ist. Aber damit sind wir nicht zufrieden.

Daher habe ich eine zugegeben sehr harte Vorgabe für die Weiterentwicklung unserer Organisation gegeben, und diese Vorgabe heißt, dass wir selbstverständlich so wie alle anderen Ressorts unseren Beitrag sowohl zur Gesundung des Budgets als auch zur Gesundung des Personalproblems innerhalb der Bundesverwaltung erbringen wollen und damit Personal in der Höhe von 3 Prozent nicht nachbesetzen werden. Aber das wollen wir schaffen mit einer absoluten Priorität für den Außendienst und mit einer absoluten Priorität für die Sicherheit vor Ort. Daher habe ich eine sehr harte Vorgabe gegeben, die bedeutet, dass zum Beispiel im Bereich der Gendarmerie 20 Prozent und mehr des Einsparungsvolumens in der Zentrale in der Herrengasse erarbeitet werden und im Bereich der Landesgendarmeriekommandos 17 Prozent, wenn man die Bezirksgendarmeriekommandos dazurechnet. Bei den Gendarmerieposten vor Ort haben wir aber das Ziel – das haben wir bisher 1 : 1 erreicht –, dass das gesamte jetzt verfügbare Personal auch weiterhin vor Ort seinen Dienst machen kann. Das bedeutete Sparen in der Verwaltung, damit wir in die Sicherheit vor Ort investieren können.

Vierter und letzter Punkt: Erst vor wenigen Tagen habe ich den Zwischenbericht der drei Arbeitskreise für die Reform der Bundespolizeidirektion Wien bekommen und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr ermutigt, dieses Reformwerk zügig weiter voranzutreiben. Am Ende dieser Reform wird – auch das ist eine der Vorgaben – stehen, dass wir mehr als 100 zusätzliche Wachebeamtinnen und -beamten, die derzeit in der Verwaltung arbeiten, für die Sicherheit vor Ort in den Wachzimmern der Bundeshauptstadt Wien zur Verfügung stehen haben werden. Das bedeutet, wir sparen in der Verwaltung, damit wir in die Sicherheit vor Ort investieren können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.).

Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrter Herr Begründer der dringlichen Anfragen! Ich muss in aller Form festhalten, dass es sich um einen Übermittlungsfehler handeln muss, denn ich nehme nicht an, nachdem ich Sie bisher als einen sehr fundierten und sachgerechten Argumentierer auch bei harten Debatten kennen gelernt habe, dass es sich um eine bewusste Unterstellung handelt. Es gibt eine klare Vorgabe für die Reform der Bundespolizeidirektion Wien, nämlich dass kein einziges Wachzimmer in seiner Struktur in der Bundeshauptstadt in Frage gestellt wird. Ich darf Sie daher bitten, diese Falschinformation – wo immer sie hergekommen ist – richtig zu stellen und auch bei Ihren Informationen nach außen so zu verwenden.

Lassen Sie mich einen letzten Satz bezüglich der Sondereinheiten sagen. Jawohl, da ist eine Reform überfällig, eigentlich sollte sie schon lange gemacht sein. In einem 8 Millionen Land leisten wir uns im Sicherheitsapparat 22 verschiedene Sondereinheiten. Das bedeutet, dass wir 22 unterschiedliche Aufnahmemodelle haben, dass wir 22 unterschiedliche Ausbildungsmodelle haben, dass wir 22 unterschiedliche Weiterbildungsmodelle haben, dass wir 22 unterschiedliche Ausrüstungsvorschriften haben und und und.

Ich kann mir nicht vorstellen und habe dafür keine Begründung gefunden, warum die Ausbildung der Sondereinheit in Graz so unterschiedlich sein soll von der Ausbildung der Sondereinheit in Salzburg, in Leoben, in Rust oder in Innsbruck. Daher habe ich den Auftrag gegeben, dass diese Sondereinheiten zusammengeführt werden, allerdings mit einer sehr berechtigten Ausnahme, nämlich der Sondereinheit in Wien, der WEGA, die auf Grund der besonderen Situation der Bundeshauptstadt, auf Grund der besonderen Situation der vielen zusätzlichen Veranstaltungen, die eben nur in einer Bundeshauptstadt stattfinden, eine eigene Organisationsform notwendig macht und daher auch wichtig ist.


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Wie Sie wissen, ist mir die Meinung der Mitglieder des Bundesrates und die Meinung der Mitglieder des Nationalrates, insbesondere der Sicherheitsverantwortlichen in den Innenausschüssen außerordentlich wichtig. Daher habe ich bei meinen Recherchen zu diesem gesamten Bereich der Organisationsreformen einiges nachgelesen und bin dabei auch auf eine Aussage des Vorsitzenden des Innenausschusses des Nationalrates, Herr Abgeordneter Leikam, gestoßen. Ich darf zitieren, was Herr Abgeordneter Leikam damals im Nationalrat vom 19. März 1991 zum Dienststellenstrukturkonzept der Bundesgendarmerie gesagt hat – ich zitiere wörtlich –: Dieses "neue Konzept" soll unter anderem "eine Effizienzsteigerung auf Bezirksebene" bringen. "Es sollen damit die Kriminalitätsbekämpfung und die Verkehrsüberwachung verbessert sowie ... eine Verminderung des Verwaltungsaufwandes erreicht werden. ... Im ländlichen Raum ist geplant, die Größe der Überwachungsgebiete so zu gestalten, dass Bürgernähe, Orts- und Milieukenntnisse gewährleistet bleiben." – Zitatende.

Ja, das sind richtige, gute und günstige Vorgaben, an die wir uns halten, weil mir die Arbeit und die Angaben der Mitglieder des Innenausschusses, insbesondere des Vorsitzenden wichtig sind, und daher werden wir auch diese Angaben 1 : 1 umsetzen.

Ich darf aus dieser Rede vom 19. März 1991 zu dieser Causa noch einen Satz zitieren: "Das neue Konzept, das nun erstellt wird, sieht eine Effizienzsteigerung auf Bezirksebene vor." – Jawohl, das ist unsere Absicht, das setzen wir um, und der Vorsitzende des Innenausschusses, Herr Abgeordneter Leikam, sieht das nach dieser Rede von damals sicherlich genauso. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Ich darf nun zu den einzelnen Fragen der dringlichen Anfrage kommen und darf sie, wie folgt, beantworten.

Zur Frage 1:

Ja, die erwähnte Liste der Zusammenlegung von Gendarmerieposten ist vollständig.

Zu den Fragen 2 bis 5:

Gemäß dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 6. März 1992 ist die Zusammenlegung von Gendarmerieposten eine Maßnahme im inneren Bereich der Behörde. Es ist gesetzlich weder die Herstellung des Einvernehmens noch die Zustimmung mit anderen Behörden oder anderen Organen vorgesehen. Aus diesem Grund waren auch keine Verhandlungen erforderlich. Aber es ist und war mir ein Anliegen, dass viele gute Gespräche, auch Abschlussgespräche mit regionalen Verantwortungsträgern geführt wurden. Für das Bundesland Salzburg wurden sie in der ersten Maihälfte und für die Bundesländer Steiermark, Kärnten, Burgenland, Tirol, Vorarlberg, Niederösterreich und Oberösterreich in der zweiten Junihälfte geführt.

Alle betroffenen Bürgermeister wurden am Tag der Entscheidung auch darüber informiert, dass in einem nächsten Umsetzungsschritt Gespräche zwischen Vertretern der Bundesgendarmerie und den regionalen Verantwortlichen über mögliche Begleitmaßnahmen stattfinden werden.

Zur Frage 6:

Die Dienststellenstrukturmaßnahmen erfolgen grundsätzlich nicht im Interesse von Einsparungsmaßnahmen, auch wenn es derartige Nebeneffekte geben könnte und geben kann, sondern die einzige hauptsächliche Zielrichtung in diesem Bereich ist: Wir sparen in der Verwaltung, um in die Sicherheit vor Ort investieren zu können. Einen konkreten Einsparungsumfang können wir erst mit dem Abschluss der Detailumsetzung nennen.

Zu den Fragen 7 und 8:

Mit der Umsetzung soll ab Herbst 2001 begonnen werden. Der detaillierte Zeitplan für die Zusammenlegungen sowie detaillierte Personaldotationen ergeben sich erst im Laufe des Umsetzungsprojektes, das gemeinsam mit den regional Betroffenen gemacht wird.


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Zur Frage 9:

Die Entscheidung über die Personaldotation erfolgt nach Einbindung aller zuständigen und betroffenen Stellen. Es gilt dasselbe wie zu den Fragen 7 und 8.

Zur Frage 10:

Wenn der Bundesrat dies ausdrücklich wünscht, dann bin ich selbstverständlich bereit, über die Entscheidung Auskunft zu geben.

Zu den Fragen 11 und 12:

Im Bereich der Bundespolizei befindet sich das Wachzimmerstrukturkonzept in der Konzeptivphase, welches eine Evaluierung der Effektivität und Effizienz der bestehenden Strukturen und Prozesse innerhalb der Organisationseinheiten zum Ziel hat und auch eine kritische Betrachtung der gegebenen Standortstruktur beinhaltet.

Die Aussagen über mögliche Ergebnisse dieser Evaluierung können im derzeitigen Stadium nicht getroffen werden. Ich habe schon erwähnen dürfen, dass die Bundespolizeidirektion Wien hievon ausdrücklich ausgenommen ist. Auf Grund der derzeitigen Entscheidungsstruktur ist auch der Zeitpunkt einer Entscheidung über dieses Konzept derzeit nicht abschätzbar.

Zur Frage 13:

Neben meinen Gesprächen mit führenden Mitgliedern der Stadt- und Bezirksverwaltung sowie des Gemeinderates wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Ressorts, insbesondere der Herr Polizeipräsident mit der Führung von Gesprächen im Zusammenhang mit dem Reformprojekt beauftragt.

Zu den Fragen 14 und 15:

Als Innenminister der Republik Österreich bekenne ich mich zu den von der Bundesregierung beschlossenen Reform- und Weiterentwicklungsvorhaben. Bei den notwendigen Vorhaben im Bereich des Innenministeriums gilt der bereits genannte Grundsatz: Sparen in der Verwaltung, um in die Kernaufgaben, insbesondere in die Sicherheit vor Ort investieren zu können.

Eine Aussage darüber, inwieweit die angesprochenen anderen Forderungen unter diesen Prämissen Berücksichtigung finden können, ist zum derzeitigen Zeitpunkt nicht definitiv möglich.

Zur Frage 16:

Keine.

Zur Frage 17:

Im Bericht der Abteilung II/C/7 wird der Name "Olympia" nicht erwähnt.

Zu den Fragen 18, 19 und 22:

Im Rahmen des Projektes "Errichtung eines Zentralen Melderegisters" hat es einen Beschaffungsauftrag – Bagatellbeschaffung – für das Hosting der ZMR-Homepage gegeben. Dieser Auftrag wurde einmal verlängert. Die Auftragshöhe belief sich bei einem Gesamtvolumen des ZMR-Projektes von insgesamt rund 120 Millionen Schilling auf unter 25 000 S.

Zur Frage 20:

Alle Fremdmitarbeiter im ZMR-Team wurden nicht über die Firma McWeb, sondern über einen Vertrag mit einem anderen IT-Dienstleister angestellt. Soweit für die Erfüllung der Aufgaben ein Zugriff auf die Daten des Probebetriebes des ZMR erforderlich war, wurde er eingeräumt. Das


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ZMR ist ein öffentliches Register, die darin enthaltenen Daten stellen keine sensiblen Daten gemäß § 4 Z 2 DSG 2000 dar.

Bei der Frage 21 darf ich auf die Antworten zu den vorangegangenen Fragen 17 bis 20 verweisen.

Zur Frage 23:

Zu den Auswirkungen der Zusammenlegung von Gendarmerieposten darf ich festhalten, dass durch diese Strukturreform mit den geplanten Begleitmaßnahmen eine Effizienzsteigerung der Sicherheitsversorgung mit mehr Bürgernähe und mehr Außendienstpräsenz zu erwarten ist. Eine Übersicht über die durchgeführten Strukturreformen wird im Sicherheitsbericht 2001 enthalten sein.

Maßnahmen anderer Mitglieder der Bundesregierung und etwaige Auswirkungen fallen nicht in den Vollzugsbereich des Bundesministers für Inneres. Ich ersuche daher um Verständnis dafür, dass ich dazu keine Aussagen treffen kann. (Beifall bei der ÖVP.)

16.37

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nunmehr dem Herrn Bundesminister für Justiz zur Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen das Wort. – Bitte.

16.37

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte ebenfalls einige Worte zu dem Problem der Gerichtsorganisation an sich voranstellen.

Die österreichische Gerichtsstruktur stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Sie müssen bedenken, dass wir eine Gerichtsorganisation, die eineinhalb Jahrhunderte alt ist, für das 21. Jahrhundert fit machen müssen. Wir wollen deshalb die 192 Bezirksgerichte und die 21 Landesgerichte zu 64 Regionalgerichten zusammenfassen. Von einer Schließung kann selbstverständlich keine Rede sein. Es handelt sich um eine Änderung der Organisationsstruktur, die im Übrigen auch von sämtlichen Präsidenten der Oberlandesgerichte, die die Hauptträger unserer Gerichtsorganisation sind, mitgetragen wird.

Die neuen Regionalgerichte sollten für sämtliche erstinstanzlichen Aufgaben der Gerichte zuständig sein. Dies würde eine Dezentralisierung der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Landesgerichte bedeuten. Die Bevölkerung würde davon profitieren, weil bei diesen Regionalgerichten alle Rechtssachen abgehandelt werden würden und deshalb die Zureise zum Beispiel zu den Landesgerichten entbehrlich wäre. Das ist in der Diskussion untergegangen.

Wir haben aber in sehr konstruktiven Gesprächen mit den Landeshauptleuten und den Landesregierungen viel von den Unklarheiten genommen, und ich kann Ihnen mitteilen, dass der Reformbedarf prinzipiell von sämtlichen Landesregierungen anerkannt beziehungsweise nicht bestritten wird. Ich glaube auch, dass wir mit diesen Gesprächen sehr bald zu einem konstruktiven Ende kommen werden. Ich kann Ihnen auch versichern, dass meine direkten Kontakte mit der Bevölkerung nahezu ausschließlich das Ergebnis hatten, dass die Bevölkerung sehr wohl für diese Neuorganisation aufgeschlossen ist, dies umso mehr, weil die Bevölkerung selbst weiß und spürt, dass der Durchschnittsösterreicher nur einmal in seinem Leben zu einem Bezirksgericht muss.

Die Bevölkerung hat auch Verständnis dafür – das haben mehrere Umfragen ergeben –, dass wir im Bereich der Gerichte den Weg der Spezialisierung gehen müssen. Die Bezirksgerichte haben 40 Geschäftszweige zu betreuen, und wir gehen davon aus, dass die Mindestgröße eines Gerichtes so gestaltet sein soll, dass dort zumindest zwei Richter mit Rechtsprechungsaufgaben ausgelastet sind, ansonsten können wir nach Adam Riese nicht spezialisieren.


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Es gibt in diesem Bereich nur mehr wenig Widerstand, wenn ich auch verstehe, dass da und dort das Argument gebracht wird, es könnten diese Zusammenlegungen zur Verdünnung des ländlichen Raumes beitragen. Aber das stimmt nicht, weil diese Bezirksgerichte keine Wirt-schaftsträger sind. Sie sind lieb gewonnene Einrichtungen, die sich bewährt haben – das gebe ich schon zu –, aber wir müssen, wie gesagt, unsere Gerichtsorganisation für das 21. Jahrhundert fit machen und können uns nicht mehr an den Kriterien des 19. Jahrhunderts orientieren, die da gelautet haben, dass man mit einem Pferdegespann oder einem Ochsenkarren an einem Tag zu Gericht fahren, eine Verhandlung absolvieren und wieder zurückkehren können soll. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)  – Diese Zeiten – das müssen wir alle akzeptieren – gehören der Vergangenheit an.

Ich beantworte nunmehr die einzelnen Fragen wie folgt:

Zu den Fragen 1, 2 und 4:

Die Gespräche mit den Landesregierungen sind, wie gesagt, sehr konstruktiv gelaufen. Wir gehen davon aus, dass sie in der zweiten Hälfte des Jahres 2001 beendet werden können. Die Interessen der Länder und Gemeinden werden in den Verhandlungen von den Landesregierungen und den Bürgermeistern, die oft beigezogen sind, sehr engagiert wahrgenommen, wir haben aber dem sehr viele Argumente entgegenzusetzen. Die Diskussionen verlaufen meistens – das muss ich offen sagen –, bei Abwägung aller Argumente, zu Gunsten des Justizministeriums. Es bleiben natürlich Emotionen und nostalgische Überlegungen, aber wir müssen auch rationelle Überlegungen anstellen und diesen zum Durchbruch verhelfen.

Zu den Fragen 3 und 5:

Es liegen keine endgültigen Verhandlungsergebnisse vor. Wir erwarten uns von der Zusammenlegung von in etwa der Hälfte der 192 Bezirksgerichte ein Einsparungspotenzial von zirka 100 Millionen Schilling. Sie müssen bedenken, dass wir auch die Kleinst-Gerichte, die vielfach nicht einmal einen Richter auslasten, mit EDV-Leitungen speisen müssen. Wenn wir die große Reform, so wie wir sie wollen und vorschlagen, durchführen könnten, würden wir uns allein an Leitungskosten jährlich 40 Millionen Schilling ersparen.

Zur Frage 6:

Auf Grund der verfassungsrechtlichen Vorgaben sind die Verhandlungspartner in Fragen der Gerichtsorganisation die Landesregierungen. Die Bürgermeister werden, wie erwähnt, beigezogen. Selbstverständlich werden Bundes- und Landesinteressen bei diesen Gesprächen berücksichtigt.

Zur Frage 7:

Natürlich werde ich dem Bundesrat über die abgeschlossenen Verhandlungsergebnisse berichten.

Zur Frage 8:

Zur Erstellung des Konzepts zur Neuordnung der österreichischen Gerichtsorganisation sind keine justizfremden Experten beigezogen worden. Das Konzept und sämtliche Unterlagen dazu sind im Bundesministerium für Justiz erstellt worden. Die Frage und die Antwort sind ein Kompliment an unsere Mitarbeiter im Hause, weil hier eine Management-Leistung im Hintergrund steht, die man gar nicht genug würdigen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zur Frage 9:

Das Justizressort steht in keinem Vertragsverhältnis mit der Firma McWeb. Mir ist der in der Frage genannte Walter Asperl nicht persönlich bekannt, und ich weiß daher auch nicht, ob er Mitglied einer Burschenschaft ist. Die ideologische Bewertung einer Burschenschaft fällt nicht in


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den Vollziehungsbereich des Justizministers. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Dr. Aspöck: Bravo!)

Zu den Fragen 10 und 11:

Unmittelbar nach den ersten Medienberichten habe ich bereits klargestellt, dass das Justizressort an die Firma McWeb keine Aufträge vergeben hat. Das Bundesministerium für Justiz hat gemeinsam mit der Bundesrechenzentrum GmbH die Informationstechnik-Anwendung "Integrierte Vollzugsverwaltung" entwickelt. Diese Anwendung steht seit Anfang des Jahres 2000 in Betrieb.

Die BRZ GmbH hat im Rahmen dieser Aufgabenstellung von der Personalleasingfirma "BEKO" Analytiker- und Programmiererleistungen zugekauft. Unter den von der Firma "BEKO" der BRZ GmbH zur Verfügung gestellten Arbeitskräften ist seit 1. März 1998 – Ära Michalek beziehungsweise rot-schwarze Koalition – der angesprochene Walter Asperl.

Die angesprochene Firma McWeb, eine Kommandit-Erwerbsgesellschaft, ist, wie aus dem von mir heute beigeschafften Firmenbuchauszug hervorgeht, mit Gesellschaftsvertrag vom 12. Jänner 2000 gegründet worden. Walter Asperl ist an dieser Firma mit einer geringen Vermögenseinlage als Kommanditist beteiligt. Ich betone nochmals, dass die Firma McWeb weder mit dem Justizressort noch mit der BRZ GmbH in einem Vertragsverhältnis steht.

Zur Frage 12:

Bedienstete der Firma McWeb haben keinen Zugang zu personenbezogenen Daten der integrierten Vollzugsverwaltung. Walter Asperl hat in seiner Eigenschaft als Leiharbeitskraft für Programmierer- und Analytikeraufgaben Sichtkontakt zu den Daten der integrierten Vollzugsverwaltung, kann diese Daten jedoch nicht verändern.

Sowohl die Firma "BEKO" als auch die von der Firma "BEKO" vermittelten Arbeitskräfte sind vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichtet. Ich muss nachdrücklich betonen, dass es nicht den geringsten Verdacht einer missbräuchlichen Verwendung von Daten aus der integrierten Vollzugsverwaltung gibt.

Zur Frage 13:

Es war nicht die Firma McWeb, sondern die Leiharbeitskraft Walter Asperl für das Projekt "integrierte Vollzugsverwaltung" tätig. Die Homepage der Firma McWeb war insofern missverständlich.

Zur Frage 14:

Ich halte es nicht für kritikwürdig, wenn die Bundesregierung reformbedürftige, überalterte Strukturen in mehreren Bereichen gleichzeitig zur Diskussion stellt. Ich ersuche um Verständnis, dass ich nur zu den Auswirkungen der im Justizressort vorgesehenen Reorganisationsmaßnahmen Stellung nehmen kann und will.

Was die gerichtsorganisatorischen Maßnahmen anlangt, muss ich neuerlich darauf hinweisen, dass ein österreichischer Bürger im Durchschnitt nur ein Mal in seinem Leben ein Gericht aufsuchen muss. Demgegenüber haben viele Schulkinder einen täglichen Schulweg von bis zu 30 Kilometern und mehr zurückzulegen. Die gerichtsorganisatorischen Maßnahmen bewirken daher mit Sicherheit keine Verschlechterung der Lebenssituation und der Wirtschaftssituation im ländlichen Raum.

Vielmehr wird die Bevölkerung von den vorgesehenen gerichtsorganisatorischen Maßnahmen profitieren. Bei größeren Gerichten können spezialisierte Richter eingesetzt werden, die in das jeweilige Fachgebiet besser eingearbeitet sind und deshalb auch die Verfahren schneller abwickeln können. Darüber hinaus wird an den aufzulassenden Gerichtsstandorten ein Rechtsberatungsservice eingerichtet werden, das die Bevölkerung kostenlos in Anspruch nehmen kann. Dieses Rechtsberatungsservice wird von Rechtsanwälten und Notaren in der Regel im Gemeindeamt angeboten werden und über bloße Rechtsauskünfte, die derzeit bei den Ge


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richten gegeben werden können, deutlich hinausgehen. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.48

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass nach der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Peter Marizzi das Wort. – Bitte.

16.49

Bundesrat Peter Marizzi (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Herren Bundesminister! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich danke Kollegen Gstöttner für seine ernste und inhaltliche Rede. Ich werde mich bemühen, nichts zu wiederholen, werde mich natürlich in Bezug auf Detailfragen, was Bezirke und Länder betrifft, mit dieser Problematik auseinander setzen.

Herr Bundesminister Böhmdorfer! Vor etwa 30 Minuten hat Herr Bürgermeister Müllner Werner aus Gloggnitz angerufen und gesagt: Ich bin jetzt vom Urlaub zurückgekommen und habe in der Zeitung über die Pressekonferenz des Herrn Staatssekretärs Finz gelesen, im Rahmen derer er gemeint hat, dass unter anderem das Bezirksgericht Gloggnitz und auch das Bezirksgericht Aspang geschlossen werden.

Wir behaupten auch nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass sich die Bundesregierung nichts überlegt und keine Strukturreformen und Verwaltungsreformen unternimmt. Aber was mich an der ganzen Problematik besonders stört, ist die Nicht-Dialogbereitschaft in dieser Sache. Sie, Herr Bundesminister, sagen, Sie haben Kontakt mit der Bevölkerung gehabt. – Das glaube ich zum Teil, aber Sie wissen ganz genau – Sie haben in Ihrem Ministerium etwa 10 000 Postkarten von Bürgern aus meinem Bezirk, die gegen die Schließung der Bezirksgerichte protestiert haben –, es sind noch keine Antworten da.

Herr Bundesminister! Sie sagen auch immer, dass die Bezirkgerichte mit dem Beispiel – das zitieren Sie immer – "Ochsenkarren" zu erreichen sind. Ich will das jetzt nicht wiederholen, aber Sie wissen ganz genau, dass Bezirksgerichte im ländlichen Raum auch Frequenzbringer für die Wirtschaft sind und damit auch eine gewisse Identifikation einer Stadt oder einer Region verbunden ist. Ich persönlich vermisse die Dialogbereitschaft. Es geht so nach dem Motto – ich sage es jetzt verkürzt und brutalisiert –: Das haben wir beschlossen, jetzt fahren wir drüber, und diese Bezirksgerichte haben einfach zugesperrt zu werden. – So ist das dann. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber Sie haben die Mehrheit, Sie können es tun. Sie müssen auch die Konsequenzen davon tragen. Noch etwas: Es sind natürlich auch die Rechtsanwälte besorgt, denn ein Rechtsanwalt – ich behaupte, in meinem Bezirk gehören von den zehn oder zwölf Rechtsanwälten einer oder zwei politisch meiner Partei an – macht sich Sorgen und sagt: Wir haben in Kanzleien investiert, haben drei bis vier Beschäftigte, haben noch eine Putzfrau dazu und so weiter und lagern jetzt aus. Wir müssen dann als Rechtsanwälte dorthin gehen, wo natürlich die Gerichte sind. – Er kann nicht seine Kanzlei auf den Buckel nehmen und nach Wiener Neustadt oder anderswo hinfahren – hoffentlich mit den Beschäftigten.

Ich weiß schon, jetzt werden Sie wieder sagen, das stimmt nicht, aber dann haben Sie mit denen nicht geredet, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Daher bringe ich zu den Bezirksgerichten laut § 43 der Geschäftsordnung des Bundesrates einen Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Peter Marizzi und GenossInnen gemäß § 43 GO-BR betreffend Neuverhandlung der Schließung von Gerichtsstandorten zu Gunsten des ländlichen Raumes


Bundesrat
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Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Bundesrat hat beschlossen:

Der Bundesminister für Justiz wird ersucht, nochmals mit den betroffenen Ländern und Gemeinden Verhandlungen aufzunehmen, um die Schließung von Gerichtsstandorten gemeinsam zu überdenken, damit die Bevölkerung im ländlichen Raum und die Entwicklung im ländlichen Raum insgesamt nicht unnotwendig geschädigt werden.

*****

Herr Bundesminister! Sie von der FPÖ wissen das ganz genau. Herr Abgeordneter Müller aus meinem Bezirk gehört bekanntlich nicht der SPÖ, sondern der FPÖ an. Er hat auch in Bezug auf diese Bezirksgerichte Anfragen an Sie gerichtet – nicht aus Populismus, denn dann müsste er sich gegen seine eigene Partei wenden, sondern aus der Sorge heraus, dass gewisse Standorte einfach kommentarlos geschlossen werden. Dahinter stehen vielleicht bei den Rechtsanwälten 30 bis 40 Personen. Aber wenn man das so macht, bitte, das ist Ihre Sache.

Ich habe gestern in der "Kronen Zeitung" im "Niederösterreich"-Teil gelesen – Sie alle werden es vielleicht nicht gelesen haben –, dass sich Herr Landtagsabgeordneter Sepp Prober von der ÖVP mokiert und sagt: Die Landflucht steigt dramatisch an, und die großen Gewinner sind die Ballungszentren, weil die Bezirke ausgehöhlt und ausgedünnt werden.

Wir wissen, dass ungefähr 56 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher in Städten und Gemeinden unter 10 000 Einwohnern leben. Das ist eine Diskussion, Sie werden sagen, ich habe das jetzt vor. Sie haben zwar gesagt, es wird noch geredet, es ist noch nicht alles abgeschlossen; Kollege Finz hat aber gemeint, es ist schon abgeschlossen. In meinem Bezirk werden zwei Bezirksgerichte und zwei Gendarmerieposten geschlossen. Damit bin ich bei den Gendarmerieposten, Herr Bundesminister Strasser!

Alles ist möglich. Wir haben in unserer Zeit gemeinsam mit Ihnen – schwarz-rot oder rot-schwarz – auch Gendarmerieposten geschlossen. Aber damals hat es einen Dialog gegeben. Diesen hat es jetzt nicht mehr gegeben. Wenn nämlich Bürgermeister Jeitler von Wimpassing meint, Wimpassing ... (Bundesrat Hensler: Sie wollten nicht mehr mitreden! Das ist auch ein Dialog!) – Auf diese Ebene lasse ich mich nicht ein! Ich versuche, jetzt nicht polemisch, sondern auf einer Dialogsebene zu agieren.

Der Bürgermeister von Wimpassing ist Ihnen wahrscheinlich egal, aber mir ist er nicht egal, denn seine Gemeinde liegt an der Bundesstraße 17, und der Gendarmerieposten auf der Bundesstraße 17 soll gesperrt werden. Da gibt es viele Betriebe, aber der Gendarmerieposten soll geschlossen werden. Bürgermeister Jeitler hat einen Brief an Sie, Herr Bundesminister Strasser, geschrieben. Er hat einen Brief an alle anderen geschrieben und gemeint, er werde als Bürgermeister der Gemeinde versuchen, diesen Gendarmerieposten zu halten, indem er die Kosten übernimmt und das Gebäude die Gemeinde bezahlt.

Herr Bezirkshauptmann Hallbauer – da gehe ich jetzt auf den ersten Punkt ein, als Sie gesagt haben, wir sparen in der Verwaltung – ist auch kein Roter, er ist ein Schwarzer, das ist auch keine Schande. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Er sagt Folgendes: 130 systemisierte Beamte habe ich, in Wirklichkeit habe ich derzeit tatsächlich 104 zur Verfügung. – Das heißt, irgendwo stimmt etwas nicht. Ich lasse jetzt einiges weg, möchte Ihnen aber eines sagen: Ich habe mit jungen und älteren Gendarmen vor etwa zwei bis drei Wochen eine Diskussion bei mir im Bezirk geführt. Sie haben gesagt: Auf einmal muss man bei uns sparen; wir haben bis zu 5 000 S Einkommensverluste, weil die Überstunden reduziert werden; wir müssen vermehrt auf der Straße sein. (Bundesrat Hensler: Wo ist die Sicherheit? – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Moment! Ich bin noch nicht fertig!


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Letztendlich können wir nicht mehr auf der Straße sein, weil wir zu wenige Beamte haben und keine Überstunden machen dürfen. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. )  – Dann hat dieser Beamte gesagt: Bei uns spart man, und auf der anderen Seite schickt man Manager wie Herrn Feitl von der Tyrolean Airways mit 58 Millionen, Herrn Bammer, Herrn Rehulka mit 30 Millionen und Herrn Draxler mit 30 bis 40 Millionen Schilling Abfertigung in Pension. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Aspöck: Aus welcher Zeit haben die Herren solche Verträge!) – Nein, nein!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Herren von der Bundesregierung! Einen Konsens werden wir wahrscheinlich nicht erreichen, weil wir eine andere Haltung haben als Sie. Sie schließen die Bezirksgerichte, und Sie schließen die Gendarmerieposten – ungerechterweise, so behaupte ich. Das letzte Schmankerl hebe ich mir bis zum Schluss auf.

Herr Bundesminister! Der Gendarmerieposten Schwarzau im Gebirge soll geschlossen werden. Bedenken Sie, wie es geographisch liegt – als ehemaliger niederösterreichischer Landesparteisekretär kennen Sie das! Es kommt zuerst Reichenau – da sitzt der Bürgermeister –, dann ist Hirschwang, dann kommt 25 Kilometer Höllental, dann kommt der Gendamerieposten Scharzau im Gebirge und dann ist wieder 25 Kilometer lang kein Gendarmerieposten. Das heißt, auf 50 Kilometer gibt es keinen Gendarmerieposten. Im Sommer gibt es viele Biker. (Zwischenruf des Bundesrates Ledolter. ) – Sie können sich über all das lustig machen, all das ist egal.

Im Sommer gibt es viele Biker, im Winter Schifahrer und etliche Touristen, und da gibt es keinen Gendarmerieposten mehr. Selbst über diesen Gendarmerieposten Schwarzau im Gebirge ist man nicht dialogbereit.

Ich kehre jetzt zurück zum Anfang. Diese Dialogverweigerung ist der eigentliche Grund, warum wir diese dringlichen Anfragen gestellt haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

16.58

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster ist der Herr Bundesminister für Justiz am Wort. – Bitte.

16.58

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Herr Bundesrat Marizzi! Sie haben Ihre Ausführungen mit den Worten geschlossen, der Grund für die Anfragen wäre die mangelnde Dialogbereitschaft. Bitte, fragen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mehrfach angeboten, unseren Lichtbildervortrag, in dem wir unsere Argumente gesammelt haben, auch dem Klub der SPÖ vorzuführen. (Bundesrat Konecny: Herr Minister! Dialog! Nicht Lichtbildvortrag! Das ist ja unvorstellbar! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie haben sich diese Argumente nie angehört. Das ist dieselbe Linie, die Ihr Klubobmann, bei dem ich seit eineinhalb Jahren ... – Darf ich ausreden? (Bundesrat Konecny: Herr Kollege Minister! Bei einem Dialog sprechen zwei, bei einem Lichtbildvortrag einer! Das ist der Unterschied! – Beifall bei der SPÖ.) – Ich möchte Sie, Herr Bundesrat, bitten, zuzuhören. Darf ich bitte aussprechen? (Bundesrat Konecny: Natürlich!)

Wir haben unsere Argumente in einem Lichtbildervortrag dargelegt, schon gegenüber mehreren Gremien, vor allem auch den Landesregierungen, und nachher selbstverständlich darüber ausführlich diskutiert. Wenn Sie uns unsere Argumente nicht einmal vortragen lassen, kann sich kein Dialog entwickeln. Zur Sicherheit – das ist Ihre Haltung – spricht man mit dem anderen nicht. Das ist die Haltung des Herrn Dr. Gusenbauer, das ist die Haltung des Herrn Professors Van der Bellen, der mir zum Beispiel einfach keinen Termin gibt, damit ich mit ihm ein Gespräch führe. Das ist Ihr Stil und nicht unserer, das möchte ich hier ausdrücklich sagen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Gasteiger : Das kann jeder behaupten!)

Ich sage Ihnen: In der Bevölkerung ist die Stimmung anders, als Sie sie hier darstellen! (Bundesrat Gasteiger: Das glaube ich weniger!) Eine wissenschaftlich untermauerte Umfrage ergibt, dass die Entfernung nur für 7 Prozent der Bevölkerung wichtig ist. Wichtig ist für die Bevölke


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rung die Qualität, und diese wollen wir anbieten. – Das nur in aller Kürze! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.00

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesminister Dr. Ernst Strasser das Wort. – Bitte.

17.00

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf die Frage des Dialogs eingehe, möchte ich doch zu den Dienstverträgen der Herren Feitl, Bammer und Rehulka kommen. Ich darf Sie freundlich einladen, zu überprüfen, wer politisch dafür verantwortlich war, dass es diese Dienstverträge gibt. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Gasteiger: Und wer hat sie hinausgeschmissen?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie weiters freundlich einladen, zu prüfen, ob es den heute Verantwortlichen möglich ist, einen Rechtsbruch zu begehen. (Bundesrat Marizzi: Schüssel und Klima!) Jetzt arbeiten wir hart daran, und es ist allen Beteiligten, dem Herrn Finanzminister, dem Herrn Staatssekretär für Finanzen, dem Wirtschaftsminister, dem Sozialminister und anderen zu danken, dass alles getan wird, damit solch eine Art der Vertragsgestaltung in Zukunft nicht mehr möglich ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Winter: Dafür gibt es jetzt Sekretärinnen um 200 000 S! – Bundesrat Konecny: ... Rechtsbruch vorgeworfen! Sie haben das Wort Rechtsbruch verwendet!)  – Oja, die Aufforderungen des Herrn Bundesrates Marizzi waren, dass man diese Dienstverträge nicht einhalten sollte. Das war seine Aufforderung! (Zwischenruf des Bundesrates Winter. )

Ich frage Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ ... (Bundesrat Konecny: ... erfolgreiche Manager weiterarbeiten lassen!) Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass sich die Organe der Republik an Verträge gebunden fühlen und Verträge auch erfüllt werden. (Bundesrat Freiberger: Sie haben sie vorzeitig aufgelöst!) Aber man muss zu Recht nachfragen: Wer hat diese Dienstverträge abgeschlossen? Wer trägt für diese Verträge die politische Verantwortung? (Schüssel-Rufe bei der SPÖ.)

Zweiter Punkt: Dialog. – Jawohl, ich suche den Dialog, und zwar mit allen im Parlament vertretenen Parteien. Seit Oktober des vorigen Jahres habe ich Ihren damaligen Klubobmann um ein Gespräch über wichtige sicherheitspolitische Anliegen, die aus meiner Sicht aus dem tagespolitischen Streit herausgehalten werden sollten, ersucht. Im Oktober hat mir Ihr damaliger Klubobmann im Nationalrat darauf geantwortet: Ich bitte Sie um Verständnis, Herr Minister, ich bin jetzt nicht bereit, mit Ihnen zu sprechen! – Ich habe das zu akzeptieren.

Ich habe auch Ihren Klubobmann, Ihren Parteivorsitzenden Gusenbauer – ich sage Ihnen das genaue Datum, wann das war – darüber informiert und ihm gesagt: Ich habe das zur Kenntnis zu nehmen, aber ich wäre an einem Gespräch über grundsätzliche Fragen der inneren Sicherheit über die Regierung hinaus interessiert und daran, das auch mit der Opposition zu besprechen. – Ich sage Ihnen ganz genau, an welchem Tag das war, es war bei der Geburtstagsfeier des Herrn Redakteur Stocker in den Redaktionsräumen der "Kleinen Zeitung". Es existiert ein Foto von dieser Feier, das auch veröffentlich worden ist. (Bundesrat Todt: Den Tag wissen wir noch immer nicht!) Dort habe ich den Herrn Parteivorsitzenden und Klubobmann der SPÖ darüber informiert, dass ich Interesse daran hätte, über diese Fragen grundsätzlich in einen Dialog mit allen im Parlament vertretenen Parteien einzutreten. – Bis heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt es keine Antwort darauf!

Ich habe drittens über andere Kanäle mit dem Klubobmann und Parteivorsitzenden Kontakt aufgenommen, weil ich glaube, dass es grundsätzliche Fragen der Sicherheit gibt, die es notwendig machen, unabhängig von der Zusammensetzung der Regierung oder der Opposition im staatspolitischen Interesse die gegenseitige Information und das Vertrauen zu suchen. – Bis heute kam keine Antwort. (Ruf bei der ÖVP: Interessant!)


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Ausdrücklich ausnehmen von dieser Einschätzung, die in der Klub- und Parteiführung der großen Oppositionspartei offensichtlich vorherrscht, möchte ich den Herrn Nationalratspräsidenten. Ich habe in einem für die Republik außerordentlich gefährlichen Moment den Herrn Präsidenten des Nationalrates um eine Koordination und um Mitwirkung gebeten. Und ich möchte mich, auch hier vor den Mitgliedern des Bundesrates, bedanken, dass das in einer Art und Weise passiert ist, wie es für die österreichische Republik und ihre Organe aus meiner Sicht vorbildhaft ist.

Die Einladung zu einem Dialog ist weiterhin aufrecht. Ich möchte mich auch bei der zweiten Oppositionspartei dafür bedanken, dass sie diese Einladung grundsätzlich angenommen hat. Ich bin so wie mein verehrter Ressortkollege sehr dafür, dass hier gute Gespräche geführt werden, und ich möchte diese Einladung zu einem Dialog auch hier noch einmal verdeutlichen.

Zu den Dingen im Konkreten. – Herr Bundesrat Marizzi! Sie haben zwei Punkte genannt. Zum Ersten, Wimpassing: Jawohl, der Bürgermeister von Wimpassing hat mir am 11. Juli einen Brief geschrieben, er hat am 16. Juli eine Zwischenerledigung bekommen. Bezüglich der Einschätzung der Qualität dieses Briefes ist zu sagen, dass es kein persönlicher Brief war, sondern ein so genannter offener Brief, den ich über die Medien erhalten habe. Ich habe nicht über die Medien geantwortet, Herr Bundesrat, aber ich lade herzlich dazu ein, ich kann mir die Form, wie ein Bürgermeister mit mir verkehren will, nicht aussuchen. Ich habe ihm eine Zwischenerledigung nicht über die Medien, sondern in einem persönlichen Schreiben gegeben, und ich stehe für den Dialog zur Verfügung. (Bundesrat Marizzi: Ich bin nicht der Vormund des Bürgermeisters! – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Zum Zweiten, zur Situation Schwarzau im Gebirge: Mit Herrn Senatsrat Hanreich, dem dortigen Bürgermeister, habe ich persönlich zweimal telefoniert. Vielleicht können Sie sich bei ihm persönlich erkundigen, er ist ein Mitglied Ihrer Partei, was überhaupt nichts zur Sache tut. Er selbst hat mir vorgeschlagen, dass der Rayon des Gemeindegebietes Schwarzau so aufgeteilt wird, dass es zum Gendarmerieposten Reichenau dazukommt. Wir werden seinen Wunsch selbstverständlich umsetzen.

So viel zur Frage des Dialoges – wenn man ihn wünscht! –, zu dem zwei Seiten gehören. Das sei zu Ihrem Beispiel erwähnt! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

17.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gebe bekannt, dass der von den Bundesräten Marizzi und Genossen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Neuverhandlung der Schließung von Gerichtsstandorten zu Gunsten des ländlichen Raumes genügend unterstützt ist und demnach mit in Verhandlung steht.

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Mag. Michael Strugl das Wort. – Bitte.

17.08

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesminister! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Vorausschicken möchte ich, dass ich der Meinung bin, dass dieses Thema wichtig ist. (Bundesrat Gasteiger: Darum haben wir es ja auch thematisiert!) Und es ist dies ein Anliegen, für das wir uns auch immer sehr eingesetzt haben, insbesondere viele Politiker in den Ländern und auch Politiker der ÖVP. (Bundesrätin Schicker: Innen!)

Was ich nicht ganz verstehe – nämlich dem Grunde nach; ich weiß schon, worum es Ihnen letztlich geht –, ist diese (Bundesrat Marizzi: Sagen Sie es!)  – wenn Sie mir das erlauben, dann komme ich dazu – 180-Grad-Kehrtwendung, die ich bei der SPÖ feststelle. Das macht auf mich den Eindruck ... (Bundesrat Marizzi: Dann sind wir wieder dort, wo wir waren!) Wie meinen Sie? (Bundesrätin Mag. Trunk  – mit der Hand einen Halbkreis in die Luft zeichnend –: 180 Grad, so, das ist ja eine Ebene!) Naja, aber es geht dann in die gegenteilige Richtung, so glaube ich, darin sind wir uns doch einig. (Bundesrat Ledolter: Es geht sehr nach unten!) Also für mich ist das nicht nachvollziehbar, für mich ist es eine im Wesentlichen durch die parteipolitische Brille gesehene Diskussion.


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Hinzufügen möchte ich: Es ist mir ein Anliegen, Bundesrat Gstöttner davon auszunehmen, weil ich ihn als Bürgermeister kenne und weiß, dass er sich nicht erst seit dem 4. Februar 2000 Gedanken über den ländlichen Raum macht. Aber der SPÖ als politische Gruppe und Ihrer Politik nehme ich das nicht ab, dass sie jetzt sozusagen den ländlichen Raum auf einmal so vehement entdeckt hat. (Bundesrätin Schicker: Weil wir die Bürger vertreten!) Das ist das, was mich stört! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich muss Sie schon fragen: Wo waren Sie in all den Jahren, in denen die SPÖ als Regierungspartei hauptverantwortlich war, als es um die Anliegen des ländlichen Raums gegangen ist? Wo sind Sie da gewesen? Wo sind Sie für die Interessen der kleinen Gemeinden aufgestanden? (Bundesrat Gasteiger: Unter Kreisky schon!)

Ich kann Ihnen Beispiele nennen. Ich denke etwa an die Mittel für den Nahverkehr, an die Nahverkehrsmilliarde. Wissen Sie, wo diese hauptsächlich hingegangen ist? – Sie wissen es: nach Wien in den Bau der U-Bahn! Das ist etwas, was wir immer kritisiert haben. Sie haben dazu geschwiegen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Beides ist wichtig! Das ist primitiv!) Da wäre eine Gelegenheit gewesen, zu sagen: Jawohl, es ist wichtig, das den kleinen Gemeinden zu geben.

Ich nenne Ihnen ein anderes Beispiel: der abgestufte Bevölkerungsschlüssel im Finanzausgleich. – Wir haben immer verlangt, dass das zu Gunsten der Kleingemeinden geändert wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Sie waren dagegen, Sie haben das blockiert! Und ich sage Ihnen auch, warum: weil es im Interesse vor allem des Bundeslandes und der Stadt Wien gelegen ist, das nicht zu verändern. Das jetzt in die Anfrage hineinzuschreiben und zu verlangen, ist doch ein Hohn!

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wer soll Ihnen das glauben? – Das muss ich Sie schon fragen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Sie! Weil Sie sich so ärgern!)

Ein anderes Beispiel: der Föderalismus, die Bundesstaatsreform. – Das hätten wir gerne gemacht, über Jahre! Herr Klubobmann Kostelka hat es im Parlament blockiert. Herr Bundeskanzler Klima hat es nicht gewollt, und herausgekommen wäre etwas, was bis auf die Knochen abgemagert gewesen wäre! Da hätten Sie sich für den Föderalismus, für die Regionen und den ländlichen Raum einsetzen können! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich werde Ihnen sagen, was man alles in den Ländern tut, um die Regionen und den ländlichen Raum zu unterstützen. Es wird sehr viel gemacht, es wird sehr viel investiert – so wie Sie in der Begründung der Anfrage richtig sagen. (Bundesrätin Schicker: Von welchen Ländern sprechen Sie! Das möchte ich jetzt ... wissen! Von Oberösterreich?)  – Ich kann von Oberösterreich reden (Bundesrätin Schicker: Sie haben gesagt: von den Ländern!), ich weiß es auch von den anderen Bundesländern wie Steiermark, wie Niederösterreich, und Sie können alle dafür nennen.

Ich sage Ihnen auch, was gemacht wird (Bundesrätin Schicker: Erzählen Sie etwas von der Steiermark!) : Kindergärten werden eingerichtet, Schulen werden gebaut (Bundesrätin Schicker: Von den Ländern?), Pflege- und Altenheime werden errichtet (Bundesrätin Schicker: Mit welchen Geldern, bitte?), Greißler werden gefördert, Güterwege werden asphaltiert (Bundesrätin Mag. Trunk: Es gibt keine Kindergartenmittel mehr!), Technologiezentren werden gebaut, Datenhighways werden eingerichtet. (Bundesrat Marizzi: Überall sperren die Greißler zu!)  – Nein, aber ich sage Ihnen etwas anderes. (Bundesrätin Schicker: Das ist ja ein Hohn!) Was meinen Sie? (Bundesrätin Schicker: Das ist ein Hohn!) Warum? (Bundesrätin Schicker: "Kindergärten werden gebaut, und und und!" Mit welchen Geldern?, frage ich Sie!) Mit wesentlichen Geldern auch der Länder, Frau Kollegin Schicker, das werden Sie wissen. (Bundesrätin Schicker: Nein! In der Steiermark nicht!)  – Selbstverständlich! (Bundesrätin Schicker: Sprechen Sie nicht von etwas, das Sie nicht verstehen! – Bundesrat Marizzi: Überall sperren die Greißler zu!)  – Ja! Das ist auch etwas, was wir zu verhindern versuchen. (Bundesrat Ledolter: ... macht ihr euch Sorgen!)


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Herr Kollege Marizzi! Ich sage Ihnen etwas anderes: Wir wollen verhindern, dass solche Dinge passieren. Wir wollen auch, dass die Infrastruktur in den kleinen Gemeinden erhalten bleibt. Wir wollen deshalb auch Kleinigkeiten wie zum Beispiel die Staubfreimachung von kleinen Straßen, von Güterwegen. (Bundesrätin Schicker: Das wollen wir auch! – Zwischenruf des Bundesrates Marizzi. )

Wissen Sie, was uns sozialistische Politiker gesagt haben, als wir das in den Ländern immer wieder gemacht haben? Wissen Sie, was sie uns gesagt haben? – Die ÖVP asphaltiert die Güterwege. Warum? – Damit die Bauern mit dem Mercedes in die Kirche fahren können. Sie haben das auch noch witzig gefunden! (Bundesrätin Schicker: So ist es!) Frau Kollegin Schicker sagt, das stimmt. (Ruf bei der SPÖ: So war es auch! Das stimmt ja auch! – Bundesrätin Mag. Trunk: So war es auch! Sie kennen sich auf dem Land nicht aus!)

Meine Damen und Herren! Sie können sich selbst ein Bild über die Glaubwürdigkeit einer Partei machen, die gleichzeitig sagt, das sei nicht wichtig. Sie schreiben in Ihrer Anfrage, die Straßen seien wichtig, die Infrastruktur sei wichtig. Dort, wo man etwas für das Kleinstraßennetz gemacht hat, hat man darüber gehöhnt, und jetzt sagen Sie mir auch nur, das stimmt. (Bundesrätin Schicker: Das sind ja zwei Paar Schuhe bitte, ob man einen Weg auf 1 000 Meter Höhe baut oder eine Hauptstraße! Lernen Sie Geschichte!)

Das Anliegen ist dasselbe, Frau Kollegin! Es ist letztlich egal, aus welchen Töpfen sozusagen die Mittel fließen. Wichtig ist das Anliegen an sich. (Anhaltende Zwischenrufe. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Ich sage Ihnen noch etwas. (Bundesrätin Kainz: Falkenstein Landesstraße!)  – Danke für dieses Stichwort, Frau Kollegin Kainz! (Bundesrätin Kainz: Aber die Frequenz dort kennen Sie schon?) Sie sind wahrscheinlich selbst auch schon ein paar Mal dort gefahren? (Bundesrätin Kainz: Ein Mal!) Gut! Ich bin schon ein paar Mal dort gefahren (Bundesrätin Kainz: ... nie ein Auto dort getroffen!) und sage Ihnen: Es ist einfach nicht wahr! Diese Straße, von der wir beide hier reden, ist, was die anderen Kollegen nicht wissen werden, eine Landesstraße im Mühlviertel. (Bundesrätin Kainz: Einsam, schön!) Diese Verbindung wurde ausgebaut, weil sie für die örtliche Bevölkerung wichtig war.

Die SPÖ hat immer behauptet, diese Straße sei nicht wichtig. Jetzt, auch in dieser Anfrage, sagt man, dass der ländliche Raum ausgedünnt wird. Politiker, die Sie zitieren ... (Bundesrätin Mag. Trunk: Aber die Straße ist nicht angeführt, explizit!) Diese Straße ist wichtig, Frau Kollegin Trunk! Das können Sie mir glauben, das ist wichtig. SPÖ-Politiker sind es gewesen, die gesagt haben, das brauchen wir nicht. Das werfe ich Ihnen vor! (Bundesrätin Mag. Trunk: Es geht um differenziertes Denken!) Was denn? (Bundesrätin Mag. Trunk: Sie reden von einer Straße in einem ... Ort und die ... Entscheidung dort ist die wichtigste oder ...! All die Straßen werden von Forstinger gebaut?!)  – Nein! Entschuldigung, Frau Kollegin Trunk! Das entspricht nicht ganz den Tatsachen, aber Sie kennen die Situation nicht. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist eine Landesstraße ...!) Es ist eine Landesstraße, die über eine weite Strecke im Mühlviertel geht und dazu dient, auch jenen Leuten, die in entlegenen Ortschaften wohnen, die Möglichkeit zu geben, dass sie ... (Bundesrat Marizzi: Warum heißt sie Landesstraße? Bundesstraße ist doch etwas anderes!)  – Das macht nichts, es geht doch um die Region, hätte ich geglaubt. Wenn Ihnen wichtig ist, welche Gebietskörperschaft es letztlich ist, die etwas für den ländlichen Raum tut, dann ist das Ihre Sache. Uns geht es darum, dass es etwas gemacht wird! (Bundesrat Marizzi: Das ist ja eine Anfrage an die Bundesregierung!) Ja, ich komme schon dazu.

Aber ich werfe Ihnen vor – das sage ich Ihnen noch einmal –, dass Sie hier mit zweierlei Maß messen, und das finde ich einfach nicht ehrlich. Ich kann Ihnen auch sagen, seit wann Sie das tun, nämlich seit dem Regierungswechsel. (Bundesrätin Schicker: Weil seit dem Regierungswechsel Stillstand ist!) Daher ist das, was Sie hier vorführen, für mich, ehrlich gesagt, Scheinheiligkeit, denn bis jetzt war Ihnen das egal! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Marizzi: ... einen Dialog führen! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)  – Wenn Sie glauben, dass das, was ich hier sage, eine – ich weiß nicht, was Sie jetzt genau gesagt haben – Unterstellung oder eine Frechheit ist, dann möchte ich Ihnen etwas vorlegen. (Bundesrat Gasteiger: Unter


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stellung! Uns Scheinheiligkeit zu unterstellen!)  – Gut. (Bundesrat Gasteiger: Als drittstärkste Partei!)

Ich lasse jemand anderen zu Wort kommen. Ein Journalist schreibt – er ist, bitte, kein Mitglied der ÖVP, das kann ich mit Fug und Recht behaupten – in einem Leitartikel in den "Oberösterreichischen Nachrichten" – ich zitiere –: Es ist eine durchsichtige Strategie, wenn die Sozialdemokraten jetzt im Kampf gegen die schwarz-blaue Bundesregierung den von ihnen über Jahrzehnte vernachlässigten ländlichen Raum zu retten vorgeben. – Das ist genau das, was ich meine! (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es!) Wenn Sie sich durch das Wort "Scheinheiligkeit" verletzt fühlen, dann bedaure ich das. Ich habe es nicht persönlich gemeint. (Bundesrat Gasteiger: Wir sind nicht so empfindlich!) Aber der Journalist schreibt ganz richtig und illustriert den Sachverhalt, um den es hier geht. (Bundesrätin Mag. Trunk: Eine ... Beleidigung kann nur ein ...! – Bundesrat Marizzi: Ich kann Ihnen ein paar Journalisten vorlesen, die schreiben etwas anderes!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage noch etwas dazu: Ja, wir bekennen uns dazu, dass Veränderungen notwendig sind, dass es bezüglich der Strukturen Maßnahmen gibt, dass es Veränderungen geben muss, weil sich auch manches in unserer Umwelt verändert hat. Es ist wichtig, dass es diesen Dialog, den Sie einfordern, gibt. Ich behaupte, dass dieser Dialog auch stattfindet.

Zum Beispiel wäre meiner Ansicht nach eine Aufwertung der Bezirkshauptmannschaften, wie man das jetzt diskutiert, eine gute Möglichkeit, um in den Regionen wichtige Funktionen zu bündeln – dort, wo es sinnvoll ist –, auch Nahversorgungsfunktionen zu kombinieren. Das sind Dinge, die sich diese Bundesregierung vorgenommen hat, und es sind alle eingeladen, dabei mitzumachen. Ich halte das für eine gute Idee und für eine wichtige Sache, abseits der parteipolitischen Diskussion.

Ich kann selbstverständlich akzeptieren, dass man so argumentiert, aber dann erlauben Sie mir, dass ich das aus meiner Sicht zumindest auch bewerte.

Sie erwähnen in Ihrer Anfrage die Nebenbahnen. Ehrlich gesagt, ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als die SPÖ das Geld aus dem Familienlastenausgleichfonds genommen und damit Löcher gestopft, schlecht gewirtschaftet hat. (Bundesrätin Mag. Trunk: Weil die Kinder mit dem Zug fahren können sollen!) Heute kommt man drauf, dass diese Dinge nicht rentabel sind, und das wird jetzt beklagt.

Das, was Generaldirektor Draxler gemacht hat, war auch nicht sehr kreativ, nämlich einfach herzugehen, die Hand aufzuhalten und zu sagen: Länder, wenn ihr wollt, dass der Zug fährt, dann müsst ihr zahlen! – Das ist vielleicht auch nicht unbedingt die kreativste Möglichkeit. (Zwischenruf des Bundesrates Marizzi. )

Oder Sie schreiben: Die Post hat jetzt vor, etliches zuzusperren. – Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Mir ist es auch ein Anliegen, dass diese Postdienstleistungen in den ländlichen Bereichen erhalten bleiben. In welcher Form das geschehen soll, wird sicher zu diskutieren sein. Allerdings wird auch Ihnen nicht unbekannt sein, dass es massive Schließungspläne vonseiten der Post im Jahre 1999 gegeben hat, und zwar vor der Nationalratswahl. Wir haben das damals recherchiert. Die SPÖ hat gnädig den Mantel des Schweigens darüber gebreitet, weil man das so kurz vor einer Nationalratswahl nicht brauchen konnte. (Bundesrat Marizzi: Wir sind absolut schlecht und das Allerletzte!) Wir haben das ganz genau gewusst und im Einvernehmen mit den Personalvertretern auch kritisiert – die sich übrigens gefürchtet haben, die nicht genannt werden wollten! (Bundesrat Marizzi: Ihr wart für alles Gute da und wir für alles Böse!)

Wie meinen Sie? (Bundesrat Marizzi: Die ÖVP war in dieser vierzehnjährigen Regierungszeit nur gut, und die SPÖ war nur böse und schlecht!)  – Entschuldigung, aber, Herr Bundesrat Marizzi, das habe ich überhaupt nicht gesagt. Nein! (Bundesrätin Mag. Trunk: Wohl! Kürzer! Die Rede kürzer!)


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Ich habe gesagt, dass diese Dinge schon 1999 diskutiert wurden (Bundesrat Marizzi: Darum seid ihr Drittstärkste!) , dass Sie damals in der Regierung waren und dass sich zum damaligen Zeitpunkt Personalvertreter, die das aufgezeigt haben, gefürchtet haben, damit in die Öffentlichkeit zu gehen. Ich habe mit ihnen geredet – ich weiß nicht, ob Sie das auch gemacht haben –, weil sie auch von parteipolitischer Seite Pressionen gefürchtet haben. (Bundesrätin Kainz: Im Land?)  – Es ist so. Ich kann nur das wiedergeben, was ich selbst dort erlebt habe.

Sie schreiben in die Dringliche, dass möglicherweise Kleinschulen geschlossen werden. (Bundesrätin Mag. Trunk: Nein! Die ersten sind schon geschlossen! Kärnten ist auch ein Land!)  – Aber, Frau Kollegin Trunk, das erfolgt nicht deswegen, so wie Sie in der Anfrage ausführen, weil wir zu wenige Lehrer haben, sondern aus einem anderen Grund: weil wir da und dort zu wenige Schüler haben. (Bundesrätin Schicker: Das Kindergeld wird das machen! Es werden viel mehr Kinder kommen!)

Ich weiß schon, dass das unser Anliegen ist. Es ist selbstverständlich, dass die örtliche Schule erhalten bleibt. Wir werden aber wahrscheinlich damit leben müssen, dass da und dort eine Situation eintritt, wo das einfach nicht mehr vertretbar ist. (Bundesrätin Mag. Trunk: Die Schulen zusperren!) Ich begrüße das nicht, aber so, wie Sie es begründen, ist es einfach nicht wahr. (Anhaltende Zwischenrufe.)

Ich habe den Eindruck, dass das, was Sie da hineingeschrieben haben, mit der Realität nicht mehr viel zu tun hat. Das ist eine Ansammlung von Argumentationen, die einfach an der Realität vorbeigeht, das muss ich Ihnen schon sagen. Als jemand, der auch einen Wahlkreis, und zwar einen ländlichen Wahlkreis, nämlich das Mühlviertel vertritt, darf ich Ihnen sagen, dass ich Ihnen authentisch berichten kann. Sie berichten aus Ihrer Region, ich berichte aus meiner, und dort stellt sich das eben anders dar. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Eine Bemerkung noch dazu: Sie schreiben in Ihrer Begründung: Wirtschaftsstandort – Qualität ist etwas Wichtiges. – Jawohl, das ist etwas Wichtiges, aber Sie sollten dazu sagen: Geordnete Finanzen sind auch wichtig für die Qualität eines Wirtschaftsstandortes, weil die Schulden von heute die Steuern von morgen sind.

Ich glaube, darin sind wir uns einig. Eine effiziente, gut strukturierte Verwaltung ist auch etwas Wichtiges. Und das ist es, worum es dieser Regierung geht. Das sollte man fairerweise auch zur Kenntnis nehmen.

Abschließend zu den Gendarmerieposten: Das muss ich einfach noch einmal vorlesen, weil man sich das auf der Zunge zergehen lassen muss. Sie schreiben im so genannten Speziellen Teil dieser dringlichen Anfrage:

"Die Sicherheit der Bevölkerung, die Bekämpfung der Kriminalität und eine effiziente Polizei und Gendarmerie sind der SPÖ ein besonderes Anliegen." – Gut.

"Die Pläne des Innenministers, 119 Gendarmerieposten in ganz Österreich zu schließen, werden erhebliche Auswirkungen auf den ländlichen Raum sowie auf die Sicherheitsstruktur in Ihrer Gemeinde haben und geben daher zur berechtigten Sorge Anlass."

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Für mich persönlich ist das Zynismus pur. (Bundesrätin Mag. Trunk: Echt?) Ich sage Ihnen auch, warum. Der ehemalige Bundesminister Löschnak war der Erste, der im großen Stil flächendeckend Gendarmerieposten zugesperrt hat. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das hat Ihnen der Marizzi schon fünf Mal erklärt, was der Qualitätsunterschied von einst und heute ist!)

Ja, ich möchte auch darauf eingehen, weil ich glaube, dass genau das Gegenteil von dem der Fall ist, was Sie behauptet haben. Allein in Oberösterreich hat Löschnak 66 Posten zugesperrt; das ist bekannt. (Bundesrat Marizzi: Gemeinsam mit der ÖVP!) Jetzt werden 15 Posten zusammengelegt, und ich sage Ihnen dazu: Das geschah im Dialog mit den Regionen, im Dialog mit dem Land und im Dialog mit den Personalvertretern. Da wurde geredet, da wurden


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auch einige Pläne, bei denen man vorhatte, Posten zusammenzulegen, zurückgenommen, und 15 Zusammenlegungen sind herausgekommen.

Wir haben auch immer gesagt, wir sind nicht generell dagegen, dass sinnvolle Zusammenlegungen stattfinden. Es gibt Beispiele in Oberösterreich, da sind die Posten 400 Meter nebeneinander, und da hat man gesagt: Gut, da ist es natürlich sinnvoll, wenn man diese zusammenlegt.

Sie schreiben jetzt in Ihrer dringlichen Anfrage: Wir machen uns Sorgen. – Ich sage Ihnen eines: Als man die 66 Posten zugesperrt hat, hat niemand von der SPÖ gesagt, er mache sich Sorgen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Warum?) Ich sage Ihnen noch etwas: Was Sie und Bundesrat Marizzi behaupten, nämlich dass es damals einen Dialog mit den Betroffenen gegeben hat, das ist nicht wahr. Ganz im Gegenteil! Den Dialog hat es jetzt gegeben; Löschnak ist damals drübergefahren. Das ist die Wahrheit! Und ich wehre mich dagegen, was Sie hier geschrieben haben. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Marizzi: Herr Kollege! Einen Satz: Kollege Kiss war damals im Innenausschuss! Mit ihm ist jeder einzelne Punkt abgehandelt worden, mit jedem einzelnen Bürgermeister! Ich war zufällig damals dabei! Sie können es nachschauen im Protokoll!)

Ich lebe auch schon länger in Oberösterreich. Dort war es aber nicht so, dass man mit den Betroffenen geredet hätte; das sage ich Ihnen schon dazu. (Bundesrat Marizzi: Wissen Sie, was wir damals in der schwarzen oder rot-schwarzen ...? Keine Postenschließungen mehr!)

Abschließend: Am Schluss Ihrer Anfragebegründung fordern Sie, dass auch die Gemeindefinanzen entsprechend abgesichert werden. – Ich wiederhole es noch einmal: Die Politiker der SPÖ waren es, die verhindert haben, dass mehr Geld für die kleinen Gemeinden fließt. Das können Sie schwer bestreiten, und wenn Sie es tun, dann gehen Sie einfach an der Realität vorbei. Wenn Sie heute in der Begründung verlangen, man müsse das im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen reparieren, dann ist das für mich nicht nachvollziehbar, denn Sie waren es, die das verhindert haben – wahrscheinlich unter dem Druck der Wiener SPÖ, die das einfach nicht zugelassen hat. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das sind auch Menschen in Wien!)

Jetzt sagen Sie: Finger weg von den Gemeinden! – Für mich wirkt das so, als ob Sie sich jetzt als Anwalt derjenigen aufspielen wollen, die Sie jahrelang in Wirklichkeit geplündert und unterdrückt haben. (Bundesrätin Schicker: Das ist eine Unterstellung!) Deswegen ist das für mich unglaubwürdig. (Bundesrat Marizzi: "Geplündert"! Herr Präsident!)

Das war so. Es war die Politik der SPÖ, dass den Ballungsräumen mehr Augenmerk geschenkt wurde. Und immer dann, wenn die ÖVP etwas für den ländlichen Raum tun wollte, ist von der SPÖ versucht worden, das zu verhindern. (Bundesrätin Mag. Trunk: Darum trifft es auch so sehr!) Das ist die Wahrheit! (Bundesrat Manfred Gruber: Ihre Wahrheit!) Daher ist das, was Sie hier machen, in Wirklichkeit etwas, was nicht sehr glaubwürdig ist. Das ist meine persönliche Erfahrung mit Ihrer Politik. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.

17.27

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Geschäftsordnung erteile ich Frau Bundesrätin Schicker das Wort. – Bitte.

17.27

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark) (zur Geschäftsbehandlung): Danke, Herr Präsident! Ich verwahre mich namens der sozialdemokratischen Fraktion gegen die Ausdrucksweise des Herrn Vorredners, wir hätten die Gemeinden "geplündert".

Ich bitte um Zurücknahme dieses Ausdrucks. (Beifall bei der SPÖ.)

17.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich möchte nachträglich Zweifel anmelden, ob das eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung war.


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 140

Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Auer das Wort. (Bundesrat Mag. Strugl : Darf ich das gleich machen?)

Wir gehen in der Reihenfolge der Rednerliste vor. (Bundesrat Mag. Strugl: Darf ich das gleich formlos machen? Wenn Sie das verletzt hat, dann nehme ich es zurück, aber in der Sache nehme ich nicht zurück, dass Sie die finanzielle Basis der kleinen Gemeinden ausgehöhlt haben! – Beifall bei der ÖVP.)

Am Wort ist jetzt Frau Bundesrätin Auer. – Bitte.

17.28

Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Als Entsandte der SPÖ Burgenland in den Bundesrat protestiere ich energisch gegen die vom Innenminister vorgelegte Liste – jawohl, energisch! – von burgenländischen Gendarmerieposten, die geschlossen werden sollen. Insgesamt sind elf Posten von der Schließung betroffen. Die SPÖ Burgenland ist nicht gegen die Zusammenlegung von Gendarmerieposten und Grenzüberwachungsposten innerhalb eines Ortes, jedoch gegen die Schließung anderer Posten. Insgesamt sind elf betroffen.

Sieben Schließungen sind weder mit dem Land akkordiert, noch können sie von der burgenländischen SPÖ akzeptiert werden. Die Schließung ist ein Vorgehen, mit dem der hohe Sicherheitsstandard des Burgenlandes aufs Spiel gesetzt wird. Die Bevölkerung ist bereits durch die sehr unprofessionell geführte Debatte der Bundesregierung in den letzten Wochen zutiefst verunsichert. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Sie, Herr Innenminister, haben vor der burgenländischen Landtagswahl versprochen, dass Sie es zu keiner Gendarmeriepostenschließung kommen lassen würden.

Wir haben erwartet, dass Sie zu Ihrem Wort stehen. Aber was zählen schon Versprechungen bei dieser Regierung? – Eigentlich hätte man auch erwartet, dass die Bundesregierung der exponierten Lage des Bundeslandes Burgenland an der EU-Außengrenze Rechnung tragen würde, denn die noch immer hohe Zahl von Aufgriffen Illegaler beweist, dass die sicherheitspolitische Lage großer Anstrengungen bedarf.

Die Ausdünnung des Postennetzes wird es noch schwerer machen, diese Situation (Zwischenruf)  – nein, im Zusammenhang mit der Gendarmerie – in den Griff zu bekommen. Dass es in der Folge zu keinen Personaleinsparungen kommen soll, das können wir auch nicht so recht glauben.

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Johanna Auer und GenossInnen gemäß § 43 Geschäftsordnung des Bundesrates betreffend den Bericht an den Bundesrat über die Personaldotationen im Falle der Zusammenlegung von Gendarmerieposten, eingebracht im Zuge der dringlichen Serienanfrage I und II

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Bundesrat hat beschlossen:

Der Bundesminister für Inneres wird im Falle, dass es doch zu Zusammenlegungen von Gendarmerieposten kommen wird, ersucht, dem Bundesrat über die Personaldotationen der zusammengelegten Gendarmerieposten zu berichten.

*****


Bundesrat
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(Bundesrat Bieringer: Frau Kollegin! Sie hätten aufpassen müssen, was der Herr Bundesminister gesagt hat! Er hat gesagt, er wird dem Bundesrat berichten! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)
Ich bringe aber trotzdem den Entschließungsantrag ein. Ich habe es gehört, aber ich verlasse mich nicht darauf; ich mache das lieber selbst.

Das Burgenland hat eine 400 Kilometer lange EU-Außengrenze, die es zu bewachen gilt. Das aktuelle Postenschließungsprogramm des Innenministers geht weit über eine Strukturbereinigung hinaus. Es kann auch nicht mit den Reformmaßnahmen früherer Innenminister aufgerechnet werden, denn früher ging es um Effizienzsteigerung, heute geht es um bloßes Sparen zu Lasten der Sicherheit und der Bevölkerung.

Einen kleinen Abstecher möchte ich trotzdem in Richtung ÖVP machen. Sogar der ÖVP-Sicherheitssprecher Paul Kiss sagte in einer APA-Aussendung, dass es unter der Ägide Strassers keine Schließung von Gendarmerieposten mehr geben werde. – Das wurde in die Hand versprochen. Übrig geblieben ist davon eigentlich nichts.

Die SPÖ Burgenland wird in Form von Unterschriften und Plakataktionen Widerstand gegen die geplanten Schließungen von Gendarmerieposten im Burgenland leisten. (Bundesrat Dr. Aspöck: Unter Beteiligung der Donnerstags-Randalierer? – Unruhe im Saal.) Wir wollen, dass Sie, Herr Innenminister, das Schließungskonzept überdenken und davon Abstand nehmen. Ihr Konzept wird der sensiblen Situation des Burgenlandes besonders an der EU-Außengrenze nicht gerecht. Sie wollen ganze Regionen direkt an der Grenze sicherheitspolitisch ausräumen. Die Behauptung, dass Sie, Herr Innenminister, Bürgermeister und Regionalpolitiker in die Entscheidungsfindung eingebunden hätten, weisen wir zurück. Die betroffenen Bürgermeister wurden nachweislich erst nach der Entscheidung davon in Kenntnis gesetzt. (Bundesrat Bieringer: Na geh!)

Die Burgenländer haben reagiert, und die Burgenländer verlassen sich auf die Handschlagqualität. Ich spreche für mein Land Burgenland. (Bundesrat Steinbichler: In Oberösterreich gibt es die Handschlagqualität!) Die Burgenländer merken sich das. Wenn der Minister gesagt hat, er verspricht das in die Hand, dann heißt das für mich Handschlagqualität.

Wir fordern Sie, Herr Innenminister, deshalb nochmals auf, das Postenschließungsprogramm genau zu überdenken und die an Sie herangetragenen Anliegen nicht einfach vom Tisch zu wischen, sondern zu Ihrer, zu unserer und zur Sicherheit unserer Bevölkerung neu zu überdenken. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Bezirksgerichten habe ich nicht sehr viel zu sagen. In meinem Bundesland wären fünf Bezirksgerichte geschlossen worden. Man sollte auch darauf Bedacht nehmen, dass sich im Burgenland die Gerichtssprengel und die Bezirksverwaltungsgrenzen decken. Das ist eine Struktur, die in vielen anderen Bundesländern noch nicht vorhanden ist. Daran sollte man auch denken. (Beifall bei der SPÖ.)

17.35

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der von der Rednerin eingebrachte und verlesene Entschließungsantrag betreffend den Bericht an den Bundesrat über die Personaldotationen im Falle der Zusammenlegung von Gendarmerieposten ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Haunschmid das Wort. – Bitte.

17.36

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Vizepräsident! Meine Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Damen und Herren der SPÖ reden von Ausdünnung und Gefährdung der öffentlichen Leistungen vor Ort. Ich meine, Sie reden sicher nicht von der jetzigen Regierung, sondern von der jahrzehntelangen Ausdünnung des ländlichen Raumes während einer SPÖ-Regierung. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)


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Sie schreiben im Speziellen Teil Ihrer dringlichen Anfrage, dass die Themen Sicherheit der Bevölkerung, Bekämpfung der Kriminalität allein Ihre persönlichen Anliegen wären. Sie können versichert sein, das sind auch die Anliegen dieser Regierung.

Ich frage Sie: Wer hat gegen sämtliche Entschließungsanträge in den letzten Jahren gestimmt, in denen Sicherheit und Bekämpfung der Kriminalität im Vordergrund gestanden sind? (Bundesrat Gasteiger: Wahrscheinlich die Freiheitlichen!) Höchststrafe bei Kindesmissbrauch mit tödlichem Ausgang: dagegen! Höchststrafe bei Drogenmissbrauch mit tödlichem Ausgang: dagegen! Abschiebung von kriminellen Ausländern: dagegen! – Das ist Ihre Art von Sicherheit für die Bevölkerung, Ihre Art von Kriminalitätsbekämpfung in diesem Land, meine Damen und Herren von der SPÖ! (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Das ist Ihre Parteipolitik! Das hat mit der Sache überhaupt nichts zu tun. Sie haben am 29. Juni in Wien ein Round-Table-Gespräch zum Thema Sicherheit unter der Leitung von Herrn Bürgermeister Dr. Michael Häupl durchgeführt. Ich glaube, es wäre viel wichtiger und es wäre wirklich daran zu denken – gerade von Ihnen –, ein Round-Table-Gespräch über den unsinnigen Einsatz zu führen, den unsere Polizei in Wien wegen der von Ihnen organisierten Demonstrationen leisten muss, die immer wieder von Ihnen angezettelt werden. (Bundesrat Gasteiger: Das ist eine Unterstellung! Eine Frechheit!)  – Jawohl! Diese werden von Ihnen unterstützt; diese werden voll und ganz von Ihnen unterstützt! (Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist ein demokratisches Recht! "Alle ins Gefängnis!") Das ist etwas, was wir eigentlich für wichtiger halten.

Denken Sie darüber nach, wie viel Zeit diese Polizeibeamten hätten, um für ihre wirkliche Tätigkeit da sein zu können, um für den Schutz der Bevölkerung da sein zu können! Das wäre, so glaube ich, bestimmt wichtiger.

Auch ich habe mich – das wissen Sie ganz genau – gegen die generelle Schließung von Gendarmerieposten ausgesprochen. (Bundesrätin Schicker: Richtig! Sie haben uns zugestimmt im Entschließungsantrag!) Auch ich habe – gerade für den Tourismus – dafür plädiert, mit Sensibilität bei den Postenzusammenlegungen vorzugehen. Dem ist auch stattgegeben worden.

Gerade wir Freiheitlichen waren und sind immer dafür, dass der Bürger so rasch und effizient wie möglich Hilfe und Aufklärung bekommen kann. Es wurde also wirklich Rücksicht darauf genommen. Herr Innenminister! Ich bedanke mich für Ihre letzten Aussendungen zu den Postenzusammenlegungen. Ich denke da an das Ergebnis, das in Oberösterreich erzielt werden konnte. In den Gemeinden mit viel Tourismus wurden keine Postenschließungen vorgenommen, diese wurden sogar teilweise wieder aufgehoben.

Meine Damen und Herren! Im Bezirk Kirchdorf – und jetzt passen Sie ganz genau auf, meine Damen und Herren von der SPÖ – wurde lediglich Wartberg an der Krems geschlossen, und das allein auf Vorschlag des Bezirkskommandanten von Kirchdorf, der ein sozialistischer Partei- und Gewerkschaftskollege von Ihnen ist! (Oh-Rufe bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP. – Bundesrat Gasteiger: Beweisen Sie es!)

Das ist wahr. (Bundesrat Gasteiger: Beweisen Sie es!) Es ist in Oberösterreich, genauso wie in allen anderen Bundesländern, vom Innenministerium die Weisung hinausgegangen, dass die Bezirkskommandanten und der Landesgendarmeriekommandant mit eingebunden werden müssen und dass diejenigen Vorschläge machen beziehungsweise teilweise ablehnen und dann begründen sollen. Genauso war es. (Bundesrat Gasteiger: Beweisen Sie es! – Bundesrätin Mag. Trunk: Strasser tut mir Leid! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich glaube, Sie vergessen sehr viel; ich weiß nicht, worauf das zurückzuführen ist. Es ist wahrscheinlich der Schock, dass Sie nicht mehr in der Regierung sitzen.

Zwischen 1990 und 1997, also unter SPÖ-Innenministern, wurden in Oberösterreich 61 Gendarmerieposten zusammengelegt. (Bundesrat Marizzi: Dann haben wir gesagt: Jetzt ist es aus!) Der damalige Landtagsabgeordnete Block, ein sozialistischer Abgeordneter, sagte am 7. Juli 1994 im Landtag im Rahmen einer Aktuellen Stunde über die Sicherheit in Oberösterreich wortwörtlich: Als sozialdemokratischer Landtagsklub erteilen wir aber klar und deutlich jenen


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679. Sitzung / Seite 143

eine Absage, die aus eigennützigen Gründen wie Prestigedenken, Bequemlichkeit oder tagespolitischer Opportunität für die Erhaltung von veralteten Strukturen eintreten, noch dazu unter bewusster Falschinformation der Öffentlichkeit. (Bundesrat Bieringer: Hört!)

Diese Falschinformation machen Sie Tag für Tag! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber: Das ist eine Unterstellung, Frau Kollegin! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist Ihre Politik für Sicherheit, der Kampf gegen Kriminalität. (Bundesrätin Mag. Trunk: Strasser tut mir Leid!) Das ist Ihre Politik für den "Erhalt" der Gendarmerie- und der Polizeiposten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrätin Mag. Trunk: Bei dieser Wortmeldung tut mir der Innenminister Leid!)

17.43

Vizepräsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Nächster Redner ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

17.43

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Haunschmid! Sie werfen hier Falschinformationen vor. Ich habe Sie jetzt schon mehrmals auch zu Sicherheitsfragen gehört und muss sagen, Sie dürften manchmal ein bisschen zum Opfer freiheitlicher Propaganda werden, und da stehen Sie mit Falschinformationen nicht nach. (Beifall bei der SPÖ.)

Im Übrigen hat die Rede in einem Punkt auch ein bisschen Licht in das Dunkel gebracht. Ich wusste nicht, dass die Regierung von einer generellen Schließung aller Gendarmerieposten ausgegangen ist und dass da eine Notwehraktion Ihrer Fraktion notwendig gewesen ist. So weit darf es wohl doch nicht gehen, dass eine generelle Schließung angesagt wird. (Bundesrätin Mag. Trunk: ... Peter Pilz gefordert!)

Kommen wir aber zum Thema. Ich entschuldige mich bei den beiden Ministern dafür, dass ich zu beiden Dringlichen rede – ich hoffe, Sie werden es Ihren Kollegen weitererzählen –, und zwar aus zeitökonomischen Gründen, damit ich mich nicht zweimal zu den Dringlichen zu Wort melden muss. – Ich glaube, das wird Herr Minister Strasser sicher machen, da bin ich mir ganz sicher.

Eines können Sie meiner Meinung nach nicht leugnen: Die Krise des ländlichen Raumes und insbesondere die Krise der Dörfer ist evident. Es ist sicherlich so, dass dieser Prozess in den letzten zehn Jahren eingesetzt hat. Aber das, was wir nun an Plänen auf dem Tisch haben, ist für den ländlichen Raum ein Aufschrei, weil das dort einfach ernster als bisher in dieser Diskussion genommen wird: die Schließung von über 700 Postämtern und über 100 Gendarmerieposten; das Greißlersterben im Land; die Ausdünnung des öffentlichen Verkehrs und der Nebenbahnen; die Krise der Landwirtschaft; die Stellung der Gemeinden und Städte nach dem Vertrag von Nizza; die Verwaltungsreform; die kleinen "Grafschaften", die auch keiner demokratischen Kontrolle unterliegen; der Ausbau der Bezirkshauptmannschaften – und all das an den Gemeinden vorbei.

Weitere Maßnahmen, die die Regierung plant: das Vereinsrecht, das einige Vereine in gröbere Probleme stürzt; die Abschaffung des begünstigten Zeitungstarifes, ein wichtiges Informationsmittel für kleine Vereine auf dem Land; eine Erhöhung des Posttarifes um 400 Prozent ab nächstem Jahr; die Zentralisierung – ich sage Zentralisierung, Herr Minister Böhmdorfer – in regionalen Gerichten oder in Finanzämtern; der Finanzausgleich zu Lasten der Gemeinden. Durch die Euro-Umstellung – ich komme aus einem kleinen Dorf, in dem es von alledem nichts mehr gibt, worüber wir heute hier reden – werden jene Banken verschwinden, die bisher noch als Wechselstuben überlebt haben. Ein Thema, für das die Regierung nichts kann, ist, dass es in einem Drittel der österreichischen Pfarren keinen Priester mehr gibt. Die ersten Schulen stehen vor der Schließung, und ich weiß, dass weitere folgen werden.

Meine Damen und Herren! Wenn das kein SOS für die Gemeinden ist, dann frage ich mich: Wo soll denn eine noch stärkere Krise herkommen, als sie sich derzeit zeigt?


Bundesrat
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Meine Damen und Herren von der ÖVP! Sie alle kennen diesen Mann (der Redner hält eine Zeitungsseite mit einer Fotografie in die Höhe), den hoch geschätzten Sprecher von 2 346 Gemeinden, den Gemeindebund-Chef Helmut Mödlhammer. Helmut Mödlhammer hat gestern ein Veto der Gemeinden angekündigt: ein Veto der Gemeinden zur derzeitigen Form der Verwaltungsreform, die völlig an den Gemeinden vorbei durchgezogen wird. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. ) Bitte? (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon schüttelt den Kopf. – Bundesrätin Schicker: Kein Unsriger, der Mödlhammer!)

Herr Mödlhammer sagt als Gemeindebund-Chef zu Recht, dass das One-Stop-Prinzip, das die Regierung beabsichtigt, nicht ohne Einbindung, Mitwirkung und Veränderung der Rechte der Gemeinden geht. Ich denke, dazu brauchen Sie auch eine Zweidrittelmehrheit im Parlament; und angesichts dieser Maßnahmen unter dem Stichwort "Reformen sind notwendig" scheint es mir mehr denn je geboten zu sein. Sie haben schon Recht: Wir haben, gerade was die Justiz betrifft, ein Erbe, das in der Grundstruktur 100 Jahre alt ist. Aber da müssen Sie auch in eine andere Form des Dialoges eintreten, sowohl hier im Haus als auch gegenüber den Gemeinden.

Die Regierung  (Bundesrat Bieringer: Was hat das mit Mödlhammer zu tun? Das müssen Sie mir sagen! Das begreife ich nicht!) Die Verwaltungsreform ... (Bundesrat Bieringer: Da ist der Gemeindebund dabei, auch Helmut Mödlhammer!) Ja, bitte, Herr Mödlhammer, Sie wissen es ja  (Bundesrat Bieringer: Den kenne ich sehr gut!) Sie haben das auch gelesen, so nehme ich an. (Bundesrat Bieringer: Ja!) Es ist ja die Zeitung in Ihrem Bundesland (Bundesrat Bieringer: "Der Salzburger", ja!), die Zeitung "Der Salzburger". Er sagt: Der Kahlschlag wird in den Regionen fortgesetzt, und Mödlhammer beschwert sich massiv, dass ... (Bundesrat Bieringer spricht mit dem zu seinem Sitz getretenen Bundesminister Dr. Strasser. )

Herr Klubobmann! Sie haben mir gerade eine Frage gestellt – entschuldigen Sie! (Beifall bei der SPÖ.)

Mödlhammer beschwert sich massiv, dass die Regierung in keiner Weise daran interessiert ist, was sich die Gemeinden zu dieser Verwaltungsreform denken. Die Kommunen werden in diesem Verfahren nicht gefragt. Jetzt sage ich Ihnen, warum: weil es ein Konkubinat gibt, ein Konkubinat Regierung – Landeshauptleute; dabei schauen die Gemeinden und die kleinen Städte einfach durch die Finger. Das ist doch die Tatsache, so geschieht es! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Reform des Innenministers – ist er noch da? – im Bereich der Wiener Polizei halte ich für sinnvoll. Allerdings kann man mit jenem Elan, mit dem das in Wien angegangen wird, nicht auch im ländlichen Raum an Gendarmerieposten-Schließungen herangehen. Wenn wir jetzt über 100 Gendarmerieposten schließen, dann dürfen wir nicht vergessen, wie viele Gendarmerieposten in den letzten zehn Jahren in Österreich schon geschlossen worden sind. Das geht nicht mehr – es gibt ein subjektives Bedürfnis nach Sicherheit!

Wenn ich mir die Zahlen anschaue, die das Innenministerium veröffentlicht hat – das sind die Zahlen über Anzeigen wegen Polizeiübergriffen und über Beschwerden von Bürgern –, so fällt auf, dass diese Zahlen bei der Gendarmerie marginal sind. Warum? – Weil die Gendarmerie im Dorf ist, weil sie bei den Bürgern und nicht in größeren, zentralen Einheiten ist. Dieses Verhältnis Bürger – Gendarmerie, wie es im ländlichen Raum besteht, zerstören Sie mit solch einer Zentralisierung massiv! (Bundesrat Freiberger: So schaut es aus!)

Meine Damen und Herren! Die Krise des ländlichen Raumes ist auch insofern ernst zu nehmen, weil sie letztlich dazu führt, dass, wenn der Greißler weg ist, wenn die Gendarmerie weg ist und wenn vor allem die Post aus den Dörfern weg ist, es zu einer weiteren Land-Stadt-Flucht kommt, zu einer Verödung des ländlichen Raumes. Das heißt, der Lebenswert sinkt, und – jetzt komme ich wieder zu meiner Vorrednerin – in dem doppelten Bereich einerseits der Landwirtschaft, andererseits der Touristik werden einfach Menschen, junge Menschen fehlen. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Herr Kollege Steinbichler! Ich habe schon gesagt, dass es Änderungen und Reformen geben wird. Aber es ist die Frage, ob man diese Reformen so übers Knie bricht, wie es derzeit gemacht wird. Ich muss noch einmal sagen – Herr Minister Böhmdorfer hat fehlende Gespräche


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erwähnt –, ich werde mich bemühen, dass es zu diesen Gesprächen kommen wird. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort, dass das kommen wird. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Hensler. )

Aber in dieser Art und in solch kurzer Zeit derart massive Veränderungen in allen Breichen durchzuführen, die ich Ihnen heute hier aufgezählt habe – von den Postämtern über die Greißler, die Gendarmerieposten, den öffentlichen Verkehr, die Verwaltungsreform, die Zeitungstarife und das Vereinsrecht bis hin zu den Gerichten und Finanzämtern, und jetzt auch noch durch die Budgetpolitik und den Finanzausgleich der Gemeinden und Städte –, das können die Gemeinden nicht verkraften, meine Damen und Herren! Damit stürzen Sie die Gemeinden in eine Krise, die Sie nicht verantworten können. (Beifall bei der SPÖ.)

17.52

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger. Ich erteile ihm das Wort.

17.52

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Ich glaube, dass sich alle Fraktionen in diesem Haus darüber einig sind, dass es zunehmend Schwierigkeiten vor allem in den dünn besiedelten ländlichen Räumen gibt. Darüber besteht Einigkeit, wie ich bisher konstatieren konnte (Bundesrat Gasteiger: Da geben Sie uns Recht!), nicht aber in der Frage der Ursachen: Warum ist es dazu gekommen? Wo liegen die Schwierigkeiten? Wie können diese behoben werden?

Ich möchte damit beginnen, dass heute von Seiten der Sozialdemokraten sehr deutlich gemacht worden ist, sie würden keine Dialogbereitschaft bei Herrn Bundesminister Ernst Strasser vorfinden. Ich möchte dazu Folgendes festhalten: Wenn Sie heute genau aufgepasst haben, dann haben Sie bemerkt, dass sich einer aus Ihren Reihen – Bundesrat Bürgermeister Herbert Thumpser – persönlich bei Herrn Bundesminister Ernst Strasser dafür bedankt hat, dass er in der Frage der Gendarmerieposten im Bezirk Lilienfeld – konkret für Traisens Gendarmerieposten – so lange mit ihm sprechen konnte. (Bundesrat Gasteiger: Ja, weil er der Nächste war ...! – Bundesrätin Schicker: ... bei der letzten Bundesratssitzung! – Bundesrat Konecny: Weil er einen Wirbel gemacht hat! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wenn Sie ehrlich sind, dann nehmen Sie das auch real zur Kenntnis und kritisieren nicht ständig etwas, was in der Realität nicht vorhanden ist.

Es ist heute schon etwas festgestellt worden, was mir in den letzten Monaten häufig durch den Kopf gegangen ist: Die SPÖ mutiert plötzlich zu einer anderen Meinung, was den ländlichen Raum betrifft. Sie fühlt sich auf einmal als die Hüterin des ländlichen Raumes. (Bundesrat Gasteiger: Sie war schon immer so!) Sie beschwört teilweise Katastrophenszenarien herauf, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sind. (Bundesrat Gasteiger: Sie war immer schon so, Herr Kollege!) In diesen Katastrophenszenarien werden Nebenbahnen eingestellt und Postämter geschlossen (Bundesrat Kraml: Ihr seid ja ausgestiegen!) , darin findet eine völlige Entleerung der Dörfer und Gemeinden statt. (Bundesrätin Schicker: Ist ja so! Ist die Situation!) Manchmal habe ich den Eindruck, Sie beten das förmlich herbei und sind dann enttäuscht, wenn es nicht so kommt, wie Sie es sich wünschen. (Bundesrätin Schicker: Herr Kollege! Haben Sie auch eine Abwanderung von 10 Prozent und mehr in Ihrem Bezirk? Wir haben sie! Wir wissen, warum wir sie haben!)

Ich habe schon betont, dass ich aus dem Bezirk Lilienfeld komme, einem der – mit 29 Einwohnern – am dünnsten besiedelten Bezirke des Landes Niederösterreich, und daher genau weiß, wovon ich rede. (Bundesrätin Schicker: Ja, aber die Abwanderung? Es kommt auf die Abwanderung an!) Wie gesagt: Bei den Ursachen sehen Sie etwas völlig anderes, Sie bringen es ganz einfach auf einen parteipolitischen Nenner. Sie sagen: Seit es eine ÖVP-FPÖ-Regierung gibt, haben wir ein Problem im ländlichen Raum. – Das ist, sehr vereinfacht dargestellt, Ihre Erklärung. (Bundesrat Freiberger: Und ihr sperrt zu!)


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 146

Ich frage Sie, gerade was das Land Niederösterreich betrifft: Wo hat Ihr Herz für den ländlichen Raum am 1. 1. 1997 geschlagen, als Sie, die SPÖ Niederösterreich, die Initiative ergriffen haben, die niederösterreichische Landesumlage abzuschaffen? – Genau jene niederösterreichische Landesumlage hat den kleinsten Gemeinden am meisten geholfen! (Bundesrätin Schicker: Nicht nur in Niederösterreich!) Wenn es noch eines weiteren Beweises dafür bedarf, wie doppelzüngig die Argumentation ist und wie doppelzüngig Sie sich verhalten, dann weiß ich es nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Keine Gemeinde ... mehr Geld! Das sollten Sie wissen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie können es rückgängig machen. Sie sind noch nicht sehr lang in diesem Haus, aber wenn Sie sagen, Sie können es rückgängig machen, wissen Sie wahrscheinlich nicht, dass die ÖVP Niederösterreich stets darauf beharrt hat, zur Stärkung der kleinen Gemeinden die Landesumlage aufrechtzuerhalten. Sie haben eine Möglichkeit genutzt, mit den Freiheitlichen dagegen zu marschieren. Sich heute hierher zu stellen und konkret festzuhalten, dass es die ÖVP ist, die diese Dinge verhindert, ist wirklich eine besondere Farce dieses heutigen Tages. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich frage Sie auch: Wo hat Ihr Herz für die ländlichen Gemeinden vor etwa zehn, elf Jahren geschlagen, als im Bezirk Lilienfeld unter einem Innenminister Löschnak vier Gendarmerieposten geschlossen wurden? – Vier Gendarmerieposten sind damals in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gestrichen worden. Wo hat es damals diesen Aufschrei gegeben? Wo hat es damals eine Frage in Richtung Dialogbereitschaft gegeben? – Damals war – ich kann mich noch sehr gut daran erinnern – der SPÖ-Abgeordnete, der Vorgänger des Kollegen Thumpser, sehr still. Er war sehr leise, und er hat es in Wirklichkeit ohne Argumente akzeptiert. Daher meine ich auch in dieser Hinsicht, dass es für die sozialdemokratische Fraktion sehr viel wichtiger wäre, in sich zu gehen, ehe man hier mit dem Austeilen anfängt.

Konkret möchte ich für den Bezirk, für den ich sprechen darf, nochmals festhalten, dass Bundesminister Ernst Strasser, nachdem die Argumente gehört und ausgetauscht worden sind, keinen einzigen Gendarmerieposten gesperrt hat. Jetzt werden Sie vielleicht sagen: aber zusammengelegt! – Er hat auch keinen mit einem anderen zusammengelegt. Dafür möchte auch ich mich herzlich bedanken, Herr Bundesminister! Aber es waren Argumente, die da die entsprechende Rolle zu spielen hatten.

Was mir noch aufgefallen ist: Sie gehen in Ihrer dringlichen Anfrage einige Male auch auf das Land Niederösterreich ein und haben zum Beispiel sehr theatralisch dargestellt, dass unser Herr Landeshauptmann Erwin Pröll "scharf mit seinem Parteifreund Innenminister Ernst Strasser ins Gericht" gegangen wäre. Er hätte gesagt, "‚ich dulde es nicht länger, dass Niederösterreichs Sicherheit von Wien aus kommandiert wird‘, so kommentierte Pröll die geplanten Maßnahmen."

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ! Auch da möchte ich Sie bitten, dass Sie Sätze nicht aus dem Zusammenhang reißen, sondern den Zusammenhang dieser Aussage unseres Herrn Landeshauptmannes herstellen. Das darf ich jetzt an dieser Stelle machen. (Präsident Schöls übernimmt den Vorsitz.)

Er hat diesen Satz gesagt, aber Sie hätten auch den Zusammenhang erwähnen sollen, der sich folgendermaßen darstellt: Für die Neuorganisation der Sicherheit im größten Bundesland sind drei Dinge wichtig: die erwähnte Verlegung der niederösterreichischen Sicherheitsdirektion, das Landeskommando der Gendarmerie müsse nach Niederösterreich, und weiters müssten dort, wo es vereinzelt zu Postenzusammenlegungen kommt, Notrufsäulen errichtet werden.

Bei der gesamten Frage, wo es Verbesserungen, Veränderungen im Sicherheitsbereich geben würde, die dann auch zu Zusammenlegungen führen können, ist bemerkenswert, dass diese Vorschläge durchwegs von SPÖ-nahen Beamten gekommen sind. Auch das, so glaube ich, sollten Sie fairerweise zur Kenntnis nehmen, ehe Sie hier einseitige Schuldzuweisungen zu machen versuchen.


Bundesrat
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Ich komme zum Schluss. Nicht das, was wir hier sagen oder was uns in dringlichen Anfragen vorliegt, ist entscheidend, sondern das Handeln vor Ort ist entscheidend, ob ein Einsatz für den ländlichen Raum glaubhaft ist oder nicht. Die SPÖ könnte deutliche Zeichen dahin gehend setzen, dass sie es mit dieser dringlichen Anfrage ernst meint, indem sie durch Handzeichen bekundet, dass sie etwas verändern möchte. Sie könnte es dadurch tun, dass sie die von ihr initiierte Abschaffung der Landesumlage in Niederösterreich rückgängig macht. Das wäre ein erster wesentlicher Schritt. – Machen Sie diese rückgängig, damit würden Sie die kleinen Gemeinden stärken!

Sie könnte es tun, indem sie aktiv an der Verwaltungsreform mitwirkt und nicht von vornherein alle Vorschläge ablehnt. Sie könnte es tun, indem sie die Bezirkshauptmannschaften als zentrale Anlaufstelle, als Bürgerservicestelle stärken hilft, im Gegensatz zu dem, was ich verschiedensten Medienberichten bisher entnommen habe. Auch Kollege Schennach von den Grünen hat dies heute angesprochen, indem er meinte, das seien so geheime Grafschaften, die nicht zu stärken seien, da sollten die Gemeinden entsprechende Maßnahmen durchführen.

Ich frage Sie als Praktiker draußen vor Ort: Würden Sie sich als Gemeindevertreter zutrauen, Wasserrechtsverhandlungen, Verkehrsrechtsverhandlungen, all jene Dinge, die heute Bezirkshauptmannschaften machen, in den Gemeinden durchzuführen? – Ich bin überzeugt davon, dass das nicht im Sinn der Interessen der Bürgerinnen und Bürger des Landes ist.

Letztlich könnten Sie auch morgen durch ein Handzeichen bekunden, dass es Ihnen um die Familien im ländlichen Raum ernst ist. Das könnten Sie morgen bei dem auf der Tagesordnung stehenden Punkt Kinderbetreuungsgeld sehr deutlich bekunden, womit entscheidende finanzielle Verbesserungen für Familien im ländlichen Raum erreicht werden. Tun Sie es, und reden Sie nicht nur davon! – Das wäre abschließend mein dringendes Ersuchen an Sie. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.04

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Todt. Ich erteile es ihm.

18.04

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Debatte, die wir heute über den ländlichen Raum führen, hat eine Ursache, und zwar ist der Grund für die Schließung von Gerichten, Gendarmerieposten und und und einzig und allein die Erreichung des so genannten Nulldefizits.

Die jetzige Bundesregierung ist nämlich gerade dabei, einen wesentlichen Teil der Lebensqualität der österreichischen Bevölkerung zu zerstören. Sie errichtet gerade – ich verwende dieses Bild, weil wir heute schon bei christlichen Aussagen waren – einen neuen Altar. Dieser neue Altar ist das so genannte Nulldefizit. Es wird von den Fraktionen der ÖVP und FPÖ angebetet. Sie wollen, dass auch große Teile der Bevölkerung an diesem Altar des Nulldefizites beten oder Fürbitten sprechen, nämlich dahin gehend, dass Polizeiwachzimmer, Gendarmerieposten, Bezirksgerichte, Postdienststellen, Nebenbahnen, Autobuslinien bleiben sollen. Darum geht es in diesem Fall. Es geht schlicht und einfach darum, dass auf diesem Altar des Nulldefizits die Lebensqualität der Bevölkerung geopfert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Als Wiener Vertreter im Bundesrat bin ich mit allen Bundesländervertretern solidarisch, die sich gegen die Zerschlagung der Infrastruktur wenden. Jede Schließung von infrastrukturellen Einrichtungen bedeutet für die Menschen einen Verlust von Lebensqualität. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Wenn das der Landeshauptmann hört, was du da sagst!) Ein Investitionsstopp von Seiten der öffentlichen Hand führt zwangsläufig auch zu einem privaten Investitionsstopp, wie bereits von Vertretern meiner Fraktion ausgeführt wurde. Alle Maßnahmen, die von der derzeitigen Bundesregierung geplant sind, sind ein Generalangriff auf die Lebens- und Arbeitssituation der Menschen. Die Zerstörung der Infrastruktur bedeutet einen Abbau der Standortqualität der Wirtschaft in allen Bereichen. All das geschieht, um den Götzen Nulldefizit erreichen zu können, zu dem Sie, meine Damen und Herren von Seiten der FPÖ und der ÖVP, alle beten.


Bundesrat
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Nun zur Wiener Situation. – Unter dem Slogan "Näher zum Bürger, weniger Bürokratie, Sicherheit für Wien" hat der Herr Innenminister am 18. Mai 2001 der Öffentlichkeit Maßnahmen für Strukturänderungen im Bereich der Wiener Polizei angekündigt. Arbeitsgruppen sollen bis Herbst Änderungsvorschläge für die Präsidiale, Kommissariate, Kriminalpolizei erarbeiten. Als Fixpunkte nannte der Minister, dass die Wachzimmerstruktur unverändert bleiben soll, dass es mehr Leute, 100 Beamte mehr, im Außendienst geben soll, die Hochspezialisierung im Kriminalbereich zum Tragen kommen und die Verwaltung durchforstet werden sollen. Im Bereich der Kommissariate sollen annähernd gleich große Strukturen geschaffen werden. Auch die Schaffung eines Bundeskriminalamtes wurde erwähnt. (Bundesminister Dr. Strasser: Das stimmt nicht! Mindestens 100!)  – Das stimmt so. (Bundesminister Dr. Strasser: Mindestens 100!) Gut, Sie haben es bestätigt.

Ich möchte ganz klar auch sagen, was Wien auf alle Fälle will. Für die Stadt Wien hat oberste Priorität, dass bei allen Veränderungsmaßnahmen erstens die Sicherheit der Wiener Bevölkerung und zweitens das Service für die Bürgerinnen und Bürger nicht leiden dürfen. Es muss Rücksicht auf die berechtigten Interessen der Beschäftigten genommen werden, und Wien muss weiterhin eine der sichersten Großstädte der Welt bleiben.

Die bisherigen Entwicklungen bei der Wiener Polizei lassen allerdings große Zweifel aufkommen, ob die Versprechen des Innenministers eingelöst werden, denn der Personalabbau bei der Wiener Polizei ist im Prinzip Besorgnis erregend. Es fehlen in Wien 500 Sicherheitskräfte. Schon jetzt fehlen in Wien zwischen dem Soll- und dem tatsächlichen Ist-Stand etwa 500 Sicherheitskräfte, weil sie entweder zu anderen Aufgaben abkommandiert oder karenziert sind. (Bundesminister Dr. Strasser: Aber von meinen Vorgängern her!)  Aber Ihr Vorgänger hat Polizeischüler aufgenommen, was Sie nicht tun, Herr Innenminister! (Bundesminister Dr. Strasser: Das ist nicht richtig!)  Sie haben keine Polizeischüler aufgenommen. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Sie sagen die Unwahrheit da draußen! Das gibt es ja nicht!) Gut, der Herr Innenminister wird es dann richtig stellen oder auch nicht, wie er eben will.

Schon im Vorjahr fehlten beispielsweise – ich möchte jetzt ganz gerne weiterreden – im 1. Bezirk mehr als 90 Sicherheitswachebeamte, fast 60 im 22. Bezirk, rund 50 im 10. Bezirk und zwischen 30 und 40 in anderen Bezirken. Bei der Alarmabteilung fehlten schon im Vorjahr fast 70 Einsatzkräfte.

Im Bereich der Wiener Sicherheitswache wurde und wird das Personal in den Jahren 2000 bis 2002 gegenüber 1999 um insgesamt 300 Kräfte verringert. Im Bereich des Wiener Kriminaldienstes droht bis 2002 ein Verlust von knapp 10 Prozent des Personals oder von rund 100 Einsatzkräften. Ein zusätzlicher Aderlass erfolgt durch das Abziehen von Kräften in den Bereichen Wirtschaftspolizei, Erkennungsdienst, Kriminaltechnikfahndung, Observation und in ein umstrittenes neues Bundeskriminalamt. Auch im Bereich der Sicherheitsverwaltung sollen in den Jahren 2000 bis 2003 rund 10 Prozent des Personals eingespart werden.

Zum Letzten: totaler Überstundenabbau. Die Personalkürzungen werden in ihrer Wirkung durch einen radikalen Überstundenabbau noch erheblich verstärkt: 2002 minus 20 Prozent, 2003 minus 30 Prozent, ab 2004 überhaupt keine Überstunden mehr. Überdies werden die Einsatzzeiten der Polizeikräfte verringert.

Der Wiener Bürgermeister und Landeshauptmann hat gemeinsam mit allen im Landtag vertretenen Fraktionen und mit den Wiener Bezirksvorsteherinnen und Bezirksvorstehern einen "Runden Tisch" durchgeführt. Bei diesem "Runden Tisch" hat der Herr Bürgermeister gegenüber dem Herrn Bundesminister die berechtigte Sorge der Wienerinnen und Wiener, der Wiener Bezirksvorsteherinnen und Bezirksvorsteher, der Personalvertretung und der Wiener Bezirksvertretungen zum Ausdruck gebracht und den Herrn Innenminister ersucht, für die Aufrechterhaltung der Sicherheit Wiens entsprechend Sorge zu tragen.

Ich habe berechtigte Sorge, dass auf Grund dieser vom Innenminister geplanten Personalreduktionsmaßnahmen diese Sicherheit nicht aufrechterhalten werden kann. Im Sinne des von


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 149

Bürgermeister Häupl initiierten "Runden Tisches" und des Ersuchens an den Herrn Innenminister bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Reinhard Todt, Harald Reisenberger und GenossInnen gemäß § 43 GO-BR betreffend das Wiener Forderungspaket zur Sicherheit in Wien; eingebracht im Zuge der dringlichen Serienanfrage I und II

Hinsichtlich der Begründung wird auf die umfangreiche Begründung der dringlichen Serienanfrage hingewiesen.

Die unterzeichneten Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Bundesrat hat beschlossen:

Der Bundesminister für Inneres wird ersucht, im Interesse der Sicherheit der Wiener Bevölkerung die von Bürgermeister Dr. Michael Häupl im Einvernehmen mit den Bezirksvertretungen und allen Gemeinderatsklubs an Sie herangetragenen Forderungen,

keine Strukturveränderungen bei der Polizei zu Lasten der Sicherheit der Bevölkerung des Bürgerservices vorzunehmen,

keine Reduktion der Anzahl der Wachzimmer zuzulassen,

keine weitere Personalreduktion bei der Sicherheitswache und bei den Kriminaldiensten zu dulden,

den Personalaufnahmestopp bei der Wiener Polizei unverzüglich aufzuheben und als ersten Schritt zumindest 100 Polizeischüler aufzunehmen,

angesichts des sich bereits abzeichnenden Abganges einer großen Anzahl von Wiener Kriminalbeamten zum Bundeskriminalamt sofort einen Kriminalbeamtenkurs einzuberufen, um den Stand der Wiener Kriminalbeamten aufzufüllen,

möglichst umfassend zu berücksichtigen beziehungsweise umzusetzen.

*****

(Beifall bei der SPÖ.)

18.14

Präsident Alfred Schöls: Der von den Bundesräten Todt und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend das Wiener Forderungspaket zur Sicherheit in Wien ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile es ihm.

18.14

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren Bundesminister! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! In meinem Redebeitrag kann ich mich sehr kurz fassen, haben doch die beiden Herren Bundesminister das Nötige gesagt.


Bundesrat
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Ich beziehe mich im Folgenden allein auf jene dringliche Anfrage, die sich an den Bundesminister für Justiz richtet. Nach meiner Überzeugung stößt gerade diese dringliche Anfrage weitestgehend völlig ins Leere. Im daran anknüpfenden Entschließungsantrag wird der Bundesminister für Justiz ersucht, mit den betroffenen Ländern und Gemeinden Verhandlungen aufzunehmen, um die Schließung von Gerichtsstandorten gemeinsam zu überdenken.

Dieser Aufforderung hätte es nicht bedurft. Sie hätte sich ja schon deshalb erübrigt, weil der Bundesminister für Justiz von sich aus Bezirksgerichte gar nicht auflassen beziehungsweise, besser gesagt, gar nicht zusammenlegen kann. Hiezu bedarf er – wie Sie alle wissen oder zumindest wissen sollten – nach geltendem Verfassungsrecht der Zustimmung der jeweiligen Landesregierungen; und er führt ja längst diesen Dialog, wie er Ihnen ausführlich dargelegt hat.

Sie sprechen in der dringlichen Anfrage erneut von bloß 64 Eingangsgerichten, die der Bundesminister schaffen will. – Ja, das war in seiner ursprünglichen betriebsorganisatorischen und raumordnungsmäßigen Planung seine Maximalvorstellung. Sie wissen aber genau, dass der Bundesminister im Zuge seiner Verhandlungen inzwischen mit den meisten Bundesländern einen Minimalkonsens dahin gehend gefunden hat, im Wesentlichen für jeden politischen Bezirk ein Bezirksgericht bestehen zu lassen. Das wären immerhin 99 Gerichte, wenn Sie von 84 Bezirkshauptmannschaften und 15 Magistraten von Städten mit eigenem Statut ausgehen.

Das wäre im Hinblick auf eine ausreichende Auslastung der Richter und das heute unverzichtbare Ausmaß an Spezialisierung bereits ein klarer, deutlicher Fortschritt. Vor allem käme er der Qualität des Rechtsschutzes und der kürzeren Dauer der einzelnen Verfahren zugute.

Herrn Kollegen Marizzi – er ist leider nicht da – kann ich darin auch nicht zustimmen, wenn er es jetzt als einen Verlust an rechtlicher Lebensqualität, wenn man das überhaupt so sagen kann, ansieht, dass der Zugang zum Grundbuch nicht vorhanden wäre, dass Anwälte absiedeln.

Zum Grundbuch ist zu sagen – das Firmenbuch könnte man dazunehmen –, dass Sie jederzeit einen computermäßigen Ausdruck vom Notar bekommen, und Notare gibt es ja sehr wohl. (Bundesrat Konecny: Das kostet aber!)  – Ja, das ist aber ein verbreiteter Irrtum in der Bevölkerung, dass das bei den Gerichten kostenlos ist. Da darf ich Ihnen sagen, dass es ein Verdienst des bekannten ehemaligen Sektionschefs Oberhammer war, für die Organisation des Grundbuches in Form der ADV eingetreten zu sein, und der natürlich mit Pate stand. Ganz anders als bei den alten Grundbüchern, bei denen die Einsichtnahme selbstverständlich kostenlos war, ist der Ausdruck nun zu bezahlen. Es sind zum Beispiel heute auch Urkundenbeglaubigungen bei Notaren schon billiger als bei Gericht.

Zu den Anwälten muss ich Ihnen Folgendes sagen: Ich habe zum Beispiel zur Marktgemeinde Spitz an der Donau eine besondere persönliche Beziehung, und ich habe es damals zwar nicht aus rationalen, sondern aus, wie der Herr Bundesminister heute gesagt hat, nostalgischen Gründen sehr bedauert, als dort das Bezirksgericht aufgelassen wurde. Aber ich muss Ihnen eines sagen: Einen Rechtsanwalt hat es zu dieser Zeit dort überhaupt nicht mehr gegeben.

Es ist ja auch klar, warum dem so ist, denn bei diesen Zwergbezirksgerichten wären ja Anwaltskanzleien gar nicht ausgelastet. Und wenn es sich um eine eingeführte Kanzlei handelt – Sie wissen ja, dass mehr denn je Anwälte heute nicht nur bei Prozessen agieren, sondern auch eine wichtige beratende Tätigkeit im Vorfeld haben, Vertragsverfassung und dergleichen, Streitvermeidung, wie ich hoffe, also nicht nur das Prozessieren vor Gericht –, dann wird der Anwalt spielend die Termine in den Nachbarorten wahrnehmen können. Der Durchschnittsbürger muss viel häufiger zur Bezirkshauptmannschaft gehen, um zu seinem Recht zu gelangen, als je zu Gericht. Das sind für mich keine Argumente.

Von einer krassen und unverantwortlichen Benachteiligung des ländlichen Raumes und einer Politik der Ausdünnung beziehungsweise Gefährdung der öffentlichen Leistungen spezifisch im Bereich der Justiz beziehungsweise der Rechtspflege kann also überhaupt keine Rede sein.


Bundesrat
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Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie entwerfen damit ein Horrorszenario auf diesem Gebiet, das mit der Realität und der Lebenswelt der Bürger in ihrer heutigen Mobilität nichts mehr gemein hat. Sie setzen damit lediglich jenen medialen Aktionismus fort, den Sie bereits heute früh in der Fragestunde entfacht haben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.20

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. Ich erteile es ihm.

18.20

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte insbesondere Herrn Professor Dr. Böhm danken, dass er diese Debatte wieder sehr versachlicht und auch zum eigentlichen Thema gesprochen hat. Das war notwendig, weil es mir wirklich ein Anliegen ist, in einen Dialog mit Ihnen einzutreten, in dem Sie Ihre Argumente vorbringen und ich meine Argumente vorbringe. Einen Beitrag dieser Art hat auch Herr Bundesrat Schennach geleistet. Das war ein sehr sachlicher Tonfall, und ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Dialog mit Ihrer Vermittlung unterstützen.

Da sich auf der Rednerliste, soweit sie mir vorliegt, jetzt einige Bundesrätinnen und Bundesräte von der Sozialdemokratischen Partei ankündigen, möchte ich Ihnen meine Argumente noch einmal vor Augen führen, damit Sie in den nachfolgenden Wortmeldungen darauf eingehen können und damit Sie sehen, dass eine Überlegung hinter dieser Aktion steckt und nicht irgendein Schließungsbedarf, der sachlich nicht gerechtfertigt wäre.

Vorweg noch eines: Natürlich werden alle Postkarten – im Gegensatz zu der Auffassung des Herrn Bundesrates Marizzi – beantwortet. Er hat offensichtlich zu wenig Kontakt mit der Bevölkerung, denn hätte er diesen, dann würde ihm die Bevölkerung bestätigen, dass die Postkarten, die uns geschrieben werden – das ist eine organisierte Aktion –, individuell und laufend beantwortet werden und die Bevölkerung dadurch alle Argumente bekommt.

Zum Argument der Rechtsanwälte: Es ist tatsächlich so, dass sich in manchen Ortschaften, in denen sich noch Gerichte befinden, die aber nicht mehr die ausreichende Größe haben – zum Beispiel Jennersdorf –, bereits keine Rechtsanwälte mehr befinden und in anderen Ortschaften Gericht und Rechtsanwälte sind. Das heißt, das Argument stimmt einfach nicht. Die Rechtsanwälte sind dort, wo sich Causen abwickeln lassen, wo Klienten kommen, und das ist eben in manchen Gemeinden, in denen Bezirksgerichte sind oder nicht sind, nicht mehr der Fall.

Zur Sache selbst: Wir haben eine zu breit gestreute Größenordnung von Bezirksgerichten. Ich habe Ihnen heute schon einmal gesagt: Wir haben 40 Geschäftsbereiche zu bewältigen. In manchen Gerichten ist nur eine Auslastung für 0,4 Richter gegeben. Die Salzburger sind hier betroffen – ich glaube, es meldet sich heute noch jemand aus Salzburg –: Nur 0,4 Richter haben dort statistisch gesehen in dem kleinsten Gericht zu tun, in Wien beim Bezirksgericht Innere Stadt sind es 48 Richter. Also es besteht zwischen Bezirksgerichten, die dieselbe Aufgabenstellung haben, eine Differenz, die in das Hundertfache geht.

25 Prozent der 192 Bezirksgerichte lasten nur einen Richter oder weniger als einen Richter aus. Das muss man sich einmal vorstellen: 25 Prozent der Bezirksgerichte lasten nur einen Richter oder weniger als einen Richter aus! Darunter sind zum Beispiel drei Bezirksgerichte am Sitz einer Bezirkshauptmannschaft, nämlich Rohrbach, Perg und Bad Radkersburg. Mehr als die Hälfte aller Bezirksgerichte lasten weniger als zwei Richter aus, davon 20 Bezirksgerichte am Sitz einer Bezirkshauptmannschaft. Und noch etwas: Mehr als 66 Prozent der Bezirksgerichte lasten weniger als drei Richter aus.

Kennen Sie die internationalen Zahlen? – In Bayern – vergleichbar mit Österreich –, das eine Gerichtsreform durchgeführt hat, sind 11 Richter pro Amtsgericht tätig, doch in Österreich lasten mehr als 66 Prozent der Bezirksgerichte weniger als drei Richter aus.


Bundesrat
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Wie schaut es, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem durchschnittlichen Arbeitsanfall aus? – Wir unterscheiden bei Gericht den normalen Anfall, den die Rechtspfleger, die nichtrichterlich Bediensteten bearbeiten und erledigen können, und den so genannten Sonderanfall, den die Richter erledigen müssen. Durchschnittlich fallen bei den Bezirksgerichten 1 346 Richtersachen im Jahr an, also Sachen, die von einem Richter erledigt werden müssen. Und jetzt kommen einige Zahlen, die Sie bitte kommentieren mögen: Bei mehr als 80 Prozent der Bezirksgerichte – das sind 153 von 192 – wird dieser Durchschnitt nicht erreicht. Bei 23 Bezirksgerichten fällt pro Arbeitstag nicht einmal eine ganze Richtersache an! Wir reden dabei nur von 220 Arbeitstagen, also wir reden von Nettoarbeitstagen: Bei 23 Bezirksgerichten fällt pro Arbeitstag nicht einmal eine ganze Richtersache an. Bei 77 Bezirksgerichten fallen pro Arbeitstag weniger als zwei Richtersachen an! Ich bitte, diese Zahlen zu kommentieren.

Wie viele Urteile werden bei diesen Gerichten gemacht, die wir als zu klein empfinden? – Bei 21 Bezirksgerichten werden pro Jahr nicht einmal 20 Zivilurteile ausgefertigt, bei 85 Bezirksgerichten wird pro Woche weniger als ein Zivilurteil ausgefertigt.

Wir sind, auch was die Relation Bevölkerungszahl pro Bezirksgericht anlangt, im europäischen Schlussfeld, wie es deutlicher nicht sein könnte. Wenn wir Wien wegnehmen, dann haben wir 36 000 Einwohner pro Bezirksgericht. Das geht bis zu 4 000 Einwohnern für das Bezirksgericht Mariazell. In Deutschland, in Bayern sind es 169 000 Einwohner pro Amtsgericht, im bundesdeutschen Durchschnitt sind es 119 000.

Es gibt kein europäisches Land – Slowenien ausgenommen –, das sich mit Österreich hinsichtlich dieser Einwohnerzahl pro Bezirksgericht vergleichen könnte, und es muss einen Sinn haben, wenn die anderen Länder ihre Strukturen bereits verbessert und neu geordnet haben, Österreich hat dies aber noch nicht geschafft. Der Grund liegt darin, dass gemäß einer Verfassungsbestimmung aus dem Jahre 1920 die Landesregierungen zustimmen müssen. Diese Position ist aber sachlich nicht mehr haltbar. Wir geraten in Rückstand.

Wir sind in Österreich im Bereiche der Informationstechnologie weltweit führend, wir sind aber weltweit nahezu Schlusslicht, wenn es um die Gerichtsorganisation im Bereiche der Bezirksgerichte geht, was das Verhältnis Bevölkerungsanzahl zu Richterauslastung und Bezirksgerichtssprengel anlangt.

Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, den Dialog mit mir zu führen und auf diese Argumente einzugehen. Die Gelegenheit dazu besteht noch heute. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.27

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Würschl. Ich erteile es ihm.

18.27

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Kärntner Mandatar habe ich heute den Auftrag – Aufträge führe ich zwar nicht gerne aus, weil ich selbständig agieren will, aber heute habe ich einen Auftrag –, einen massiven Protest gegen Sie, Herr Bundesminister Strasser, gegen Ihre Politik des Kaputtsparens (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Wer beauftragt Sie?), gegen das Drüberfahren über die Wünsche der Bevölkerung, die hinsichtlich der Gendarmerieposten bestehen, zu artikulieren. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie, Herr Bundesminister Strasser, fahren in einer Rasenmähermethode über den Sicherheitsapparat in Österreich drüber, die einmalig ist und eindeutig das Niveau in diesem Bereich zu Lasten der Bevölkerung senken wird. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Herr Bundesminister Strasser! Ich verstehe eigentlich meinen Kollegen Marizzi – ich sage das ganz offen – nicht ganz, der eine solche Höflichkeit Ihnen gegenüber an den Tag gelegt hat. Ich darf Ihnen auch etwas sagen, was für mich einfach unverständlich ist. (Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist für mich unverständlich, dass Tausende Kärntnerinnen und Kärntner an Sie


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679. Sitzung / Seite 153

einen Brief geschrieben beziehungsweise Protestkarten geschickt haben, und Sie haben, soweit ich weiß, diesen Menschen in Kärnten keine einzige Briefantwort erteilt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht in Kärnten um Folgendes: Wir haben ganz konkret 99 Gendarmeriedienststellen in unserem Bundesland. Von diesen 99, Herr Bundesminister Strasser, wollen Sie 11 Dienstposten zusperren, einen Dienstposten wollen Sie überhaupt nur im Winter aufsperren als Expositur, wie das heißt, und dagegen laufen Tausende Kärntnerinnen und Kärntner Sturm. Bis heute haben Sie keine Antwort darauf gegeben. Für mich ist das unverständlich. Ich habe Sie immer als höflichen Menschen eingeschätzt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn heute, sehr geehrte Damen und Herren, von einer Unfähigkeit im Dialogbereich gesprochen wird, dann ist das für mich ganz interessant. Das spielt sich nicht im Bereich der Sozialdemokratie ab, sondern das spielt sich im Bereich der Christenmenschen ab (Bundesrat Bieringer: Danke!), also innerhalb der ÖVP.

Da gibt es auf der einen Seite – er ist momentan nicht hier (weitere Zwischenrufe und Gegenrufe bei SPÖ und ÖVP) – Herrn Gruber von der ÖVP aus Kärnten (Widerspruch bei der ÖVP), der sich vor wenigen Wochen bei Herrn Bundesminister Strasser bedankt hat, dass nur elf – ah, er sitzt eh hier – oder zwölf Gendarmerieposten gesperrt werden. Daraufhin hat natürlich in Kärnten ein Watschentanz innerhalb der ÖVP stattgefunden. Er ist nicht so wichtig, dass das medial stattfindet, aber innerhalb der ÖVP. Herrn Gruber – das ist nicht mein Problem, muss ich gleich dazusagen – gibt es angeblich in der nächsten Funktionsperiode nicht mehr hier als ÖVP-Abgeordneten (Rufe scherzhaften Bedauerns bei der SPÖ)  – das ist auch nicht mein Problem –, aber, sehr geehrte Damen und Herren, es gibt – und den schätze ich durchaus als Gesprächspartner, weil er ein sehr seriöser Gesprächspartner ist – den ÖVP-Landesparteiobmann namens Wurmitzer.

Herr Wurmitzer ist Parteiobmann in Kärnten, und er hat gewisse Dialogprobleme mit Herrn Bundesminister Strasser. Herr Strasser meint zwar, er sei sehr dialogfähig, aber ich zitiere hier ein Wochenmagazin, das durchaus nicht der SPÖ nahe steht: "Rote Karte für Strasser. Kärntens ÖVP-Chef Georg Wurmitzer wirft Innenminister Ernst Strasser Packelei mit Jörg Haider vor." – Also packeln können die Christenmenschen, das wissen wir alle. "Nun will er den Minister sogar aus der ÖVP ausschließen." – Das geht mich eigentlich auch nichts an (lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP und der SPÖ – Bundesrat Bieringer: Sie sind die Sachlichkeit in Person!), aber ich hätte gerne vom Klubobmann der ÖVP erfahren, ob der Antrag auf Ausschluss des Herrn Strasser bereits eingebracht worden ist. Er packelt also mit dem FPÖ-Landeshauptmann.

Ich bedaure als Kärntner Mandatar nur, dass sich der FPÖ-Landeshauptmann vom Herrn Strasser über den Tisch ziehen hat lassen. Das bedaure ich als Kärntner, denn in Kärnten werden, wie gesagt, in den nächsten Wochen elf Gendarmerieposten zugesperrt. Die Bevölkerung ist sehr aufgebracht. Auch ich bin aufgebracht, aber ich hoffe, dass diesbezüglich doch noch ein Gespräch möglich ist. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das ist mit Ihnen schwer möglich!)

Auf jeden Fall wurde von einem ÖVP-Mandatar – ich glaube, es war Herr Khol, ich weiß es nicht genau – der AK-Vizepräsident von Niederösterreich – ich glaube, er ist auch Landtagsabgeordneter – als "siebenter Zwerg von links oder rechts" bezeichnet. Ich weiß nicht, ob nicht auch Herr Strasser Herrn Wurmitzer, den ÖVP-Parteiobmann – er hat auch nur 15 Prozent in Kärnten, und die ÖVP ist dort doch eine Exoten-Partei –, als siebenten Zwerg von rechts bezeichnet. Ich weiß es nicht. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Aspöck: Sie sind in Kärnten auch nicht gerade eine Großmacht!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister Strasser! Im Interesse der Sache würde ich Sie dringend bitten, sich dafür einzusetzen, dass die Bevölkerung wieder ein Sicherheitsgefühl bekommt, denn es ist das Recht eines jeden Bürgers, ein subjektives Recht, sein Sicherheitsbedürfnis erfüllt zu bekommen und nicht, dass es abgebaut wird.


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 154

Herr Bundesminister Strasser! Ich schätze Sie durchaus als Politiker und als Mensch, aber was mir besonders Leid tut, ist Folgendes – ich zitiere hier die APA zur Erinnerung –: Strasser hat stets versichert, dass kein Posten zugesperrt wird, etwa am 23. Februar im Rahmen des Kärntner Sicherheitsgipfels. – Sehr geehrte Damen und Herren! Da liegt ein Protokoll vor. Herr Bundesminister! Sagen Sie die Unwahrheit oder haben Sie sich geirrt? – Bitte klären Sie mich auf!

Hiezu kann ich nur die Oberösterreichische "Kronen Zeitung" vom 26. 5. 2000 zitieren: Bereits bei seinem Amtsantritt hat er in Oberösterreich versprochen: Alle bestehenden Gendarmerieposten bleiben selbstverständlich aufrecht. Bitte, Herr Bundesminister, klären Sie auf, wie glaubwürdig Sie diese Frage diskutieren wollen! (Bundesrat Marizzi: Unglaubwürdig!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Im Interesse der Sache, im Interesse der Sicherheit der Kärntnerinnen und Kärntner und natürlich auch der Österreicher insgesamt erlaube ich mir, ebenfalls einen Entschließungsantrag einzubringen.

Entschließungsantrag

der Bundesräte Herbert Würschl und GenossInnen gemäß § 43 GO-BR betreffend Neuverhandlungen der Schließung der Gendarmerieposten zu Gunsten des ländlichen Raumes

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Inneres wird ersucht, nochmals mit den betroffenen Ländern und Gemeinden Verhandlungen aufzunehmen" – Zwischenbemerkung: also keine Packelei mit dem Herrn FPÖ-Landeshauptmann –, "um die Schließung von Gendarmerieposten gemeinsam zu überdenken, damit die Bevölkerung im ländlichen Raum und die Entwicklung im ländlichen Raum insgesamt nicht unnotwendig geschädigt werden."

*****

Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

18.35

Präsident Alfred Schöls: Der von den Bundesräten Würschl und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Neuverhandlungen der Schließung der Gendarmerieposten zu Gunsten des ländlichen Raumes ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Manfred Gruber. Ich erteile es ihm.

18.36

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf die dringlichen Anfrage bezüglich der Ausdünnung des ländlichen Raumes zurückkommen.

Meine Herren Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wissen wahrscheinlich oder wir alle wissen, dass die ersten Ergebnisse der Volkszählung bereits vorliegen. Sie beweisen, dass die großen Gewinner dieser Zählung die Ballungsräume sind. Die Rohdaten zeigen uns ganz deutlich, dass Orte in entlegenen Randbezirken zu den massiven Verlierern gehören, Gemeinden rund um die großen Städte aber zu den Gewinnern.

Daher, meine Damen und Herren, ist es höchst an der Zeit – da dürften wir uns alle einig sein –, dieser Entwicklung gegenzusteuern. Ich würde von dieser Stelle aus auch die Bundesregierung auffordern, dieser Entwicklung gegenzusteuern und sie nicht durch eine Politik der Ausdünnung verstärkt voranzutreiben.


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679. Sitzung / Seite 155

Es ist für mich unverständlich, dass einzelne Minister nur die Auswirkungen ihrer Privatisierungs- und ihrer Sparpolitik im Auge haben. Diese einzelnen Maßnahmen aber führen in ihrer Gesamtheit zu Auswirkungen im ländlichen Raum, deren negative Entwicklung und deren Ende noch gar nicht absehbar sind. Hier wird bewusst regionale Infrastruktur zerstört, die letzten Endes auf Grund fehlender Arbeits- und Ausbildungsplätze zu einer Entsiedelung der ländlichen Räume führt.

Herr Justizminister! Sie haben in Ihrer Aussage erwähnt, 90 Prozent der Bevölkerung kommen nie oder seltener als alle fünf Jahre mit dem Gericht in Kontakt. Die Frage der räumlichen Erreichbarkeit sei daher von nicht großer Relevanz. Ich stimme Ihnen diesbezüglich auch zu, dass die Statistik vermutlich stimmt, aber es geht letzten Endes auch darum, vor Ort präsent zu sein. Es geht nicht nur um die Anwälte und um den Richter, es geht auch um die Mitarbeiter bei diesen Gerichten. Es geht um mehr: Es geht um den Gendarmerieposten, es geht um das Postamt, das zugesperrt wird, es geht um das Gericht, das zugesperrt wird, um die Nebenbahnen, die aufgelassen werden. Wenn wir das summieren, dann kommen wir in eine Situation (Zwischenrufe bei der ÖVP), in der wir fragen müssen: Sperren wir die ländlichen Räume zu, konzentrieren wir uns nur mehr auf Orte, die eine Bezirkshauptmannschaft haben, und erklären wir den Rest zum Nationalpark? (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.) Oder wollen wir wirklich, dass die ländlichen Räume besiedelt bleiben, dass die Bevölkerung bleibt und dort auch eine Zukunft hat?

Ich gebe Ihnen Recht bei Taxenbach, Sie haben die Auslastung für nur 0,4 Richter angesprochen. Ich glaube, darüber brauchen wir nicht zu reden. Das sind Dinge, die sehe ich auch in der Form als selbstverständlich an. Aber wenn wir dann in der Sache weitergehen, dann muss ich ganz klar sagen: Hier gibt es Nachteile, die zu einer nachhaltigen Benachteiligung – damit ich bei dem Wort bleibe – der Bürger vor Ort führen. Auch das, so glaube ich, muss eine Regierung interessieren, auch das sollte für eine Regierung wichtig sein.

Ich gebe zu, dass es auch unter der SPÖ-ÖVP-Regierung zu Gendarmeriepostenschließungen gekommen ist, aber ich erinnere daran, dass der damalige SPÖ-Minister mit der ÖVP gemeinsam gesagt hat: Ich glaube, wir sind an Grenzen gestoßen. Es wurde damals auch seitens SPÖ und ÖVP das Versprechen abgegeben, dass damit ein Ende gefunden wird, dass man die Schraube nicht noch weiter drehen kann, denn sonst bekommt man wirklich Probleme.

Diese Probleme sind nicht sicherheitstechnischer Natur. Ich bin völlig der Meinung des Herrn Ministers Strasser, dass man durch mehr Gendarmerie, durch mehr Fahrzeuge, durch mehr Sicherheitsexekutive auf der Straße für die Bevölkerung optisch Sicherheit erzeugen kann, aber es geht nicht nur darum, sondern es geht auch um den Gendarmerieposten vor Ort, um die zehn Mitarbeiter dort, um die Familien, die dazugehören, um die Kinder, die dort in die Schule gehen. Wenn wir so weitertun, dann sind wir wirklich irgendwann einmal so weit, dass einerseits Orte mit Bezirkshauptmannschaften zu einem Ballungsraum werden, wo es natürlich all das geben wird, wo wir aber auch sehr viel Verkehr haben werden, dass sich aber andererseits in den etwas entfernteren Regionen nichts mehr rühren wird. Genau davor möchte ich eindringlich warnen.

Diese Maßnahmen, die nun gesetzt werden, wie die Schließung von Postämtern, ein massiver Abbau der Mitarbeiter im Telekombereich, die Einstellung von Nebenbahnen und so weiter und so fort, kann man nur kritisieren. Ich tue das stellvertretend für viele besorgte Kritiker, die nicht nur in der SPÖ zu finden sind, sondern die auch in den Reihen der beiden Regierungsparteien sitzen.

Ich darf als Beispiel dafür einen Bürgermeisterkollegen, den ich sehr schätze, zitieren. Das Auflassen von Gerichten, Buslinien, Bahnverbindungen, Schülertransporten und anderen Einrichtungen sowie die Schließung von Gendarmerieposten, Postämtern, Bezirksforstinspektionen, Nahversorgern und so weiter und so fort erachtet Bürgermeister Kröll aus Schladming als einen verheerenden Anschlag auf den ländlichen Raum. – Ich glaube, Bürgermeister Kröll aus Schladming ist den Damen und Herren von den Regierungsparteien kein Unbekannter, denn


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679. Sitzung / Seite 156

immerhin war er jahrelang in Graz im Landtag, war jahrelang hier in Wien im Parlament als Nationalratsabgeordneter tätig.

Ich würde Sie im Interesse aller, ohne das parteipolitisch zu hinterfragen, ersuchen, das zu überdenken, aber vor allem an die Regierung möchte ich sehr eindringlich appellieren, davon Abstand zu nehmen. Ich verstehe, dass jeder einzelne Minister in seinem Ressort Einsparungen tätigen muss, weil er vom Finanzminister Vorgaben bekommt. Es wird erklärt, diese Einsparungen gehen einher mit Qualitätsverbesserungen, aber manchmal leider auch mit Qualitätsverlusten, und diese werden sichtbar.

Ich würde ersuchen, dass sich die gesamte Regierung bei all den Maßnahmen, die jeder einzelne Minister setzt, einmal zusammensetzt und darüber nachdenkt, was die Summe dieser Maßnahmen für den ländlichen Raum letzten Endes bedeutet. Wenn man wirklich nicht will, dass der ländliche Raum entvölkert wird, dann muss man diesbezüglich etwas tun. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.43

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Reisenberger. Ich erteile es ihm.

18.43

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Hohes Haus! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich habe wirklich mit Aufmerksamkeit verfolgt, als Bundesminister Dr. Strasser am Anfang seiner Ausführungen, damit wir nicht aneinander vorbeidiskutieren, aufgelistet hat, was denn eigentlich die Vorstellungen der Regierung sind. Ich habe versucht, das aufzunehmen, und habe das mit den Daten, die ich in den letzten Wochen in die Hand bekommen habe, verglichen. Ich möchte nun darauf eingehen.

Sparen in der Verwaltung, investieren in die Sicherheit! – Das ist eine Sache, über die wir wahrscheinlich gar nicht viel diskutieren müssen, wenn wir uns die Inhalte nicht anschauen müssen; zu diesen werden wir noch kommen.

Weiters heißt es: so viel Beamte wie noch nie! – Diesbezüglich habe ich andere Zahlen, auf die ich auch noch zu sprechen kommen darf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier dann zu sagen, das seien alles falsche Zahlen, das wird nicht so einfach sein, denn es gibt auch Zahlen, die überall nachlesbar sind. Aber ich bin überzeugt davon, dass uns der Herr Minister die wahren Zahlen auch sagen beziehungsweise die Zahlen bestätigen wird, die wir hier dann hören werden.

Über 100 Beamte mehr in den Wachzimmern: Das ist eine ganz wichtige Sache, die wir nur unterstreichen können, es können nicht mehr als genug sein, aber wir werden auch schauen müssen, wie sie kommen, woher sie kommen und wie sie eingesetzt werden, denn es wurde kein Wachzimmer in seiner Struktur verändert, haben Sie gesagt, Herr Minister! Das klingt wunderbar, es gibt aber heftige Diskussionen darüber, wie es in Wien in den nächsten Wochen, Monaten ausschauen wird. Ich bringe jetzt nur zwei Beispiele dafür.

Wir haben nach wie vor eine große Diskussion über den 14. und über den 15. Bezirk, über Penzing und die Schmelz. Sie wissen genau, dass das zwei Gebiete sind, die ganz unterschiedlich, auch von der Betreuung und von der Struktur der Beamten her, zu bedienen sind.

Im 14. Bezirk mit dem Weststadion gibt es andere Strukturen, andere Personenkreise, andere Aufgabengebiete, auch von der Verkehrsbetreuung her, als im 15. Bezirk mit der Stadthalle und dem Gürtel, mit all dem, was damit zu tun hat. – Ich glaube, da muss man genau schauen, wovon eigentlich die Rede ist.

Nehmen wir einmal den 11. Bezirk her! Da werden wir beim Gasometer ein neues Kommissariat brauchen. Das ist eine ganz wichtige Sache, ein großer neuer Bereich, der für uns alle wichtig ist, nämlich vom Sicherheitsgedanken her wichtig ist.


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Ich habe gehört, dass mit den Bundesländern Gespräche hinsichtlich der verschiedensten Bereiche stattgefunden haben. Mit Wien haben offensichtlich solche Gespräche noch nicht stattgefunden, obwohl es sehr wichtige Punkte zu besprechen gäbe. Sie haben gesagt, in Wien sei alles noch offen, und es gab auch keine Gespräche.

Das sind die Informationen, die ich von Wien, von Seiten unseres Bürgermeisters und von Seiten unserer Bezirksvertreter bekommen habe, nämlich dass noch keine Gespräche stattgefunden haben. Sollten aber bereits Gespräche stattgefunden haben, dann muss das mit Geheimnisträgern Ihrer Fraktion erfolgt sein, die es dann geheim gehalten haben. Für uns jedenfalls hat es eine Information dahin gehend nicht gegeben.

Nun kommen wir zum Dialog. – Ich halte einen Dialog für unheimlich wichtig. Ein Dialog ist etwas, was gerade in der heutigen Zeit und gerade auch in der politischen Situation, in der wir uns zurzeit befinden, von ganz großer Wichtigkeit ist. Nur: Dialog kann für mich nicht bedeuten, einen Lichtbildervortrag zu machen (Beifall bei der SPÖ) und vielleicht nachher mit irgendwelchen vorgefassten Goutierungen eine sogenannte Diskussion abzuhalten.

Wenn ich daran erinnere, was Frau Bundesrätin Haunschmid über das Round-Table-Gespräch, das in Wien stattgefunden hat, das nicht parteipolitisch geprägt war, denn dazu waren alle Parteien eingeladen, gesagt hat, nämlich: Das hättet ihr euch sparen können, schaut lieber, dass eure Demonstranten nicht auf die Straßen gehen!, so muss ich sagen: Das halte ich schlichtweg für eine Unterstellung, die dieses Hohen Hauses unwürdig ist. Ich sage ganz offen und ehrlich: Ich halte das wirklich für eine sehr verfehlte Art und Weise der Diskussion. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ich mir anschaue, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von Seiten der ÖVP, wie man mit Kolleginnen und Kollegen der Gewerkschaftsbewegung umgeht – ich bin seit vielen Jahren ein Gewerkschafter, ich bin stolz darauf, und ich weiß, dass es aus Ihren Bereichen viele ehrliche Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gibt, die das Thema sehr genau nehmen, und ich hoffe, dass in diesem Kreis hier auch einige sitzen –, wie man diese abqualifiziert – es ist das Beispiel mit dem siebenten Zwerg von links oder rechts schon genannt worden oder das Beispiel "Rülpser, die man in der eigenen Partei hört" –, dann muss ich sagen: Das sind Situationen, die wirklich sehr eigenartig sind.

Ich darf Sie daran erinnern – damit Sie wissen, dass das nicht nur leere Worte sind –, dass für die Demonstration, die letzte Woche stattgefunden hat, ein einstimmiger Beschluss vorgelegen ist, der also auch mit den Vertretern der ÖVP, sprich mit dem ÖAAB und mit der FCG, und auch mit den Vertretern der Freiheitlichen gefasst worden ist. Ich betone: ein einstimmiger Beschluss, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte das nur in Erinnerung rufen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie alle haben es sicher schon in den Zeitungen gelesen oder aus dem Fernsehen erfahren, dass wir heute im ÖGB eine Sitzung hatten. Der Bundesvorstand hat wiederum getagt, um zu entscheiden, was in Zukunft passieren soll, um dieser Regierung noch einmal die Chance zu geben – so sehe ich es wirklich! –, zu überlegen, was sie hier tut, um zu überlegen, ob es gut ist, mit Anlassgesetzgebung ganz einfach alles umzudrehen, und dann zu sagen: Ihr wart die Bösen, Ihr habt uns nicht wollen, jetzt zeigen wir es euch, aus, schluss, basta! – Das ist wahrlich ein schlechtes Niveau!

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie auch daran erinnern, dass es auch heute einen einstimmigen Beschluss gegeben hat. Auch Vertreter der FCG und des ÖAAB schlossen sich dem an, lediglich der freiheitliche Kollege hat nicht kommen können oder dürfen, ich weiß es nicht, vielleicht hat er den Auftrag bekommen, dieser Sitzung fern zu bleiben, aber ich bin überzeugt, soweit ich ihn kenne, dass er den Beschluss mitgetragen hätte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass, wenn über Polizei, Vertrauen, Bevölkerung gesprochen wird, sehr viel mit Zahlen gearbeitet werden kann. Das betrifft nicht nur die Stadt


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Wien, sondern das betrifft noch viel mehr und viel stärker die Bundesländer; meine Kolleginnen und Kollegen sind darauf schon eingegangen.

Aber auch in Bezug auf Wien ist es wichtig. Wir haben in Wien eine Situation, die Sicherheit vermittelt. Es wurden vor allem für Frauen spezielle Aktionen – das ist etwas ganz Wichtiges – gemeinsam mit der Exekutive, gemeinsam mit der Polizei, durchgeführt, um sich wohler fühlen zu können. Es geht gar nicht immer darum, ob es wirklich dieser oder jener Punkt ist, der so gefährlich ist. Es ist das Gefühl, das im Bauch entsteht, wenn man irgendwo ist, wo es finster oder eng ist, nämlich das Gefühl, hier könnte einem etwas passieren. Diesbezüglich haben wir sehr viel gemeinsam mit der Exekutive in Wien geschaffen. Wir haben in Wien das Vertrauen in die Sicherheit geschaffen, und zwar in die Sicherheit in allen Bereichen, die es gibt.

Aber dieses Sicherheitsgefühl ist im Moment bei der Bevölkerung ein bisschen im Schwinden. Vor allem – und das ist etwas ganz Schlimmes, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien – gibt es Sorge um die Sicherheit bei den Beschäftigten, bei den Beamten, die sich hier auch nicht mehr sehr wohl fühlen.

Ich werde ein paar Punkte aufzählen, warum das so ist, von den Überstundeneinschränkungen angefangen bis zu dem, was sie wirklich machen müssen, und der Art und Weise, wie man diese Kolleginnen und Kollegen dann entlohnt. Das werden wir uns auch noch ein bisschen anschauen müssen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Man kann nicht die Landwirtschaft mit der Exekutive vermischen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, eines sollten wir hinsichtlich des Niveaus dieses Hauses schaffen: dass wir einzelne Punkte einzeln besprechen und nicht Äpfeln mit Birnen vermischen. Ich bin bereit, mit euch zu reden, wenn ihr Probleme habt, aber jetzt reden wir über die Beamten, über die Exekutive und über Wien. Das sei mir gestattet!

Humboldt sagte schon einmal, ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine Kräfte auszubilden noch die Frucht derselben zu genießen, denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit. – Doch die Sicherheit ist in meinen Augen ganz massiv gefährdet, vor allem für die Kolleginnen und Kollegen in der Exekutive.

Es gibt Planstellenverluste – Herr Minister, wenn Sie mir sagen, all das stimme nicht, das seien andere Zahlen, dann glaube ich das gerne, aber wir werden uns das dann morgen gemeinsam anschauen –, und zwar gibt es laut den letzten Zahlen im Jahr 2000 um 118 Beamte weniger, im Jahr 2001 um 209 Beamte weniger und im Jahr 2002 um 237 Beamte weniger. Das sind um 564 Sicherheitswachebeamte in drei Jahren Amtszeit des Bundesministers Dr. Strasser weniger. Wenn diese Zahlen nicht stimmen, dann kann ich nur sagen: Ich habe sie von offizieller Seite. Wir können sie dann vergleichen. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Strasser. )

Dann haben wir offensichtlich falsche Zahlen bekommen, sie sind aber offiziell ausgeschickt worden. Das ist interessant, aber wir werden dem nachgehen, Herr Minister! Ich nehme das natürlich zur Kenntnis. Ich werde es mir auch anschauen und darf mir vorbehalten, das nächste Mal dann eine Korrektur vorzunehmen und zu berichten, ob unsere Seite wirklich eine falsche Information erhalten hat. Ich mache das gerne.

Wir haben bezüglich der Polizeischüler die Information, dass es nach wie vor einen Aufnahmestopp gibt. Wenn letzte Woche oder diese Woche einer aufgenommen worden ist, so mag das vielleicht stimmen. (Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Strasser. ) Aber es sind keine aufgenommen worden. Wie viele sind aufgenommen worden? (Bundesminister Dr. Strasser: Ich sage es Ihnen dann!)

Okay! Sie sagen es mir dann. Ich freute mich wirklich, wenn das der Fall wäre, denn das ist etwas ganz Wichtiges. (Neuerliche Zwischenbemerkung des Bundesministers Dr. Strasser. ) Ich habe mich erkundigt, und das sind die Informationen, die ich habe. Offensichtlich haben Sie auch diesbezüglich wieder geheime Unterlagen, die man nicht allen zur Verfügung stellt, denn sonst wäre es nicht möglich, dass eine nicht unbeträchtliche Gruppe von Gewerkschaftern


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diese Informationen nicht hat. Aber das ist dann auch etwas Bedenkliches, wenn der Minister, eigentlich der Chef, der Oberste, der wichtige Informant, einer solchen Gruppe nicht sagt, was tatsächlich in ihrem Bereich passiert. Das halte ich für noch bedenklicher, und da muss ich sagen: Das wäre etwas ganz Schlimmes, denn dann funktioniert die Kommunikation zwischen diesen Bereichen nicht, wenn dies tatsächlich so wäre, Herr Minister, aber ich kann es mir nicht vorstellen.

Es gibt pro Jahr – das werden Sie mir hoffentlich bestätigen, oder Sie haben auch diesbezüglich andere Zahlen – 250 bis 300 Abgänge. Wir ersetzen diese nur teilweise oder gar nicht. Dazu möchte ich sagen: Sie haben gesagt, 3 Prozent Einsparungen wird es geben.

Nun kommen wir zu dem "wunderschönen" Thema der Überstunden. Wir haben gehört – und ich nehme das auch sehr gerne zur Kenntnis –, dass man die Überstundenleistungen einschränken will. Das ist an und für sich eine gute Geschichte, denn wenn man Überstundenleistungen einschränkt, dann ist in der Regel die Folge davon, dass man mehr Beschäftigte benötigt. Man kann natürlich ein bisschen etwas mit den Abgängen ausgleichen, das kann ich mir auch vorstellen, aber zurzeit schaut es tatsächlich so aus – und ich höre das von vielen guten Freunden aus dem Bereich der Exekutive, sowohl von Männern als auch von Frauen, die nicht zum Spaß und aus Lust Einsätze machen –, dass Überstundenleistungen getätigt werden, die weit über das Maß hinausgehen, das sich viele vorstellen können, weil ganz einfach kein Personal da ist, der Einsatz in den einzelnen Bereichen aber vorgenommen werden muss. Da geht es nicht nur um die Donnerstag-Demonstrationen, sondern da geht es um ganz normale tagtägliche Arbeiten, die geleistet werden müssen.

Dann kommt noch die Chuzpe dazu, die für mich als Gewerkschafter das Tüpfelchen auf dem i ist – wenn man sich das Budgetbegleitgesetz 2000 anschaut, dann kann man das erfahren –, dass ab 2002 in den ersten drei Monaten Überstunden in Freizeit 1 : 1 abgegolten werden. Eine "tolle" Sache: Wir haben Leute, die motiviert sein sollen, die für uns den Sicherheitsbegriff darstellen, und diesen Leuten sagt man: Passt auf, ihr macht Überstunden, und das zählt 1 : 1, danach 1 : 1,5, und wenn sich gar nichts mehr anderes machen lässt, dann zahlen wir es vielleicht aus!

Das Einkommen der Exekutivbeamten ist, so glaube ich, Ihnen allen bekannt. Es weist sicherlich nicht eine Höhe auf, bei der man sagen kann, die verdienen sehr viel, die können sich das ruhig leisten, und das ist überhaupt kein Problem. – Das ist auch zum Nachdenken!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine werten Herren Minister! Das sind Sachen, die dann zu heftigen Diskussionen führen, die auch im Bereich der Gewerkschaft sehr klar und deutlich zur Sprache kommen und ausführlich diskutiert werden. Aber offensichtlich kommt der Dialog nicht zustande, von dem wir heute schon so viel gehört haben, den ich auch begrüßen würde und den ich gerne hätte.

Ich habe hier vor mir einen Beschluss der Kolleginnen und Kollegen der österreichischen Polizeiverwaltung liegen, der gemäß dem Titel "Reform der Wiener Polizei" gefasst wurde. Da heißt es: Die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen lehnt die unter dem Titel "Reform der Wiener Polizei" beabsichtigte Zusammenlegung von Bezirkspolizeikommissariaten beziehungsweise von Abteilungen, Ämtern und Büros in Wahrung der beruflichen, wirtschaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Interessen der davon Betroffenen ab.

Das stammt vom 4. Juli 2001, ist also nicht sehr lange her, und man geht dann auch auf die einzelnen Punkte ein. Die wichtigsten Punkte, warum man dagegen ist, warum in diesem Bereich noch Überlegungen angestellt werden sollten, sind: Abbau des Bürgerservice durch Reduzierung der Anlaufstellen für viele Serviceleistungen wie Rechtsauskünfte, Beratungen, Führerscheinanträge, Anträge auf Ausstellung waffenrechtlicher Urkunden, Veranstaltungsangelegenheiten, Anzeigenbestätigungen, Reisepassanzeigen, längere Anfahrtswege für die Wienerinnen und Wiener, Anonymisierung zwischen Polizei und Bürger, was auch eine, wie ich meine, sehr wichtige Sache ist.


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Gerade in letzter Zeit haben wir versucht, in Wien den persönlichen Kontakt, der wahrscheinlich, so nehme ich an, auf dem Land noch etwas besser ist als in der Großstadt, wieder zu verengen, wieder besser zu gestalten. Was Sie planen, das ist, so glaube ich, wieder ein Schritt nach hinten. Im Hinblick auf die Fläche und die Bevölkerungszahlen ist die Kriminalität schwer überschaubar. Es gibt auch einen Abbau der Möglichkeiten für den Bezirksleiter, für jeden Bürger unmittelbar ansprechbar zu sein, an sämtlichen bedeutenden Veranstaltungen des Bezirkes teilzunehmen, um die Bürgernähe, das Bürgerservice auch tatsächlich mit Kontakthalten praktizieren zu können.

Es gibt erschwerte Wahrnehmungsmöglichkeiten der einzelnen Probleme in den zahlreichen Grätzln der Großbezirke, Schwierigkeiten bei deren strategischer Aufarbeitung und bei den operativen Lösungen und dergleichen mehr.

Herr Minister! Ich nehme an, Sie haben diese Resolution, die zeigt, dass man sich über die Maßnahmen dieser Bundesregierung wirklich Gedanken macht.

Ich möchte noch einmal sagen: Dialog ist wichtig, Gespräche sind wichtig, zum Beispiel Gespräche mit der Stadt Wien, mit den Bezirksvorstehern. Zu Verbesserungen sage ich ja, die bejahe ich zu 100 Prozent, die wird es immer geben müssen.

Ich darf, da heute Früh die Frau Vizekanzlerin das Beispiel "Kommissariat Liesing" angesprochen hat, und ich ein Liesinger bin, dieses Beispiel hernehmen. Es ist das beste Beispiel, das es eigentlich gibt. Wir haben das in Wien gemacht, da hat es von Seiten Ihrer Regierung nicht das kleinste Anzeichen gegeben, dass das irgendwann einmal möglich werden könnte. Wir haben in Wien gemeinsam mit der Exekutive dieses Projekt gemacht, und ich glaube, dass es ein Musterprojekt geworden ist. Liesing ist etwas, das sich jeder als ein durchaus denkbares Modell für die Zukunft vorstellen kann. Daher: Überlegungen, Verbesserungen – ja!, da werden Sie uns als sozialdemokratische Gewerkschafter immer an Ihrer Seite finden, aber Kaputtsparen – nein!

Der Entschließungsantrag, den mein Kollege hier schon eingebracht hat, zeigt ganz deutlich, wie wichtig es für uns ist, dass Gespräche stattfinden. Ich glaube, wir sollten in der Stadt Wien genauso wie in den Bundesländern als Maxime für uns die Sicherheit sehen, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung und auch der Kolleginnen und Kollegen, die im Sicherheitsdienst beschäftigt sind. Das gilt aber natürlich auch für die Gerichte, und das gilt genauso für alle anderen Bereiche, bis hin zur Post.

Ich habe versucht, ein bisschen über die Situation im Sicherheitsbereich und auch über das Gefühl, das wir zurzeit in Wien in Bezug auf diesen Bereich ganz stark verspüren, zu berichten, und ich habe versucht, Sie ein bisschen diesbezüglich zu sensibilisieren. Vielleicht ist es mir gelungen. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Es gibt viele Menschen, die glauben, wenn sie Argumente hören, auf die ihnen nichts einfällt, ganz einfach sagen zu müssen, sie haben nicht mehr zu sagen. Sie haben jederzeit die Möglichkeit, Ihre Argumente darzulegen, ich habe das für mich in Anspruch genommen.

Nikolaus Cybinski hat gesagt: Es gibt genug fromme Menschen, die es ihrem Gottvertrauen schuldig sind, im Zweifelsfall lieber die Polizei zu rufen. – Geben wir ihnen die Chance, dass sie es auch noch in Zukunft tun können! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.00

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. Ich erteile es ihr.

19.01

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Geschätzte Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort melden müssen, weil ich doch einige Merkwürdigkeiten vernommen habe, vor allem von meinem


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Kärntner Kollegen, auf die ich ein bisschen eingehen muss. Es bleibt mir gar nichts anderes übrig.

Es geht mir vor allem um einige Punkte, die ich zur dringlichen Anfrage an den Bundesminister für Inneres darlegen möchte, und ich beginne mit dem Bereich des Schulwesens. Hier wird wieder so getan – zumindest steht es so in dieser Anfrage –, als würde sich Kärnten als Land darstellen, in dem die Schulen geschlossen werden (Bundesrat Würschl: So ist es! 21 Schulen!), in dem Bildungsnotstand herrscht und vieles andere mehr. Und da muss ich doch einiges klarlegen.

Ich möchte klarlegen, dass es unter Landeshauptmann Haider erstmalig eine Garantie für so genannte Zwergschulen durch ein eigenes Schulgesetz gibt, mit dem die Möglichkeit geschaffen wurde, dass kleine Schulen erhalten bleiben. (Bundesrat Ing. Klamt stellt der Rednerin das Rednerpult niedriger.)  – Danke vielmals, Herr Präsident! Es gibt noch Gentlemen, danke schön. Ich habe nämlich nicht gewusst, wie das funktioniert, aber jetzt weiß ich auch, wie es geht. Danke. – Diese Kennzahlen, die es früher gegeben hat und bei 70 Schüler liegen, können jetzt auch unterschritten werden, und trotzdem können diese Zwergschulen im ländlichen Raum weiter bestehen bleiben. Das heißt, erstmalig hat ein freiheitlicher Schulreferent den Weiterbestand von kleinen Schulen garantiert. Das ist etwas, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, was Sie vielleicht auch einmal, um der Wahrheit die Ehre zu geben, hier im Hohen Haus sagen sollten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dass es natürlich auch unter den sozialdemokratischen Schulreferenten sehr viele Schulschließungen gegeben hat, vor allem unter unserem Kollegen Herrn Dr. Michael Ausserwinkler, auch das wird gerne und besonders häufig verschwiegen.

Ich möchte sagen, dass wir schon unterscheiden sollten, ob es sich um Schulschließungen oder um Direktionszusammenlegungen handelt. Das ist schon ein Unterschied, auf den ich ganz kurz eingehen will. Wenn man heute in ein und demselben Haus zwei Direktionen hat, denen jeweils mehrere Klassen unterstehen, und man dann sagt, statt zwei Direktoren gibt es jetzt nur mehr einen Direktor, der aber genauso in der Lage ist, diese verschiedenen Klassen zu administrieren und zu leiten, dann ist das keine Schließung eines Schulstandortes, sondern eine Verringerung um einen Direktorenposten. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, ich glaube nicht, dass es unser Ziel sein soll, Direktorenposten, vielleicht auch noch politisch aufgeteilt auf irgendwelche Fraktionen, zu sichern und Pfründe zu wahren, sondern unsere gemeinsame Politik sollte doch sein, eine zukunftsorientierte Schulpolitik für unsere Jugend zu machen. Und ich lade Sie ein, da wirklich konstruktiv mitzumachen. (Bundesrat Manfred Gruber: Es geht um den ländlichen Raum, Frau Kollegin! – Bundesrat Marizzi: Sie haben das Thema verfehlt!)

Ja, es geht um den ländlichen Raum, und daher habe ich Ihnen dargelegt, dass wir erstmalig mit einem freiheitlichen Landeshauptmann und Schulreferenten die Garantie haben, dass diese kleinen Schulen auch in Zukunft weiter bestehen bleiben. Das hindert doch die anderen Landeshauptmänner und die Landeshauptfrau nicht daran, ebenfalls in dieser Art und Weise vorzugehen und ebenfalls eine entsprechende Garantie in ihrem eigenen Bundesland vorzunehmen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. ) Das ist nicht der fünfte Zwerg von links, das ist wieder eine andere Sache, Frau Kollegin Trunk! (Bundesrat Konecny: Der war ja nicht bei Ihnen! – Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist der Schüssel-Zwerg!)

Jetzt aber zum nächsten Punkt. Ich werde Ihnen dafür meine Wortmeldung zum Punkt 29 der heutigen Tagesordnung ersparen, weil ich meine Ausführungen in diesem Zusammenhang jetzt gleich machen möchte. Dabei geht es um eine Ausgliederung und darum, dass von Ihnen gesagt wird, es werden die ISG-Außenstellen geschlossen. Hier ist auch nur einiges anzumerken, ohne ins Detail zu gehen.

Es geht bei dieser Gesetzesintention letztlich darum, dass für die Betroffenen etwas erreicht werden soll, und die Betroffenen sind – das ist mir das Wichtigste – die Arbeitnehmer, die auf das Geld warten, weil ihr Betrieb in Insolvenz geraten ist. Durch die Ausgliederung der Administration – der Fonds selbst bleibt in dieser Form bestehen – ist gewährleistet, dass das Ver


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fahren weitaus kürzer sein wird, als das in der Vergangenheit der Fall war. Ich glaube, das müsste doch für Sie alle von Interesse sein, wenn ein Betroffener nicht mehr sieben Monate auf sein Geld warten muss, sondern nur mehr drei oder vier Monate. Das ist doch etwas, dem wir alle eigentlich unsere Zustimmung geben müssten.

Oder: Es wird auch das Mahnwesen bei Unternehmen schneller und effektiver funktionieren. Das sind doch Dinge, die man nicht einfach vom Tisch wischen kann, und man kann da auch nicht von einer Aushöhlung der Strukturen sprechen, wenn es durch dieses Gesetz den Betroffenen besser geht.

Im Übrigen ist das Ganze auch mit den Mitarbeitern – so ist es mir zumindest gesagt worden – akkordiert worden. Es konnte also eine Akkordanz im Personalbereich erfolgen, und ich glaube, das ist immer wichtig, und das muss doch für Sie alle, vor allem aus dem Lager der Gewerkschaft, ein wesentlicher Faktor sein.

Zuletzt noch zu einem Punkt, der natürlich da auch angeführt ist, nämlich zur Familien-, Frauen- und Kinderpolitik. Wir werden morgen noch intensive Debatten zu diesem Thema haben. Ich darf Ihnen nur zur Kenntnis bringen, dass wir in Kärnten mit unserem Kindergeld, das als Pilotprojekt bereits läuft, einen bahnbrechenden Meilenstein gesetzt haben. Und das sagen nicht nur wir Freiheitlichen, sondern das sagt auch Professor Schattovits, der Anfang des Jahres eine Bestandsaufnahme des Pilotprojektes in Kärnten vorgenommen hat. Bei dieser Bestandsaufnahme ist unter anderem festgestellt worden, dass sich die Kaufkraft in den Gemeinden – das sind, meine Damen und Herren, hauptsächlich ländliche Gemeinden, das ist zum Beispiel Deutsch Griffen, das ist Feistritz an der Gail – teilweise verdoppelt und sogar verdreifacht hat.

Meine Damen und Herren! Es ist auch noch ein Nebeneffekt eingetreten, den ich Ihnen noch kurz sagen muss, ohne länger darauf einzugehen. Es sind die Frauen begleitend befragt worden, ob sie wieder in ihren Beruf zurückkehren wollen, und der Großteil der Personen hat gesagt, dass sie, trotzdem sie dieses Kindergeld gerne in Anspruch nehmen, trotzdem die Kaufkraft passt, trotzdem die Armut damit geschwunden ist, gerne wieder in den Beruf zurückkehren werden. (Bundesrätin Kainz: Es geht nicht um das Wollen, es geht um das Können!) Also, meine Damen vor allem von der sozialdemokratischen Fraktion, Ihre Befürchtungen sind durch die Ergebnisse und die Überprüfung durch Professor Schattovits wirklich widerlegt, das wollte ich Ihnen noch zur Kenntnis bringen.

Es ist nicht nur das Kindergeld, das wesentlich für die Familienpolitik ist. Es gibt auch andere Maßnahmen. (Bundesrätin Schicker: Genau das Gleiche sagen wir auch! Das Kindergeld macht es nicht aus! Wegen des Geldes bekommen die Frauen nicht mehr Kinder!) Dazu darf ich Ihnen auch etwas zur Kenntnis bringen. Ich hätte es nicht gemacht, aber weil Sie sagen, deswegen bekommen die Frauen nicht mehr Kinder, tue ich es. In Kärnten ist es zu einer Steigerung der Geburtenrate gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum um nicht weniger als 16 Prozent gekommen, und zwar ist die Zahl vom Monat Mai. Also auch das darf ich Ihnen zur Kenntnis bringen. Wie gesagt, ich hätte es nicht getan, wenn ich nicht eine Antwort auf einen Zwischenruf hätte geben müssen.

Im Übrigen möchte ich auch sagen – das sei jetzt wirklich abschließend gesagt, weil ich glaube, dass unsere Minister auch noch andere Tätigkeiten haben, als sich nur unsere Debatten anzuhören, obwohl sie auch wichtig sind, das gebe ich schon zu –, dass meines Erachtens zur Familienpolitik dazugehört, dass man auch die Integration von behinderten Kindern stärker forciert, als das in den letzten Jahren der Fall war. Das haben wir in Kärnten gemacht, das macht auch Bundesminister Haupt mit der Behindertenmilliarde. (Bundesrätin Schicker: Thema verfehlt!)

Ich kann mich erinnern, vor fünf Jahren ist über eine Behindertenmilliarde, die jetzt teilweise für die Kindergärten, für behinderte Kinder verwendet wird, nur gesprochen, ist sie nur angekündigt, aber nie verwirklicht worden. Wir in Kärnten haben schon im heurigen Jahr geplant,


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dass soundso viele integrative Maßnahmen für Kindergärten, für behinderte Kinder vorgesehen sind. Das ist mir ein wichtiges Anliegen, Ihnen das gesagt zu haben.

Ansonsten gebe ich Ihnen Recht, der ländliche Raum und dessen Struktur sind ein Thema, das man wirklich mit Sensibilität behandeln soll. Ich gebe Ihnen da völlig Recht. Ich glaube auch, dass wir wirklich gemeinsam sehr sorgfältig überlegen sollten, welche Maßnahmen Sinn machen und welche nicht. (Bundesrat Freiberger: Das heißt, Wurmitzer hat Recht?)

Aber ich bin mir sicher, dass unsere Minister das ebenfalls tun, und glaube daher, dass diese Maßnahmen durchaus vertretbar sind. Ich habe Ihnen ohnedies bereits gesagt, dass man sehr wohl, wenn man einen guten Landeshauptmann oder einen tüchtigen Bürgermeister hat, auch zusätzliche Regelungen treffen kann, die genau das verhindern, was Sie jetzt mit Ihren Entschließungsanträgen ebenfalls beabsichtigen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.12

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Konecny. Ich erteile es ihm.

19.12

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Herren Bundesminister! Ich bin ein bisschen dankbar, Frau Bundesminister, dass Sie schon da sind, weil es mir nicht darum geht, hier noch einmal den Sicherheitsaspekt sehr zu vertiefen, sondern vielmehr darum, genau auf den Punkt hinzuweisen, den zahlreiche Sprecher meiner Fraktion bereits angeschnitten haben, nämlich dass es um das Zusammenwirken von Maßnahmen geht, die dazu führen, dass die schwächer bevölkerten Gebiete des Landes – überwiegend zu Recht als ländlicher Raum bezeichnet – ganz offensichtlich an den Rand gedrängt werden.

Der Herr Justizminister hat eine Art intellektuellen Lapsus linguae begangen. Er hat daran erinnert – völlig zu Recht –, dass die Sozialdemokratie in den siebziger Jahren tatsächlich eine Revolution des Bildungssystems durchgeführt hat, die auch damit verbunden war, dass eine Reihe von kleineren Schulen geschlossen wurde. (Bundesminister Dr. Böhmdorfer: Ich? Habe ich nicht gesagt!) Sie haben es gesagt! Aber was er vergessen hat, hinzuzufügen, ist, dass, weil wir eben vernetzte Politik machten, wir diese Bildungsangebote mit der Schülerfreifahrt unterfüttert haben, um die Erreichbarkeit dieser neuen oder alternativen Möglichkeiten sicherzustellen.

Herr Justizminister! Wenn Sie sozusagen die Freifahrt für Gerichtsklienten einführen, und Frau Ministerin Forstinger die Infrastruktur zur Verfügung stellt, damit man sie auch in Anspruch nehmen kann, dann könnte man über manches diskutieren. (Beifall bei der SPÖ und dem Grünen.)

Genau darum geht es! Sie brauchen uns nicht zu unterstellen, dass es unsere Grundhaltung wäre, an keinem Gendarmerieposten, der irgendwann einmal bestanden hat, dürfe bis zum Jüngsten Gericht gerüttelt werden, und jedes Bezirksgericht ... (Bundesrat Dipl-Ing. Missethon: Sind Sie auch für das Zusperren?) – Herr Kollege! Wir haben – und ich bekenne mich dazu – auch Strukturreformen in der Sicherheitsexekutive durchgeführt. Jeder Verwaltungsapparat hat sich permanent neuen Gegebenheiten anzupassen! Es sind in den fünfziger Jahren Autobahngendarmerieposten entstanden – vorher hat es keine Autobahn gegeben. Daher musste man hier eine entsprechende Sicherheitseinrichtung schaffen.

Im städtischen Gebiet – unser Schriftführer hat bei einer Sitzung vor etwa vier Monaten eindrucksvolle Beispiele aus Vorarlberg erzählt – verschieben sich eben die Problemstellungen, und eine ruhige Gegend wird auf einmal zu einem Krisenherd. Darauf muss die Exekutive reagieren, im Positiven, indem sie neue Stützpunkte schafft, aber auch sozusagen im Negativen, indem sie sich aus irgendwelchen Gebieten zurückzieht.

Was uns alarmiert, ist die Tatsache, dass in einem – man könnte Ihnen unterstellen – konzentrierten Angriff auf den ländlichen Raum alles wegbricht: die Gendarmerie, die Autobus


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verbindung und sofern es eine Nebenbahn gibt, diese auch noch. Es wird das geschlossen, es wird das geschlossen. Wir alle kennen die Probleme – und die Kolleginnen und Kollegen, die in solchen Gemeinden leben, kennen sie besser als ich – und wissen, wie schwierig es ist, in diesen kleinen Orten auch nur eine Nahversorgung, die sich nicht nach unseren Vorgaben, sondern nach Marktbedingungen richtet, aufrechtzuerhalten.

Enden tut all das damit, dass die mobilen Schichten der Bevölkerung irgendwie, ohne große Begeisterung, mit dieser Entwicklung mitkommen, aber die weniger mobilen, die auch aus Altersgründen den Zugang zur e-Verwaltung nicht mehr finden werden, die kein eigenes Auto haben, sondern auf den verdammten Postautobus angewiesen sind, einfach zurückbleiben, in einer sehr unangenehmen Situation zurückbleiben.

Mit der Gesetzgebung werden wir diesen Menschen die Nahversorgung, so fürchte ich, nicht bieten können, aber jedenfalls die Anbindung an die Verwaltung könnten wir ihnen bieten. Aber das, was diese Regierung tut, ist das glatte Gegenteil!

Ich habe mit großer Aufmerksamkeit der Argumentationslinie der beiden Minister zugehört. Es ist eben eine nicht vernetzte Argumentation. Die Frage, ob ein Bezirksgericht hinlänglich ausgelastet ist, ist keine, die zu vernachlässigen ist. Aber es ist eben auch auf die Landkarte zu schauen, was es dort sonst noch an öffentlichen Einrichtungen gibt. Wenn der Rückzug des Staates aus einem Gebiet gegeben ist, dann ist auch ein wenig ausgelastetes Bezirksgericht ein Wert. Und das gilt für jeden der Bereiche, die wir in diesen vier dringlichen Anfragen ansprechen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )  – Herr Kollege Himmer! Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Quantität Ihrer Zwischenrufe deren Qualität anpassen würden. (Beifall und Heiterkeit bei der SPÖ und dem Grünen.)

Dort, wo sich diese Maßnahmen decken, entsteht in der Bevölkerung ein wirkliches Gefühl der Bedrohung. Ich verstehe schon die Aufgeregtheit mancher von Ihnen und schaue dabei ausnahmsweise einmal nicht zu den Freiheitlichen, weil das vor allem ein Problem der ÖVP ist. Diese kleinen Gemeinden betrachten Sie als Ihre politischen Erbhöfe. Viele ÖVP-Bürgermeister in diesen Gemeinden haben viele Jahrzehnte politisch gut damit und manchmal auch davon gelebt, dass sie auf widerwärtige Anschläge sozialistischer Zentralstellen schimpfen konnten, egal, ob die jetzt geplant waren oder nicht. Heute sind sie in der unangenehmen Situation, auf die tatsächlich geplanten – die Qualifikation erspare ich mir – Anschläge dieser Bundesregierung entweder schimpfen zu müssen oder sich von ihren Gemeindebürgern – mit Recht – sagen zu lassen, dass sie deren Interessen nicht vertreten.

Ich verstehe schon, dass diese Ihre Funktionäre in höchstem Maße aufgescheucht sind, in höchstem Maße nervös sind, und ich verstehe auch, dass Sie persönlich in höchstem Maße nervös sind. Da geht es um die letzten 27 Prozent, die Sie noch haben, um die paar Erbhöfe, die es noch gibt. Und wenn diese bedroht sind, dann wäre ich an Ihrer Stelle auch nervös. (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. )

Herr Kollege! Ich nehme Ihr Urteil mit großer Gelassenheit zur Kenntnis. Urteile dieser Art treffe ich nicht und Sie nicht. Der Souverän, der Bürger, wird das an irgendeinem Punkt zu entscheiden haben. Und wenn ich mir mein Ergebnis in meinem Bezirk bei der letzten Wiener Landtagswahl ansehe und das Ihrer Freunde dort, dann muss ich sagen, ich stelle mich diesem Urteil mit großer Begeisterung! (Beifall bei der SPÖ.)

Wogegen ich mich verwahre, ist, dass hier mit gezinkten und isolierten Argumenten gearbeitet wird. (Zwischenrufe des Bundesrates Steinbichler. )

Entschuldigen Sie! Sind Sie persönlich betroffen von dem, was ich gesagt habe? Welcher Erbhof ist es denn, der Ihnen unter dem Hintern wegbricht? (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe hier ein interessantes Papier in Händen – und vielleicht lernt da der Herr Innenminister noch etwas, denn ich weiß ja jetzt, warum wir Gendarmerieposten zusperren müssen. Man ist lernfähig, und wenn man solch ein überzeugendes Argument vor sich hat, beginnt man wirklich nachzudenken.


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Wir müssen – steht hier – Gendarmerieposten zusperren, weil in Schattendorf im Burgenland der Grenzüberwachungs- und der Gendarmerieposten im selben Gebäude sind. Es handelt sich jedoch um zwei verschiedene Posten. Es gibt zwei Verwaltungseinheiten, zwei EDV-Anlagen sowie zwei Kommandanten. – Und weil das in Schattendorf so ist, ihr bösen Burgenländer, müssen wir jetzt in den bekannten Grenzgemeinden Pfaffstätten, Yspertal, Haslach, Obermieming, Mattsee, St. Oswald die Gendarmerieposten zusperren. – Dieses Argument – ich hätte es mir nicht so ausdenken können! – stammt aus dem ÖVP-Generalsekretariat: Argumente zur Negativpropaganda der SPÖ. (Oh!-Rufe bei der SPÖ.)

Herr Minister! Ich traue Ihnen nicht zu, dass Sie an der Verfassung dieses Argumentariums beteiligt waren, aber vielleicht könnten Sie diesen Kulissenzwergen, die Ihnen da zu helfen versuchen, ein paar bessere Ezzes geben. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Sie können uns wirklich nicht vorwerfen, dass wir den Dialog verweigern, aber darüber, was Dialog ist, haben wir offensichtlich fundamental unterschiedliche Meinungen. Wenn Kollege Himmer meint, Demokratie ist, dass sogar eine bestimmte SPÖ-Bundesrätin hier reden darf, dann täuscht er sich. Das ist nicht Demokratie. Das ist nicht einmal Toleranz. Das ist nur Arroganz – und sicherlich keine Form des Dialogs! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe nichts gegen bestimmte technische Medien, und ich bin gerne bereit, mir Argumente anzuhören, aber, Herr Bundesminister, in diesem Fall: Herr Justizminister, wenn Sie glauben, dass es eine kluge Idee ist, einen Lichtbildvortrag zu veranstalten – das macht man normalerweise in Volkshochschulen etwa über "So sah ich den Anakonda" oder so (Heiterkeit bei der SPÖ) – und das als politischen Dialog bezeichnen, dann täuschen Sie sich. Dialog heißt nicht, dass bei einer Geburtstagsfeier bei einem Glas Wein gesagt wird: Geh, reden wir einmal!, sondern dass verantwortungsvolle politische Kräfte miteinander in eine Auseinandersetzung treten. Ein solches Angebot hat es weder an die Sozialdemokratie noch an die betroffenen Gewerkschafter gegeben, und auch nicht an alle jene, die hier formal zur Mitarbeit eingeladen werden. Denn wenn Sie dem Polizeipräsidenten von Wien eine klare Vorgabe geben, was herauskommen muss, dann ist das auch nicht das Einbringen von Erfahrung, sondern ist das ein Sich-nach-der-Decke-Strecken. Wenn es 110 Dienstposten weniger gibt, wird der Wiener Polizeipräsident trotzdem eine Einteilung zu Stande bringen und wird es irgendwie funktionieren – natürlich! –, aber eine Berücksichtigung der Erfahrungen ist das nicht.

Es ist heute das Beispiel des Kommissariats Liesing gefallen: Auch das ist eine interessante Frage, und da gibt es bereits Erfahrungen.

Die Wiener Polizei – das ist vielleicht nicht allen Kolleginnen und Kollegen aus den Bundesländern so bewusst – erfüllt eine Reihe von Aufgaben, bis hin zur Verteilung von Spitalsbetten. Das ist normalerweise nicht Aufgabe der Sicherheitsexekutive, aber nachdem in dieser großen Stadt das dichteste Netz an öffentlichen Dienststellen, die noch dazu rund um die Uhr besetzt sind, die Polizei ist, ist es naheliegend, hier Synergien – das hat man damals, als man das eingeführt hat, sicher noch nicht so genannt – zu nutzen. Und aus dieser positiven Erfahrung mit Synergien ist das heute nicht von mir, sondern von der Frau Vizekanzlerin gerühmte Musteramt in Liesing entstanden.

Aber was sagt dazu, was muss dazu der Wiener Polizeipräsident sagen? – Wir haben einen Weg gewählt, der in der Verschmelzung einzelner Verwaltungsbereiche – Meldewesen, Passwesen, Führerscheine und dergleichen – gegipfelt hat, und wollten damit näher an den Bürger heran. Wir haben überlegt, ob wir das nicht auf alle 23 Bezirke ausdehnen können. Aber dann ist die Entscheidung gekommen, dass wir das Meldeamt verlieren, und wie Sie jetzt wissen, sagt er, wackelt auch das Passwesen in den Bezirkskommissariaten.

Jene Synergien also, die es gegeben hat, die sparsam sind, werden jetzt ausgegliedert, anderswo mit eigenen Apparaten erledigt, und dem Versuch, eine Dienstleistung für den Bürger anzubieten, wie das umfassend in Liesing vorexerziert wurde, wird das Wasser abgegraben. Wenn das Verwaltungsvereinfachung, wenn das eine Nutzung von Synergien sein soll, dann habe ich diesen Ausdruck irgendwie falsch verstanden.


Bundesrat
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Meine Herren Bundesminister! – Frau Bundesministerin! Sie kommen dann noch dran, aber dieser Appell kann auch jetzt schon an Sie ausgesprochen werden. (Ruf bei der ÖVP: Was haben Sie vor?)  – Diskutieren, Herr Kollege, einfach diskutieren, in offener und demokratischer Weise. Wir haben aber noch ausreichend Zeit, um auch die Frau Bundesministerin und den Herrn Staatssekretär mit unseren Argumenten zu konfrontieren.

Der gemeinsame Nenner ist, dass wir hier zu einer Reihe von Bereichen Entschließungsanträge eingebracht haben, die nicht beinhalten, dass wir diese Regierung verurteilen, die nicht beinhalten, dass nichts passieren darf, sondern die in Wirklichkeit ein Gesprächsangebot beinhalten. Ich würde mich sehr freuen, und es wäre für das Klima in diesem Land gut, wenn solche Gesprächsangebote nicht ungehört verhallen würden. (Beifall bei der SPÖ.)

19.27

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer. Ich erteile es ihm.

19.27

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Wir haben heute eine sehr lebhafte Debatte erlebt, die viele Akzente geboten hat. Aber eines muss ich sagen, Herr Klubobmann: So überheblich und so weg von der Sache selbst wie Sie hat niemand argumentiert! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich kann Ihnen sagen, dass diese Problematik der Zusammenlegung der Bezirksgerichte das Justizministerium seit Jahren befasst, dass wir bemüht sind, unsere Argumente im Rahmen eines Dialoges mit jedermann einzubringen. Unsere Beamten haben in sehr professioneller Art und Weise sehr viele Grafiken und Statistiken zusammengestellt, und wir sind in der Lage, dies in Form von Lichtbildern darzulegen. Ich lasse diese Sache nicht lächerlich machen!

Alle Landesregierungen haben sich das angesehen, alle Landesregierungen haben sich das angehört, und von allen Seiten wurde uns höchste Professionalität bescheinigt. Ich finde es in höchstem Maße ungerecht und herabsetzend, insbesondere gegenüber den Beamten, so zu argumentieren, wie Sie das soeben getan haben. Ich übergebe Ihnen diese Mappe hier, und ich hoffe, dass Ihre Dialogbereitschaft nicht abgestorben ist (Bundesrat Konecny: Nicht einmal nach Ihrer Wortmeldung, Herr Minister!) und Sie diese Mappe endlich durchsehen!

Ich verstehe, dass Sie manches heute missverstanden haben, denn Sie haben über weite Strecken der Debatte Zeitung gelesen. So erklärt sich einiges, was Sie gesagt haben. – Danke schön. (Lebhafter Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.29

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Strasser. Ich erteile es ihm.

19.29

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie gestatten, dass ich auf einzelne Wortmeldungen im Verlauf dieser Debatte eingehe.

Zuerst zu Herrn Bundesrat Schennach: Das Einbinden der Gemeinden in den Gesamtprozess der Neugestaltung unserer gesamten Verwaltungsorganisation ist tatsächlich ein wichtiges Anliegen, und Herr Präsident Mödlhammer hat diese Frage zu Recht aufgeworfen.

Deshalb hat unter Federführung der dafür besonders und direkt zuständigen Vizekanzlerin neben den Landeshauptleuten und Herrn Stadtrat Rieder aus Wien auch der Österreichische Gemeindebund bereits mehrmals mit vollem Stimm-, Entscheidungs- und Mitwirkungsrecht an den Beratungen um die Neuorganisation der gesamten Bundesverwaltung teilgenommen.

Zu Herrn Bundesrat Todt: Es tut mir außerordentlich Leid, dass die Information, die an Herrn Landeshauptmann Bürgermeister Dr. Häupl ergangen ist, noch nicht bis zu den Mitgliedern des


Bundesrat
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Bundesrates gelangt ist. Aber ich gebe das gerne persönlich weiter. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Sie haben auch das Schreiben des Herrn Landeshauptmannes Bürgermeister Dr. Häupl an mich angesprochen, und dazu darf ich Ihnen sagen, dass sich – das beantwortet auch gleich ein paar Punkte, die von weiteren Rednern der Sozialdemokratischen Partei angesprochen worden sind – nach einer Aufstellung vom 18. September 2000 von der Generaldirektion – Referat Oberrat Hundsmüller für den Bundesminister – über die in den Jahren 1995 bis 2000 im Innen- und Außendienst verwendeten Sicherheitswachebeamten im Außendienst, also im Sicherheitswachebereich, der von Ihnen angesprochen worden ist, Folgendes ergeben hat: 1995 waren 7 366 Beamte, 1996 7 563 Beamte, 1997 7 878 Beamte, 1998 7 782 Beamte, 1999 7 617 Beamte und 2000 7 748 Beamte tätig.

Das bedeutet, dass es seit 1995 die höchste Zahl an Sicherheitswachebeamten, die im Außendienst tätig waren, im Jahr 1998 gegeben hat, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich darf Ihnen weiters das mitteilen, was ich Herrn Bürgermeister Dr. Häupl mitteilen durfte: dass mit Stichtag 1. Juli 2001 – also vor 19 Tagen – 75 Sicherheitswachebeamte alleine in Wien mehr im exekutiven Außendienst standen als am 1. Jänner 2000. Sie wissen: Am 1. Jänner 2000 hieß der Bundesminister Schlögl. Am 1. August 2001 werden nach Ausmusterung weitere 46 Polizeibeamte zu den 75 dazukommen. Darüber hinaus wurden zuletzt am 1. Dezember 2000 48 Sicherheitsbeamte in die Polizeischule Wien neu aufgenommen. Wenn Ihnen jemand erzählt, dass es einen Aufnahmestopp gebe, würde ich Sie herzlich bitten, das auf Grund dieser Fakten zu hinterfragen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bundesrat Reisenberger: 2001 haben wir!) Ja und? (Bundesrat Reisenberger: Wir haben 2001!)

Aha! Sie sind mit den Aufnahmekriterien noch nicht so vertraut. Da darf ich Sie aufklären darüber, was Ihre Kollegen von der Gewerkschaft natürlich im Detail wissen (Bundesrat Reisenberger: Wissen müssten!) und was Sie Ihnen sicher auch gesagt haben: dass die Aufnahme grundsätzlich am Ende oder am Beginn des Jahres erfolgt. Die letzte Aufnahme war am 1. Dezember 2000. Das Ende des Jahres 2001 kommt erst. (Bundesrat Reisenberger: Für heuer! Das müsste schon jetzt vorgesehen sein!)

Die Aufnahme ist immer entweder am Ende des Jahres oder am Beginn des nächsten Jahres. Nachdem bereits am 1. Dezember aufgenommen worden ist, war im Jänner 2001 keine Aufnahme mehr vorgesehen. Verstehen Sie: Eine Aufnahme erfolgt immer am Ende oder am Beginn des nächsten Jahres. (Bundesrat Reisenberger: Das ist klar!) Die Gewerkschafter im Bereich der Polizei wissen das im Detail; vielleicht können Sie das dort erfragen.

Zu Herrn Bundesrat Würschl: Herr Bundesrat! Vielleicht sind Karten in Kärnten abgeschickt worden – angekommen sind sie bei uns nicht. Es sind Karten aus Oberösterreich und aus Niederösterreich angekommen. Diese wurden bereits bearbeitet, und es wurden auch die entsprechenden Informationen gegeben. Wenn es aus der inneren Organisation Ihrer Freunde, der SPÖ-Bezirksorganisationen in Kärnten, noch nicht dazu gekommen ist, dass Karten weggeschickt worden sind, dann schicken Sie uns ein Fax, dann können wir sie gleich bearbeiten. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Gasteiger: Das wundert mich nicht, dass Postämter zusperren!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja – ich sage das in aller Klarheit und Deutlichkeit –, ich habe das Postenschließungsprogramm meiner Vorgänger gestoppt! Jawohl, denn das geschah nach der Rasenmäher-Methode – so wie wir das aus dem ehemaligen Wohlstandsland Schweden kennen –, dass mit einer Rasur von einem zentralen Schreibtisch von Wien aus darübergefahren wurde. Das habe ich gestoppt! (Beifall und Bravo-Rufe bei der ÖVP.)

Ich habe eingeladen, dass wir gemeinsam die Kompetenz und das Wissen vor allem unserer Bezirks- und Landesgendarmeriekommandos nützen und dass wir sinnvolle, notwendige Weiterentwicklungen in unserer Struktur, die sich an die aktuelle Gefährdungslage anpasst,


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vornehmen. Das Ergebnis dieses Prozesses war ein Vorschlag, der aus fachlicher Sicht erstellt worden ist, und diesen Vorschlag habe ich in vielen Detailgesprächen in allen Bundesländern mit sehr vielen Betroffenen sowohl aus der Polizei und der Gewerkschaft, aber natürlich auch mit regionalen Verantwortungsträgern besprochen. Das ist das Ergebnis, und ich darf Ihnen auch in aller Klarheit sagen: Eine Entscheidung ist eine Entscheidung – das ist eine Selbstverständlichkeit! –, und dieses Ergebnis wird jetzt 1 : 1 umgesetzt.

Ich darf zu Kollegen Reisenberger kommen. Er hat eine ganze Reihe von Zahlen genannt, die ich zum Teil schon auf Grund meiner Informationen entsprechend richtig stellen konnte. Eine Zahl fehlt noch, was den Kriminaldienst betrifft: Ich darf auch hinsichtlich des Kriminaldienstes vermerken, dass dank der hervorragenden Arbeit unserer Beamten vor allem auf der Führungsebene mit 1. Jänner 2001 42 Kriminalbeamte mehr – mehr!  – für die Sicherheit Wiens zur Verfügung standen, als dies im Jänner 2000 der Fall gewesen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch im Bereich des Kriminaldienstes, im Bereich der Sicherheitswache, im gesamten Bereich der Bundespolizeidirektion Wien gilt: Wir sparen in der Verwaltung, damit wir in die Sicherheit vor Ort, im Grätzl, wie das in Wien heißt, investieren können.

Dazu, dass Gespräche nicht stattgefunden hätten, sehr geehrter Herr Bundesrat, darf ich Sie auf meine Anfragebeantwortung verweisen. Es hat Ihre Fraktion entsprechende Anfragen gestellt, die ich sehr detailliert beantwortet habe. Ich wiederhole aber gerne die Antwort sinngemäß: dass Gespräche von mir persönlich mit vielen führenden Vertretern innerhalb der Landesregierung, des Gemeinderates und mit Bezirksverantwortlichen stattgefunden haben, dass ich dem verantwortlichen Projektleiter, Präsident Stiedl, den Auftrag gegeben habe, mit allen Stadthauptmännern und mit allen Bezirksvorstehern in persönliche Gespräche einzutreten, weil ich eben die Kompetenz dieser Herrschaften sehr schätze und haben möchte, dass sie in die Ergebnisse der Arbeitsgruppen miteinfließt.

Ja, Überstunden wurden eingeschränkt. Ich darf Ihnen sagen, das hat zwei Gründe. Erstens ist es – das ist nicht zu leugnen – ein finanzieller Grund. Wir haben das Geld in diesem Ausmaß nicht.

Zweitens – das darf ich aber auch sehr klar sagen – ist es auch ein dringender Wunsch des Personals. Ich kenne eine steigende Anzahl von Mitarbeitern in unseren Diensten, egal, wo sie sind, die sagen: Ich habe jetzt das dritte Wochenende hintereinander Dienst. Ich kenne meine Frau und meine Kinder nur noch vom Frühstück. Sorgen Sie dafür, dass wir eine bessere Organisation bekommen, damit ich meine Kinder, meine Frau und meine Freunde wieder sehe und meinen Hobbys wieder nachgehen kann! (Zwischenruf des Bundesrates Marizzi. ) Na selbstverständlich ist es so, dass, wenn die Zahl der Überstunden geringer wird, auch auf Grund des Wunsches der Beamten, die nicht gehaltenen Überstunden nicht bezahlt werden. Ich bitte die Mitglieder des Bundesrates, diese Haltung zu verstehen und auch zu unterstützen. Herr Bundesrat! Das ist doch wohl eine Selbstverständlichkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Wenn die Zahl der Überstunden geringer wird, und zwar deshalb, weil dies die Beamten zu einem guten Teil selbst wünschen, aber auch deshalb – das sage ich auch klar dazu –, weil wir die finanzielle Bedeckung nicht im entsprechenden Ausmaß sicherstellen können, dann heißt das Konzentration auf die Kernaufgaben. Ich darf Ihnen ein paar Beispiele nennen.

Punkt eins: Wir werden auf dem Flughafen Schwechat im Jahr 2001 zwischen 60 und 65 Millionen Schilling eingesparen. Jetzt darf ich Sie fragen – Sie gehören zu jenem Teil der Bevölkerung, der den Flughafen regelmäßig benützt –: Haben Sie irgendwo seit 1. Jänner 2001 auch nur einen Millimeter einer Änderung im Sicherheitsbereich gesehen? Haben Sie irgendwo gesehen, dass die Sicherheit unserer Mitbürger auf dem Flughafen geringer geworden wäre? – Nein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


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Ich sage Ihnen daher sehr klar: Es geht darum, intelligente neue Organisationsformen zu finden, die dazu führen ... (Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger. ) Nebenbei: Sie als Wiener Bundesrat werden das besonders schätzen. Ich würde mich eigentlich freuen, wenn Sie dieser Wertschätzung auch Ausdruck verleihen würden. Dadurch sind Überstunden, die die Bundespolizeidirektion Wien den Niederösterreichern zur Verfügung stellen musste, den Wienern wieder zurückgegeben worden. Ich verstehe nicht, warum gerade ein Gewerkschafter, der noch dazu ein Wiener Bundesrat ist, diese Maßnahme nicht für sinnvoll und unterstützungswürdig findet. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Reisenberger. )

Ja, da gebe ich Ihnen Recht, Herr Bundesrat, die Kollegen von der Sicherheitsverwaltung sind mit unserem Weg nicht einverstanden. Ich verstehe das auch. Ich sage Ihnen ganz offen, wäre ich ein Personalvertreter in der Sicherheitsverwaltung, würde mir das auch nicht gefallen. Ein Personalvertreter kann nicht dafür sein, dass der Dienstchef, in dem Sinn der Bundesminister, sagt, wir müssen in der Verwaltung sparen, damit wir in die Sicherheit vor Ort investieren können. Dieser Hinweis besteht zu Recht. Ich habe aber in Abwägung der Prioritäten und in der Verantwortung dafür, dass wir das Sicherheitsgefühl unserer Bevölkerung weiter in dem hohen Ausmaß halten wollen, ja wir haben sogar noch etwas dazugewinnen können, also in Abwägung dieser beiden Ziele, der Erhöhung des Sicherheitsgefühls und damit der Präsenz vor Ort einen höheren Stellenwert gegeben. Diese Kritik besteht nicht zu Unrecht, das möchte ich ausdrücklich sagen. Aber was auch dazugehört: Ich habe Auftrag gegeben, dass überall entsprechende Pläne erstellt werden müssen, wo abgebaut werden muss, und dass es zu keinen Härten für unsere Mitarbeiter kommt. Es ist sowieso klar, dass es auch bei Vertragsbediensteten keine Sorge um den Arbeitsplatz geben muss.

Aber ein Wort muss ich schon dazu sagen: Ich habe im Bereich der Gesamtorganisation der Sicherheit die skurille Situation vorgefunden, dass in Wien zwei Meldeämter geführt worden sind. Einmal wurde das Meldeamt bei der Bundespolizeidirektion Wien geführt, wie im Übrigen in allen 14 Polizeidirektionen, und einmal beim Magistrat. Das hat zu dem interessanten Ergebnis geführt, dass die Polizeidirektion Wien ungefähr 3 Millionen Wiener gezählt hat, während das Magistrat Wien 1,8 Millionen Wiener gezählt hat. Jetzt haben wir auf Grund dieser interessanten Situation eine Kommission benötigt, die wieder feststellt, welche Zahl jetzt richtig ist.

Ich habe dies als nicht wirklich optimal organisiert empfunden und habe daher im Übrigen einer Forderung des Österreichischen Städtebundes Nachdruck verholfen, der für eine Übertragung der Meldeämter an die Städte eingetreten ist. Das haben wir durchgeführt. Jetzt haben wir in diesem Bereich nicht nur ordentliche Strukturen, sondern wir haben auch für den Sicherheitsbereich 259 Mitarbeiter gefunden, die nicht mehr solche Tätigkeiten verrichten müssen, sondern Zug um Zug in sicherheitsnähere Tätigkeiten gebracht werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Herr Bundesrat Konecny hat das Musteramt Liesing angesprochen. Ja, das war eine ganz großartige, tolle Geschichte, die entwickelt worden ist. Das Musteramt Liesing wurde, wie ich meine, unter Bundesminister Schlögl, vielleicht unter Bundesminister Einem, aber in etwa in dieser Zeit entwickelt. Das ist beispielgebend. Vielleicht darf ich da ein bisschen in der Sache nachhelfen. Herr Bundesrat Konecny! Da geht es nicht darum, dass dort alles gesammelt wird, was den Bürgern so einfällt, sondern darum, dass all jene Dinge, die in der Sicherheitsverwaltung vorgesehen sind, also das Meldewesen, das Passwesen, das Waffenwesen, das Kfz-Wesen, das Führerscheinwesen und noch einige andere kleinere Dinge, in einer Art One-stop-Prinzip von einer Stelle aus rasch, ohne den Bürger durch 17 Gänge und 15 Stockwerke zu schicken, erledigt werden. Das war eine großartige Sache, die einen Weg vorgezeichnet hat.

Ich darf Ihnen aber sagen – und ich verstehe Ihre, darf ich mir diese Werteinschätzung erlauben, demagogischen Hinweise überhaupt nicht –, dass wir in voller Abstimmung mit Herrn Bürgermeister Häupl, mit der Wiener Stadtverwaltung daran arbeiten, dass wir in einem der Wiener Magistrate ein Musterpassamt einrichten. Das ist etwas, was Bundesrat Konecny aus Wien vielleicht interessieren würde. Ich bin ganz verzweifelt, dass die Stadt Wien ihre Meinung diesbezüglich geändert hat. Wenn Sie nähere Informationen haben, die über jene, die ich vom


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Bürgermeister direkt bekommen habe, hinausgehen, dann bitte ich Sie, mir diese zu sagen. Ich bin sehr gerne bereit, wieder in einen Dialog mit der Stadt Wien einzutreten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Letzter Punkt ist die Reform Wien. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines darf ich auch sehr klar sagen: Die Reform Wien wird nicht vom Ministerium vorgegeben. Die Reform Wien wird von den Wiener Kollegen in Eigenregie gemacht. Ich halte es für ganz großartig und unterstützungswürdig – ich würde auch die Unterstützung des Bundesrates hier erbitten –, dass die Beamtinnen und Beamten in einer ungeheuren Motivation und in einem ungeheuren Kraftaufwand in den letzten Wochen hier weit über ihren Dienstplan hinaus gearbeitet haben – im Übrigen ohne irgendeine Vorgabe inhaltlicher Natur, unter der Projektleitung des Wiener Polizeipräsidenten, der nicht von mir bestellt worden ist, sondern von einem meiner Vorgänger. Er hat trotzdem mein volles Vertrauen, und ich stehe völlig loyal zu ihm. Er ist ein rot-weiß-roter Beamter. den ich sehr schätze. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe habe ich 1 : 1 anerkannt. Ja, ich habe gebeten, dass die Arbeitsgruppe ein paar Punkte, die in der Diskussion bei der Präsentation der Ergebnisse gekommen sind, die insbesondere vom Generalinspektor und von zwei Abteilungsleitern gekommen sind – ich kann Ihnen jetzt nicht genau sagen, von welchen –, noch einmal überprüft. Ich verlasse mich auf die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe, und ich würde auch die Wiener Bundesräte herzlich einladen, desgleichen zu tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Zum Schluss, Herr Bundesrat Konecny, darf ich noch einmal auf den Dialog zu sprechen kommen. Ich habe Ihre Worte mitgeschrieben. Sie plädieren dafür, dass die verantwortungsvollen politischen Kräfte in ein gutes politisches Gespräch eintreten.

Sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich darf Sie herzlich bitten: Nehmen Sie Kontakt mit Ihrem Parteivorsitzenden, mit Ihrem Klubobmann auf! Mein Angebot steht seit Oktober 2000. Ich warte auf einen Hinweis.

Ich bedanke mich nochmals bei den grünen Verantwortungsträgern, die dieses Angebot bereits in einer für die Republik sehr verantwortlichen Form aufgenommen haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung hat sich ein klares Regierungsprogramm gegeben. Das heißt, wir wollen einen modernen Dienstleistungsstaat schaffen. Hier ist vieles zu tun. Hier ist vieles anzugehen, und es ist natürlich so, dass das eine oder andere schwierig ist und Schwierigkeiten zu überwinden sind, weil neue Wege beschritten werden müssen.

Aber diese Bundesregierung – lassen Sie mich das als Mitglied sagen – ist gewillt, dafür zu sorgen, dass einige Eckpfeiler dieser neuen Verwaltung für die Bürger auch sichtbar werden.

Das heißt erstens: Wir wollen eine effiziente Verwaltung, die sparsam mit dem Geld des Steuerzahlers umgeht. Wir wollen zweitens, dass rasch und kompetent Sorgen der Bürger übernommen werden, die die öffentlichen Dienste in Anspruch nehmen, und wir wollen drittens, dass sich die Bürger so wie bisher sicher fühlen können und in Zukunft auch sicher fühlen werden, weil die Sicherheit in diesem Land in vollem Ausmaß und sehr kompetent gegeben ist. (Lebhafter Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

19.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon zu Wort gemeldet. – Bitte.

19.52

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Meine Herren Minister! Frau Ministerin! Es ist Zeit, dass wir uns bei der SPÖ – es ist da jetzt ein bisschen die Luft heraußen – für das Thema "ländlicher Raum" bedanken. (Bundesrat Freiberger: Das ist jetzt übertrieben! – Bundesrätin Schicker: Aber Sie in Ihrem Bezirk nicht, Herr Missethon!) Da kannst du als Schwarzer nur gut ausschauen, wenn du hier heraußen


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stehst. Wenn ich an die Steiermark denke, wo 80 Prozent der Bürgermeister aus dem ländlichen Raum der ÖVP angehören, dann muss ich sagen, die Menschen in diesem Land wissen, wo sie hingehen müssen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Aber in Kärnten ist das etwas anders!)

Ich möchte mich auch für die Art der dringlichen Anfrage bedanken, denn es ist eine gute Gewohnheit geworden, dass diese immer formal schlecht vorbereitet sind. Ich denke nur daran, dass Sie auf Seite 17 schreiben, dass der VP-Obmann in der Steiermark Leopold Schöggl ist. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir im Gegensatz zu den Sozialdemokraten in der Steiermark sehr genau wissen, wer unsere Chefin ist: Das ist Waltraud Klasnic. Das ist jene Frau, wenn Sie es nicht genau wissen, die den Abstand der ÖVP zur SPÖ von 2 000 auf 100 000 Stimmen erhöht hat.

Zum Thema "ländliche Entwicklung": Ich möchte hier doch einen Aspekt aus der Obersteiermark einbringen, und es tut mir jetzt unendlich Leid, dass Peter Marizzi nicht im Raum ist. (Bundesrätin Mag. Trunk: Ich schreibe für ihn mit!)  – Ja, bitte. Wir haben – und ich glaube, es ist ein guter Zeitpunkt – die ersten Volkszählungsergebnisse vorliegen, auch aus unserem Bezirk – Frau Kollegin Schicker weiß es. Der Zusammenhang, den Sie herstellen, indem Sie sagen, wenn es keine Gendarmerieposten mehr gibt, dann sind die Orte kaputt, ist relativ leicht zu widerlegen.

Wir haben 1993 in rund fünf Orten im Bezirk Leoben Gendarmerieposten geschlossen, und heute ist festzustellen, dass drei Orte im Grunde genommen einen Zuwachs der Bevölkerungszahl zu verzeichnen haben. Also die These, dass die Schließung von Gendarmerieposten zu einer Ausdünnung der Regionen führt, ist so nicht aufrechtzuerhalten. (Bundesrat Freiberger: Wenn das die Konsequenz ist, musst du alle zusperren!)

Es sollte aber auch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass überall dort, wo man zusperrt, sich die Bevölkerungszahl erhöht. Das können wir, glaube ich, so auch nicht sagen, aber es hat offensichtlich keinen wirklich relevanten Einfluss auf die Entscheidung von Menschen, sich irgendwo anzusiedeln. Ich glaube, dafür gibt es wesentlichere Punkte. Wir haben auch – da stimmt Ihre These, zumindest was die Obersteiermark betrifft, auch nicht – in der Obersteiermark keine Landflucht, wir haben in Wirklichkeit eine Stadtflucht. Wir haben massive Abwanderungen aus dem städtischen Bereich. – Frau Kollegin Schicker verneint dies. Ich darf für die Stadt Leoben festhalten: Wir haben 1980 36 000 Einwohner gehabt, und heute haben wir 25 900 Einwohner. Wenn Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass das massiv ist, dann weiß ich nicht, was noch alles passieren muss, Frau Kollegin! (Bundesrätin Schicker: Herr Kollege Missethon! Es gibt außer der Bezirksstadt Leoben noch 21 Orte im Bezirk, und überall haben wir ein Minus von 10 Prozent! Nehmen Sie das zur Kenntnis!)

Da gibt es natürlich auch einen mittelfristigeren und längerfristigeren Aspekt. Der geht meines Erachtens über 20 bis 30 Jahre. Frau Kollegin Schicker! Man muss sich schon den politischen Rahmen anschauen, unter dem die Obersteiermark gelitten hat. Der politische Rahmen war, dass die Obersteiermark quasi sozialistisches Kernland war, mit sozialistischen Bürgermeistern (Bundesrätin Schicker: Das ist polemisch!), die Mehrheiten weit über 60 bis 70 Prozent gehabt haben, mit sozialistischen Gewerkschaftern im Bereich der verstaatlichten Industrie, abgesichert durch den zuständigen sozialistischen Gemeindereferenten in der Landesregierung, und mit sozialistischen Bundeskanzlern und Finanzministern.

Das war im Grunde genommen ein Labor für die sozialistische Gesellschaftspolitik. (Bundesrätin Mag. Trunk: Sie sind krank!) Das war das wirkliche Labor für das Ausprobieren sozialistischer Gesellschaftspolitik, und einer dieser Laborleiter war Peter Marizzi in seiner Funktion als Verstaatlichtenexperte und auch in seiner Funktion als damaliger Zentralsekretär, wie es da-mals meines Erachtens noch richtig geheißen hat. Er war ein ganz wesentlicher Promotor dieser Entwicklung in der Obersteiermark. – Erster Punkt.

Was ist das Ergebnis dieser Entwicklung? Bleiben Sie noch da, Frau Kollegin Trunk, damit Sie dann alles und nicht nur Halbwahrheiten erzählen können! Was ist das Ergebnis dieser Politik? – Das Ergebnis ist, dass sich die Einwohnerzahl in Eisenerz in den letzten zehn Jahren


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noch einmal um 16,8 Prozent reduziert hat. Dort hat es sich, so glaube ich, überhaupt um die Hälfte reduziert. Dort haben wir heute im Grund genommen nur mehr an die 5 000 Einwohner, Trofaiach hat noch weniger und auch Leoben. Vom Rest der Obersteiermark rede ich gar nicht, denn dort zeigt sich das gleiche Bild. (Bundesrätin Schicker: So ist es!) So ist es.

Was lernen wir jetzt daraus, Frau Schicker? (Ironische Heiterkeit.) Was lernen wir daraus? (Bundesrätin Schicker: Herr Missethon! Von Ihnen brauche ich nichts zu lernen!) – Wir sollten darauf achten, dass wir nicht noch einmal in eine solche Situation kommen, in solch eine politische Monokultur und in eine wirtschaftliche Monokultur, denn das war nämlich das, was uns dann in Wirklichkeit ganz massiv geschwächt und uns im Grunde genommen dorthin gebracht hat, wo wir jetzt sind. Wir haben eine wirtschaftliche Monokultur im Bereich der Verstaatlichten gehabt, und wir haben im Bereich des Handels durch den "Konsum" im Grunde genommen im Dienstleistungsbereich eine Monokultur gehabt.

Es tut mir unendlich Leid, dass Peter Marizzi nicht da ist, der zukünftige Herr Nationalrat, und es ist für mich schon bezeichnend – ich möchte das auch noch dazusagen –, dass Peter Marizzi als einer der Fädenzieher und Drahtzieher für diese Politik in der Obersteiermark jetzt beim großen Vorsitzenden Alfred Gusenbauer offensichtlich höhere Weihen erfährt. (Bundesrat Marizzi betritt unter Beifall den Saal.) Das heißt im Grunde genommen, dass dieses Know-how gebraucht wird. (Ironische Heiterkeit. – Beifall bei der ÖVP.) Wir sollten den Österreichern nur immer wieder sagen, zu welchen Ergebnissen dieses Know-how führt. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Steinbichler. – Bitte.

20.00

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ohne Absprache darf ich mich dem Dank des Kollegen Missethon anschließen, weil ich denke, es gibt keine bessere Gelegenheit, die tatsächlichen Standpunkte der einzelnen Parteien, der hier im Parlament vertretenen Parteien, aufzuzeigen. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus .)

Herr Professor Konecny ist leider ... (Bundesrat Konecny, auf dem Weg zu hinteren Bankreihen seiner Fraktion: Ich bin in Sachen Fraktion unterwegs!)  – Bitte sehr.

Herr Professor! Es steht mir zwar altersmäßig nicht zu, Ihnen Tipps zu geben, aber wenn Sie bäuerliche Ausdrücke wie "Erbhöfe" in den Mund nehmen, dann bitte ich Sie, eines zu bedenken: Wenn Sie weiterhin so gute Wahlergebnisse erzielen wollen – zu denen ich Ihnen übrigens gratuliere –, dann bitte ich Sie, Ihrem Wählervolk nicht zu erklären, welche Nachteile der ländliche Raum erleidet und worauf die Ausdünnung im ländlichen Raum in Wahrheit zurückzuführen ist, nämlich auf den abgestuften Bevölkerungsschlüssel und den Finanzausgleich, und was das für uns bedeutet.

Erklären Sie einmal meinen Auracher Gemeindebürgern, warum sie pro Kopf nur 6 000 S wert sind, Bürger in Ihrem Bezirk hingegen 12 000 bis 15 000 S, und Bürger in einem noch günstiger liegenden Bezirk sogar 18 000 S, Herr Kollege! – Das sind die "Erbhöfe", von denen wir reden. Und das sind wirklich Ihre Erbhöfe, das ist richtig.

Wenn in Oberösterreich die Statutarstädte Linz, Wels, Steyr, die bekanntlich nicht in der Obhut der Regierungsparteien sind, beim Bevölkerungsschlüssel in etwa 2- bis 2,5-mal so gut aussteigen wie die ländlichen Gemeinden, um die Sie sich jetzt Gott sei Dank sorgen – gemeinsam mit Herrn Kollegen Marizzi; ich bin äußerst dankbar dafür –, dann muss man das erklären, wenn man eine dringliche Anfrage zur Ausdünnung des ländlichen Raumes einbringt.

Jetzt kommen wir zur Sache. Wenn die Regierung heute verantwortlich gemacht wird für dieses und jenes, und wenn zum Beispiel auch die Nebenbahnen angesprochen werden, dann darf ich ein Beispiel dafür bringen, was politisch als Erfolg verkauft wurde.


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Man hat mit der Flexibilisierung der Arbeitszeiten – was man politisch als Erfolg verkauft hat; Stichwort: frei, ungebunden, Mobilität – natürlich auch vieles, was in jahrelanger Aufbauarbeit geschaffen wurde, in Frage gestellt. Stichwort: Lenzing AG – ich brauche nichts hinzuzufügen. Dort hat man den angenehmen Schichtbus gehabt; das war eine äußerst soziale Einführung, vom Betrieb finanziert. Dieser Bus war durch die Einführung der gleitenden Arbeitszeit nicht mehr zu halten, auch nicht mit Unterstützung der Gemeinden. Das sind Beispiele, für die man nicht diese Regierung verantwortlich machen kann.

Ein Kollege hat heute auch die Handschlagqualität angesprochen. – Jawohl, Bundeskanzler Vranitzky war bei uns in Lenzing vor Ort, als wir im Zuge der Lyocell-Ansiedlung in Heiligenkreuz im Burgenland die Demonstrationen mit den Arbeitnehmern gehabt haben. – Jawohl, es wäre Handschlagqualität gewesen, wenn das, was uns in Vöcklabruck in der Lenzing AG versprochen wurde, auch gehalten worden wäre! Aber bekanntlich haben die Geldgeber im Hintergrund andere Interessen gehabt.

Meine Damen und Herren! Sprechen wir von Handschlagqualität, und reden wir davon, was die Fakten sind, und nicht darüber, wie es zu sein scheint! Eine gewisse Realitätsverweigerung kann ich Ihnen hier in der Diskussion nicht absprechen. Man muss die Entwicklung zur Kenntnis nehmen. So, wie ich bisher nur im landwirtschaftlichen Bereich aufgezeigt habe, welche Auswirkungen das Konsumverhalten auf die betroffenen Gruppen hat, muss man das Konsumverhalten auch in anderen Bereichen ansprechen.

Kollege Schennach ist zu Recht auch um die Greißler, um die kleinen Kaufläden und Geschäfte besorgt. Aber wissen wir auch, was die tägliche Praxis ist? – Man braucht nur zum Beispiel in Linz in der UNO-City vorbeizuschauen und interessehalber zu zählen, wie viele Vöcklabrucker Autonummern man dort findet. Es ist einfach im Familienkreis, im Bekanntenkreis, im Freundeskreis modern geworden, auf Shopping-Tour zu gehen – Stichwort: das Erlebnis "Shoppen".

Wir sind zwar sehr sensibel, wenn der Gendarmerieposten fünf Kilometer weiter aufgelassen wird, aber sonst spielen die Grenzen keine Rolle, die beachtet man gar nicht. Sie brauchen nur einmal zu Pfingsten in Richtung Ungarn zu fahren! Vierspurige Autostraßen sind verstopft. – Daran sieht man, wie differenziert hier über diese Dinge diskutiert wird. (Bundesrat Konecny: Der Bauernbund ...!)  – Der Bauernbund hat beim abgestuften Bevölkerungsschlüssel beim Finanzausgleich klare Position bezogen, Herr Kollege! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf ein weiteres Beispiel betreffend die Häuselbauer bringen. – Da wird aus dem Bezirk Vöcklabruck nach Linz zu "Hornbach" gefahren oder zu anderen Einkaufsriesen, die sich dann rühmen, wie viele Arbeitsplätze von ihnen geschaffen wurden, aber nicht dazusagen, wie viele Arbeitsplätze in der kleinen Struktur, im gewerblichen Bereich vernichtet werden, wenn ein solches Riesen-Möbel-Center in ein Ballungszentrum kommt, wie viele Tischler, wie viele Bodenleger, wie viele Tapezierer, wie viele Malermeister ihren Beruf, ihre kleine Firma aufge-ben müssen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das ist nichts anderes als Zentralisierung! (Bundesrat Gasteiger: Wer ist denn für die Erweiterung der Öffnungszeiten?! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege! Ein weiteres Beispiel: Es wurden sogar die Rechtsanwälte angesprochen. Ich darf Ihnen ein Beispiel von voriger Woche bringen. Ein junger Mitarbeiter aus einem Notariat ist im Rahmen meines Sprechtages zu mir gekommen und hat gesagt, er sieht in seinem Beruf keine Zukunft mehr. Wenn nämlich in Zukunft sogar Grundgeschäfte mit notarieller Beglaubigung über das Internet abgewickelt werden können, dann ist natürlich für einen Notar kein Markt mehr gegeben. Man darf an der Realität nicht vorbeigehen: Diese Errungenschaften, derer wir uns so rühmen, haben natürlich, wie jede Medaille, zwei Seiten.

Nächstes Beispiel: Post, Internet-Zugang. – Wenn ich heute über Internet täglich zu jeder Tageszeitung Zugang habe, dann wird die Zustellung der Zeitung bald nicht mehr zur Arbeit des Briefträgers gehören. Ich frage Sie außerdem, ob nicht die Jugend, die jüngere Generation heutzutage lieber ein SMS verschickt oder ein kurzes Telefonat führt, als einen persönlichen


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Brief zu schreiben. – Das sind die Fakten der Entwicklung, das Konsumentenverhalten und sein Ergebnis.

Dasselbe gilt für Bankgeschäfte, Stichwort: Telebanking. – Wer geht heute noch persönlich zur Bank? (Rufe bei der SPÖ: Ich! Ich!) Wo werden Herr und Frau Meier noch höflich begrüßt, ihr Kontostand bekanntgegeben und ihre Behebung erledigt?

Wir sind schon so weit gekommen, dass manche Leute gar niemandem mehr abgehen. Wir finden sie in den Hochhäusern manchmal erst dann, wenn leider schon der Verwesungsgeruch nach außen dringt. – Das sind die Auswirkungen dieser modernen Entwicklung!

Ein letzter Punkt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich darf noch einen letzten Punkt bringen, weil der Slogan "Regierung neu" oder "neu regieren" angesprochen wurde. – Ich darf ein konkretes Beispiel bringen. Mit der Einführung des Kindergeldes, die erstmalig für alle Mütter ein klares Zeichen der hochoffiziellen Politik war, dass diese wertvolle Leistung Erziehung der öffentlichen Hand etwas wert ist, ist man unserem Wertsystem, unserem Weltbild natürlich einen Schritt näher gekommen, weil in unseren Augen die sozialste Versorgung im Alter ein funktionierender Familienverband ist. Für uns gibt es keine bessere Pflege und keine persönlichere Betreuung als jene durch die Kinder, durch die Schwiegerkinder und durch die Enkelkinder. (Bundesrätin Schicker: Darüber können wir morgen reden! Morgen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir würden uns sehr viel Geld durch die öffentliche Hand, durch diverse Sozialvereine sparen (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), wenn diese Arbeit im sehr persönlichen Umfeld eines funktionierenden Familienverbandes übernommen werden würde. Frau Kollegin Schicker! Hören Sie sich das an, rechnen Sie es durch, und überlegen Sie, ob das nicht das Ziel wäre! Schauen Sie sich die Geburtenraten an! Reden wir von Fakten und nicht von einer Scheinwelt, die es leider so nicht gibt!

In diesem Sinne möchte ich Sie bitten, in der Diskussion darauf Rücksicht zu nehmen. – Ich bedanke mich ganz herzlich. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

20.08

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Marizzi. – Bitte.

20.08

Bundesrat Peter Marizzi (SPÖ, Niederösterreich): Herr Bundesminister Strasser! Herr Bundesminister Böhmdorfer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gehört, Herr Kollege Missethon hat gemeint, ich sei ein Drahtzieher, ein Fädenzieher.

Ich fühle mich heute persönlich betroffen und von Ihnen angegriffen, denn ich habe wirklich versucht, eine grundsätzliche Debatte zu führen. Ich habe nicht wie andere versucht, diese Debatte parteipolitisch zu nützen und vielleicht unter der Gürtellinie herumzuschlagen. Ich habe gesagt: Wir müssen den Dialog suchen, wir müssen – auch meine Fraktion – über Parteigrenzen hinweg denken und so weiter.

Sie haben gesagt – und da bin ich sehr heikel! –, ich war der Fädenzieher beim Niedergang der Obersteiermark. – Ich erzähle Ihnen jetzt für das Protokoll meine Geschichte:

Ich war Betriebsansiedler, bevor ich in die Politik ging. Wir hatten am Standort Ternitz 2 000 Leute abzubauen; das war die Stahl-Krise. Die Hälfte oder ein Drittel dieser Menschen kannte ich und war vielleicht mit 20 Prozent von ihnen per Du;

Ich war in Japan, ich war in Finnland, ich war in der Schweiz und habe damals mit einem Netzwerk von Unternehmensberatern und Betriebsansiedlern – gemeinsam mit der ICD, mit Generaldirektor Genn – Betriebsansiedlungen gemacht. Es ist gelungen, das Werk "Amada" nach Ternitz zu bringen, und es ist gelungen, das Werk "Fischer-Druckguss" nach Ternitz zu bringen.


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Apropos Amada: Wir waren letzte Woche mit Herrn Landesrat Gabmann von der ÖVP dort und haben den Grundstein für eine Erweiterung gelegt, da sich das Werk jetzt verdoppelt.

Ich war für die Obersteiermark zuständig. Ich hatte damals zwei Generaldirektoren, nämlich Generaldirektor Schmollgruber, der bekanntlich der ÖVP angehört hat, und Generaldirektor-Stellvertreter Grobarth, Vorstandsdirektor für die Final-Industrie, der parteipolitisch auch der ÖVP angehört hat.

Wir haben für die Obersteiermark ein Programm gehabt, nämlich ... (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)  – Nein, Moment! Da bin ich sehr heikel, denn da ging es um Tausende Arbeitsplätze.

Wir haben für die Obersteiermark ein Programm gehabt, die Verstaatlichte zurückzunehmen, gleichzeitig Privatbetriebe anzusiedeln und teilweise verstaatlichte Betriebe zu privatisieren.

Ich war unter anderem dabei, das Bierfass in Mürzzuschlag, das Edelstahlfass, zu privatisieren. Ich habe damals schwierige Situationen mit den Betriebsräten erlebt, wie Sie sich vorstellen können. Ich musste natürlich manchmal Leute mit entlassen, aber gleichzeitig habe ich auch versucht, Leute mit einzustellen.

Ich war damals auch der "Drahtzieher" in der Löwelstraße – Zentralsekretär, sehr geschätzter Herr Bundesrat Missethon! Es kam einmal – jetzt wird es interessant! – ein Abgeordneter aus Graz zu mir und hat gesagt: Da gibt es einen "eigensinniger" Austro-Kanadier, der fährt mit dem Auto herum und will sich in Österreich ansiedeln.

Dieser Nationalratsabgeordnete hieß Tychtl. Diesen Nationalratsabgeordneten Tychtl und den anderen "Drahtzieher", nämlich Stronach, brachte ich damals zu einem Gespräch bei Bundeskanzler Vranitzky. Und aus diesen "Drahtzieher"-Aktivitäten und "Fädenzieher"-Aktivitäten ist heute einer der größten Auto-Cluster Mitteleuropas entstanden, Herr Kollege Missethon!

Natürlich – das gebe ich zu – haben wir viele Fehler gemacht. Alle, die arbeiten, machen Fehler. Auch ich habe in meinem Leben Fehler gemacht. Aber dass Sie sich hier herstellen und über mich urteilen, als ob ich die Obersteiermark demoliert hätte, das habe ich nicht notwendig, Herr Kollege Missethon! (Lebhafter Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich behaupte eines: Sie sind leider nur ein Retorten-Ökonom! Sie haben bis heute weder einem Arbeiter die Hand geschüttelt noch ein Kilo Eisen verkauft! – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

20.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

20.13

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister Strasser hat hier mitgeteilt, dass er ein hohes Vertrauen in den Wiener Polizeipräsidenten hat – ich hoffe, das weiß der auch! – und dass dieser ihm einen Vorschlag gemacht hat, wonach eben Bezirkskommissariate zugesperrt werden. – Also das ist – ich werde mich im Qualifizieren jetzt sehr zurückhalten – eine eigenwillige Interpretation der Vorgangsweise.

Der Wiener Polizeipräsident hat am 29. Juni öffentlich – er genießt Ihr Vertrauen, Herr Minister – deutlich erklärt: Bei diesem Projektauftrag, der ihm erteilt wurde, scheint der Bundesminister als Auftraggeber auf, der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit als Verantwortlicher und ich als Projektleiter. Damit verbunden war ein ganz konkreter Auftrag, nämlich dass die Anzahl der Bezirkspolizeikommissariate zu verringern ist.

Verstecken Sie sich nicht hinter dem Wiener Polizeipräsidenten, der das durchführt, was Sie bei ihm in Auftrag gegeben haben, denn das ist seine dienstliche rot-weiß-rote Aufgabe! Leicht – das muss ich auch dazusagen – haben Sie es ihm dabei nicht gemacht. Sie haben uns hier ein paar Zahlen genannt, die ich nicht überprüfen kann, aber der Polizeipräsident von Wien sagte


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am 29. Juni: Der Stellenplan 2001 ist mir noch nicht bekannt. Jetzt haben wir Juli, und ich kenne ihn noch nicht. Nach den errechneten Zahlen, die in etwa stimmen werden, werden wir 2001 100 Planstellen bei der Sicherheitswache, 20 beim Kriminaldienst und 30 bei der Verwaltung einsparen müssen.

Das unterscheidet sich von den Zahlen, die Sie hier genannt haben, drastisch. Ich habe keine Möglichkeit, das zu überprüfen, aber irgendwie liegt nahe: Es kann nur einer Recht haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Drittens: Herr Bundesminister! Sie haben unter dem Jubel der Regierungsabgeordneten erklärt, Sie hätten am Flughafen Wien-Schwechat 25 Millionen Schilling für Überstunden eingespart. (Bundesminister Dr. Strasser: 65!)  – 65, noch besser!

In welchem Zeitraum soll das gewesen sein? (Bundesminister Dr. Strasser: Ab 1. Jänner 2001.)  – Das geht ja nicht, wir haben jetzt Juli. (Bundesminister Dr. Strasser: Im Jahr!)  – Ab 1. Jänner 2001 können Sie nicht "im Jahr" etwas eingespart haben. Wir haben erst ein halbes Jahr. (Bundesrat Dr. Böhm und Bundesrat Mag. Gudenus: Das kann man ja hochrechnen!)  – Sie rechnen hoch? Sie haben etwa 32 Millionen bis Ende Juni eingespart, meinten Sie damit, und wollen es auf 65 Millionen hochrechnen? Oder bezieht sich das auf das Jahr 2000? – Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln, Sie brauchen mir nur eine Antwort zu geben. (Bundesminister Dr. Strasser: Ich gebe Ihnen eine Antwort!)  – Nein jetzt, denn ich habe nicht mehr viel Redezeit. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn es 65 Millionen im Jahr sind, dann haben Sie im Monat 5 Millionen Schilling eingespart (anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP) und dann erzählen Sie mir einmal, wie viele Beschäftigte davon betroffen sind! – Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder die Leute beziehen kein Gehalt mehr, was ich nicht wirklich glaube, oder Sie haben dort etwa 500 Beschäftigte, denen Sie je 10 000 S weggenommen haben. Jeder von Ihnen kann das mathematisch nachvollziehen.

Viertens: Herr Bundesminister! Sie haben hier so getan, als ob es in Wien zwei Meldeämter gäbe. Das ist absolut lächerlich. Die Stadt Wien führt in Form der MA 62, wie jede andere Gemeinde, die Wählerevidenz – Bürgermeister wissen das –, wobei es ein Datenabgleichungserfordernis gegeben hat.

Und allerletztens, Herr Justizminister, und das ist wirklich das Größte: Sie haben mir dieses Papier vor vier Monaten gegeben, um damit eine bestimmte Reduzierung – auf 64 – der Bezirksgerichte zu begründen. Jetzt gibt es wieder etwas Anderes, nur das Papier, für das ich danke, ist noch immer dasselbe. Begründung für jede Lebenslage – immer dasselbe Papier. (Beifall bei der SPÖ.)

20.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Strasser. – Bitte.

20.17

Bundesminister für Inneres Dr. Ernst Strasser: Ich bin gerne bereit, hier ein Kolloquium, eine intensive Information zu geben (Bundesrat Würschl: Es braucht kein Kolloquium zu sein, es muss nur die Wahrheit sein!), aber ich bin natürlich auch bereit, im persönlichen Gespräch zur Verfügung zu stehen.

Herr Bundesrat! Nun zu den vier Punkten, die mich betreffen. Erstens: Ich habe leider den Projektauftrag nicht hier, aber ich werde mir erlauben, ihn jedem Mitglied des Bundesrates zur Verfügung zu stellen. Ich werde zuerst mit dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit und mit dem Polizeipräsidenten sprechen, ob sie damit einverstanden sind, weil der Auftrag gemeinsam formuliert worden ist. Ich werde Ihnen eine Kopie übermitteln, damit Sie sich ein Bild über den Inhalt des Projektauftrages machen können.


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Es ist so, wie ich das klar erklärt habe, nämlich dass völlige Weisungsfreiheit im Inhalt der zu ergreifenden Maßnahmen besteht. Und das ist ... (Bundesrat
Konecny: Das Ergebnis ist klar!)  – Nein, es ist überhaupt kein Ergebnis klar! Das unterscheidet eben meine Amtsführung, Herr Bundesrat Konecny, entschieden von der Amtsführung meiner Vorgänger, weil ich die Mitarbeiter arbeiten lasse und keine Ergebnisse vorgebe, wenn gearbeitet wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Der Polizeipräsident ist nicht dieser Meinung!)

Zum Zweiten: Ich kann nicht genau sagen, was im Stellenplan steht, aber wir alle wissen, oder jeder, der über die Sache informiert ist, weiß, dass der Stellenplan ein theoretisches Konstrukt ist. (Bundesrat Konecny: Der Polizeipräsident wird es doch wissen!)  – Ich habe über die tatsächlichen Stände gesprochen, und diese sind entscheidend, mit Verlaub, und nicht das, was in irgendwelchen Stellenplänen verzeichnet ist. Die tatsächlichen Stände sind jene, die ich genannt habe.

Drittens: die 65 Millionen. Herr Bundesrat! Ja, das ist natürlich richtig, das wäre nicht einzusparen bei der kleinen Bundespolizeidirektion Schwechat. Das ist das Teuflische, und das ist es, worum ich so bitte: dass ein Wiener Bundesrat sehen kann, dass ich durch eine Neuorganisation des Flughafens Dutzende Millionen an Überstunden der Wiener Polizeidirektion wieder zurückgegeben habe!

Dasselbe gilt – das sei den niederösterreichischen Bundesräten gesagt – für die Polizeidirektion Wiener Neustadt und für die Polizeidirektion St. Pölten. Wir haben, so wie in Schwechat, auch hier mit einer neuen, modernen Organisationsstruktur für ein Funktionieren gesorgt und dafür, dass Überstunden wieder dorthin kommen, wo sie hingehören.

Zum Letzten: Es tut mir Leid, aber es ist nun eben einmal so, dass in allen Gemeinden Österreichs die Meldeämter von den Gemeinden geführt werden. Nur in den 14 Polizeidirektionen wurden erst zu dem Zeitpunkt, als diese Regierung die Verantwortung übernommen hatte und wir eine entsprechende Änderung des Meldegesetzes nicht nur im Nationalrat, sondern auch im Bundesrat umsetzten und damit eine dringende Forderung des Städtebundes erfüllten, die Meldeämter aufgelöst und an die Magistrate übertragen. – Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der ÖVP.)

20.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Bieringer. (Bundesrat Dr. Aspöck meldet sich von seinem Sitzplatz aus zu einem Redebeitrag.) – Ist es eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung (Bundesrat Dr. Aspöck: Nein!) oder eine tatsächliche Berichtigung? – Gut.

Zu Wort gelangt nun Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte.

20.21

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Meine Herren Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will beileibe diese Debatte nicht verlängern, aber ich glaube, dass hier ein paar Beleidigungen zum Ausdruck gebracht wurden, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen.

Herr Kollege Würschl! Ich fordere Sie mit aller Deutlichkeit auf, hier herauszugehen und den Ausdruck zurückzunehmen, dass Packelei unter Christenmenschen üblich sei. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das Format hat er nicht!) Das haben Sie hier gesagt. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das Format hat er nicht! – Bundesrätin Mag. Trunk: Das ist die Aussage ... vom Herrn Wurmitzer – und nicht Würschl!) Frau Kollegin Trunk! Ich bitte Sie – mir ist das viel zu ernst! (Bundesrätin Mag. Trunk: Ja, mir auch!)  – Gut.

Herr Kollege Marizzi – ich schätze Peter Marizzi sehr, damit diesbezüglich hier kein Missverständnis entsteht! –, Kollege Missethon hat nicht in Frage gestellt, was der Betriebsansiedler Marizzi geleistet hat, sondern er hat lediglich kritisiert, dass der Drahtzieher der politischen Systems, der damalige Zentralsekretär – so hat er, glaube ich, gesagt; damals hat es noch


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"Zentralsekretär" geheißen ... (Bundesrätin Mag. Trunk: "Des sozialistischen Labors"! – Ruf bei der SPÖ: "System" hat niemand gesagt!) Selbstverständlich hat er das gesagt, nicht wahr? – Aber ihn dann einen "Retortenökonom" zu nennen, das finde ich ebenfalls ein starkes Stück! (Bundesrat Marizzi: Ich nehme das zurück!)

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, meinen, dass der Bundesminister für Inneres dem Polizeipräsidenten keinen Auftrag geben darf, dann weiß ich nicht, wer ihm einen Auftrag geben darf. Er hat nichts anderes getan, so wie er das bei den acht Landesgendarmeriekommandanten und bei den übrigen Polizeidirektoren ebenfalls getan hat, als Vorschläge einzuholen, und er wird und darf auch, so meine ich, sagen, welche Zielvorgabe er sich vorstellen würde.

Über die Ideen, über den Ideenreichtum des Polizeipräsidenten von Wien braucht sich der Bundesminister für Inneres keine Gedanken zu machen. Er wird hoffentlich für diesen hoch dotierten Job selbst Ideen haben und Ideen einbringen, denn dass nicht alles in Ordnung ist, das wird niemand bestreiten, und dass es da und dort Mängel gibt, die man abstellen kann, und dass da oder dort Verwaltungsvereinfachungen möglich sind, ist, so glaube ich, auch selbstverständlich. Ich habe einmal gesagt – und wurde damit auch in Ihrer heutigen Anfrage zitiert –: Jeder sagt, dass Reformen notwendig sind, aber Reformen sind immer nur beim anderen notwendig – so quasi nach dem Floriani-Prinzip: Lieber Herrgott, zünde das Haus des Nachbarn an und lass mich verschont!

So haben wir leider Gottes in den letzten Jahren gearbeitet. (Bundesrat Konecny: Sie haben so gearbeitet?! Na geh! – Ruf bei der SPÖ: Da wart aber ihr dabei!) So wurde in dieser Republik in den letzten Jahren gearbeitet! Diese Regierung ist nicht bereit, diese Arbeit so fortzusetzen. Sie macht eine moderne Politik, und Garant für eine moderne rot-weiß-rote Politik ist alleweil noch Bundesminister Strasser! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

20.24

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Aspöck. – Bitte.

20.25

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Frau Präsidentin! Meine Herren Minister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Klubvorsitzender der SPÖ! Es ist Ihnen mit Aktionismus gleich am Beginn gelungen, einen Lichtbildervortrag, den der Herr Bundesminister für Justiz in Zusammenarbeit mit seinen Beamten als Diskussions- und Informationsgrundlage erarbeitet hat und den man sehr wohl an den Anfang einer Diskussion stellen kann, hier ins Lächerliche zu ziehen. Sie haben dabei ganz übersehen, dass man aus solchen Dingen und auch aus dieser Broschüre, auf die ich dann noch zu sprechen kommen werde, auch Informationen holen kann. Dann kommt man zum Beispiel nicht auf die Idee, dass man Schülerfreifahrten mit den Kosten der Fahrt zum Gericht vergleicht, Herr Professor!

Der österreichische Zeuge hat seit Urzeiten – seit Urzeiten! – die Freifahrt zum Gericht! Wissen Sie das? – Verdienstentgang und Fahrtkosten stehen mir als Zeuge zu (Bundesrat Konecny: Für die Parteien nicht!); ich brauche also keine Schülerfreifahrt!

Es wäre daher vielleicht besser, sich die Informationen in solchen Diskussionen zu holen, anstatt Äpfel mit Birnen zu vergleichen, nur weil man die Dinge halt nicht versteht. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Das gilt aber nur für Zeugen!)

Sie haben es auch blendend verstanden, die Broschüre, die von den hervorragenden Beamten im Ministerium in Zusammenarbeit mit dem Herrn Bundesminister erarbeitet wurde, ins Lächerliche zu ziehen. Und auch hiefür gilt das Gleiche: Egal, wie viele Bezirksgerichte zur Schließung vorgeschlagen werden, die statistischen Zahlen, Herr Professor, sind das Wesentliche! Das ist die Grundlage der tatsächlichen Diskussion, und auf dieser Grundlage kann sich im Nachhinein eine andere Zahl ergeben. Man kann natürlich auch hier wiederum so agitieren, dass man diese Grundlage dem Herrn Minister auf den Tisch zurückwirft. Ich hoffe jedoch nicht, dass dies der


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künftige Stil der Auseinandersetzung in diesem Hause ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.27


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Auer und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Bericht an den Bundesrat über die Personaldotationen im Falle der Zusammenlegung von Gendarmerieposten vor.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit abgelehnt .

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Todt und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend das Wiener Forderungspaket zur Sicherheit in Wien vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Minderheit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Würschl und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Neuverhandlung der Schließung von Gendarmerieposten zu Gunsten des ländlichen Raumes vor.

Auch über diesen Entschließungsantrag lasse ich abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt .

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Marizzi und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Neuverhandlung der Schließung von Gerichtsstandorten zu Gunsten des ländlichen Raumes vor.

Über diesen Entschließungsantrag lasse ich ebenfalls abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Dringliche Anfragen

der Bundesräte Johanna Schicker und GenossInnen an die Bundesministerin für Innovation, Verkehr und Technologie betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes – Anfragenserie, Anfrage III (1834/J-BR/01)

Dringliche Anfrage der Bundesräte Johanna Schicker und GenossInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Ausdünnung des ländlichen Raumes – Anfragenserie, Anfrage IV (1835/J-BR/01)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringlichen Anfragen der Bundesräte Johanna Schicker und Genossen an die Frau Bundesministerin für Innovation, Verkehr und Technologie sowie an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Da diese inzwischen allen Bundesräten zugegangen sind, erübrigt sich die Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile daher Frau Bundesrätin Schicker als Anfragestellerin das Wort zur Begründung. – Bitte.

20.30

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte erlauben Sie mir, noch kurz auf die Ausführungen von Kollegen Missethon einzugehen. Da diese dringliche Anfrage das gleiche Thema betrifft, kann ich darauf noch zurückkommen.

Die Aussage von Kollegen Missethon betreffend die verstaatlichte Industrie wurde von Kollegen ...

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Entschuldigung! Habe ich das richtig verstanden, dass Sie auf die Äußerungen von Kollegen Missethon eingehen wollen? – Dieser Tagesordnungspunkt ist nunmehr erledigt! – Bitte.

Bundesrätin Johanna Schicker (fortsetzend): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundes-ministerin! Die Vorrednerinnen und Vorredner meiner Fraktion haben in der gleich lautenden dringlichen Anfrage an Ihre Kollegen Dr. Strasser und Dr. Böhmdorfer bereits darauf hingewiesen, warum wir in großer Sorge sind und unsere Befürchtungen sich immer mehr verstärken (Bundesrat Dr. Maier: Aber nicht glaubwürdig!), dass die Ausdünnung des ländlichen Raumes, aber auch ganzer Regionen von der jetzigen Regierung systematisch betrieben wird.

Diese radikale und, wie ich meine, unüberlegte Kaputtsparpolitik dieser Regierung bedingt zwangsläufig einen massiven Abbau ländlicher Infrastruktur, ein Aushungern von Gemeinden und auch eine neue Form des Zentralismus, den wir sozialdemokratische Ländervertreterinnen und -vertreter so nicht hinzunehmen bereit sind. Und das alles nur deswegen, so meine ich und so meinen wir, um überhastet und mit allen nur erdenklichen Mitteln ein Nulldefizit herbeizuführen, auch unter dem Deckmäntelchen der so genannten Verwaltungsreform – ohne Rücksicht auf Verluste.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sie und in erster Linie auch der Herr Staatssekretär sprechen immer nur von Zahlen. Wir sprechen von Menschen und von Menschenschicksalen, die dadurch entstehen, dass Sie mit einem, so meine ich, ungeheuren Zynismus seitens der Regierung über diese betroffenen Menschen – und diese gibt es in der Zwischenzeit in ganz Österreich – hinweggehen. Dorfgemeinschaften zerfallen, weil Arbeitsplätze vor Ort verloren gehen. Neue Ansiedlungen erfolgen immer nur im Umfeld großer Städte, trotz großer Bemühungen der Bürgermeister – und es sind einige Bürgermeister hier im Raum, die das bestätigen werden – in den kleineren Gemeinden und Städten.

Auf Grund der in der Zwischenzeit überall auftretenden Geldnöte der Gemeinden können auch lukrative Ansiedlungsangebote nicht mehr gemacht werden, da selbst für eigene Infrastrukturmaßnahmen nur mehr geringe Mittel zur Verfügung stehen. Obwohl die endgültigen Ergebnisse der diesjährigen Volkszählung noch nicht vorliegen, lässt es sich erahnen, mit welch einem enormen Bevölkerungsschwund manche Gemeinden, manche Städte, Bezirke und sogar Regionen schon jetzt zu kämpfen haben. Man spricht generell schon von Landflucht. Dieser Bevölkerungsschwund wird sich durch die jetzt praktizierte Schließungspolitik natürlich nahtlos fortsetzen.


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Neben den geplanten Schließungen von Gerichten und Gendarmerieposten, die bereits behandelt wurden, setzt sich dies vor allem auch bei den geplanten Reduzierungen von Postämtern, bei der Einstellung von Nebenbahnen, bei der Nicht-Inangriffnahme von Infrastrukturmaßnahmen und vielen anderen Maßnahmen fort. Es geht hier einerseits um die Sicherheit, andererseits um die Versorgung der Bevölkerung und letztendlich um Arbeitsplätze. Wer die Infrastruktur abbaut, baut Arbeitsplätze ab.

In unserem Bezirk Leoben mussten wir bereits feststellen, dass nach Schließung einer Nebenbahn zum Beispiel die versprochenen Busse nicht fuhren und Schichtarbeiter von Vordernberg nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Donawitz in die Schicht fahren konnten, wie wir es nennen. Das ist die Realität, wenn man eine Nebenbahn zusperrt und nicht die entsprechende Vorsorge trifft, damit diese Leute auch weiterhin mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommen. Frau Bundesministerin! Solche Vorgangsweisen bereiten uns natürlich berechtigte Sorgen!

Darüber hinaus sind wir auch ein Bezirk mit einer der größten Abwanderungen – Kollege Missethon hat es schon angesprochen. Es gibt Gemeinden mit einem Bevölkerungsschwund von mehr als 10 Prozent in zehn Jahren, und dieser Trend ist aus heutiger Sicht noch nicht zu Ende. Jetzt wird auch noch die Infrastruktur zerstört.

Frau Bundesministerin! Glauben Sie, dass das der richtige Weg ist? – Ich habe in den letzten Monaten nichts von Ihnen gehört, dass Sie sich dazu irgendwo geäußert hätten, außer – ja, entschuldigen Sie – dass Sie einen Spatenstich in Kärnten durchgeführt haben. Aber die Steiermark betreffend habe ich nichts gehört, dass infrastrukturmäßig irgendetwas weitergegangen wäre.

Auch durch die Einschränkungen im Postdienst wird der ländliche Raum, werden die Gemeinden massiv bedroht. Postannahmestellen werden geschlossen, beziehungsweise es werden deren Arbeiten Nahversorgungsgeschäften übertragen, sofern es solche überhaupt noch gibt.

Bis Mitte 2002 sollen österreichweit 712 Postämter geschlossen werden – das habe ich gestern der Presse entnommen –, also ein Drittel aller jetzigen Postämter. Betroffen sind davon rund 850 Mitarbeiter, manche sprechen sogar von 1 500 Beschäftigten. Die Abschiebung der Verantwortlichkeit in dieser Frage, Frau Bundesministerin, nämlich dahin gehend, dass es sich dabei um unternehmensinterne Entscheidungen handle, wie Sie unter anderem in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung bemerkt haben, zeigt deutlich, dass Sie in dieser Frage entweder überfordert sind oder Ihre Verantwortung eben ganz einfach nicht so wahrnehmen, wie Sie sie wahrnehmen sollten. Und innerhalb der Regierung sind nun einmal Sie, Frau Bundesministerin, hiefür zuständig und sonst niemand!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch in vielen Landtagen – und da sage ich Ihnen wahrscheinlich nichts Neues – wurden einstimmige Beschlüsse für die flächendeckende und qualitätsvolle Versorgung der ländlichen Regionen mit Postdiensten sowie den Erhalt der bisherigen Standorte von Postämtern und Postservicestellen gefasst. Ebenso gab es in vielen betroffenen Gemeinden einstimmig gefasste Resolutionen, die wahrscheinlich auch Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesministerin, zugegangen sind. Ich kenne diese von vielen Gemeinden meines Bezirkes, und überall klingen die gleichen Sorgen durch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gemeinden leiden aber auch stark unter dem Wegfall der Getränkesteuer. Sie mussten viele geplante Infrastrukturmaßnahmen zurückstellen beziehungsweise überhaupt ad acta legen, weil teilweise nicht einmal das ordentliche Budget durch Einnahmen abgedeckt werden kann, geschweige denn, dass im außerordentlichen Haushalt außerordentliche Vorhaben getätigt werden könnten. Darunter leidet natürlich in erster Linie, neben den Bürgerinnen und Bürgern, auch die Bauwirtschaft, da sich fehlende Aufträge sofort auf den Arbeitsmarkt auswirken. Gerade wir in der Steiermark sind heuer besonders stark davon betroffen. Viele Bauarbeiter waren im Frühjahr infolge des Fehlens von Bauaufträgen als arbeitslos gemeldet. Selbst das Land Steiermark hat keinen einzigen Bauauftrag vergeben. –


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Das ist auch kein Wunder, wenn man weiß, dass täglich 10 Millionen Schilling seitens der Steiermark an den Bund abgeliefert werden müssen und der Vertrag hiefür von unserer Frau Landeshauptfrau mit lachendem Gesicht unterschrieben wurde. Da frage ich mich schon, wo die Sorgen der SteirerInnen liegen! Sie hat dafür kein Verständnis, habe ich das Gefühl.

Dass die Gemeinden dadurch ausgehungert werden, liegt auf der Hand. Es ist einfach kein Geld mehr für sie vorhanden. Subventionszuweisungen werden willkürlich fast nur mehr an ÖVP- beziehungsweise FPÖ-Gemeinden vergeben – frei nach dem Motto: Rot raus und Blau und Schwarz hinein. (Zwischenrufe der Bundesräte Keuschnigg und Weilharter. ) Aber natürlich! Ich rede hier von Subventionen von Seiten des Kulturlandesrates, wobei rote Gemeinden einfach negiert werden, lieber Kollege Weilharter – und du weißt das. Die Bürgerinnen und Bürger der ländlichen Gemeinden bezahlen für diese Vorgangsweise natürlich die Zeche. (Bundesrat Weilharter: Die Zinsen Ihrer ...!) Wenn die Infrastruktur nicht mehr aufrechterhalten werden kann, verlassen die Bewohner die Gemeinde und siedeln sich dort an, wo Arbeitsplätze vorhanden sind, und das ist in erster Linie im weiteren Umfeld von größeren Städten.

Natürlich hat das auch auf die Frauen und Familien negative Auswirkungen, da durch die soeben geschilderten finanziellen Verhältnisse der Gemeinden auch der Ausbau neuer, flexibler Kinderbetreuungseinrichtungen nicht mehr möglich sein wird. Im Gegenteil: Es wird aus Geldmangel zu Schließungen von Kindergärten und Schulen kommen. Der öffentliche Nahverkehr funktioniert nicht mehr. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Frauen, Kinder und Familien werden die Betroffenen sein, Herr Kollege, und die weitere Abwanderung ist zwangsläufig vorprogrammiert.

Das Kindergeld, das auch schon angesprochen wurde, über das wir morgen diskutieren werden, wird das Übrige dazu beitragen. Ich unterstelle: Dahinter steckt System, und zwar ein System, mit welchem Frauen mit Kindern aus dem Berufsleben verdrängen werden sollen, da auf dem Land weder die nötigen Kinderbetreuungseinrichtungen noch ausreichend öffentliche Verkehrsmittel mehr zur Verfügung stehen werden. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) Darüber diskutieren wir morgen, lieber Kollege Steinbichler! Morgen haben wir mehr Zeit dafür!

Aus den vorher genannten Gründen ersuche ich Sie, sehr geehrte Frau Bundesministerin, und Sie, sehr geehrter Herr Staatssekretär, um die Beantwortung unserer dringlichen Anfrage. (Beifall bei der SPÖ.)

20.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich zunächst die Frau Bundesministerin für Innovation, Verkehr und Technologie zu Wort gemeldet. – Bitte.

20.41

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesräte! Ich erlaube mir, Ihre Fragen, die an mich gestellt wurden, zu beantworten.

Die erste Frage lautet: "Auf welchen Nebenbahnen wird in Österreich bis zum Jahresende 2001 der Betrieb eingestellt werden?" – Lassen Sie mich zunächst einmal daran erinnern, welches Gesetz auch Sie beschlossen haben. Es betrifft dies besonders das operative Geschäft der ÖBB, und Sie wissen, dass man als Bundesministerin gerade im Operativen sehr wenig eingreifen kann.

Um einige Fragen vorweg zu nehmen: Tarifkürzungen, die an Bedingungen geknüpft sind, etwa ob man einen Internetanschluss hat oder nicht, können durch mich nicht gefällt werden. Sie haben auch Gesetze betreffend ein Gesamtpaket von gemeinwirtschaftlichen Leistungen beschlossen, und in diesem Bereich kann man als Minister nur sehr schwerlich politische Lenkungsinstrumente einsetzen. – Das sei nur zum Überblick gesagt.


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Das betrifft insbesondere auch die Situation im Zusammenhang mit den Nebenbahnen, denn die betriebswirtschaftliche Überprüfung und die Frage der Einstellung der Nebenbahnen ist operative Angelegenheit der ÖBB. Ich kann mich nur im hohen Maße dafür einsetzen, dass ausgeschrieben wird, und das habe ich getan. Nur dadurch war es möglich, dass nur sehr wenige Nebenbahnen mit Änderungen des Fahrplanes im Juli diesen Jahres ihren Verkehr eingestellt haben. Es waren insgesamt nur elf, und ich darf sie aufzählen: Freiland –Türnitz, Göpfritz – Raabs, Ernstbrunn – Mistelbach, Poysdorf – Dobermannsdorf, Weitersfeld Niederösterreich – Drosendorf, St. Paul – Lavamünd, Wietersdorf – Hüttenberg, Weizelsdorf – Ferlach, Rohr – Bad Hall, Mürzzuschlag – Neuberg Ort, Gmünd – Litschau.

Für die Bahnen Zell am See – Krimml, St. Pölten – Mariazell und Ober-Grafendorf – Wieselburg/Erlauf, Waidhofen an der Ybbs über Lunz am See und Gstadt nach Ybbsitz, Siebenbrunn-Leopoldsdorf – Engelhartstetten, Gmünd – Groß Gerungs ist ein Weiterbetrieb durch die ÖBB vorgesehen, weil ich es so angeordnet habe.

Die Bahn Staatsgrenze nächst Ehrwald zur Staatsgrenze nächst Schönbichl wird im Auftrag des Landes Tirol durch die DB-Regio zunächst auf ein Jahr weitergeführt, weil ich mich dementsprechend eingesetzt habe. Insbesondere betreffend die Außerfernbahn, welche die ÖBB einstellen wollten, und zwar in einem Gebiet, das regional sehr betroffen ist, habe ich nicht nur angewiesen und unterstützt, dass die DB-Regio weiterfährt, sondern mich auch dafür eingesetzt, dass die Elektrifizierung ausgebaut wird und auch der Güterverkehr eines ansässigen Unternehmens dort sehr stark und massiv betrieben wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nur zur Erinnerung: Bei der Einstellung der Nebenbahnen gibt es grundsätzlich mehrere Szenarien: Entweder die ÖBB stellt nur den Güterbetrieb ein oder den Personenbetrieb oder den Gesamtbetrieb. Und je nachdem sind wir immer für die Infrastruktur zuständig. Das heißt, jeder, der sich auch bei den Ausschreibungen privat bewirbt und den Betrieb aufnimmt, hat die volle Unterstützung des Infrastrukturministeriums, weil wir bereit sind, die Infrastruktur zu halten. Alles andere ist nicht in unserer Aufgabe.

Auf diese Weise ist es eben gelungen, dass wir einige Nebenbahnen erhalten werden können. Ich darf noch ein niederösterreichisches Beispiel nennen: Betreffend die Strecke Siebenbrunn-Lepoldsdorf – Engelhartstetten darf ich feststellen, dass ich den Österreichischen Bundesbahnen eine verkehrspolitische Weisung geben musste, den Personenverkehr auf dieser Strecke weiter zu betreiben, obwohl sich herausgestellt hat, dass es gar keinen Grund gegeben hat, diesen einzustellen. Sie sehen, wie mühsam es ist, manche Strecken zu erhalten, aber es ist mir keine zu minder, dass ich mich nicht dafür einsetze.

Etwas muss ich aber auch sagen: Sie wissen ganz genau, dass die Länder und insbesondere die Regionen aufgefordert sind, ihre Unterstützung zu geben, und zwar nicht nur verbal, indem etwa nur die Bedeutung in den Medien dargestellt wird. Vielmehr bedeutet Unterstützung auch, Beiträge zu leisten, und es obliegt jeder Region, dass sie entsprechende Beiträge in unseren öffentlichen Personennahverkehr auch erbringt. Ich darf Sie daran erinnern, dass auch dieses Gesetz in einer Zeit entstanden ist, in der Sie sicherlich auch mitverantwortlich waren, und wenn Sie sich die Bedingungen dazu ansehen, dann wissen Sie auch, wer dafür verantwortlich ist, einen derartigen Weiterbetrieb auch zu unterstützen. Alle sind aufgerufen – die Gemeinden, die Länder, auch die Tourismusverbände –, zu zeigen, wie wichtig die Nebenbahnen sind, und wenn ein anderes Verkehrsmittel denselben Dienst leistet, dann wird man sich überlegen, ob es unbedingt eine Nebenbahn sein muss, die den der so wichtigen öffentlichen Personennahverkehr betreibt.

Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass diese Bundesregierung mehr Budgetmittel als die anderen Regierungen zur Verfügung gestellt hat, nämlich ganze 750 Millionen Schilling! Das ist mehr als das Doppelte als bei früheren Budgets. Dies kommt dem öffentlichen Personennahverkehr zugute und ist damit eine Unterstützung des ländlichen Raumes.


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Zur Frage 2: "Wird es dafür Ersatzverkehr in gleicher Qualität geben?" – Dazu muss ich Ihnen sagen, dass es jeweils vom Ergebnis der Ausschreibung abhängen wird, welche Qualität die Weiterführung bewerkstelligen kann.

Zur Frage 3: Diesbezüglich beziehen Sie sich auf eine Anfragebeantwortung von mir vom 4. Juli, in der ich anführe, dass die Eignung der Interessenten für eine Reihe von Nebenbahnen auf Basis der Informationsunterlagen überprüft wird. Sie fragen mich nach dem Ergebnis der Überprüfung. – Dazu muss ich Ihnen aufklärend sagen, dass es sich bei der Ausschreibung nach den EU-Richtlinien um ein zweistufiges Verfahren handelt. Zunächst erfolgt die Interessentensuche, und wie Sie wissen, wurde diese bis zum 23. Mai befristet und ist nunmehr als Entscheidungsgrundlage dafür heranzuziehen, ob die jeweilige Strecke eingestellt werden kann oder nicht.

Wenn die Interessentensuche erfolgreich ist, müssen wir wiederum ausschreiben. Die ausschreibende Stelle ist die Schieneninfrastruktur-Gesellschaft, die ich damit beauftragt habe, und dann wird europaweit öffentlich ausgeschrieben. Diese Ausschreibungen sind zurzeit im Laufen.

Die Frage 4 bezieht sich auch auf den gleichen Inhaltskreis: Sie fragen mich, ob ich der Meinung bin, dass ich mit der Qualität der Ausschreibungsergebnisse die einer österreichischen Ministerin übertragene Verantwortung in geeigneter Weise wahrnehme, oder ob es nicht vielmehr so ist, dass die gesamte Verantwortung für den Nahverkehr im ländlichen Raum dadurch "privatisiert" wird. – Ich darf Ihnen dazu sagen, dass für private und für öffentliche Verkehrsunternehmen die gleichen Voraussetzungen gelten, und Sie werden doch nicht jemanden, der von privater Seite kommt und den Wettbewerb stark fördert, hintanstellen lassen, nur weil ein öffentlicher Betrieb vorliegt! So kann es nicht sein, so kann auch Ihre Frage sicherlich nicht gemeint sein!

Der Gesetzgeber hat mit dem Öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrsgesetz die Länder und Gemeinden in die Verantwortung genommen – ich habe heute schon darauf hingewiesen –, in ihrem Bereich selbst zu bestimmen, und dafür haben die Gemeinden ihr ordnungspolitisches Instrumentarium der Verkehrsanschlussabgabe nominiert. Sie wissen, dass sie auch den Mineralölsteueranteil zur Finanzierung heranziehen und verwenden können. Ich darf an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen: Das Interesse an und die Bedeutung von Nahverkehrsinstrumenten von Nebenbahnen bestimmen nicht zuletzt die Länder.

5. Frage: "Haben Sie betreffend die Privatisierung der Post-Autobus-AG nunmehr Gespräche mit dem Bundesminister für Finanzen aufgenommen und welche verkehrspolitischen Bedingungen für die Privatisierung haben Sie dem Bundesminister für Finanzen als für Ihr Ressort unverzichtbar mitgeteilt? – Insbesondere die Überlegung, ob die Zusammenlegung von Postbus und Bahnbus, also von zwei staatsnahen Unternehmen, Synergien bringen und den Nahverkehr bewerkstelligen können, gibt es schon jahrlang, und ich glaube nicht, dass es nur an den politischen Entscheidungsträgern gelegen ist, dass das noch nicht zu Stande gekommen ist. Es ist dies eine sicherlich sehr sinnvolle Synergie, die wir auch wieder aufgreifen werden.

Es gelten eben für die Post-Autobus-AG grundsätzlich dieselben Rahmenbedingungen wie für alle übrigen Kraftfahrlinienunternehmen: Es gilt das mit 1. 1. 2000 in Kraft getretene Bundesgesetz über die Ordnung des öffentlichen Personennah- und Regionalverkehrs, welches heute schon mehrmals angesprochen wurde, nämlich das ÖPNRV-Gesetz. Gemäß diesem Bundesgesetz sind die Unternehmen zu eigenverantwortlichem und selbständigem Handeln angehalten. Gesonderte Bestimmungen gibt es für die Post-Autobus-AG daher nicht.

Es wird unterschieden zwischen den eigenwirtschaftlichen und den gemeinwirtschaftlichen Verkehrsdienstleistungen. Für die gemeinwirtschaftlichen liegt die Verantwortung sowohl für den Personennah- als auch für den Regionalverkehr bei den regionalen Gebietskörperschaften. Meine Damen und Herren! Das sind die Gemeinden und die Länder! Das heißt: Es obliegt den Ländern und Gemeinden, entsprechende Verkehrsdienstverträge mit der Post-Autobus-AG auszuverhandeln und zu finanzieren, wobei für die Länder die Mittel der Mineralölsteuer und für die Gemeinden die Mittel aus der Verkehrsanschlussabgabe herangezogen werden können.


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Etwas darf ich auch noch ganz deutlich sagen: Der Betrieb der Post-Autobus-AG ist im Wesentlichen und im hohen Maße aus dem Bereich der Schüler- und Lehrlingsfreifahrten gesponsert und unterstützt. Das ist also eine nochmalige öffentliche Unterstützung. Damit es hier gerade bei den Verträgen auch mit den Verkehrsverbünden mehr Transparenz gibt und auch die Gelder zu denen kommen, die die Leistungen brauchen, werden wir gemeinsam mit dem Gesundheitsminister diese Verträge durchsehen und auch auf Transparenz prüfen, damit die Leistungen der Schülerfreifahrten auch dorthin kommen, wo sie gebraucht werden.

In Frage 6 befragen Sie mich noch einmal zum Thema Post-Autobus-AG. Sie beziehen sich auf eine Anfragebeantwortung, gemäß welcher der Bund seinen Zuschuss für die Österreichische Post-Autobus-AG jährlich um 20 Prozent, also innerhalb von fünf Jahren auf Null reduzieren wird. Sie fragen mich, ob ich mit den Ländern und den Gemeinden hinsichtlich der Zuschüsse konkrete Verhandlungsergebnisse erzielt habe und sich die Länder und Gemeinden bereit erklärt haben, die Zuschüsse des Bundes zu übernehmen.

Klar und deutlich darf ich Ihnen sagen, dass diese Reduktion ab dem Jahr 2000 vom Nationalrat schon in einem Gesetz vor der Zeit dieser Regierung beschlossen wurde. Das heißt, die Bedingungen, die Sie jetzt kritisieren, wurden schon zu einem früheren Zeitpunkt beschlossen.

Für zusätzliche Verkehrsdienste besteht im Übrigen die Möglichkeit, weitere Bundesmittel im Rahmen der Bestimmungen des Gesetzes im Ausmaß von 50 Prozent zu lukrieren, wenn andere Gebietskörperschaften ebenfalls 50 Prozent zu diesem Verkehrsdienstvertrag beitragen. Das heißt, dass da auch wieder die Länder gefordert sind. Vorreiter sind Salzburg und Steiermark, die schon von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben.

In der Frage 7 fragen Sie, in welcher Form ich sicherstelle, dass nicht nach Privatisierung der Post-Autobus-AG massiv Kurse – insbesondere im ländlichen Raum – eingestellt werden oder die Fahrentgelte zu Ungunsten der BewohnerInnen im ländlichen Raum erhöht werden.

Es ist das Unternehmen Post-Autobus-AG wie jedes andere Kraftfahrlinienunternehmen nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu führen, und daher ist die Post auch berechtigt, nichtnachfrageorientierte Kurse einzustellen. Solche Kurse sind dann nur gemeinwirtschaftlich zu führen, wenn seitens der Länder unter Beachtung des schon so oft zitierten ÖPNRV-Gesetzes eine entsprechende Aufrechterhaltung der Kurse vereinbart und finanziert wird.

Das heißt, in der gesamten Fragestellung rund um die Post-Autobus-AG beziehen Sie sich immer wieder nur auf die Verantwortung des Bundes. Nehmen Sie daher bitte als Länderkammer die Botschaft mit, auch Ihre Verantwortlichen in den Ländern dazu auffordern, ihren Beitrag zu leisten, denn für den Infrastrukturbereich, für den wir zuständig sind, ist Geld da! Wir haben auch sehr viel für den öffentlichen Personennahverkehr budgetiert. Es liegt nun an Ihnen, sich dafür einzusetzen, dass Ihre Forderungen, die Sie zu Recht stellen, dementsprechend umgesetzt werden.

Wir kommen zur Frage 8, die da heißt: "Wie beurteilen Sie als zuständige Ministerin die Zeitungsberichte (zum Beispiel "Der Standard" vom 17. 7. 2001), wonach bis Mitte 2002 österreichweit 712 Postämter geschlossen werden und 560 Postlern" – wie Sie die Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter der Post nennen – "der freiwillige Abgang" – unter Anführungszeichen – "‚versüßt‘ werden soll?".

Welche Informationen im "Standard" stehen und woher diese – ebenfalls unter Anführungszeichen – "Insiderinformationen" kommen, kann ich als Ministerin nicht beeinflussen. Ich kann Zeitungsartikel nicht in dieser Form kommentieren. Aber ich kann Ihnen ganz deutlich sagen, dass ich seit Monaten die Post auffordere, ihr Konzept vorzulegen. Ich habe dies auch dementsprechend urgiert. Wie mir jetzt mitgeteilt wird, gibt es eine Aufsichtsratssitzung am 7. August diesen Jahres, in welcher die zuständigen Verantwortlichen des Postvorstandes dieses Konzept vorlegen werden. Sie wissen, so glaube ich, ganz genau, dass die Post AG


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nicht in meinem Einflussbereich liegt, wenngleich ich sehr wohl als Regulierungsbehörde die gesetzlichen Vorgaben gebe.

Etwas ist ganz klar – ich habe dies nicht nur deutlich in zwei Briefen, sondern auch im persönlichen Versprechen ausgedrückt –: Bis zur Erlassung einer Postuniversaldienstverordnung wird kein einziges Postamt geschlossen. Daher verstehe ich nicht, warum Sie immer die Postuniversaldienstverordnung urgieren. Vielleicht tun Sie dies auch, weil Sie wissen, dass all die Argumente, die Sie jetzt sehr oft plakativ vorbringen, nicht mehr halten. Denn ich habe gesagt: Der ländliche Raum ist mir wichtig. Wir werden nicht in quantifizierten Zahlen und Entfernungen ein Konzept erstellen können. Vielmehr ist der umgekehrte Weg gefragt. Die Post hat ihr Konzept vorzulegen, um zu verdeutlichen, was ihre Maßnahmen zur effizienteren Gestaltung des Postuniversaldienstes bedeuten.

Ganz wichtig ist auch – ich weiß, dass daher die Anstrengungen der Post AG löblicherweise nun sehr groß sind –, dass ich gesagt habe: Nur im Einvernehmen mit den Gemeinden und den Regionen können Konzepte ausgearbeitet werden, und es muss dann an Hand von Pilotbeispielen in den Regionen gezeigt werden, was das jeweils bedeutet. Denn es geht den Bürgerinnen und Bürgern nicht darum, in welches Gebäude sie gehen, ob es nun Postamt, Postdienststelle, Postgeschäftsstelle oder wie auch immer heißt. Wichtig ist, dass die tägliche Zustellung an den Haushalt gewährleistet ist und erfolgt. Dafür bin ich eindeutig. Die Zahl der Landabgabekästen darf nicht erhöht werden, diese darf es nur in ganz unwegsamen Geländen geben.

Folgendes ist mir vor allem wichtig: Die Qualität soll nicht auf dem jetzigen Standard gehalten, sondern verbessert werden. Es kann nicht sein, dass man auf einen Brief drei bis vier Tage wartet. Sicher ist es richtig, dass in der Zeit der heutigen Kommunikationstechnik, der Mails, des Telefons und aller möglichen anderen Möglichkeiten zur Nachrichtenübertragung, vielleicht nicht mehr so wichtig ist, physische Post zu erhalten. Dennoch ist das wichtig, und zwar insbesondere für den ländlichen Raum, wo die elektronische Kommunikation noch nicht so stark verbreitet ist, und für Leute, die den Zugang dazu noch nicht haben. Diese sollen die Post sehr wohl dorthin bringen können, wo sie es wollen.

Es kann daher nicht sein, dass man auf einen Brief drei bis vier Tage wartet. Daher wird die Qualitätssteigerung ein ganz wesentliches Merkmal in der neuen Postuniversaldienstverordnung sein. Die Zustellung am nächsten Tag muss sich in einer Größenordnung von 95 Prozent bewegen. Und das ist ein sehr hoher Prozentsatz! Und auch für den zweiten und dritten Tag wird es quantifizierte Zahlen geben.

Gemeinsam mit der Bemühung um ein Konsensfinden in den Gemeinden und Regionen ist das der Grund, warum wir die Postuniversaldienstverordnung so sorgfältig behandeln. – Immer ist Ihnen alles zu schnell und zu unüberlegt! Daher lasse ich die Frage nicht gelten, noch dazu, wenn das Versprechen gilt, dass bis zum Erlassen der Verordnung kein einziges Postamt mehr geschlossen wird! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich habe damit auch die Frage 9, in der Sie mich fragen, wie ich als zuständige Ministerin die Auswirkungen der Schließstrategie auf den ländlichen Raum beurteile, im Wesentlichen beantwortet, weil ich von Anfang an gesagt habe: Es ist mir der ländliche Raum wichtig.

Ich darf auch ganz deutlich sagen: Jetzt zu urgieren, wann eine Verordnung kommt, nachdem man jahrelang nur an einer Verordnung gebastelt und es nie zu einer Stellungnahme gebracht hat, und dann zu kritisieren, das ist nicht wirklich parlamentarischer Ehrsinn! In Anbetracht dessen muss ich sagen: Wenn wir jetzt längere Zeit dazu brauchen, gemeinsam im Dialog eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen, und ich von Anfang an sage, dass mir der ländliche Raum wichtig ist, so entspricht das sicherlich den Grundsätzen, die Sie zu Recht auch von mir fordern! (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Die Frage 10 betreffend das Datum der Erlassung der Postuniversaldienstverordnung habe ich, so glaube ich, bereits umfangreich behandelt.


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Zur Frage 11: "Wie werden Sie auf die schweren Bedenken im Rahmen der Begutachtung der Post- und Universaldienstverordnung hinsichtlich der Qualität der Postdienste im ländlichen Raum reagieren?" – Zum einen darf ich sagen: Die Bedenken waren nicht so dramatisch schwer. Stellungnahmen sind aber dazu da, dass man gute Argumente bekommt – und das ist auch richtig so –, um sie in Abwägung richtig einzuarbeiten, und es wurde insbesondere – das ist, so glaube ich, für den ländlichen Raum wichtig – die Anregung aufgenommen, dass es nicht mehr Landabgabekästen geben soll. Da bin ich ganz bei Ihnen. Das ist nicht erforderlich, und die Zustellung direkt an den Haushalt ist für mich ganz wesentlich. Wir gehen von der Voraussetzung aus, dass wir gemeinsam mit den Gemeinden und Regionen Lösungen finden. Das ist für mich ein ganz wesentlicher Punkt, denn die Regionen und die Gemeinden können mit entscheiden, und sie können – und das ist meines Erachtens ein wesentlicher Fortschritt – nicht nur Informationen zur Beurteilung bekommen, warum es gerade das eine oder andere Postamt sein muss, dessen Schließung bevorsteht, sondern sie können auch in die Daten Einsicht nehmen und hinterfragen. Sie müssen die Erklärungen direkt bekommen und nicht nur eine einfache Information.

Sie fragen mich in Frage 12, welche Maßnahmen ich darin plane, vorzuschreiben, um eine flächendeckende Postzustellung auch in Zukunft in jedem Haushalt in Österreich zu gewährleisten. – Ich habe Ihnen schon gesagt, dass es ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass die entsprechende Abhol- und Zustellfrequenz in einer neuen Verordnung eingearbeitet wird. Es muss jedenfalls gewährleistet sein, dass von Montag bis Freitag zugestellt wird. Grundsätzlich – das ist schon im Postgesetz enthalten, da bedürfte es gar keiner Verordnung – verpflichtet sich die Post AG beziehungsweise ist verpflichtet, einen flächendeckenden Universaldienst aufrecht zu halten. Es ist dies ein Rest des Monopols und – wie ich meine – zugleich Pflicht und Möglichkeit. Und ich wiederhole: Ich möchte nicht, dass die Anzahl der Landabgabekästen im Zuge dieser neuen Postuniversaldienstverordnung erhöht wird.

Die Fragen wiederholen sich insofern, als Sie mich in der Frage 13 noch einmal darauf anreden. Sie fragen mich: "Mit welchen anderen Maßnahmen wollen Sie als Verkehrs- und Postministerin den Wirtschaftsstandort ‚ländlicher Raum’ stärken?" – Ich habe das, so glaube ich, für den Postbereich bereits ausführlich dargestellt. Im Mobilfunkbereich wurden bereits die Mobilfunknetze GSM und DCS 1800 flächendeckend ausgebaut. Mit den vergebenen UMTS-Konzessionen ist auch die bundesweite Versorgungspflicht verbunden. Darüber hinaus verpflichtet auch das geltende Telekommunikationsgesetz die Telekom Austria AG dazu, einen österreichweiten Universaldienst anzubieten. Das heißt, die Grundausstattung ist immer ein Universaldienst.

Es war mir zusätzlich sehr wichtig, die Mobilität der Bevölkerung auch entlang der Nebenbahnen zu erhalten. Ich habe heute schon über die Ausschreibung gesprochen, die von mir initiiert wurde. Das ist für mich eine Möglichkeit zu gewährleisten, dass so viele Ausschreibungen wie möglich gemacht werden, dass sich Anbieter auch dementsprechend bewerben und Nebenbahnen erhalten werden können. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass bereits Nebenbahnen international ausgeschrieben und privatisiert werden konnten und dass darüber hinaus die Attraktivität des Nahverkehrs in der Fläche durch die Förderungen in der Höhe von bis zu 50 Prozent, die wir in unserem Budget haben, gewährleistet ist. Wir haben also hohe Budgetvorsorge getroffen.

Ich möchte bei dieser eher allgemein gehaltenen Frage zum ländlichen Raum auf ein paar Argumente eingehen, die Sie, Frau Berichterstatterin, zum lokalen Thema Steiermark gebracht haben. – Ich glaube, dass Sie über die Infrastrukturübertragung für den Raum Steiermark vielleicht nicht ganz informiert sind. Zum Thema Spielfeld-Strass – Graz-Puntigam – Bahnhof Graz und den Investitionen in einer Höhe von Milliarden habe ich kurz eine überschlagsmäßige Berechnung vorgenommen und festgestellt, dass es in etwa knapp 2 Milliarden Schilling sein müssen, die in meiner Zeit schon freigegeben wurden, Es liegt nicht an mir, wenn übertragenes Volumen nicht bauwirksam wird, sondern es liegt oft an den Planungen, die nicht von meinem Haus gemacht werden. Das kommt immer wieder vor. Wir haben 36 Milliarden Schilling bauwirksames Volumen in unserem Budget, und es ist nicht durch unser Verschulden oft deshalb nicht bauwirksam, weil entweder Projekte nicht fertig sind oder Projekte überraschend freige


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geben werden, weil man gar nicht damit rechnet und diese nicht ausschreibungsreif sind und somit auch nicht vergeben werden können.

Ich erinnere nur daran, dass 4 Milliarden Schilling auf Grund falscher Ausschreibungen von den ÖBB bis zur Jahresmitte nicht freigegeben werden konnten. 4 Milliarden Schilling an bauwirksamem Volumen in Österreich ist eine ganze Menge! Da brauchen wir nicht über die Frage der Arbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft zu reden, sondern wir müssen vielmehr darüber reden, wie groß Baulose sein dürfen, dass sie die mittelständischen Unternehmen in unserem Lande auch bewerkstelligen können. Ich sehe nicht ein, dass bei Autobahnbaustellen, bei allen möglichen Tunnelbaustellen oder bei Brückenbaustellen immer so große Baulose ausgeschrieben werden, dass sie unsere Unternehmen gar nicht bewältigen können. Das ist ein Punkt, bei dem wir ansetzen müssen! (Bundesrat Kraml: Wer schreibt denn das aus?) Das ist etwas, wofür ich mich einsetze! Aber es verhält sich nicht so, dass nichts übertragen wurde, sondern ganz im Gegenteil: Gerade die Steiermark konnte von mir schon sehr großzügig bedient werden, und das, obwohl ich einen sehr eingeschränkten Budgetrahmen habe, bei welchem es mir nur gelingt, durch kleine Umschichtungen die Möglichkeiten der machbaren Bauinfrastruktur weiterzugeben und auszuschreiben.

In der letzten Frage, der Frage 14, werde ich von Ihnen noch gefragt, wie ich die Auswirkungen aller Maßnahmen der Mitglieder der Bundesregierung und der Bundesregierung in der Gesamtheit – von der Schließung von Gendarmerieposten und Bezirksgerichten über die Einstellung der Postdienste bis hin zu Investitionsstopp in den Gemeinden durch die öffentliche Hand und in der Folge durch Private – auf die Lebenssituation und die Wirtschaftssituation im ländlichen Raum einschätze.

Ich muss Ihnen dazu sagen: Mein Herz gilt dem ländlichen Raum. Ich komme aus dem ländlichen Raum. Ich weiß es, was es heißt, an gute Infrastruktur angebunden zu sein. Ich weiß, was ein Entwicklungspotenzial ist. Ich verstehe daher die Kritik an dem Bereich, der mich betrifft, nicht! Anhand der Postuniversaldienstverordnung habe ich Ihnen ganz deutlich aufgezeigt, wie wesentlich mir der ländliche Raum ist. Bei der Straßeninfrastruktur im ländlichen Raum sind die Gemeinden und die Länder im hohen Maß gefordert, denn sie nehmen die Prioritätenreihung vor und setzen fest, welche Projekte ihnen wichtig sind.

Ich habe auch in allen anderen Bereichen sehr deutlich gezeigt, wie wichtig mir der ländliche Raum ist. Daher verstehe ich Ihre Kritik, was meinen Verantwortungsbereich anlangt, nicht ganz! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

21.09

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nunmehr dem Herrn Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen, Herrn Dr. Alfred Finz, zur Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen das Wort. – Bitte.

21.09

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Sehr verehrte Bundesräte! Sie haben in Ihrer Anfrage einleitend den Begriff "Diktat der Kostenkeule" gebraucht. – Ja! Es ist dies ein Diktat der Kostenkeule. Wer hat diese Kostenkeule aber verursacht? Das muss ich Ihnen zum wiederholten Mal sagen. (Bundesrat Gasteiger: Das ist ein alter Hut!) Ich danke für diese Worte, denn dann kann man all das darlegen! Im Jahr 1970 übernahm eine SPÖ-Alleinregierung ein geordnetes Budget ohne Defizit und ohne Schulden. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. ) Ich sage Ihnen die konkreten Zahlen: Im Jahr 1970 betrug das jährliche Defizit 7,2 Milliarden, und das in einer Phase des Wiederaufbaues der Nachkriegszeit! Damals gab es halt Finanzminister wie Kamitz, Koren und so weiter!

Der Gesamt-Schuldenstand betrug 43,6 Milliarden Schilling. Bereits im Jahr 1986 ist es sozialistischen Finanzministern gelungen, diese 7,2 Milliarden an Defizit auf über 100 Milliarden zu erhöhen – bereits im Jahr 1986! (Bundesrätin Schicker: Weil Österreich modern geworden ist, Herr Finanzstaatssekretär!)


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Sie sagen jetzt immer – Herr Exfinanzminister Edlinger sagt das –, es wurden Investitionen gemacht. (Bundesrat Gasteiger: Ja! Was denn?) Es wurden nicht nur Investitionen getätigt – obwohl sich auch Investitionen rechnen müssen; ich kann mir nur solche Investitionen leisten, die ich auch finanzieren kann –, es wurden damit auch Transferzahlungen finanziert. Es wurden auch laufende Ausgaben mit Defiziten, mit Krediten finanziert, wenn es sich mit den Einnahmen nicht ausgegangen ist. Das war keine geordnete Finanzpolitik! (Bundesrat Gasteiger: Jedenfalls geben Sie es einmal zu!)

Der Schuldenstand bis zum Jahre 2000, bis zum 4. Februar 2000, hat sich auf 2 000 Milliarden Schilling erhöht. (Bundesrätin Schicker: Aber Sie waren dabei!) Die Schulden sind viermal so rasch gestiegen wie die Einnahmen. (Bundesrätin Schicker  – in Richtung Vizepräsident Weiss –: Herr Vizepräsident! Sie haben auch mitbeschlossen! So ehrlich muss man sein!) Bei einem Budget von 800 Milliarden beträgt heute der jährliche Zinsendienst 100 Milliarden Schilling.

Wir waren in der EU bei der Defizitbekämpfung Schlusslicht – auf dem letzten Platz! Heute sind wir unter den Defizitländern bereits auf dem ersten Platz. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wir haben Deutschland überholt, wir haben Frankreich überholt, wir haben Italien überholt, und wir haben Portugal überholt. (Bundesrat Gasteiger: Um was für einen Preis! – Bundesrätin Schicker: Um welchen Preis! Der Preis ist groß!) Wir haben allein in einem Jahr, von Edlinger zu Grasser (Bundesrat Gasteiger: Um was für einen Preis!), das Defizit um 30 Mil-liarden abgebaut: von 70 Milliarden auf knapp 40 Milliarden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Der Preis ist groß!) Das ist Finanzpolitik, die Sie verschlampt haben – ich gebrauche bewusst das Wort "verschlampt haben"! (Bundesrätin Schicker: Den Preis zahlen die Bürger!)

Wir hätten alle diese Probleme nicht, wenn sozialistische Finanzminister den goldenen Grundsatz beherzigt hätten, dass ich alles, was ich ausgebe, auch durch Einnahmen decken muss. Das ist ein Grundsatz, den jeder verantwortliche Vater in jeder Familie kennt. Ihre Finanzminister, Ihre Bundeskanzler haben ihn garantiert nicht gekannt!

Wenn wir jetzt einen Stopp der Neuverschuldung erreichen wollen, müssen wir einen jährlichen Überschuss von 100 Milliarden erzielen. Das ist die Aufgabe. Wenn wir nicht eine solche Schuldenpolitik gehabt hätten, wenn Sie uns das Budget so übergeben hätten, wie Sie es empfangen haben, dann könnten wir die 100 Milliarden vielfach verwenden. Dann hätten wir keine Probleme mit der Unfallrentenbesteuerung. Dann hätten wir keine Probleme mit der Gemeindefinanzierung. (Bundesrat Gstöttner: 13 Jahre wart ihr dabei!) Dann hätten wir keine Probleme mit der Infrastrukturfinanzierung. Vieles wäre einfacher. (Bundesrat Kraml: ... Infrastruktur!)

Sie sprechen von einem Diktat der Kostenkeule, das Sie selbst verursacht haben. Das werden wir allen Staatsbürgern immer wieder sagen! Sie haben – egal, ob gute Konjunktur oder schlechte Konjunktur – jährlich Defizite gemacht.

Nun zu Grundsätzlichem zur Reform der Finanzämter: Es ist jetzt Herr Bundesrat Marizzi leider nicht da; er behauptet auch immer, wir sperren etwas zu. (Bundesrätin Mag. Trunk: Ich schreibe für ihn mit!) Wir sperren nichts zu! Wir sperren keinen einzigen Standort eines Finanzamtes zu, weil uns der ländliche Raum wichtig ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Kraml: Das hat der Innenminister auch gesagt!)

Sie können mich beim Wort nehmen: Wir werden sogar zusätzliche Standorte aufsperren. (Bundesrat Manfred Gruber: Allein mir fehlt der Glaube! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Aber was machen wir? – Wir müssen im Rahmen unseres Bereiches – bis zum Jahr 2003 sind 11 000 öffentliche Planstellen nicht mehr nachzubesetzen –, damit wir die 100 Milliarden an Zinsen jährlich abdecken können – das ist der Beitrag, den wir aus der Personalverwaltung leisten müssen –, bei den Finanzämtern bei einem gesamten Personalstand von 10 000 einen Anteil von 1 200 Nicht-Nachbesetzungen mittragen. Wenn wir jetzt nichts machen würden, würde die Leistung der Finanzverwaltung für den Bürger sinken. Darum müssen wir den Betrieb


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umorganisieren – aber nicht durch Zusperren! Das war vielleicht früher so, von anderen Finanzministern wurde etwas zugesperrt – aber nicht bei uns. (Bundesrat Kraml: Das glaube ich! Sie sperren nicht zu!)

Wir machen das so: Wir haben derzeit 80 Finanzämter. Wir beurteilen diese Finanzämter nach Wirtschaftsräumen – wir haben ungefähr 46 Wirtschaftsräume ermittelt – und fassen die jeweiligen Finanzämter – im Schnitt zwei Finanzämter pro Wirtschaftsraum – auf dem Papier zu einem Finanzamt zusammen. Damit wird dieses eine Finanzamt mit mehreren Standorten schlagkräftiger.

Jetzt kann der neue Finanzamtsleiter leichter über Personal verfügen. Wir geben ihm von den Finanzlandesdirektionen hinunter zu den Finanzämtern die Personalsteuerung dezentral noch dazu. Er kann dann selbst Personal aufnehmen. Wir geben ihm auch die Wirtschaftssteuerung dazu. Er kann dann selbst Räumlichkeiten anmieten oder aufgeben, oder er kann billigere Gründe suchen. Wir geben den Regionen noch zusätzliche Kompetenzen, hinunter von den Finanzlandesdirektionen beziehungsweise vom Finanzministerium. Wir machen also genau das Gegenteil von dem, was Sie behaupten.

Wir werden auf diese Weise durch Deregulierung und massiven EDV-Einsatz intern die Kraft der Finanzämter noch stärken. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Das ist deshalb nötig, weil uns heute beim Vorsteuerabzug durch Vorsteuerbetrug ungefähr 30 Milliarden entgehen. (Bundesrätin Schicker: Wer macht den? – Bundesrat Kraml: Wer macht das: Steuerbetrug?) Das ist weiters nötig, weil wir bei den Kleinstdienststellen keine ausgewogene Prüfung in gleicher Art haben; es wird in einigen Bereichen mehr geprüft und in anderen weniger. Wir müssen aber überall den gleichen Standard erbringen.

Wie erreichen wir das? – Wir werden massiv EDV einsetzen. Wir werden das berühmte Online-Finanzamt schaffen, das gewisse Vereinfachungen mit sich bringt. Zum Beispiel kann man die Arbeitnehmerveranlagung über den Computer machen. Es wird eine Plausibilitätsprüfung durch den Computer erfolgen. Da werden die Umsätze mit anderen verglichen, da werden die Betriebsausgaben beziehungsweise Werbungskosten mit anderen verglichen. Wenn diese Zahlen stimmen, dann erfolgt noch am selben Tag der Bescheid durch den Computer; den hat überhaupt kein Finanzbediensteter angesehen.

Wir werden das Umsatzsteuersystem total umstellen. Wir werden so genannte Tax-Karten einführen, also Registrierungsnummern für Unternehmer, und jeder, der über eine solche Tax-Karte verfügt, braucht als Unternehmer keine Umsatzsteuer mehr abzuführen und ist auch nicht mehr zum Vorsteuerabzug berechtigt. Damit entledigen wir uns eines gewaltigen Verwaltungsaufwandes. Das ganze Verfahren wird vereinfacht, und wir bekommen die Bediensteten für andere wichtige Aufgaben frei.

All diese Reformen werden uns ein Potenzial von 3,5 Milliarden Schilling pro Jahr bringen. Praktisch sind das dann – auf ganz Österreich verteilt – um 1 200 Bedienstete weniger, wobei bei einer florierenden Wirtschaft – wir haben in vielen Bereichen schon einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften – schon Schüler, die von guten Schulen kommen, gesucht werden.

Das ist unser Konzept der Finanzverwaltung. Ich versichere hier nochmals – und verbreiten Sie bitte keine Verunsicherung, indem Sie falsche Auskünfte geben –: Es wird kein Standort zugesperrt! Wir setzen unsere bestehenden Kräfte nur klüger und geschickter ein. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zur Finanzausstattung der Gemeinden: Wir haben einen neuen Finanzausgleich 2001 bis 2004 abgeschlossen. (Bundesrat Manfred Gruber: Zum Nachteil der Gemeinden!) Ich komme schon noch darauf zurück. Ich werde Ihnen auch die genauen Zahlen nennen. (Bundesrat Manfred Gruber: Ich kann Ihnen die Zahlen schicken aus der Praxis!) Ich habe sie da, ich werde Ihnen das gleich sagen. (Bundesrat Manfred Gruber: Sie brauchen sich nicht zu rühmen!)

Partner dieses Finanzausgleichs waren die Länder, Partner dieses Finanzausgleichs war der Gemeindebund, Partner dieses Finanzausgleichs war der Städtebund – und alle haben diesen


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Finanzausgleich unterschrieben! (Bundesrat Manfred Gruber: Leider!) Gelten Ihre Vertreter noch etwas, oder gelten sie nicht? (Bundesrat Manfred Gruber: Nein, nicht immer!)

Bitte: Wer war der ärgste Partner der kleinen Gemeinden? – Sie kennen sich aus: der Städtebund. Dort sind lauter sozialistische Bürgermeister. Diese wollen nicht vom Sockelbetrag herun-tersteigen. (Bundesrat Manfred Gruber: Aber, Herr Staatssekretär, das können Sie doch nicht behaupten!) Wir haben dann gewirkt ... (Bundesrat Manfred Gruber: Sie wissen genau, dass der Bürgermeister von Innsbruck keiner ist!) Bin ich am Wort? (Bundesrat Manfred Gruber: Dass der Bürgermeister von Eisenstadt keiner ist ...! – Bundesrat Mag. Hoscher: Sie sind überführt! – Bundesrat Manfred Gruber: Stellen Sie nicht Behauptungen in den Raum! Bleiben Sie ehrlich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Vizepräsident Weiss gibt das Glockenzeichen.)

Ich wiederhole diese Behauptung: Die sozialistischen Bürgermeister haben das verhindert! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Sagen Sie nicht die Unwahrheit! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Trotzdem hat es für die kleinen Gemeinden auf unser Betreiben, auf Betreiben vom Bund, eine Verbesserung gegeben. (Bundesrat Manfred Gruber: Seien Sie nicht so polemisch!) Der Sockelbetrag von 102,30 S pro Einwohner wurde im Jahr 2001 auf 602,31 S je Einwohner angehoben, danach wird er in drei Stufen bis zum Jahr 2004 auf 1 000 S pro Einwohner erhöht. Das ist zwar nicht die berühmte Gleichstellung, die gewünscht wird. Aber der schärfste Gegner dieser Gleichstellung war der Städtebund. Das möchte ich auch dazusagen. (Bundesrat Hensler: Die Gemeinde Wien!) Vor allem war es die Gemeinde Wien! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Hensler: Häupl hat es gemacht!)

Jetzt zu den konkreten Anfragen. (Bundesrat Hensler: Der Bürgermeister!)  – Ja, die Wahrheit tut oft weh, ich weiß es. (Bundesrat Manfred Gruber: Aber die Unwahrheit noch mehr, Herr Staatssekretär!) Ich kann jede Aussage belegen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wann wird die Post-Autobus-AG tatsächlich von der ÖIAG privatisiert werden? Wer wird der Käufer sein? Welche Maßnahmen haben Sie unternommen, um sicherzustellen, dass nach der Privatisierung nicht massiv Kurse insbesondere im ländlichen Raum eingestellt werden?

Haben Sie den Privatisierungsauftrag der Bundesregierung gelesen? Wo steht dort etwas von der Postbus AG? – Es gibt keinen Auftrag, die Postbus AG zu verkaufen! Daher erübrigt sich jede Antwort.

Aber ich kann Ihnen sagen, was die Crux ist, was jahrzehntelang von sozialistischen Verkehrsministern in diesem Rahmen gemacht wurde. (Bundesrat Manfred Gruber: Mit der ÖVP!)  – Es gab allein sozialistische Verkehrsminister!

Es hat einen so genannten Regiebetrieb Post gegeben, Telekom Post. (Bundesrätin Schicker: Aber die Regierungsbeschlüsse waren einstimmig mit der ÖVP! Herr Staatssekretär, das haben Sie vergessen!) Einen Regiebetrieb hat es gegeben, der nicht einmal ausgegliedert war. Er hatte drei Bereiche, drei Branchen: Telefon (Bundesrat Manfred Gruber: Ja!), die "Gelbe Post" und den Postbus. Die Telekom – das Telefon – war auf Grund der Monopolsteuer die Melkkuh: 27 Milliarden Schilling pro Jahr an Einnahmen. Sie wurde schändlichst missbraucht! (Bundesrat Dr. Böhm: Ausgeräumt!)

Die "Gelbe Post" hatte einen jährlichen Abgang in der Höhe von 5 Milliarden Schilling. Weil alles aus den Telefongebühren abgedeckt wurde, hatte sie überhaupt keinen Druck, sich irgendwie zu verbessern und sich auf eine neue Situation vorzubereiten. Der Busdienst hatte einen Abgang in der Höhe von 1 200 Milliarden Schilling. Dort wäre vor allem ein Rationalisierungspotenzial vorhanden gewesen (Bundesrat Winter: 1 200 Milliarden?), weil unter demselben Verkehrsminister im selben Haus ein zweiter Bundes-Busdienst geführt wurde. (Bundesrat Winter: Herr Staatssekretär! 1 200 Milliarden, da haben Sie sich versprochen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Vizepräsident Jürgen Weiss
(das Glockenzeichen gebend): Meine Damen und Herren, bitte! (Bundesrat Winter: ... 1 200 Milliarden Abgang! – Bundesrat Thumpser: Mit den Zahlen ist’s halt kompliziert!)

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz (fortsetzend): Der Abgang betrug 1,2 Milliarden Schilling und 5 Milliarden Schilling in der "Gelben Post". – Entschuldigung!

Was wurde für diesen Betrieb gemacht? – Zwischen 6 und 8 Milliarden Schilling hat sich jeweils der Finanzminister eingesteckt. 5 Milliarden mussten der "Gelben Post" gegeben werden, 1,2 Milliarden Schilling dem Busdienst. 6,2 Milliarden Schilling sind auf diese Weise abhanden gekommen. Zwischen 6 und 8 Milliarden Schilling mussten für das Budget an den Finanzminister abgeführt werden. (Bundesrat Manfred Gruber: Was muss die Post an den Finanzminister abliefern?)

Ws hat man bezüglich Investitionen gesagt? – Na, die sollen sie sich auf dem Kapitalmarkt aufnehmen! Binnen zehn Jahren hatte dieser Betrieb 100 Milliarden Schilling an Schulden aufgenommen. Ein an und für sich gesunder Betrieb hatte Schulden in der Höhe von 100 Milliarden Schilling angehäuft! Das ist sozialistische Verkehrspolitik, und das haben wir jetzt auszutragen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Herr Staatssekretär! Es hat auch damals Regierungsbeschlüsse gegeben, und die waren einstimmig!)

Was hat das mit dem sozialistischen Verkehrsminister zu tun? (Bundesrat Manfred Gruber: Ich kann nur erinnern, dass es Regierungsbeschlüsse gegeben hat, und die waren einstimmig! Kindesweglegung ist das! – Bundesrat Dr. Maier: Nein, unsere Kinder seid ihr noch lange nicht! – Bundesrat Thumpser: Da sucht man sich lieber die Eltern aus!)

Ich glaube, die Einzelheiten zur Finanzverwaltung habe ich hinreichend dargestellt. Ich kann jederzeit noch weitere Details darlegen. Wichtig ist, dass die Regionen nicht ausgehöhlt werden. Ich denke, das ist ein sehr attraktives Konzept, dass wir zwar formal nicht mehr 80 Finanzämter haben, aber dass wir gleichzeitig 80 Standorte oder sogar noch mehr haben werden. Nur die Zusammenarbeit dieser Finanzämter wird in einer anderen Form durchgeführt werden. – Was also die Fragen nach den Finanzämtern betrifft, brauche ich nicht weiter ins Detail zu gehen.

Zur Frage 5: Welche Kostenreduktionen erwarten Sie sich von der neuen Finanzverwaltung?

Wie gesagt, bis zum Jahr 2005 sehen wir vor, dass die Finanzverwaltung durch Minderausgaben beziehungsweise durch Mehreinnahmen, durch eine verbesserte Abgabenbearbeitung ein Einsparungspotenzial von insgesamt 3,5 Milliarden Schilling erzielen wird.

Zur Frage 6: Mit welchen Vertretern der Länder und Gemeinden haben Sie bisher Verhandlungen geführt?

Unsere Verhandlungspartner sind immer der Gemeindebund und der Städtebund. Mit wem sonst sollen wir verhandeln? – Selbstverständlich haben wir bei allen Verwaltungsreformverhandlungen mit diesen beiden Organisationen gesprochen. Wir haben ihnen zum Beispiel auch das Verwaltungsreformkonzept Bezirkshauptmannschaft-Neu vorgestellt, und wir haben dem Städtebund und dem Gemeindebund unser Finanzkonzept vorgestellt.

Selbstverständlich werden wir im Herbst mit den Vertretern der Länder – das ist die berühmte Achter-Kommission, bestehend aus vier Bundesvertretern und vier Landesvertretern –, mit dem Städtebund und dem Gemeindebund vor allem in Bezug auf das Prinzip der Bezirkshauptmannschaft-Neu, das One-Stop-Shop-Prinzip weitere Gespräche führen, weil es wichtig wäre, dass dort alle Agenden, die zum Beispiel mit einer Betriebsansiedlung verbunden sind, oder Fragen, die gemeinsam mit einer Gemeinde zu lösen sind, in einem Verfahrensgang – im Sinne der Bürger und im Sinne der Wirtschaft – gelöst werden.


Bundesrat
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Zur Frage 7: Können Sie heute ausschließen, dass es zur Schließung von Finanzämtern an den bisherigen Standorten kommen wird?

Wir können das ausschließen.

Nun zur Entwicklung der Gemeinden: Wir haben im Jahr 2000 Ertragsanteile von insgesamt 78,8 Milliarden Schilling gehabt. Das entspricht einer Steigerung der Ertragsanteile gegenüber dem Jahr 1999 von 5,8 Prozent. Bereinigt man die Ertragsanteile für 2000 um den Getränkesteuerausgleich und die Anteile der Gemeinden an der Werbeabgabe, errechnen sich Ertragsanteile von 77,2 Milliarden Schilling! Das ist immerhin eine Steigerung von 3,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Kein Bundesminister hatte früher eine derartige Steigerung, sondern sie hatten in ihren Budgets Verschlechterungen. (Bundesrat Manfred Gruber: Herr Staatssekretär! Darf ich eine Frage stellen?)  – Jetzt bin ich am Wort. Danach werde ich gerne alle Fragen beantworten, wenn Sie sich dazu zu Wort gemeldet haben.

Nach den aktuellen Schätzungen des Bundesministeriums für Finanzen werden sich die Ertragsanteile der Gemeinden für die Jahre 2001 und 2002 um rund 7,3 Prozent und 4,9 Prozent – beziehungsweise, wieder um Getränkesteuer und Werbeabgabe bereinigt, um rund 2,6 Prozent und 5,2 Prozent – gegenüber den jeweiligen Vorjahren erhöhen. Den Sockelbetrag habe ich schon erwähnt. Das ergibt eine Verbesserung zwischen großen und kleinen Gemeinden im Jahr 2001 um immerhin 486 Millionen Schilling. Im Jahr 2002 wird die Verteilungsverbesserung 614 Millionen Schilling betragen, im Jahr 2003 wird diese Verbesserung 872 Millionen Schilling betragen, und zwar zu Lasten der Städte.

Eines muss man unseren Gemeinden natürlich ebenfalls sagen: Sie haben, so wie die anderen Gebietskörperschaften, auch die Verpflichtung, alle Möglichkeiten eines verbesserten Ressourceneinsatzes zu nützen. Dafür gibt es Potenziale, etwa bei der Wasserversorgung, und zwar durch Zusammenarbeit (Bundesrat Kraml: Wasserverkauf!), oder es gibt Potenziale bei der Feuerwehr. Es muss in nebeneinander liegenden Gemeinden nicht jede von ihnen separat eine Feuerwehr haben. (Bundesrat Gasteiger: Da kennen Sie das Landesfeuerwehrgesetz nicht!) Es gibt dafür Potenziale im Wirtschaftsbetrieb. Auch die Gemeinden sind verpflichtet, alle Möglichkeiten einer verbesserten Ressourcennutzung auszuschöpfen. (Bundesrat Manfred Gruber: So stellt sich der kleine Franzi die Kommunalpolitik vor!)

Zur Frage 11: Wie beurteilen Sie die Auswirkungen aller Maßnahmen der Mitglieder der Bundesregierung und der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit – von der Einstellung von Nebenbahnen über die Schließung von Gendarmerieposten und Bezirksgerichten über die Einstellung der Postdienste bis hin zum Investitionsstopp in den Gemeinden durch die öffentliche Hand und in Folge durch Private – auf die Lebenssituation und Wirtschaftssituation im ländlichen Raum?

Wir haben als Bundesvertreter angeboten, die Maßnahmen, die wir im Bundesbereich in den Regionen setzen – also betreffend Sicherheitsverwaltung, Finanzverwaltung, Gerichtsverwaltung, AMS –, mit den Ländern, mit dem Gemeindebund, mit dem Städtebund als gemeinsames Paket zu besprechen. Das ist ein sehr faires Angebot, weil von der rechtlichen Notwendigkeit her nur im Hinblick auf die Gerichtsorganisation eine Zustimmung notwendig wäre. Wir machen das freiwillig, weil wir eine gemeinsame Paketlösung und – entgegen allen Behauptungen, die fälschlicherweise immer wieder aufgestellt werden, wie zum Beispiel: die Regierung fährt drüber – das Gespräch suchen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

21.31

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass nach der Geschäftsordnung die Redezeit jedes Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Klaus Gasteiger das Wort. – Bitte.

21.31

Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Es ist etwas schade, dass Herr Bundesminister Grasser nicht persönlich anwesend ist.


Bundesrat
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(Bundesrat Würschl: Ja, bedauere ich auch!) Aber offensichtlich ist ihm die "Seitenblicke"-Gesellschaft in Bregenz wichtiger als der Hohe Bundesrat. (Bundesrat Würschl: Wichtiger!) Ich meine, man kann davon halten, was man will. (Bundesrat Dr. Aspöck: Ist das euer Verständnis von Kultur?)

Mir fällt übrigens auf, dass sich der Herr Bundesminister immer öfter vom Herrn Staatssekretär vertreten lässt. Ich weiß nicht, ob das Vorzeichen sind, oder was es sonst ist – keine Ahnung! (Bundesrat Dr. Böhm: Wie war das mit Klima?) Aber, Herr Staatssekretär, damit kein Zweifel aufkommt: Sie sind mir und uns gut genug, um die Fragen zu beantworten. (Bundesrätin Haunschmid: ... eingeflogen aus Argentinien!) Das ist überhaupt kein Thema. (Bundesrat Weilharter: ... oder war es weniger?)

Als einer, der im ländlichen Raum geboren wurde, als einer, der dort lebt und auch dort seinen Lebensabend verbringen möchte – das heißt, die Probleme im ländlichen Raum bestens kennt –, will ich mich natürlich vollinhaltlich zur dringlichen Anfrage an die Mitglieder der Bundesregierung mit dem Inhalt "Ausdünnung des ländlichen Raumes" bekennen. Wenn ich mir die anwesenden Mandatare, die aus Städten und Gemeinden unter 1 000 Einwohnern kommen, ansehe, dann muss ich sagen, brächten wir locker eine Zweidrittelmehrheit zusammen.

Warum erwähne ich das? – Das erwähne ich deshalb, weil man hier die Haltung der einzelnen Mandatare der Regierungsparteien zum Thema unserer dringlichen Anfrage, "Ausdünnung des ländlichen Raumes", erkennt. Wenn man sich anschaut, wie viele Bürgermeister und Mitglieder des Gemeinderates hier anwesend und in diesen Gremien sind, dann wundert mich diese Haltung noch mehr.

Die 2 359 österreichischen Gemeinden sind in den meisten Fällen die größten Auftraggeber für kleinere, mittlere und teilweise auch große Unternehmen. Aber wegen dieser Bundesregierung und der eingeleiteten fatalen Fehlenwicklungen müssen die Gemeinden mehr auf die Investitionsbremse steigen, als ihnen lieb ist. Unter den sozialdemokratischen Regierungen –glauben Sie mir, dass ich weiß, was ich sage und wovon ich rede, ich bin nämlich selbst Bürgermeister einer 1 100-Seelen-Gemeinde –, haben die Gemeinden ihre Investitionen ständig erhöhen können, von 1990 bis 1995 sogar um 50 Prozent. (Bundesrat Dr. Böhm: Mit Schuldenmachen!) Doch seit kurzem – warum auch immer, ich weiß es nicht – stagnieren plötzlich diese Investitionen österreichweit bei rund 36 Milliarden Schilling. Was heißt das? (Ruf bei der ÖVP: Das Sparen erhöhen!)  – Selbstverständlich sparen, keine Frage, das streite ich nicht ab!

Dieser Investitionsrückgang heißt weniger Umsatz bei den heimischen Unternehmen, das heißt Existenzgefährdung der Wirtschaft. Eigentlich sollte sich das die Partei, deren Reihen jetzt ein bisschen gelichtet sind und die die Wirtschaft vertreten sollte, ins Stammbuch schreiben. (Bundesrat Dr. Böhm: Eure sind auch sehr gelichtet!)

Was heißt das noch? – Das heißt auch Existenzgefährdung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, also jener Wählergruppe, die Sie da in der zweiten und teilweise in der dritten Reihe vertreten wollen; zumindest behaupten Sie das.

Offensichtlich sind die Sozialdemokraten die besseren Vertreter der Wirtschaft und der Arbeitnehmer in diesem Lande als diejenigen, die das von sich behaupten oder zumindest so tun. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. )

All das geschieht unter dem Dogma des Nulldefizits, Herr Staatssekretär, das von Ihnen niemand in diesem Tempo – ich bekenne mich zum Sparen – verlangt hat.

Allein Ihr Ressort gibt 111,5 Millionen Schilling für externe Beratungen aus (Bundesrat Mag. Hoscher: Wie viel?) – 111,5 Millionen für externe Beratungen (Bundesrat Manfred Gruber: Das gibt es ja nicht!) – , bei hoch qualifizierten Mitarbeitern im Ressort wohlgemerkt. (Bundesrat Würschl: Geldverschwender!) Wenn ich mir vorstelle, wie viele Kinderbetreuungseinrichtungen um dieses Geld geschaffen werden könnten, wenn ich mir vorstelle, wie viel an Straßen- und Schieneninfrastruktur mit diesen 111,5 Millionen gebaut werden könnte (Bundesrätin Haunschmid: 30 Jahre schon! – Bundesrat Weilharter: Und wenn Sie sich vorstellen,


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was die Staatsschulden ...!), dann wäre es für uns unter Umständen etwas leichter, Herr Staatssekretär, manchmal zuzustimmen.

Herr Staatssekretär! Nach den Aussagen über die sozialdemokratische Finanzpolitik, wie Sie sie vorhin getroffen haben, darf ich Sie daran erinnern, dass dieses Geld investiert worden ist. Herr Exfinanzminister Edlinger sagt das auch immer, und ich bekenne mich dazu: Es ist in Schulen, Kindergärten, Bahnen oder Straßen in den Gemeinden investiert worden. Ich werde nicht müde werden, bei dem, was Sie uns immer vorhalten wollen, zu predigen, dass Sie 14 Jahre lang in derselben österreichischen Bundesregierung waren und dass immer einstimmige Regierungsbeschlüsse gefasst werden müssen. Sie waren mit dabei! (Bundesrat Mag. Hoscher: Nein, die waren auf Urlaub! – Bundesrat Würschl: ... die schauen anders aus!)

Herr Staatssekretär! Ich akzeptiere es nicht, wenn Sie mit dem Finger auf uns zeigen. Es wäre besser, einen Spiegel vor sich selbst hinzuhalten und zu sagen: Mea culpa, mea culpa, wir waren dabei. Der Finanzausgleich – das hat Herrn Kollegen Gruber, Bürgermeister von Bad Gastein, genauso geärgert wie mich – ist prozentuell zurückgegangen. Es mag vielleicht sein, dass er monetär hinaufgegangen ist, aber prozentuell ist der Finanzausgleich zurückgegangen. Das kostet Substanz, Herr Staatssekretär! (Bundesrat Manfred Gruber: So ist es!)

Bei einer sehr hohen Inflation – momentan mit 3,4 Prozent am Höchststand, so hoch, wie noch nie seit 1993 – stellt sich natürlich die Frage, wo diese herkommt. Wahrscheinlich auch, weil die sozialdemokratischen Finanzminister so schlecht gewirtschaftet haben! (Bundesrat Manfred Gruber: Hausgemacht!) Bei einer Steuerbelastung für die arbeitende österreichische Bevölkerung wie seit 50 Jahren nicht mehr (Staatssekretär Dr. Finz: 1997 unter Edlinger war sie höher! 44,8 Prozent!), machen Sie, Herr Staatssekretär, in Vertretung des Herrn Finanzminister, es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht gerade leicht, sich etwas leisten zu können. Ich rede nicht vom Luxus, sondern ich rede von den Dingen, die nötig sind, um überleben zu können, Herr Staatssekretär!

Wenn man die Postämter, Postbusse, Bezirksgerichte, Gendarmerieposten, Greißler – in dieser Folge natürlich – und vieles andere mehr zusperren will, dann sind Sie mit dieser Bundesregierung auf einem sehr bedrohlichen Kurs.

Eine starke Aussage – meinen vollen Respekt den Landeshauptleuten, die sich gegen diese Ausdünnung des ländlichen Raumes wehren – der Frau Vizekanzlerin gegenüber einem Landeshauptmann, der sich wehrt, nämlich Herrn Landeshauptmann Sausgruber; ich zitiere aus dem "Kurier" vom 20. März 2001: "Im Übrigen gehe ihr dessen ‚oberlehrerhafte Grantlerei schon auf die Nerven. Der meckert nur.‘" – Dieser Landeshauptmann wehrt sich für die Menschen in seinem Land, für die er verantwortlich ist!

Das Wort werde man sich von niemandem verbieten lassen, von welcher Partei er auch immer kommt. – So Frau Landeshauptmann Klasnic in der "APA" vom 20. März 2001. Ich darf nachlegen: Der Herr Landeshauptmann von Tirol sagt, alle Landeshauptleute außer Haider werden ignoriert. – Zudem nehme sie Schüssel übel, dass er seine gesamte Energie in die Betreuung eines einzigen Landeshauptmannes investiert – die von Jörg Haider; ich weiß auch nicht, warum. (Bundesrat Konecny: Das ist ein Problemkind!) Ja, das denke ich auch.

"So kann es auch nicht sein, dass fundierte Kritik aus den Ländern in Wien ganz einfach vom Tisch gewischt wird. Aber wenn der Herr Landeshauptmann aus Kärnten dann auf den Tisch haut, springen plötzlich alle auf und machen, was er will", beschwert sich Herr Landeshauptmann Wendelin Weingartner im "Format" vom 2. 4. 2001. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das weiß er mittlerweile auch schon!)

Kärnten wird bevorzugt. "Tirols Landeshauptmann Wendelin Weingartner ... meinte am Wochenende, es werde ‚kritisch, wenn Regierungsmitglieder Kärnten Dinge zugestehen, die man anderen Bundesländern nicht zugestehen würde‘. Als Beispiele nannte Weingartner ein Sonderkontingent Lehrer, das Kärnten erhalten solle, und die Schließung des Finanzamts von Lienz." – Ebenso im "Kurier" vom 2. 4. 2001.


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Etwas unverständlich ist bei all den Einsparungen die Subventionierung des Bundeslandes Kärnten mit 1,6 Milliarden Schilling für ein Teilstück der Koralmbahn, 636 Millionen Schilling für den Straßenbau, 150 Millionen Schilling für die Straße im Zentralraum Kärnten, 1,6 Milliarden Schilling für den Vollausbau der Südautobahn im Pack-Abschnitt und und und. Damit bin ich jetzt bei Ihnen, Frau Bundesministerin! (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Häupl hat gesagt ...! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Warum – und das frage ich Sie allen Ernstes – bevorzugen Sie den Herrn Landeshauptmann von Kärnten, Herrn Dr. Haider, mit zusätzlichen Finanzmitteln, wie vorhin schon erwähnt wurde? (Bundesrat Dr. Nittmann: Mein Gott, sind Sie mühsam, Herr Kollege!) Warum, Frau Bundesministerin, zahlen Sie zweistellige Millionenhonorare an PR-Firmen, die ihre ministeriellen Auftritte konzipieren, Kampagnen ausarbeiten und außerhalb des Ministeriums neu strukturieren? (Bundesrat Dr. Nittmann: Diese Suada ... lächerlich! Traurig! Mühsam!) Warum erklären Sie uns vorhin – vor einer halben Stunde –, bei der ÖBB operativ sehr wenig eingreifen zu können? Wer denn sonst als Sie, Frau Bundesminister, kann operativ in Ihrem zuständigen Ressort eingreifen? (Bundesrat Dr. Nittmann: Einschläfernd!)

Im "Kurier" vom 21. Mai 2001 heißt es dann in großen Lettern: "Das muss mir einer nachmachen." – Ja, Frau Ministerin, dieses Chaos muss Ihnen wirklich einer nachmachen! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Zur Klarstellung und zur Richtigstellung in Bezug auf die Außerfernbahn: Herr Landeshauptmann Weingartner, der Tiroler Landtag und Persönlichkeiten aus dem betroffenen politischen Bezirk waren es, die sich dafür stark gemacht haben, dass die Außerfernbahn erhalten bleibt. Erst auf öffentlichen Druck hin haben Sie nachgegeben und mit der Deutschen Bahn Verhandlungen geführt. – Das zum Ersten.

Zum Zweiten: Was glauben Sie, wer da einen sehr großen Teil mitfinanziert? – Das Bundesland Tirol ist es! So ist es also nicht, dass Sie sich hierher stellen und sagen können: Ich habe eh alles gemacht. (Bundesrat Dr. Nittmann: Faden verloren?)

Ein neues Thema (Bundesrat Dr. Nittmann: Gleich ermüdend!): In vielen Punkten, speziell aber in zwei tragen Sie – jedenfalls aus meiner Sicht – als zuständige Ressortministerin und als Mitglied dieser Bundesregierung die Verantwortung. Das ist zum einen die Verantwortung für die Verzögerung der Einführung der elektronischen LKW-Maut. Dadurch entstehen Verluste von Milliarden an Mauteinnahmen zum Ausbau der Infrastruktur. Das sind Milliarden, Frau Ministerin, die Sie verantworten müssen.

Zum Zweiten tragen Sie die Verantwortung für die Verschleuderung von Millionen an Steuergeldern – ich mutmaße, aus parteipolitischen Gründen – an Ex-ÖIAG-Manager. Wie viele Millionen? (Ruf bei der ÖVP: Meinst du Gerharter?) – Ich meine zum Beispiel jene, die der Bundesregierung unbequem geworden sind – das ist Ihre Verschleuderungspolitik, Frau Bundesministerin! Aber der Bevölkerung wollen Sie Sparwillen vorgaukeln? (Bundesrat Marizzi: Bammer 30, Rehulka 30 ... 250 Millionen!)

Alles in allem löst die Bundesregierung für den ländlichen Raum eine Konjunktur- und Lebensqualitätsspirale nach unten aus, deren Ende nicht absehbar ist. In den letzten Monaten gab es für zahlreiche Menschen in diesem Lande Hiobsbotschaften, eine nach der anderen: die Schließung zahlreicher Nebenbahnen, die Einstellung oder Kürzung von Postbussen – alles nachzulesen in unserer Anfrage. Vielen Gemeinden droht der Verlust des Bezirksgerichtes und dadurch der Verlust von niedergelassenen Rechtsanwälten sowie die Schließung von Finanzämtern. (Bundesrat Dr. Nittmann: Larmoyanzbühne!) Es drohen die Reduzierung um drei bis vier Finanzlandesdirektionen in ganz Österreich, die Zusammenlegung von Pflichtschulbereichen, massive Zusammenlegungen und Kürzungen von Gendarmerie- und Polizeiposten, die Schließung von Postämtern und die Kürzung von Postzustelldiensten und ein verzögerter Ausbau der modernen elektronischen Medien.


Bundesrat
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All das bedeutet einen Generalangriff der blau-schwarzen Bundesregierung auf die Lebens- und Arbeitssituation der Menschen, und Sie sind dafür verantwortlich! Sie sind für den gravierenden Verlust an Infrastruktur und an Lebensqualität in unseren Regionen verantwortlich. Aber die nächsten Wahlen kommen bestimmt, und dann wird der Souverän, die Bevölkerung, mit dieser Bundesregierung abrechnen! (Bundesrat Dr. Nittmann: Wunschdenken!)

Ich darf gemäß § 43 der Geschäftsordnung des Bundesrates folgenden Entschließungsantrag einbringen (Bundesrat Dr. Nittmann: Hier träumt jemand um dreiviertel zehn! Wachträumer!):

Entschließungsantrag

der Bundesräte Klaus Gasteiger und GenossInnen gemäß § 43 GO-BR betreffend: Für einen qualitativ hochwertigen Nahverkehr

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung:

Der Bundesrat hat beschlossen:

Die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie wird ersucht, alle Kompetenzen ihres Ressorts auszuschöpfen, um eine qualitativ hochwertige Versorgung des ländlichen Raums im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs zu garantieren. Weiters wird die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie ersucht, die Postzustellung auch im ländlichen Bereich auf einem hohen Qualitätslevel zu sichern, für eine rasche Versorgung des ländlichen Raums mit modernen Technologien sich einzusetzen und bei allen Infrastrukturprojekten auch dem ländlichen Raum hohe Aufmerksamkeit zu widmen.

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: So langweilig wie heute war er noch nie!)

21.46

Vizepräsident Jürgen Weiss: Der soeben von den Bundesräten Gasteiger und GenossInnen eingebrachte und verlesene Entschließungsantrag betreffend "Für einen qualitativ hochwertigen Nahverkehr" ist genügend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Keuschnigg das Wort. – Bitte.

21.47

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Wir diskutieren hier eine dringliche Anfrage der SPÖ. Lieber Klaus Gasteiger! So wahnsinnig viele SPÖ-Bundesräte sehe ich hier auch nicht, dass du uns das vorhalten kannst. Ich hoffe ... (Bundesrätin Mag. Trunk: Man vergleiche! Der Vergleich hält stand!) Sie haben ja eine Dringliche gestellt! Ich hoffe, dass der (Bundesrat Konecny: Sie täuschen sich! Sie haben sie herausgefordert!) Atem in der Politik für den ländlichen Raum länger anhält als zum Teil hier das Interesse.

Eine kurze zweite Bemerkung – das ist mir schon beim Lesen der Anfragetextierung aufgefallen –: Es liegt eine gewisse Unfairness darin, wenn man für die Argumentation Zitate verwendet, die längst vom Gesprächsprozess überholt sind. (Bundesrat Gasteiger: Wo ist etwas überholt?) Es ist meiner Ansicht nach das Recht jedes Landespolitikers und Landeshauptmannes, darauf hinzuweisen, dass seiner Meinung nach Fehlentwicklungen im Gange sind. (Bundesrat Konecny: Das hat ja Herr Khol gesagt: Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit! – Bundesrat Dr. Nittmann: Stimmt! Da hat er Recht!) Wenn dann die Verhandlungen andere Ergebnisse zeitigen, dann sollte man die "Schneid" haben, bei der Diskussion einer Dringlichen auch diesen Stand der Diskussion zur Kenntnis zu nehmen.


Bundesrat
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Ich denke, Sie können nicht behaupten, dass die Verwaltungsreform so schlecht auf der Schiene ist – auch nicht mit den von der SPÖ geführten Bundesländern. Ich habe hier eine Presseaussendung vom 15. Juni, worin der Wiener Vizebürgermeister Rieder vom Durchbruch in Sachen Stabilitätspakt spricht und Fortschritte in Sachen Verwaltungsreform bestätigt. Ganz so weit weg von der normalen Verhandlungs- und Gesprächskultur wird man also möglicherweise nicht sein.

Ich möchte jetzt rasch – die Zeit ist schon sehr fortgeschritten und es ist wahnsinnig viel Sinnhaftes, aber zum Teil auch weniger Sinnhaftes zur Frage des ländlichen Raumes gesagt worden – auf den direkten Kern der Debatte zu sprechen kommen. Das ist die neue Sorge der SPÖ für den ländlichen Raum, die mich sehr freut; wir sind für jeden Mitstreiter dankbar. Es ist heute schon einmal gesagt worden, dass dieses Interesse erst mit dem Regierungswechsel begonnen hat.

Das Wichtigste für den ländlichen Raum – dazu nur zwei, drei grundsätzliche Bemerkungen – ist doch, dass er die richtigen Impulse für das wirtschaftliche, politische und soziale Leben erhält, dass die öffentlichen Mittel in ausreichender und sinnvoller Weise fließen und dass Landentwicklung stattfindet. Das findet nicht auf die Weise statt, indem man alte Strukturen aufrechterhält, die dem Markt und den Gegebenheiten der neuen Gesellschaft nicht standhalten, sondern indem man neue Strukturen findet, die funktionieren.

Dazu gibt es mehrere Instrumente. Das ist einmal die Raumordnung, die ausreichend dotiert und mit ihrem gesamten Instrumentarium eingesetzt werden muss. Es gibt weiters die Instrumentarien der ländlichen Entwicklung, wie sie zwischen Bund, Ländern und Europäischer Union gemeinsam finanziert werden, und es gibt vor allem – das ist heute schon x-mal gesagt worden – den Finanzausgleich.

Der Finanzausgleich ist schlechthin das Lenkungsinstrument für die Entwicklung aller Räume in Österreich. Der Finanzausgleich wäre eine Möglichkeit, den ländlichen Gemeinden jenes Geld zu geben, das sie – möglicherweise auch nur ansatzweise – in die Lage versetzt, den negativen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die immer festzustellen sind, gegenzusteuern. Da geht es um den öffentlichen Verkehr, da geht es um die Förderung der neuen Initiativen, da geht es um die Ansiedlung von Betrieben, da geht es um Investitionen, da geht es um Kinderbetreuungseinrichtungen und um viele Dinge mehr.

Es hat also die Verhandlungen über die Beseitigung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels gegeben, der schon lange historisch überholt ist, der auf die Kriegsschädenbeseitigung abgezielt hat und der in der Finanzverteilung die Bewohner im städtischen Raum und in den Ballungsgebieten – unter Anführungszeichen – "doppelt so teuer" wie die Leute im ländlichen Raum sein lässt. Was ist da geschehen?

Da war von der Sorge der SPÖ für den ländlichen Raum noch nicht allzu viel zu spüren. Da hat der Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien Dr. Michael Häupl, sozusagen der Über-Obmann der SPÖ, den Krieg ausgerufen – ich darf Ihnen das noch genauer zeigen –, wenn die ländlichen Gemeinden zu Lasten der Städte aufgewertet werden. (Bundesrat Winter: Wer ist Über-Obmann?) Ich habe mir das kopiert und darf es Ihnen zeigen. Da steht drauf ... (Bundesrat Manfred Gruber: Eine Umverteilung hat stattgefunden! Der prozentuelle Anteil der Gemeinden am Finanzausgleich ist weniger geworden! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Nach mir sind noch vier SPÖ-Redner gemeldet. Ich glaube, es bestünde ausreichend Gelegenheit ... (Bundesrat Manfred Gruber: Nur zur Information! – Bundesrat Konecny: Nur damit Sie nicht in der falschen Richtung weiterreden!)

Wenn der abgestufte Bevölkerungsschlüssel wegfällt – steht dort drauf –, droht Häupl dem Bund mit Steuerkrieg. Das ist ein Faktum. Wenn es wirklich auf den Punkt kommt, dann schaut es mit der Solidarität für den ländlichen Raum nicht mehr so besonders gut aus. (Beifall bei der ÖVP.)


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Am Schluss der Verhandlungen ist es darum gegangen, dass die Kleingemeinden mit 25 Millionen Schilling besser gestellt werden, dass sie noch 25 Millionen Schilling bekommen. Das ist bei den ungeheuren Volumina, die dort verhandelt worden sind – wie sagt man dazu?, Peanuts oder so ähnlich –, eigentlich etwas ganz Kleines. (Bundesrat Manfred Gruber: Irgendwas im Promillebereich!) Da war sich die SPÖ unter der Regie des für seine bunten und schönen Krawatten bekannten ehemaligen Finanzministers Edlinger nicht zu schade, letztlich auch gegen diese Kleinigkeit zu sein, weil sie irgendein Junktim nicht durchgebracht hat. Auch da ist letztlich das Herz irgendwo auf die Zunge geraten.

Ich darf dazu folgenden Satz aus der "SK" zitieren – ich glaube, das heißt "Sozialistische Korrespondenz": "Aber in dieser Debatte wurden die legitimen Interessen der Städte nicht als legitim diskutiert." – Das ist der erste Satz. Und: "Sie wollen auf Kosten der großen Gemeinden zu mehr Geld kommen."

Wenn es das ist, was man unter Solidarität der Ballungsgebiete für ländliche Räume versteht, dann verstehe ich nicht mehr, was das Wort "Solidarität" heißt.

Außerdem habe ich einen schönen Satz in Ihrer dringlichen Anfrage gefunden. Dort heißt es auf Seite 9: "Wir treten ein für ausreichende Finanzmittel, die unsere schönen Gemeinden auch weiterhin gedeihen lassen." Das ist ein Satz, den man sich auf der Zunge zergehen lassen soll, aber er passt nun einmal überhaupt nicht mit dem zusammen, was da gelaufen ist. (Bundesrat Winter: Was die Regierung macht!) Der Punkt ist, wie über zig Milliarden Schilling in der Republik Österreich verhandelt worden ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Passt mit dem nicht zusammen, was die Regierung macht!) Zwischen Theorie und Realität, zwischen Wollen und Tun sind offensichtlich lange Wege.

Einige Sätze noch zu den Postämtern: Die tatsächlichen Sünden im ländlichen Raum sind diejenigen, dass man viel zu lange an veralteten Strukturen festhält und es unterlässt, neue, machbare Modelle umzusetzen. Dazu muss ich sagen, es wird uns ÖVPlern sehr oft vorgehalten, dass wir die Staatsverschuldung nicht mittragen wollen, und was da so gewesen ist – lassen wir das beiseite. (Bundesrat Manfred Gruber: Da wart ihr eh nicht dabei!) Aber dass wir in den letzten 30 Jahren ausschließlich rote Postminister gehabt haben, ist, so glaube ich, unbestritten. (Bundesrat Winter: Wir haben allein die Regierungsbeschlüsse gemacht!)

Jetzt sind wir beim operativen Bereich der Post. Seit Jahren wird die österreichische Bevölkerung besonders in den ländlichen Räumen mit Schließungsplänen verunsichert. Man weiß heute noch nicht, ob es 1 500, 700 oder 400 Postämter sein werden. (Bundesrat Konecny: Sie wissen es auch nicht!) Wir wissen erst recht nicht, wie viele es sein werden. (Bundesrat Konecny: Ich habe geglaubt, nur uns sagt man nichts!)

Erst jetzt, mindestens zehn Jahre zu spät, fängt die Post plötzlich damit an, Pläne vorlegen. Das ist richtig und notwendig, und man muss mit aller Vehemenz unterstützen, dass sie es tut. Jetzt erst kommen die Pläne auf den Tisch, wie man Partnerschaften in den ländlichen Räumen aufbauen kann, wie man Partnerschaften mit den Gemeinden machen kann, wie man Partnerschaften mit Nahversorgern machen kann, wie man Partnerschaften mit Banken und möglicherweise auch mit Versicherungen machen kann, mit denjenigen, die an der Peripherie sind und teilweise auch selbst mit dem Rücken zur Wand stehen.

Wir haben heute schon über die Nahversorger geredet. Diese Nahversorger sind dringend darauf angewiesen, dass sie zusätzliche Umsätze und zusätzliche Aufgaben erhalten, alle Träger; das würde ich darunter verstehen, dass man nicht alte Strukturen, die unhaltbar geworden sind, mit Krampf festhält, sondern versucht, zu neuen zu kommen. Man macht es jetzt, und ich hoffe, es geschieht mit großem Tempo, weil es zehn, fünfzehn Jahre zu spät geschieht und weil wir jetzt erst in die Versuchsphase treten. Wir fangen erst jetzt an zu probieren, ob es so geht, aber all das haben wir schon fünf bis zehn Jahre lang gewusst.

Das ist es eigentlich, was ich sagen wollte, und das ist der Prozess, der in diesen Dingen liegt. Wir sollten nicht an Strukturen festhalten, sondern mit aller Phantasie – und das ist das Ent


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scheidende – schauen, wie der Versorgungsauftrag gegenüber der Bevölkerung zu erfüllen ist. Dazu gibt es Wege verschiedenster Natur, diese muss man gehen. Bisher hat man gesagt: Wenn das Geld aus ist, soll der Staat das bezahlen, das ist ein Defizit, das einfach notwendig ist, und so weiter. – Da braucht es eine neue Phantasie. (Bundesrat Manfred Gruber: Dann soll man erst neue Strukturen schaffen, bevor man die alten zerschlägt! Dann läuft man nicht Gefahr, dass man Schiffbruch erleidet!)

Wir sollen den Versorgungsauftrag gegenüber der Bevölkerung erfüllen, mit Nachdruck daran arbeiten und auch rechtzeitig damit beginnen, mit Nachdruck zu arbeiten. Dann haben wir den besten Auftrag gegenüber der Bevölkerung. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

21.58

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid das Wort.

Ich möchte Sie herzlich dazu einladen, den Geräuschpegel so zu halten, dass man den Ausführungen der Redner ohne Mühe folgen kann. – Bitte.

21.58

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Immer mehr komme ich drauf, wenn ich diese so genannte dringliche Anfrage oder Anfragenserie anschaue, dass es nichts anderes ist als ein unter dem Namen Anfragenserie getarntes, gebündeltes Eingeständnis, ein Schuldeingeständnis der sozialistischen Fraktion der vergangenen Jahre. Es war das wortwörtlich Ihre eigene Arbeit, was Sie der jetzigen Regierung vorzuwerfen versuchen.

Ich möchte aus dem Allgemeinen Teil den letzten Absatz so vorlesen, wie er eigentlich lauten müsste: "Mit dem gegenständlichen Dokument (Anfrage) im Bundesrat soll auch auf den Umstand aufmerksam gemacht werden, dass die früheren Mitglieder der Bundesregierung nur die Auswirkungen der einzelnen ihnen zurechenbaren Maßnahmen im Auge hatten, die sozialdemokratische Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode in ihrer Gesamtheit aber die Gesamtauswirkungen aller Maßnahmen völlig negierte. Die Gesamtauswirkungen führten aber zu einem der größten finanziellen Desaster, der größten Schuldenpolitik aller Zeiten. – Das wäre eigentlich richtig, und so hätten Sie es formulieren müssen, meine Damen und Herren von der sozialistischen Partei! (Bundesrat Gasteiger: Danke! Das nächste Mal fragen wir Sie!)

Zu Ihren Aussagen im Allgemeinen Teil gehört auch jene, es werden "Einrichtungen zerstört, die einen wesentlichen Teil der Lebensqualität der Menschen bilden". Meine Damen und Herren! Zu dieser Lebensqualität zählen vor allem auch die Lebensmittelgeschäfte. Ich weise noch einmal darauf hin: Ihre Vergesslichkeit ist der Schockwirkung zu verdanken, dass Sie nicht mehr in der Regierung sitzen. Sonst müssten Sie noch wissen, dass in den letzten Jahren Ihrer Regierung gerade bei den Lebensmittelgeschäften der ländliche Raum total ausgedünnt wurde. (Bundesrätin Mag. Trunk: Gedüngt?) Ausgedünnt wurde – passen Sie auf, was ich sage; er wurde ausgedünnt. (Bundesrat Manfred Gruber: Wer war denn Wirtschaftsminister?)

Pro Jahr schlossen rund 4 bis 5 Prozent, es war rund ein Geschäft pro Woche. 1998 waren es 2 087 Geschäfte, 1999 waren es nur noch 2 000 Geschäfte. Die "Konsum"-Pleite 1995 – darauf weise ich noch einmal hin, das haben Sie auch vergessen – hatte die SPÖ zu verantworten. Der Schuldenstand betrug rund 17 Milliarden Schilling. (Bundesrätin Mag. Trunk: "Neues Wohnen"!) Von den einst 15 000 Beschäftigten verlor fast jeder dritte seinen Arbeitsplatz. (Bundesrat Manfred Gruber: Wie war das in Niederösterreich mit dem "Neuen Wohnen"? Kollegin, wie war das in Niederösterreich?)

Sozialistische Bürgermeister, Herr Bürgermeister von Bad Gastein (Bundesrat Würschl: Wo haben Sie den Rosenstingl ...? – Ruf bei den Freiheitlichen: Das war ein kleines Würstel!)  – ich zitiere Ihnen einige, vorwiegend sozialistische Bürgermeister, zum Beispiel in Oberösterreich jene von Linz, Leonding, Traun, Pasching, Ansfelden und so weiter –, dünnen auch den ländlichen Raum aus, und zwar auf subtile Weise: Sie schaffen Einkaufszentren, eines nach dem


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anderen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber: Frau Kollegin!)

Weiters heißt es: "Diese Bundesregierung gefährdet die ausreichende Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Raum mit öffentlichen Verkehrsdienstleistungen und betreibt dabei eine systematische Aushöhlung des öffentlichen Verkehrs." – Meine Damen und Herren! Sie sind diejenigen, die sagen, dass das Ministerium immer zu schnell verordnet. Ich stelle fest und richtig: Es gibt keine Postuniversaldienstverordnung, bevor nicht alle Stellungnahmen der Länder eingelangt sind. Das haben Sie vorhin auch aus dem Mund von Frau Ministerin Forstinger gehört. Generaldirektor Wais hat die Weisung der Frau Bundesministerin, keine Postämter zu schließen, bevor diese Verordnung ordnungsgemäß in Kraft treten wird. Die Post ist beauftragt, Konzepte vorzulegen.

Vermutungen als Taten hinzustellen, ist immer Ihre Stärke, meine Damen und Herren von der sozialistischen Fraktion! (Bundesrat Dr. Nittmann: Schwäche!) Aber das sind noch immer nur Vermutungen. Das zeigt von Ihrer außerordentlichen parteilichen Schwäche.

Tourismus und Nahversorgung: Es ist letztendlich egal, ob es im ländlichen Raum eine Post oder eine Postdienststelle gibt – funktionieren muss es! (Bundesrat Manfred Gruber: Den Mitarbeitern der Post ist das nicht egal! Die sind Ihnen ja gleich!) Es gibt den wenigen Nahversorgern vielleicht die Chance, wieder einen größeren Stellenwert zu erlangen oder auch zu überleben.

Verkehrsmäßig hat die SPÖ den ländlichen Raum ausgedünnt. Erstens einmal will die SPÖ-nahe ÖBB Nebenbahnen im Aus sehen und dünnt laufend die Fahrpläne aus. Als Rettungsmaßnahme musste sich zum Beispiel das Land Oberösterreich zum Verkehrsdienstvertrag entschließen, der bis 2017 einen jährlichen Landesbeitrag in der Höhe von 105 Millionen Schilling zur Aufrechterhaltung des Nahverkehrs vorsieht. (Bundesrat Gasteiger: Das müssen Sie der Frau Minister sagen!) Im Mai 1989 fuhr die ÖBB letztmals auf der Strecke Rohr – Bad Hall. All das haben Sie vergessen – heute sind die Frau Ministerin und die jetzige Regierung schuld daran, dass zwischen Rohr und Bad Hall kein Zug mehr fährt.

Der Oberösterreichische Verkehrsverbund sollte den ländlichen Raum mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschließen. Sein Nicht-Funktionieren hat bereits Tradition, ist aber leider noch nicht Geschichte. Auch dafür zeichnen SPÖ-Referenten verantwortlich, meine Damen und Herren!

Die schon bevorstehende Schließung zum Beispiel unserer Almtalbahn in Oberösterreich fand nur wegen der Intervention der Frau Bundesministerin nicht statt. Vielmehr soll auf den Nebenbahnen sogar der Güterverkehr gefördert werden; das ist das Ziel unserer jetzigen Bundesministerin. Wir Touristiker und viele ältere Leute sind ihr dafür besonders dankbar, das kann ich Ihnen sagen, auch wenn Sie meinen, das sei Polemik oder Schutz, den wir Freiheitliche uns gegenseitig geben müssen. Das haben wir nicht notwendig. Wir haben etwas zu tun, nämlich Ihre Schuldenpolitik und Ihre Erlässe von früher aufzuarbeiten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Wir werden als Touristiker das tun, was uns zusteht, nämlich mit attraktiven Urlaubsangeboten dazu beitragen, die Urlaubsfahrten mit der Bahn zu unterstützen.

Den Postbus konkurrenzfähig zu machen, ist ein weiteres Ziel. Das bedeutet auch, ihn billiger zu machen. Meine Damen und Herren von der sozialistischen Fraktion! (Bundesrat Winter: Sozialdemokratischen!) Ihr Anliegen besteht lediglich darin, das hohe Kollektivvertragsniveau bei der Post zu erhalten, es geht Ihnen aber nicht um den Erhalt des öffentlichen Verkehrs. Das ist Ihre These. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Gasteiger: Jawohl! – Bundesrat Manfred Gruber: Wenn man sich die Gehälter in den Ministerien anschaut ...!)

Meine Damen und Herren! Ich kann Sie darauf aufmerksam machen, dass die Gemeinden immer schwieriger Gemeindeärzte finden. Zum Beispiel suchen viele Gemeinden schon länger vergeblich nach Gemeindeärzten. In Oberösterreich hat zwar der sozialistische Gesundheits


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referent Ackerl im Juni 1999 versprochen, eine Novelle zum Gemeindesanitätsgesetz auszuarbeiten und dem Landtag vorzulegen, bis heute haben aber weder er noch seine Nachfolgerin Stöger – auch eine Sozialdemokratin – etwas zu Stande gebracht.

Meine Damen und Herren! Was die Schließung der Finanzämter betrifft, gilt das, was Sie, so wie auch wir, von der Frau Vizekanzlerin und jetzt vom Herrn Staatssekretär vernommen haben: Es wird keine Schließungen geben. Ich frage Sie daher, meine Damen und Herren von der SPÖ: Haben Sie in der Opposition auf einmal den ländlichen Raum entdeckt? – Es hat lange gedauert, zu lange: 30 Jahre! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

22.08

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk. Ich erteile ihr das Wort.

22.08

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Die Frau Staatssekretärin hat es in der Tat ... (Bundesrat Hensler: Die Frau Bundesministerin!) Verzeihung! (Bundesrat Dr. Nittmann: Guten Abend! Gute Nacht!)

Die Frau Bundesministerin hat es in der Tat einem Teil der ÖVP-Abgeordneten zu verdanken, dass ich mir jene inhaltliche Auseinandersetzung aus der Sicht Kärntens über Infrastruktur, Verkehr, Post und dergleichen partiell erspare und mich hier mit einem anderen Teil befasse, nämlich mit der Situation, in der sich die FPÖ als Koalitionspartner befindet und die mich im Blick zurück und im Blick in die Gegenwart fatal an die Situation der Sozialdemokratie im Verhältnis zur ÖVP erinnert (demonstrativer Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus ), ohne in irgendeiner Form inhaltlich anzustreifen oder mich anzugleichen. (Bundesrat Marizzi  – in Richtung Bundesrat Mag. Gudenus –: Das war jetzt ein freudscher Versprecher!) Das war kein freudscher Versprecher, das war meinerseits kein freudscher Versprecher.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich verweise nur in einem Punkt auf die Doppelstrategie; aber ich bezweifle, dass es überhaupt eine Strategie ist. Ich denke, dass es eher ein charakterlicher politischer Zug von bestimmten Menschen innerhalb einer bestimmten Partei ist.

Der Herr Innenminister, der offensichtlich einer anderen Gruppe der ÖVP angehört, nicht jener, die ich jetzt meine, muss hier Rede und Antwort stehen und eine Verteidigung in Rede und Gegenrede vornehmen. Derselbe Innenminister, der angeblich der ÖVP angehört, wird mit einem Schiedsgerichtsverfahren beziehungsweise mit einem Parteiausschlussverfahren der ÖVP in Kärnten konfrontiert! (Bundesrat Marizzi: Nach dem Motto: Mir san mir!) Na gut: Das ist – kein unbeträchtlicher – ÖVP-Konflikt. Aber Sie und mein Kollege Gruber – und im Gegensatz zu ihm und vielen von Ihnen kann ich ihm jetzt auch ohne Brille in die Auge schauen – stehen bei der Abstimmung auf und gehen hinaus. (Bundesrat Würschl: Kein Rückgrat!) Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mir ist jede Haltung, wenn sie eine Haltung ist und Inhalt hat, wichtiger, wertvoll und wesentlich, auch wenn sie meiner Haltung völlig widerspricht. Aber Feigheit ist keine politische Kategorie! (Beifall bei der SPÖ.)

Nun zu Ihnen, Herr Staatssekretär: Ihre Einschätzung und Wertschätzung gegenüber den Parlamentariern hier im Bundesrat hält sich äußerst in Grenzen! Sie haben uns jetzt exakt vierzehnmal die Schuldenpolitik der SPÖ referiert. Dass dabei hin und wieder andere Zahlen vorkommen, verzeihe ich Ihnen. Sie können uns aber, Herr Staatssekretär, nicht für so einfach halten, dass wir glauben, dass – um nur ein Beispiel zu nennen – die Vorsteuerabzugsberechtigung und die von Ihnen zitierten "Gauner" in einem Zusammenhang mit der EDV-Ausstattung stehen. Herr Staatssekretär! Das hat mit EDV und der Infrastruktur wirklich absolut nichts zu tun, sondern das hat, wie Sie selbst wissen, mit bestimmten Konstruktionen zu tun.

Wenn ich mir überlege, dass Sie Rechnungshofbeamter in der seinerzeitigen großen Koalition waren, dann frage ich mich, wie viel Frust sich damals aufgestaut hat, dass Sie heute der beste Verteidiger aller Maßnahmen dieser Bundesregierung sind. So gesehen hat Karl-Heinz Grasser sehr großes Glück! Mit diesem Staatssekretär fällt es leicht, ein Strahlemann nach außen zu


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sein! Nach innen allerdings ... (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann.  – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Kulturgenuss wünsche ich jedem und ein bisschen mehr besonders dieser Bundesregierung, auch wenn es in Bregenz ist.

In Anbetracht dessen wundere ich mich nicht über die Schlagzeile: "Staatsreform. Guter Rat ist teuer." – Der Finanzminister ist ausgestattet mit einem Staatssekretär, und ich denke nicht, dass das ein Milchmädchenansatz ist. Aber ein Minister, der einen Staatssekretär plus Stab zur Seite hat, müsste – wie ich meine – den besten Berater an seiner Seite haben. Wenn derselbe Finanzminister jedoch über 100 Millionen braucht, um sich angeblich gute Berater und Experten zuzukaufen, dann frage ich Sie, Herr Finanzstaatssekretär: Was ist Ihr Job wirklich, außer Propagandachef eines Teiles dieser Regierung zu sein? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Würschl. )

Ich erspare das jetzt der Frau Ministerin, weil es die inhaltliche Auseinandersetzung mittel- und längerfristig noch weiterhin geben wird. Frau Ministerin! Ich habe mir Ihre Ausführungen angehört, und ich glaube Ihnen sogar. Sie haben gesagt, dass betreffend Postuniversaldienstverordnung sorgfältig vorgegangen werde. Das neue Wort ist jetzt "Dialog", das alte ist "Rot-Weiß-Rot". Ich glaube Ihnen das! Ich wollte mir gewisse Bemerkungen heute eigentlich schenken, auch bei den Gendarmerieposten und beim Hauptverband und dergleichen, und ich erspare mir das auch morgen. Es wird mir aber irgendwie ganz komisch zumute, wenn ich von einem ÖVP-Kollegen aus Wien etwas in die Hand bekomme, und dieser sagt: Schau dir das an! Darauf findet sich noch der handschriftliche Vermerk: "Ein doch" – unter Anführungszeichen – "‚recht interessantes Papier der ÖVP’".

Sie werden dieses Papier kennen: Es ist mit "Argumente zur Negativpropaganda der SPÖ" betitelt. Ich erspare Ihnen all das, und ich gebe es Ihnen, falls Sie es nicht besitzen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich komme jetzt zur Seite 20. Die Verkehrsministerin sagt: Sorgfältiges Vorgehen ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Peter Polleruhs. ) Wenn das nicht von der ÖVP ist, dann können Sie sich sofort distanzieren! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Die Verkehrsministerin hat gesagt, dass es des sorgfältigen Vorgehens und des Dialogs bedürfe. In der parteiinternen und öffentlichen Argumentationsliste der Bundes-ÖVP steht – und das sollten Sie wissen –: Österreich braucht eine moderne Post. ... Der Reformbedarf bei der Post liegt auf der Hand. Durch die veraltete ... Struktur gibt es heute Postämter, die am Tag nicht mehr als drei bis vier Kunden haben. – Das sagen heute die ÖVPler, die Verteidiger der ländlichen Struktur! Offensichtlich sind wir heute alle aus der ländlichen Region. Ich halte allerdings eine Politik Stadt gegen Land für eine nicht sehr seriöse Politik! Und das Postamt auch in Kärnten, das drei bis vier Kunden täglich hat, kenne ich nicht!

Weiter heißt es auf Seite 20 dieses Papiers "Bei manchen Postämtern sind die Personalkosten dreimal so hoch wie der Umsatz." – Sie haben das schon alles berechnet. – "Kein Unternehmen kann mit so defizitären Vertriebsstrukturen überleben." – Das ist auch noch in Ordnung. Das ist eine Behauptung, aber ich denke, die diesbezüglichen Unterlagen haben Sie alle.

Aber dann kommt es: "Reformen bringen Veränderungen für die Mitarbeiter." Die ÖVP weiß es heute schon! "Nach der geplanten Strukturreform bei den Postämtern werden 60 Prozent der davon betroffenen Mitarbeiter in einem anderen Postamt tätig sein." Das heißt: Die Frau Ministerin setzt auf Dialog, Gespräch und Sensibilität. Die ÖVP verteilt heute schon Propaganda-Unterlagen und sagt, dass 60 Prozent der Beschäftigten betroffen sein werden.

Es geht noch weiter. Sie haben auch schon Sozialpläne in Ihrer Propaganda: " Der nach der Zusammenlegung von Postämtern entstehende Überhang an Dienstposten wird sozial verträglich – großteils durch natürlichen Abgang und im Einvernehmen mit der Personalvertretung – abgebaut." Das steht in diesem Papier! Die ÖVP weiß also heute schon, dass es überall ein Einvernehmen mit der Personalvertretung geben wird! Und in diesem Ton geht es weiter.


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Frau Ministerin! Ich höre mir diese Debatten jetzt seit einem halben Jahr hier im Bundesrat an. Ich bin beziehungsweise war eine veritable Verteidigerin der so genannten seinerzeitigen christlichsozialen-sozialdemokratischen Koalition. Ich war es! Das heißt nicht, dass ich eine Proponentin einer Koalition mit der FPÖ wäre! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. ) Das schließt in vielen Dingen vieles aus. Aber heute kann ich verstehen, warum Koalitionen in die Brüche gehen. Und wenn Sie hier von den SPÖlern und den Sozialisten sprechen, die alles verhindert haben, dann denke ich, dass ein paar von jenen noch da sitzen. Ich erinnere Sie nur an die Causa Gewerbeordnung und die Reformbereitschaft der ÖVP in der Frage der Gewerbeordnung, der Liberalisierung und dergleichen. "Bremsklotz" ist in diesem Zusammenhang ein harmloser Begriff! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich komme nicht vom Thema ab, ich komme sofort wieder darauf zurück.

Das heißt: Ihr Koalitionspartner, Frau Ministerin, weiß heute schon, was Sie übermorgen tun werden, welche Verordnung es gibt, welche Postämter geschlossen werden. Mit dieser Propaganda gehen Sie hinaus. Sie müssen hier und auch den Medien gegenüber Rede und Antwort stehen und politische Auseinandersetzung führen beziehungsweise – ich sage das jetzt in dem früheren Jargon – die politischen Ohrfeigen kassieren, so wie der Herr Innenminister, der offensichtlich der anderen Fraktion der ÖVP angehört.

Heute, seitdem Sie eine andere Partnerschaft haben, wird mir klar: Die ÖVP war nie in einer Regierung mit der SPÖ! (Zwischenruf des Bundesrates Ledolter. ) – Bis auf Strasser, aber das ist ein anderer! Ebenso ist die ÖVP auch nie in einer Regierung mit der FPÖ. Es liegt mir fern, der FPÖ hilfreich zur Seite zu stehen, aber ich meine, es ist ein Denkansatz, welche kuriose Form des Verständnisses von koalitionärer Partnerschaft einige innerhalb der ÖVP haben. Und heute konnte merkwürdigerweise – bis auf den flüchtenden Kollegen Gruber aus Kärnten – nicht einmal mehr der Herr Innenminister und konnte niemand von Ihnen mir erklären, warum der ÖVP-Parteiobmann ein Parteiausschlussverfahren gegen den Innenminister anstrebt, wenn es eigentlich eine koalitionäre gemeinschaftliche Vorgangsweise gibt. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Nittmann. )

Das heißt: Die einen zünden das Haus an. Das ist eine Eigenschaft, die auch mein Landeshauptmann hervorragend beherrscht. Aber mittlerweile geht er auch schon auf den Leim der ÖVP. Das heißt: Die SPÖ wird es nicht zulassen – und zwar ausdrücklich ohne der FPÖ hilfreich zur Seite zu stehen, denn dieses Geschäft müssen Sie selbst erledigen! –, dass Sie sich mit ihrer Duck- und Geh-in-Deckung-Strategie und -Politik jetzt auch in dieser Koalition einerseits zu den Rettern der ländlichen Region aufspielen und den anderen die Berechtigung dazu absprechen, andererseits aber gleichzeitig heute schon erklären, wie viele Postämter geschlossen werden, warum welche Postämter geschlossen werden, und die SPÖ und ihre Vergangenheit als Erklärung für die so genannte ruinöse Politik der Vergangenheit heranziehen. – Die Politik der Vergangenheit war nicht ruinös! Es war dies eine ganz andere Form der Politik, weil sie auch eine ideologisch andere Politik war. Das ist zuzugestehen.

Frau Ministerin! Ich lasse kein besonderes weibliches Solidaritätsgefühl aufkommen, es geht hiebei um Ihre Auseinandersetzung mit der ÖVP! Aber ich möchte sagen, dass noch erschwerend – oder erleichternd – die Auseinandersetzung mit unserem Kärntner Landeshauptmann hinzukommt, der heute schon erklärt, dass er die Verordnung, die nicht erlassen wurde, als Land Kärnten negativ beeinsprucht hat. (Bundesrat Mag. Hoscher: Super!)

Ich beantrage immer wieder, dass das Land Kärnten Einsprüche gegen die Bundesregierung auch uns Bundesräten zukommen lässt. Heute habe ich aber jedenfalls gelernt: Wenn etwas noch nicht erlassen ist, dann kann auch noch kein Einspruch erhoben werden oder worden sein. Aber mein Landeshauptmann sagt dann – wir sind darin durchaus eins; ich zitiere Jörg Haider –: Ich spreche mich gegen die geplante Zentralisierung des Postdienstes aus. Eine Ausdünnung der derzeitigen Versorgungsdichte kann in Kärnten schon aus regionalpolitischer und regionalwirtschaftlicher Sicht nicht hingenommen werden. – Haider bezieht sich im Kampf gegen die Schließung von kleinen Postämtern, so wie die Frau Ministerin heute, auf das Postgesetz von 1997. Das heißt: Ihr Job ist offensichtlich kein allzu leichter!


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Aber ich muss auch Kollegen Gasteiger etwas beruhigen. Hier im Hohen Haus wird immer wieder der Eindruck erweckt wird, Kärnten sei in einer so erklecklich privilegierten Situation. Ich beschränke mich jetzt auf Fakten. Wir können nicht ... (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Kärnten blüht auf!)  – Ich bin für Blühen und alles Mögliche, aber ich schaue mir nur die Fakten an. Wenn Kärnten unter diesem so genannten Erblühen in den letzten beiden Jahren im Ländervergleich einen rapiden Anstieg im Bereich der Verschuldung aufweist, dann können die Benefizien seitens des Bundes nicht besonders hoch sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Dessen ungeachtet, Frau Ministerin, wünsche ich Ihnen viel Glück, und ich wünsche Ihnen nicht das Schicksal vieler Prominenter vor Ihnen. Denn das Einzige, was uns verbindet, ist, dass im Bereich einer Männermachtwirtschaft Frauen schneller geopfert werden. Aber Herr Minister Schmid war ja auch ein Mann! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Es liegt eine Wortmeldung der Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann zur Geschäftsordnung vor. Ich erteile ihr das Wort.

22.24

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten) (zur Geschäftsordnung): Ich möchte eine Korrektur vornehmen.

Frau Kollegin Trunk hat behauptet, in Kärnten wäre der Schuldenstand exorbitant.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Frau Kollegin Kanovsky! Offensichtlich wollen Sie eine tatsächliche Berichtigung machen!

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Ich bleibe jetzt noch ganz kurz da und mache eine tatsächliche Berichtigung. – Danke.

Ich will nur sagen, dass das nicht der Wahrheit entspricht, was Kollegin Trunk in diesen Punkten gesagt hat – ich beurteile nicht, was sie vorher gesagt hat –, nämlich dass die Verschuldung in Kärnten zugenommen habe.

Das Gegenteil ist der Fall: In Kärnten hat es einen Verschuldungsrückgang, und zwar in Hinblick auf die Nettoverschuldung, gegeben. Den genauen Betrag kann ich jetzt nicht nennen, weil mir die Zahlen nicht vorliegen, aber ich möchte die Aussage von Bundesrätin Trunk berichtigen, weil diese eine unwahre Behauptung war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.26

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich möchte bei dieser Gelegenheit darum bitten, Wortmeldungen richtig zu bezeichnen. Eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung hat in der Rednerliste Priorität und Vorrang vor einer tatsächliche Berichtigung. Ich bitte Sie, darauf Rücksicht zu nehmen.

Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ernst Winter. – Bitte.

22.26

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! (Beifall und Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Dass diese Bundesregierung die ausreichende Versorgung im ländlichen Raum im Allgemeinen, aber auch in Bezug auf den öffentlichen Verkehr und auf die Verkehrsdienstleistungen aushungert, ist keine Neuigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Die blau-schwarze Koalition betreibt eine systematische Aushöhlung des öffentlichen Verkehrs. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Nittmann. ) So wurden, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem Fahrplan der ÖBB im Juni viele Verschlechterungen für Teile der Bevölkerung herbeigeführt. Viele Menschen haben dieses unwürdige Spiel natürlich auch schon durchschaut. Ich darf Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesministerin, anschließend ein Schreiben übergeben, das ich von betroffenen Mitarbeitern meines Bezirkes bekommen habe. (Bundesrat Dr. Aspöck: Haben das zehnjährige Kinder mitunterfertigt?) Nein, Herr Kollege! Es geht hiebei um die Einstellung der Eisenbahnstrecke Retz – Drosendorf. Die Strecke wurde eingestellt,


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Schluss, Ende. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Nittmann.  – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ich glaube, nachgedacht wurde dabei nur sehr wenig, denn im Zusammenhang mit der versprochenen Führung der Buslinie von Retz nach Drosendorf ergibt sich nämlich Folgendes – lachen Sie nicht, meine Damen und Herren von der ÖVP! –: Die Bahn fährt nicht mehr, und auch der Bus, der als Ersatz versprochen wurde, fährt nicht. Das ist Ihre Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien! (Beifall bei der SPÖ.)

In diesem Schreiben bitten der Bürgermeister der Gemeinde Langau – ein ÖVP-Bürgermeister, den Klubobmann Khol vielleicht als 2 938. Zwerg bezeichnen würde, ich weiß es nicht, ich kenne mich auch in der Rangordnung der ÖVP-Zwerge nicht so aus! – und die Bevölkerung der Katastralgemeinde Hessendorf um Unterstützung. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Nittmann. )

Frau Ministerin! Es geht um Folgendes: Sollte diese Ortschaft auch in Zukunft weiter vom öffentlichen Verkehr ausgeschlossen sein, dann ergäbe dies für viele Familien besondere Nachteile, beziehungsweise möchte ich behaupten, dass dadurch sogar Härtefälle entstehen werden. Das ist der Inhalt des Schreibens dieser Gemeinde. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Lachen Sie nicht! Freiheitliche Wähler und schwarze Wähler mit einem schwarzen Bürgermeister an der Spitze schreiben mir: Dies bedeutet, dass ein eigener privater Schultransport durchgeführt werden müsste: 38 Kilometer pro Tag, 184 Kilometer pro Woche und 6 626 Kilometer pro Schuljahr. Rechnet man den Zeitaufwand dazu, dann beträgt dieser 360 Stunden pro Schuljahr. – Sie lachen darüber, aber bei den Wahlen wird Ihnen das Lachen vergehen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ als Vertreter des "kleinen Mannes" mögen mir sehr genau zuhören! Für Pendlerfamilien müsste oft ein zweiter Pkw angeschafft werden. Es gibt auch ältere Personen, die keinen Pkw besitzen, aber auch notwendige Fahrten zum Arzt beziehungsweise für Einkäufe zu tätigen haben. Es gibt dort ein Anglerparadies mit 4 000 Besuchern, wo auch sehr viel Geld vom Land Niederösterreich investiert wurde und auch noch wird. – Als Schlusssatz schreiben mir diese Menschen, dass dieses für sie wichtige Anliegen auch einer positiven Erledigung zugeführt werden soll.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich darf Ihnen dieses Schreiben übergeben und bitte Sie und fordere Sie dazu auf, diese Menschen in ihrer Heimat, in unserem schönen Waldviertel, weiter leben zu lassen! (Der Redner übergibt das Schreiben Bundesministerin Dr. Forstinger. – Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Ernst Winter und GenossInnen gemäß § 43 der Geschäftsordnung des Bundesrates betreffend: Das neue Konzept der Finanzverwaltung darf den ländlichen Raum nicht schädigen

Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, nochmals mit den betroffenen Ländern und Gemeinden über das neue Konzept der Finanzverwaltung Verhandlungen aufzunehmen, um den Erhalt aller Standorte im Interesse der Bevölkerung im ländlichen Raum und im Interesse des ländlichen Raumes insgesamt zu garantieren.

Ebenso wird der Herr Bundesminister für Finanzen ersucht, das Konzept so zu gestalten, dass eine Konzentration der qualifizierten Funktionen in den Zentren der Wirtschaftsregionen verhindert wird, um nicht neuerlich die Bevölkerung des ländlichen Raumes zu benachteiligen.

*****


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Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch einige abschließende Worte: Gendarmerieposten, Postämter, Eisenbahner, die Wirtschaft, die Gerichte, sie alle leiden unter der Politik dieser Regierung! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) Arbeiter in Privatfirmen sind verunsichert, die Bauwirtschaft ist verunsichert, und es fehlen auf Grund der Regierungspolitik der blau-schwarzen Koalition öffentliche Aufträge, und nicht wegen uns, Herr Kollege Böhm! (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Sie, Frau Ministerin, und Sie, Herr Staatssekretär, gehören zu den Rädern im Getriebe dieser Regierung. Ich rufe Sie daher auf: Bringen Sie dieses ohnehin schon klappernde Werkel zum Stehen. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.) Lassen Sie dieses klappernde Werkel zum Wohle unsere Bevölkerung stehen! Verscherbeln Sie nicht noch mehr an Staatseigentum! Denken wir an die ATW: 1,5 Milliarden Schilling Gewinn, um 10 Milliarden Schilling verkauft, um 20 Uhr wurde eine Sitzung einberufen, um 2 Uhr Früh war sie verscherbelt. (Bundesrat Dr. Böhm: Und was hat Vranitzky mit der DDSG gemacht?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihre Politik wird den Menschen in unserem Land, unserer Bevölkerung noch teuer zu stehen kommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von Kollegen Winter eingebrachte Antrag ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesrat Kaltenbacher. – Bitte.

22.34

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Attraktivität einer Region hängt davon ab, ob entsprechende Betriebe und qualifizierte Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden, und vor allem davon, ob eine entsprechende Infrastruktur vorhanden ist.

Derzeit schaut es aber so aus, dass die Steiermark – und vor allem die Obersteiermark und der Bezirk Murau – auf ein Abstellgleis gestellt werden. Die Nichtrealisierung des Semmering-Basistunnels ist für die Obersteiermark und für die Steiermark insgesamt negativ und bedeutet, dass die Südbahnstrecke zur Nebenstrecke degradiert wird.

Neben dem Ausbau der Südbahn ist eine Verbesserung des Straßennetzes unabdingbar. In diesem Zusammenhang möchte ich eine Anmerkung zu dem machen, was Kollege Missethon vorher gesagt hat. Bis in das Kernland der SPÖ, nämlich in die Bezirke Leoben, Bruck, Knittelfeld und Judenburg, geht Gott sei Dank die Autobahn. Hingegen gibt es in Murau, dem Kernland der ÖVP, wo von 35 Bürgermeistern 30 der ÖVP angehören, keine entsprechenden Infrastrukturmaßnahmen. – Das möchte ich dir einmal sagen!

Zu den Umstrukturierungen bei der Verstaatlichten: Gerade in diesem Bereich wurden sehr viele Aktivitäten gesetzt. Ich denke an sehr innovative, qualitative Betriebsansiedlungen, ich denke an das Projekt "Therme Fohnsdorf", das jetzt entwickelt wird, und ich denke daran, dass die Bezirke Judenburg, Knittelfeld und Leoben aus diesem Schlamassel befreit und erfolgreich umstrukturiert wurden. Nicht umsonst haben diese Bezirke eine der höchsten Erwerbsquoten im Steiermarkschnitt und eine der höchsten Einkommensquoten. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Frau Ministerin! Bereits in meiner Anfrage vom Februar 2001 habe ich Sie gefragt, wie es mit dem Ausbau der B 317 von Judenburg nach Dürnstein ausschaut. Nach Gesprächen mit der Baubezirksleitung vorige Woche sowie nach Auskunft zuständiger Stellen in der Landesregierung konnte ich feststellen, dass dieser Bundesstraßenbebauungsplan wieder revidiert und es wiederum zu einer Verzögerung dieses Ausbaues kommen wird.

Ebenso habe ich eine Anfrage im Hinblick auf die Snowboard-WM 2003 im Bezirk Murau an Sie gerichtet. Gerade dieses Projekt ist für unsere Region ein Großereignis, und es bedarf daher


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einer entsprechenden Bereitstellung finanzieller Mittel und der Schaffung infrastruktureller Voraussetzungen.

Gerade der Bezirk Murau ist ein ÖVP-dominierter Bezirk, und jetzt komme ich wieder zu Kollegen Missethon und auf das Gebiet zu sprechen, auf das Frau Landeshauptfrau Klasnic am wenigsten schaut: Der Bezirk Murau hat die höchste Pendlerquote. 70 Prozent aller Erwerbstätigen im Bezirk Murau pendeln über den Bezirk oder über das Bundesland hinaus. Des Weiteren hat dieser Bezirk eine der niedrigsten Erwerbsquoten und vor allem eine der niedrigsten Frauenerwerbsquoten. Daher ist es für uns immens wichtig, dass diese Projekte relativ rasch realisiert werden, damit die Beschäftigung in der Region sichergestellt wird.

Nicht nur diese Entwicklungen, sondern vor allem das Sparprogramm und die daraus resultierenden Einschränkungen machen uns große Sorgen. Im Bezirk Murau gibt es keinen einzigen öffentlichen Bau. Erstmalig seit Jahren ist die Arbeitslosenquote im Bau- und Baunebengewerbe gegenüber dem Vorjahr um 30 Prozent gestiegen. Die Bürgermeister des Bezirkes leiden unter diesem Sparpaket, und hinter vorgehaltener Hand verwünschen sie diesen Stabilitätspakt. Immer weniger Einnahmen, gleichzeitig jedoch laufend mehr Ausgaben engen den finanziellen Spielraum der Kommunen enorm ein. Ich erinnere an den Fall der Getränkesteuer beziehungsweise an drohende Rückzahlungen, stark reduzierte Erträge aus der Ankündigungsabgabe, weniger Einnahmen aus dem Stabilitätspakt und so weiter und so fort. Dennoch gibt es immer mehr Aufgaben.

Die Kommunen haben immer größere Probleme, ein ausgeglichenes Budget zu erstellen. Wer bei Investitionen spart, verursacht Arbeitslosigkeit, und wer bei den Gemeinden spart, der spart bei den Bürgern. – Der Bürger wird Ihnen die Rechnung präsentieren. (Beifall bei der SPÖ.)

22.39

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster ist Herr Bundesrat Weilharter zu Wort gemeldet. – Bitte.

22.39

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich komme ganz kurz rückblickend und rückblendend zu der Begründung dieser dringlichen Anfrage:

Frau Kollegin Schicker hat in ihren Ausführungen zur Abwanderung im ländlichen Raum – um in ihrer Diktion zu sprechen: zur Landflucht – versucht, die Bundesregierung dafür verantwortlich zu machen. (Bundesrätin Schicker: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt: Wenn das so weitergeht! Du hörst mir nicht zu, Herr Kollege Weilharter!)

Frau Kollegin! Man muss sich nur einmal die Zahlen der Bevölkerungsentwicklung in Österreich anschauen: Nach wie vor ist die Abwanderungsrate wesentlich geringer als die Zuwanderungsrate, und die Einwanderungsrate ist bei rund 8 Millionen leicht steigend.

Frau Kollegin Schicker! Du liegst mit einer weiteren Aussage falsch: Du hast versucht, für die Entwicklung im ländlichen Raum und vor allem für die Abwanderung die Bundesregierung verantwortlich zu machen! (Bundesrätin Schicker: So spielt es die FPÖ immer!) Es ist völlig egal, ob es sich um Vorarlberg oder das Burgenland handelt: Wir haben eine Bundesregierung, und die Menschen wandern nicht aus Österreich aus, sondern sie wechseln nur ihren regionalen Standort. (Bundesrätin Schicker: Weil sie keine Arbeitsplätze haben!) Ich meine vielmehr – da bin ich völlig bei dir –: In jenen Gemeinden der Obersteiermark, wo wir starke SPÖ-Mehrheiten haben, gibt es eine starke Abwanderung. Daher handelt es sich vielmehr um eine Flucht aus der SPÖ und eine Flucht vor der SPÖ! Das ist eine Flucht vor der SPÖ und ihrer Politik, Frau Kollegin! (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Eine Flucht vor der SPÖ? Du disqualifizierst dich selbst! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin Schicker! Du hast dich in deiner Begründung – ich glaube, du hast dabei an die steirischen Gemeinden gedacht – über das finanzielle Aushungern der Gemeinden beklagt. Ich bin darüber schockiert! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Von 543 steirischen Gemein


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den ist Herr Landeshauptmannstellvertreter Dr. Peter Schachner-Blazizek, SPÖ-Vorsitzender, Gemeindereferent und für ein Drittel der Gemeinden, aber für über 50 Prozent der Budgetmittel zuständig. Hier bin ich bei dir, Frau Kollegin Schicker! (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.) Bei Peter Schachner liegt vieles im Argen. Es ist eine Ungerechtigkeit, was hier passiert, und diesbezüglich bedarf es der Aufklärung! (Bundesrat Dr. Nittmann: So ist es!)

Meine Damen und Herren! Kollege Gasteiger, Bürgermeister aus Kaltenbach im Zillertal, hat sich auch über die Aushungerung des ländlichen Raums beklagt. Ich habe seinen Beitrag sehr genau mitverfolgt. Ich hatte das Gefühl, er legt Bilanz über seine Leistung als Bürgermeister! Ein Jahr Bürgermeister Gasteiger ist ein Verlust für die Gemeinde Kaltenbach! Ich bin deiner Meinung, Kollege! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Mag. Trunk : Könnten Sie das wiederholen? – Bundesrat Freiberger: 130 Millionen habt ihr ihnen weggenommen!)

Frau Kollegin Trunk! Ihr Kollege Winter hat die Reformen der Bundesregierung als Ausdünnung des ländlichen Raumes bezeichnet. (Bundesrat Winter: So ist es!) Herr Kollege Winter! Wenn Reformen eine Ausdünnung sind, was war denn dann der Niedergang der Verstaatlichten unter Ihrer politischen Verantwortung? War das eine Reform? Oder was war denn dann die "Konsum"-Insolvenz beziehungsweise die "Konsum"-Pleite? (Bundesrat Winter: Wir reden von einer ganzen Gemeinde, die vom öffentlichen Verkehr ausgeschlossen ist, nicht vom Konsum!) War das Ihr Verständnis von Reformen? (Bundesrat Mag. Hoscher: Was war mit Rosenstingl?) Was hat es mit den Schulden der SPÖ an sich? Sind das Ihre Reformen? (Zwischenruf des Bundesrates Winter. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wie war das mit dem jüngsten Niedergang der SPÖ-nahen "Neuen Zeit"? Ist das Ihre Reform? (Zwischenruf des Bundesrats Freiberger. ) War der Niedergang der "Neuen Zeit" Ihr Beitrag für den ländlichen Raum? (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Kollege Kaltenbacher hat die Anbindung des Bezirkes Murau an ein Autobahnnetz eingemahnt. Ich bin seiner Meinung! Bis Oktober des Vorjahres war Herr Landesrat Ressel von der SPÖ für Verkehr und Infrastruktur zuständig. – Ja! Auf Grund dieser politischen Verantwortung haben wir im Bezirk Murau Nachholbedarf. (Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Es ist wirklich vieles aufzuholen. 30 Jahre Sozialismus im Bund und mehrere Jahrzehnte Sozialismus im Land fordern Reformen, und es besteht Aufholbedarf. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Meine Damen und Herren! Ich darf daher folgenden Entschließungsantrag einbringen.

Entschließungsantrag

der Bundesräte Ulrike Haunschmid, Georg Keuschnigg und Kollegen betreffend Berichte über gemeinwirtschaftliche Leistungen im Verkehrsbereich

Der Bundesrat wolle beschließen:

"Die Frau Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird ersucht, die Berichte über die Bestellung gemeinwirtschaftlicher Leistungen an den Nationalrat auch dem Bundesrat zur Behandlung vorzulegen."

*****

Ich bitte um Ihre Unterstützung dieser Entschließung! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

22.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Haunschmid, Keuschnigg und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend Berichte über gemein


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wirtschaftliche Leistungen im Verkehrsbereich ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Frau Kollegin Schicker hat sich zu einer tatsächliche Berichtigung zu Wort gemeldet. Ich ersuche um Berücksichtigung der von der Geschäftsordnung vorgeschriebenen Regeln. – Bitte.

22.45

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist so wie immer, wenn ich etwas sage. – Ich spreche, wie ich glaube, deutlich genug, lieber Kollege Weilharter, sodass auch du mich verstehen kannst. Ich habe mein Redemanuskript hier, und ich kann dir vorlesen, was ich gesagt habe. (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie haben sich verlesen!) Auch das tue ich nicht!

Ich habe gesagt, dass die Frau Landeshauptfrau mit lachendem Gesicht diesen Vertrag unterschrieben hat, sodass die Steiermark täglich 10 Millionen Schilling an den Bund abliefert, das sind in Summe 3,5 oder 3,6 Milliarden Schilling. Das ist ein Faktum! Das musst du zugeben! (Zwischenruf des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon. ) Herr Kollege Missethon! Das ist ein Faktum. Davon gehe ich nicht ab. Dass die Gemeinden dadurch ausgehungert werden, liegt auf der Hand!

Kollege Weilharter! Jetzt kommt der Satz, bei dem du mir nicht zugehört hast! Ich habe gesagt, dass einfach kein Geld mehr für die Gemeinden vorhanden ist und dass Subventionszusagen – ich habe nicht von Bedarfszuweisungen gesprochen, und das ist der große Unterschied (Beifall bei der SPÖ)  – willkürlich fast nur mehr an ÖVP- beziehungsweise FPÖ-Gemeinden gegeben werden. Du kennst diese Liste. Vor 14 Tagen wurden in der Landesregierungssitzung gerade sozialdemokratischen Gemeinden keine Zuschüsse mehr gewährt. Sie können mit dem Kopf schütteln, soviel Sie wollen, Kollege Missethon! Ich habe das schriftlich vorliegen. Eine Subvention an die Stadtgemeinde Leoben, und zwar für die Gesundheitstage, wurde nicht mehr, wie in den Vorjahren, gewährt, und auch für Knittelfeld wurde sie nicht gewährt, für die ÖVP-Gemeinden hingegen sehr wohl. Das ist meine Richtigstellung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

22.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte.

22.47

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren dieses Hohen Hauses! Erlauben Sie mir ein paar Anmerkungen zu Ihren Wortmeldungen.

Herr Bürgermeister Gasteiger! Sie sagen: Vieles wurde in den letzten Jahrzehnten in Straßen und in die Schiene investiert. – Ich frage mich nur, nach welchen Kriterien! Es gibt weder eine durchgehende Haupttrasse sowohl von Osten nach Westen noch von Norden nach Süden. Ich habe keinen Lückenschluss beim Autobahnbau. Wo wurde das Geld investiert? Wo wurde es vergraben? Nach welchen Kriterien wurde es investiert, und warum wurde es so investiert? – Das sind die Fragen, denen ich mich stellen musste! Daher habe ich auch gesagt: Es muss endlich eine strukturierte Verkehrspolitik geben! Es muss endlich eine strukturierte Investition in die Verkehrsträger geben, und daher erstelle ich erstmals einen Generalverkehrsplan. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Geschätzte Bundesräte dieses Hohen Hauses! Warum haben wir so viele Baustellen? Warum haben wir ein Autobahnnetz, dessen Zustandes wir uns schämen müssen? – Weil viel zu lang und viel zu wenig in diese Autobahnen investiert wurde und weil ich das jetzt alles aufzuholen habe! Warum das so ist, kann ich Ihnen auch sagen: Ich habe die Grundsatzpapiere der Verkehrspolitik der vergangenen Jahre vor mir liegen: Das eine, die so genannte DSG-Studie, ist ein Straßenbaupamphlet, in dem es darum geht, welche Straßen erforderlich sind, und das andere ist ein Masterplan. Die Zusammenfassung ist genau der Gegensatz der Aussagen, denn


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in einem Masterplan ist enthalten: Wenn wir einen vierspurigen Ausbau der Westbahn haben, abgesehen davon, dass wir noch weit davon entfernt sind, brauchen wir keinen Ausbau der Westautobahn, der A 1.

Meine Damen und Herren! Dass das Gegenteil der Fall ist, dass das die falsche Verkehrspolitik ist und dass wir jeden Tag eine andere Situation sehen, brauche ich nicht zu demonstrieren; das hören Sie in den Radio-Staumeldungen, das sehen Sie jeden Tag. Ich persönlich kenne seit den beinahe 20 Jahren, in denen ich jetzt mit dem Auto fahre, keine Strecke zwischen Amstetten und Salzburg, auf der es nicht eine Baustelle gegeben hat.

Aber von einer sechsspurigen Autobahn ist weit und breit keine Spur, denn Straßen zu bauen war nicht erlaubt. Verhindern, vermeiden, keine Verkehrswege errichten – das war die Politik! Vieles in die Schiene, nicht durchgängig ausbauen – das ist meine "Baustelle", meine "Baustelle" im Verkehrsministerium.

Ich lasse es nicht zu, von einem Chaos zu reden, wenn eine Verkehrsministerin erstmals alle an einem Tisch sitzen lässt, und zwar drei Monate lang. (Bundesrätin Schicker: "Lässt"! Sie "lässt" sitzen!) Da bedarf es bei intensiver Arbeit, bei intensivem Einsatz aller Experten dessen, dass die Unterlagen abgeglichen sind. Im Land andere Zahlen und andere Planungsstände, in den einzelnen Gesellschaften andere Unterlagen – all das findet man vor, wenn es keine geordnete, zusammengeführte Verkehrspolitik gibt. (Bundesrat Kraml: Das brauchen Sie uns nicht zu sagen! – Zwischenruf des Bundesrates Freiberger. )

Ich habe nicht drei Gesellschaften für den Straßenbau gegründet, ich habe auch nicht drei Gesellschaften für die Schieneninfrastruktur gegründet, und ich habe schon gar nicht unterschiedliche Verkehrspolitiken gemacht. Ich habe eine Langfristplanung zu machen. Dass nie jemand die Verkehrspolitik wirklich strukturell in die Hand genommen hat, liegt wahrscheinlich daran, dass man die Früchte nicht sofort ernten kann, sondern langfristig planen muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich lasse es auch nicht zu, vom Chaos zu reden, weil es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Experten aller Gesellschaften in ihrer Arbeit trifft und sie nichts dafür können. Denn die Politik ist dazu da, Rahmenbedingungen vorzugeben, die es ermöglichen, etwas zu verschränken. Allein mit der Zusammenlegung eines Ministeriums aus unterschiedlichen Bereichen ist es nicht getan, es müssen auch die Strukturen zusammenfinden. Dann werden die Leute, die sehr viel Erfahrung und sehr viel Know-how haben, all das auch einbringen, wenn wir die richtigen Linien vorgeben.

Ich bin die Erste, die einen Generalverkehrsplan überhaupt in Angriff nimmt und darstellt. Ich sage, bis Ende des Jahres wird es für Straße und Schiene eine Prioritätenreihung geben. In weiterer Folge wird die Binnenschifffahrt dazukommen. (Bundesrat Gasteiger: Das schaue ich mir an!) Darüber hinaus müssen wir die Verladestellen, die Terminals, die Häfen und all das abstimmen, damit wir zu einer geordneten Verkehrspolitik kommen.

Von intelligenten Verkehrssystemen – wie Telematik, wie Verkehrsleitsystemen –, wie sie in Schweden, in Deutschland, in Frankreich, in Italien, in der Schweiz, überall in Europa gang und gäbe sind, findet sich bei uns keine Spur. Ich muss einen Telematik-Schwerpunkt setzen. Gott sei Dank habe ich auch die Forschung im Ministerium, sodass ich im Verkehrsbereich einen Schwerpunkt setzen kann. Ich muss jetzt bei Verkehrsleitsystemen die Impulse setzen, dass wir vielleicht in drei Jahren das erste System haben werden und hoffentlich auch auf der Südosttangente installieren können, wobei alle von der Tangente der Zukunft reden – einer Verkehrssünde, die bei Gott nicht ich und auch nicht der Bund verursacht hat! Das muss ich auch einmal klar sagen. (Bundesrat Konecny: Sie wollen dort Maut einheben?)

Es war lange nicht erlaubt, über Straßen zu reden, und daher kommt das auch davon. Da braucht man überhaupt nicht über die Kompetenzverteilung zu reden. Denn alles hat man unternommen, man hat Gesetze im Naturschutzbereich, im Wasserrecht, in anderen Einzelverfahren und Formalverfahren so geändert, dass man sie jederzeit wieder aufheben konnte,


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und es ist nie zu einer geordneten Infrastrukturpolitik gekommen. (Bundesrat
Konecny: Haben Sie jetzt gesagt, dass Sie auf der Südosttangente Maut einheben wollen?)

Daher ist es so weit gekommen, dass man an einer Hochleistungsstrecke von Westen nach Osten auf einem Abschnitt vor Salzburg – zwischen Seekirchen und Salzburg – Leute damit verunsichert, dass man ihnen eine Trassenansicht auf einem Luftbild vorlegt, auf dem die Siedlung nicht eingetragen ist. Meine Damen und Herren! Die Bevölkerung versteht nicht, wie man so plant und wie man verdeutlichen sollte, dass man sich mit der Sache auseinander gesetzt hat. Sie versteht aber auch nicht, dass alle sagen: Ein Projekt ist wichtig, und dann haben wir Einzelverfahren in den Ländern, bei denen die Kompetenzen liegen, und wir können nicht investieren. Damit bin ich wieder bei Ihrer Forderung bezüglich des Semmerings, wie ich es heute schon einmal gesagt habe.

Sie haben daher auch sehr viel Verantwortung in den Bereichen, für die Sie in den Ländern zuständig sind, um in den Kompetenzen auch das Nötige zu tun, dass wir zu einer geordneten Infrastrukturpolitik kommen und diese Abstimmungen vornehmen. Daher war es auch meine Intention, eine Politik der Mitverantwortung zu machen. Denn es darf nicht sein, dass sich jeder Bürgermeister auf das Land ausredet, das Land wiederum auf den Bund und wir einander die Bälle zuschieben, sodass ich andauernd zu hören bekomme: Wir wären jetzt so weit, nachdem wir in vier Monitoring-Verfahren die teuerste Trasse gefunden haben, die wir nun verwirklichen können und an der wir zehn Jahre bauen können.

Wir können die Infrastruktur in Zukunft nicht nur vergraben, die Varianten suchen, bei denen wir nichts mehr sehen und hören, und gleichzeitig von Tunnelsicherheit und auch davon reden, dass wir einen zweiten Tunnel brauchen. So werden wir keine durchgängige Infrastruktur bekommen! Wir müssen zusammenhelfen, dass wir Varianten finden, die realisierbar sind. Sie können sich nicht immer nur hinstellen und alles versprechen, was aus Gold und Platin ist – Sie müssen auch den Überbau sehen!

Ich verdenke es Ihnen nicht. Es hat bis jetzt keine Infrastrukturplanung gegeben, die strategisch ausgerichtet war und bei der jeder verstanden hat, warum man das braucht. Daher waren auch viele Bürger bei Infrastrukturprojekten immer wieder auf der Straße, weil ihnen niemand erklärt hat, warum wir diese Strecke benötigen. (Bundesrätin Mag. Trunk: Das stimmt nicht!)

Ich komme nun auf die Südbahn zu sprechen. Irgendjemand hat mir heute schon wieder vorgeworfen, Kärnten zu bevorzugen. (Bundesrätin Schicker: Ich bekenne, ich habe das gesagt!) So ist es absolut nicht! Zu den 1,6 Milliarden für den ersten Teil der Koralmbahn stehe ich. Ich stehe zur gesamten Südstrecke. So wie ich zum Semmering stehe, stehe ich zur Koralmbahn. Ich stehe zum Koralmtunnel, und wir werden alles tun, um ihn rasch auszubauen. (Bundesrat Gasteiger: Unterinntal? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich stehe auch ganz eindeutig und klar zur Westbahn. Aber wir müssen sehen, wo wir investieren können – andauernd gibt es Abschnitte, die wichtig, jedoch nicht realisierbar sind, weil es Verfahren gibt, die nicht abgeschlossen sind, oder weil wir Sondierstellen angelegt haben, obwohl wir sie nicht brauchen. Auf der anderen Seite werden Planungen zum Bau übertragen, wir fangen an dem einen und dem anderen Eck des Projektes an und binden Milliarden von Kapital, das nicht verkehrswirksam ist.

Meine Damen und Herren! So werden wir keine Anbindung im Rahmen der Europäischen Union und der Erweiterung schaffen, so werden wir verkehrswirksam in Österreich nicht weiterkommen, und so werden wir es auch nicht verhindern können, dass wir von der EU permanent gefragt werden, wo wir investieren. Wir müssen uns zu klaren Linien und auch durchgängigen Netzen bekennen können, und da sind Sie alle gefragt. Schieben Sie die Kompetenzen nicht von einer Stelle zur anderen, sondern unterstützen Sie Ihre Mitarbeiter (Bundesrat Konecny: Wir fragen eh Sie!) , die zur Erstellung des Generalverkehrsplans mit mir an einem Tisch sitzen, dass sie die richtigen Informationen haben, dass sie gemeinsam die richtigen Prioritäten setzen und auch die Entscheidungen tragen! Nicht jede kleine Umfahrung und nicht jeder Kreisverkehr


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ist für mich wichtig, sondern es sind dies die durchgängigen Netze, die es bis jetzt einfach nicht gibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Winter: Für Pröll ist es wichtig!)

Herr Bürgermeister Gasteiger! Ich bin Ihnen so dankbar für die Unterstützung bei der Außerfernbahn. Nur verstehe ich eines nicht ganz: Wenn sich das Land einsetzt und seine 50 Prozent selbstverständlich so zahlt, wie es auch in den Verträgen steht, dann ist das nicht wirklich etwas Besonderes. (Bundesrat Gasteiger: Oh, oh!) Das sind unsere Vereinbarungen, die wir mit allen Bundesländern haben. (Bundesrat Gasteiger: 50 Prozent vom Land sind nichts Besonderes, oder was?) Die 50-prozentige Beteiligung haben wir in anderen Bundesländern auch.

Ich verstehe aber nicht, Herr Bundesrat, dass dann die Betreiber sowohl von den Firmen als auch von den Regionen und von den Tourismusgesellschaften zu mir kommen und ich mich dann wieder mit einem Empfehlungsschreiben an die ÖBB einsetzen muss, wenn angeblich ohnehin alles läuft. Es läuft eben nicht, weil der Güterverkehr nicht entsprechend berücksichtigt wird. Aber es sollte auch nicht so sein, dass wir uns fragen, wer die beste Unterstützung hat. Gemeinsam sind wir stärker; wenn wir alle das Gleiche wollen, soll es darum sein. Aber ich bitte darum, dass wir wirklich an einem Strang ziehen und nicht immer schauen, wer alles am Besten macht und wer nicht mitgeholfen hätte.

Sie haben noch einen ganz wesentlichen Punkt erwähnt – das war auch ein Grund dafür, dass ich mich noch einmal zu Wort gemeldet habe –, nämlich die LKW-Maut. Die Einführung der LKW-Maut ist wirklich ein jahrzehntelanges Thema. (Bundesrat Gasteiger: Machen! Tun!) Ich habe dieses Projekt sofort herangezogen, und ich muss Ihnen sagen, dass man bei Antritt eines solchen Amtes gewisse Schüsselerlebnisse hat. Eines war unmittelbar mit der LKW-Maut verbunden.

Ich setze mich mit meinen Experten an einen Tisch und frage sie, wie weit wir sind. Das war zwei Tage vor dem Budgetausschuss; Sie wissen, dass das Budgetbegleitgesetz zu einer Zeit beschlossen wurde, als ich schon Ministerin war. Da sagt in der Runde ein Experte mit fragenden Augen: "Frau Minister, meinen Sie es ernst?" Es gibt viele Dinge, die in einem Ministerium neu sind, und ich habe in meiner sehr direkten Art geantwortet: "Ich verstehe diese Frage nicht." Dann ist sie wiederholt worden, und ich habe gesagt: "Bitte, Sie sollten mir jetzt weiterhelfen! Es ist die Entscheidung gefallen. Wir haben morgen Budgetausschuss, da wird die Änderung des Gesetzes beschlossen" – unabhängig davon, dass man da noch wollte, dass ich mich für das andere Gesetz entscheide.

Heute verstehe ich es. Zehn Jahre lang hatte man mit unterschiedlicher Intensität alle zwei oder drei Jahre gesagt: Das ist wichtig, beschäftigt euch mit dem Projekt, es muss rasch eingeführt werden! – Kaum hatten alle daran gearbeitet, war es nicht mehr wichtig, und jeder hat es fallen lassen. Das kommt nicht mehr in Frage.

Sie sehen es am Fortlauf des Projektes: nach sechs Monaten der erste Teil des Ausschreibungsverfahrens in einem zweistufigen Wettbewerb. Im Herbst werden wir diesen Wettbewerb abgeschlossen haben. Alle möglichen Unkenrufe gab es da: Es wird sich niemand bewerben; es wird maximal zwei Bieter bei den Ausschreibungen geben, der Wettbewerb sei nicht richtig. – Das Gegenteil ist der Fall! Es haben sich acht Interessenten gemeldet, mehr als sich alle erwartet haben. Entschuldigung, es waren insgesamt sogar neun; einer ist ausgeschieden worden, und acht sind übrig geblieben. In der zweiten Stufe, die jetzt bald abgeschlossen wird, können es sich die Konsortien noch einmal überlegen. Dann folgt das Verhandlungsverfahren, sodass wir im ersten Halbjahr 2002 die Vergabe machen können.

Damit sind wir bei dem Zeitungsartikel: "Das muss mir zuerst einmal jemand nachmachen." – Ich habe durch die gute Abstimmung mit Deutschland ein gesamtes Jahr gewonnen. (Bundesrat Mag. Hoscher: Das ist nicht ...! – Bundesrat Kraml: Sie haben Jahre verloren! – Bundesrat Mag. Hoscher: Durch den Umstieg auf das andere haben Sie Jahre verloren!) – Nein. – Was diese Verluste betrifft, möchte ich Ihnen, weil Sie immer von den Kosten reden, das kurz vorrechnen.


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Wir rechnen mit einer Nettoeinnahme – bei den derzeit besprochenen Kosten und bei ungefähr 70 Prozent an Einnahmen, mit denen man im ersten Jahr rechnet – von 3 bis 3,5 Milliarden Schilling sowie rund 4 Milliarden Schilling bei Volljahren. Wenn wir das Mauthüttensystem errichtet hätten, dann hätten wir im ersten Jahr Nettoeinnahmen in der Höhe von ungefähr 500 Millionen Schilling, also einem Siebtel, gehabt. Alles andere hätten wir investiert.

Bitte vergessen Sie nicht: Die Frächter zahlen heute ungefähr 2,1 Milliarden Schilling an Straßenbenützungsabgabe, und sie zahlen 300 Millionen für die Vignette. Ich will sie überhaupt nicht verteidigen. Ich brauche die LKW-Maut nicht nur zur Finanzierung, sondern als verkehrspolitisches Instrument. Daher setze ich mich dafür ein, dass wir sie einführen. – Aber so ist es nicht; ungefähr 2,6 Milliarden Schilling werden derzeit von der LKW-Wirtschaft auch an Steuern abgeführt. Nur sind es keine direkten Kosten, sondern Steuern, und das ist es, was natürlich auch kritisiert wird.

Daher sind die Nettoeinnahmen durch die Verzögerung relativ gering beeinflusst. Es ist mir lieber – da geht es mir auch nicht um zwei oder drei Jahre Verlust –, ich investiere in ein zukunftssicheres System und kann dann endlich einmal eine Telematik aufbauen, mit der ich mehr Kontrollen machen kann und vorne bin, als ich investiere in ein altes System, bei dem ich nicht frage, wie hoch die Kosten sein werden, wenn ich nach zwei, drei Jahren umrüsten müsste. – Das soll auch einmal gesagt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Herr Kollege Winter! Ich danke Ihnen für Ihre Resolution. Ich möchte nur darauf hinweisen – dankenswerterweise haben Sie mir die Detailinformationen zur Verfügung gestellt –, Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich nicht 800 Projekte in den Details auswendig kennen kann, auch wenn man manches erst vor einem Monat oder vor zwei Monaten bearbeitet hat. Aber es war mir in Erinnerung, und daher wollte ich noch einmal nachfragen.

Der Bereich Retz – Drosendorf ist die gesamte Strecke, und eingestellt wurde nur Weitersfeld – Drosendorf. Das hat sich also nicht auf die gesamte Strecke bezogen. (Zwischenruf des Bundesrates Winter. ) Der Güterverkehr besteht weiterhin, nur der Personenverkehr ist das, wovon Sie sprechen. (Bundesrat Winter: Der Güterverkehr geht nur von Retz aus, und der Personenverkehr wird eingestellt!) Aber ich nehme Ihre Bedenken selbstverständlich ernst. Über die Aufrechnung mit den Schülerfahrten und so weiter werden wir noch einmal reden. (Bundesrat Konecny: Wenn es dann noch Schienen gibt!)

Lassen Sie mich die Themen rund um die Steiermark nur noch kurz anschneiden. Den Bereich Semmering haben wir, so glaube ich, schon besprochen. Was die Snowboard-WM und die Prioritätenreihung betrifft, darf ich ein für alle Mal sagen: Ich werde es mir auch in Zukunft nicht nehmen lassen. Man sieht, wie die Diskussionen um die Verländerungen der Bundesstraßen laufen: Die Länder machen es sich auch gern leicht und wollen die Geldmittel, aber nicht die Verantwortung.

Wie immer dieses Thema ausgehen wird, nachdem es auch schon lange diskutiert worden ist – eines ist sicher: Eine Prioritätenreihung für die Bundesstraßen auf Landesebene ziehen wir nie heran. Bitte gehen Sie zu Ihren Verkehrsreferenten, machen Sie sich stark! Ich habe ein großes Volumen – immerhin hat die Bundesregierung 2,1 Milliarden Schilling für drei Jahre als Sonderdotation für die höchst notwendigen Straßenbauinvestitionen zur Verfügung gestellt. Machen Sie sich in Ihren Ländern dafür stark, dann können Sie auch all Ihre Projekte im Detail verwirklichen! – Schönen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

23.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Staatssekretär. – Bitte.

23.05

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Frau Minister! Hoher Bundesrat! Frau Bundesrätin Trunk hat kritisiert, dass das Finanzministerium so viele Beraterleistungen ausschreibt. – Wir erreichen mit unseren Beraterleistungen nicht die Summe, die Kanzler Klima und Frau Ministerin Hostasch für


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"Euroteam" ausgegeben haben. Dagegen ist die Summe geringer. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Im Gegensatz dazu hat der Rechnungshof in einem Sonderbericht diese Vergabe schwerstens kritisiert. (Bundesrat Mag. Hoscher: Polemisieren Sie nicht, sondern antworten Sie! – Bundesrat Manfred Gruber: ... das ist Ihre Stärke! – Bundesrat Mag. Hoscher: Immer diese Vergangenheit ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist ihm bis heute nicht klar, nach welchen Kriterien die Vergabe erfolgt ist. (Bundesrat Todt: Sie sind nicht mehr im Rechnungshof! Sie sind Finanzstaatssekretär!) Es ist dem Rechnungshof bis heute nicht klar, welche Leistungen erbracht werden, und er empfiehlt Rückforderungen. (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk.  – Bundesrat Marizzi: Sie sind ja kein Historiker!)

Es hat dazu auch einen Rechnungshof-Unterausschuss gegeben, dass er dieser Frage weiter nachgeht. (Bundesrat Konecny: Weil andere rechtliche ... verhindert wurden!) Wir machen diese Vergaben nach einer ordnungsgemäßen internationalen Ausschreibung. (Bundesrat Marizzi: ... in der Wüste Gobi!) Wir kaufen nur solche Leistungen zu – zum Beispiel ausländische Erhebungen bei anderen Verwaltungen –, die wir selbst qualitativ und quantitativ in der kurzen Zeit nicht durchführen können.

Die Leistungen im Finanzministerium sind im Vergleich zu anderen Ressorts nur deshalb so hoch, weil wir hier für die gesamte Bundesregierung Ausschreibungen durchgeführt haben. Nach einer kostenmäßigen Rechnung müssten wir alle diese Leistungen den anderen Ressorts zuschreiben. Aber aus technischen Gründen, aus der Gestaltung des Bundeshaushaltes heraus, ist das nicht erfolgt. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny.  – Bundesrat Thumpser: Die Frau Vizekanzlerin hat uns heute etwas ganz anderes erklärt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Es kommt zum Beispiel die Ausschreibung Bundesbeschaffung allen Ressorts zugute. Das ergibt bereits in einem Jahr ein Einsparungspotential in der Höhe von 600 Millionen Schilling; und die Beraterleistung macht demgegenüber 30 Millionen aus. Daher finanziert sich das schon raschest in einem Jahr. Oder die Finanzministeriums-Ausschreibung betreffend Finanzämter: Kosten der Beratung: 4,7 Millionen Schilling; Einsparungspozential ab 2005: 3,5 Milliarden Schilling.

Vergleichen Sie das mit "Euroteam", dann werden Sie den Unterschied feststellen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Todt: Dann brauchen wir keine Gendarmerieposten mehr einzusparen!)

23.08

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gstöttner. – Bitte.

23.08

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich mich jetzt noch zu Wort melde. Aber es hat sich im Zusammenhang mit der Fragebeantwortung der Frau Bundesministerin eine Frage ergeben, die für unsere Region von großer Bedeutung ist.

Wir haben am Anfang des vergangenen Jahres eine Anfrage an den damaligen Herrn Verkehrsminister gerichtet, die in Zusammenhang mit der Strecke Wels – Passau gestanden ist. Sie kennen als Oberösterreicherin diese Strecke natürlich, und Sie wissen auch, dass das eine Hochleistungsstrecke ist. (Bundesrat Konecny: Kann man da hinten für Ruhe sorgen? – Bundesrat Dr. Nittmann: Da vorne vielleicht?)  – Ich warte gerne, mir macht es nichts aus, wenn es ein bisschen länger dauert. (Bundesrat Dr. Nittmann: Ist Herr Professor ungnädig? – Weitere Zwischenrufe.)

Es ist eine sehr ernste Frage, die ich noch stellen möchte, und zwar ganz ohne Begleitumstände, sondern rein von der Sache aus. Wir haben die Anfrage gestellt: Es besteht das "Gerücht" – unter Anführungszeichen –, das sich immer mehr verstärkt, dass diese Hochleistungs


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strecke abgewandelt werden soll, dass sich der internationale Personenverkehr in Zukunft nur noch über Salzburg abwickeln wird und der internationale Personenverkehr auf unserer Strecke zurückgehen und dort mehr Güterverkehr laufen soll.

Das wäre wichtig für unsere Region, und ich wundere mich darüber, dass sich die Passauer so ruhig verhalten. Wir haben allerdings dieses Thema bei der Verkehrsdiskussion sehr heiß angesprochen, und es ist auch dort erkannt worden, dass es da um sehr viel geht. Passau ist ein Wirtschaftsraum, der nicht zu übersehen ist, daneben sind wir nur ein "Zwutschkerl". Trotzdem müssen wir uns bemerkbar machen.

Meine konkrete Frage lautet folgendermaßen. Wir haben große Bedenken, dass die Strecke Wels – Passau abgewertet und aus dieser Strecke eine Güterverkehrsstrecke gemacht wird. Das wäre eine Katastrophe, weil nur Lärmschutzwände das Problem nicht lösen können. Tatsächlich wäre das eine Verschlechterung des gesamten Personenverkehrs. Ich habe heute Vormittag schon gesagt, wir bemerken ohnehin bereits, dass Verschlechterungen eingetreten sind, weil zusätzlich angehängte Garnituren nicht mehr vorhanden sind. – Das ist ein Teil.

Was ich aber jetzt gesagt habe, ist eine echte Sorge auch für den Wirtschaftsraum des Innviertels. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ernst gemeint sein soll, und möchte Sie hier um eine Antwort bitten. Sollte es in irgendeiner Form in diese Richtung geplant sein, kann ich Sie nur ersuchen, alles in Bewegung zu setzen, dass es bei dem bleibt, was es ist. Sonst wäre es für unsere Region eine Katastrophe. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

23.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Hoscher. – Bitte.

23.10

Bundesrat Mag. Dietmar Hoscher (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Nur zwei kurze Anmerkungen; die erste Anmerkung zum halb offenen dualen Mautsystem.

Für das erste Volljahr waren nicht 500 Millionen, sondern 2,3 Milliarden beschlossen – zumindest haben wir das im Aufsichtsrat der ASFINAG so beschlossen –, und zwar nach Abzug der Einhebungskosten und der Abschreibung. Es ist ein genauso zukunftssicheres System, weil es ein evolutives System ist und als solches geplant war.

Wenn Sie das Chaos monieren, das Sie im Straßenbereich offensichtlich vorgefunden haben, so sage ich dazu nur vier Worte: Schüssel, Ditz, Farnleitner und Schmid. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Gasteiger: Hallo, was ist jetzt los? – Bundesrat Bieringer: Wir sind da nicht am Wirtshaustisch! – Weitere Zwischenrufe.)

23.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gelangt die Frau Bundesministerin – Bitte.

23.11

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Dipl.-Ing. Dr. Monika Forstinger: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Bundesrätinnen und Bundesräte dieses Hohen Hauses! Herr Bundesrat Hoscher! Nur kurz zu Ihrer Kalkulation der Einnahmen: Ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie die Einnahmen der ASFINAG vorrechnen, nur müssen Sie es gesamthaft sehen. Die ASFINAG ist zwar "meine" 100-prozentige Tochterfirma, die dieses Verfahren von den Einnahmenkosten her abwickelt, aber ich muss natürlich die gesamten Kosten sehen und habe die Steuereinnahmen dazugerechnet sowie von einer Straßenbenützungsabgabe und von Vignettenabgaben, deren Einnahmen nicht auf die ASFINAG entfallen, gesprochen.


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Aber ich bin in der Bundesregierung und kann nicht immer nur die Budgets der einzelnen Tochterfirmen sehen, wenngleich es ohnehin ein bisschen komisch ist, dass diese Pressekonferenzen über ihre Gewinne und Verluste von Staatsgeldern machen, obwohl sie eine Einnahmequelle haben, die "der österreichische Staatsbürger" heißt. (Bundesrat
Konecny: Das ist halt so, wenn man Gesellschaften hat!) Aber bitte, es sei ihnen unbenommen. Sie arbeiten sehr gut, sie machen ihre Geschäfte gut, das sollte man auch darstellen.

Zum Thema Passau: Diese Entwicklung ist natürlich in starkem Zusammenhang mit der Möglichkeit oder Nicht-Möglichkeit der weiteren Verbindung zwischen Seekirchen und Salzburg gestanden. Sie haben es jetzt gesehen. Indem ich gesagt habe: hinterfragen wir einmal die Planungskriterien, weil man, wenn man eine Minute weniger in den Voraussetzungen sieht, eine ganz andere Planung haben kann, die Radien anders gelegt werden können und auf einmal auch eine Variante geplant werden kann, die möglicherweise Konsens hat – das waren die Meldungen der letzten Tage, die Sie selbstverständlich gut kennen, wenn Sie aus dem Gebiet sind –, ändert sich die Situation immer. Wir müssen natürlich auch schauen, wo die Zulaufstrecken von Deutschland her liegen.

Dieses Thema, das Sie angesprochen haben, hat mir selbstverständlich auch Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Haider schon sehr deutlich zur Kenntnis gebracht. Wie Sie wissen, bin ich sehr viel in Kontakt mit ihm, gerade was diese Schieneninfrastruktur betrifft. Daher werden wir uns dieses Thema im Zuge des Generalverkehrsplans noch einmal ansehen, weil wir wissen müssen, wo wir die Prioritäten setzen. (Zwischenruf.)

Sie werden es nicht glauben: Ich rede mit allen Verkehrsreferenten, ich rede mit allen Verantwortlichen. Das sind meine Partner – so sehe ich mich auch als deren Partner –, wenn wir jetzt trotz der Kompetenzaufsplittung zu einer einheitlichen Strategie kommen wollen. Der Verkehr und die Bewältigung des Themas ist zu schwierig, als dass ich da auf Parteigrenzen Rücksicht nehmen könnte.

Ich darf Ihnen über ein sehr interessantes Projekt vorab berichten, das gerade für den Bereich Passau – Wels sehr wichtig ist. Es geht um das, was ich unter Koordination der Verkehrswege verstehe.

Sie kennen den Terminal Wels. Das ist ein sehr guter Terminal, der auch immer weiter ausgebaut wird. Aber er kommt immer wieder an seine Grenzen, weil durch unsere Verkehrspolitik gerade die Rollende Landstraße und der unbegleitete Güterverkehr stärker ansteigen. Jetzt denke ich mir – auch bei dieser Kampagne "Mit Vollgas in den Stau", die in Oberösterreich stattgefunden hat –, man kann nicht immer nur über das Stauthema jammern und beklagen, wie ausweglos es ist. Gehen wir einmal die einzelnen Knotenpunkte, die einzelne Stauhäufungspunkte nacheinander an. Beginnen wir zum Beispiel in Oberösterreich; die Südosttangente ist zwar wichtig für Wien und hat ein großes Staupozential, aber die Verkehrsströme von Passau nach Wels und herein in den oberösterreichischen Zentralraum sind mindestens genauso stark und noch dazu stark anwachsend.

Jetzt mache ich eine Untersuchung und sehe Folgendes. Wenn ich zum Beispiel das Aufladen des Güterverkehrs an die Grenze verlege, spare ich mir bis zu 300 LKWs mit einer relativ geringen Investition, die ein kurzes Anschlussgleis, eine Auffahrtstrecke und eine Verladestrecke betrifft, in der Höhe von – ich schätze es jetzt einmal so – nur ungefähr 100 Millionen Schilling. Das ist zwar viel Geld, aber es ist in meinem Bereich relativ wenig für diese Verkehrswirksamkeit. Damit kann ich mir bis zu 300 LKWs am Tag sparen – das ist immerhin eine Kolonne mit einer Länge von sieben bis acht Kilometern –, was eine deutliche Verkehrsentlastung mit sich bringt, diese Strecke attraktiviert, die dort hereinführt, und vor allem eine sinnvolle Verbindung ist.

Das sind einfache Projekte, bei denen ich mich auch frage, warum das bis jetzt noch niemandem eingefallen ist. Das stimmt aber nicht – das ist schon jemandem eingefallen, aber jemandem, der es vielleicht nicht sagen durfte, weil er nicht an der richtigen Stelle gesessen ist oder weil es einfach nicht opportun war, über die Grenzen der Verkehrsträger hinweg zu den


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ken. Ich möchte Ihnen an diesem Beispiel auch zeigen, wie ich meine Verkehrspolitik sehe: Es ist das die Verschränkung der Verkehrswege, um mit relativ geringen Mitteln sehr effiziente Projekte durchzuführen, die, wenn Landesrat Hiesl, Landeshauptmann Haider und ich zusammenhelfen, innerhalb von eineinhalb Jahren zu verwirklichen sind und eine deutliche Entlastung bewirken.

Das Gleiche gilt für die Summerauer Bahn, und wir haben das gleiche Beispiel auch in Villach. Wir haben an allen Anschlussstellen keine Verladestellen an der Grenze, sondern fahren mit den LKWs zu den zentralen Punkten. Dort warten wir aufs Verladen, haben Handikaps und denken nicht darüber nach, warum wir die Probleme nicht nach außen verlagern können, dorthin, wo sie unsere Umwelt und unsere Bevölkerung noch nicht betreffen.

Das sind einfache Projekte. Eines nach dem anderen werden wir verwirklichen, dann werden wir auch das eine oder andere Stauchaos lösen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

23.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Gasteiger und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend "Für einen qualitativ hochwertigen Nahverkehr" vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Minderheit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Haunschmid, Keuschnigg und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Berichte über gemeinwirtschaftliche Leistungen im Verkehrsbereich vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E.168)

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Winter und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend "Das neue Konzept der Finanzverwaltung darf den ländlichen Raum nicht schädigen" vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenminderheit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Fortsetzung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir nehmen jetzt die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf.

Am Wort ist Herr Bundesrat Schennach. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

23.20

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Es ist nicht so einfach, eine Rede nach siebeneinhalb Stunden wieder dort aufzunehmen, wo sie abgebrochen wurde. Herr Schriftführer Bun


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desrat Hagen hat gemeint, er würde mich doch ersuchen, noch einmal von vorne zu beginnen, das würde dienlich sein. (Heiterkeit.) Ich habe gesagt: Herr Bundesrat, das werden wir ein anderes Mal machen; ich versuche, anzuknüpfen.

Vielleicht ein bisschen noch zum vergangenen Thema. – Es war sicherlich einer der letzten Sätze, als ich gemeint habe, dass es heute auch in Ihrer Entscheidung liegt: Wenn Sie ein Gesetz beschließen, das die Einnahmen des ORF um rund 10 Prozent schmälert, wird das letztlich auch für die Landesstudios Auswirkungen im Ausmaß von 10 Prozent haben. Das heißt, es wird zu Kürzungen kommen.

Aber die Kürzungen im Werbebereich sind nicht die einzigen Kürzungen, mit denen sich ein Unternehmen, zu dem sich bisher eigentlich immer alle Parteien bekannt haben, herumschlagen muss. Immerhin hat die Bundesregierung 600 Millionen Schilling an Refundierung für Gebührenbefreiung gestrichen. Österreich ist ein Land, das mit 12 Prozent an Gebührenbefreiten sehr viele Menschen aus sozialen Gründen von den Rundfunkteilnehmergebühren befreit hat.

Zweitens streicht die Regierung mit dieser Vorlage die Finanzierung von "Radio Österreich International – Das Fenster in die Welt" mit 90 Millionen. Die Regierung hat weiters die Unterstützung der Minderheitenradios mit 55 Millionen gestrichen. Dazu kommt eine Kürzung der Filmförderung. All diese Dinge haben unmittelbare Auswirkungen auf den ORF.

Herr Bundesrat Himmer! Ich kenne Sie nicht, aber ich habe heute Ihre Rede gehört und weiß, dass Sie sich in einem Punkt nicht auskennen. Das ist die Werbefinanzierung des ORF im Vergleich mit dem europäischen Umfeld. Fernsehen machen kostet überall gleich viel, was das Programm betrifft. In Österreich hat der ORF zum Teil sogar einen höheren Programm-Output als die viel größere öffentlich-rechtliche Anstalt ARD.

Aber Fernsehen machen ist in Österreich doppelt so teuer, und zwar erstens auf Grund seiner geographisch-geologischen Situation. Die vielen Sendeanstalten und Sendetürme müssen Sie erst einmal finanzieren. Die Renovierung oder Restaurierung von Moosbrunn hat allein 35 Millionen Schilling verschlungen. Das heißt, auszusenden in Großbritannien oder in Dänemark, das Sie auch als Beispiel angeführt haben, ist dagegen eine Kleinigkeit. Noch immer ist es in Teilen des Bundesgebietes – es gibt einen Bundesversorgungsauftrag – nicht möglich, nur auf terrestrischer Ebene auch ORF 2 zu empfangen, zum Beispiel in Teilen Niederösterreichs.

Zweitens hat es von allen Parteien bisher und zuletzt auch bei der sehr guten Enquete des Herrn Staatssekretärs Morak zu Beginn dieses Jahres, nämlich im Jänner – als Ouvertüre zu dem, was nachher gekommen ist; man hat das damals noch nicht vermutet –, das klare Bekenntnis zum dualen System gegeben, das heißt: 50 Prozent Gebühren, 50 Prozent Werbung. (Ruf bei der ÖVP: Nein, das war anders!) Das war ein ganz klares Bekenntnis. Allerdings hat Österreich im Vergleich – jetzt ist Kollege Himmer gegangen, man möge es ihm vielleicht sagen – natürlich weitaus weniger Gebührenzahler. Bei 2,3 Millionen Teilnehmern ist das eine ganz andere Marktsituation als bei seinen Beispielen Deutschland, Großbritannien und die Niederlande. (Bundesrat Dr. Böhm: Dänemark, Schweden nicht!) Dänemark hat es aber leichter mit dem Ausstrahlen; es hat ein Programm, der ORF hat zwei Vollprogramme.

Folgen wir jetzt dem Beispiel Himmers, dann würde das letztlich bedeuten, wir steuern in der Direttissima in eine Gebührenerhöhung hinein. Will das diese Bundesregierung? – Ich meine, Sie werden es nicht verantworten, sondern das wird dann der Stiftungsrat verantworten. Da kann man sagen: Das ist ein unabhängiger Stiftungsrat, von dem wir alle heute schon sehr viel gehört haben, dass das mit der Unabhängigkeit nicht so ganz ernst gemeint ist.

Zum Schluss versuche ich noch ein Thema anzuschneiden, das ich auch als ein großes Feigenblatt dieser Reform betrachte. Es ist dies der Publikumsrat.

Sie haben für den Publikumsrat verschiedene Organisationen und Vereine vorgesehen, die dort einen Fixplatz haben. Die Regierung sagt: Jetzt suche ich mir einige davon aus, die der Herr Bundeskanzler ernennt, und dann suche ich mir einige aus, die ich in einer Publikumswahl zur Wahl stelle. Welche nimmt er jetzt? Oder welche haben denn diejenigen, die dieses Gesetz


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geschrieben haben, als "Fixbank" für den Kanzler genommen? – Genau diejenigen, bei denen sie sich nicht sicher waren, wie die Publikumswahl ausgehen könnte: die Kunst, die Hochschule, den Umweltbereich. So sollte also Heilingbrunner eher gesichert werden, weil da andere Organisationen eventuell attraktive Menschen in eine Publikumswahl schicken könnten.

Jetzt wird über den Sommer ausgeschrieben. Da müssen sich zum Beispiel Bildungsvereine und Bildungsverbände, die nicht unbedingt im August zusammenkommen, plötzlich zusammenfinden und im August einen Dreiervorschlag abliefern. Dieser wird dann zur Wahl gestellt.

Wer wählt nun? – Herr Morak hat gestern in einer Pressekonferenz gemeint, dass die Opposition das wieder nicht versteht. Ich glaube schon, dass die Opposition das versteht, wenn Sie sagen: Es wählen nicht diejenigen, die zum Beispiel beschwerdeberechtigt sind – das sind nämlich alle, die in einem Haushalt eines Gebührenzahlers oder einer Gebührenzahlerin leben –, sondern es darf nur derjenige oder diejenige, der oder die die Gebühren zahlt, wählen, und das per Fax.

Wir haben heute eine Diskussion über das Land gehabt. Wenn ich jetzt meinen Eltern im Außerfern sage, sie sollen sich bitte an dieser Wahl  beteiligen, die eine Fax-Wahl ist, dann muss ich feststellen, das nächste Faxgerät steht wahrscheinlich in fünf Kilometer Entfernung. Da frage ich mich, ob Sie das erreichen, was Sie haben wollen, nämlich eine breite Publikumsbeteiligung.

Es kommt noch hinzu, dass Sie damit Senioren wählen, die schon aus Mobilitätsgründen oder technischen Einrichtungsgründen ausgeschlossen werden. Aber Sie lassen jetzt auch Jugendliche wählen – gerade die Jugendlichen, die in einem gemeinsamen Haushalt leben und mitnichten die Rundfunkgebührenzahler sind; das wird wahrscheinlich der Vater oder in seltenen Fällen die Mutter sein. Sie haben auch keine einzige Frauenorganisation. Es gibt keine Frauenorganisation, die im künftigen Publikumsrat die Interessen der Frauen vertreten wird.

Aber Sie werden bei der Wahl wahrscheinlich auch zu berücksichtigen haben, dass wahrscheinlich, wie es nach wie vor noch üblich ist, die überwiegende Zahl der Anmeldungen der Rundfunkgebührenteilnehmer und -teilnehmerinnen auf Männer lautet. Das heißt, Frauen, Jugendliche und Senioren werden in dieser Wahl wahrscheinlich zur Minderheit gehören. Aber Sie lassen genau die Vertreter der Jugend und der Senioren bei dieser Wahl wählen.

Warum ist denn das so interessant? Warum hat man die Organisationen so penibel ausgesucht? – Da geht es um ganz klare Mehrheitsverhältnisse, liebe Kolleginnen und Kollegen der FPÖ! Da kommen Sie nicht zum Zuge. Das sind die neuen Mehrheitsverhältnisse, nämlich über die 50 Prozent im Stiftungsrat.

Ich weiß nicht, was sich Kollege Westenthaler da gedacht hat. Er hat diese Milliardenklage angezogen, von der er zurückgepfiffen wurde, weil er eines nicht bedacht hat – andere haben das schon bedacht –: Wie ist denn das zustande gekommen? Wie ist dieser Vertrag zwischen dem VÖZ und dem ORF zustande gekommen? Stand da nicht ein Regierungsmitglied dieser Bundesregierung Pate? Wurde dieser Vertrag nicht auch mit einem sanften Druck herbeigeführt, nämlich damit, im Parlament das Rundfunkgebührengesetz nicht zu verabschieden, wenn dieser Vertrag nicht zustande kommt? (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Er hat sich mit einem Nebenschauplatz beschäftigt, befand sich auf einer Nebenbahn und hat dabei wahrscheinlich übersehen, worum es bei diesen Regelungen in Wirklichkeit geht, nämlich um die Sicherung einer klaren politischen Mehrheit im künftigen ORF!

Es gäbe noch einige Punkte, ich will mich aber auf Grund der fortgeschrittenen Zeit hier nicht mehr zu lange verbreiten. Ich glaube, vieles ist gesagt. Ich appelliere an Sie, sich doch das eine oder andere Herz oder die eine oder andere Verantwortung für eines der wichtigsten nationalen, identitätsstiftenden Unternehmen zu nehmen und diesem Gesetz keine Zustimmung zu geben! Es schädigt den ORF, die Filmwirtschaft und die künstlerische Leistung unseres Landes, es schafft keinen echten Platz für privates TV, wie es uns immer vorgestellt wird. Es ist eine ganz andere Form: Die drittstärkste Partei Österreichs schwingt sich auf, auf Kosten eines


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Unternehmens ein Unternehmen umzufärben. – Ich bleibe aber dabei: Dem Privatfernsehgesetz werde ich trotzdem meine Zustimmung geben. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

23.32

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Ferdinand Maier. Ich erteile ihm das Wort.

23.32

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, nachdem die Zeit schon etwas fortgeschritten ist und wir quasi 7,5 Stunden Zeit gehabt haben, uns wieder auf die eigentliche Debatte vorzubereiten, und uns bei der Dringlichen quasi Kraft geholt haben, einen kurzen Rückblick zu machen.

Es ist fast auf den Tag genau zwei Jahre her, dass uns in diesem Hause ebenfalls ein ORF-Gesetz zur Beschlussfassung vorgelegt wurde. Damals ging es um die Neuorganisation der Gebühreneinhebung und der GIS, der Gesellschaft, die gegründet wurde. Wir haben die Refundierung der Gebührenbefreiungen dem ORF gegeben. Wir haben dem ORF die Durchrechnung der Werbezeiten auf ein Kalenderjahr zugestanden. Das ist immer irgendwo mit irgendjemandem verhandelt worden. Wo und wer das genau war, habe ich damals nicht genau erkennen können, und ich weiß es bis heute nicht. Ich vermute, dass es einer der Klubobmänner und auch der damalige Finanzminister Edlinger waren.

Gleichzeitig gab es damals auch die Affäre "Euroteam". Im Zusammenhang mit dieser Affäre "Euroteam" wurden in einer "Zeit im Bild"-Sendung, in der ZiB 1, acht Sekunden über Wunsch des Herrn Kalina, des damaligen Pressesprechers des Herrn Bundeskanzlers Klima, einfach weggeschnipselt. – Ich bin damals ans Rednerpult gegangen und habe gemeint, dass die Aufträge, die dem ORF, was die Frage der Informationspflicht und der Objektivität anbelangt, als öffentlich-rechtlichem Unternehmen gegeben wurden, an diesem Fall nicht wirklich erkennbar seien und schon gar nicht einzusehen sei, dass man den ORF dann noch belobt und ihm das gibt.

Damals habe ich alle hier im Bundesrat anwesenden Damen und Herren eingeladen, dagegen zu sein. Das wäre nämlich an sich spannend gewesen, denn es war dies die letzte Sitzung des Bundesrates in dieser Legislaturperiode, und somit wäre es zur Befassung im Parlament erst viel später gekommen. Vielleicht hätte es darüber auch eine witzige öffentliche Diskussion gegeben. Es wurde diesem Antrag dann aber doch zugestimmt, und somit hat der ORF eigentlich ein schönes Körberlgeld gehabt. – Ich will das gar nicht bewerten, aber unter Brüdern war das rund 1 Milliarde Schilling, die man da dank der Euro-Aktivitäten in der ZiB zur Belobigung gegeben hat.

Ein Jahr später wurde das dann korrigiert. Da hat man gesagt: Das ist nicht einzusehen, das Budget hat ohnedies überall irgendwelche knappen Stellen, wir sollten die Gebührenbefeiung, diese 600 Millionen, wieder zurücknehmen. – Das wurde dann auch beschlossen. Hiebei handelte es sich, wie ich meine, nur um eine Halbheit. Ich meine, man hätte all das, was man im Juli 1999 hier beschlossen hat, wieder zurücknehmen sollen und nicht nur die Refundierung der Gebührenbefreiung. Aber es ist nur zu diesen Maßnahmen gekommen.

Heute liegt uns ein ORF-Gesetz und ein Privatfernsehgesetz vor. Gestatten Sie mir, gleich einmal zu sagen: Man muss froh sein und sich freuen, dass es zu diesem Privatfernsehgesetz kommt, denn das ist ein Ausdruck dessen, worunter das Land Österreich seit langem gelitten hat, nämlich einem gewissen Stillstand in der Medienpolitik, den andere in den letzten Regierungsperioden verursacht haben.

Mit In-Kraft-Treten dieses Gesetzes beginnt auch das duale System. Allerdings glaube ich, dass die Startbedingungen für dieses duale System alles andere als günstig sind. Ich möchte vor der Euphorie darüber, dass es eine tolle Geschichte sein wird, wenn es Privatfernsehen geben wird, warnen. Es ist heute auch schon einmal darauf hingewiesen worden. Ich gehe aus heutiger Sicht davon aus, dass es einen Bewerber geben wird, nämlich den, welchen es in den


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Zeitungen ohnedies schon gibt. Dieser wird seine Filme "herunternudeln", das Budget ein bisschen erhöhen und daher auch ein bisschen mehr Reichweite haben. Aber ich lade Sie heute schon ein: Reden wir in einem Jahr weiter! – Dann werden wir sagen: Es gibt Privatfernsehen, aber keiner geht hin!

Aber das macht nichts! Wichtig ist nur, dass es die Möglichkeit gibt. Daher ist es dankenswert, dass die jetzige Regierung das macht. Ich warne nur davor, zu glauben, dass das ein unglaublich großer Schritt ist!

Gestatten Sie mir, nun auch zum jetzt vorliegenden ORF-Gesetz einige persönliche Anmerkungen zu machen: Ich glaube, dass das ein Gesetz ist, das nur deshalb vorgelegt wird, um die momentane Geschäftsführung des ORF zur Aufgabe zu zwingen – in der Hoffnung, dass es dann eine neue Geschäftsführung geben wird. – So weit, so gut.

Ich glaube aber auch, dass dieses Gesetz wahrscheinlich kaum kontrolliert werden wird. Es ist heute schon so, dass bei vielem, was der ORF gemacht hat, erst in Nachhangperioden verschoben vermutet wird, dass vielleicht irgendetwas nicht ganz in Ordnung war. Ich glaube auch, dass jetzt schon viele wissen, wie man alles umgehen kann, und ich halte es eigentlich nicht für sehr gescheit, ein Gesetz zu machen, bei dem man schon weiß, dass man nichts bewegen kann! Ich behaupte auch, dass wir – ähnlich wie bei dem Gesetz, das wir vor zwei Jahren hier beschlossen haben –, wann immer eine andere Geschäftsführung kommen und sagen wird: Mit diesem Gesetz können wir nicht arbeiten!, auch wieder eine Veränderung dieses Gesetzes beschließen werden.

Lassen Sie mich aber auch ein paar Dinge ansprechen, von welchen ich glaube, dass sich Probleme in der Frage des Umganges künftighin ergeben werden. So werden etwa Sonderwerbeformen neu geregelt. Ich weise noch einmal darauf hin, dass die Werbezeiten aufs Kalenderjahr durchgerechnet werden dürfen; das hat man belassen. Jetzt versucht man, bei den Sonderwerbeformen noch das eine oder andere zu verschärfen. Okay, das ist normal, das kann man machen. Man muss nur wissen, was es bedeutet.

Ich glaube, dass man damit dem ORF deshalb nichts Gutes tut, weil die Werbewirtschaft international gesehen genau in die Gegend der Sonderwerbeformen drängt. Wenn diese beim ORF dann nicht untergebracht werden können, dann gehen sie zu den privaten internationalen Sendern, es wird dort geschaltet, und der ORF hat nichts davon. Wir wissen, wie die internationalen Konzerne handeln – wie wir wissen, entscheidet die Bank Austria ihre Etats auch schon in Hamburg –, und es wird dann einfach von dort entschieden werden, dass zum Beispiel ein Product-placement in SAT 1 oder in RTL gemacht wird, und sie werden gar nicht mehr auf die Idee kommen, darüber nachzudenken, ob man das in Österreich machen soll, weil es ohnehin verboten ist. – Das halte ich für schade und nicht sehr glücklich.

Ich glaube, dass man die Frage der Unterbrecherwerbung im öffentlich-rechtlichen Bereich noch restriktiver hätte regeln müssen, als das jetzt vorgesehen ist. Auch das ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Ich glaube auch, dass man in der Frage der Zwei-Minuten-Regelung, gemäß welcher den Printmedien nur zwei Minuten ermöglicht werden, erst einmal abwarten muss. Ich höre oder lese, dass der Verfassungsgerichtshof damit befasst werden soll, und auch diesbezüglich habe ich meine Bedenken. Jedenfalls kann ich aber medienpolitisch nicht ganz erkennen, warum der Gesetzgeber jene Magazine, die von manchen Seiten ohnehin nicht gewollt werden, jetzt noch schützt. Mit dieser Maßnahme, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird bewirkt, dass kein Magazin mehr neu in den Markt kommen wird, weil es keine Werbemöglichkeiten mehr gibt! Das ist auch aus meiner Sicht medienpolitisch eine Vorgangsweise, die an sich überdacht werden sollte, und ich habe auch noch keinen Zuseher – und auch keinen Zuhörer – des ORF getroffen, den die bisherige Art und Weise in dieser Frage gestört hat. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ und des Bundesrates Schennach.)

Ich glaube aber auch, dass es interessant ist, wie die Frage der Kompetenz des Generaldirektors jetzt im Gesetz geregelt ist. Im Zusammenhang mit der Kompetenz des Stiftungsrates hat mich Herr Bundesrat Schennach am Vormittag gefragt, was ich von der Größe dieses Gre


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miums halte. – Ich glaube, dass das Gesetz, so wie es ist, ohnehin irgendwie umgangen werden und sich die künftige Geschäftsführung mit der Führung des Stiftungsrates ein Prozedere zurechtlegen wird, das nicht ganz im Sinne des Gesetzgebers ist, denn mit 35 Leuten kann man das operative Geschäft, das Alltagsgeschäft, nie durchführen. – Ich glaube, auch hier hat man ein bisserl übers Ziel geschossen und irgendwelchen fleißigen Juristen das Ding in die Hand gegeben.

Ich glaube aber auch, dass es auf Grund dieses Gesetzes ein bisserl schwierig sein wird, Spitzenmanager zu finden, die sich das antun, denn es ist nicht lustig, Führungsaufgaben zu haben und manche Fragen, die im Aktiengesetz klar geregelt sind, mit dem Stiftungsrat abzuhandeln. Daher habe ich diesbezüglich gewisse Bedenken.

Lassen Sie mich noch zwei Punkte anführen. Dass sich der alte Generalintendant Bacher als Vorsitzender des Weisenrates eingebracht hat, ist legitim, okay. Manches davon ist jetzt nachvollziehbar und auch aus dem Gesetz herauslesbar. Ob das, was Bacher eingebracht hat, tatsächlich für die Zukunft das Hilfreichste war, wird man sehen.

Ich möchte aber auch noch eine, wie ich meine, konstruktive Idee einbringen, weil ich glaube, dass es wichtig ist, dass man erstens für den ORF und zweitens auch für die Privaten etwas tut: Ich möchte anregen, ob man die Diskussion nicht auch dahin gehend führen sollte, dass man beginnt, Infrastruktureinrichtungen, die momentan der ORF nutzt, die aber auch seitens der Post zur Verfügung gestellt werden – wie etwa die Sendeanlagen –, im Wege einer privaten Gesellschaft auszugliedern, um diese dann über eine solche Gesellschaft allen anderen zur Verfügung zu stellen. In wenigen Wochen wird es die Möglichkeit geben, dass Privatfernsehen österreichweit und auch in verschiedenen Regionen veranstaltet wird. Daher meine ich, dass man im Hinblick darauf auch darüber nachdenken sollte, ob man nicht auch beim ORF und bei den Landesstudios Infrastruktureinrichtungen in eine derartige Gesellschaft ausgliedert, damit in einigen Jahren die Privaten, die es dann vielleicht doch gibt, diese Einrichtungen auch nützen können.

So gesehen freue ich mich, dass es zum Privatfernsehen kommt. Ich freue mich, dass es zu einem dualen System kommt. Dass der Rundfunk und der ORF keine leichte Zeit vor sich haben, davon gehe ich aus. Ich glaube aber, dass – das ist meine Ankündigung – das eine oder andere wahrscheinlich in einiger Zeit ohnehin novelliert werden wird, sodass auch der ORF im Sinne des internationalen Wettbewerbs wiederum konkurrenzfähig sein wird. – Danke. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

23.44

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Robert Aspöck. Ich erteile ihm das Wort.

23.44

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Wollte man auf all die Probleme, die heute bereits angesprochen wurden, auch nur einigermaßen detailliert eingehen, wäre eine halb- bis einstündige Wortmeldung vonnöten. (Bundesrat Ing. Grasberger: Bitte nicht schon wieder!) Ich habe das heute nicht vor! Anscheinend gibt es aber schlechte Erinnerungen an meine Ausführungen zur Osterweiterung und zum Euro, wobei ich glaube, dass manches nicht so falsch war, was ich dazu von mir gegeben habe. – Spaß beiseite (Bundesrat Konecny: War das ein Spaß?): Ich möchte mich kurz fassen.

Als Freiheitlicher habe ich die heutige Diskussion in vielen Bereichen eher mit einem milden Lächeln beziehungsweise auch mit einer gewissen Traurigkeit miterlebt, und zwar mit Traurigkeit oder einem milden Lächeln darüber, dass man hier heraußen so getan hat, als müsste die politische Unabhängigkeit des ORF – und vor allem des Fernsehens – hier verteidigt werden. Das kostet uns Freiheitliche wirklich nur ein, wie ich sage, mildes Lächeln!

Erlauben Sie mir einen kurzen geschichtlichen Abriss: Kurz nach Beginn der Zweiten Republik hat einer der größten Politiker der ÖVP in dieser Zweiten Republik in seiner Einschätzung einen großen Fehler gemacht – dieser Fehler ist uns allen bekannt –, und die SPÖ hat diesen Fehler


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konsequent genutzt und aus diesem Fernsehen sukzessive – auch mit allem Auf und Ab, Rundfunkvolksbegehren und so weiter, aber im Großen und Ganzen –, wie es in der Bevölkerung noch weit verbreitet heißt, einen "Rotfunk" produziert. (Bundesrat Kone
cny: In der Bevölkerung nicht! Das steht in der "Neuen Freien Zeitung"!)

Verehrter Herr Professor! Wenn Sie die "Neue Freie Zeitung" zitieren, dann erlaube ich mir, etwas anderes zu zitieren, was Sie als alter Achtundsechziger und ich als ungefähr gleiches Kaliber vom Jahrgang her noch sehr genau kennen werden, und dabei handelt es sicherlich nicht um Blaue. Erinnern Sie sich an die "Spitzbuam"? (Bundesrat Konecny: Ich war nie bei den "Spitzbuam"!) Haben Sie noch im Ohr, wie die "Spitzbuam" gesungen haben: "Das Fernsehen bleibt rot, und der Rundfunk bleibt schwarz". Das war damals schon ... (Bundesrat Konecny: Das ist der Unterschied zwischen zwei Achtundsechzigern: Sie waren beim Heurigen!) – Ja, ja! Aber die "Spitzbuam" waren sicherlich nicht verdächtig, in dieser Zeit irgendwie blau angehaucht zu sein.

Die alten Sozialisten und die heutigen Sozialdemokraten haben gute, ja sehr gute Arbeit geleistet, wenn es darum ging, das Fernsehen "rot" zu perfektionieren. Heute kommen sie mit Interventionsstatistiken. Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wenn ich meine Freunderln dort sitzen habe, dann brauche ich nicht zu intervenieren! Das ist doch eine ganz einfache Sache! Es bedurfte doch in den letzten Jahren und Jahrzehnten gar nicht mehr der direkten Intervention der SPÖ und auch nicht der Grünen, welche die Roten ziemlich bald in weiser Voraussicht mit in dieses ORF-Boot genommen haben.

Ich darf Ihnen zwei Beispiele nennen

Zunächst zu den gewaltbereiten, kriminellen Donnerstags-Demonstrierern in Wien, den Opernball-Demonstrierern oder den Wirtschaftsgipfel-Demonstrierern: Ich sage nicht, dass das Ihre Genossen sind, ich bemängle aber sehr wohl, dass Sie sich immer wenig beziehungsweise für meine Begriffe allzu wenig von den Gewaltbereiten distanziert haben. Ich höre immer nur, dass Vermittler von der SPÖ dabei waren, die dort viele Bekannte getroffen haben; aber das ist etwas anderes. Wenn sich solche Dinge ereignen, dann können Sie sich aber jedenfalls mit 100-prozentiger Sicherheit darauf verlassen, dass der ORF in Anbetracht der Gewaltbereitschaft der Linken garantiert in den nächsten acht Tagen eine große Diskussionsrunde mit Fachleuten startet, und zwar über die Gewaltbereitschaft der Rechten. – So schaut es aus.

Ein anderes Beispiel, meine Damen und Herren: Vor einiger Zeit zappe ich – ziemlich gelangweilt – im ORF herum und komme auf eine völlig unpolitische Sendung. In dieser ging es um besonders dicke und um besonders dünne Frauen, um besonders hässliche und besonders schöne Frauen und um deren Essgewohnheiten. Da wurden Krethi und Plethi vor die Kamera gebeten, ganz besonders Dicke und ganz besonders Dünne (ironische Heiterkeit bei der ÖVP), keine Politiker, keine bekannten Namen. Wissen Sie, wer da auf einmal vor der Kamera stand? – Eine, die weder besonders dick noch besonders dünn, weder besonders hässlich noch besonders schön ist, sondern ganz in der Mitte drin, also völlig uninteressant für diese Sendung. Wissen Sie, wer das war? – Die Dame heißt Terezija Stoisits! Ich bin zwar kein Werbefachmann, aber nach dem, was ich bis jetzt in meinem Beruf als Anwalt und ganz einfach normal daneben gelernt habe, würde ich so etwas, meine Damen und Herren, als Schleichwerbung bezeichnen! (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. ) Nein! Da müssen keine Begeisterungsstürme her, aber, Herr Professor Konecny, das ist Schleichwerbung! Das sind genau die Dinge, die im bisherigen Rundfunk klaglos funktioniert haben! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenrufe des Bundesrates Gruber und des Bundesrates Konecny. )

Ich muss das pointierter sagen, nicht wahr? – Ich werde es jetzt so wie Sie machen, Herr Klubobmann! Ich mache es entweder so oder so, aber dann sollen Sie buh rufen oder applaudieren! (Bundesrat Konecny: Buh sage ich nicht!)

Ich meine jedenfalls, dass zumindest die Chance besteht, dass mit derlei Dingen jetzt einmal Schluss gemacht wird. Diese Regierung hat die Courage und den Anstand, die Parteipolitik und


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damit auch die eigene Partei zumindest einmal aus der direkten Beeinflussung des ORF herauszunehmen.

SPÖ und Grüne, namentlich besonders Herr Dr. Cap und Herr Kollege Schennach, kämpfen mit allen Mitteln darum, weiterhin als bestimmender Faktor im ORF-Kuratorium alt bleiben zu können – und dies mit einer Begründung, die paradoxer gar nicht sein könnte! Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Cap und Genossen, Kollege Schennach und FreundInnen – das sind jene mit dem großen "I" in der Mitte, Sie wissen, denn dann erspart man sich, "Freunde und Freundinnen" zu schreiben – wollen der Bevölkerung erklären, dass sie als Parteipolitiker bestimmend im ORF-Kuratorium bleiben müssen!!! – drei Rufzeichen –, um den ORF vor parteipolitischer Einflussnahme zu schützen.

Meine Damen und Herren! Westenthaler und Khol verzichten auf derlei Politposten im Wege des Kuratoriums alter Prägung. Ich sage nur: Der Bürger möge entscheiden, welche Argumente glaubwürdiger sind: die derjenigen Politiker, die sagen: Ich muss drinnen bleiben, damit die Parteipolitik draußen bleibt! –, 100-prozentige Parteileute, oder die derjenigen, die sagen: Wir verzichten darauf, wir gehen aus diesem Kuratorium hinaus! (Bundesrat Konecny: Solange Westenthaler ein Handy hat, hat sich nichts verändert!)

An dieser Stelle möchte ich noch einmal ganz kurz auf eine Thematik eingehen, nämlich auf einen Unterschied, der mit dem Argument weggewischt wurde: Die Fachleute kann man auch beeinflussen! – Meine Damen und Herren! So einfach ist es nicht, denn es ist klar: Wenn ein Parteisoldat im Kuratorium ist, dann wäre er ein schlechter Politiker, wenn er nicht 1000-prozentig für seine Partei agierte. Davon können Sie ausgehen, ich glaube, darüber sind wir uns einig!

Im Hinblick auf die Fachleute möchte ich unterscheiden: Da gibt es zwei Arten.

Einerseits gibt es natürlich Fachleute – solche haben wir in den letzten Jahrzehnten sehr oft erlebt –, die eigentlich gar keine sind und nur zu solchen gemacht werden. Das sind dann jene Fachleute, die tatsächlich tun, was ihnen angeschafft wird.

Andererseits gibt es aber Fachleute, die tatsächlich Persönlichkeiten sind. Auch mit diesen habe ich persönlich meine Erfahrungen und habe gesehen, dass es bei solchen Fachleuten nicht so einfach ist, von der Parteizentrale aus zu sagen: Du bist unser Fachmann, und jetzt hast du so und so zu entscheiden! Bei diesen Fachleuten besteht zumindest die Chance – als Optimist möchte ich diese Chance wahrnehmen –, dass sie nicht der verlängerte Arm einer Parteizentrale sind, wenngleich man einem Herrn Dr. Cap oder auch Kollegen Schennach eigentlich nichts vorwerfen kann, denn sie müssen für die SPÖ beziehungsweise für die Grünen agieren, da gibt es keine andere Möglichkeit!

Ich glaube, dass jetzt zumindest die Chance besteht, dass doch etwas mehr Unabhängigkeit in diesen Rundfunk einkehrt. Ich glaube, wir sollen darüber froh sein, dass nunmehr zumindest die Möglichkeit besteht, dass wir eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt erhalten, die nicht mehr zu 100 Prozent von einer oder auch von zwei Parteien dominiert wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

23.55

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung im Ausmaß von höchstens 5 Minuten erteile ich Herrn Bundesrat Stefan Schennach das Wort. (Staatssekretär Morak: Mitternachtseinlage!) – Bitte.

23.55

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Kollege Aspöck hat behauptet, ich würde um meinen Verbleib im Kuratorium des ORF kämpfen.

Das ist in mehrerer Weise unrichtig.


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Bereits bei der ersten Einbringung einer Gesetzesnovellierung zum ORF-Gesetz im März dieses Jahres, als dieses Gesetz, das Sie heute beschließen, noch gar nicht das Licht des Tages erblickt hat, gab es zwei Mal den Antrag Stoisits von grüner Seite im Verfassungsausschuss des Nationalrates, dass es künftig eine Beschränkung der Mitglieder des Kuratoriums geben soll, dass Politiker (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger ) – es tut mir Leid, es ist jetzt ein bisschen spät
 –, die dem Nationalrat, einer Regierung oder einem Landtag angehören beziehungsweise Parteiangestellte sind, nicht dem Kuratorium angehören dürfen. Dieser Antrag der Grünen wurde schon einmal von der früheren Regierung abgelehnt. Er ist im März dieses Jahres in den Verfassungsausschuss eingebracht worden, und Sie können sicher sein, dass ein Mediensprecher darüber Bescheid weiß und seine Zustimmung dazu gibt! (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

23.56

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Bundesrat Herwig Hösele. Ich erteile ihm das Wort.

23.56

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich zitiere jetzt nicht die "Neue Freie Zeitung", sondern die "Neue Zürcher Zeitung": "Die Politisierung des ORF ist legendär. Unverhohlene Interventionen von Politikern sind Legion. Zwischen den Generalsekretariaten von ORF und Sozialdemokratischer Partei – SPÖ – gab es mehr als einmal einen fliegenden Wechsel." – Ich nehme an, es handelt sich bei dem, der solches festgestellt hat, um einen unabhängigen Beobachter Österreichs, der nicht in der Einflusssphäre der Koalitionsparteien steht.

In diesen Artikel stellt dieser Kommentator weiter fest: "Das Programm ORF 1 ist von einem Privatsender kaum zu unterscheiden. Das ist insofern anfechtbar, als es dem öffentlich-rechtlichen Auftrag widerspricht, der den Anspruch auf Gebühren begründet." – Dabei handelt es sich im Kern, wie ich glaube, um dasselbe, worum es bei der heutigen Beschlussfassung geht und was in der berühmten Polemik, die hier über parteipolitische Einflussnahme geführt wurde, fast ein wenig untergegangen wäre, nämlich um den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF und um das duale System.

1984 gab es in Deutschland den Beginn des dualen Systems, bei uns kommt es hingegen erst nach einem Jahrzehnt medienpolitischen Stillstands, währenddessen offenbar gedacht wurde, dass die Generalsekretariate und Kanzlersekretariate die Medienpolitik mit Acht-Sekunden-Kürzungen und Ähnlichem abwickeln können, endlich zu dieser Ausprägung. Wenn der ORF eine langfristige Bestandssicherung haben will – da bin ich anderer Meinung als Sie, Herr Kollege Schennach –, dann ist es ganz entscheidend, dass der ORF insgesamt in einer sehr milden Reform von einigen kommerziellen Auswüchsen auf den Kernauftrag rückgeführt und die Unverwechselbarkeit des ORF gegenüber Privatsendern sichergestellt wird.

In diesem Zusammenhang macht es mich irgendwie betroffen, dass dann plötzlich die Landesstudios in Geiselhaft genommen werden sollen, weil es heißt: Um Gottes willen, jetzt sind die Landesstudios gefährdet! – So viel ich weiß, kostet ORF 1 sehr viel mehr als die Landesstudios und hat einen Nullinhalt – mit Ausnahme der Zeit im Bild, die durchgeschaltet ist – öffentlich-rechtlichen Auftrags. Im jetzt vorliegenden Gesetz ist erstmals festgeschrieben ... (Bundesrätin Schicker: Was ist mit dem Sport?) Ja, der Sport! Aber an sich kann ich in der zum Beispiel von Ihnen angesprochenen programmschöpfenden Kunstwirtschaft und Filmwirtschaft in ORF 1 nicht sehr viel erkennen, das möchte ich festhalten. Ich halte es aber vielleicht für eine Denkmöglichkeit, wenn sich das duale System ausbildet, dass möglicherweise der private Anbieter dort Impulse gibt. Darüber sollte man einmal nachdenken, ob das überhaupt immer nur der ORF machen muss und kann, denn das ist eine etwas eingeengte Sichtweise!

Zu den Landesstudios: Es ist erstmals gesetzlich abgesichert, dass den Landesstudios ein angemessener Finanzierungsanteil zur Verfügung gestellt werden muss. Die bisherige Praxis des ORF war so, dass die Geschäftsführung der Zentrale die Landesstudios auf den finanziellen Strich geschickt hat. Ich möchte jetzt keine Details ausbreiten, die Sie ohnedies wahr


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scheinlich aus Kuratoriumsdiskussionen kennen, wie sich etwa Landesintendanten, damit sie sich ein wenig finanziell bewegen konnten, Sponsorbeiträge von Bekleidungsfirmen, von Banken und so weiter – alles sehr ehrenwerte Geschichten, aber sicher nicht in Ordnung! – verschafft haben.

Das so weiterzutreiben, wäre meiner Meinung nach in Wirklichkeit irgendwann einmal die Beendigung der Gebührenlegitimation des ORF gewesen. Das wäre, so möchte ich meinen, nicht sehr nützlich gewesen.

Ich glaube, dass der Föderalismus einer der Kernaufträge des ORF ist, wie ich auch meine, dass einiges andere – und jetzt komme ich auf drei kleine Punkte – ebenfalls zum Kernauftrag oder zu den Wesenselementen gehören könnte. Teilweise treffen sie sich mit dem, was Sie angesprochen haben, wobei ich glaube, dass es keine Ausschließlichkeit ist, dass das nicht finanziert werden kann. Man muss nur die Priorität richtig setzen.

Wenn ich 11 Milliarden Schilling zur Verfügung habe, ist es doch wohl möglich, dass ich 80 Millionen Schilling in ein Radio Österreich International stecken kann, wenn es zeitgemäß weiterentwickelt wird. Das ist der erste Punkt. Ich denke, dass man sicherlich eine Visitenkarte in der Welt haben soll. Wie diese aussehen soll, ist eine ganz andere Frage. Ab und an höre ich das auch im Ausland, und ich muss sagen, so ... (Bundesrat Schennach: Sagen Sie das aber Herrn Klubobmann Khol, bitte!)

Bitte, es ist eine Frage, wie ich das organisiere: Es ist eine Frage, ob ich nicht zum Beispiel Ö 1 teilweise dort ausstrahle. (Bundesrat Konecny: Das Wesentliche ist, dass ein Teil fremdsprachig ist, Herr Kollege!) Das Wesen ist auch das, und das ist meiner Meinung nach sogar in der Ö 1-Redaktion in der Früh machbar. Ich würde sagen, es ist machbar.

Zweitens geht es um bessere Berücksichtigung der Interessen von Gehörlosen durch vermehrte Präsenz der Gebärdensprache, insbesondere bei Informationssendungen. Es gibt im Gesetz erste Ansatzpunkte dazu, nach jahrelanger Diskussion darüber, wo so etwas nicht erfolgt ist.

Drittens betrifft es eine ganze Kleinigkeit. Wir alle erinnern uns noch an Hans Paul Strobl. Ich glaube, dass ein solches Format – Volksanwalt, Bürgeranwalt – durchaus zum öffentlich-rechtlichen Auftrag gehört. Das wäre mir sehr viel sympathischer, als "Vera" als öffentlich-rechtlichen Auftrag zu definieren, weil es so nicht suppliert werden kann.

Letzter Punkt: Ich glaube, es ist letztlich eine eminent demokratiepolitische Sache, die heute hier passiert. Es sind dem Bundeskanzler, der Bundesregierung und dem Staatssekretär Respekt dafür zu zollen, dass trotz teilweise kampagnenhaft anmutender Anfeindungen in den letzten Monaten – ich brauche nur anzusprechen, was bis zu heutigen Hervorbringungen diverser auflagenstarker Publikationen, die "NEWS" im Titel haben, erschienen ist – nach Jahren des medienpolitischen Stillstandes und des parteipolitischen Missbrauchs des ORF durch die SPÖ mutige und wichtige Schritte für eine österreichische Medienordnung und für ein duales System gesetzt werden. Nur durch diesen Mut zum aufrechten Gang und durch Zivilcourage kann man in einer Demokratie Respekt erwerben, Spielregeln setzen und der demokratischen Kultur dienen.

Wenn ich es auf eine ganz verkürzte Formel bringen wollte, würde ich sagen: Die heutige Beschlussfassung im Bundesrat bringt den Abschied vom "Rotfunk" und den Beginn einer neuen rot-weiß-roten medienpolitischen Ära. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Einen "Schwarzfunk"! Den Beginn eines "Schwarzfunks"!)

0.03

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Staatssekretär Franz Morak das Wort. – Bitte.

0.03

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Meine Damen und Herren! Es ist Mitternacht. (Ruf bei den Freiheitlichen: Geisterstunde!) Ich weiß, das hat kaum einen


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Neuigkeitswert. Deswegen möchte ich mich zuerst für das Interesse dieses Gremiums hier bedanken, das Interesse, das Sie, meine Damen und Herren, auch noch zu so später Stunde an der Medienpolitik haben.

Ich weiß, es war auch heute eine kontroverse Diskussion, aber nicht nur heute, sondern sie hat uns eigentlich das ganze letzte Jahr begleitet. Wenn wir in die fernere und nähere Vergangenheit zurückgehen, sehen wir, dass wir immer eine ORF-Diskussion hatten – ob es sich um Digitalisierung gedreht hat, ob es sich um Gebühren gedreht hat, ob es sich um "Rotfunk" oder nicht "Rotfunk" gedreht hat. Es hat immer eine Diskussion über den ORF gegeben, weil er einfach eine zentrale Medienanstalt ist. Ich finde sie nach wie vor – und ich befinde mich in letzter Zeit schon lange in dieser Diskussion – für eine spannende Diskussion.

Ich war bemüht, im Rahmen der Gesetzwerdung dieser beiden Gesetzeswerke eine umfassende Informationspolitik zu leisten. Ich habe sie dort geleistet, wo man mich gefragt hat, und ich bedauere, dass die eine oder andere Begegnung – Herr Schennach! – nicht stattgefunden hat. Ich glaube, wir hatten nie etwas zu verbergen. Wir haben da in größter Transparenz und in größter Diskussionsbereitschaft einen Gesetzesvorschlag – mit dem heutigen Tag hoffentlich – zum Gesetz gemacht.

Ich glaube trotz allem, dass Zeitungsmeldungen und die Tatsache, dass wir uns etwas über die Zeitungen ausrichten – Politiker leben immer mehr davon, dass sie sich etwas über die Zeitungen ausrichten und immer weniger miteinander reden –, nicht den Dialog ersetzen. Ich sage das bedauernd. Wir sind gerade in der Medienpolitik an einem Punkt angelangt, an dem man sagt: Es geht nichts mehr, oder es ist nichts mehr in diesem Land gegangen. Ich glaube, dass man diesen Ausbruch aus der Blockade, wie auch immer man zu dieser Regierung stehen mag – und da bedanke ich mich auch bei Ferry Maier, der durchaus einen anderen und kontroversen Standpunkt zu diesem Gesetz hat –, auch würdigt.

Wir haben in diesem Land – das ist öfters angeklungen, auch im Nationalrat – einen medienpolitischen Stillstand gehabt, wobei wir immer gesagt haben: Wir reden zwar darüber, aber die Gesetze schreibt der ORF, der ORF wird uns sagen, wie es weitergeht, und so weiter. Im Endeffekt ist es zu einer großen Blockade gekommen. Was wir heute feiern – auch spät in der Nacht –, ist eine Aufarbeitung einer nicht vorhandenen Medienpolitik der letzten 30 Jahre! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm. )

Meine Damen und Herren! Österreich ist kein gallisches Dorf – auch wenn man das irgendwie suggerieren mag – am Rande der Zivilisation des Römischen Reiches – das kommt nur bei "Asterix und Obelix" vor –, auch wenn dieses gallische Dorf Küniglberg heißen mag und das Römische Reich die internationale Mediensituation und der internationale Medienmarkt sein mag. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Einführung der Normalität, der medienpolitischen Normalität in diesem Land!

Es geht um den Medienmarkt und nicht um die Simulation von Markt. Immer, wenn wir in diesen Diskussionen von Markt, Markt, Markt geredet haben, haben wir nicht erwähnt, dass der ORF zugegebenermaßen zu 50 Prozent von Gebühren lebt. Das ist nicht Markt nach unserem Verständnis, sondern das ist die Simulation von Markt, obwohl – und das muss ich jetzt auch sagen – es die ganze Diskussion in diesem Lande immer begleitet hat, wie wesentlich diese Institution für dieses Land ist und wie wesentlich diese Situation ist. Wie wesentlich diese Situation war, geht auch daraus hervor, dass wir in diesem Gesetz alles dazu getan haben, um den ORF mittelfristig und langfristig auch auf europäischer Ebene abzusichern.

In dieser ganzen Diskussion – das kann man heute fast schon rückblickend sagen – war etwas sehr seltsam. Ganz egal, was wir angegriffen haben: Ob es das Privatradiogesetz war – wir haben über den ORF geredet; ob es die KommAustria, die Kommunikationsbehörde Austria war – wir haben über den ORF geredet; ob es die Debatte über Privatfernsehen war – wir haben über den ORF geredet. Das heißt, wir haben nie über etwas anderes diskutiert, weder in der Öffentlichkeit noch untereinander, und das bedauere ich ganz besonders.


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Nicht über das haben wir gesprochen, was diese Bundesregierung geleistet hat, nämlich das Herstellen von Normalität in diesem Land, den Ansatz und die Möglichkeit einer Normalität in diesem Land auf medienpolitischer Ebene, sondern wir haben immer nur darüber geredet, was uns die großen Medienanbieter – sprich ORF, "Kronen Zeitung" und "NEWS" – vorgegeben haben. Wir haben nie darüber gesprochen, was dieser Meinungsverbund für dieses Land bedeutet hat! (Bundesrat Dr. Böhm: So ist es!)

Ich muss Ihnen auch eines sagen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie: Es hat Zeiten in Ihrer Partei gegeben, da hätten Sie diesen Zustand so nicht hingenommen. Wenn wir davon reden, dass wir Offenheit in diesem Land brauchen, dass wir Medienvielfalt in diesem Land brauchen, dann hätte ich zum Erreichen dieses Ziels auch Ihre Stimme erwartet. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Bezeichnend in dieser Debatte um den ORF war für mich ein Punkt, an dem sich die vielen begnadeten Politiker, von denen ich auch umgeben bin, satt lächelnd zurückgelehnt und gesagt haben: Das war jetzt ein großer Fehler. Das geschah, als wir begonnen haben, über Qualität zu reden, und zwar unter der Anleitung erfahrener Medienexperten, nicht nur des Herrn Bacher, sondern auch des Herrn Dr. Keller, des Herrn Csoklich und des Herrn Payrleitner; ich bitte, das nicht zu verkürzen.

Plötzlich ist auf dem Küniglberg eine Aufregung entstanden, wie sie eigentlich überhaupt nicht zu verstehen war. Man hat nurmehr von Werbeeinschaltungen geredet, wir haben von Sonderwerbeformen geredet, wir haben von Werbung, Werbung und nochmals Werbung geredet, aber eigentlich nicht vom Kern der ganzen Sache, nämlich wie wir den Bestand des ORF sichern: selbstverständlich durch die Gebühren! Alles andere ist eine Schimäre. Wir brauchen nur eine Situation wie heuer zu haben, nämlich einen Einbruch bei den Werbebuchungen des ORF, und schon sieht die Welt anders aus. Das liegt nicht daran, dass die Bundesregierung in diesem Jahr das ORF-Gesetz gemacht hat. Das hat sie zwar gemacht, aber wirksam werden wird es erst mit 1. Jänner 2002.

Das heißt, der Einbruch auf dem Werbemarkt betrifft den Markt; das ist der Einbruch des Marktes. Sicher wird der ORF nur, wenn wir seinen Bestand in den Gebühren sichern. Dafür ist es notwendig, dass wir einerseits den öffentlich-rechtlichen Auftrag fixieren, neu definieren und neu festlegen, auch für die Programmmacher des ORF. Ich habe mich immer dazu bekannt, indem ich gesagt habe: Nicht die Bundesregierung definiert den ORF und den öffentlich-rechtlichen Auftrag, sondern jeder einzelne Redakteur des ORF ist seinem Unternehmen dafür verantwortlich, dass er das täglich abliefert! Nämlich: Wodurch unterscheidet sich ein öffentlich-rechtlicher Anbieter von einem privaten?

Wenn ich höre, dass eine Medienanstalt wie die Bayerische Medienanstalt sagt, es unterscheide sich ORF 1 von RTL nur noch dadurch, dass der Nachrichtenwert – das heißt die Zeit, die für Nachrichten übrig bleibt – geringer als bei RTL ist, dann müssen natürlich bei einem Generalintendanten alle Alarmglocken läuten – nicht aber, das in der Öffentlichkeit nicht zu argumentieren und nur über die Werbung zu reden.

Ich möchte auf einige Punkte eingehen, die heute hier in der Diskussion angesprochen worden sind. Ich meine, man sollte das in aller Offenheit tun, und habe das immer so gemacht. Ich bin kein Feind des ORF; ich war das nie, sondern ich war eher jemand, der sagt: Ich bin dort Kurator gewesen, ich stehe dazu, dass ich das gewesen bin, und ich halte den ORF – aus vielerlei Gründen, über die wir heute durchaus noch reden können, es ist ja erst Viertel nach zwölf – für eine wesentliche Einrichtung in diesem Land.

Herr Schennach! Sie haben Kürzungen im Werbebereich angesprochen. Was wir gemacht haben, ist eine Klarstellung bei den Sonderwerbeformen. Es kann nicht sein, dass dem ORF all das – und noch ein wenig mehr – erlaubt ist, was den Privaten erlaubt ist, wir müssen das in irgendeiner Form begrenzen. Ferry Maier ist hier schon darauf eingegangen, es sind jetzt 42 Minuten pro Tag und Kanal. Überlegen Sie: 1996 waren es noch 25 Minuten. Das bedeutet


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fast eine Verdoppelung der Werbezeit in einer relativ kurzen Zeit, und das durchgerechnet auf ein Jahr!

Jetzt kann man sagen: Dies bringt dem ORF nur bedingt etwas, da die Werbezeit heuer nicht ausgeschöpft wird. – Das heißt, wir müssen schauen, wie wir die Programminhalte zuspitzen, besser machen und unterscheidbarer machen. Wenn Sie heute teilweise die Programmierung des ORF sehen, dann werden Sie keinen Unterschied zu Pro7 und zu RTL finden.

Wenn man dann jedoch sagt: Das sind die Kommerziellen, das sind die Kommerzanbieter, das sind diejenigen, die etwas ganz anderes als wir machen, so muss man entgegenhalten: Die Kaufleute, von denen diese Filme gekauft werden, sind die gleichen: Das sind Walt Disney, die deutschen Serienproduzenten, Leo Kirch und so weiter. Das wissen wir doch alles.

Zur Kürzung der Filmförderung: Auch wenn man es noch häufiger behauptet, ist es doch nicht wahr. Es gab von der letzten Bundesregierung – Sie werden sich sicherlich genau daran erinnern – ein Versprechen des damaligen Herrn Bundeskanzlers Klima: 100 Millionen Schilling als Einmalzahlung. Diese 100 Millionen konnte sich die damalige Bundesregierung nicht leisten, deswegen hat man es auf zwei Jahre gemacht: 50 Millionen einmal und im Jahr darauf noch einmal 50 Millionen. Diese 100 Millionen Schilling waren immer als Einmalzahlung deklariert. Danach kam wieder das alte österreichische Fördermodell zum Tragen, also ohne diese Sondersubventionierung.

Das heißt, wir haben dort im Rahmen der Kunstförderung, weil die Kunstmittel nicht so stark geflossen sind, da wir eben auch eine Form von Beitrag zur Sanierung der öffentlichen Finanzen geleistet haben, um 10 Prozent gekürzt. – So weit, so klar, nur: Mehr ist es nicht.

Wenn Sie sich die Presseaussendungen darüber anschauen, als die damalige Bundesregierung diese 100 Millionen Schilling – zweimal 50 Millionen Schilling – dem Film zugeschossen hat, sehen Sie, dass es damals hieß: Hier speist die Bundesregierung die Filmschaffenden mit einem Bettel ab, die Bundesregierung weiß nicht, was sie ihren Filmschaffenden schuldig ist, und so weiter. Insbesondere wurde die Schaffung von Privatfernsehen gefordert. Es wurde damals, vor eineinhalb Jahren, gedacht, dass man mit einer größeren Möglichkeit an Projektionsfläche natürlich auch mehr Produktion schafft. – Wir werden später noch einmal darauf zurückkommen.

Wenn wir uns all die Überlegungen dazu anschauen, welche Kürzungen im Werbebereich im Rahmen dieses Gesetzes geschaffen werden, dann haben wir verschiedene Zahlen gehört: 3 Milliarden Schilling, 2 Milliarden Schilling, 1 Milliarde Schilling; von anderen haben wir 600 Millionen oder 500 Millionen Schilling gehört. Wir haben also sehr viele unterschiedliche Zahlen gehört, von denen wir meinen, es wurden da Zahlen genannt, die mit der Realität nichts zu tun haben. Ich erinnere Sie nur an den Chef der GIS, der unlängst gesagt hat, es werden 800 Millionen Schilling an Gebühren nicht gezahlt. Daher fordere ich den ORF hier auf, im Rahmen seiner Möglichkeiten die Leute – und vor allem die GIS – dazu zu überreden, dieses Geld auch zu zahlen.

Sie sind dann auf ein duales System eingegangen und haben im Grunde Generalintendant Weis weiter interpretiert, und zwar so: Das duale System für den ORF besteht aus Gebühren und Werbung. Das meinen wir unter anderem nicht. Wir meinen, ein duales System besteht auf der einen Seite aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und auf der anderen Seite aus dem privat finanzierten Rundfunk. – Das nur zur Klarstellung.

Sie reden vom Schaden für die Filmwirtschaft. Eines ist mir völlig schleierhaft und vielen anderen auch, wobei es in Deutschland dieselbe Diskussion – allerdings vor 17 Jahren – bei der Einführung von Privatfernsehen gab: Die Werbung hat sich gewehrt, die Filmschaffenden haben sich gewehrt – mit dem Erfolg, dass heute sehr viele Produktionen des ORF zu 80 oder 85 Prozent von deutschen Privaten finanziert werden. Ich nenne jetzt nur ein Beispiel wie "Kommissar Rex". Ganz schlecht kann das daher nicht sein! – Noch einmal: Mehr Fläche und mehr Mattscheibe bedeuten mehr Produktionen.


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679. Sitzung / Seite 231

Auf die Bundesländerstudios wurde schon eingegangen. Es wird jetzt zum ersten Mal im ORF-Gesetz erwähnt, dass sie vom ORF zu finanzieren sind. Wir haben allerdings davon Abstand genommen, eine Zahl hineinzuschreiben, weil wir meinen, dass der Generaldirektor selbst festlegen soll, wie er das sieht.

Sehr häufig ist angeklungen, wie furchtbar undemokratisch diese Bundesregierung sei, weil sie Transparenz bei den Geschäftsfeldern verordnet hat. Das heißt: Wie schauen die Leistungsverträge einerseits beim ORF, andererseits bei den Print-Anbietern aus? Warum haben wir das gemacht? – Ein jeder in diesem Saal weiß, dass es zwischen dem ORF und den Print-Anbietern-Verträge gegeben hat, nach denen auf der einen Seite 80 Prozent auf Grund von Rabattgeschäften nicht bezahlt und für 20 Prozent Gegengeschäfte gemacht wurden.

Wenn auf der anderen Seite ein Vorsitzender eines Werbeverbandes auf mich zugekommen ist und gesagt hat, dass er die Werberegelung nicht versteht, dann habe ich ihm gesagt: Die Zeit, die früher für Großkunden reserviert war, diese 30 Sekunden vor der "Zeit im Bild 1", die von diesen Großkunden immer auf Punkt und Beistrich bezahlt wurden, wird jetzt im ORF für 80 Prozent Rabatt und 20 Prozent Gegengeschäft verkauft. Wenn er dafür auf die Barrikaden steigt, dann kann ich ihm nicht helfen.

Was die Wahl im künftigen Stiftungsrat betrifft, ist dies offensichtlich für manche ein großes Problem. Ich glaube schön langsam, aber sicher, es hat etwas mit den Parteien zu tun. Man kann sich in der SPÖ nicht vorstellen, dass man eine andere Meinung als die Partei hat. (Bundesrätin Mag. Trunk: Wie bitte?) Ich möchte jetzt einmal Ferry Maier erwähnen; das ist ein Bundesrat, der hier herausgeht, eine andere Meinung hat als seine Bundesregierung und die Partei, die ihn nominiert hat, und seine Meinung sagt. Das gibt es! (Bundesrätin Mag. Trunk: Ja!)

Setzen Sie also auf die Unabhängigkeit der Menschen, auf ihren Verstand, auf ihren Eigensinn! (Bundesrätin Mag. Trunk: Aber es gibt nur einen in der ÖVP!) Das ist ein Teil dieses Konzeptes: Transparenz. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Wenn wir davon reden, dass es ein öffentlich-rechtlicher Anbieter ist, der allen gehört, dann haben alle auch das Recht zu erfahren, wie sich ihre Vertreter in diesem Kuratorium oder in diesem Stiftungsrat schlagen. (Bundesrat Mag. Hoscher: Wir sind eh der Meinung des Herrn Kollegen Maier! – Bundesrat Manfred Gruber: Sie brauchen uns eh nicht zu überzeugen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Im bisherigen Rundfunkgesetz gab es überhaupt keine Bestimmungen bezüglich der Minderheiten, Frau Trunk! Nach bisheriger Rechtslage durften nicht einmal Kooperationen mit privaten Volksgruppensendern erfolgen. Jetzt gibt es eine flexible Lösung für den ORF, mit Volksgruppenradios zu kooperieren. Sie kennen das sicherlich aus Kärnten, von Koratan und dem ORF. Es ist durchaus im Sinne der Volksgruppenradios, dass sie dort auch mit der Volksgruppen-Redaktion des ORF zusammenarbeiten.

Minderheiten waren bisher nicht im ORF-Gesetz vertreten. Ich meine, dass das völkerrechtlich nicht ganz unproblematisch war. Ich denke, wir haben hier einen Zustand verändert, der uns veränderbar und veränderungswürdig erschienen ist. Außerdem ist es von nun an so, dass der ORF Minderheitensendungen nicht nur machen kann, sondern ab sofort Minderheitensendungen zu machen hat. (Bundesrat Konecny: Kann er auch Radio Österreich International machen?)

Er kann Radio Österreich International machen, genauso wie er zum Beispiel ein Symphonieorchester unterhalten und genauso wie er zum Beispiel sein Radiokulturhaus erhalten kann. Ich finde das an und für sich einem öffentlich-rechtlichen Sender angemessen, dass er die Möglichkeit besitzt, dies nicht nur aus den Gebühren, sondern auch aus seinen Werbeeinnahmen zu finanzieren. Er soll es machen, selbstverständlich, und er kann es machen. Der öffentlich-rechtliche Sender wäre gut beraten, wenn er im Rahmen einer mittelfristig und langfristigen Sicherung seiner Wichtigkeit für dieses Land das auch wahrnimmt.


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679. Sitzung / Seite 232

Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei Zitate sagen. Am 30. Mai 2000 erschien – wir reden jetzt vom geplanten digitalen Kulturkanal des ORF – eine Aussendung, ein Prospekt des ORF mit folgender Meinung des Generalintendanten Weis: Angesichts des angesprochenen Wettbewerbsszenarios – er meint die anderen Kabelveranstalter – ist der ORF sicher nicht in der Lage, den geplanten Kulturkanal aus dem laufenden Budget zu finanzieren.

Diese Aussage widerlegt die Wortmeldungen, die wir bisher zum Thema Kulturkanal gehört haben – nämlich dass die Bundesregierung daran schuld sei, dass der ORF den Kulturkanal nicht macht –: Er hat weiterhin die Möglichkeit dazu. Am 30. Mai 2000, als es noch lange kein ORF-Gesetz gab, war das offensichtlich schon nicht mehr möglich.

Wir haben zum Schluss ganz persönliche Anmerkungen meines Freundes und Kollegen Ferry Maier gehört, dass sich kein Spitzenmanager im Rahmen dieses Gesetzes für den ORF hergeben würde. Ich möchte hier in aller Öffentlichkeit sagen, dass der jetzige Generalintendant Weis mit seinem Wiederantritt kokettiert. Daher müssen wir uns jetzt entscheiden: Entweder ist es ein gutes Gesetz, oder Herr Gerhard Weis ist kein Spitzenmanager. – In diesem Sinne möchte ich Ihnen für die Aufmerksamkeit danken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

0.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Es wünscht noch das Wort Herr Professor Konecny. – Bitte, Herr Bundesrat Konecny.

0.24

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Trotz der vorgerückten Stunde bedarf das, was der Herr Staatssekretär nun hier an Überlegungen dargeboten hat, zumindest einer alternativen Deutung.

Wenn man ihm zuhört, ist mir aus seiner Argumentation eigentlich nicht mehr klar, warum es dieses Gesetz gibt. Was sicherlich vernünftig ist – der ORF hat das auch bisher gemacht –, ist ihm jetzt gesetzlich vorgeschrieben, nämlich sich programmmäßig der Minderheiten anzunehmen. Er darf – aber das wäre ihm unter keinen Umständen zu verbieten – ein internationales Programm machen. Es hat – nicht von Ihnen, Herr Staatssekretär, aber von Sprechern, die zuvor am Wort waren – sehr viel ehrlichere Worte als Ihre gegeben. Natürlich geht es einmal mehr darum: Zwingt Blau-Schwarz rein!

Es mag nun sein, dass es in vielen Bereichen ... (Bundesrat Dr. Nittmann: Immer dieselben Phrasen! Sie sind ein Phrasendrescher, Herr Professor!) Herr Kollege! Davon, dass Sie so laut schreien, werden Ihre Aussagen nicht wahrer. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: ... Gebetsmühlen!)

Wenn Sie also Sozialdemokraten – und manchmal auch Grüne – bedrohen oder absetzen, dann ist all das sehr ungemütlich. Aber ich muss eines zugeben: Das tristeste Schicksal haben offensichtlich derzeit deviante Schwarze. Ihnen hat es ein paar Mal die Zunge verschlagen, Herr Staatssekretär, und Sie haben über Herrn Generalintendanten Weis, der nicht bei den Roten Falken war – eher ganz im Gegenteil –, und über Herrn Intendanten Leopoldseder, der schon gar nicht bei den Roten Falken war – ganz im Gegenteil –, in Worten gesprochen, die Ihren tiefen Hass, somuss ich in Wirklichkeit sagen, zum Ausdruck bringen. (Widerspruch bei der ÖVP. – Bundesrat Dr. Böhm: Das ist eine Unterstellung! – Bundesrat Dr. Nittmann: Lächerlich!)  – Bitte, Herr Kollege! "Lächerlich" – was ist das für ein Argument? (Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist eine lächerliche Selbstdarstellung!)

Wenn Sie mit Menschen eines politischen Lagers im großen Sinn – nicht der Parteizugehörigkeit, ich weiß das nicht – zu tun haben, die sich einer Aufgabe annehmen, sie ernst nehmen und zu Ergebnissen kommen (Bundesrat Dr. Nittmann: Schulmeisterung!), denen wir – bei aller Kritik im Detail, ich veranstalte jetzt keine Weis-Laudatio (Bundesrat Dr. Nittmann: O ja! Hört sich so an!)  – über weite Bereiche zustimmen können, dann ist das der Signalpunkt, zu sagen: Das ist ein Management, das ist eine Führung, die keine Zukunft hat. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)


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Ich erspare mir nun den ganzen Seitabzweiger in die Richtung des Herrn Klubobmanns Westenthaler (Bundesrat Dr. Nittmann: Weitschweifigkeit!), der das ungebremst, aber daher nach der augenblicklichen Argumentationslinie auch unerwünscht in der notwendigen Deutlichkeit, oder in der ihm notwendig erscheinenden Deutlichkeit, zum Ausdruck gebracht hat. Es mag nun so sein, dass man sich da ein Hintertürl offen halten will und vielleicht hofft (Bundesrat Mag. Gudenus: Welches Türl?), dass das Beißen des Kettenhundes genügend Einschüchterung erzeugt; aber so ganz wollte man ihn nicht von der Leine lassen. Das ist Ihr innerparteiliches Problem, und mich in dieses "Trio Infernal" – Haider, Riess-Passer, Westenthaler – einzumischen, habe ich nicht die geringste Lust. Sie mögen sich das untereinander ausmachen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Warum reden Sie dann so lange?)

Aber den Etikettenschwindel, den hier der Herr Staatssekretär veranstaltet hat, kann – bei aller Notwendigkeit, sich knapp zu fassen – dieses Haus nicht widerspruchslos hinnehmen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie nicht! Das Haus schon!)

Herr Kollege! Sie sind auch nicht das Haus; ich erspare mir diesbezüglich jedes Wortspiel. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Gudenus: ... Sie doch dieses Haus nicht!) Aber dieses Haus kann sich – auch dann, wenn es bereit ist, in Ihrer Person diesem Gesetz zuzustimmen – eine derartige Darstellungsweise nicht gefallen lassen, wenn Sie sich Spurenelemente von Selbstachtung bewahren wollen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Lassen Sie es bleiben! Tut niemand weh! – Bundesrat Dr. Nittmann: Was Sie sagen, ist völlig sinnlos!)

Ich habe viel Kritik an der Programmierung des ORF anzubringen. Wir haben ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Beginnen Sie!) – Bitte, Herr Kollege! (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie haben so viel geredet, da können Sie das auch noch sagen! – Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Herr Kollege! Ich sage das, was ich für richtig halte. Souffleure von Ihrer Qualität sind entbehrlich. Das ist nur auf der Bühne, aber nicht im Parlament üblich, dass jemand aus dem Kabäuschen heraus einsagt. Ich schaffe es auch ohne das. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Bleiben Sie auf Ihrem Niveau, Herr Professor!)

Wenn Sie also meinen, dass dieses Gesetz aus den Gründen, die der Herr Staatssekretär hier angeführt hat, zu beschließen ist, dann tun Sie es! (Bundesrat Mag. Gudenus: Das werden wir machen! Ich sage Ihnen: Das geschieht noch heute Abend! Wir brauchen keine Aufforderung dazu!) Herr Kollege! Ich weiß nicht, in welchen Werten man das ausdrückt, aber es gibt Werte, ab welchen es nicht mehr sinnvoll ist, in Debatten einzugreifen! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Herr Kollege! Es gibt gute Gründe, den ORF zu kritisieren. Es gibt gute Gründe, die Entscheidungsstrukturen im ORF zu kritisieren. Es gibt gute Gründe, einzelne Personen beim ORF zu kritisieren. Diese Diskussion ist über Jahre auch von unserer Seite geführt worden. Natürlich steht ein Unternehmen mit solcher Bedeutung im Widerstreit der Meinungen. (Bundesrat Dr. Nittmann: So eine Floskelei!) Aber das legitimiert nicht dazu, diesem Unternehmen einen Klotz ans Bein zu hängen, das legitimiert nicht dazu, die Manager, die unter gar nicht so leichten Bedingungen dieses Unternehmen – bei aller Kritik im Detail – erfolgreich geführt haben, anzuprangern, und wenn das Herr Westenthaler tut, ist das Wort "anprangern" eine milde Umschreibung für seine Wortwahl. Jetzt wird einfach eine politische Umfärbung vorgenommen, wobei von schwarz auf schwarzblau umgefärbt wird. Wie bereits gesagt, hat sich Herr Weis niemals um die Mitgliedschaft bei der SPÖ beworben, und auch Herr Leopoldseder nicht. Aber das zeigt, wo Ihre Toleranzschwelle ist, Herr Kollege! Deviante Schwarze sind offenbar noch gefährlicher als in der Wolle gefärbte Rote! Kollege Maier! Mir ist um Ihr Schicksal bang! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Er ist fertig! Bravo!)

0.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Bundesrat Dr. Böhm gemeldet. – Bitte.

0.32

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien) (zur Geschäftsordnung): Verehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich habe es immer sehr bewundert und respektiert, Frau Präsidentin,


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679. Sitzung / Seite 234

dass Sie immer auf eine angemessene Wortwahl gedrungen und es auch kritisch kommentiert haben, wenn die Wortwahl diesen hohen Maßstäben nicht entsprochen hat und Äußerungen gefallen sind, die man als menschenverachtender Natur bezeichnen kann.

Kollege Konecny hat es nun für nötig befunden, im Zusammenhang mit Klubobmann Westenthaler von einem “Kettenhund” zu sprechen, “den man nicht von der Leine losgelassen hat”. (Bundesrat Mag. Trunk: Er hat zitiert!) – Ich möchte darauf nur hinweisen. Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Ing. Polleruhs.  – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

0.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich muss gestehen, dass ich das nicht so genau gehört habe. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Sollte dieser Ausdruck tatsächlich so gefallen sein, dann bin ich überzeugt, dass Kollege Konecny den richtigen Ton finden wird, um alles wieder in Ordnung zu bringen.

Ich möchte jetzt gar nicht nachrechnen, wie viele Stunden diese Sitzung jetzt schon dauert. Es ist bereits nach Mitternacht, und die Stimmung schwankt zwischen gereizt und durchaus gut gelaunt. Ich habe daher den Eindruck, dass die Worte, die gewählt werden, nicht mehr von allen hier im Hause so sehr auf die Goldwaage gelegt werden wie zum Beispiel noch an einem Vormittag oder einem Nachmittag, an dem es auch nicht so warm ist wie jetzt hier.

Wir haben noch einiges zu erledigen, und ich möchte darum bitten, dass wir alle miteinander versuchen, wieder einen solchen Ton zu finden, dass wir einander, wenn wir uns dann trennen, die Hand geben und eine gute Nacht wünschen können, um uns morgen in alter Frische wieder zu treffen.

Ich schlage vor, dass wir jetzt die Verhandlungen fortsetzen.

Ich bitte Herrn Bundesrat Schennach ans Rednerpult. – Bitte.

0.35

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Ich erlaube mir noch eine zweite Wortmeldung. Der Herr Staatssekretär hat diese ein bisschen herausgefordert. Wir haben uns aber in den vielen Monaten der Diskussionen bereits gut kennen gelernt.

Zuvor eine Bemerkung zu Herrn Aspöck. – Herr Aspöck hat hier eine etwas seltsame geschichtliche Darstellung gebracht und feiert heute das Ende des Rotfunks. – Das ist ganz interessant! Ich weiß nicht, ob Sie das wissen: Ich kann Ihnen gerne ein paar Namen der wichtigsten Leute nennen, die derzeit im Kuratorium sitzen, nämlich etwa ein Herr Landeshauptmann Pühringer, ein Landesstatthalter Gorbach, ein Herr Khol, ein Herr Westenthaler, ein Herr Landtagspräsident aus Tirol namens Mader. (Bundesrat Konecny: Offensichtlich alles Rote!) Außerdem gibt es da auch noch zwei Mediensprecher der Opposition, einer ist jetzt Klubobmann geworden, das gebe ich zu. Meinen Freund Mödlhammer, Landtagsabgeordneter aus Salzburg und Sprecher des Gemeindebundes muss man natürlich auch noch nennen. (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Und ich habe noch Frau Präsidentin Rabl-Stadler vergessen. – Ich habe diese nur Namen genannt, damit Sie wissen, welchen Abschied und welchen Triumph Sie heute feiern!

Wenn ich mir die engere Geschäftsführung des ORF ansehe, dann kann ich Ihnen sagen – das ist durch zig Zeitungen gegangen –: Außer dem kaufmännischen Direktor – Herr Aspöck, interessiert Sie das noch? –, einen gewissen Herrn Wrabetz, ist in der unmittelbaren Geschäftsführung weit und breit niemand rot. (Bundesrat Dr. Aspöck: Das interessiert mich sehr!) Es gibt den Herrn CV-Mann Weis, der nur ein einziges Stigma hat: Schüssel mag ihn nicht. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das ist das einzige Problem, das er hat! Es gibt einen kohlrabenschwarzen Informationsintendanten.

Außerdem haben Sie in Ihrer Geschichte noch etwas vergessen: Der SPÖ ist mehrmals das Kunststück gelungen, trotz großer Mehrheiten immer einen Gerd Bacher als


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Generalintendanten zu bekommen, einen natürlich tiefroten Gerd Bacher! (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. ) Ist er nicht in den siebziger oder achtziger Jahren ... (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ist ja egal! (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

Natürlich haben Sie auch Recht, und ich habe in all den Jahren, in denen ich politisch tätig bin, die Einflussnahmen der früheren Kanzler und ihrer Sekretäre, etwa Rudas, Krammer und Kalina, scharf kritisiert. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) Ich glaube, die SPÖ hat gesehen beziehungsweise steht noch vor einem langen Prozess, das zu sehen, dass sich da viele Dinge ereignet haben, die für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk unerträglich waren.

Bei dieser seltsamen Diskussion in großer Runde hat der Anwalt Professor Barfuss gesagt: Wie das Gesetz ausschaut, ist egal. Jener, welcher der Vertreter der Stiftung des ORF ist, hat versucht, eine Nachimplantierung der Zusammensetzung der Regierung in diesem Rahmen vorzunehmen. Professor Barfuss hat, so glaube ich, gar nichts mit Rot oder Grün zu tun und auch gar nichts mit Blau. Ich weiß es nicht. Aber er ist einfach ein sehr honoriger Mann, und er hat gesagt, dass das eben die Form einer Machtumänderung in einem öffentlich-rechtlichen Unternehmen ist. – Das nur zu Herrn Aspöck.

Lieber Herr Staatssekretär! Sie waren sehr lange im Kuratorium. Sie sind seit langem in der Medienszene. Sie haben Recht: Es war eine Reform notwendig, denn das Gesetz ist aus 1974 und 1985. Zehn Jahre beziehungsweise 15 Jahre im Medienbereich sind eine Ewigkeit, denken Sie etwa an den Einstieg in ORF On, die Digitalisierungsfrage und all die Dinge, die es zu klären galt.

Ich verstehe allerdings nicht, warum Sie heute in Ihrer Rede, bei welcher ich auch vieles unterstreichen kann, in Emotionalität einen Gegensatz zwischen öffentlich-rechtlichem und massenwirksamem Programm machen! Dabei wissen Sie wohl, dass es notwendig ist: Ein öffentlich-rechtliches Fernsehen kann nur funktionieren, wenn es ein massenwirksames Programm hat.

Ohne ein massenwirksames Programm mit einer erkennbaren Bindung zu den Sehern, die dann eben nicht zu den privaten Kanälen abgehen, bei dem man sich nicht entsprechend bemüht, kommt es zu dem Phänomen: einmal verloren, immer verloren, und zwar gerade bei der Jugend, etwa was die deutschen Kanäle betrifft. – Sport gehört zum Beispiel zu einem dieser Bereiche des massenwirksamen Programms.

Letztlich wurde auch lange und viel darüber diskutiert, ob der ORF in diese Realityshows einsteigen soll oder nicht, aber auch dabei ging es – die Zahlen belegen es – um ein Zurückgewinnen von 600 000 jungen Menschen. Wenn wir heute wissen ... (Bundesrat Dr. Böhm: Traurig!) Sie sagen: Traurig! Ich frage: Hätten wir sie bei "Big Brother" lassen sollen? (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) Aber sie waren dort, und von dort wurden sie zurückgeholt! Wenn ich Ihren Worten folge, dann müsste "Arte" der größte Massensender sein, denn "Arte" hat garantiert ein rein öffentliches Programm. Aber das ist ein Nischensender.

Die Mischung, die da angeboten wird, ist auch nicht mein Geschmack. Ich bin der letzte "Taxi Orange"-Schauer, und ich musste mir das eigentlich nur auf Grund der Diskussionen hin und wieder anschauen, und mein zwölfjähriger Sohn hat gesagt: Papa, das ist urpeinlich! Sag niemandem, dass du das angeschaut hast! (Beifall und Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ, der ÖVP und der Freiheitlichen.) Aber was tut man nicht alles, um auch mitdiskutieren zu können, Herr Aspöck, und da muss man sich eben vorher informieren! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck. ) Und daher habe ich mich vorher informiert.

Warum Sie hier einen Gegensatz aufreißen, verstehe ich nicht! Sie haben gesagt: Wir nehmen den ORF ... (Zwischenruf des Staatssekretärs Morak. ) Sie haben gesagt: Wir konkretisieren. Ich war diesbezüglich immer Ihrer Meinung, und das ist, wie ich meine, eines der positiven Dinge! Ich habe mir heute bis jetzt erspart, positive Dinge zu sagen, jetzt sage ich sie!

Einer der wichtigsten Punkte, in welchem sich ein öffentlich-rechtliches Unternehmen von einem kommerziellen unterscheidet, ist zum Beispiel die absolute Abstinenz der Unterbrecherwerbung.


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Ich habe immer der Meinung Ausdruck verliehen, dass es gut ist, dass das jetzt so geregelt ist. Aber betreffend das Product-Placement kann ich Herrn Dr. Maier, der aus der Wirtschaft kommt, nur sagen: Ja! Das, was Sie gesagt haben, ist richtig! Das ist heute eine der Formen, welche die Werbewirtschaft interessiert und bei welcher vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmen einsteigen können, denn die großen Werbefilme schaffen kleine und mittelständische Unternehmen ohnedies nicht. Und das Product-Placement schädigt noch zwei Bereiche, nämlich den Sport- und den Kulturbereich.

Herr Staatssekretär! Etwas habe ich nie verstanden, und ich gebe zu, dass der ORF diesbezüglich einen Fehler gemacht hat, aber einen kleinen, den wir ausmerzen hätten können, ohne das Kind mit dem Bad auszuschütten. Warum wurde die Werbemittlung Ö 3 Plus gekappt oder gestrichen und nicht die Möglichkeit geschaffen, über Ö 3 künftig in allen privaten Radios eine Durchbuchung zu machen? – Das hätte auch den anderen Radios gedient.

Der ORF hat den Fehler gemacht, dass er das auf ganz bestimmte Radios eingeschränkt hat, die durchgebucht wurden. Das geht nicht! Ein Öffentlich-Rechtlicher muss alle oder keinen nehmen! Sie haben sich dafür entschieden, keinen zu nehmen, und Sie wissen, dass da sehr viel Geld damit verbunden war und dass viele der kleinen kommerziellen Sender, die wir haben, davon profitiert hätten.

Aber es gibt auch andere Aufgaben eines Öffentlich-Rechtlichen, die Sie vielleicht jetzt noch nicht unbedingt – und das ist für ein Land meines Erachtens sehr wichtig – als öffentlich-rechtliches Programm ansehen. Denken Sie aber zum Beispiel an St. Anton: Da war der ORF Host-Broadcaster, und man bekommt eine solche Großveranstaltung nur mehr, wenn man auch das entsprechende Angebot macht und eine entsprechende Fernsehanstalt mit ihrer Qualität anbietet. Glauben Sie, dass das dem ORF etwas gebracht hat? – Die Kosten für St. Anton liegen, soviel ich weiß, bei 90 Millionen Schilling!

Beim nächsten großen Punkt geht es für den ORF wahrscheinlich um eine Marktfrage: Ein großer Straßenrenner – das muss ich jetzt leider als Grüner sagen – ist die Formel 1. Die Formel 1 wird aber nicht mehr zu bezahlen und wird auch bald im ORF nicht mehr zu sehen sein, weil die Gebühren möglicherweise schon ab 2003 bei über 300 Millionen Schilling im Jahr liegen werden.

Weiteres Beispiel : Fußball. Der ÖFB bekommt über die Kooperation mit dem ORF 280 Millionen Schilling. Das sind Formen des Product-Placement, die jetzt entweder einzurechnen oder in der Richtung verboten sind.

Jetzt nehmen wir wieder etwas aus dem klassischen Bereich: Auf das Neujahrskonzert sind wir alle stolz. Eine Milliarde Menschen sieht es. Es gibt dabei aber bei Weitem keinen Gewinn, sondern der ORF zahlt zweistellige Millionenbeträge dazu! (Zwischenruf des Staatssekretärs Morak. ) Aber Sie wissen, dass das nicht so gerechnet wird! – Er weiß es ja!

Lassen Sie mich noch einen letzten Satz – es ist sehr spät – sagen: Herr Staatssekretär Morak hat Weis zum Kulturkanal zitiert und gesagt: Die Regierung hat damit nichts zu tun. – Herr Staatssekretär! Es hat vor drei oder vier Monaten eine Abstimmung im Kuratorium gegeben, und der Hirschbraten war es! Der Hirschbraten hat einer satten Mehrheit der Bundesregierung dort eine Niederlage beschert, weil viele draußen waren, und im Kuratorium gab es eine einzige "Ja"-Stimme zum Kulturkanal. Und wer, glauben Sie, hat mit "Nein" gestimmt? – Es gab drei "Nein"-Stimmen von Frau Rabl-Stadler, Herrn Khol und Herrn Westenthaler. (Rufe bei der SPÖ: Hört! Hört! Aha!) Somit hat die Regierung doch auch etwas mit dem Nichtzustandekommen des Kulturkanals zu tun. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

0.47

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.


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679. Sitzung / Seite 237

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen daher jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Aufgaben und die Einrichtung des Österreichischen Rundfunks und das Arbeitsverfassungsgesetz 1974 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privates Fernsehen erlassen werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Ausübung exklusiver Fernsehübertragungsrechte.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben ist, somit angenommen.

18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Errichtung und Organisation der Finanzmarktaufsichtsbehörde und über die Änderung des Bankwesengesetzes, des Wertpapieraufsichtsgesetzes, des Investmentfondsgesetzes, des Beteiligungsfondsgesetzes, des Sparkassengesetzes, des Bausparkassengesetzes, des Hypothekenbankengesetzes, des Pfandbriefgesetzes, des EGVG, des Börsegesetzes 1989, des Versicherungsaufsichtsgesetzes, des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetzes 1994, des Pensionskassengesetzes, des Kapitalmarktgesetzes, des Handelsgesetzbuches, des Aktiengesetzes, des GmbH-Gesetzes und des Nationalbankgesetzes 1984 (Finanzmarktaufsichtsgesetz – FMAG) (641  und 714/NR sowie 6423/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tagesordnung: Finanzmarktaufsichtsgesetz.

Die Berichterstattung darüber hat Herr Bundesrat Dr. Aspöck übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Dr. Robert Aspöck: Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Titel wurde Ihnen von der Frau Präsidentin bekannt gegeben. Der Text über die Ausschussberatungen liegt Ihnen vor.


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 238

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster hat sich Herr Bundesrat Kraml zu Wort gemeldet. – Bitte.

0.50

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Die Rahmenbedingungen der Finanzmarktaufsicht haben sich in den letzten Jahren geändert. Das Finanzierungsverhalten der Unternehmen und das zunehmende sektorenübergreifende Angebot von Finanzdienstleistungen erfordern auch ein Umdenken in der Finanzmarktaufsicht.

Auch der Rechnungshof hat sich diesbezüglich geäußert. – Die Frage war: Wie erreicht man am besten eine zukunftsorientierte, qualitativ hochwertige und gleichzeitig die kostengünstigste Form der Finanzmarktaufsicht? – Und diesbezüglich schieden sich die Geister.

Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen! Auch wir streben eine einvernehmliche Lösung an. Wir haben aber auch von Anfang an klar gelegt, dass wir für eine unabhängige weisungsfreie und eng mit der Nationalbank verbundene Finanzmarktaufsicht eintreten. Wir haben auch ganz klar gesagt, dass wir gegen die Schaffung einer neuen Behörde sind, die zusätzliches Geld kostet und welche die Kompetenzen der Oesterreichischen Nationalbank beschränkt. Die Notenbank wird so in ihrer Bedeutung geschmälert, und wenn man sich die Angriffe der FPÖ auf die Nationalbank in den letzten Jahren angeschaut hat, dann ist das auch irgendwie klar.

Auch die Europäische Zentralbank ist der Ansicht, dass mit dieser Konstellation die Bedeutung der Nationalbank verkleinert wird.

In der Diskussion hat es immer geheißen, dass Fälle wie jener der Trigon Bank, der Rieger Bank oder vor allem der Bank Burgenland mit einer neuen Konstellation zu verhindern gewesen wären. – Dessen bin ich mir nicht ganz so sicher! Es wird überhaupt nie eine 100-prozentige Sicherheit geben. Da können Sie Kommissionen einsetzen, so viel Sie wollen! Das hat sich auch in der Vergangenheit immer wieder erwiesen.

Meine Damen und Herren! Der Finanzminister will jetzt eine eigene öffentlich-rechtliche Behörde und natürlich auch den Zugriff darauf, auch wenn er das immer wieder in Abrede stellt. Seitens der Regierungsparteien wurde der Opposition immer wieder Gesprächsbereitschaft signalisiert, ohne dass man allerdings auf unsere Vorschläge auch nur im Geringsten eingegangen wäre. Sie waren der Meinung, dass Ihre Vorstellungen die besseren sind, und so haben Sie sich auch verhalten. Letztlich wurde so verhandelt, dass mit Sicherheit keine Zweidrittelmehrheit zu Stande kommen konnte.

Darin haben Sie in der Zwischenzeit einige Übung, wenn man sich die Kommissionen und Behörden anschaut, die Sie in den letzten Wochen und Monaten beschlossen haben.

Meine Damen und Herren! Wir können einer Schwächung der Oesterreichischen Nationalbank durch die Schaffung einer zusätzlichen weisungsgebundenen Kommission in der Finanzmarktaufsicht nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

0.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Maier. – Bitte.

0.53

Bundesrat Dr. Ferdinand Maier (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz ist an sich das Ende einer


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679. Sitzung / Seite 239

unendlichen Geschichte, wenn man das streng nimmt, denn es hat schon mehrere Anläufe in Richtung Zustandebringen einer Finanzmarktaufsicht oder einer Allfinanzaufsicht oder einer ähnlichen Einrichtung gegeben. Diesbezüglich haben schon mehrere Finanzminister der vorherigen Regierungen Versuche unternommen.

Mich wundert es nicht, dass es hier zu keiner einvernehmlichen oder keiner Lösung mit einer Zweidrittelmehrheit gekommen ist. Denn wenn der ehemalige Finanzminister der alten Koalition schon keine vernünftige Regelung betreffend Finanzaufsicht zusammengebracht hat, dann wundert es mich nicht, dass Sie von der Opposition nun alle Tricks anwenden, um jetzt nicht mitgehen zu müssen.

Ich finde, dass es schade ist, dass wir keine unabhängige Behörde zu Stande gebracht haben. Ich glaube aber trotzdem, dass es wichtig ist, dass wir eine derartige und auch im internationalen Vergleich repräsentative Behörde geschaffen haben.

Nur zur Erinnerung: Es gibt eine Reihe von Gründen, die geradezu nach so etwas schreien, ob es sich jetzt um Vorkommnisse der letzten Monate oder Jahre – Trigon Bank, Rieger Bank, Bank Burgenland, Länderbank – oder um schon weiter zurückliegende Fälle wie etwa um die Karibikgeschäfte der BAWAG handelt. (Beifall des Bundesrates Dr. Nittmann. ) Auch da war die Bankenaufsicht gefordert und musste kurz einmal prüfen, und ich glaube, das ist auch nicht unbedingt erfolgreich ausgegangen, wenn man an den Managerwechsel des ehemaligen Generaldirektors Flöttl denkt, der sehr rasch – im hohen Alter allerdings, er war schon weit über 70 und noch in dieser Funktion – und eher unbedankt aus dieser Funktion scheiden musste. Aber auch der Fall Bankhaus Rössler hat nach Bankenaufsicht geschrien, und auch der BHI-Skandal in Graz war ein solcher Fall.

Ich glaube, es ist richtig und gut, dass es zu einer derartigen Allfinanzaufsicht kommt, bei welcher Versicherungen, Banken, Pensionskassen in einem geregelt sind. Ich möchte aber auch betonen, dass wir erwarten, dass in diesem Zusammenhang jetzt auch Synergien geschöpft und die Kosten nicht an jene, die zu prüfen sind, weitergegeben werden, sondern dass der Versuch unternommen wird, wirklich kostengünstigst zu arbeiten und Doppelaufwendungen oder -gleisigkeiten zu vermeiden.

Ich glaube, dass auch die Zusammenarbeit der neuen Behörde mit dem Bundesministerium für Finanzen und der Notenbank ein richtiger Weg ist. Außerdem möchte ich auch darauf hinweisen, dass wir eine Neuregelung betreffend die Haftung der Abschlussprüfer getroffen haben. Wenn Sie die morgigen Zeitungen lesen, dann werden Sie diesen entnehmen, dass im Zusammenhang mit dem BHI-Skandal und der Klage der Sparer, die damals im BHI Skandal betroffen waren, in erster Instanz die Republik als Haftungsträger quasi durch das Urteil festgestellt wurde. Das ist noch nicht rechtskräftig, und man wird noch sehen. Aber das zeigt, wie wichtig es ist, dass man auch die Frage der Bankenprüfer und der Abschlussprüfer neu regelt. Und das ist in diesem Fall geschehen.

Die Debatte im Parlament hat auch dazu geführt, dass man über die Staatskommissäre diskutiert, und ich gebe zu, dass es ein richtiger Weg ist, nach einem Jahr eine Evaluierung der Institution der Staatskommissäre vorzunehmen und zu prüfen, ob es wirklich noch das Zeitgemäßeste ist, Staatskommissäre zu entsenden. – Ich halte der guten Ordnung halber fest: Wir sollten auf dem beharren, was die Diskussion im Nationalrat gebracht hat, nämlich dass nach einem Jahr eine Evaluierung der Staatskommissäre vorgenommen wird, und wenn dem so ist, dann gibt es keinen Anlass, dieser Gesetzesvorlage nicht die Zustimmung zu geben. – Danke vielmals. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

0.58

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Grissemann. – Bitte.

0.58

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ziel des Gegenstandes des vorliegenden


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 240

Tagesordnungspunktes ist die Schaffung einer Finanzmarktaufsichtsbehörde in Form einer öffentlich rechtlichen Anstalt, die in Zukunft diese Aufsichtsfunktion zu erfüllen hat.

Die Bündelung der Kräfte, die Erhöhung des Anforderungsprofils der Prüfer und vor allem deren Qualifikation sowie die Einführung des Rotationsprinzips sind einige Punkte der Änderung. Neu ist auch die Möglichkeit der Beiziehung von externen Experten in Prüfungshandlungen. Die Stärkung der Stellung des Aufsichtsrates von Kreditinstituten ist vorgesehen: Die Möglichkeit zur Unterstützung seiner Überwachungsaufgaben, auch selbst Prüfungen durchführen zu lassen, ist begrüßenswert. Freilich – und das erscheint mir auch wichtig – steigt dadurch auch die Verantwortung dieser Organe. Fälle wie jene der Bank Burgenland – die Vorredner haben bereits darüber gesprochen –, der Rieger Bank oder der Trigon Bank sollten einfach nicht mehr eintreten, und ein heute bekannt gewordenes Urteil erster Instanz – Herr Kollege Maier hat darauf hingewiesen – ist bemerkenswert.

Ich darf nur ganz kurz daraus zitieren: "Die Republik soll für Bankprüfer in Zukunft haften. Die Republik Österreich haftet für Versagen der Bankbilanzprüfer." – Dieses erstaunliche Urteil in erster Instanz gab es nun nach einer Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich nach dem Konkurs der Grazer BHI-Bank. Auch darin erkennen wir, wie wichtig dieses Gesetz ist.

Es wurde auch bereits darauf hingewiesen, ob die so genannten Staatskommissäre im neuen System noch notwendig sind. Schon die Bezeichnung ist antiquiert! Man muss sich das im Mund zergehen lassen: Staatskommissäre! Ob das zeitgemäß ist, wage ich zu bezweifeln, und das sollte in Diskussion bleiben, was auch vorgesehen ist.

Hoher Bundesrat! Im Vorfeld dieses Gesetzes wurde beachtliche parlamentarische Arbeit geleistet. In zahlreichen Ausschusssitzungen und -besprechungen wurde an der Endfassung gefeilt. Herausgekommen ist meiner Meinung nach ein gutes Gesetz, dem meine Fraktion mit gutem Gewissen zustimmen kann. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

1.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär, bitte.

1.00

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Die Aufsicht über das Bank- und Kreditwesen ist eine Kernaufgabe des Staates. Das wird heute auch durch das Gerichtserkenntnis bestätigt. Selbst bei Prüfern, die nicht in unmittelbarem Bestellungsverhältnis zum Finanzminister stehen, wird eine Haftung bejaht; und das beweist es.

Daher war für uns die Grenze einer möglichen Lösung dort, wo es quasi aus dem Verantwortungsbereich eines Ministers hinausgegangen wäre, indem diese Aufgabe praktisch der Notenbank überantwortet worden wäre und der Minister zwar die Ministerverantwortlichkeit zu tragen, aber überhaupt keine Einflussmöglichkeit bei der Bestellung der Organe mehr gehabt hätte. Das war die Grenze, an der wir nicht mehr zustimmen konnten.

Man muss zusätzlich funktionell in Erwägung ziehen, dass in der Notenbank die Banken, also die Geprüften, selbst vertreten sind. Das hieße daher, dass man dem Geprüften das Prüfungsorgan untergeordnet oder zugeordnet hätte. Auch aus dieser Sicht ist das nicht vertretbar.

Außerdem hat die Notenbank bisher überhaupt nichts mit Versicherungsaufsicht oder Pensionskassenaufsicht zu tun gehabt. Man hätte ihr daher fremde Bereiche zugeordnet, an denen sie auch persönlich nie ein Interesse gehabt hat.

Wir haben mit den Sozialdemokraten sehr ernsthaft verhandelt. Wir haben alle gewünschten Unterlagen vorgelegt und Auskunftspersonen eingeladen, wir haben verschiedenste Verhandlungen geführt. Dann haben wir an und für sich den Eindruck gewonnen – und das ist aus der letzten Abstimmung hervorgegangen –, dass von Haus aus nie die Absicht bestanden hat, dieser Lösung zuzustimmen.


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 241

Ich möchte mich vor allem bei den Grünen bedanken. Sie sind nämlich mit unserem Antrag mitgegangen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

1.0


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 242

2

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Ich nehme an, dass auch von der Berichterstattung kein Schlusswort gewünscht wird. – So ist es.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend 1. Euro-Umstellungsgesetz – Bund (621 und 704/NR sowie 6398 und 6424/BR der Beilagen)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Bangladesch über die Förderung und den Schutz von Investitionen (441 und 705/NR sowie 6425/BR der Beilagen)

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen (520 und 706/NR sowie 6426/BR der Beilagen)

22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Haschemitischen Königreich Jordanien über die Förderung und den Schutz von Investitionen (519 und 707/NR sowie 6427/BR der Beilagen)

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Mazedonien über die Förderung und den Schutz von Investitionen (552 und 708/NR sowie 6428/BR der Beilagen)

24. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Sultanats Oman über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (599 und 709/NR sowie 6429/BR der Beilagen)

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Arabischen Republik Ägypten über die Förderung und den Schutz von Investitionen (596 und 710/NR sowie 6430/BR der Beilagen)

26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen (632 und 711/NR sowie 6431/BR der Beilagen)

27. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über einen österreichischen Beitrag zum Treuhandfonds für hochverschuldete arme Länder (HIPC-Trust Fund) (633 und 713/NR sowie 6432/BR der Beilagen)

28. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Veräußerung der Anteile des Bundes an der Österreichischer Bundesverlag Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen und das Bundesgesetz über die Neuregelung der Rechtsstellung des Österreichischen Bundesverlages geändert wird (631 und 703/NR sowie 6433/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 19 bis 28 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

das 1. Euro-Umstellungsgesetz,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Bangladesch über die Förderung und den Schutz von Investitionen,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Haschemitischem Königreich Jordanien über die Förderung und den Schutz von Investitionen,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Mazedonien über die Förderung und den Schutz von Investitionen,

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Sultanats Oman über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen,

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Arabischen Republik Ägypten über die Förderung und den Schutz von Investitionen,

ein Bundesgesetz über den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen,

ein Bundesgesetz über einen österreichischen Beitrag zum Treuhandfonds für hochverschuldete arme Länder und


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 243

ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Veräußerung der Anteile des Bundes an der Österreichischer Bundesverlag Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen und das Bundesgesetz über die Neuregelung der Rechtsstellung des Österreichischen Bundesverlages geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 19 bis 28 hat Herr Bundesrat Dr. Aspöck übernommen. Ich bitte um die Berichte und ersuche darum, diese in einem vorzubringen und sich nur auf die Antragstellung zu beschränken, da wir alle es schriftlich aufliegen haben.

Berichterstatter Dr. Robert Aspöck: Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zum Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend 1. Euro-Umstellungsgesetz – Bund.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 20: Über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Bangladesch über die Förderung und den Schutz von Investitionen liegt Ihnen der Text des Berichtes vor.


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 244

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 21: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 22: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Haschemitischen Königreich Jordanien über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 23: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Mazedonien über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 24: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Sultanats Oman über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 25: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Arabischen Republik Ägypten über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zu Tagesordnungspunkt 26: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 27: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über einen österreichischen Beitrag zum Treuhandfonds für hochverschuldete arme Länder.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Zu Tagesordnungspunkt 28: Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Veräußerung der Anteile des Bundes an der Österreichischer Bundesverlag Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen und das Bundesgesetz über die Neuregelung der Rechtsstellung des Österreichischen Bundesverlages geändert wird.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wortmeldung liegen keine vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen daher zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend das 1. Euro-Umstellungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Bangladesch über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 245

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Haschemitischen Königreich Jordanien über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Mazedonien über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung des Sultanats Oman über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 246

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Arabischen Republik Ägypten über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen mit internationalen Finanzinstitutionen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über einen österreichischen Beitrag zum Treuhandfonds für hochverschuldete arme Länder.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz betreffend die Veräußerung der Anteile des Bundes an der Österreichischer Bundesverlag Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen und das Bundesgesetz über die Neuregelung der Rechtsstellung des Österreichischen Bundesverlages geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

29. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem eine IAF-Service GmbH gegründet wird und das Bundessozialämtergesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, die Konkursordnung und das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert werden (666 und 737/NR sowie 6434/BR der Beilagen)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 247

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Wir gelangen nun zum 29. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem eine IAF-Service GmbH gegründet wird und das Bundessozialämtergesetz, das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, die Konkursordnung und das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ram übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Thomas Ram: Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Der gegenständliche Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für den Bericht.

Es liegen keine Wortmeldungen vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen gleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates ... (Bundesrat Ram begibt sich zu seinem Sitz und lässt sich dort nieder.) Ja, der Herr Kollege sitzt. (Bundesrat Bieringer: Wo? – Weitere Zwischenrufe.)

Entschuldigung, wir sind zwar mitten im Abstimmungsvorgang, aber bei so vorgerückter Zeit sei festgestellt: Es ist natürlich auch so, dass Leute, die "sitzen", im Hof manchmal Runden drehen, und trotzdem glauben all jene, die draußen sind, dass diejenigen drinnen sitzen. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Aber Sie wissen, während der Abstimmung hat der Bundesrat den ihm zugewiesenen Platz einzunehmen. Das war damit gemeint, als ich "der Herr Kollege sitzt" gesagt habe. – Jetzt warten wir natürlich, bis auch die anderen so weit sind. (Bundesrat Dr. Aspöck  – in Richtung der geöffneten Saaltür –: Kommen schon vom Hofgang! – Heiterkeit und Beifall.)

Damit uns aber nichts passiert und alles verfassungsgemäß ordentlich über die Bühne geht, kommen wir jetzt zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

30. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Heimarbeitsgesetz 1960 geändert wird (595 und 735/NR sowie 6435/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 30. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Heimarbeitsgesetz 1960 geändert wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 248

Ich darf wieder Herrn Bundesrat Ram um die Berichterstattung bitten. (Bundesrat Dr. Nittmann: Gib dein Bestes!)

Berichterstatter Thomas Ram: Ich werde mir Mühe geben. – Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Auch dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Mir liegen keine Wortmeldungen vor.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ich werde nunmehr die Sitzung bis heute um 10 Uhr unterbrechen.

Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie gut nach Hause beziehungsweise ins Hotel kommen. Schlafen Sie sich gut aus, wir beginnen erst um 10 Uhr.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 1.23 Uhr unterbrochen und am Freitag, dem 20. Juli 2001, um 10.06 Uhr wieder aufgenommen. )

Fortsetzung am 20. Juli 2001

Präsident Alfred Schöls: Ich nehme die heute um 1.23 Uhr unterbrochene Sitzung wieder auf.

Für heute haben sich die Mitglieder des Bundesrates Theodor Binna und Dipl.-Ing. Hannes Missethon entschuldigt.

31. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Kinderbetreuungsgeldgesetz erlassen wird sowie das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Eltern-Karenzurlaubsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Karenzgeldgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Einkommensteuergesetz 1988, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und die Exekutionsordnung geändert werden (620 und 715/NR sowie 6436/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nun zum 31. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem ein Kinderbetreuungsgeldgesetz erlassen wird sowie das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Mutterschutzgesetz 1979, das Eltern-Karenzurlaubsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Karenzgeldgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Einkommensteuer


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 249

gesetz 1988, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz und die Exekutionsordnung geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Engelbert Weilharter übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Engelbert Weilharter: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen liegt in schriftlicher Form vor. Ich darf mit Ihrem Einverständnis auf einen inhaltlichen Vortrag verzichten und mich auf die Antragstellung beschränken.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Schöls: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz. Ich erteile es ihr.

10.08

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute mit einer Materie, die die Regierung beworben hat – in den Medien, in jedem ihrer Debattenbeiträge, aber auch in allen Wortspenden einzelner Funktionäre, Mandatare, Mandatarinnen der Regierungsparteien wurde dafür Werbung betrieben.

Frau Kollegin Kanovsky-Wintermann hat gestern bei einem anderen Tagesordnungspunkt auch darauf hingewiesen, dass auch die freiheitlichen Frauen wissen, dass die Frauen arbeiten wollen. (Bundesrat Mag. Gudenus: Ist das zu Hause keine Arbeit?) – Herr Kollege! Sparen Sie sich solche Zwischenrufe! (Bundesrat Mag. Gudenus: Das werden Sie mir nicht vorschreiben!) In diesem Zusammenhang reden wir von der außerhäuslichen Tätigkeit und nicht davon, was Frauen gesellschaftlich leisten; zu diesen Leistungen – es ist überflüssig, das extra zu sagen – gehört auch die Hausarbeit. Diese Einstellung vertreten auch wir. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist ein Fortschritt!) – Diese Differenzierungen brauchen Sie daher nicht vorzunehmen!

Zur Klarstellung, falls es noch immer nicht deutlich genug ist: Wir reden hier von der außerhäuslichen Berufstätigkeit, die dann in einer bestimmten Form der Versicherungspflicht unterliegt. Auf diese Zusammenhänge möchte ich ein besonderes Schwergewicht in meinen Ausführungen legen.

Auch wenn ich jetzt davon ausgehe, dass uns sogar in der Einstellung das eine oder andere eint, muss ich leider darauf hinweisen, dass es doch große Unterschiede gibt. Es gibt auch andere Aussagen – nicht nur Ihre, Frau Kollegin, auch Frau Zierler hat darauf hingewiesen –, dass die Existenzsicherung und die Versicherungsleistung für die freiheitlichen Frauen ein besonderes Anliegen sind. Frau Zierler hat sogar – ich kann sie nicht genau zitieren, aber das ist nicht so wichtig – darauf hingewiesen oder behauptet, Frauen könnten sich in der Freiheitlichen Partei durchsetzen. Dazu muss ich sagen: Wenn ich mir die jetzt vorliegende Gesetzesmaterie anschaue, dann bezweifle ich das.

Wenn die Regierung jetzt argumentiert, dass das Kinderbetreuungsgeld für alle gegeben wird, dann ist das bereits die erste Aussage, die schlichtweg nicht stimmt. Das Kinderbetreuungsgeld gibt es in einer Familie mit mehreren Kindern nur für ein Kind.

Wenn die Regierung jetzt behauptet, dass das Kinderbetreuungsgeld ein Beitrag zur Armutsbekämpfung ist beziehungsweise dafür eingesetzt wird, dann ist das die zweite Aussage, die schlichtweg nicht stimmt. Denn 50 Prozent der derzeitigen KarenzgeldbezieherInnen bekommen dann weniger. Sie streichen nämlich im gleichen Atemzug die Familienzuschläge für jene, die mehr Kinder haben.


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Dieses Kinderbetreuungsgeld ist keine Kinderbeihilfe – ich bleibe ganz bewusst bei diesen vielleicht nicht ganz reinen Ausdrücken – und auch kein Karenzgeld. (Bundesrat Weilharter: Nein, das ist es nicht!) Ich könnte mich durchaus dafür erwärmen, wenn genug Geld da wäre, Armutsbekämpfung in dieser Form zu betreiben, einen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation von Familien zu leisten, aber dann müsste es wirklich für jedes Kind zur Verfügung stehen, dann müsste man es in Form einer Kinderbeihilfe oder Familienbeihilfe jedem Kind geben. Dass das aber an die Grenzen der Finanzierung stößt, das sagt Ihnen auch, so glaube ich, Ihr eigener Finanzminister.

Dass es kein Karenzgeld ist, liegt auch klar auf der Hand, weil eine ganz wesentliche Voraussetzung fehlt, zumindest für einen Teil der neuen Leistungsbezieher: die Karenzierung.

Ich stehe nicht an, zuzugeben, dass es unter den neuen Leistungsbezieherinnen – ich sage jetzt einmal Leistungsbezieherinnen, weil die Mehrzahl doch Frauen sein werden – doch eine Gruppe gibt, die durchaus Bedürfnisse hat. Aber dass man einerseits dieses Kinderbetreuungsgeld gießkannenartig über alle Bevölkerungsgruppen verteilt, auch in Bereichen, in denen die soziale Notwendigkeit nicht gegeben ist, andererseits aber gleichzeitig auch die Unfallbesteuerung vornimmt, um die Finanzierung sicherzustellen (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist eine familienpolitische Maßnahme und keine sozialpolitische!), kann ich nicht akzeptieren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bestreite, dass dieses Kinderbetreuungsgeld tatsächlich eine familienpolitische Maßnahme ist, die das bringt, was zumindest nach unserem sozialen Verständnis notwendig wäre, nämlich eine Unterstützung für die Frauen. Das bringt es sicher nicht! Das ist kontraproduktiv. Aber wir haben jetzt ständig damit zu kämpfen – ich möchte nicht sagen, dass wir es zur Kenntnis zu nehmen haben –, dass von dieser Regierung Frauenpolitik nicht mehr gemacht wird. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist ja auch Kindergeld! Es geht ja um das Kind, nicht um die Frauen!)

Herr Kollege! Es geht nicht nur um das Kind, sondern es geht um die Familie, es geht um Frauen, Männer und Kinder, es geht um Eltern. Die Definition dieses Zusammenspiels und der notwendigen Rechte und Bedürfnisse kann die Frauen nicht ausschließen.

Meine Damen und Herren! Ich habe also gesagt: Es ist kein Instrument zur Armutsbekämpfung, es ist kein Instrument zur Vereinbarung von Beruf und Familie, und es ist schon gar kein Instrument dafür, den Kindern verbesserte Chancen zu bieten, denn Kinder werden älter als drei Jahre und brauchen dann auch noch Unterstützung. Wenn ich in Rechnung stelle, was Sie im Bereich der Bildungspolitik tun, dann kann ich nur sagen, dass das keine Verbesserung der Chancen der Kinder bedeutet. (Beifall bei der SPÖ.)

Nun weg von dem, was ich an Kritik übe! Wir haben unsere Kritik im Vorfeld dieser Gesetzwerdung oft genug und eindringlich genug vorgebracht, und ich gehe auch davon aus, dass die Betroffenen sehr schnell merken werden, dass das, was man ihnen versprochen hat, nicht eintritt.

Meine Damen und Herren! Was brauchen Eltern, um ihre familiären Aufgaben erfüllen zu können? – Bitte, wenn ich "Frau" sage, dann meine ich gleichzeitig auch die entsprechenden Männer, Väter, aber anhand der Zahlen wissen wir, dass sie in einer sehr verschwindenden Minderheit an diesen Dingen beteiligt sind, und leider bietet auch dieses Kindergeld keinen Anreiz, diese Situation zu ändern.

Was brauchen also Eltern? – Sie brauchen Zeit für die Periode, in der sie die Betreuung ihrer Kleinkinder zu Hause selbst übernehmen wollen. Wenn Sie hier von Wahlfreiheit sprechen, meine Damen und Herren, dann muss ich sagen, das ist schlichtweg falsch, denn wählen kann ich nur zwischen Alternativen! Wenn ich zwar dazuverdienen kann, aber keine Kinderbetreuung habe, dann kann ich nicht wählen! Und wenn ich eine Kinderbetreuung habe, aber keinen Dienstgeber, der mir die Zuverdienstmöglichkeit bietet, dann kann ich auch nicht wählen! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Schicker: So ist es!)


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Wenn man 200 000 S im Jahr dazuverdienen kann, so bedeutet das für eine Handelsangestellte einen Full-Time-Job (Bundesrätin Haunschmid: "Bis", "bis"!), also ihre volle Arbeitsleistung, und für jene, die gut verdient, ist diese Einkommensgrenze auf Grund der Zeitreduzierung wieder nicht relevant.

Diese Ansätze greifen nicht! Wir brauchen einen  (Bundesrat Dr. Böhm: Und wie war es bisher?) – Herr Kollege, Sie verwechseln hier Äpfel mit Birnen. (Bundesrat Dr. Böhm: Nein, überhaupt nicht!) – Wir waren mit dem, wie es bisher war, auch nicht zufrieden. (Bundesrat Dr. Böhm: Haben Sie es verbessert?) – Es gibt Verbesserungsvorschläge, aber Sie vergessen immer, dass wir in einer Koalition waren, in der es gerade in diesen Dingen ganz gravierende Auffassungsunterschiede gegeben hat. Aber damit genug.

Ich werde Ihnen jetzt das sagen, wovon ich glaube, dass es Eltern brauchen. Sie brauchen für diese Betreuungsphase einen Einkommensersatz, der eine gewisse Existenzsicherung ermöglicht. Sie brauchen die Fortsetzung des Dienstverhältnisses – wir waren uns einig: Männer müssen und Frauen wollen auch. Das können sie aber nur, wenn sie einen entsprechenden Kündigungsschutz haben, nämlich mehr als vier Wochen Kündigungsschutz, und Rechtsansprüche auf diese Dinge. Sie brauchen qualifizierte Wiedereinstiegshilfen, um die veränderten Bedingungen in der Berufswelt dann überhaupt bewältigen zu können. Sie brauchen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das heißt flexible Arbeitszeiten, einen Rechtsanspruch auf flexible Arbeitszeiten. Und sie brauchen Kinderbetreuungseinrichtungen – Kinderbetreuungseinrichtungen, die den Eltern auch das Gefühl geben, dass ihre Kinder gut betreut und nicht nur aufgehoben sind. Wegfall der Kindergartenmilliarde – diese Chance ist weg!

Wir brauchen eben einen Rechtsanspruch auf diese Dinge. All die Notwendigkeiten, die wir, auf Detailfragen eingehend, durchaus auch noch ergänzen könnten, die divergierenden Regelungen, die jetzt zwischen dem Kinderbetreuungsgeld und dem Arbeitsrecht vorhanden sind, werden von Ihnen nicht beachtet. Ich behaupte, das Kinderbetreuungsgeld ist ein plakatives Freikaufen von der Verpflichtung, diese Detailfragen befriedigend zu regeln.

Meine Damen und Herren! Die von mir jetzt geschilderten Notwendigkeiten für Eltern sind mit dem Kinderbetreuungsgeld nicht erfüllt, und deshalb werden wir diesem auch nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.19

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Bundesrätin Margarete Aburumieh. Ich erteile es ihr.

10.20

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Familie ist für uns ÖVP-Frauen nicht plakativ. Für die Familie da zu sein, ist sicherlich kein Freikaufen. Familie ist unbestritten das zentrale Element unserer Gesellschaft. Familie ist das wichtigste Gut, und zweifelsohne – das ist auch gestern genannt worden – kann Generationensolidarität nirgendwo besser gelebt werden als in unseren Familien.

Das sind nur drei der Gründe, warum die Familie ein zentrales Thema der Politik der ÖVP ist, ein zentraler Baustein unserer Arbeit.

Es ist mir klar: Glück in der Familie ist keine Frage des Geldes beziehungsweise nicht allein eine Frage des Geldes, aber es ist immer gut, den finanziellen Polster für Rahmenbedingungen, für finanzielle Grundsicherung, finanzielle Mittel, um sich die Kinderbetreuung überhaupt leisten zu können, zu haben.

Ich freue mich, dass jede Mutter respektive jeder Vater ab 1. Jänner 2002 diese 6 000 S Kindergeld monatlich beziehen wird. (Bundesrätin Kainz: Nicht jeder! Wenn man zwei Kinder hat, gilt das nicht!) Ich freue mich, dass wir eine 20 Jahre lang von uns getragene Forderung "Karenzgeld für alle" im ersten Regierungsjahr einer von einem ÖVP-Bundeskanzler geführten Regierung durchsetzen konnten. (Beifall bei der ÖVP.)


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Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche. Ich bin länger als 20 Jahre ÖVP-Frauenfunktionärin. Kollegin Kainz hat es bestätigt: Wir haben unsere Idee "Karenzgeld für alle" als Partner früherer Regierungen nicht umsetzen können. Daher sind wir jetzt auf diesen Erfolg, der zum Wohle der Familien in diesem Land ist, zugegebenermaßen stolz. (Bundesrätin Schicker: Aber es ist kein Karenzgeld mehr! Das wissen Sie!)

Liebe Frau Kollegin Kainz! Ich weiß das. Vor 20 Jahren – erinnern Sie sich! – hat es "Karenzgeld für alle" geheißen. Es ist mir klar, dass wir heute das Kinderbetreuungsgeld beschließen. (Bundesrätin Kainz: Das ist aber etwas anderes! – Bundesrätin Schicker: Das wissen Sie auch, das ist etwas anderes!) Drei Jahre Kinderbetreuungsgeld für alle wird mit diesem Gesetz Wirklichkeit. Der Anspruch auf dieses Kinderbetreuungsgeld beginnt mit der Geburt, besteht bis einschließlich des 36. Lebensmonats, wobei ein Elternteil maximal 30 Monate, der Zweite sechs Monate anspruchberechtigt ist (Bundesrätin Schicker: Man kann sich ausrechnen, wie viele Väter das in Anspruch nehmen werden!), was bedeutet, dass die Kinderbetreuungszeit bis zu zweimal aufgeteilt werden kann, da die Mindestdauer einer Betreuungsphase drei Monate betragen muss.

Weitere Details wie die Möglichkeit der aufgeschobenen Karenz sind die kleinen Bausteine, die die optimalen Rahmenbedingungen für unsere Familien bilden und Investitionen in die Zukunft sind, denn Erziehung und Betreuung von Kindern sind eine unverzichtbare Leistung der Eltern an die gesamte Gesellschaft.

Wir ÖVP-Politiker zollen dieser Aufgabe nicht nur den nötigen Respekt, die nötige Anerkennung, den notwenigen finanziellen Rahmen, sondern wir verbessern auch die Gesamtsituation. Erstmals gibt es wirklich eine Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung, denn jeder, der Kinderbetreuungsgeld bezieht, kann und darf in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Das war zwar bisher möglich, aber in einem sehr bescheidenen Rahmen: 4 076 S pro Monat oder 48 912 S pro Jahr konnte eine Frau dazuverdienen. (Bundesrätin Kainz: Sie müssen aber einen Arbeitgeber finden, der da mitspielt!) Bei einer Überschreitung riskierte sie allerdings Karenzgeld und Kündigungsschutz.

Mit dem neuen Gesetz kann jener Elternteil, der das Kinderbetreuungsgeld bezieht, 200 000 S brutto pro Jahr dazuverdienen, und damit – dazu stehe ich – wird es vor allem für Frauen einfacher, den Kontakt zur Berufswelt zu halten und nach der Phase der Kinderbetreuung wieder in die Arbeitswelt zurückzukehren. (Bundesrätin Schicker: Frau im Supermarkt überhaupt! Ganz leicht!)

6 000 S Kinderbetreuungsgeld bedeuten gegenüber dem bisherigen Karenzgeld eine monatliche Erhöhung um etwa 5 Prozent, 36 Monate Anspruchsberechtigung, allerdings eine Steigerung um 100 Prozent, nämlich von eineinhalb auf drei Jahre.

6 000 S Kinderbetreuungsgeld sollen aber auch ein Grund dafür sein, um wieder Mut zum Kind, Mut zur Familie zu fassen. Es ist aber vor allem für jene 150 000, die an der Armutsgrenze leben, eine Chance, ihre Familie aus dieser Situation herauszuführen. Der Mut zum Kind darf nicht länger Grund dafür sein, in die Armutsfalle zu tappen. Dazu gibt es eine sehr klare, deutsche Studie, die beweist, dass es nicht die Familienform ist, sondern dass das Kind an sich der Armutsfaktor ist. (Es donnert laut. – Bundesrat Marizzi: Der Himmelvater schimpft schon! – Bundesrätin Schicker: Der Himmelvater schimpft schon!)

Unverständlich ist daher für mich, dass Sie zwar von einer Grundsicherung ohne Leistung sprechen, aber ursprünglich beim Kinderbetreuungsgeld sofort die Hausfrau, die Studentin, die geringfügig Beschäftigte, die Bäuerin ausschließen wollten, dass Sie einen Alternativvorschlag, den Sie angerissen haben, präsentieren, der weder auf eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch auf eine finanzielle und eine arbeitsrechtliche Verbesserung abzielt.

Zur sozialen Notwendigkeit, zum sozialen Verständnis und zur Sorge um unsere Familien haben Sie nicht erst bei diesem Gesetz Ihre Position bekundet. Ich orte weder soziales Verständnis noch Sorge in den Aussagen anderer KollegInnen von Ihnen. (Bundesrätin Schicker:


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Das zeigt die jetzige Bundesregierung, das soziale Verständnis! Tagtäglich! – Bundesrat Kraml: Das haben nur Sie, das soziale Verständnis!)

Barbara Prammer sagt zum Beispiel in den "Oberösterreichischen Nachrichten" 1998 – Zitat –: Wer nicht arbeitet, soll auch kein Karenzgeld beziehen! (Bundesrätin Schicker: Weil es eine Versicherungsleistung ist!)  – Und die SPÖ-Gewerkschafterin Schmidleithner ... (Bundesrätin Kainz: Sie wissen ganz genau, was damit gemeint ist! Wir haben den Hausfrauen noch nie eine Leistung abgesprochen! Wir waschen unser Geschirr auch!)  – Ich verstehe das so, wie es gesagt ist. Es fehlt mir das sozialdemokratische Denken, um zu wissen, wie Sie das interpretieren. Für all jene, die den Ausspruch der Kollegin Schmidleithner nicht kennen, sage ich, sie hat vor einem Jahr gemeint: Karenzgeld für alle ist ein soziales Verbrechen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes, meine Damen und Herren – das wurde von Ihnen in Frage gestellt –, wird ein völlig neuer Grundsatz der Familienpolitik verankert, nämlich dass das Kind mit seinem Bedarf an Betreuung im Mittelpunkt steht. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese sozialpolitische Offensive einer Reformregierung bringt mehr Geld – 6 000 S (Bundesrätin Schicker: Für wen? Für wen mehr Geld?) – , mehr Zeit – bis zu 36 Monate –, mehr Sicherheit – 18 Monate pensionsbegründende Beitragszeiten –, mehr Bezieherinnen und Bezieher, mehr Gestaltungs- und Wahlfreiheit bei der Zuverdienstgrenze und mehr Familienbeihilfe ab dem 3. Lebensjahr.

Niederösterreichische Familien werden in doppelter Hinsicht vom neuen Kindergeld für alle profitieren: zum einen durch die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes auf Bundesebene, und zum anderen wird die niederösterreichische Familienhilfe beibehalten. Das ist ein Sondertopf in der Höhe von 60 Millionen Schilling, der bisher für all jene da war, die keinen Anspruch auf Karenzgeld hatten. Diese 60 Millionen Schilling werden auf Landesebene unseren Familien zugute kommen. (Bundesrat Thumpser: Applaus! – Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

10.29

Präsident Alfred Schöls: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. Ich erteile es ihr.

10.29

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Ich bin als Kärntnerin doppelt so stolz darauf, so glaube ich, bei der Gesetzwerdung dieses für uns eminent wichtigen Themas dabei sein zu können und zu dürfen. Ich werde im Laufe meiner Wortmeldung auch noch im Detail darauf eingehen.

Zunächst einmal kann ich die Worte meiner Vorrednerin durchaus unterstreichen und betonen. Sie hat gemeint, die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft, und ich glaube, dass man dieser Aussage nicht mehr viel hinzufügen kann. Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft und des Staates, und ich meine, dass mit der heutigen Gesetzwerdung etwas völlig Neues passiert. Das hat Professor Schatowitz richtigerweise ausgedrückt. Er spricht von einem Paradigmenwechsel. Ich meine, dass das ein richtiges Wort dafür ist, weil es zeigt, dass es nicht nur um eine Erhöhung des Geldbetrages geht, sondern dass es um eine Strukturveränderung und eine neue Weichenstellung in einer modernen, neuen ÖVP-FPÖ-Familienpolitik geht. (Bundesrätin Schicker: Das haben Sie gestern schon gesagt! Das haben Sie uns gestern erklärt! Wir haben es noch im Ohr!)

Die Frau Kollegin hat schon erklärt, welche Anspruchsvoraussetzungen notwendig sind, um in den Genuss des Kindergeldes zu kommen. Ich werde es daher nicht wiederholen. Die Vorteile muss ich aber wiederholen, weil es einfach Vorteile sind, die auch in Ihren Argumenten eigentlich durch nichts wiederlegt worden sind. (Bundesrätin Schicker: Wir haben es aber noch im Ohr! Wir sind nicht vergesslich! Wir haben es noch im Ohr!)


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Ich habe mich sehr ausführlich mit Ihrer Argumentation beschäftigt, und ich habe mich immer gefragt, ob vielleicht etwas dahinter steckt, ob es vielleicht eine ehrliche Argumentation, eine ehrliche Position ist, aber ich habe nichts gefunden. Sie können daher natürlich auch heute den Verdacht nicht ausräumen, dass Sie nur deshalb eine Kontraposition einnehmen, weil Sie selbst in der Zeit Ihrer Regierung nicht den Mut gehabt haben, eine solche Maßnahme umzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrätin Kainz: Wir haben uns gegen die Weltanschauung nicht durchsetzen können!)

Oder waren Ihnen die Familien nicht so viel wert? – Auch diese Überlegung ist erlaubt. (Bundesrätin Kainz: Wenn ich so empfindlich wäre wie Sie, würde ich sagen, das ist eine bösartige Unterstellung! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wesentlich ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Betreuungsleistung der Eltern erstmalig zumindest teilweise anerkannt und bewertet wird. Es ist völlig richtig, dass es nur teilweise geschieht, denn das, was Familien, was Eltern für Kinder leisten, kann nie und nimmer mit Geldbeträgen aufgewertet und bewertet werden, das ist richtig, aber zumindest eine teilweise Anerkennung ist möglich. Das ist schon ein Zeichen der richtigen Familienpolitik. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Frau Kollegin Kainz behauptet, es sei überhaupt keine Wahlfreiheit gegeben, dann muss ich fragen, ob Sie überhaupt verstehen, was man unter Freiheit und Wahlfreiheit versteht. (Bundesrätin Schicker: Sie werden es uns aber jetzt erklären, Frau Kollegin! Wir verstehen es nicht! Sie werden es uns jetzt erklären!)

Freiheit heißt nicht nur Redefreiheit, Freiheit heißt, dass man im Rahmen eines bestimmten Verantwortungsbereiches die Möglichkeit hat (Bundesrätin Kainz: Den hat ein unselbständig Erwerbstätiger!), mehrere Alternativen, sofern diese vorhanden sind, wahrzunehmen. (Bundesrat Konecny: Sofern Sie vorhanden sind!) – Diese sind vorhanden! Sie sind vorhanden, denn Sie können heute als Bezieherin des Kindergeldes durchaus die Möglichkeit wahrnehmen, den Beruf weiter auszuüben und ein Kind in eine Betreuung zu geben, zum Beispiel in einen Kindergarten, in eine Kinderkrippe, aber es gibt auch viele andere: Es gibt Tagesmütter, es gibt aber auch die Omi, es gibt eine Tante. (Bundesrätin Schicker: Es gibt Omis, die arbeiten!) Es gibt verschiedene Möglichkeiten, und das verstehen wir unter Wahlfreiheit! Es ist nicht eine Maßnahme für alle Frauen über den Kamm geschoren das Beste, sondern die Frauen sollen sich selbst ihr Lebensziel und ihren Lebensweg aussuchen dürfen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zur Zuverdienstmöglichkeit: Ich verstehe nicht, dass Sie die Unverfrorenheit haben, zu sagen (Bundesrat Konecny: Bitte, Frau Kollegin! – Bundesrätin Schicker: Ich frage mich, wer da unverfroren ist in diesem Hause!), das gibt es gar nicht, oder das ist nicht besser geworden. – Natürlich ist es besser geworden! Ich gebe Ihnen schon Recht: Wir könnten die Zuverdienstmöglichkeiten noch mehr erhöhen, aber im Gegensatz zu Ihren Maßnahmen ist das schon eine bedeutende Verbesserung für Frauen, zusätzlich zu ihrer Betreuungstätigkeit auch noch eine Teilzeit- oder eine Ganzzeitarbeit anzunehmen. (Bundesrätin Kainz: Dann brauche ich einen Rechtsanspruch auf diese Teilzeit! Dann gebe ich Ihnen Recht!)

Weiters möchte ich noch auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hinweisen, und ich werde Ihnen am Beispiel Kärnten erläutern, dass das durchaus möglich ist. (Bundesrätin Schicker: Das haben wir auch gestern schon gehört!)  – Ich weiß, das hören Sie nicht gerne (Bundesrat Konecny: Oja! Wenn Sie sich in einen Wirbel hineinreden, hören wir das sehr gerne!), aber Kärnten ist eben in vielen Bereichen ein Vorreiter, und das tut Ihnen eben weh und ist ein Stachel in Ihrem sozialdemokratischen Fleisch. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Personenkreis der Bezugsberechtigten wird erweitert. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diesbezüglich verstehe ich auch die Argumentation der Frau Kollegin Kainz überhaupt nicht, wenn sie offenbar etwas dagegen hat, dass einmal eine Bergbäuerin ein Kindergeld bekommt (Bundesrätin Schicker: Von den Bergbäuerinnen reden wir eh nicht!), dass eine Studentin ein Kindergeld bekommt, dass eine geringfügig beschäftigte Frau ein Kindergeld


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bekommt. Sind Sie dagegen, dass solche Frauen Kindergeld bekommen? (Bundesrätin Kainz: Nein, sind wir nicht!)  – Wir nicht, wir stehen zu einer Kinderpolitik, zu einer Familienpolitik, die eben auch diese in früheren Zeiten benachteiligten Frauengruppen heute mit einschließt. Es soll nicht Frauen in zwei Klassen geben, sondern alle Frauen sollen – vor allem, wenn sie es brauchen – gleich behandelt werden. (Zwischenruf bei der SPÖ: Das passiert aber in dem Fall nicht!)

Die Kaufkrafterhöhung ist ein Punkt, der vielleicht familienpolitisch nicht so relevant ist, aber ökonomisch eine Rolle spielt. (Bundesrat Kraml: Das haben Sie uns gestern schon gesagt!) Ich werde Ihnen anhand des Kärntner Beispiels beweisen, dass sich die Kaufkraft vor allem auch in den ländlichen Gemeinden – so wie wir das gestern auch zu einem anderen Thema besprochen haben – verdoppelt, ja teilweise verdreifacht hat (Bundesrat Kraml: Das glauben Sie selbst nicht!), und zwar genau bei diesen Familien, die das Kindergeld bekommen haben, und das ist mehr als die Hälfte von jenen Familien, die nicht über ein hohes Einkommen verfügen. (Bundesrätin Schicker: Und die Geburtenrate hat sich schlagartig geändert!) – Ich werde Ihnen das Beispiel bringen! Danke, dass Sie mir das Hölzerl werfen. Selbstverständlich werde ich Ihnen das sagen. (Bundesrätin Schicker: Deutsch Griffen! Volkszählung Deutsch Griffen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – In Deutsch Griffen und in Feistritz, genau.

Zu den pensionsbegründenden Beitragszeiten: Ich glaube, es muss doch von uns allen ein Wunsch sein – von allen Frauen, egal in welcher Fraktion sie tätig sind, egal ob sie Unternehmer sind, ob sie in der Gewerkschaft oder im Arbeitnehmerbereich tätig sind –, dass erstmalig 18 Monate pensionsbegründende Zeiten geschaffen werden. Ich glaube, das ist etwas ganz Wesentliches. Ich bedanke mich bei unserer Regierung dafür, dass sie gesehen hat, wie wertvoll diese Kindererziehung ist, und den Frauen auch die Chance gibt, ihre eigene Pension zu bekommen und die entsprechenden Monate im Zusammenhang mit diesen 18 Monaten zu erwerben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Im Gegensatz zu Frau Kainz bin ich sehr wohl der Meinung, dass es unter anderem auch ein Instrumentarium zur Armutsbekämpfung ist. Ich nenne Ihnen wieder Beispiele: Wir haben in Kärnten, wie Sie wissen, das Kindergeld bereits eingeführt. Da kann ich nachweisen, dass früher gerade Alleinverdiener, für die Sie sich immer einzusetzen vorgeben, zuerst 8 000 S bekommen haben – soviel betrug damals diese Notstandshilfe, nämlich etwa 8 000 S, 9 000 S –, und jetzt bekommen sie zirka 12 000 S. Ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie sagen, auch 12 000 S sind nicht das Gelbe vom Ei, aber vielleicht könnten wir schauen, dass es noch ein bisschen mehr wird. Da gebe ich Ihnen Recht. Aber es ist besser als die Regelung, die früher war. (Bundesrat Dr. Böhm: Kein Vergleich!) – Im Vergleich. Das ist eine prozentmäßige Steigerung. (Bundesrat Konecny: Sie haben ihn missverstanden! Er hat gesagt: kein Vergleich!)

Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, dass es eine neue Qualität der Familienförderung möglich macht, dass Leistungen innerhalb der Familie erstmalig wieder anerkannt werden, dass auch die Solidarität innerhalb der Familie damit wieder gefördert wird. Das ist etwas ganz Wichtiges, nicht nur gegenüber Kindern, sondern auch gegenüber älteren Menschen. Ich glaube, der Familienverband und die Leistungen, die darin erbracht werden, sind ungeheuer wichtig für den Staat, für die Gesellschaft und für unsere zukünftige Generation. Das ist ein großer Schritt, diesen Paradigmenwechsel, der von Herrn Professor Schatowitz richtigerweise so bezeichnet wurde, zu forcieren.

Die Wahlfreiheit wird tatsächlich erstmalig für die Frauen ermöglicht. Wie war es denn früher? – Früher konnte man nur in Karenz gehen oder einen Beruf ausüben. Es hat keine Möglichkeit dazwischen gegeben. (Bundesrätin Kainz: Es gibt eh jetzt auch keine andere Möglichkeit!) – Es gibt schon Möglichkeiten, es gibt genug Möglichkeiten! (Bundesrätin Schicker: Es hat eine Teilzeitkarenz gegeben! Die gibt es jetzt auch nicht mehr!)

Ich möchte dazusagen, dass ich auch froh bin, dass wir, obwohl das Kindergeld einen Quantensprung darstellt, auch noch zusätzliche familienpolitische Leistungen ins Auge fassen. Das halte ich auch für wichtig. Ich habe das gestern schon gesagt. Es ist wichtig, dass Frauen, die nach dieser Betreuungszeit arbeiten wollen oder vielleicht dazwischen eine Teilzeitarbeit


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haben und dann einen neuen Beruf anstreben – wie auch immer –, flankierende Maßnahmen bekommen.

Ich freue mich, dass es Bundesminister Haupt im Zusammenhang mit dem AMS gelungen ist, neue Kurse und Geldmittel für diese flankierenden Maßnahmen vorzusehen. Er wird das wahrscheinlich noch selbst erklären, aber es ist ganz wichtig, dass es das gibt, weil ich auch weiß – das habe ich Ihnen bereits gesagt, aber das soll nicht verdreht wiedergegeben werden –, dass wir Erhebungen in Deutsch Griffen und in Feistritz gemacht haben. Professor Schatowitz hat das gemacht, die begleitende Kontrolle ist bei den Pilotprojekten durchgeführt worden.

Sie haben unter anderem festgestellt, dass sich die Kaufkraft erhöht hat, dass die Armut verringert wurde, dass Frauen durch dieses Kindergeld aber nicht in diese Situation gekommen sind, dass sie, wenn sie früher berufstätig waren, gesagt haben: Jetzt gehe ich nie mehr in den Beruf zurück!, sondern sie haben gesagt: Das ist eine wunderbare Zeit, das taugt mir, dass ich Geld dafür bekomme, aber ich bin durchaus bereit, nach einer bestimmten Zeit wieder ins Erwerbsleben einzusteigen! – Das habe ich gesagt.

Das heißt also, diese flankierenden Maßnahmen sind notwendig. Ich freue mich auch, dass Kollege Haupt erkennt, dass die Kindergartenplätze etwas besonders Wichtiges sind. Während Ihrer Zeit ist schon immer in den Berichten gestanden, dass die Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen völlig antiquiert und nicht den modernen Dienstverhältnissen angepasst sind. Er wird jetzt Geld zur Verbesserung dieser Institutionen zur Verfügung stellen. Das heißt, jene Kindergärten, die flexible Öffnungszeiten haben, die auch einmal am Wochenende offen haben oder die eine Betreuung während der Ferienzeiten zusichern, weil das oft ein großes Problem für die Mütter darstellt, werden zusätzliches Geld bekommen.

Die Wiedereinstiegshilfen habe ich bereits genannt.

Dieses Modell des Kindergeldes wäre aber nicht möglich, wenn es keinen freiheitlichen Landeshauptmann gäbe, das möchte ich schon einmal sagen. Das gehört dazu. (Bundesrätin Schicker: Das gehört dazu, ganz klar!) – Ich habe gewusst, dass es Ihnen nicht passt, aber ich kann nichts dafür (Bundesrat Kraml: Sie können wirklich nichts dafür!), ich habe sogar Dokumente und Unterlagen, die das bestätigen. Das ist nicht meine Meinung, sondern das wird auch von anderen, von Wissenschaftlern bestätigt. (Bundesrätin Schicker: Die Meinung des Landeshauptmannes! Das wissen wir, die Meinung des Landeshauptmannes! Sie haben keine Meinung!)

Wir haben immerhin schon 1999 Pilotprojekte in Deutsch Griffen und in Feistritz gemacht, und seit 2001 – das sei für diejenigen, die es noch nicht wissen, noch einmal gesagt (Bundesrätin Schicker: Ein Mal möchte ich es noch hören!) – gibt es das Kindergeld in Kärnten. Die Ergebnisse habe ich Ihnen bereits gesagt. (Bundesrätin Schicker: Noch einmal bitte!) Erstens: Armutsverringerung, zweitens: hohe Zufriedenheit der Frauen. Vielleicht darf ich Ihnen das Ergebnis auch noch einmal zur Kenntnis bringen: Von 100 Prozent haben 98 Prozent der befragten Bezieher dieses Kindergeldes eine besonders hohe Zufriedenheit ausgedrückt. Weiters will ich Ihnen noch sagen, dass Kärnten diesbezüglich der absolute Vorreiter war.

Ich freue mich aber, dass der Bund jetzt entsprechend bundesweite Maßnahmen gesetzt hat. (Bundesrätin Schicker: Der Aufstieg ist vorprogrammiert!) Ich muss nur eines sagen, ohne jetzt selbst polemisch zu werden, weil wir gesagt haben, wir wollen heute eine sachliche Diskussion führen (Bundesrätin Schicker: Jetzt haben Sie sich widersprochen!): Wenn ich höre und lese, dass unsere Landesrätin Schaunig-Kandut in Kärnten am 7. März gesagt hat, dass das Kindergeld nichts anderes als ein Schmerzensgeld für erlittene Dauerschäden für die Familien sei (Zwischenrufe bei der ÖVP – Bundesrätin Schicker: Da muss sie sich etwas dabei gedacht haben!), dann muss ich schon fragen: Welche Art von Familienpolitik wird von euch Sozialdemokraten gelebt? – Das kann doch nicht Ernst sein. (Bundesrat Konecny: Das ist eine Unterstellung!) Das ist eine sehr zynische und menschenverachtende Äußerung gegenüber den Frauen, die Kinder haben. (Bundesrat Dr. Böhm: Von Frau Prammer gibt es noch Schlimmere!) – Ja, ich habe einige da, aber ich will sie gar nicht mehr wiederholen.


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Ich möchte noch etwas feststellen. (Bundesrat Kone
cny: Sie könnten doch einmal einen wahren Satz sagen!) Wollen Sie, dass ich die Bemerkungen von Frau Prammer wiederhole? – Das ist Ihnen jetzt peinlich. (Bundesrätin Schicker: Nein, Deutsch Griffen möchte ich noch einmal hören!) Frau Barbara Prammer – ich wollte es nicht sagen, aber ich wurde dazu aufgefordert – hat das Karenzgeld für alle als eine besondere Schrecklichkeit bezeichnet. (Bundesrätin Schicker: Ich möchte wissen, wo Deutsch Griffen liegt!) Frau Barbara Prammer hat anlässlich einer Tagung wörtlich gesagt: Ich bin gegen das Kindergeld für alle, auch wenn es den Frauen nützt. Ich habe mir dieses Zitat gemerkt. Sie hat wörtlich gesagt: Ich bin gegen das Kindergeld für alle, auch wenn es den Frauen nützt. (Bundesrat Konecny: Das hat sie nicht gesagt!)

Wofür machen Sie denn diese Politik, wenn nicht für die Frauen?! (Bundesrätin Kainz: Das ist alles aus dem Zusammenhang gerissen!) – Noch immer sind die Frauen diejenigen, die euch wählen. Man kann doch nicht Politik gegen Menschen, gegen Frauen machen. Das ist für mich unverständlich! (Bundesrat Dr. Böhm: Für Frauen, die geworfen haben!)

Ich kann natürlich noch weitere Zitate bringen, wenn Sie wollen. (Bundesrat Konecny: Nein, Sie könnten einmal etwas sagen!) Frau Schmidleithner zum Beispiel nennt das Karenzgeld ein soziales Verbrechen und so weiter.

Ich sage jetzt noch etwas: Ich wundere mich, warum eigentlich die Sozialdemokratie in Deutschland auch im Vordenken schon ein bisschen weiter ist als die österreichische Sozialdemokratie, denn es gibt eindeutige Äußerungen vom sozialdemokratischen Kanzler Schröder, der diesem Kindergeld durchaus einiges abgewinnen kann. Er sagt: Das Kindergeld als Leistungsabgeltung der Gesellschaft für Kindeseltern ist der richtige Ansatz.

Schauen Sie sich bei anderen Sozialdemokraten, die vordenken (Bundesrat Reisenberger: Grundvoraussetzungen vergleichen in Deutschland und in Österreich!), ein bisschen etwas ab, und überlegen Sie noch einmal, ob Sie nicht doch jetzt in diesem Rahmen diesem Meilenstein in der Familienpolitik die Zustimmung geben können! Erinnern Sie sich bitte daran, dass schon Pestalozzi den Menschen in den Mittelpunkt gestellt und gesagt hat: Man kann als Staat nicht gegen den Menschen entscheiden, sondern wir wollen die Vermenschlichung des Staates. Der Mensch muss wieder in den Mittelpunkt gerückt werden. (Bundesrat Winter: Nein, geh bitte!)

Ich darf noch etwas ergänzen: Es gibt im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch bei den familien- und personenrechtlichen Paragraphen einen wesentlichen Kernsatz (Bundesrat Winter: Die ist schlechter als Waldhäusl!): Das Wohl des Kindes muss in den Mittelpunkt gestellt werden. – Ich sehe, dass diese Bundesregierung mit dieser familienpolitischen Maßnahme einen Quantensprung in Richtung einer neuen Familien- und Sozialpolitik Österreichs gesetzt hat, bei der das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt gerückt wird. – Ich danke für das Zuhören. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.46

Präsident Alfred Schöls: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile ihr dieses.

10.47

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Herr Frauenminister! Ich hoffe, Sie hatten einen guten Flug, Herr Minister! Wir haben extra unsere Sitzung so angelegt, dass wir Sie heute hier haben können. (Bundesminister Mag. Haupt: Danke!) Sie hatten auch kein Gewitter. Das hat erst jetzt eingesetzt, nachdem wir begonnen haben, über das Kinderbetreuungsgeld zu diskutieren. (Bundesminister Mag. Haupt: Mit Blitz und Donner erschienen!) Ich werde Sie nicht mit Wiederholungen belästigen, das hat meine Vorrednerin schon gemacht. Wir haben es gestern schon gehört, wir haben es heute fünfmal gehört (Beifall bei der SPÖ), aber wahrscheinlich ist es in Kärnten notwendig, es so oft zu wiederholen, bis es alle glauben. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Fünfmal muss sie es euch sagen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde Punkt für Punkt unsere Position durchgehen, aber ohne Wiederholungen zu erwähnen, das verspreche


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ich Ihnen. Das so genannte Kinderbetreuungsgeld wird also heute mit den Stimmen der Regierungsparteien beschlossen werden. Herr Bundesminister! Herr Frauenminister! Unsere schlimmsten Befürchtungen sind leider wahr geworden, denn aus unserer Sicht werden Mütter dadurch wirklich an den Herd zurückgedrängt. (Bundesrat Dr. Böhm: Es ist doch keine Rede davon!)

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird erschwert, Herr Professor Böhm! Die Interessen der Kinder wurden nicht berücksichtigt. Wissen Sie, was Kinder brauchen? – Sie brauchen ihre Eltern. (Bundesrat Dr. Böhm: Richtig! Das war bei Ihnen nicht möglich!) Sie brauchen ihre Eltern, die über ausreichend Zeit verfügen, und dazu gehört vieles. (Beifall bei der ÖVP.) Dazu gehört nicht nur Geld, sondern dazu gehören auch qualifizierte Kinderbetreuungseinrichtungen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. ) – Herr Kollege Himmer! Haben Sie schon Kinder? (Bundesrat Mag. Himmer: Ja!) – Wie betreuen Sie Ihre Kinder? Sind Sie auch selbst sehr viel dabei? (Bundesrat Mag. Himmer: Ja!) – Wahrscheinlich nicht, weil Sie keine entsprechenden Arbeitszeiten haben. (Bundesrat Mag. Himmer: Ich bin dann zu Wort gemeldet, ich erzähle es Ihnen dann!)

Ich denke mir, zur Betreuung von Kindern durch Mütter und Väter gehören familienfreundliche Arbeitszeiten. Da bin ich auch bei den Vätern, bei der Pflicht der Väter, denn wir haben keine familienfreundlichen Arbeitszeiten. Auch das gehört dazu. – Das heißt, keine dieser Standards werden durch das neue Kinderbetreuungsgeld erreicht.

Dass das Karenzgeld als Versicherungsleistung ersatzlos abgeschafft worden ist, hat Kollegin Kainz bereits gesagt. Dafür bekommen alle Mütter, die brav zu Hause bleiben, das neue Kinderbetreuungsgeld. (Bundesrat Dr. Böhm: Auch Väter!) Die Bezeichnung ist eigentlich verwirrend, denn mit Kinderbetreuung hat diese Leistung wenig zu tun. Der Bezug des Kindergeldes ist nämlich nicht mehr an die überwiegende Selbstbetreuung des Kindes gebunden, was durch das Karenzgeld sehr wohl gegeben war.

Aus dem Einkommensersatz, um eine Zeit lang beim Kind zu Hause zu bleiben, wurde eine vom Erwerb unabhängige Familienleistung – da müssen Sie mir Recht geben. Was Frauen aber wirklich wollen, Herr Bundesminister, haben Sie nicht erkannt beziehungsweise haben Sie es in diesem Gesetz in keiner Weise umgesetzt. Frauen wollen nicht vor die Initiative gestellt werden, Kind oder Job, Frauen wollen beides: Kind, Familie und Job. (Bundesrat Dr. Böhm: Das geht ja jetzt!) Diese gewünschte Vereinbarung von Beruf und Familie wird mit dem neuen Kinderbetreuungsgesetz in keinster Weise gewährleistet.

Ich erinnere daran, dass auch das praktische Aus der Teilkarenz diese Vereinbarkeit zusehends verschlechtert. Gering qualifizierte Frauen werden vom Arbeitgeber genauso vor die Wahl gestellt werden wie auch gutverdienende Frauen: Entweder sie erfüllen ihre Arbeitszeit, wie ich es als Unternehmer fordere, oder sie müssen zu Hause bleiben. – Die Wahlfreiheit ist nicht so, wie Sie es sich vorstellen. Es gibt sicher auch Arbeitnehmer, mit denen man es sich vereinbaren kann, ich bin sicher, es gibt solche, aber der Großteil der Arbeitgeber, Herr Bundesminister, gibt den Frauen diese Wahlfreiheit nicht. Ich denke diesbezüglich vor allem an die im Handel beschäftigten Frauen. Ich bin mit diesen Frauen, die es wirklich nicht leicht haben, sehr viel in Kontakt. Das heißt also, es gibt nur eines: entweder voll weiterarbeiten oder ganz aus dem Beruf aussteigen.

Ein weiterer Kritikpunkt unsererseits, den ich hier ansprechen möchte und auf den Kollegin Kainz bereits verwiesen hat, ist (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Sie wiederholen auch!): Ein Großteil der Karenzgeldbezieherinnen bekommt jetzt weniger als vorher, insbesondere jene, die mehr als ein Kind haben. Das muss Ihnen klar sein, und das müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen. Sie bekommen weniger, weil die Familienzuschläge reduziert werden beziehungsweise weggefallen sind. Ich denke mir, es ist nicht sehr seriös, Herr Bundesminister, diesen Frauen vorzumachen, dieses neue Kinderbetreuungsgeld sei ein finanzieller Zugewinn. Das trifft nicht auf alle Frauen zu. Die Verlierer sind, wie gesagt, Familien mit zwei und mehr Kindern, Alleinerzieherfamilien, Familien von Arbeitslosen und auch mit kranken Familienmitgliedern.


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Nächster Negativpunkt: der mangelnde Kündigungsschutz. Die Verlängerung der Kinderpause ohne eine entsprechende Adaptierung der arbeitsrechtlichen Absicherung führt zwangsläufig zu mehr Schwierigkeiten, wieder Anschluss an den Beruf zu finden. Das Kindergeld ist für uns eine Einbahnstraße. An Maßnahmen zum Wiedereinstieg wurde nicht gedacht, sie sind nicht vorhanden und auch nicht geplant.

Dieses neue Kinderbetreuungsgeld bedeutet aber auch zwangsläufig das Ende der Väterkarenz. Vor allem durch die Einführung dieser Zuverdienstgrenze und die Änderungen beim Kündigungsschutz wird der Vater nach zweieinhalb oder drei Jahren die sechs Monate nicht in Anspruch nehmen. Glauben Sie, dass ein Vater ohne Kündigungsschutz dieses halbe Jahr Karenzzeit in Anspruch nehmen wird? Wer kann sich auf solch ein Risiko einlassen? (Bundesrat Dr. Böhm: Stimmt so nicht!)

Darum sage ich: Durch die Zuverdienstgrenze und die Änderungen beim Kündigungsschutz wird es Vätern künftig erschwert, sich Zeit für ihre Kinder zu nehmen. Im Niedriglohnbereich wird zwar eventuell die Anzahl der Männer, die diese Leistung beziehen, steigen, aber sicher nicht aus dem einzigen Grund beim Kind zu Hause zu bleiben, sondern deshalb, weil sie im Beruf, im Niedriglohnbereich, auch nicht viel mehr verdient haben.

Schon jetzt sind nur 2 Prozent der Väter in Karenz gegangen. Auch in Zukunft werden sie keine Chance erhalten, in den ersten Lebensjahren intensiv an der Entwicklung ihres Kindes teilzunehmen. Das würde nämlich nur ein einkommensabhängiges Karenzgeld ermöglichen, das wir Sozialdemokratinnen schon immer gefordert haben und das auch vor einigen Jahren eine große Forderung im Frauenvolksbegehren war. (Bundesrat Dr. Böhm: Sie sagen doch, jedes Kind ist Ihnen gleich viel wert!)

Das Karenzgeld ist kein Kindergeld. (Bundesrat Dr. Böhm: Selbstverständlich, aber selbstverständlich!) – Das Karenzgeld ist Geld für eine Karenzierung, also für eine Zeit, in der man nicht arbeitet. Herr Professor Böhm! Das brauche ich Ihnen nicht zu erklären. (Bundesrat Dr. Böhm: Nein, es ist kein Karenzgeld!) Aber selbst bei führenden ÖVP-Politikern führte dieses neue Kinderbetreuungsgeld zu negativen Wortmeldungen. Ich habe mich sehr gewundert, dass unter anderem Finanzlandesrat Paierl aus der Steiermark meinte: Wer glaubt, dass mit dem Kindergeld wieder mehr Kinder in Österreich geboren werden, ist auf dem Holzweg. – So sagt man in der Steiermark. Ich bin ausnahmsweise ganz seiner Meinung.

Meine Damen und Herren! Eine höhere Geburtenrate haben nämlich gerade jene Länder zu verzeichnen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch eine flächendeckende Kinderbetreuung gewährleisten. Die Kindergarten-Milliarde wurde auch nicht mehr verlängert, die wir eingeführt haben, um den Ländern zu helfen, mehr Kinderbetreuungseinrichtungen zu errichten. Das ist Sache der Länder, das weiß ich, Herr Bundesminister, aber damit seitens des Bundes mehr Druck gemacht werden kann, haben wir den Ländern und Gemeinden diese Kindergarten-Milliarde beziehungsweise zweimal 600 Millionen Schilling dafür gewährt. Nachdem diese flächendeckende Kinderbetreuung nicht so gewährleistet werden kann, ist auch mit einer höheren Geburtenrate nicht zu rechnen. Nur dort, wo es diese flächendeckende Kinderbetreuung gibt, nämlich in den nordischen Ländern wie zum Beispiel in Schweden und Dänemark, gibt es eine höhere Geburtenrate. (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. ) – Ich weiß, ich denke mir, in Deutsch Griffen ist die Geburtenrate auf das Doppelte gestiegen. (Bundesrat Kraml: Deutsch Griffen ist in Österreich!)

Ich möchte noch auf andere Ungerechtigkeiten hinweisen, Herr Bundesminister! Ohne dass ich den Bäuerinnen dieses Kinderbetreuungsgeld neidisch bin, muss ich sagen, dass es auch da Ungerechtigkeiten gibt. Bäuerinnen bekommen das Kinderbetreuungsgeld neben der Betriebshilfe. Selbständige bekommen die Teilzeitbeihilfe zugleich mit dem Kinderbetreuungsgeld. Unselbständig Beschäftigte bekommen das Kinderbetreuungsgeld nach dem Wochengeld, für das auch eingezahlt worden ist – das möchte ich nur dazu sagen. Das ist eine Ungerechtigkeit, die ich nicht nachvollziehen kann.


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Sehr geehrter Herr Frauenminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetz haben Sie den Frauen gezeigt, wo sie hingehören, nämlich zum Herd. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.56

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Mag. Haupt. Ich erteile es ihm.

10.57

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, die Diskussion um das Kinderbetreuungsgeld verläuft im Bundesrat in ähnlicher Art und Weise wie im österreichischen Nationalrat. Daher scheint es mir ebenfalls notwendig zu sein, darauf hinzuweisen, dass es unrichtig ist, dass diese Bundesregierung die Kindergarten-Milliarde abgeschafft hat. Ich darf Sie schon darauf hinweisen, dass die alte Bundesregierung ausschließlich für zwei Jahre und für kein weiteres Jahr (Bundesrätin Schicker: Ich habe gesagt: nicht weitergeführt!) die Kindergarten-Milliarde vorgesehen hat, sonst hätte die alte Bundesregierung bereits für das Budget 2000 entsprechende Vorkehrungen für die Kindergarten-Milliarde treffen müssen. (Bundesrätin Kainz: Unkorrekte Ausdruckweise, gebe ich zu!)

Ich darf Sie daher bitten, in der Öffentlichkeit nicht immer diese unrichtige Behauptung zu wiederholen und die Österreicherinnen und Österreicher nicht zusätzlich zu verunsichern. Diese Bundesregierung hat nicht die Kindergarten-Milliarde beendet, sondern die Bundesregierung, die unter der Führung der Sozialdemokraten gestanden ist, hat für das Jahr 2000 keine Vorkehrungen für die Kindergarten-Milliarde getroffen. Das muss einmal klar gesagt werden.

Die verfassungsmäßige Lage haben Sie ohnehin in Ihrer Rede skizziert, und ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass im heurigen Jahr von meinem Haus und von Herrn Kollegen Bartenstein insgesamt 250 Millionen Schilling für eine Verbesserung der Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen, um sie berufskonform zu gestalten, aufgewendet werden. Ich darf auch darauf hinweisen, dass das im Verhältnis zu dem, was in der Kindergarten-Milliarde für den Neubau von Kindergartenplätzen vorgesehen ist, zumindest ein Drittel der alten Summe ist, die nun für eine familienfreundliche Öffnung von Kinderbetreuungseinrichtungen verwendet wird.

Sehr geehrte Frau Kollegin! Gerade vor zwei Tagen sind die letzten demoskopischen Entwicklungen publiziert worden, aus denen klar und deutlich hervorgeht, dass das Bundesland Kärnten mit dem schon funktionierenden Kinderbetreuungsgeld bei der Geburtenrate im Jahre 2000 deutlich besser abschneidet als die anderen Bundesländer. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich glaube daher, dass wir erst dann, wenn das Kinderbetreuungsgeld in Österreich flächendeckend eingeführt sein wird, insgesamt beobachten werden können, ob auch ein bevölkerungspolitischer Effekt damit erzielt wird oder ob die leider sehr geringe Anzahl von 78 000 und 79 000 Geburten der letzten beiden Jahre perpetuiert wird.

Ich darf Sie aber auch darauf hinweisen, dass das alte Modell des Karenzgeldes für die Frauen bedeutend schlechter war. Die Zuverdienstgrenze betrug nach dem aktuellen Stand mit der Geringsfügigkeitsgrenze 4 069 S. Mit den nunmehr 200 000 S wird dies vervierfacht.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass es während des Karenzgeldbezuges verboten war, über diese Grenze dazu zu verdienen, dass es verboten war, Fort- und Weiterbildung zu betreiben, weil das Geld ausschließlich nur dann ausgezahlt worden ist, wenn man nicht für die Arbeitswelt zur Verfügung gestanden ist. Ich darf darauf hinweisen, dass beim neuen Kinderbetreuungsgeld für die Frauen Weiterbildungen, Fortbildungen, berufsspezifische Fortbildungen im Anschluss an die Kinderpause, die gewünscht ist, vom Arbeitsmarktservice zur Verfügung gestellt werden.

Ich darf Sie schon noch darauf hinweisen, dass der Kündigungsschutz von 24 Monaten völlig unverändert geblieben ist. Weiters darf ich Sie darauf hinweisen, dass auch für den Mann in einer Partnerschaft, wenn er sich entschließt, die Kinderbetreuung als primäre Aufgabe in der


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Partnerschaft für sechs Monate zu übernehmen, während dieser Zeit der Kündigungsschutz gilt. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen und hier nicht zu behaupten (Bundesrätin Schicker: Aber nur innerhalb der 24 Monate!), dass in dieser Zeit, in der der Partner die Kinderbetreuung übernimmt, für ihn kein Kündigungsschutz gilt, weil damit ein falscher Eindruck erweckt wird und unter Umständen der weitere Anstieg der ohnehin schwachen Zahlen, die wir von unserer Vorgängerregierung geerbt haben – damals waren es 1,8 Prozent, derzeit sind es 2 Prozent Männer, die die Kinderbetreuung übernehmen –, gefährdet werden könnte.

Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass es mit dem neuen Kinderbetreuungsgeld sehr starke berufsspezifische Fortbildungsmaßnahmen geben wird, um Frauen berufsspezifisch darauf vorzubereiten, in der Arbeitswelt besser Fuß zu fassen.

Sehr geehrte Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion! Wir haben uns sehr genau angesehen, welche Argumente für Frauen beim Wiedereinstieg nach der Kinderpause wichtig und dafür ausschlaggebend sind, dass sie nicht wieder mit den gleichen Gehältern wie vorher an der Arbeitswelt teilnehmen: erstens die mangelnde Berufsfähigkeit, wie das mit einem Terminus technicus bezeichnet wird, und zweitens die Möglichkeit, nur Teilzeitarbeit annehmen zu können.

Ich glaube daher, dass wir hinsichtlich dieser Bereiche mit dem Kinderbetreuungsgeld einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht haben, denn ich darf Sie darauf hinweisen, dass es in der Vergangenheit etwa für Alleinerzieherinnen, die sechs Monate länger bei ihrem Kind bleiben wollten und daher die Arbeitsmarktmöglichkeiten in Anspruch genommen haben, Kurse gegeben hat, die "Selbstfindung" 1, 2 und 3, "Ostertisch", "Weihnachtsschmuck" und ähnlich geheißen haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass unter diesen Titeln etwas anderes als die Rückkehr an den Herd gemeint war, mit Sicherheit war es aber keine Berufsfortbildung.

Daher werden die neu angebotenen Möglichkeiten des Arbeitsmarktservices für Ihre Argumentation, nämlich den Frauen einen besseren Wiedereinstieg in das Berufsleben zu gewährleisten, zumindest gleich gut, aus meiner Sicht sogar deutlich besser sein als jene Möglichkeiten, die Sie während Ihrer Regierungsverantwortung im Arbeitsmarktservice sehr vielen dieser Frauen angeboten haben. Denn das, was sie dort lernen konnten, war – das hat sich in der Praxis erwiesen – eindeutig nicht geeignet, sie auf hohem Lohnniveau wieder in die Berufswelt zurückkehren zu lassen. Die Statistiken sind diesbezüglich eindeutig! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren von Seiten der sozialdemokratischen Fraktion! Wir alle werden erst dann wissen, wie sich das Kinderbetreuungsgeld insgesamt auswirken wird, wenn es einmal volle drei Jahre in Österreich umgesetzt sein wird.

Ich möchte Sie aber schon darauf hinweisen, dass es für diejenigen, die heute Karenzgeld bekommen, ab 1. Jänner einen Umstieg auf jene 6 000 S gibt, was also eine deutliche Verbesserung darstellt. Ich darf Sie zudem darauf hinweisen, dass es auch unter Mitwirkung aller sozialdemokratischen und aller anderen Referentinnen und Referenten aus dem Familienbereich und aus dem Sozialbereich bei einer Tagung in der Grazer Burg vor eineinhalb Monaten unbestritten war, dass jene Gelder, die die Länder bisher für die Familien aufgewendet haben, auch in Zukunft aus der Sicht der Länder weiterhin den Familien zur Verfügung gestellt werden und damit jene Lücken, die Sie heute hier befürchtet haben, dann, wenn sie tatsächlich auftreten sollten, von den Ländern geschlossen werden können.

Ich möchte daher gerade Sie im Bundesrat darum bitten, sich auf Länderebene dafür stark zu machen, dass diese Geldmittel wirklich dort eingesetzt werden, wo der eine oder andere Härtefall bei der Umsetzung des Kinderbetreuungsgeldes auftreten sollte, um den Familien entsprechende Gegenleistungen zu bieten. Ich als Familienminister bin auf jeden Fall zufrieden, dass alle neun Bundesländer einstimmig beschlossen haben, den Familien auch in Zukunft, nach der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes, gleich viel Geld zur Verfügung zu stellen wie bisher.


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Außerdem weise ich darauf hin, dass diese Bundesregierung auch für die älteren Kinder vorgesorgt hat. Ab 2003 wird es eine Erhöhung der Familienbeihilfe um 100 S geben, und auch für die behinderten Kinder wird es bei den Zuschlägen nochmals eine Verbesserung geben.

Wenn Sie den gesamten Bezugszeitraum einbeziehen, so werden Sie erkennen, dass niemand weniger als heute bekommen wird. Und das, so glaube ich, ist auch ein schöner Beweis dafür, dass mit jenen 10 Milliarden Schilling, die in Zukunft den Familien mehr zufließen werden, tatsächlich alle Frauen, die nach dem 1. Jänner 2002 ein Kind gebären, in den Genuss des Kinderbetreuungsgeldes kommen werden, und jene, die heute einen Anspruch auf Karenzgeld haben, die Möglichkeit bekommen werden, die besseren Regelungen des Kinderbetreuungsgeldes zu nutzen.

Ich glaube daher, dass der Bundesregierung mit diesem Gesetz ein guter Wurf im Interesse der österreichischen Familien gelungen ist, dass sich sehr viele Ihrer heutigen Unkenrufe durch die Praxis in Zukunft als obsolet erweisen werden und die Österreicherinnen und Österreicher spätestens am Ende des Jahres 2002 wissen werden, wer auf der Seite der Familie steht und wer nicht. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.06

Präsident Alfred Schöls: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Anna Höllerer zu Wort gemeldet.

Ich weise darauf hin, dass eine tatsächliche Berichtigung die Dauer von fünf Minuten nicht überschreiten darf und sie sich überdies auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des berichtigten Sachverhaltes zu beschränken hat. – Bitte, Frau Bundesrätin.

11.06

Bundesrätin Anna Höllerer (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Bundesrätinnen und -räte! Ich möchte eine Aussage der Frau Bundesrätin Schicker tatsächlich berichtigen. Sie hat behauptet, Betriebshilfe sei mit dem Kinderbetreuungsgeld gleichzusetzen und ebenfalls eine diesbezügliche Leistung.

Ich möchte nur sagen: Betriebshilfe ist etwas völlig anderes! Eine Betriebshilfeleistung wird nach dem Betriebshilfegesetz erbracht, sie ist eine reine Versicherungsleistung und tritt bei Bäuerinnen immer dann in Kraft, wenn die Bäuerin nicht in der Lage ist, aus gesundheitlichen Gründen oder als Wöchnerin, ihre Arbeit im Betrieb voll zu leisten. (Bundesrätin Schicker: Aber gleichzeitig!) Sie ist eine reine Sachleistung, mit der man eine geeignete Fachkraft engagieren kann, und keine Geldleistung.

Betriebshilfe hat jedoch überhaupt nichts mit dem neuen Kinderbetreuungsgeld zu tun, sondern gebührt jeder Frau, jeder Bäuerin (Bundesrätin Schicker: Das weiß ich!), die aus gesundheitlichen Gründen, aus Gründen der Kindschaft, diese Tätigkeit nicht ausüben kann, und zwar acht Wochen vor der Geburt, am Tag der Geburt und acht Wochen nach der Geburt. Diese Leistung hat mit dem Kinderbetreuungsgeld in keinster Weise etwas zu tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Ing. Franz Gruber: Die zahlen dafür ein!)

11.08

Präsident Alfred Schöls: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Germana Fösleitner. Ich erteile es ihr.

11.08

Bundesrätin Germana Fösleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes hat die Bundesregierung einen Meilenstein in der Familienpolitik unseres Landes gesetzt. Mit dieser Maßnahme wurde auch einer langjährigen Forderung der ÖVP, nämlich das "Karenzgeld für alle", Rechnung getragen und diese umgesetzt. (Bundesrat Gasteiger: Ja was jetzt? ÖVP oder FPÖ? – Ruf bei der SPÖ: Wer ist der Vater des Kindes?)


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Die Ausführungen meiner Vorrednerinnen haben mich dazu veranlasst, die positiven Auswirkungen dieses Kinderbetreuungsgeldgesetzes noch einmal zu erwähnen, weil ich der Meinung bin, dass man sie gar nicht oft genug erwähnen kann.

Mit 1. Jänner 2002 werden alle Eltern, also alle Mütter und Väter, unter bestimmten Voraussetzungen, auf ein monatliches Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von etwa 6 000 S, das heißt 200 S pro Tag – je nach dem, wie viele Tage ein Monat hat, sind das in etwa 6 000 S – Anspruch haben, und zwar unabhängig davon, ob sie erwerbstätig sind oder nicht. Erstmals, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommen Hausfrauen, natürlich auch Hausmänner, Studentinnen, Studenten (Bundesrat Würschl: Und die Frau Flick, Milliardärsgattin aus Kärnten!), Bäuerinnen, Bauern sowie selbständig Erwerbstätige in den Genuss dieser finanziellen Leistung.

Die Kinderbetreuung ist nun bei allen gleich viel wert. Mit dem jetzt geschaffenen Kinderbetreuungsgeld anerkennt der Staat den Wert der Kinderbetreuung als Leistung für die gesamte Gesellschaft. Österreich wird damit zu einem der kinder- und familienfreundlichsten Länder der Welt.

Das Kinderbetreuungsgeld kann insgesamt drei Jahre in Anspruch genommen werden, wobei ein Partner maximal 30 Monate, der andere mindestens sechs Monate Anspruch anmelden kann.

Das neue Kinderbetreuungsgeld stärkt auch die Berufschancen und die Wahlfreiheit. Frau Kollegin Kainz hat heute hier bezweifelt, dass auch den Frauen dieses Kinderbetreuungsgeld einen Nutzen bringt. Dieses Kinderbetreuungsgeld ist eine ganz große finanzielle Unterstützung für die Familien und dadurch auch für die Frauen, die Mütter von großem Nutzen. Wer neben dem Bezug des Kindergeldes arbeiten will, kann jetzt bis zu einer Grenze von 200 000 S brutto im Jahr dazuverdienen – statt bisher 48 912 S. Dies sichert den Eltern ein hohes Maß an Wahlfreiheit in der Lebensgestaltung und bringt eine neue Qualität der Eigenverantwortung für die Betreuung der Kinder. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird damit wieder um einen wesentlichen Schritt verbessert.

Besonders freue ich mich aber darüber, dass im Pensionsbereich maßgebliche Verbesserungen angestrebt wurden. Die ersten 18 Monate nach der Geburt des Kindes werden als echte Beitragszeiten für den Pensionsanspruch angerechnet, weitere 30 Monate gelten als pensionserhöhende Ersatzzeiten. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Bravo!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das neue Kinderbetreuungsgeld verbessert aber vor allem die Situation der AlleineinzieherInnen. Sie erhalten jetzt 30 Monate Kinderbetreuungsgeld statt bisher nur 18 Monate Karenzgeld. (Bundesrätin Kainz: Und haben keinen Kündigungsschutz!)

Auch für jene Kinder, die ab 1. Juli 2000 geboren wurden, und für die Anspruch auf Teilzeitbeihilfe oder Karenzgeld besteht, wurde eine, wie ich meine, akzeptable Übergangslösung gefunden. Sie werden ab 1. Jänner 2002 in die Neuregelung übergeführt, sowohl in puncto Höhe als auch in puncto Dauer des Kinderbetreuungsgeldes.

Mit dem neuen Kinderbetreuungsgeld werden die finanziellen Rahmenbedingungen für Tausende Familien in unserem Land wesentlich verbessert. Brachte das bisherige Karenzgeld 135 432 S für beide Partner, so wird das neue Kinderbetreuungsgeld den Müttern und Vätern 216 000 S, und somit ein Plus von 80 000 S bringen. Auf die flankierenden Maßnahmen ist eine meiner Vorrednerinnen, Frau Kollegin Wintermann, schon eingegangen, ich werde mich daher mit diesem Thema nicht mehr beschäftigen.

Ab 2003 wird auch die Familienbeihilfe um 1 200 S jährlich erhöht, die nach Alter und Zahl der Kinder gestaffelte Kinderbeihilfe beträgt dann monatlich zwischen 2 150 S und 3 150 S.


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Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Neben der finanziellen Unterstützung brauchen unsere Familien aber auch ein positives Klima, eine familien- und kinderfreundliche Gesinnung unserer Gesellschaft.

Kinder sind unsere Zukunft! Die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes ist daher eine gute und, wie ich meine, die beste Investition in die Zukunft. Meine Fraktion wird daher diesem Gesetz ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.15

Präsident Alfred Schöls: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr. (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Haunschmid!)

11.16

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Geschätzter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir, in einigen Punkten einige Repliken vorzunehmen. Kollegin Anna Höllerer hat mit ihrer tatsächlichen Berichtigung die Sache und auch die wesentliche Argumentation der Sozialdemokratischen Partei auf den Punkt gebracht.

Frau Kollegin Höllerer, Sie haben es erfasst, ohne es in einen entsprechenden Kontext zu stellen. Sie haben nämlich gesagt: Betriebshilfe ist etwas anderes, weil es sich hiebei um eine Versicherungsleistung handelt. – Ich teile Ihre Auffassung, aber ich denke, Sie werden das Argument der Sozialdemokraten nachvollziehen können, die meinen, dass das bisherige Karenzgeld auch etwas anderes ist, weil es gleichfalls eine Versicherungsleistung ist. Da sind wir ... (Bundesrätin Höllerer: Wir reden vom Kinderbetreuungsgeld!)

Sie haben gesagt, Betriebshilfe habe mit dem Kinderbetreuungsgeld nichts zu tun. Wenn wir das logisch fortführen, dann teile ich Ihre Auffassung, verlange aber auch von ÖVP und FPÖ, dass sie diese Erkenntnis, dass das Karenzgeld eine Versicherungsleistung, völlig getrennt vom Kindergeld zu sehen ist und nicht Gleichbehandlung bedeutet, mittragen! (Beifall bei der SPÖ.)

Es bedeutet nicht Gleichbehandlung, wenn man bisherige VersicherungsleisterInnen, nämlich KarenzgeldbezieherInnen mit jenen gleichstellt, die bisher keinen Beitrag geleistet haben. Das ist kein Argument gegen berufstätige Frauen im Haushalt, die dafür kein Geld bekommen, um sich Hausfrauen zu benennen. Das ist kein Gegenargument, sondern Sie haben völlig Recht und bestätigen damit auch das Argument der Sozialdemokratie, dass es da zwei völlig verschiedene Grundvoraussetzungen gibt und dass es eine Ungleichheit schafft.

Zweiter Punkt: zum Argument beziehungsweise zur Zitatensammlung der Kollegin Kanovsky-Wintermann, die hier ein Zitat der Frau Landesrätin Schaunig-Kandut gebracht hat. Es ist mir nicht bekannt, aber ich habe ihr zugehört, und wenn Kollegin Schaunig-Kandut von einem Schmerzensgeld gesprochen hat, dann weiß ich, weil ich ihre Politik kenne, was sie gemeint haben dürfte, nämlich familienpolitisches Geld und Leistung als Schmerzensgeld für die Unvereinbarkeit, die reale Unvereinbarkeit von Arbeitsmarkt, Arbeitszeit und Familie. Wenn sie das gemeint hat, dann schließe ich mich ihrer Aussage auch an – und anders hat sie es nicht gemeint! (Beifall bei der SPÖ.)

Dritter Punkt: Ich denke, wir alle könnten ein bisschen lernen, wenn wir uns ausnahmsweise die heutigen Reden zu diesem Tagesordnungspunkt selbst noch einmal zu Gemüte führen. Es wäre an sich spannend, wenn wir, alle drei Fraktionen gemeinsam, einmal nachzählten, wie oft beim Thema Kinderbetreuungsgeld die Begriffe "Frau" und "Mutter" gefallen sind und wie oft der Begriff "Vater" gefallen ist.

Ich habe Visionen, und ich habe politische Zielsetzungen. (Zwischenrufe der Bundesräte Weilharter und Dr. Maier. ) Mein idealer Familienbegriff – nicht der heile, sondern der ideale – besteht aus Partnerschaft! Wenn aber hier permanent nur die Frau und nur die Mutter genannt wird, dann sprechen Sie eine teilweise tragische Wirklichkeit aus, aber ich denke, es ist nicht nur Pflicht, sondern es ist auch ein Recht des Vaters, sich an der Familienarbeit, an der Kindererziehung zu beteiligen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ein absenter Vater schädigt nämlich ein Kind und eine Familie genauso wie eine absente Mutter. Wenn die Lebensverhältnisse andere sind, solche, die sich die Menschen nicht freiwillig ausgesucht haben – wie etwa bei den zitierten Alleinerzieherinnen in Kärnten –, dann sind die Lebensverhältnisse eben anders, und dann ... (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler.  – Bundesrat Dr. Maier: ... geschädigt?)  – Herr Kollege Maier! Sagen Sie es mir, ich werde Ihnen eine Antwort darauf geben! Was wollten Sie fragen? (Bundesrat Dr. Maier: Sprechen Sie weiter!) Sie wollten fragen, ob ich durch einen absenten Vater geschädigt bin. (Bundesrat Dr. Maier: Nein! Das habe ich nicht gefragt! Wo ihr Vater ...?)

Nein, Herr Kollege Maier, ich werde gar nicht sentimental, ich bin das Produkt meiner Eltern. (Bundesrat Dr. Maier: Der Partnerschaft oder der Familie?)  – Meiner Familie. Und dazu gehört auch – ich komme dann noch dazu – die keine Kinder habende Tante, die diese Regierung bestraft, die jetzt nämlich mit 84 Jahren ihren Krankenversicherungsbeitrag bezahlen muss. Diese Tante hat auch immer zur Familie gehört. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist unseriös, sozialdemokratischen Menschen – Frauen wie Männern – quasi immer zu unterstellen, sie seien schlechte Eltern. Herr Kollege Maier! Ich bin sehr stolz auf meine Familie (Bundesrat Dr. Maier:  ... schlechtes Gewissen haben! Das habe ich nicht gesagt!)  – auf die Familie, die mittlerweile über achtzig ist und jene, die mittlerweile dreizehn, vierzehn und siebzehn Jahre alt ist. Ich denke, Qualität von Familie hat etwas mit Familie zu tun, und Diskriminierung in parteipolitischer Zuordnung ist unzulässig, Herr Kollege Maier! (Beifall bei der SPÖ.)

Vierter Punkt: Es gab hier quasi einen Disput darüber – die Kollegin hat es vorher gesagt –, wer denn dieses Kindergeld erfunden hat. Wir SozialdemokratInnen haben uns seit zehn Jahren damit beschäftigt, weil es eine Idee und Vorstellung ist, die, wie jemand richtig sagte, schon zehn Jahre alt oder jung ist. Wissen Sie, wieso das Kindergeld Kindergeld heißt? – Von der Leistung her entspräche es eher der ÖVP-Headline "Karenzgeld für fast alle" mit BeitragsleisterInnen und Nicht-BeitragsleisterInnen.

In Kärnten haben wir uns ein bisschen länger damit beschäftigt. Da war der vormalige Landesrat und Landeshauptmann-Stellvertreter Mathias Reichhold dafür zuständig. Ich denke, der Frauen- und Sozialminister weiß sehr genau, warum man das nicht Familienzuschuss, Familienleistung oder dergleichen genannt hat – ganz einfach deswegen, weil es eine finanztechnische Angelegenheit ist. Wenn wir es Kindergeld benennen, so muss es nicht mit dazuversteuert werden. Das ist der einzige Grund dafür, warum wir es Kindergeld nennen, obwohl die Kinder das Geld eigentlich nicht bekommen und es letztlich auch nicht verbrauchen können. Das ist der einzige Grund dafür, warum es Kindergeld heißt.

Fünfter Punkt: Der Sozialminister hat nicht ganz Unrecht – das jetzt in einem anderen Zusammenhang; er hat das als Vorwurf an die Sozialdemokratie gemeint, das teile ich nicht – mit der Kindergartenmilliarde. In Wirklichkeit waren es immer 600 Millionen, gefordert haben wir SozialdemokratInnen aber die Kindergartenmilliarde. (Bundesrätin Kainz: Das ist richtig!) Sie sagen, da war nichts mehr budgetiert. Das letzte Budget hat die jetzige Regierung gemacht. Da kann man mit Fug und Recht weder Kollegen Edlinger noch Kollegin Prammer noch sonst jemanden heranziehen. Ich meine, die Abänderungsanträge im Nationalrat haben bewiesen, wofür die SPÖ steht.

Aber es war so, Herr Minister, dass die Sozialdemokraten – und insbesondere die Sozialdemokratinnen – in der ÖVP-SPÖ-Koalition jedes Mal beinhart mit dem jeweiligen Finanzminister darum ringen und im wahrsten Sinne des Wortes politisch raufen mussten, weil die ÖVP seinerzeit – ich glaube, das war vor sechs Jahren das erste Mal der Fall, als es diese 600 Millionen gab – nicht einmal – damals noch vorhandene – EU-Mittel in Anspruch nehmen wollte. Damals gab es diesen Budgetansatz deshalb, weil die EU Mittel für Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ausgeschüttet hat. Und so sind diese 600 Millionen, sprich eine Kindergartenmilliarde, entstanden.

Ich halte diese Kindergartenmilliarde als einen Anreiz, eine Unterstützung und eine Hilfe für öffentliche wie private Kinderbetreuungseinrichtungen für sehr wichtig. Sie wollen auf


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Bundesebene keinen Schilling dafür budgetieren, weil wir in der Sache insbesondere um Kindergartenplätze und Kinderbetreuungseinrichtungen sehr intensiv gekämpft haben und nicht immer mit dem Einverständnis oder dem Wohlwollen der jeweiligen Bürgermeister – egal welcher Fraktion – rechnen konnten. Sie wissen ganz genau, wenn es diese Mittel nicht mehr gibt, dann gibt es auf Gemeindeebene eine leichte Ausrede: Wir haben kein Geld.

Mit den jetzigen zusätzlichen Belastungen bedeutet das, dass es um einen Rückbau und nicht um einen Ausbau von weiteren Kinderbetreuungseinrichtungen geht. Das trifft eben nicht die Vision der Kollegin Wintermann, die hier das Kindergeld bejubelt – das steht ihr zu –, aber gesagt hat: und den weiteren Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sechster Punkt: Wir sollten bei dieser Debatte auf eines nicht vergessen: Wenn wir von Kindern und Familie reden, sollten wir uns doch den Luxus erlauben, ein bisschen in das eigene Familienleben und in die eigene Praxis zu schauen. Wir sollten doch feststellen und nicht vergessen, dass ohne die Großelterngeneration – sprich: die Omas und die Opas dieser Republik – Kinderbetreuung in Österreich unfinanzierbar und undenkbar wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher bitte ich Sie, Mazals Vorschläge nicht nur aus irgendwelchen Gründen zurückzuweisen, sondern zu sagen, dass längere Arbeitszeiten auch bedeuten, dass wir unseren Enkelkindern eben durch die längeren Arbeitszeiten vor dem Pensionsantritt noch die Großmütter und die Großväter wegnehmen. Ich bitte Sie, zu berechnen, wie viel es die Republik Österreich kosten wird, Betreuungseinrichtungen zu finanzieren, wenn diese zusätzlichen Familien- und KinderbetreuerInnen in der Praxis ausfallen.

Siebenter Punkt: Dieses Kindergeld ist Ihre familienpolitische Leistung, die Sie sich auf die Fahnen geheftet haben, Sie werden sie politisch verkaufen, und Sie werden die Ernte oder Nichternte dafür einfahren. Ich wünsche aber in jedem Fall diesem Kindergeld – im Gegensatz zum Kärntner Kindergeld – eine professionelle Administration, auf gut Österreichisch gesagt: Ich wünsche, dass die Frauen, die es beantragen, dieses auch wirklich bekommen. (Beifall bei der SPÖ. – Heiterkeit des Bundesrates Konecny. ) Denn in Kärnten ist es so, dass die vorhandene Budgetsumme viel zu hoch ist, obwohl sie zu niedrig ist. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Das ist kein Meisterstück der Rechenkunst; zwei ganz konkrete Beispiele dazu: Es gibt Frauen in Kärnten, die das Kindergeld bekommen, aber durch das komplizierte Antragsverfahren ist das schwierig. Sie erlauben mir folgenden Vergleich: Das Kindergeld zu beantragen, ist derzeit in Kärnten ein so kompliziertes Verfahren, wie einen Asylantrag in der Republik Österreich zu stellen. (Ruf: Haben Sie beides probiert?) Ich habe zwei Frauen im Frauenhaus mit zwei Babys. Aus bisher unerklärlichen Gründen fehlt immer ein Formular, noch ein Antrag, noch ein Zettel, die Frist wird versäumt, das heißt, in der Abwicklung gibt es ziemlich große Reibungsverluste. Ich denke aus Fehlern in Kärnten kann man nur lernen, sodass man auf Bundesebene diese Fehler nicht mehr begeht und die Beantragung vor allem so gestaltet, dass jene, die ein Recht darauf haben, es zu beantragen, es auch letztlich bekommen.

Zur zweiten Crux, zur grundsätzlichen Crux dieser Materie: Jörg Haider war ehrlich, als er vor vier Jahren gemeint hat, dieses Kindergeld werde eine Arbeitsmarkt lenkende Maßnahme sein. Ich gebe ganz ehrlich zu, damals musste ich zwei Mal nachlesen. Ich habe ihn auch gefragt, was das bedeutet. Er hat damals gesagt, es gebe einen engen Arbeitsmarkt, das bedeutet, man müsse den Arbeitsmarkt regulieren, die Frauen würden drei Jahre lang eher daheim bleiben, und man hätte eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube nicht, dass Sie diese Auffassung jetzt in Ihrem politischen Willen teilen. Das sage ich überhaupt nicht aus hehren frauenfeministischen Gründen. Ich frage ganz einfach jeden verantwortungsbewusst denkenden Politiker: Kann es sich – selbst wenn wir alle das wollten – die Republik Österreich leisten, dass mehr als 50 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher keine Versicherungsleistungen und keine Steuern zahlen? – Die Republik wäre nicht existenzfähig! Daher ist die Frau am Arbeitsplatz


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kein Luxus, sondern sie ist Existenzsicherung und zweitens auch eine Notwendigkeit zur Erhaltung dieses Staates. (Beifall bei der SPÖ.)

Tun Sie bitte nicht immer so, als ob jene Frauen, die arbeiten müssen und jene, die aus Luxus und absolutem Karrieredenken – auch das muss erlaubt sein; wenn es Männer haben, dürfen es Frauen auch haben – ... (Ruf: Frauen wie Sie!)  – Ich glaube, ich habe eine realistische Selbsteinschätzung. Die Arbeit hier im Bundesrat ist eine Tätigkeit, die ich leidenschaftlich und gerne ausübe, aber ... (Bundesrat Steinbichler: Was ist Karriere?)  – "Karriere" heißt "Lebenslaufbahn", und meine Lebenslaufbahn hat mich hierher gebracht. Ich glaube, Sie finden Ihre Existenz nicht schlecht, ich meine auch nicht.

Das heißt aber, dass Berufstätigkeit kein Punkt der Diskriminierung sein kann. Immer wieder, unterschwellig oder offen ausgesprochen, berufstätigen Frauen zuzuordnen, dass sie schlechtere Mütter seien, ist statistisch falsch, ist faktisch falsch und widerspricht der Lebenswirklichkeit! (Beifall bei der SPÖ.)

Eigentlich ist damit ... (Bundesrat Bieringer weist mit dem Zeigefinger auf das rote Lämpchen am Rednerpult.)  – Tut Ihnen der Finger weh? Brauchen Sie ein Pflaster? (Heiterkeit.) Der Herr Sozialminister ist eigentlich nicht damit angesprochen, sondern Kollege Bartenstein ist angesprochen, wenn wir über Qualität von Familie reden – insbesondere auch die ÖVP, die FPÖ hat sich da positioniert. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Kollege Bartenstein fordert eine Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft, Flexibilisierung und Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Das bedeutet natürlich, dass nicht nur länger geöffnet ist, sondern dass die Menschen, die dort arbeiten, auch länger dort sein müssen. Das ist kontraproduktiv, wenn wir von Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen. Es geht um die Qualität Existenzsicherung und Geld, es geht aber auch um die Qualität Zeit.

Wenn die ÖVP heute die zweitbeste Familienpartei sein will, dann ersuche ich, Herrn Minister Bartenstein zur Räson zu bringen und der Flexibilisierung dort, nämlich insbesondere in jenen Bereichen, in denen Niedriglohnarbeiter beschäftigt sind – aber es werden in der Folge auch alle anderen werden –, Einhalt zu gebieten. Denn die Qualität Beziehung hat auch die Notwendigkeit der Qualität Zeit. Eine Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft auf der einen Seite und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf der anderen Seite ist der krasseste Widerspruch überhaupt! (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Schluss kommend noch zwei Punkte. (Demonstrativer Beifall bei Bundesräten der ÖVP. – Rufe bei der ÖVP: Ja! Schluss!)  – Ich lerne aus Ihren Reden. Ich denke mir etwas dabei; ich analysiere, es gibt Negatives, es gibt Positives. Ich glaube, Denken und Mitdenken sollte auch für Sie erlaubt sein. – Was will die Sozialdemokratie? Was wollen die sozialdemokratischen Frauen?

In der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind wir in Wirklichkeit von einem Idealzustand meilenweit entfernt. Ich lade Sie ein, darüber nachzudenken, ob das Elternkarenzzeitmodell auch für Sie eine Denkvariante wäre. (Bundesrat Steinbichler: Von welcher Familie reden Sie?)

Ein Punkt stimmt, und niemand kann dem widersprechen: Wie hoch diese Geldleistung auch immer sein mag, das Geld wird nicht reichen. Ob es bis zum dritten Lebensjahr oder bis zum fünften Lebensjahr dauert, Familie und Kinder hat man ein Leben lang. Die Kinderbetreuung und Jugendbetreuung dauert nicht bis zum dritten Lebensjahr, nicht bis zum fünften Lebensjahr, sondern meistens über das zwanzigste Lebensjahr hinaus, auch wenn die jungen Menschen sonst schon sehr selbständig sind.

Das heißt, wir brauchen die Qualität Zeit und das Elternkarenzzeitmodell der SPÖ-Frauen. Sie haben es ja. Schauen Sie es sich an und überlegen Sie, ob es nicht grundgescheit ist, dass man Müttern und Vätern die Möglichkeit gibt, flexibel – positiv gemeint – in Karenz zu gehen, wenn die Kinder die Eltern besonders brauchen! Das ist eine individuelle Angelegenheit, etwa vor Eintritt des Kindes in die Schule, etwa vor dem Besuch des Kindergartens. Wer Kinder hat


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und das miterlebt, weiß, wann die Probleme auftauchen; und dann hat man keinen Anspruch mehr, keinen Geldanspruch und keinen Anspruch auf freie Zeit.

Das wäre ein Konzept, das wir weiterentwickeln wollen. Wer immer sich bereit erklärt, darüber nachzudenken und mitzumachen, ist herzlich dazu eingeladen! Auch diese Regierung würde Qualität zeigen, wenn sie SPÖ-Inhalte umsetzt. (Rufe und Gegenrufe zwischen den Bundesräten Steinbichler und Manfred Gruber. )

Zweiter Punkt: Denken wir gemeinsam über eine familiengerechte Arbeitszeitregelung nach! Es tut mir Leid, dass ich den Namen der Tiroler Unternehmerin nicht kenne, die eine ÖVPlerin ist, mit der ich vor fünf Jahren intensiv eine familiengerechte Arbeitszeitregelung erarbeitet und diskutiert habe. Sie hat mir damals gesagt, als sie als Unternehmerin keine Kinder hatte, hatte sie eine ganz andere Einstellung zu ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als ab dem Augenblick, als ihr der Mann abhanden gekommen ist und sie dann auch die Kinder hatte.

Diesen Betrieb gibt es noch – ich kann es Ihnen dann sagen –, in dem man versucht, familiengerecht und menschengerecht Arbeitzeitregelungen betriebsintern festzulegen, und sagt, Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine Qualität.

Gehen Sie dieses Modell an, und unterstützen Sie auch die Zukunftsvision der SPÖ! Eine eigenständige Alterssicherung genau für jene Gruppe von Frauen, die vom Kindergeld profitieren, das sind die Hausfrauen. Wir glauben, dass drei Jahre an Geldleistung das nicht abdecken und vor allem keine Absicherung garantieren.

Wir denken, dass es sehr fair wäre, eine eigenständige Alterssicherung auch für Hausfrauen zu schaffen, nämlich über eine Beitragsleistung. Die Männer der Republik Österreich wären bereit, einen sozial gerechten Beitrag dafür zu leisten. Das ist Existenzsicherung für Hausfrauen. – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

11.34

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Haunschmid. – Bitte.

11.35

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Vizepräsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Kainz! Wenn Sie von "wir Frauen" sprechen, dann verallgemeinern Sie bitte nicht, nehmen Sie nicht das Wort "Frauen" in den Mund, und vereinnahmen Sie nicht die Frauen, die nicht unter dem Druck des Staates sein wollen, die frei entscheiden wollen (Bundesrätin Kainz: Frau Kollegin Haunschmid! Sie habe ich sicher nicht gemeint!), ob sie arbeiten wollen oder nicht. Sie haben "wir Frauen" gesagt. Ich glaube, ich bin auch eine wie wir alle, die frei entscheiden wollen, ob sie arbeiten wollen oder nicht. Diese Frauen wollen im Gegensatz zu Ihnen und Ihren Frauen keine Befehlsempfänger, keine Jasager sein, und sie wollen nicht vom Staat und den Banken abhängig sein. (Bundesrat Gasteiger: Was sind sie dann? Alles keine Jasager?! – Bundesrätin Mag. Trunk: Wie bitte?)

Sie reden von Menschengruppen. – Ja, ich kann Ihnen schon sagen, ich gehöre zu den Menschengruppen, die Frau Kollegin Kainz auch angeschnitten hat, nämlich den Menschengruppen, die anscheinend in Ihren Augen diskriminierend sind, weil Unternehmer sind. (Bundesrätin Kainz: Sie müssen schon ein sehr schlechtes Selbstbewusstsein haben, um solche Unterstelllungen zu machen!)

Sehr deutlich haben Sie "Menschengruppen" gesagt. "Menschengruppen" haben Sie wortwörtlich gesagt! Menschengruppen, denen es nicht gebührt, Kindergeld zu bekommen. – Ich bin der Meinung, zu diesen Menschengruppen gehören auch Frauen und Mütter. Und alle Mütter haben das gleiche Recht, ihre Kinder gut aufziehen und betreuen zu können. (Bundesrätin Kainz: Ihre Philosophie ist mir zu hoch!)

Freiheitliche Politik – im Gegensatz zu Ihrer Politik, Frau Kollegin – ist Politik für die Zukunft unseres Landes und seiner Menschen. Das bedeutet eine die Gesellschaft nachhaltig sichernde


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Familienpolitik. Das neue Kindergeld, eine europaweit historisch einmalige Familienleistung, tritt mit 1. Jänner 2002 in Kraft.

Die Kärntner Familien – jetzt sage ich es noch einmal – erfreuen sich schon seit Beginn dieses Jahres an diesem Kernstück freiheitlicher Familienpolitik. Mit dem Amtsantritt von Dr. Jörg Haider als Landeshauptmann in Kärnten und der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei nach der Nationalratswahl 1999 begann die tatsächliche Umsetzung der freiheitlichen Idee. Mit dem Vorschlag eines Kinderbetreuungsgeldes wartete die FPÖ schon zu Beginn der neunziger Jahre auf.

Edith Haller, schon damals engagierte Familienpolitikerin, reagierte so auf die Debatte um fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen: "Man darf bei der Kinderbetreuung nicht immer nur an den Kindergarten denken", mahnte sie damals eine Aufwertung der Tagesmütter, aber auch der Erziehungsarbeit, die von Frauen zu Hause erbracht wird, ein. Hallers Argument damals war, den Frauen und Familien müsse die Möglichkeit gegeben werden, selbst zu bestimmen, ob und welche Betreuungseinrichtungen sie in Anspruch nehmen wollen, oder ob sie sich selbst um den Nachwuchs kümmern wollen.

Damit war der Kinderbetreuungsscheck von Anfang an klar positioniert. Er sollte eine Wahlfreiheit ermöglichen, die bis dato nicht gegeben war. Relativ rasch wurde die freiheitliche Idee auch von Vertretern der ÖVP aufgenommen. So forderte der Nationalratsabgeordnete Franz Kampichler in seiner Funktion als Obmann des Familienbundes anlässlich einer Familienkonferenz, den Familien durch finanzielle Mittel die Möglichkeit zu geben, ihre individuelle Kinderbetreuung frei zu wählen.

Bei der Diskussion um den Kinderbetreuungsscheck waren die ideologischen Fronten von Beginn an klar. Schon 1990 lehnte Johanna Dohnal, ihres Zeichens SPÖ-Frauenministerin, das Kinderbetreuungsgeld für Frauen, die ihre Kinder selbst betreuen und damit einen Platz auf dem Arbeitsmarkt frei machen, ab. "Zurück-an-den-Herd"-Politik war damals schon der lapidare Aufschrei in der SPÖ. (Demonstrativer Beifall der Bundesrätin Mag. Trunk. )

Besonders deutlich wurden die Positionen dann im Wahlkampf 1995. Die SPÖ warf den Freiheitlichen eine "Heimchen-am-Herd"-Politik vor, mit der man die Frauen vom Arbeitsmarkt drängen wollte.

Mit der Idee des Kindergeldes konnte sich die ÖVP wiederum zwar grundsätzlich anfreunden, aber damals waren wir noch von der falschen Partei, und unsere Initiative wurde zuerst als nicht machbar und schon gar nicht in der Form, in der die Freiheitlichen das wollten, abqualifiziert.

Mit Initiativen sowohl auf Länderebene als auch im Parlament forderten die freiheitlichen Frauen und Familienpolitikerinnen immer wieder die Umsetzung ihres Modells.

Die "Initiative der freiheitlichen Frauen" mit der jetzigen oberösterreichischen Landesrätin Ursula Haubner führte gemeinsam mit dem Parlamentsklub, der Freiheitlichen Akademie, aber auch mit den Landtagen zahlreiche Veranstaltungen durch.

Im Laufe des Jahres 1997 erweiterte dann die SPÖ ihre Argumente gegen den Kinderbetreuungsscheck um Warnungen wie etwa Gefährdung des Sozialsystems durch den Kinderscheck oder um die Aussage, dass Frauen dadurch verstärkt geringfügig beschäftigt seien. Die Kinderfreunde brachten beim SPÖ-Parteitag sogar einen Antrag gegen den FPÖ-Kinderscheck ein, weil nämlich die Priorität im Ausbau von öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen liegen müsse, was aber durch die Schaffung des Kinderscheckes gefährdet sei.

Unabhängig von den Freiheitlichen begann auch die ÖVP, die Idee eines Kinderbetreuungsschecks verstärkt zu forcieren. Man beeilte sich, die Idee auch umsetzen zu können, und am Ende eines Wahlkampfes suchte man dann doch die Übereinstimmung. Aus dem freiheitlichen Kinderbetreuungsscheck und dem ÖVP-Karenzgeld ist nun das Kindergeld österreichweit geworden.


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Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich noch ganz genau an eine Enquete hier im Parlament, an den Aufmarsch der sozialistischen Frauen damals draußen vor dem Haus: Dohnal, Prammer, Eva Rossmann. Gegen unsere Forderung nach Selbstentscheidung sind sie aufmarschiert. Nicht der Staat entscheidet, haben wir gefordert, der Staat soll nur die Hilfe zur Selbsthilfe geben. Und wir forderten das Karenzgeld, das Kindergeld für alle.

Ich erinnere mich auch an die Debatte hier im Saal, daran, dass die damalige Frauenministerin Prammer mir einfach ins Gesicht sagte: Ihre Selbständigen brauchen keine Unterstützung. Ihr könnt eure Kinder immer im Hinterkammerl so nebenbei großziehen. – Das ist Ihre "Kammerlfrauenpolitik", meine Damen und Herren von der SPÖ! Frau Kollegin Schicker sagte mir damals, die Selbständigen hätten überhaupt kein Recht, zu fordern, sie zahlen ja überhaupt nichts in den Familienlastenausgleichsfonds ein. (Bundesrätin Schicker: Haben sie auch nicht!) Liebe Frau Kollegin Schicker! Das zeugt von Ihrer Unwissenheit in Bezug auf das Gewerberecht. Wir zahlen wie alle anderen rund 5 Prozent, 4,8 Prozent, in den Familienlastenausgleichfonds ein, genau dasselbe wie jeder andere. Da ist leider Ihre Unkenntnis. (Bundesrat Konecny: 5 Prozent von was!) Sie zahlen auch nicht mehr, wir zahlen dasselbe. (Bundesrat Konecny: 5 Prozent von was!) Da müsste ich weiter ausholen, angefangen bei der Unfallversicherung und so weiter. (Bundesrat Konecny: Bitte das nicht! Bitte ersparen Sie uns das!)

Heute, nach der Offenlegung des Budgets, wissen wir, welchen Schuldenberg Sie uns hinterlassen haben. Ihre Schuldenanhäufung wollen Sie uns immer damit erklären, dass Sie so viel gemacht haben. Wissen Sie, was Sie gemacht haben? – Sie haben uns eine Million Menschen an der Armutsgrenze überlassen, darunter befinden sich sehr viele junge Familien, meine Damen und Herren von der SPÖ! – Das ist Ihre Hinterlassenschaft, abgesehen von dem Schuldenberg.

Wissen Sie, was Sie noch gemacht haben? – Sie haben den Familienlastenausgleichsfonds ausgerottet bis aufs Letzte. Sie haben dieses Geld nie dafür verwendet, wofür es eigentlich gedacht war. Aber das wird jetzt von Sozialminister Haupt geändert, und das vertragen Sie einfach nicht, meine Damen und Herren! Das ist Ihre Politik. (Bundesrat Winter: Ihr betreibt so eine gute Politik, dass ihr schon 17 Prozent habt!)

Ich glaube, Sie sind nun einmal eine Neinsager-Partei geworden. Sie sagen zu allem, zu jedem Vorschlag einfach nein. Sie sagen nein zum Kindergeld, Sie sagen nein zum Nulldefizit, Sie sagen nein zur ORF-Reform, Sie sagen nein zur Sozialversicherungsreform, Sie sagen sogar nein zur "Abfertigung neu", die gerade Ihre Kollegen besonders begünstigt, und Sie sagen auch nein zu einer Behindertenmilliarde, meine Damen und Herren von der SPÖ! Das ist Ihre Strategie: zu allem nur nein sagen. Das ist Ihre Politik, meine Damen und Herren!

Ich kann Ihnen wirklich nicht oft genug sagen, was Sie unserem Volk "angetan" haben. Sie haben die Lohn- und Einkommensteuer erhöht, Sie haben die Tabaksteuer, die Umsatzsteuer, die Versicherungssteuer erhöht. Sie haben drei Mal die Rezeptgebühren erhöht. (Bundesrat Thumpser: Die Stenographen müssen das alles zu Papier bringen?) Sie haben eine Energieabgabe auf Strom und Gas eingeführt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie haben das Pflegegeld, das Bausparen, den allgemeinen Absetzbetrag gekürzt. – Das war Ihre Arbeit als Regierungsverantwortliche, meine Damen und Herren! (Bundesrat Thumpser: Die Stenographen müssen wahre Künstler sein, was sie da schreiben müssen!)  – Sie haben schon Recht, wir müssen schon Künstler sein, um all das zurechtbiegen zu können. Aber dank dieser Regierung und dank der Regierungsarbeit werden wir es auch schaffen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das von den Freiheitlichen geforderte neue Prinzip der Wahlfreiheit in der österreichischen Familienpolitik wird durch die Einführung dieses Kinderbetreuungsgeldes für alle Mütter und für alle Väter im Gegensatz zu dem, was Frau Melitta Trunk gesagt hat, verwirklicht. Das Kinderbetreuungsgeld ist von der Erwerbsarbeit abgekoppelt und ersetzt das bisherige Karenzgeld, das eine reine Versicherungsleistung war. Das Kinderbetreuungsgeld ist damit eine reine Familienleistung und finanziert sich ausschließlich aus den Mitteln des Familienlastenausgleichsfonds. Der Familienlastenausgleichsfonds ist so konstruiert worden – damit Sie das sicher ver


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stehen –, dass er sich bereits von selbst umverteilt, und zwar in zwei Richtungen – ich glaube, wenigstens das ist im Sinne der sozialdemokratischen Idee –: von jenen, die keine Kinder haben, zu jenen, die Kinder haben, und von den Reicheren zu den Ärmeren. Ich hoffe, dass Sie dieser Grundidee des Familienlastenausgleichsfonds doch auch zustimmen können. (Bundesrat Manfred Gruber: Sie machen es genau umgekehrt! Prinzhorn bekommt jetzt auch das Geld!)

Ich glaube, dass die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes auch für unsere Wirtschaft sehr gut ist. Erfahrungsgemäß wird diese Geldleistung, in deren Genuss vorwiegend junge Familien kommen, wieder unmittelbar die regionale oder lokale Kaufkraft erhöhen.

Natürlich gibt es so wie bei anderen Maßnahmen auch beim Kinderbetreuungsgeld Stichtage, an denen die Regelungen des Kindergeldes in Kraft treten. Das Kinderbetreuungsgeld des Bundes bis zu drei Jahre wird für Kinder gewährt, die ab dem 1. Jänner 2002 geboren werden. Für Kinder, die zwischen dem 1. Juli 2000 und 31. Dezember 2001 geboren wurden und für die ein Anspruch auf Karenzgeld besteht, wird ebenfalls das Kinderbetreuungsgeld gewährt.

In Fällen, in denen es auf Grund der alten Karenzregelung zu Nachteilen gegenüber dem neuen Kindergeld kommt, sollen Übergangslösungen gefunden werden. Und jetzt, meine Damen und Herren von der SPÖ, sind Sie gefordert, sind auch die Länder gefordert. Ich ersuche Sie, unsere Forderungen in den Ländern wirklich zu unterstützen. Wir schlagen vor, jenen Müttern und Vätern, deren Kinder zwischen 1. Juli 2000 und 31. Dezember 2001 geboren wurden, als Übergangslösung ab 1. Jänner 2002 ein Landeskindergeld zu gewähren. Bei Frühgeburten schlagen wir vor, pro Tag, an dem das Kind vor dem errechneten Geburtstermin zur Welt gekommen ist, soll ein Einmalzuschuss in Höhe von 300 S gewährt werden. Für Zwillingsgeburten soll es für die Dauer mindestens eines Jahres je Monat 2 000 S zusätzlich vom Land geben, bei Drillingsgeburten soll sich diese Summe auf 3 000 S erhöhen.

Das Pflegegeld betreffend – wir haben leider auch sehr viele Behindertenbabys – schlagen wir Änderungen im Jugendwohlfahrtsgesetz vor, die erstens den Bezug von Pflegegeld auch vor dem dritten Lebensjahr verpflichtend regeln und zweitens vorsehen, dass auch behinderte Kinder vor dem dritten Lebensjahr eine außerfamiliäre Betreuungseinrichtung besuchen können. Und wir schlagen auch für die Frühförderung von behinderten Kindern vor, ein Konzept für den Ausbau einer flächendeckenden Versorgung mit interdisziplinären Frühförderungen zu erstellen.

Bezüglich Betriebskindergärten und Saisonkindergärten – das ist auch für die Wirtschaft und gerade für den Tourismusbereich besonders wichtig – sollen gemeinsam mit dem Familienressort attraktive Anreize zur Errichtung von Betriebskindergärten, Saisonkindergärten geschaffen werden.

Wir reden auch von "Flying Nannys". Ein Konzeptfördermodell für "Flying Nannys" soll vom Familienressort ausgearbeitet werden. Wir schlagen auch einen Familienzuschuss anlässlich des Schuleintritts und auch beim Schulwechsel von der Grundstufe in die Sekundärstufe vor.

Meine Damen und Herren, gerade von der SPÖ! Ich möchte Ihnen vorschlagen, dem Beispiel Oberösterreichs zu folgen und auch in "Ihren" Ländern dafür zu sorgen, dass solche Dinge umgesetzt werden. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

11.51

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Würschl. – Bitte.

11.51

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, dass mein Fraktionsvorsitzender und meine Fraktionskollegen es mir nachsehen, auf so viel Unsinn meiner Vorrednerin nicht einzugehen, weil ich einige eigene Ideen hier einbringen will. (Beifall bei der SPÖ.)


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679. Sitzung / Seite 272

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich höre von den Vertretern der Regierungsparteien jetzt bereits etliche Male das Wort "Familienleistung". (Bundesrat Dr. Böhm: Ist es ja auch!) Es ist mir unerklärlich (Bundesrat Dr. Böhm: Vielleicht verstehen Sie es nicht!), wie man dieses Wort in den Mund nehmen kann, wenn man sich nämlich vergegenwärtigt, wie diese Bundesregierung mit den heutigen Steuerzahlern, mit den heutigen Familien umgeht, nämlich diese Familien abkassiert, zum Beispiel durch erhöhte Mieten, zum Beispiel durch überhöhte Gebühren, Selbstbehalte, Studiengebühren ab 1. Oktober diesen Jahres, höhere Energiepreise. (Beifall bei der SPÖ.) Und auch eine Krankensteuer, Herr Gesundheitsminister, in Form der Ambulanzgebühr wurde eingeführt. Das bedeutet, dass innerhalb von kurzer Zeit die österreichischen Familien mit mehr als 40 Milliarden Schilling abkassiert wurden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist für mich ungeheuerlich, dass man dann davon redet, eine "Familienleistung" im Ausmaß von etwa 9 Milliarden Schilling anzubieten, die ab dem 1. Jänner 2001 beim Fenster undifferenziert hinausgeblasen werden. (Bundesrat Steinbichler: Das ist soziale Kälte der neuen Regierung, Herr Kollege!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Kärnten wurde hier schon ein paar Mal genannt, Kärnten wurde ein paar Mal positiv von den Sprechern der Regierungsfraktionen genannt. Das für mich Ungeheuerliche daran ist, dass vor der letzten Landtagswahl in Kärnten im Jahr 1999 Plakate affichiert wurden, auf denen stand – das "einfache Parteimitglied" hat das gesagt –: Wenn ich Landeshauptmann in Kärnten werde, dann kann man in den nächsten Monaten 6 000 S auf sechs Jahre abholen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben den Kärntner Familien Geld vorenthalten, sie um die Hälfte geprellt. Ich frage Sie: Warum zahlen Sie das den Kärntner Familien nicht aus? (Beifall bei der SPÖ.)

Auf einen Punkt möchte ich ein bisschen genauer eingehen: Durch die Einführung des Kindergeldes mit 1. Jänner des kommenden Jahres schaffen Sie auch das Karenzgeld ab. Auch das ist für mich ungeheuerlich. Frauen, die beim "Billa" oder wo auch immer arbeiten, die 10 000 S, 12 000 S, 13 000 S als Frisörin oder was auch immer verdienen, zahlen Geld ein, damit sie eine Versicherungsleistung bekommen, nämlich das Karenzgeld, das Sie jetzt abschaffen und durch das Kindergeld ersetzen. Sehr geehrte Damen und Herren! Warum bezahlen Sie diesen Frauen das Karenzgeld nicht zusätzlich zum Kindergeld aus? (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben andere Sorgen, ich weiß. In Kärnten wohnt eine liebe Frau, eine Wolfsbergerin, Milliardärsgattin, am Wörthersee. Dieser Frau bezahlen Sie Kindergeld aus. – Es ist für mich als Sozialdemokrat eine Provokation, Steuergelder für solche Frauen zur Verfügung zu stellen! Von unseren Geldern! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist für mich auch ungeheuerlich, dass KarenzgeldbezieherInnen, die heute einen Familienzuschlag bekommen, weil sie sozial schwach gestellt sind, in Zukunft von Ihnen weniger bekommen. – Aber Frau Flick bekommt das Kindergeld!

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde Sie bitten, dafür Sorge zu tragen, dass in Österreich wieder eine soziale Dimension in die Politik einzieht. Die SPÖ hat vorgeschlagen, für 1,8 Millionen Kinder, die heute in Österreich leben, die Familienbeihilfe zu erhöhen. Ich bin auch nicht ganz damit einverstanden, dass man das undifferenziert macht, aber es ist bürokratisch natürlich schwierig, hier soziale Staffelungen herbeizuführen. Aber wenn wir die Familienbeihilfen, so wie wir das vorschlagen, mit 5 000 S pro Kind und pro Jahr vorsehen, würde das im Jahr in etwa 10 Milliarden Schilling kosten, und das wäre gerechter und vor allem sinnvoller, weil die Kinder im Alter von drei Jahren nicht aufhören, Geld zu kosten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde Sie auch bitten, die Sache mit den Kinderbetreuungsplätzen ernst zu nehmen, denn berufstätige Eltern haben heute sehr oft nicht die Möglichkeit, ihre Kinder pädagogisch entsprechend betreut unterzubringen. Wir haben einen großen Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen.


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 273

Bevor Sie also undifferenziert Gelder beim Fenster hinausschmeißen, sozial nicht gerechtfertigt, finanzieren Sie bitte zusätzliche Kinderbetreuungsplätze. Das würde den Frauen mehr nützen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

11.57

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Was mir an der Debatte heute im Gegensatz zu der gestrigen gefällt, ist, dass es um ein politisches Thema geht, bei dem tatsächlich unterschiedliche politische Positionen von unterschiedlichen politischen Parteien aufeinander treffen. Gestern war der Tag davon geprägt, dass die Sozialdemokratie in Sorge ist, dass wir mit einer schwarz-blauen Mehrheit den ORF ähnlich beeinflussen könnten, wie das die Sozialdemokratie die letzten 30 Jahre hindurch gemacht hat, und das hat Nervosität ausgelöst. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Manfred Gruber: Eine 27-Prozent-Partei hat 100 Prozent vom ORF! Und die FPÖ merkt das nicht!)

Heute führen wir eine ganz andere Debatte, denn heute geht es um Gesellschafts- und Familienpolitik, und – so die Erfahrung seit vielen Jahren – da gehen die Positionen einfach auseinander, was auch in Ordnung ist. Die Menschen in diesem Land wissen, dass es die jetzt zur Diskussion stehende Reform im Familienbereich mit der Sozialdemokratie in der Regierung nicht gegeben hätte. Sie werden dieses Thema vermutlich im nächsten Wahlkampf thematisieren und die Abschaffung des Kindergeldes als entsprechenden Wahlkampfheuler und Straßenfeger bringen, und somit wird diese Position dann auch bei der Bevölkerung zur Abstimmung stehen.

Mich irritiert, wenn man immer wieder den Anspruch erhebt, dass man alle Frauen vertritt. Ich würde zum Beispiel nie den Anspruch erheben, alle Männer oder alle Familien zu vertreten. Man kann auch nicht ein Gesellschaftsbild fix vorgezeichnet auf den Tisch legen und glauben, so, wie man es sich vorstellt, muss es sein.

Ich für meinen Teil kann sagen, dass meine Kinder noch sehr klein sind, deswegen habe ich sehr viel Kontakt mit anderen Familien, deren Kinder auch sehr klein sind, und alle, die Kinder haben – eigentlich alle, denn es waren alle vermutlich einmal Kinder –, wissen, dass das jene Zeit ist, in der man sich mit anderen Familien trifft, sehr viel über die Kinder, über die Erziehung und natürlich auch über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und über die Prioritäten diskutiert.

Selbstverständlich ist jede einzelne Familie unterschiedlich. Ich sage das jetzt nicht, weil es bei mir zu Hause so ist, dass sich meine Frau gerne dafür entschieden hat, die ersten Jahre bei den Kindern zu sein. Dass deswegen konsequenterweise jede andere Frau genauso denken muss, wäre ein wirklich überheblicher Anspruch. Aber genauso darf ich berichten, dass ich sehr viele Familien kenne, in denen die Frau sehr bewusst diese Zeit – insbesondere, solange die Kinder klein sind – zu Hause bei den Kindern verbringen möchte.

In dem Zusammenhang sollten wir alle, so denke ich, etwas toleranter sein, wenn es die einen so und die anderen anders machen (Bundesrätin Schicker: So ist es!), so wie sich diejenige, die unbedingt arbeiten möchte und vielleicht auch muss, dazu entschließt. Auch darin kann der Unterschied bestehen, manchmal lässt es die soziale Situation nicht zu, ein anderes Mal ist es ... (Bundesrat Gasteiger: Die meisten "müssen", nicht "wollen"! Weil sie der Staat so aussackelt! So ist es!) Ich möchte mich jetzt nicht darauf einlassen, welche Gruppe die meiste ist und wer in welches Gesellschaftsbild hineingehört. Es gibt solche und solche. (Bundesrat Gasteiger: Ein großer Prozentsatz!) Es gibt Frauen, die arbeiten gehen wollen, es gibt Frauen, die arbeiten gehen müssen, es gibt Frauen, die nicht arbeiten gehen wollen, und es gibt auch Männer, die nicht arbeiten gehen wollen.


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 274

Generell ist es so: Jede einzelne Familie soll für sich das Recht haben, sich selbst zu überlegen, was sie für ihre Lebensplanung am sinnvollsten findet. (Bundesrätin Kainz: Das Recht und die Möglichkeiten!)

Wenn man sich geschichtlich anschaut, wie es zu diesem Kindergeld gekommen ist, dann zeigt sich, dass es bei zwei Parteien – bei der Freiheitlichen Partei der Kinderscheck, bei der Volkspartei das Karenzgeld für alle – in den Wahlprogrammen enthalten war und dass man im Rahmen von Verhandlungen – auch die Sozialdemokratie nimmt das, so wie eigentlich wir alle hier in dem Raum, die Koalitionserfahrung haben, immer für sich in Anspruch – zu einem Kompromiss gekommen ist, auch in der Richtung, dass man darüber nachdenkt und sagt: Klar, mit drei Jahren hören die Kinder nicht auf, Kinder zu sein. Dass man dann von einem Tag auf den anderen das Geld nicht mehr brauchen würde, ist etwas, was berechtigtermaßen zur Diskussion steht.

Das war auch im Rahmen der Verhandlungen ein Punkt, den man diskutiert hat: Ist es nicht klüger, die Kinderbeihilfe stärker zu erhöhen und beim Kindergeld zu reduzieren? – Dem steht wiederum das andere Argument gegenüber, dass alle wissen, dass vor allem die ersten drei Jahre – das wird von vielen Kinderpsychologen bestätigt, aber man braucht kein Psychologe zu sein, um zu wissen, wie hilfebedürftig ein Kind von ein bis drei Jahren ist – eine besondere Zeit sind. Deswegen ist die Priorität gesetzt worden, dass man diese besondere Zeit, in der die Kinder ganz klein sind und über die ich schon viele Menschen habe sagen hören: Genießt das, diese Zeit kommt nie wieder!, intensiv mit den Kleinstkindern verbringen möchte.

In dem Zusammenhang glaube ich, dass die vorliegende Gesetzesmaterie, der vorliegende Gesetzentwurf auf sehr viele dieser Punkte Rücksicht nimmt, weil darin eine Wahlmöglichkeit für die Frauen, für die Männer und für die Familien geboten wird.

Da hier von Frau Kollegin Trunk vermerkt worden ist, dass über die Väter noch zu wenig gesprochen worden ist, möchte ich sagen: Sie haben es zwar berechtigterweise in die Diskussion eingebracht, dass so wenig von den Vätern die Rede ist, aber sooft ich Sie reden höre, reden Sie auch zu 97 Prozent von den Frauen. Dann fällt Ihnen kurzfristig etwas ein, und das wird daraufhin zum Kritikpunkt erhoben.

Selbstverständlich – und ich glaube kaum, dass das hier über Parteigrenzen hinweg zu Missverständnissen führen wird – ist die Rolle des Vaters auch sehr wichtig. Ich halte es nicht für besonders von Bedeutung, zu bewerten, ob sie gleich wichtig wie die der Mutter oder zwei bis drei Prozentpunkte niedriger oder höher ist. In jedem Fall wissen wir, dass es Familien gibt, die besser funktionieren, und solche, die schlechter funktionieren. Selbstverständlich ist auch das wiederum unterschiedlich, was Kindern an Zeit zur Verfügung gestellt wird, was ihnen von den Eltern oder auch von der Großfamilie an Hinwendung gegeben wird. In Bezug darauf ist es sicherlich ein Vorteil, dass wir hier an Flexibilität gewonnen haben.

Ich darf sagen, ich habe mich selten so über ein Gesetz gefreut wie über dieses. Es gab in der Auseinandersetzung mit der Opposition eine wirkliche politische Debatte, weil es tatsächlich um unterschiedliche gesellschaftspolitische Positionen gegangen ist und weil es auch zeigt, dass es doch noch einen Unterschied ausmacht, welche Parteien am Ruder sind. (Bundesrat Gasteiger: Als dritte Partei! Als 27-Prozent-Partei!) Das können wir, die wir in der Regierung sind, für uns in Anspruch nehmen, und es kann die Opposition für sich in Anspruch nehmen, dass sie hier eine andere Position hat; es war eine sehr politische Maßnahme. Aber am meisten freut es mich natürlich für die österreichischen Familien und am allermeisten für die kleinen Kinder. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.06

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Klamt. – Bitte.

12.06

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die meisten Argumente, die bisher


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von der SPÖ gegen das Kindergeld vorgebracht worden sind, sind in Wirklichkeit Argumente für das Kindergeld. Das von Herrn Bundesrat Würschl zitierte so genannte "einfache Parteimitglied", unser gemeinsamer Landeshauptmann Jörg Haider, hat ganz einfach etwas zusammengebracht, was der Sozialdemokratie in den letzten Jahren kaum gelungen ist: Er hat ein politisches Versprechen gehalten und eingelöst. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Wert der Leistung, die eine Frau, eine Mutter und auch ein Vater erbringen, wenn sie Kinder fürsorglich betreuen und erziehen, ist mit Geld nicht aufzuwiegen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Kärnten entwickelt sich in vielen Bereichen zu einem Musterland. Meine Kollegin Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann hat es schon ausgeführt: Das Kinderbetreuungsgeld kann kein Gegenwert für die Leistungen der Mütter und der Väter sein, aber es ist zumindest ein Zeichen der Anerkennung.

Mit diesem Kinderbetreuungsgeld geben wir den Frauen und den Familien mehr finanziellen Bewegungsspielraum in der Organisation des Familienlebens. Die besten Kinderbetreuungsplätze und die besten Schulen können die Betreuung in der Familie nicht ersetzen. 6 000 S pro Kind und pro Monat sind eine gute Investition in die Zukunft unserer österreichischen Familien.

Es wird auch interessant sein, zu beobachten, wie schnell sich brauchbare Alternativen zur teuren staatlichen Kinderbetreuung entwickeln werden. Wir müssen den Müttern und den Vätern in Österreich nur vertrauen. Sie werden die Chancen, die sich über das Kinderbetreuungsgeld ergeben, zu nützen wissen.

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Ich habe heute Früh den gestrigen Tag Revue passieren lassen, und ich meine, dass Sie in weiten Bereichen ganz einfach Ideen nachhängen, die aus meiner Sicht Karl Marx nicht so gemeint haben kann (Heiterkeit bei den Freiheitlichen), die im Kommunismus ganz einfach gescheitert sind und die im Sozialismus in die Jahre gekommen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Sie haben in den letzten Jahrzehnten immer nach dem Leitbild des französischen Absolutismus agiert: "Der Staat bin ich", der Staat ist die SPÖ. (Bundesrätin Kainz: Der Staat ist das einfache Parteimitglied!) In Frankreich hat das im ausgehenden 18. Jahrhundert zur Revolution geführt, in Österreich zum Regierungswechsel. (Heiterkeit und Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es tut Ihnen ganz einfach weh, dass wir nach den langen Jahren der SPÖ-Regierung Modelle entwickeln, die die Einflussnahme des Staates zurücknehmen und den Menschen in Österreich freiere Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Das tut Ihnen weh! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Der Regierungswechsel in Österreich war ganz einfach notwendig, auch in Ihrem Sinne, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Sie haben gestern in dieser dringlichen Anfrage aus meiner Sicht bewiesen, dass Sie wirklich Fundamentalopposition betreiben. Ich meine, dass das jene Bürgerinnen und Bürger, die Ihnen heute noch vertrauen, wirklich nicht verdient haben. Sie wären gut beraten, wenn Sie schnell lernten, konstruktive Oppositionspolitik zu betreiben und brauchbare Alternativen aufzuzeigen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Zurückkommend zum Kindergeld: Es ist wichtig, dass diejenigen, die kein oder nur ein halbes Karenzgeld erhalten – Hausfrauen, Studentinnen, Selbständige, Bäuerinnen, geringfügig Beschäftigte und freie Dienstnehmerinnen –, dieses Kinderbetreuungsgeld beziehen können. Die Betreuungsleistung der Eltern wird honoriert, die Wahlfreiheit vergrößert und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eindeutig verbessert. Die Möglichkeit, bis zu 200 000 S pro Jahr dazuzuverdienen, erleichtert für Mütter und Väter das Aufrechterhalten des Kontaktes zum Betrieb. Pensionsbegründende Beitragszeiten – das haben Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, nicht zusammengebracht – und entsprechende Adaptierungen im Arbeitsrecht runden dieses positive Bild ab.


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Natürlich kann es immer noch Verbesserungen geben, aber man hat aus meiner Sicht den Rahmen des Möglichen voll ausgeschöpft. Mit dem Kinderbetreuungsgeld ist der Koalition ein familienpolitischer Meilenstein gelungen, der wirklich europaweit herzeigbar ist! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Gruber. – Bitte. (Bundesrat Gasteiger: Es spricht der Herr Bürgermeister!)

12.14

Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Frau Präsidentin! Herr Minister! Herr Familienminister! Hoher Bundesrat! Befürchtungen sind wahr geworden, liebe SPÖ-Frauen: Das Kindergeld kommt! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Sehr geehrte Damen und Herren! Als Vater von fünf Buben ist für mich die Regierung leider um 15 bis 20 Jahre zu spät gekommen – das bedauere ich sehr. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Gasteiger: Sagen Sie, um was es geht! – Weitere Zwischenrufe.)

Sozialpolitik heißt für uns, auch für armutsgefährdete Gruppen etwas zu tun. Die Steuerreform 2000 und das jetzige Kinderbetreuungspaket stellen das größte Armuts-Vorbeugeprogramm der letzten Jahrzehnte dar. Die Beschränkungen, die Alleinerzieher gezwungen haben, an der Armutsgrenze zu leben, werden durch die höheren Zuverdienstgrenzen endlich beseitigt. Im Kinderbetreuungsgeldpaket werden auch unsere Forderungen, die beim letzten Familienpaket 1999 durch die anderen Parteien verhindert wurden, vollständig umgesetzt; der Herr Minister und meine Vorredner haben das mit der Kinderbeihilfenerhöhung und so weiter schon angeführt.

Ich kann noch dazusagen: Ab 1. 1. 2002 wird es den Mehrkindzuschlag in der Höhe von 500 S für das dritte Kind geben. Das heißt, eine Familie mit mehr Kindern wird dadurch 2003 jährlich erheblich mehr als 1999 bekommen. Der von uns, von der ÖVP, geforderte und vom Verfassungsgerichtshof bestätigte gerechte Ausgleich zwischen Erwerbstätigen mit Kindern und solchen ohne Kinder wurde damit hergestellt.

Herr Würschl – momentan ist er wieder einmal nicht in diesem Raum –, was ist gerechter: ein Kindergeld für die so genannte und beispielhaft angeführte Frau in Höhe von 6 000 S oder – wie er das gemeint hat – die Familienbeihilfe in der Höhe von 5 000 S, und das wären dann, weil diese angeführte Frau Zwillinge hat, insgesamt 10 000 S? – Da frage ich Herrn Würschl, was sozial gerechter ist. Ich glaube, unser Kindergeldmodell ist sozial ausgewogener.

Sehr geehrte Damen und Herren! Alle jungen Familien und Alleinerzieher erhalten in den schwierigen Jahren nach der Geburt eines Kindes – unabhängig von einer früheren Berufstätigkeit – nun endlich eine finanzielle Abgeltung für erbrachte Betreuungsleistungen. Damit werden jetzt alle schwierigen Pflege- und Betreuungsleistungen nicht nur von älteren Personen, sondern auch von Kleinstkindern ohne Bindung an eine Erwerbstätigkeit abgegolten. Das ist gut so!

Das Kindergeldpaket ist ein wichtiger Meilenstein in der österreichischen Sozialpolitik, mit dem von der SPÖ-Ideologie verursachte soziale Härten endlich beseitigt werden. Der jahrelange Einsatz von uns hat sich gelohnt und wird dazu beitragen, dass der Generationenvertrag längerfristig gesichert ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Kainz: Mit dem Kindergeld?)

12.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinbichler. – Bitte.

12.18

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nach Herrn Kollegen Gruber mit seinen fünf Buben könnte man fast Minderwertigkeitskomplexe bekommen, da ich einen Buben und drei Mädchen habe. Aber ich bin trotzdem sehr glücklich. (Bundesrätin Kainz: Das war auch tief jetzt!) Franz,


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du warst nur zu schnell – nicht die Politik war zu langsam, sondern du warst zu schnell! Ich darf aber später noch darauf zurückkommen, warum du trotzdem nicht zu schnell warst.

Ich denke, zur heutigen Thematik und zur Thematik Kindergeld ist das Wesentliche schon gesagt worden. Ich habe nur die Sorge, dass jetzt besonders seitens der Opposition der Fehler gemacht wird, dass wir nur die Haare in der Suppe suchen und zu wenig das Gesamte sehen.

Frau Kollegin Kainz hat einleitend nur von den Müttern, die außer Haus berufstätig sind, gesprochen und das besonders betont. (Bundesrätin Kainz: Sie haben mir nicht zugehört!) Ich denke, wir sollten nicht zwischen Müttern unterscheiden, sondern wir sollten von der gesamten Anzahl der Mütter sprechen und uns darüber freuen – egal, ob berufstätig oder nicht berufstätig, egal, ob Schülerin, Studentin, Bäuerin, Gewerbetreibende oder Hausfrau. (Bundesrätin Kainz: Sie haben mir nicht zugehört!) Wir sollten endlich stolz darauf sein, dass dieser gewaltige Meilenschritt des Kindergeldes Realität wird!

Ich muss selbst aus eigener Erfahrung sagen: Mir persönlich war es unverständlich. Bei unseren ersten zwei Kindern war meine Gattin auf Grund der Tatsache, dass sie Schneiderin im Angestelltenverhältnis, also im Arbeitnehmerverhältnis, war, Karenzgeldbezieherin. Durch die Heirat mit mir hat sie als Bäuerin dann aber für das dritte und vierte Kind kein Karenzgeld bekommen. (Bundesrätin Kainz: Da hat sie halt nicht mehr gearbeitet!) Das sind so diese typischen Fälle, die jetzt mit dem Kindergeld ausgeglichen werden. Das habe ich nur erwähnt, damit man den Unterschied allein in einer Familie sieht. Frau Kollegin Kainz! Natürlich ist es so – das ist das Ziel des Kindergeldes –, dass jetzt auch eine Hausfrau diese 6 000 S bekommt.

Aber was wollen wir generell? – Ich glaube, wir sollten doch wegkommen von dieser materiellen Diskussion, von dieser Diskussion, dass wir das Familienleben bis in das letzte Winkelchen, bis zum Schlafzimmernachtkästchen regeln wollen. Ich denke, wir wollen freie Familien. Das schätze ich so an dieser heutigen Zeit – vielleicht schätzen wir es deshalb zu wenig, weil es uns zur Gewohnheit geworden ist –, dass ich mit meiner Gattin frei entscheiden kann, wie viele Kinder wir haben wollen, welche Berufswünsche die Kinder verwirklichen können. Leben wir nicht in einem herrlichen Land?! Ist das nicht ausgezeichnet?! (Bundesrat Winter: Durch 30 Jahre Sozialdemokratie!) Oder ist es uns zur Gewohnheit geworden, und deshalb schätzen wir es nicht mehr?

Ich sage eines dazu: Meine Gattin hat sehr oft darunter gelitten, dass sie von diversen Personen, oftmals auch von Frauen, eher so abwertend belächelt angesprochen wurde: Was? Vier Kinder! Das tust du dir an?

Da heute das Wort "Karriere" gefallen ist: Ich denke, das ist eine großartige Karriere, wenn sich eine Frau zur Familie bekennt, zur Erziehung bekennt und wenn es ihr in der heutigen Zeit, in der so viele Einflüsse auf die Jugendlichen einwirken, gelingt, diese Kinder dann wohl vorbereitet in das Leben hinauszuschicken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Was erlebe ich jetzt – damit komme ich wieder zu Kollegen Gruber zurück und bin als werdender Großvater besonders sentimental in dieser Diskussion, denn so Gott will und alles gesund bleibt, bin ich bei der nächsten Bundesratssitzung Großvater (Bundesrat Bieringer: Uns bleibt nichts erspart! – Heiterkeit bei der ÖVP)  –, was erlebe ich jetzt nochmals wohltuend? – Meine 23-jährige Tochter, die bereits im Mutterschutz ist, kommt fragend zur Mutter und holt sich dort ihre Information. Ich erlebe, wie das Wertgefühl bei beiden Personen steigt, wie schön solch ein Familienverband funktioniert.

Ich habe es gestern bereits angesprochen, und ich denke, das ist das ganz Wesentliche. Ich verstehe es daher nicht, dass heute in dieser Wohlstandszeit so viele Menschen auf dieses Glücksgefühl verzichten. Wir haben alle Formen von Krisen, von der Midlifecrisis angefangen bis zu all den Beziehungskrisen. Psychiater, Eheberater, Lebensberater und Planungsberater haben Hochsaison. Aber die beste soziale Gemeinschaft, die bestfunktionierende Gemeinschaft, die Familie, wird so vernachlässigt.


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Ich habe hier die ganz aktuellen Zahlen. Zufällig hat heute in den "Oberösterreichischen Nachrichten" unser Familienlandesrat Landeshauptmann-Stellvertreter Hiesl die beinharte Realität veröffentlicht. Erschütternd ist der Familienbericht. Ich lese nur die Einleitungssätze: "Von einer intakten, glücklichen Familie träumen nicht nur die Teenager, sondern auch Politiker. Doch die Realität schaut anders aus: weniger Geburten, dafür mehr Scheidungen als je zuvor, Tausende Alleinerzieher, wechselnde Partnerschaftsbeziehungen und mittendrin die Kinder, die mit wechselnden Bezugspersonen auch kein leichtes Leben haben."

Kolleginnen und Kollegen! Ich könnte hier noch einige beinharte, knallharte Zahlen anführen: wie stark die Ehen zurückgehen, wie stark die Geburtenraten zurückgehen, wie schnell das Alter steigt, in dem noch jemand bereit ist, in eine Ehe einzutreten.

Die Summe all dieser Entwicklungen insgesamt ist es, die die Probleme der heutigen Zeit verursacht. Deshalb bin ich stolz darauf und freue mich mit den Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion und der Regierungsparteien, dass dieser Meilenstein Kindergeld gelungen ist, dass es uns gelungen ist, diese ganz wichtige Anerkennung von öffentlicher Seite, womit Erziehung zur Leistung erhoben wurde, durchzusetzen. Wir werden mit Freude zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.25

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Giesinger. – Bitte.

12.25

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP; Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es stimmt einfach nicht, Frau Bundesrätin Schicker, dass die Unternehmerin Betriebshilfe, Kinderbetreuungsgeld und Teilzeitbeihilfe gleichzeitig bekommt. Ich möchte das hier berichtigen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.)

Die Betriebshilfe ist praktisch das Wochengeld, das heißt die acht Wochen vor und die acht Wochen nach der Geburt. Die Teilzeitbeihilfe hat sie nach diesen acht Wochen bekommen. Wenn die Unternehmerin nun das Kinderbetreuungsgeld beantragt und bekommt, erhält sie keine Teilzeitbeihilfe mehr.

Ich möchte Sie daher ersuchen, sich in Zukunft ganz genau zu erkundigen und nicht Behauptungen in den Raum zu stellen, die den Anschein erwecken, als ob die Unternehmerin oder Bäuerin mehr bekäme als die anderen. Ich finde es zutiefst bedauerlich, dass Sie immer noch nicht verstanden haben, dass wir alle im gleichen Boot sitzen und im gegenseitigen und nur im gegenseitigen Miteinander sinnvoll und gut leben können.

Abschließend möchte ich erwähnen, dass mit diesem Kinderbetreuungsgeld auch für Unternehmerinnen eine langjährige Forderung von Frauen in der Wirtschaft erfüllt ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung .

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .


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32. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (58. Novelle zum ASVG) (624 und 726/NR sowie 6400/BR und 6437/BR der Beilagen)

33. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (25. Novelle zum GSVG) (625 und 727/NR sowie 6438/BR der Beilagen)

34. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (24. Novelle zum BSVG) (626 und 728/NR sowie 6401/BR und 6439/BR der Beilagen)

35. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird (729/NR sowie 6402/BR und 6440/BR der Beilagen)

36. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (28. Novelle zum B-KU VG) (627 und 730/NR der Beilagen sowie 6403/BR und 6441/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 32 bis 36 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird,

ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird und

ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 32 bis 36 hat Herr Bundesrat Dr. Nittmann übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.


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Berichterstatter Dr. Klaus Peter Nittmann:
Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht zu Tagesordnungspunkt 32 liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich daher auf die Verlesung des Antrages.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Seien Sie bitte so freundlich und bringen Sie gleich alle Berichte, weil wir sie unter einem debattieren.

Berichterstatter Dr. Klaus Peter Nittmann: Ich bringe den Bericht über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird (25. Novelle zum GSVG). Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich beschränke mich auf den Antrag.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird (24. Novelle zum BSVG). Auch hier liegt Ihnen der Bericht in schriftlicher Form vor, und ich komme sogleich zum Antrag.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird. Auch dieser Bericht liegt Ihnen in Schriftform vor.

Der Antrag lautet: Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Letztlich komme ich zum Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird (28. Novelle zum B-KUVG).

Der Antrag lautet: Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die, wie gesagt, über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Bachner. Ich bitte sie ans Rednerpult. (Ruf bei der ÖVP: Ihre Plakette haben Sie vergessen! – Bundesrätin Bachner  – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich habe Sie bei mir auf dem Tisch liegen! Sie hat nur leider nicht gehalten, sonst hätte ich sie jetzt noch aufgesteckt! – Ruf bei der ÖVP: So schwach seid ihr schon! – Bundesrätin Bachner: Ja manchmal funktioniert so etwas leider halt auch nicht!)

12.31

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Das österreichische Gesundheitssystem hat bei den Versicherten bis dato größte Wertschätzung. Im internationalen Vergleich sind die Leistungen des Gesundheitswesens qualitativ hochwertig und kostengünstig. Gesundheit ist wichtig, sie braucht jedoch die notwendigen finanziellen Mittel, besonders für moderne Behandlungstechniken, für bessere technische Ausstattung und vieles mehr. Verbunden mit dieser Verbesserung sind eine höhere Erfolgsquote bei den Heilungschancen und eine steigende Lebenserwartung, die wir alle hoffentlich noch genießen können.

Nicht in jedem Fall stimmt jedoch das Preis-Leistungs-Verhältnis. Das gilt zum Beispiel für die Medikamentenkosten. Allein in vier Jahren gab es bei diesen eine Kostensteigerung von 60 Prozent. Ich als Gewerkschaftsvertreterin würde mir wünschen, dass einmal das Pflegepersonal solch eine Steigerung in diesem Zeitraum erhalten würde.

Die Verantwortungsträger in den Sozialversicherungen haben mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, die Kostenexplosion einzudämmen, jedoch unterstützt von Seiten der Regierung, obwohl dieser die Gestaltungskompetenz zukäme, wurden sie nicht. Ganz im


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Gegenteil! Weder Sie, Herr Minister, haben dementsprechend regulierend bei den Medikamentenkosten eingegriffen noch der Herr Finanzminister bei der Frage der Mehrwertsteuer-Rückvergütung bei den Spitälern. Sein Argument bei einem Gespräch mit dem Präsidenten des Hauptverbandes war wie folgt: Mir ist es lieber, ihr habt ein Defizit, als ich habe es.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht nur, dass die Regierung bei all diesen Fragen zur Eindämmung der Kosten ihrer Aufgabe nicht nachgekommen ist, hat sie noch ein Schäuferl nachgelegt und mit einigen Gesetzesbeschlüssen die dortige Finanzsituation noch verschärft.

Ich zähle Ihnen einige auf:

Einnahmenverlust durch die nicht vollständige Abgeltung der Mehrwertsteuer auf Medikamente: 750 Millionen Schilling;

Beitragssenkung bei den Arbeitgebern: 1 Milliarde Schilling;

zusätzliche Mittel zur Budgetentlastung zur Spitalsfinanzierung: 550 Millionen Schilling;

Budgetbegleitgesetz: Verringerung der Zahlungen der Pensionsversicherung an die Krankenversicherungen: 150 Millionen Schilling;

Zinsverlust durch Verlängerung der Zahlungsfrist der Sozialversicherungsbeiträge um drei Tage: 100 Millionen Schilling;

Senkung der Beitragsgrundlage bei Zivildienern: 67 Millionen Schilling:

Das Kinderbetreuungsgeld, das heute schon sehr bejubelt wurde, wird die Kassen weitere 800 Millionen Schilling kosten.

Fast zeitgleich zu diesen Maßnahmen, die die Kassen belasten, kam es für die Versicherten auch zu einer Reihe von Belastungen, die jedoch nicht die Gebarung der Kassen verbessern sollten, sondern zur Abdeckung des Budgetdefizits umgeschichtet wurden. Ich erinnere nur an drei Punkte: Erhöhung der Rezeptgebühr: 600 Millionen Schilling, Ambulanzgebühr: 450 Millionen Schilling, Streichung der Mitversicherung: 850 Millionen Schilling. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Präsident des Hauptverbandes machte einen Fehler, besser gesagt einen zweiten, denn einen hatte er schon: Er war Sozialdemokrat. (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Er machte den Fehler und begann, die Vorgangsweise und die Maßnahmen der Regierung zu kritisieren. Von diesem Zeitpunkt an wurde, eingeleitet durch die Frau Vizekanzlerin, eine Vernichtungskampagne, wie sie noch nie da gewesen ist, gegen Hans Sallmutter eingeleitet. (Bundesrat Dr. Böhm: Vernichtung ist schon etwas anderes!) Das war eine Personenjagd meiner Meinung nach. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Hoscher.  – Bundesrat Dr. Böhm: Mir kommen die Tränen, Herr Generaldirektor! – Bundesrat Mag. Hoscher: Genau das Gleiche haben wir in den dreißiger Jahren auch gehört!)

Anfänglich beteuerten Sie, Herr Minister – das ist nachweisbar –, zwar noch immer, Sie könnten Herrn Sallmutter nichts vorwerfen, Sie hätten auch keine Probleme mit ihm, doch diese Standfestigkeit haben Sie nur sehr kurze Zeit bewahrt, denn sehr bald haben Sie sich leider auch den anderen angeschlossen. Hans Sallmutter wurde jegliche Kompetenz abgesprochen. Es wurde ihm zum Beispiel vorgeworfen, er könne die Verwaltungskosten nicht eindämmen, die EDV sei unzulänglich, es gelinge ihm nicht, zu vereinheitlichen. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Seit zehn Jahren gibt es kein funktionierendes EDV-System!)

Frau Kollegin! Darf ich Ihnen als Bonmot am Rande berichten: Wenn das stimmt, was Sie hier behaupten und was leider auch von den Verantwortungsträgern der Regierung behauptet wird, dann wundert mich, dass gerade dieses EDV-System für die künftige EDV-Ausstattung der Parlamentarier herangezogen wird. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)


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679. Sitzung / Seite 282

Meine sehr geehrten Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Das betrachte ich als gefährliche Drohung. Wir werden uns auf einiges gefasst machen müssen. (Bundesrätin Kainz: Wer wird denn da zurücktreten müssen?) Das wird sich noch herausstellen. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. ) Frau Kollegin! Das stimmt ganz einfach nicht. (Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Na ja, es sind auch nicht alle Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion Trotteln. Entschuldigen Sie, Frau Kollegin! So würde ich das nicht bezeichnen, wie Sie das tun. Aber ich verlange keine Entschuldigung. (Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Ich habe ja nur gefragt!) Ersparen Sie sich Ihre Fragen! Sie mögen es auch nicht, wenn man untergriffig wird. Wir wollen das auch nicht. (Ruf bei der SPÖ: So ist es! – Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann: Fragen wird man doch dürfen!)

Weiters wurde Hans Sallmutter jeglicher Reformwille abgesprochen, obwohl genau zu diesem Zeitpunkt der ÖGB und die Arbeiterkammer mit der Wirtschaftskammer Vorschläge zur Organisationsreform vorgelegt haben, die der Selbstverwaltung im Sinne der Beitragszahler echte Mitwirkungsmöglichkeiten erlauben würden und dem Hauptverband selbst eine schlanke Organisationsstruktur sichern hätte können. Anfangs wurde dieses Reformpapier auch von Ihnen, Herr Minister, als sehr gutes Papier bezeichnet. Sie haben damals behauptet, Sie hätten momentan kein besseres zur Verfügung (Oh-Rufe bei der SPÖ) , und auf Grundlage dieses Papiers könnte man die besagte Reform beginnen.

Dann ging es sehr rasch. Plötzlich war das Papier vom Tisch. Ab diesem Zeitpunkt war es für uns im ÖGB klar, dass es der Regierung gar nicht um eine Reform geht, sondern um die Zerschlagung eines gut funktionierenden Systems. Dieses System hatte jedoch auch nur einen Fehler: Die Mehrheit hatten dort die Sozialdemokraten, und diese waren einfach im Weg, sie waren im Weg bei der Umsetzung eines einzigen Zieles: Ziel der Regierung war und bleibt, das Versicherungssystem von der Pflichtversicherung hin zur Versicherungspflicht zu führen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ziel dieser Regierung ist auch, höhere Selbstbehalte für Versicherte einzuführen – das steht auch im Regierungsübereinkommen –, und ein solidarisches System soll zur Belastung der einzelnen Versicherten hingeführt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Regierung hat ihre Legitimität immer wieder damit begründet, dass sie aus demokratischen Wahlen hervorgegangen ist, sie schreckt aber nicht davor zurück, in Bereichen, in welchen auch demokratische Wahlen stattgefunden haben, und zwar bei der Arbeiterkammer, bei der das Wahlergebnis nicht so ausgegangen, wie es sich die Regierungsmitglieder gewünscht hätten, das jedoch für die Entsendung in die Selbstverwaltung maßgeblich ist, das Wahlergebnis durch Anlassgesetzgebung umzudrehen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Bieringer: Aus 57 Prozent 100 Prozent machen! – Bundesrat Gasteiger  – in Richtung des Bundesrates Bieringer –: Aus 27 Prozent 100 Prozent machen – das ist Demokratie? – Weitere Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und der ÖVP.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach (das Glockenzeichen gebend): Am Wort ist Kollegin Bachner.

Bundesrätin Roswitha Bachner (fortsetzend): Ich würde hier behaupten, obwohl ich eigentlich gar nicht so polemisch werden wollte, aber die Zwischenrufe fordern mich immer wieder dazu heraus: Gerade die ÖVP wird es wissen, wie man mit wenigen Mandaten auch in eine Regierung kommt! (Ironische Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )

Herr Kollege Bieringer! Ich verstehe Ihre Aufregung überhaupt nicht. Sie wissen, Aufregung steigert das Cholesterin, und dieses ist sehr gefährlich. Der Herr Minister wird das bestätigen.

Meine Damen und Herren! Beim künftigen Verwaltungsrat, der übrigens auf 14 Mitglieder aufgestockt wird, erfährt – und das stellt wieder Ihre Vorgangsweise unter Beweis – die fraktionelle Mandatsverteilung eine deutliche Ausweitung zugunsten der ÖVP. Auf der


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Arbeitnehmerseite wird ein Mandat von der FSG zu den Freiheitlichen verlagert. Der Anteil der Arbeitnehmer an den Erwerbstätigen beträgt über 80 Prozent, im Verwaltungsrat sind sie jedoch lediglich mit 43 Prozent vertreten. Der Anteil der Selbständigen an den Erwerbstätigen beträgt 6,8 Prozent, diese sind im Verwaltungsrat jedoch auch mit 43 Prozent vertreten. (Oh-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrat Thumpser: Demokratie pur!)

Weiters ist für uns überhaupt nicht nachvollziehbar, warum die Gruppe der Bauern und die Gruppe der Beamten einen privilegierten Vertretungsanspruch eingeräumt bekommen.

Ein weiterer Punkt in dieser Regierungsvorlage sind die Unvereinbarkeitsbestimmungen. Die Unvereinbarkeitsbestimmungen verhindern eine adäquate Entsendung der Interessenvertretung. Praktisch kann niemand von den Interessenvertretern mehr mitreden. All jene, die der Politik dieser Bundesregierung gefährlich werden könnten, schließen diese Unvereinbarkeitsbestimmungen aus. Das gilt jedoch nur für die Selbstverwaltung. Bei der ÖIAG kann jeder Wirtschaftstreibende auftreten, dort gibt es keine Unvereinbarkeitsbestimmungen. (Oh-Rufe des Bundesrates Gasteiger.  – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der ÖGB hat am 5. Juli 2001 mit Zustimmung aller im ÖGB-Bundesvorstand vertretenen Fraktionen eine Demonstration durchgeführt. Diese Demo wurde unter dem Titel "DEMO für DEMOKRATIE" geführt. 50 000 Menschen sind zu dieser Demo gekommen. All diese Menschen haben ihren Unmut über die Vorgangsweise dieser Bundesregierung kundgetan. Sie haben die Regierungsmitglieder aufgefordert, am 6. Juli die soziale Sicherheit durch den Beschluss der 58. Novelle zum ASVG nicht zu gefährden und die Vorschläge der Sozialpartner zu verhandeln.

Aber nein, einen Tag danach setzt sich diese Bundesregierung über alle Argumente hinweg und beschließt dennoch diese Novelle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern hat der ÖGB-Bundesvorstand wieder mit den Stimmen aller Fraktionen – ausgehend von der Vorgangsweise der Bundesregierung – beschlossen, eine Urabstimmung unter allen ÖGB-Mitgliedern im Herbst durchzuführen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Grundzüge dieses Beschlusses beziehen sich auf die soziale Entwicklung Österreichs und enthalten die notwendigen Kampfmaßnahmen. Ich habe mir erlaubt, Ihnen einen Brief vorzulegen, ich gebe auch bekannt, dieser Brief wurde nach einem Beschluss im Bundesvorstand durch Kollegen Fritz Neugebauer, Vertreter der christlichen Fraktion, gestern geordert, und dafür schätze ich ihn zutiefst. (Die Rednerin stellt ein Taferl mit der Aufschrift "Ich appelliere an den Bundesrat, diesem Gesetz nicht zuzustimmen! Vizepräsident Fritz Neugebauer" vor sich auf das Rednerpult.) Ihre Fraktion hat gestern im Bundesvorstand des ÖGB erkannt, wie wichtig dieses Thema ist.

Der Inhalt dieses Briefes dokumentiert noch einmal in Kurzform, was ich bereits ausgeführt habe. Weiters hat der ÖGB-Bundesvorstand angeregt – das wurde einstimmig beschlossen –, durch Kollegen Neugebauer an Sie die Aufforderung zu richten, Ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken und dieser Gesetzesvorlage die Zustimmung zu verweigern. (Bundesräte der SPÖ halten weitere Taferl desselben Inhalts wie das oberwähnte in die Höhe.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben heute die Möglichkeit, zu zeigen, dass es Ihnen nicht um Parteiinteressen geht, sondern um die soziale Sicherheit der Menschen in Österreich. Ich ersuche Sie eindringlich: Springen Sie über Ihren Schatten! (Beifall bei der SPÖ.)

Springen Sie über Ihren Schatten, und erheben Sie gegen diesen Beschluss Einspruch! (Beifall bei der SPÖ. – Die Rednerin schickt sich an, das oberwähnte Taferl vom Rednerpult zu entfernen. – Bundesrat Konecny  – an die Rednerin gerichtet –: Lass es stehen! Vielleicht kann


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sich einer der Kollegen dafür erwärmen! – Bundesrat Bieringer  – an die Rednerin gerichtet –: Geh, nehmen Sie das Taferl weg!)

Ich verlese nun den Antrag:

Antrag

der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR auf Erhebung eines Einspruches gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (58. Novelle zum ASVG) (624 und 726/NR sowie 6400/BR d. B.)

Die unterzeichneten Bundesräte stellen den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (58. Novelle zum ASVG), Einspruch zu erheben.

*****

(Beifall bei der SPÖ. – Die Rednerin lässt das oberwähnte Taferl auf dem Rednerpult stehen. – Bundesrat Bieringer: Bitte, zur Geschäftsordnung!)

12.48

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte.

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsidentin! Ich würde Sie bitten, zu veranlassen, dass das Taferl entfernt wird.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Bitte, dann werden wir das veranlassen. (Bundesrat Bieringer: Wir sind in keiner Taferlklasse! Ich bitte, die Bediensteten zu ersuchen, das wegzunehmen! – Rufe und Gegenrufe bei der SPÖ und ÖVP.)

Es ist ein Bediensteter des Hohen Hauses bereits auf dem Weg. Es hat, soweit ich das beurteilen kann, wirklich jeder hier im Saal schon mitbekommen, worum Herr Präsident Neugebauer bittet. (Das auf dem Rednerpult stehende Taferl wird entfernt.)

Ich teile noch mit, dass der von den Bundesräten Roswitha Bachner und Genossen eingebrachte Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das ASVG geändert wird, Einspruch zu erheben, samt der gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates beigegebenen Begründung, genügend unterstützt ist und demnach auch mit in Verhandlung steht.

Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

12.49

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wollte an und für sich nicht so früh in der Debatte das Wort ergreifen, aber einiges an den Aussagen der Erstrednerin der Sozialdemokratischen Partei hat mich dazu bewogen, mich jetzt sofort zu Wort zu melden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hinsichtlich der Geschichte des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger und insbesondere der Geschichte der Sozialpartnerschaft in der Zweiten Republik darf ich Sie auf ein Buch hinweisen, das nicht diese Bundesregierung verfasst hat, sondern der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger selbst, und zwar aus Anlass seines 100-jährigen Jubiläums, nämlich "100 Jahre Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger".

Wenn Sie sich die Gründungsgeschichte des Hauptverbandes von 1949 bis zum heutigen Tag vergegenwärtigen, dann werden Sie feststellen, dass sich die Sozialpartnerschaft ursprünglich


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paritätisch konstituiert hat, so wie sie sich auch nach der 58. ASVG-Novelle paritätisch in den Gremien des Hauptverbandes wiederfinden wird.

Ich darf Frau Kollegin Bachner auch darauf aufmerksam machen, dass die bäuerlichen Berufsstände sogar bis zum Jahre 1994 innerhalb des Hauptverbandes zwei Vertretungsgremien innegehabt haben, und zwar in Form von Ausschüssen, und dass diese erst durch die Reform des Jahres 1993/94 unter sozialdemokratischer Mehrheit in der damaligen Bundesregierung aus dem Hauptverband wegrationalisiert wurden, sodass man sagen kann, dass es sich hiebei um kein Privileg handelt, da – wenn man sich die Geschichte des österreichischen Hauptverbandes ansieht, so wird man dies feststellen können – eine systemimmanente Vertretung des bäuerlichen Berufsstandes von Anfang an innerhalb des Hauptverbandes und auch innerhalb der Berufsvertretungen aller Bürger in diesem Staate gegeben war.

Sehr geehrte Frau Kollegin Bachner! Sie haben auch die Bauern insgesamt angesprochen. Ich möchte diese Gelegenheit nützen, das zu korrigieren, was sehr viele aus der österreichischen Gewerkschaft in den letzten sechs bis acht Monaten völlig wahrheitswidrig behauptet haben, dass nämlich die österreichischen Bauern Schuld daran hätten, dass das Defizit des Jahres 2000 in der vollen Höhe auf Grund des Anspruches der Bauern, aus dem Ausgleichsfonds des Hauptverbandes Mittel zu bekommen, hervorgerufen wurde.

Ich darf Sie wirklich bitten, im Interesse aller Bürger in Österreich diese Verunsicherungspolitik einzustellen, denn es ist Tatsache, dass der bäuerliche Berufsstand erst ab dem Jahre 2002 Mittel aus dem Ausgleichsfonds bekommt. Daher ist es niemandem in Österreich einzureden, dass im Jahre 2000 das Defizit des Hauptverbandes durch den bäuerlichen Berufsstand verursacht wurde, wie mehrfach von Vertretern des Hauptverbandes und mehrfach von Vertretern des Österreichischen Gewerkschaftsbundes meiner Ansicht nach völlig wahrheitswidrig behauptet wurde. Diese Behauptung widerspricht den tatsächlichen Zuständen innerhalb des Hauptverbandes und der tatsächlichen Gestion des Hauptverbandes, also den wirklichen Gründen, warum es zu diesem Defizit gekommen ist. Das wollte ich hier dezidiert festgestellt haben.

Ich darf Sie in diesem Zusammenhang, Frau Kollegin Bachner, darauf hinweisen, dass es einen Rechnungshofbericht aus dem Jahre 1999/2000 gibt, in dem der seinerzeitige Stillhaltepakt innerhalb der Sozialpartnerschaft von 1996 bis 1999 untersucht wurde. Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass es im Vorlauf zu den Nationalratswahlen 1999 – das kann man in diesem Rechnungshofbericht nachlesen – evident geworden ist, dass es erst mit dem Aufbruch des Stillhalteabkommens und mangels von Einsparungseffekten zu massiven Kostenexplosionen innerhalb des Hauptverbandes und innerhalb der einzelnen Sozialversicherungsträger gekommen ist.

Ich darf Sie weiters darauf hinweisen, dass nicht von meinem Ministerium, sondern von maßgeblichen Mitarbeitern einer großen österreichischen Hardware- und Softwarefirma innerhalb des Hauptverbandes das so genannte White-Paper erarbeitet worden ist. Daran haben im Übrigen, sofern die Informationen stimmen, auch ehemalige Mitarbeiter des Kabinetts der Kollegin Hostasch mitgearbeitet. Dieses Papier weist insgesamt ein Einsparungspotenzial im EDV-Bereich innerhalb des Hauptverbandes und der einzelnen Sozialversicherungsträger in mehrerer Milliardenhöhe nach.

Ich darf Sie auch darauf hinweisen, sehr geehrte Frau Kollegin Bachner, dass, wenn man 1997/98 nach Vorliegen der KPMG-Studie bereits begonnen hätte, die Vorschläge umzusetzen, auch nach Meinung der Sozialpartner genügend Geld im System vorhanden wäre, um medizinische Leistungen auf hohem Niveau und mit besseren Rückzahlungen den Versicherten in Österreich zur Verfügung zu stellen.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass der Hauptverband seit drei Jahren nicht in der Lage ist, ein von allen österreichischen Universitäten unterstütztes Projekt in Bad Aussee zur Einrichtung einer psychosomatischen Klinik nach deutschem Vorbild zu genehmigen. So wie sich derzeit das Projekt darstellt, kämen die Gesamtkosten auf 287 Millionen Schilling. Damit könnte in einer


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zentralen Lage Österreichs in einer gemeinsamen klinischen Betreuung sehr vielen Hilfesuchenden in Österreich endlich das angeboten werden, was in Nachbarländern durchaus medizinischer Standard ist, nämlich eine sechs- bis zwölfwöchige psychosomatische Betreuung, unterstützt von allen drei österreichischen Universitäten, nämlich der Universität Wien, der Universität Innsbruck und der Universität Graz.

Dieses Projekt hätten wir uns leisten können, wenn der Hauptverband die 386 Millionen Schilling an versprochenem Einsparungspotenzial des Jahres 2000 – das ist der berühmte Sickl-Brief – in seinem Bereich lukriert hätte.

Ich mache Sie auch darauf aufmerksam, dass es innerhalb der Krankenversicherungsträger durchaus Gewerkschafter gibt, die kritisch anmerken, dass sich manche Sozialversicherungsträger in den letzten Jahren nicht an die Einsparungsziele gehalten haben. Manche haben jedoch die Einsparungsziele auch im Interesse der Versichertengemeinschaft tatsächlich lukriert und konnten daher mehr Leistungen im präventiv-medizinischen Bereich für die Versicherten anbieten.

Ich darf Sie weiters darauf hinweisen, dass Sie Unrecht haben, wenn Sie behaupten, dass diese Bundesregierung im Medikamentenbereich keine Unterstützung gewährleistet hat. Ich darf Sie auch darauf aufmerksam machen, dass Frau Kollegin Sickl und Herr Staatssekretär Waneck im vorigen Jahr mit der Pharmaindustrie ein Einsparungspotenzial von zunächst 500 Millionen Schilling – dieses wurde im Übrigen mit mehr als 680 Millionen Schilling mehr als übererfüllt – und für die derzeitige Periode ein solches von 1,5 Milliarden Schilling vereinbart haben.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass, nachdem die Pharmaindustrie und die Apotheker ihr erstes Einsparungspotenzial im Gegensatz zum Hauptverband und den dort Verantwortlichen übererfüllt haben, auch das zweite Einsparungspotenzial von 1,5 Milliarden Schilling zur Senkung des derzeitigen Defizits von 3,2 Millarden Schilling – Stand: 31. Mai dieses Jahres – voll eingehalten wird.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass unser Ministerium auch im Bereich des Einsparungspotenzials bei den Medikamenten durchaus tätig war. So konnten bei den ärztlichen Hausapotheken laut den Zahlen des Hauptverbandes – Bilanzierung 31. Mai dieses Jahres – mehr als 200 Millionen Schilling lukriert werden.

Ich darf Sie weiters darauf hinweisen, dass mit der Ärzteschaft endlich die EDV-mäßige Umstellung, die auch nach Ansicht aller Gewerkschafter und aller Verantwortlichen innerhalb des Hauptverbandes langfristig mit mehreren hundert Millionen Schilling Verwaltungseinsparung zu beziffern ist, vereinbart werden und mit einem genauen Umsetzungs- und Terminplan versehen werden konnte.

Ich darf Ihnen auch mitteilen, dass im ganzen Verhandlungspaket derzeit ein Volumen auf dem Tisch liegt, das die 3,2 Milliarden Schilling Defizit, mit Stand: 31. Mai 2000, im Laufe dieses und des nächsten Jahres knapp abdecken wird.

Ich darf Sie weiters darauf hinweisen, dass in der Öffentlichkeit wahrheitswidrig behauptet worden ist, dass wir Liquiditätsprobleme Mitte dieses Jahres haben, obwohl Rücklagen in Milliardenhöhe bei den Sozialversicherungsträgern nicht nur nachweislich vorhanden, sondern auf Grund der Abrechnungen, die später nachgereicht worden sind, als der gesetzliche Termin war, auch evident sind.

Ich glaube nicht, dass wir den österreichischen Versicherten etwas Gutes tun, wenn wir sie mit falschen Zahlen und mit unrichtigen Darstellungen verunsichern. Ich glaube, es wäre besser, im Interesse der Versichertengemeinschaft an einem Strang zu ziehen.

Nun zu den Vorwürfen, dass jetzt undemokratische Zustände im Hauptverband eingerichtet werden. Die sozialdemokratischen Gewerkschafter haben bei den Arbeiterkammerwahlen in etwa 57 Prozent der Stimmen erzielt. Sie werden von den sieben Mandaten, die die Arbeit


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nehmervertreter im Hauptverband in Zukunft haben werden, vier Mandate besetzen. Diese vier Mandate machen genau diese 57 Prozent aus, die sie bei den Arbeiterkammerwahlen erreicht haben.

Ich glaube daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass jetzt endlich den Wahlergebnissen Rechnung getragen wird, indem nicht diejenigen, die bei den Wahlen 57 Prozent der Stimmen erhalten haben, 100 Prozent der Mandate besetzen, wie es in der Vergangenheit der Fall war. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie glauben, dass der Vorschlag, dass sich die drei stimmstärksten Fraktionen der jeweiligen Wahlkörper – Wirtschaftskammer auf der einen Seite und Arbeiterkammer auf der anderen Seite – nun im Verwaltungsrat demokratisch vertreten fühlen sollen, ein Kuriosum und ein Foul an der Demokratie wäre, so darf ich Sie darauf hinweisen, dass seit einigen Jahren in der Mehrzahl der österreichischen Bundesländer 4 Prozent und in manchen Bundesländern 5 Prozent die Zulassungshürde sind, um in den Landtagen vertreten zu sein.

Es gibt noch ein einziges Bundesland, nämlich das Bundesland Kärnten, das auf Grund eines Verfassungsgerichtshoferkenntnisses die Grundmandathürde mit etwa 9 bis 12 Prozent, je nach Abgabe der Stimmen in den einzelnen Sprengeln, als Zugangshürde hat.

Ich glaube daher, dass es unserer österreichischen Demokratie – von den Landtagen über das Parlament, den Nationalrat – systemimmanent ist, ab einer gewissen Stärke auch in den entsprechenden Entscheidungskörpern vertreten zu sein.

Die gleiche Philosophie, die Grundlage der Demokratie in Österreich auf Landes- und auf Bundesebene ist, gilt nunmehr auf Grund der 58. ASVG-Novelle auch für den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Ich erblicke darin keine Abweichung von der österreichischen Demokratiepraxis, sondern endlich deren Umsetzung – die Umsetzung einer Demokratiepraxis, die sich auf Landes- und auf Bundesebene bewährt hat – auch im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich habe weder mit Herrn Kollegen Sallmutter noch mit Herrn Dr. Probst, noch mit anderen Repräsentanten des Hauptverbandes irgendwelche Probleme, im Interesse der Versichertengemeinschaft in Österreich ordnungsgemäße Arbeitsgespräche zu führen. (Rufe bei der SPÖ: Oha!) Aber, sehr geehrte Damen und Herren, ich sage auch in aller Klarheit: Jene Herren – Damen gibt es in diesen Funktionen leider noch immer nicht –, die glauben, dass sie auf Grund ihres Fachwissens für den österreichischen Hauptverband unverzichtbar sind, werden sich infolge der scharfen Trennung zwischen Nationalratsmandaten und anderen Funktionen im Hinblick auf die Unvereinbarkeit entscheiden müssen, ob sie für den Hauptverband tatsächlich unverzichtbar sind und sich daher um die gleiche Position im Hauptverband bewerben werden, oder aber ihre anderen Tätigkeiten erfüllen wollen, etwa als Obmann einer Teilgewerkschaft, als Nationalratsabgeordneter oder als Abgeordneter zum Europaparlament. (Bundesrat Würschl: Da gehören zuerst die Burschenschafter vom Ministerbüro hinausgeschmissen! Das wäre wichtiger!)

Sie könnten sich auch dazu entschließen, eventuell eine Funktion in einer sonstigen ausschließenden Wahlvertretungsbehörde auszuüben, wie etwa Obmann der bäuerlichen Standesvertretung innerhalb der Krankenversicherung zu sein. Sie müssen sich nun aber für die eine oder andere Position entscheiden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, Sie alle müssen sich, wenn Sie sich einer Wahl stellen, zwei Dinge überlegen: Erstens: Werde ich mich der Wahl stellen? Zweitens: Werde ich die Rahmenbedingungen, die für mich mit dieser Wahl verbunden sind, annehmen oder nicht?

Jeder, der sich um eine Position im Hauptverband bemüht, wird sich, egal ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, wenn er die Grundvoraussetzungen hat, Versichertenvertreter zu sein, für die eine oder die andere Position entscheiden müssen. Ich glaube, es war ein vernünftiger Be


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schluss dieser Bundesregierung, von der Mehrheit des Nationalrates, in einem Bereich, der 440 Milliarden Schilling zu verwalten hat, endlich jemanden an der Spitze zu haben, der das 365 Tage im Jahr als Fulltimejob betrachtet – und nicht als ehrenamtliche Nebenbeschäftigung neben drei oder vier anderen Positionen! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: Ein Blauer muss es sein! – Bundesrat Manfred Gruber: Das ist demokratiepolitisch bedenklich, Herr Minister!)

Die Versichertengemeinschaft in Österreich hat es sich verdient, dass diese wichtige Position der Sozialpartnerschaft ein Fulltimejob ist – und nicht eine Nebenbeschäftigung oder gar, wie in der Vergangenheit gesetzlich möglich, eine Nebenbeschäftigung, die aus meiner Sicht und auch Sicht der Mehrheit im Nationalrat inkompatibel ist. (Bundesrat Winter: Das war der billigste Schmäh!) Die starren Inkompatibilitätsregelungen sind für jeden gleich (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP), ganz egal, wie er heißt, und jeder, der sich um diese Positionen bewirbt, muss sich dieser Inkompatibilität bewusst sein und entsprechend handeln. (Bundesrat Manfred Gruber: Das ist Anlassgesetzgebung!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie meinen, dass das eine Anlassgesetzgebung ist, irren Sie sich auch, denn diese "Anlassgesetzgebung", die Sie auf Kollegen Sallmutter zurechtzimmern wollen, gilt auch für eine große Anzahl von Nationalratsabgeordneten, die heute in Funktionen im Hauptverband sind und die sich ebenfalls entscheiden müssen. Ich darf als Beispiel etwa nur Kollegen Graf von meiner Fraktion anführen oder Kollegen Donabauer von der Österreichischen Volkspartei; es gibt eine ganze Reihe solcher Fälle. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Sie, sehr geehrte Damen und Herren, wollen Kollegen Sallmutter zu etwas hochstilisieren, was er nicht ist. (Bundesrat Konecny: Was ist er denn nicht?) Er wird sich, so wie die anderen Kollegen, entscheiden müssen, ob er Obmann der Gewerkschaft bleiben will oder ob er für den Hauptverband, wie er immer behauptet, unverzichtbar ist. Um nichts anderes geht es! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Das jetzige System wird fairer und auch sparsamer sein. Ich darf Sie schon daran erinnern, dass zwei Verwaltungsebenen abgeschafft worden sind und dass sich das Einsparungspotenzial auch in diesem Bereich im Vergleich durchaus sehen lassen kann.

Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass mit einem neu geschaffenen Steuerungsinstrument, in dem alle relevanten bevölkerungspolitischen Schichten vertreten sein werden, endlich auch ein Makel der Vergangenheit ausgeräumt wird. Das österreichische Krankenversicherungswesen hat nämlich im Gegensatz zur Pensionsversicherung kein paralleles Steuerungselement gehabt, das die zukünftige Entwicklung für alle Bevölkerungsschichten ordnungsgemäß evaluiert und weiter betreibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese 58. ASVG-Novelle macht endlich mit etwas Schluss, das der österreichischen Demokratie nicht immanent ist, nämlich durch einen Verstärkungseffekt mit 50 Prozent der Stimmen 100 Prozent der Macht zu haben. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Ich halte es für eine gute Entwicklung, dass sich demokratische Wahlergebnisse auch demokratisch widerspiegeln, nach dem System der österreichischen Demokratie, nach einem Mehrheitswahlsystem, das es auch kleinen politischen Gruppierungen erlaubt (ironische Heiterkeit bei der SPÖ – Bundesrat Konecny: Ganz klein, wenn es sein muss!) , wenn sie eine gewisse Grundsubstanz haben, eine Mehrheit zu erreichen. (Oh!-Rufe bei der SPÖ.)

Wenn ich mir die Wahlergebnisse der späten siebziger Jahre ansehe, sehr verehrte Frau Kollegin Bachner, dann muss ich sagen, es hat auch die Sozialdemokratie lernen müssen, mit weniger Mandaten auf Partnersuche zu gehen. Die österreichische Gesellschaft hat sich offenbar dahin gehend entwickelt, dass nach den letzten Nationalratswahlen drei ungefähr gleich starke Fraktionen im Nationalrat Einzug gehalten haben. Ich darf Sie von Seiten der Gewerkschafter schon darauf aufmerksam machen, dass etwa Kollege Nürnberger, ein prononcierter Gewerkschafter, ein Nationalratsabgeordneter, mehrfach behauptet hat, dass er als Ge


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werkschafter stolz darauf sei, maßgeblich daran beteiligt gewesen zu sein, dass sich Ihre Fraktion nicht mehr in der Regierung befindet. Wenn man als Gewerkschafter stolz darauf ist, Regierungsverantwortung nicht mehr wahrzunehmen, sehr geehrte Damen und Herren von Seiten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, die Sie auch hier im Bundesrat vertreten sind, dann sollte man die damit zusammenhängenden Konsequenzen auch mit Würde in der Öffentlichkeit vertreten, statt larmoyant zu bedauern, dass eine Bundesregierung mit einfachgesetzlichen Maßnahmen auch jene Dinge neu regelt, die einfach-gesetzlich in dieser Republik zu regeln sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben auf Basis des Vorschlages der Sozialpartner mehrere Monate lang Verhandlungen geführt. Diese Verhandlungen haben in sehr wichtigen Punkten durchaus Gleichklang gebracht, in einem einzigen Punkt allerdings nicht: eine Ausnahmeregelung für Kollegen Sallmutter zu schaffen. Und das ist gut so, denn das wäre tatsächlich eine Anlassgesetzgebung gewesen, die diese Bundesregierung nicht haben will.

Sie wissen es ja, weil Sie sich immer gut vorbereiten: In der entsprechenden Sitzung des Sozialausschusses, die mehrere Stunden gedauert hat, hat mir Ihre Fraktion 99 Fragen gestellt. Ich habe die 99 Fragen auch während dieser Sitzung des Sozialausschusses beantwortet, und ich darf Sie schon auch darauf hinweisen, dass das, was Sie, Frau Kollegin Bachner, hier in der Diskussion gesagt haben, eindeutig und klar durch die Beantwortung dieser 99 Fragen widerlegt wurde.

Ich darf Sie etwa darauf hinweisen, dass diese Bundesregierung bei den Medikamenten die Kostensteigerungsrate senken konnte. Im Jahr 1999, als Sie noch in der Regierung waren, waren es 25,6 Milliarden, was eine Steigerung von 13,3 Prozent bedeutet, bis zum Jahr 2000 mit 27,1 Milliarden betrug die Steigerung 5,7 Prozent, und im Jahr 2001 sind 4 Prozent zu erwarten.

Ich glaube, dass sich eine Senkung der Steigerungsrate von 13,3 Prozent unter Ihrer Regierungsverantwortung auf 4 Prozent unter unserer Regierungsverantwortung – gemeinsam mit der Österreichischen Volkspartei – durchaus sehen lassen kann. Ich glaube daher, dass wir in diesem Bereich deutlich bewiesen haben, dass wir die Kosten für Medikamente auch am Verhandlungstisch zu reduzieren bereit sind.

Ich sage auch sehr klar, wir sind in Österreich immer bereit gewesen, mit der Sozialpartnerschaft die Dinge am Verhandlungstisch zu lösen. (Bundesrat Manfred Gruber: Schon lange nicht mehr!) Die Sozialpartner haben sich immer ausbedungen, dass sich das Ministerium in ihre Verhandlungspouvoirs innerhalb des Hauptverbandes nicht einmischen darf.

Ich frage Sie: Warum haben Sie jetzt den großen Wunsch an das Ministerium, sich hier lenkend – und ich würde fast sagen, nach einem verblichenen System der Oststaaten – einzumischen, wenn Sie auf der anderen Seite in den vergangenen sechs Monaten dieses Jahres ständig bedauert haben, von Sallmutter angefangen bis zu Nürnberger und was weiß ich wem noch, dass das Ministerium dem Hauptverband zu wenig Freiheit gibt?

Am Verhandlungstisch, mit den Verhandlungspartnern, mit den Ärzten, mit der Pharmaindustrie, mit den Apothekern, mit den anderen Heilberufen, hat der Hauptverband eigentlich den Spielraum für Verhandlungen gehabt. Ich weiß auch von sehr vielen aus den Krankenversicherungen in den Ländern, dass in manchen Bundesländern, auch unter sozialdemokratischer Führung, wie etwa in Oberösterreich, die Verhandlungspartner vor Ort weitaus besser waren als die Herren im Hauptverband. (Bundesrätin Bachner: Da ist die Struktur eine andere, Herr Minister!)

Kollege Oberchristl soll Ihnen einmal in einem Privatissimum über seine Erfolge am Verhandlungstisch berichten, und dann vergleichen Sie damit die Verhandlungserfolge des Hauptverbandes. Dann diskutieren wir weiter, Frau Kollegin Bachner! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Wir haben innerhalb des Hauptverbandes mit der Controlling-Gruppe ein zeitgemäßes Instrument der begleitenden Kontrolle eingeführt. Dieses zeitgemäße Instrument der begleitenden Kontrolle hat als Erstes auch einmal ein faires Benchmarking innerhalb der Krankenversicherungsträger eingeführt, das nachweist, in welcher Relation die Verwaltungsaufwendungen zu den Leistungen für die Versicherten zu sehen sind. Ich würde Sie wirklich bitten, als Gewerkschafterin im Interesse der Versichertengemeinschaft alles daranzusetzen, dass jene Krankenversicherungsträger, die schlechte Leistungen für ihre Versicherten erbringen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hohe Verwaltungsbenefizien bieten, endlich umdenken und faire Bezahlung den Leuten innerhalb der Krankenversicherungsträger und gute, ja bessere Leistungen als heute den Versicherten anbieten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.) Dann hätten wir einen Gleichklang im Interesse der Versichertengemeinschaft, und darum würde ich Sie bitten, wenn es Ihnen wirklich um die Versicherten in Österreich und um ein faires Sozialversicherungssystem geht.

Wenn Sie meinen, dass wir auf dem Weg zur Pflichtversicherung sind (Bundesrätin Bachner: Nein, zur Versicherungspflicht!): Sie wissen genauso gut wie ich, dass in meinem Hause eine Arbeitsgruppe eingerichtet ist, die einmal überhaupt erheben soll, ob sich unter den strengen Prämissen – kein Ausschluss für chronisch Kranke, kein Ausschluss für sozial Schwache, kein Ausschluss für sozial unter die Räder gekommene Unfallopfer, seien es Privatunfälle oder Arbeitsunfälle, kein Ausschluss für Behinderte, die genetisch bedingte Defekte von Geburt an haben – ein Umstieg von der Versicherungspflicht zur Pflichtversicherung (Bundesrat Konecny: Umgekehrt, Herr Minister!) überhaupt rechnet, in welcher Richtung immer Sie das betrachten. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass unter der jetzigen Regierung der Anteil der Privatversicherungen an den Krankenanstaltenfinanzierungen geringer ist als in der Zeit, als die Sozialdemokraten die alleinige Herrschaft in diesem Staat gehabt haben. Damals waren die Beitragszahlungen, die die Menschen für notwendig gehalten haben, um die gleichen medizinischen Leistungen zu bekommen, in manchen Bundesländern fast doppelt so hoch wie heute. Kollege Würschl als Kärntner wird die Zahlen ebenso wie Kollegin Trunk für unser Bundesland kennen.

Ich glaube daher, dass wir nicht auf dem Weg zur Zwei-Klassen-Medizin sind, sondern dass diese Bundesregierung alles tun wird, um von der Zwei-Klassen-Medizin weg in Österreich wieder zu einer Medizin zu kommen, die allen Bevölkerungsschichten den gleichen Zugang zu medizinischen Leistungen auf hohem Niveau garantiert. Wenn wir uns dahin gehend verstehen, werden wir sicher eine entsprechende Mehrheit im Hauptverband haben (Bundesrat Manfred Gruber: Die haben Sie schon!) und eine gemeinsame gute, gedeihliche Arbeit leisten, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Bundesrat Manfred Gruber: Die Mehrheit haben Sie sich schon gesichert!)

Herr Kollege! Sie sollten nicht vergessen, dass jeder Arbeitnehmervertreter, der innerhalb der Arbeiterkammer gewählt worden ist, ob mit 57 Prozent oder mit 9,37 Prozent, ein Arbeitnehmervertreter ist. Wenn Sie es ernst meinen mit der Demokratie, dann können Sie nicht den Anspruch erheben, dass ausschließlich sozialdemokratische Arbeitnehmervertreter Arbeitnehmervertreter sind, genauso wie diese Bundesregierung auch für die Vertreter von Seiten der Wirtschaft nicht in Anspruch nimmt, dass ausschließlich Mitglieder des Österreichischen Wirtschaftsbundes Wirtschaftsvertreter in diesem Staate sind.

Ich glaube daher, wenn man insgesamt demokratische Maßstäbe ansetzt, kann man mit dieser 58. ASVG-Novelle kein Problem haben. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

13.17

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Gottfried Kneifel. Ich erteile ihm das Wort.

13.17

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Auf die wesentlichsten Fehleinschätzungen und


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Irrtümer der Frau Kollegin Bachner ist der Herr Bundesminister schon eingegangen. Ich kann mir daher diese Aufklärungsarbeit ersparen.

Ich möchte Frau Kollegin Bachner aber in einem Recht geben, nämlich dass wir stolz sein können auf unser gutes Sozialversicherungssystem. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Dann lasst die Finger davon!) Ich glaube, das verdient auch einen Applaus, Herr Professor Konecny! (Bundesrat Manfred Gruber: Wer hat es eingeführt? Das wurde nicht neu erfunden!)  – Ich komme gleich darauf zurück. Das hat eine lange Tradition, da haben Sie völlig Recht. Unser Sozialsystem hat eine gute Tradition! (Bundesrat Gasteiger: Und Sie zerschlagen das! Sie zerschlagen alles!) – Ja, genauso ist es! Diese sozialen Standards brauchen wirklich keinen Vergleich in ganz Europa zu scheuen. (Zwischenruf des Bundesrates Konecny. )

Herr Professor! Ich stehe nicht an, auch hier festzustellen, dass verantwortungsbewusste Politiker aus allen Reihen dieses Hauses – aus allen Reihen dieses Hauses! – dieses hochgradige und gute Sozialsystem in diesem Lande aufgebaut haben. Es waren Männer – um auf Ihre Frage zurückzukommen – und Frauen, Männer wie zum Beispiel ein Bundeskanzler Julius Raab, unter denen das ASVG überhaupt eingeführt wurde, und ich erwähne hier auch Ministerin Grete Rehor, Herrn Sozialminister Proksch oder Herrn Sozialminister Dallinger, die alle hier mit beigetragen haben, bis in die Gegenwart zu unserem Sozialminister Haupt. (Bundesrat Konecny: Der will wieder ein Ende dieser Entwicklung!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle haben sich bemüht, dieses soziale System weiterzuentwickeln, mit dem Ziel, es auch für nachfolgende und zukünftige Generationen tragfähig und leistungsfähig zu erhalten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Gasteiger: Das kauft euch niemand mehr ab in Österreich!)

Es ist ein Wettbewerbsvorteil für den Standort Österreich, dass Arbeitnehmer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sozial gut abgesichert und zufrieden sind mit ihren sozialen Standards und mit ihrem sozialen Versicherungssystem, und zwar deshalb, weil wir über starke und gesunde Betriebe verfügen. Das sind Leistungen, die von risikofreudigen und weitblickenden Unternehmern und von kompetenten und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesem Land erbracht werden.

Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik haben sehr vieles gemeinsam, weil eines das andere bedingt. (Bundesrat Gasteiger: Na Gott sei Dank erkennen Sie das!) Ich glaube, dass wir Vertrauen in dieses System und auch Vertrauen in die neue Ordnung dieses Systems haben können, die jetzt durch die 58. ASVG-Novelle herbeigeführt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Gasteiger: Jetzt wird es gefährlich, jetzt wird es heikel!) Ja, es lohnt sich aufzupassen, Herr Kollege! Es lohnt sich aufzupassen!

Jetzt ändert sich die Zusammensetzung der wichtigen Entscheidungsorgane so, dass beide Gruppen – die von mir genannten Gruppen, die es aufgebaut haben, nämlich Arbeitnehmer und Arbeitgeber –, die auch jeweils zur Hälfte die Sozialversicherungsbeiträge bezahlen, gleichberechtigt und paritätisch an den Entscheidungen beteiligt sind. Das ist endlich wirkliche Partnerschaft und echte Selbstverwaltung.

Wir können den Sozialpartnern vertrauen, und wir legen dieses neue Instrument vertrauensvoll in die Hände der Sozialpartner, die sicher ihren Beitrag leisten, ihren aktuellen Beitrag leisten werden, dass unser System weiterhin so tragfähig und leistungsstark bleiben wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schaut denn dieses System, die Neustrukturierung des Hauptverbandes und die Sitzverteilung im Verwaltungsrat, aus? – Ich glaube, es lohnt sich, dieses System genauer zu betrachten. Nach § 441b der 58. ASVG-Novelle setzt sich der Verwaltungsrat des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger aus insgesamt 14 Mitgliedern zusammen. Gemäß Abs. 1 ist zunächst je ein Mitglied von der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs und von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zu entsenden.


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Gemäß Abs. 2 verteilen sich die restlichen zwölf Sitze im Verwaltungsrat wie folgt: Je 6 Mitglieder sind von der Wirtschaftskammer Österreich und der Bundesarbeitskammer zu entsenden. Dabei ist die Bestellung nach der Summe der Mandate der einzelnen Fraktionen auf Grund der Wahlen zu den Fachgruppen und Fachvertretungen der Wirtschaftskammern beziehungsweise nach der Summe der Mandate der einzelnen Fraktionen auf Grund der Wahlen in die satzungsgebenden Organe der Arbeiterkammern der Länder, Vollversammlungen genannt, auf Vorschlag der jeweils wahlwerbenden Gruppen nach dem System d′Hondt vorzunehmen, wobei jedoch – und das ist wesentlich – jeweils die drei stimmenstärksten Fraktionen mit zumindest je einem Mitglied im Verwaltungsrat vertreten sein müssen.

Die letztgenannte Bestimmung lehnt sich an die Bestimmungen des § 31 Abs. 1 GOG-NR an, wonach in den Unterausschüssen des Hauptausschusses, zusätzlich zu den Grundsätzen der Verhältniswahl, jedoch jeweils mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss vertretenen Partei vertreten sein muss.

Ich habe mir die Mühe gemacht und im Kommentar zur Nationalratsgeschäftsordnung Atzwanger/Zögernitz und andere nachgesehen und die Anmerkung 4 zu § 31 gelesen, in der Folgendes festgestellt wird:

"Bei der Besetzung der Ständigen Unterausschüsse ist nach dem Grundsatz der Verhältniszahl vorzugehen. Die Worte ,den Unterausschüssen muß jedoch jeweils mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuß vertretenen Partei angehören‘ ... sind in dem Sinne auszulegen, daß bei den den Unterausschüssen nach dem Verhältniswahlrecht angehörenden Parteien die Festsetzung der Mitgliederzahl ausschließlich nach dem Verhältniswahlrecht zu erfolgen hat. Die im Hauptausschuß vertretenen kleinen Parteien bekommen darüber hinaus ohne Rücksicht auf die Verhältniswahl einen Sitz. Es wäre unzulässig, den kleinen Gruppen zu Lasten der großen Gruppen eine Vertretung zu gewähren. Dies wäre nämlich eine Durchbrechung des Verhältniswahlrechtes." – Zitatende.

Folgt man dieser Auslegung, so ergibt sich bezüglich der Sitzverteilung im Verwaltungsrat hinsichtlich dieser 12 Positionen Folgendes:

Bei der Aufteilung der jeweils sechs zu vergebenden Sitze ist zunächst das System d′Hondt anzuwenden und zu prüfen, ob zumindest drei Fraktionen zum Zuge kommen. Ist dies der Fall, so ergibt sich die Sitzverteilung aus den sechs größten Zahlen. Ist dies nicht der Fall, so sind zunächst jene Fraktionen, eins oder zwei, mit je einem Sitz zu beteilen, die nach dem System d′Hondt nicht zum Zuge kämen. Die verbleibenden Sitze sind nach dem System d′Hondt zu verteilen. Durch diese Vorgangsweise soll einerseits dem Stärkeverhältnis der Fraktionen Rechnung getragen, andererseits auch die angemessene Vertretung von Minderheiten gewährleistet werden.

Wenn man jetzt weiter in die Tiefe geht, ergibt sich bezüglich der von der Bundesarbeitskammer zu entsendenden Mitglieder folgendes Bild:

FSG: 482 Mandate, das ergibt die Teilungszahl 241, 160,6 und 120, 5 nach d′Hondt; ÖAAB: 232 Mandate, ergibt die Teilungszahl 116; FPÖ: 83 Mandate, ergibt die Teilungszahl 41,5; Übrige Listen: 43 Mandate. Die Gesamtsumme beträgt 840 Mandate.

Nach dieser Darstellung sind die sechs größten Zahlen: 1. 482, 2. 241, 3. 232, 4. 160,6, 5. 120,5 und 6. 116 wie oben angeführt.

Um die Vertretung der drittstärksten Fraktion zu gewährleisten, ist zunächst vorweg der FPÖ als drittstärkster Fraktion ein Mandat nach d′Hondt zuzuteilen und sind nur noch die restlichen fünf Sitze nach dem System d′Hondt zu vergeben. (Bundesrat Konecny: Die Vorarlberger Landtagssitze werden wir in Zukunft auch so vergeben! – Bundesrat Manfred Gruber: Eine eigenartige Interpretation!) Ja, so steht es im Gesetz. (Bundesrat Konecny: Ja, das ist ja absurd! Darum sind wir ja dagegen!)


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Endgültiges Ergebnis: Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter: 4 Sitze im Verwaltungsrat, ÖAAB: 1 Sitz im Verwaltungsrat, FPÖ: 1 Sitz im Verwaltungsrat. (Bundesrat Manfred Gruber: Ein geschenkter Sitz!)

Bezüglich der von der Wirtschaftskammer Österreich zu entsendenden Mitglieder ergibt sich Folgendes: Österreichischer Wirtschaftsbund: 6 922 Mandate, ergibt die erste Teilungszahl 3 461, die zweite Teilungszahl 2 307,3, dritte Teilungszahl 1 730,5 und vierte Teilungszahl 1 384,5; RFW: 1 853 Mandate, Teilungszahl 926,5; Freier Wirtschaftsverband: 841 Mandate; Industrieliste: 533 Mandate; Namenslisten 274 Mandate.

Die sechs größten Zahlen sind demnach wieder: 6 922, 3 461, 2 307,3, 1 853, 1 730,5 und 1 384,5.

Um die Vertretung der drittstärksten Fraktion zu gewährleisten, ist zunächst vorweg dem Freien Wirtschaftsverband als drittstärkster Fraktion ein Mandat zuzuteilen und sind nur noch die restlichen fünf Sitze nach dem System d′Hondt zu vergeben. (Bundesrat Dr. Nittmann: Ein geschenktes Mandat! – Bundesrat Manfred Gruber: Vice versa!)

Das ergibt folgendes Ergebnis: Österreichischer Wirtschaftsbund: 4 Sitze im Verwaltungsrat, RFW: 1 Sitz im Verwaltungsrat, FWV: 1 Sitz im Verwaltungsrat.

Der aus 14 Mitgliedern bestehende Verwaltungsrat hat deshalb folgende Sitzverteilung: Arbeitnehmerkurie 7 Sitze, die sich wie folgt verteilen: FSG: 4 Sitze, Entsendung durch die Bundesarbeitskammer; ÖAAB: 1 Sitz, Entsendung durch die Bundesarbeitskammer und 1 Sitz, Entsendung durch die GÖD; FPÖ: 1 Sitz, Entsendung durch die Bundesarbeitskammer.

Arbeitgeberkurie 7 Sitze, die sich wie folgt verteilen: Österreichischer Wirtschaftsbund 4 Sitze, Entsendung durch die Wirtschaftskammer Österreich auf Vorschlag der wahlwerbenden Gruppe; Landwirtschaftskammer: 1 Sitz, Entsendung durch die Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern; RFW: 1 Sitz, Entsendung durch die Wirtschaftskammer Österreich, ebenfalls auf Vorschlag der wahlwerbenden Gruppe; FWV: 1 Sitz, Entsendung durch die Wirtschaftskammer Österreich auf Vorschlag der wahlwerbenden Gruppe.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Das sind die Regeln, nach denen die Sitze verteilt werden, und ich glaube, das ist ein gerechtes, paritätisches System, wenn man davon ausgeht, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen zu diesem gut funktionierenden Sozialversicherungssystem in Österreich beitragen.

Ich glaube, dass die Sozialpartnerschaft für Österreich der beste Garant ist, dass dieses System in Zukunft erhalten wird. Es geht nämlich in Zukunft weniger um die Vertretung von ständischen Interessen, vielmehr wird es in Zukunft um die Vertretung ordentlicher Standortinteressen in Österreich gehen, weil wir im harten europäischen und internationalen Wettbewerb stehen. Damit ist die Sozialpartnerschaft ein wesentlicher Bestandteil einer zukunftsorientierten Staatspolitik, denn gerade für ein kleines Land wie Österreich ist es wichtig, dass Sozialpartnerschaft und damit das Prinzip des Miteinanders statt des Gegeneinanders gelebt werden. Daran, glaube ich, sollten wir auch in Zukunft festhalten.

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Eine funktionierende Selbstverwaltung im Hauptverband der Sozialversicherung hat für die ÖVP als christdemokratische Partei einen hohen gesellschaftlichen und politischen Stellenwert. Sie ist die beste Garantie für ein solidarisches Gesundheits- und Altersversorgungssystem, das allen Versicherten ein angemessenes und hohes Leistungsniveau sichert. Damit bildet sie auch eine wesentliche Voraussetzung für die Erhaltung des sozialen Friedens in unserem Lande.

Ich darf Ihnen versichern, dass die Volkspartei deshalb ein klares Bekenntnis zur Reform und damit zur Stärkung der Selbstverwaltung ablegt. Nur dadurch kann die bestehende Qualität des österreichischen Sozialversicherungssystems auch für nachfolgende Generationen dauerhaft gewährleistet werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.33


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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Nächster Redner ist Herr Bundesrat Horst Freiberger. Ich erteile ihm das Wort.

13.33

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! (Der Redner stellt eine Tafel mit einem Zitat von FCG-Vorsitzenden Fritz Neugebauer vor sich auf das Rednerpult.) Jetzt stelle ich da die Aufforderung des Herrn Neugebauer für Kollegen Bieringer hin, damit er das immer wieder in Erinnerung gerufen bekommt, was ihm sein Gewerkschaftsvorsitzender für die heutige Sitzung empfiehlt. Es können und sollen sich selbstverständlich auch andere Kolleginnen und Kollegen angesprochen fühlen. Vielleicht kommt Kollege Bieringer, Gewerkschafter und ÖAAB-Funktionär, noch einmal herein, der immer vorgibt, ein christlich-sozial denkender Mensch zu sein, und besinnt sich möglicherweise diesen Grundwerten wieder. (Ruf bei der ÖVP.) Er hat eine Besprechung mit Neugebauer? – Vielleicht wird ihn Kollege Neugebauer von dieser wichtigen Sache überzeugen, gegen diesen Gesetzesvorschlag zu stimmen. Es sollten sich viele andere auch noch angesprochen fühlen. (Weiterer Ruf bei der ÖVP.)

Nein, das glaube ich nicht, da gibt es eindeutig stärkere Persönlichkeiten. Das hat sich klar herauskristallisiert. Da wird sich Neugebauer sicherlich durchsetzen. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Polleruhs. )

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich bei Kollegen Kneifel für seine Einleitung bedanken. Selbstverständlich stelle auch ich das in den Vordergrund und an den Beginn meiner Rede, dass das österreichische Gesundheitssystem international einen ganz hohen Stellenwert hat. (Beifall bei der SPÖ.) Wir haben einen sehr hohen Standard im Gesundheitssystem. Wir haben eine kostengünstige Sozialversicherung durch Pflichtversicherung und Selbstverwaltung, das ist ganz entscheidend, und die Versicherten haben sehr niedrige Beiträge zu entrichten.

Ich kann Ihnen ein Beispiel einer vielleicht Durchschnittsfamilie oder auch nicht Durchschnittsfamilie in Österreich bringen: Eine Familie mit zwei Kindern und einem Familieneinkommen in der Höhe von 25 000 S brutto zahlt in die jetzige Sozialversicherung 850 S ein. Im Vergleich mit der Bundesrepublik Deutschland – Sie, Herr Minister, haben gesagt, dass darüber nachgedacht wird, und es steht auch im Koalitionsübereinkommen, dass man vielleicht von der Pflichtversicherung zu einer Versicherungspflicht übergeht; in der Bundesrepublik Deutschland gibt es dieses System bereits – wäre von dieser Familie für die gleichen Leistungen, die man nach dem österreichischen Sozialversicherungssystem bekommt, ein Betrag in der Höhe von durchschnittlich 1 712 S zu entrichten. Es haben nicht alle Versicherungsanstalten dieselben Tarife, aber im Durchschnitt würden 1 712 S herauskommen – im Vergleich zum österreichischen System mit 850 S.

Das sei auch einmal ganz klar gesagt, dass dieses System der Pflichtversicherung mit der Selbstverwaltung das optimalste System ist, und das hat bis jetzt auch sehr gut funktioniert. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es kommt eines dazu: Dieses Sozialversicherungssystem genießt bei den Versicherten und der Bevölkerung eine ganz hohe Akzeptanz. Es sind also die Leute gar nicht interessiert an neuen Experimenten in Richtung einer Versicherungspflicht oder in Richtung mehr Privatisierung in diesem Bereich oder in Richtung höhere Selbstbehalte. Die Leute haben in dieses Sozialversicherungssystem, in dieses Gesundheitssystem, wie es jetzt besteht, großes Vertrauen, und es zeichnet sich durch sehr hohe Akzeptanz aus.

Was machen Sie von den Regierungsparteien? – Sie verschlechtern ganz einfach Leistungen in dem System und verteuern das Gesundheitssystem für die Versicherten. Man braucht nur das Beispiel der Krankenkassen herzunehmen; Kollegin Bachner hat das bereits sehr genau dargestellt, ich möchte es nur noch einmal in Erinnerung rufen. Der Einnahmenverlust bei den Krankenkassen ist, nur was die Abgeltung der Mehrwertsteuer auf Medikamente betrifft, gewaltig. Die Beitragssenkung für die Arbeitgeber stellt einen gewaltigen Einnahmenverlust für die


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Krankenkassen dar. Die Krankenkassen müssen zusätzliche Mittel für die Spitalsfinanzierung aufbringen. Die Zahlungen der Pensionsversicherung an die Krankenkassen wurden verringert. Die Verlängerung der Zahlungsfrist für die Sozialversicherungsbeiträge auf drei Tage bringt einen gewaltigen Zinsverlust für die Krankenkassen. Und bei den Zivildienern wurde die Beitragsgrundlage gesenkt.

Es wurden also diese Einnahmen eingeschränkt, und darüber hinaus beschließen Sie unsoziale Maßnahmen, die die Versicherten belasten, wie die Erhöhung der Rezeptgebühr – es ist schon darauf hingewiesen worden, ganz kurz noch einmal –, die Einführung der Ambulanzgebühr, die Streichung der kostenlosen Mitversicherung für kinderlose Ehegattinnen und die Erhöhung des Taggeldes bei Spitals- und Kuraufenthalten.

Meine Damen und Herren! Was steckt hinter diesen unsozialen Maßnahmen? – Es ist aus unserer Sicht – und der Herr Minister hat auch gesagt, dass daran gearbeitet wird – ein langsamer Weg zu einer Systemänderung. Ihr politisches Ziel ist eine minimale Grundabsicherung, und das noch verbunden mit Selbstbehalten. Höhere Leistungen sollen eher durch private Versicherungen abgedeckt werden. Das ist ein ganz großer Markt für die Versicherungswirtschaft, die ich zu Ihrer Klientel zähle, und deshalb gehen Sie diesen politischen Weg.

Was wird das bewirken? – Das wird die Zweiklassenmedizin bewirken, bei der die besseren Leistungen nur jene bekommen können, die es sich leisten können, und es wird ein minimaler Standard für die Allgemeinheit über das Sozialversicherungssystem angeboten werden.

Wir wollen hingegen ein solidarisches Gesundheitssystem mit hohem medizinischen Standard für alle, und daher soll dieses System der Solidargemeinschaft ständig ausgebaut werden und eine Verbesserung der medizinischen Versorgung erfolgen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie leiten mit dem heutigen Gesetzesbeschluss die Zerschlagung eines Systems ein, einer Selbstverwaltung, die wirklich sehr gut funktioniert hat. Es ist so, dass das gleiche Motto gilt, wie es auch schon bei den ÖIAG-Besetzungen gegolten hat. Ein Beispiel aus der Steiermark – ich bin  Steirer – ist zum Beispiel die Besetzung des Postens des Landes-Rechnungshofdirektors. Da hat man vorher noch ganz großartig eine Ausschreibung, ein Objektivierungsverfahren gemacht und hat dafür eine halbe Million Schilling aufgewendet. Eine Wiener Beratungsfirma war damit beschäftigt, unter den Bewerbern die Besten auszusuchen, und es gab eine Anhörung und Befragung durch die Landtagsabgeordneten. Einen ganzen Tag lang haben sich alle Zeit genommen und das über sich ergehen lassen.

Dann gab es folgende Reihung: Erster war ganz eindeutig ein Herr, der zurzeit gerade in Brüssel tätig ist, Herr Dr. oder Mag. Jaros – ich weiß den Titel nicht genau –, und Zweiter war Herr Dr. Andreau, der bei der Frau Landeshauptmann, aber auch schon bei früheren Landeshauptleuten Büroleiter war.

Jedenfalls war es so, dass das einzige Argument, das der ÖVP und FPÖ dann als Grund eingefallen ist, warum Herr Andreau zum Zug gekommen ist, gelautet hat, dass er ein Steirer ist. – Das hat Ihnen wirklich niemand abgenommen! Diese Art der Postenbesetzung zeigt wieder typisch Ihren Machtrausch und Ihre Vorgehensweise. So ist es bei allem, was jetzt passiert. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der SPÖ: Richtig! So ist es!)

Genauso ist es jetzt im Hauptverband. Das Motto lautet ganz einfach: Rot raus und schwarz-blau rein. (Beifall bei der SPÖ.) Der legitime Führungsanspruch, den eigentlich die Arbeitnehmer haben, wird nach Ihren politischen Vorstellungen geändert. Es ist von Frau Kollegin Bachner schon darauf eingegangen worden. Wir haben vom Kollegen Kneifel gerade vorhin eine Unterrichtseinheit darüber bekommen, wie man nach d′Hondt ein Wahlergebnis ermittelt. – Ich glaube, das hätte er sich ersparen können! Jeder, der hier im Saal sitzt, hat, so glaube ich, nach d′Hondt schon einmal ein Wahlergebnis ausgerechnet. (Beifall bei der SPÖ.)


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Ich möchte aber auf den Vertretungsanspruch zurückkommen, den die Arbeitnehmer eindeutig haben: 80 Prozent der Erwerbstätigen sind unselbständig erwerbstätig. Aber nach diesem neuen Vorschlag würde die Besetzung im Verwaltungsrat nur mehr 43 Prozent ergeben. Das ist ganz einfach politische Willkür und brutale Machtpolitik, die jetzt betrieben wird! Das hat mit Demokratie sehr wenig zu tun. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Ing. Polleruhs: Es soll ab und zu auch das Wort der Bibel gelten: "Die Letzten werden die Ersten sein!") – Das sind Wunschvorstellungen, die Sie jetzt mit Ihrer Mehrheit durchsetzen. (Bundesrat Winter: Das habt ihr eh praktiziert! – Ruf bei der SPÖ: Pharisäer! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! 3 Millionen versicherte Arbeitnehmer in dieser Solidargemeinschaft haben sieben Sitze im Verwaltungsrat inne, und 300 000 Unternehmer und Bauern haben ebenfalls sieben Sitze im Verwaltungsrat. Das ist sicherlich nicht mehr eine Versichertenvertretung in der Selbstverwaltung, wie wir es bis jetzt gehabt haben. Bis jetzt hat es darüber eine Sozialpartnereinigung gegeben. Diese gibt es jetzt nicht mehr. Jetzt fährt die Regierung mit ihren Koalitionsparteien drüber und macht eine Anlassgesetzgebung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was dabei noch sehr eigenartig ist und was der Herr Bundesminister uns des Langen und Breiten zu erklären versucht hat, ist das Funktionsverbot für Interessenvertretungen. Wenn ich nur etwa an die Worte des neugewählten Präsidenten Schöls denke, der gestern seine Antrittsrede gehalten hat, in der er gerade die Mitgestaltungsmöglichkeiten für die Interessenvertreter herausgestrichen hat – er hat gesagt, er halte absolut nichts davon, dass Interessenvertreter in Parlamenten nicht vertreten sind –, dann muss ich sagen, das sollte selbstverständlich auch für eine Selbstverwaltung der Sozialversicherung gelten. Es sollte auch in diesem Gremium kein Funktionsverbot für Interessenvertreter, Parlamentarier oder Parteiangestellte geben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, dass die Rahmenbedingungen, die Sie in diesem Bereich schaffen, vor dem Verwaltungsgerichtshof ohnehin nicht halten werden, und dass jene Leute, die von der Sache etwas verstehen, selbstverständlich wieder die Interessenvertreter in dieser noch vorhandenen Selbstverwaltung mitbestimmen lassen werden.

Auf das Abstimmungsverhalten der ÖAAB-Abgeordneten am heutigen Tag bin ich schon gespannt. Nachdem mein Freund Präsident Schöls gestern in seiner Antrittsrede diesen dringenden Appell vorgetragen hat, bin ich schon neugierig, wie Sie sich hier bei der Abstimmung verhalten werden.

Meine Damen und Herren! Die Vorgangsweise, also das, was jetzt passiert, ist eindeutig ein kalter Putsch gegen Herrn Präsidenten Sallmutter. Dabei geht es eindeutig um eine Person. Darüber kann man unterschiedlicher Auffassung sein, aber ich nenne es einmal so: Die feine, englische Art ist das sicher nicht, so wie es jetzt vollzogen wird, und das entspricht absolut nicht unseren demokratischen Vorstellungen.

Aber was noch viel schlimmer ist, ist die Entmachtung der Arbeitnehmerseite im Hauptverband. (Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und SPÖ. – Ruf: Eine Demokratisierung ist das!)  – Nach der Auffassung von Ihnen! Das ist durchaus möglich. Ich habe einen ganz anderen Ansatz dazu. Ich habe es aber vorher erklärt: Über 80 Prozent der Versicherten haben gleich viele Sitze wie 300 000 Selbständige und Bauern inne. Darüber braucht man sich gar nicht weiter auszulassen. Jeder kann, so glaube ich, nachvollziehen, welche Ungerechtigkeit da passiert.

Aber alle diese Ungerechtigkeiten, die da passieren, erfolgen immer wieder mit Zustimmung der ÖAAB-Vertreter. Wie lange die ÖAAB-Vertreter eine solche Politik gegen Arbeitnehmer noch mitmachen, ist die Frage.

Ich möchte nur kurz noch einmal die Belastungen auflisten. Man muss sich all das immer wieder vor Augen führen, denn es geht in einer so rasanten Geschwindigkeit vor sich, dass man immer wieder vergisst, was alles gegen die Arbeitnehmer oder gegen die Allgemeinheit passiert ist.


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Ich fange mit dem ersten Belastungspaket an. Die motorbezogene Versicherungssteuer ist erhöht worden, die Energiesteuer ist erhöht worden, ebenfalls der Preis für die Autobahnvignette, und es gibt einen Verlust für die Arbeitnehmer durch die Urlaubsaliquotierung. Weitere Beastungen sind: der Entfall des Postensuchtages sowie Mehrkosten durch Selbstbehalte bei der Krankenversicherung. – Das war die erste Tranche, die für die Allgemeinheit Gebühren und Steuererhöhungen beinhaltet hat, die speziell die Arbeitnehmer sehr stark getroffen haben.

Die zweite Runde brachte dann die höhere Besteuerung von Urlaubs- und Kündigungsentschädigungen sowie den Entfall des allgemeinen Absetzbetrages, de facto eine Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrages.

Das dritte Paket umfasste die Beschränkung in der Sozialversicherung, die Beschränkung der Mitversicherung der kinderlosen Ehegatten, die Besteuerung bei den Unfallrenten, Kürzungen bei den Familienzuschlägen, die Krankenversicherungspflicht bei den Zusatzpensionen – aber nur bei jenen, die rechnungshofgeprüft sind –, Verschlechterungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz und die Studiengebühren.

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aber ein Schmankerl lassen Sie mich hier noch sagen, denn ich unterstelle Ihnen einfach, dass Sie oft gar nicht wissen, was Sie da mit beschließen.

Da all das so rasant und schnell geht, muss ich immer wieder nachschauen, was bis jetzt eigentlich schon passiert ist. Ich habe mir daher aus der Homepage des AMS ausgedruckt, wie und wann man jetzt zu Arbeitslosengeld kommt. In dieser Regelung ist ein besonderer Fauxpas enthalten, von dem ich nicht einmal glaube, dass ihn irgendjemand in diesem Haus wollte. Aber das gilt jetzt und ist Gesetz.

Man muss sich das vor Augen führen, weil es insbesondere die Jugendlichen betrifft. Es heißt zu Beginn: Die Mindestbeschäftigung für den Erwerb eines Anspruches auf Arbeitslosengeld beträgt bei erstmaliger Inanspruchnahme 52 Wochen, und so weiter. Und dann kommt der besondere Punkt für die Jugendlichen:

Wird das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, genügt auch bei erstmaliger Geltendmachung des Anspruches das Vorliegen von 26 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung innerhalb der letzten 12 Monate, um den Anspruch zu begründen. – Das ist also die Regelung bis zum 25. Lebensjahr: 26 Wochen, bis man das erste Mal einen Anspruch hat.

Dann geht es aber weiter – ich zitiere –: Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass das Arbeitsmarktservice dieser Person auch unter weitest möglichem Einsatz von Förderungsmitteln binnen vier Wochen weder eine Arbeitsaufnahme noch den Eintritt in eine geeignete arbeitsmarktpolitische Maßnahme ermöglicht. – Zitatende.

Das heißt im Klartext: Wenn eine Vermittlung auf einen Arbeitsplatz – ich nenne jetzt einmal eine Hausnummer – am 21. Tag erfolgt ist, dann erhält dieser Jugendliche bis zum 21. Tag kein Arbeitslosengeld. Wenn eine Vermittlung aber nicht möglich war, dann hat er sofort ab dem ersten Tag Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Da gestehe ich Ihnen wirklich Unwissenheit zu. Ich glaube nicht, dass Sie gewusst haben, dass so etwas beschlossen wird. Das gilt jetzt, das steht im Gesetz. Sie sehen also, was bei Ihrer Rasanz und mit dem "Speed kills", das Sie betreiben, oft herauskommt! Und ÖAAB-Vertreter stimmen dem auch noch zu! (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Der Stellenwert der Arbeitnehmer innerhalb der ÖVP dokumentiert sich auch in jüngsten Aussagen. Da gibt es zum Beispiel Herrn Klubobmann Khol, der einen hohen Arbeitnehmer-Vertreter, nämlich Herrn Dirnberger, als "siebenten Zwerg von links" bezeichnet hat. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Herr Bundeskanzler Schüssel hat im gleichen Zusammenhang davon gesprochen, dass dieser Herr in der ÖVP überhaupt keine Bedeutung habe. – Man sieht also, wie die ÖVP mit Arbeitnehmer-Interessen umgeht und welche Haltung


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die ÖAAB-Vertreter dazu einnehmen. Aber der Widerstand wird Gott sei Dank größer, und es gibt schon sehr viele Arbeitnehmer-Vertreter auch innerhalb der ÖVP – Herr Neugebauer ist ohnehin einer davon –, die diese arbeitnehmerfeindliche Politik striktest ablehnen.

Ich darf Ihnen aus der letzten Arbeiterkammer-Vollversammlung der steirischen Arbeiterkammer ein kurzes Zitat des Vizepräsidenten und FCG-Vorsitzenden Franz Gosch vorlesen. Er hat Folgendes gesagt, und dabei ist es auch um die Sozialversicherung gegangen:

Ein Bekenntnis zur Pflichtversicherung forderte die ÖAAB/ÖVP-Fraktion in ihrem Dringlichkeitsantrag ein. – Sie haben sogar einen Dringlichkeitsantrag zu dem Thema eingebracht! – Vizepräsident Franz Gosch bezeichnete die geplante Strukturreform als sehr bedauerlich. Anlassgesetzgebungen seien immer problematisch. Wir müssen alles unternehmen, unser qualitativ hochwertiges System zu erhalten, fordert Franz Gosch. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Auch höchste ÖAAB- und FCG-Vertreter schließen sich unserer Meinung an. Ich appelliere daher an Sie hier in diesem Hohen Haus: Stimmen auch Sie gegen dieses Gesetz! Die Menschen wollen dieses Gesetz nicht! Es ist ein Machtspiel der Regierungsparteien, es ist eine Verlagerung der Interessen von den Versicherten in Richtung Wirtschaft, und es ist ein Gesetz, das für die Zukunft nichts Gutes verspricht.

Meine Damen und Herren! Stimmen Sie mit uns gegen dieses Gesetz, und wir werden einer guten Zukunft entgegengehen! (Beifall bei der SPÖ.)

13.53

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesminister Mag. Herbert Haupt das Wort. – Bitte.

13.53

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Meinem Vorredner ist wiederum einiges zu entgegnen.

Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass die derzeitigen Unvereinbarkeitsregelungen, so wie sie sich in der 58. ASVG-Novelle finden, ein Vorbild haben, nämlich aus dem Jahre 1992. Die Mitglieder von Verwaltungskörpern des Hauptverbandes werden also nicht willkürlich mit Unvereinbarkeitsbestimmungen diskriminiert, sondern die gleichen Unvereinbarkeitsbestimmungen hinsichtlich politischer Funktionsträger oder Arbeitnehmer einer politischen Partei gibt es analog bereits im § 11 des Bundesbahngesetzes aus 1992, also aus einer Zeit, in der mit Sicherheit nicht diese Bundesregierung im Amt war.

Ich darf zitieren: Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates, eines Landtages, der Bundesregierung, einer Landesregierung oder Angestellte einer politischen Partei dürfen nicht Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates der Österreichischen Bundesbahnen sein. – Sehr geehrte Damen und Herren! Das steht im § 11 Bundesbahngesetz 1992.

Ich kann mich nicht erinnern, sehr geehrte Damen und Herren, dass die sozialdemokratischen Gewerkschafter oder die österreichischen Eisenbahner damals dagegen protestiert hätten, dass 1992 dieser § 11 des Bundesbahngesetzes verabschiedet worden ist.

Ich darf Sie, sehr geehrte Damen und Herren, auch darauf hinweisen, dass eine einzige Unvereinbarkeitsregelung dazugekommen ist, nämlich jene bezüglich der Tätigkeit als Europaabgeordneter. Das war 1992 noch nicht vorzusehen, weil der Beitritt zur Europäischen Union bekanntermaßen 1992 noch nicht erfolgt war.

Ich darf Sie des weiteren – weil sie schon mehrfach von der sozialdemokratischen Fraktion angesprochen worden sind – auf die Regelungen im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer-Abgeltung für den österreichischen Hauptverband verweisen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ist mit zwei Jahren Übergangsfrist die unechte Mehrwertsteuer-Befreiung weggefallen, und es hat


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679. Sitzung / Seite 299

daher Bemühungen von Seiten des österreichischen Hauptverbandes gegeben, die derzeit gültige Regelung mit dem damaligen Finanzminister im Jahre 1995/96 zu verhandeln und ab 1997 in Kraft zu setzen.

In den ersten Jahren hat der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger auf Grund der damaligen Preisgestaltung der Medikamente und der Mehrwertsteuer einen durchaus positiven Effekt von zunächst 186 Millionen Schilling zugunsten des Hauptverbandes erzielt, und im letzten Jahr hat der Hauptverband einen negativen Effekt für seine finanziellen Gestionen von knapp über 800 Millionen gehabt – und nicht 1,2 Milliarden, wie es in der Diskussion in der Öffentlichkeit mehrfach behauptet worden ist.

Ich darf Sie, sehr geehrte Damen und Herren der sozialdemokratischen Fraktion, auch darauf hinweisen, dass damals zwischen der Bundesregierung und dem Hauptverband eine fünfjährige Einführungszeit und dann eine Evaluierung auf Grund dieser fünf Jahre vereinbart wurden. Ich darf Sie weiters darauf hinweisen, dass dieser Berichtszeitraum erst am Ende dieses Jahres 2001 abgeschlossen sein wird und dass eine Evaluierung und eine Neuverhandlung für das Jahr 2002 und die nachfolgenden Jahre von Seiten des Herrn Finanzministers nicht abgelehnt worden sind. Aber ich glaube eines: dass etwas, was aus der Sicht des Jahres 1996 und 1997 ein Geschäft für den Hauptverband war – um es volkstümlich auszudrücken –, dann, wenn dieses Geschäft nicht mehr eintritt, nicht zwischendurch abgebrochen werden kann, sondern dass selbstverständlich die gesamte Vereinbarung zu gelten hat.

Die österreichische Sozialpartnerschaft war in der Vergangenheit immer dafür bekannt, dass sie Handschlagqualität hat. Ich hoffe, auch die sozialdemokratischen Gewerkschafter und Verantwortlichen innerhalb des Hauptverbandes werden sich dieser Dinge erinnern, die sie seinerzeit mit ihrer Regierung und mit ihrem Sozialminister vereinbart haben (Ruf bei der SPÖ: Da war die Regierung anständig, Herr Minister!), und werden auch die negativen Auswirkungen, die sie damals vereinbart haben, für ihre Versicherten-Gemeinschaft heute nachvollziehbar gestalten und nicht weiter Dinge in den Raum stellen, die in dieser Form für mich nicht nachvollziehbar sind.

Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ! Sie haben auch mehrfach die Ambulanz- und die Rezeptgebühren hier zur Diskussion gestellt. – Ich darf Sie schon darauf aufmerksam machen, sehr geehrte Damen und Herren der Sozialdemokratie, dass es unbestreitbar notwendig ist, dem Hauptverband Mittel zur Verfügung zu stellen. (Bundesrat Würschl: Politik by Menschenjagd! – Bundesrat Mag. Hoscher: Drüberfahren! Betonierer!)

Die beiden jetzt von uns gesetzten Maßnahmen waren in der Vergangenheit auch immer ein beliebtes Mittel innerhalb der Versicherten-Gemeinschaft. Die dortigen Vertreter haben das auch immer – dies liegt in meinem Amt auf – in den entsprechenden Protokollen des Hauptverbandes festgehalten. Das ist auch in den Stellungnahmen Ihrer Gewerkschaftsvertreter und Ihrer Vertreter innerhalb des Hauptverbandes hinsichtlich der Rezeptgebührenerhöhung nachvollziehbar und dokumentiert.

Ich glaube nicht, dass es für Sie gut ist, wenn Sie diese Diskussion in der Öffentlichkeit weiterführen, denn es wird ein Leichtes sein, die Protokolle über die damaligen Gebührenerhöhungen und Rezeptgebührenerhöhungen sowie die Begründungen Ihrer Vertreter im Hauptverband – hinter die Sie sich heute stellen, hinter diese angeblich unverzichtbaren Versichertenvertreter – der Öffentlichkeit zu erläutern.

Die Begründungen waren: unnötiger Medikamenteneinkauf in Österreich oder Kosten für Lagerhaltung von Medikamenten in Milliardenhöhe. Ich darf Sie auch darauf hinweisen, dass 20 Prozent der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – nämlich jene bei der Post, bei der Bahn, im Bereich der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst –, nämlich die Bundesbediensteten, schon immer Selbstbehalte gehabt haben, und zwar auch bei Ambulanzen in den Krankenhäusern. Dies war allerdings im Gegensatz zur jetzigen Regelung dieser Bundesregierung nach oben nicht gedeckelt. Diese Versicherten mussten also bei erheblichen Kosten durchaus auch mehr als 1 000 S im Jahr zahlen.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Das stellen Sie in der Öffentlichkeit nicht dar, weil es für Sie optisch nicht günstig ist, weil es nicht populär ist, zuzugeben, schon mehr als zwei Jahrzehnte lang Selbstbehalte im Bereich der Ambulanzen vom "kleinen Eisenbahner", vom "kleinen Vertragsbediensteten", vom "kleinen Beamten", vom "kleinen Postler" verlangt zu haben. Das ist nicht populär, und das teilen Sie der österreichischen Öffentlichkeit nicht mit!

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Lenkungseffekte innerhalb der Ambulanzen sind in manchen Großkliniken heute bereits nachweisbar. Wenn man die Ambulanzen und die Einrichtung der Ambulanzen in der Tradition des österreichischen Gesundheitssystems sieht, dann muss man zugeben, die Ambulanzen sind eindeutig als Versorgung in Notfällen und für besonders schwere Fälle gedacht.

Sie sind nicht dazu gedacht, bei banalen Erkrankungen, für die im niedergelassenen Bereich und anderwärtig eine Versorgung bei gleicher Qualität möglich ist, in Anspruch genommen zu werden, weil dann die tatsächlichen Notfälle, die in den Ambulanzen zur Behandlung kommen, oft nachrangig behandelt werden. Sie können deshalb nicht mehr vorrangig behandelt werden, weil der Arbeitsanfall in den Ambulanzen größer und deren Kapazität erschöpft ist und auch die Ermüdungserscheinungen der dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter höher sind als dann, wenn die Inanspruchnahme der Ambulanzen durch Patientinnen und Patienten wieder auf jenes Ausmaß beziehungsweise jene Fälle reduziert wird, für die sie gedacht, geplant, eingerichtet und dotiert sind.

Ich glaube daher, sehr geehrte Damen und Herren, dass die Belastung, zu der es Ihrer Darstellung nach hier kommt, ungleich höher gewesen wäre, gerade für die sozial schwächsten Schichten, wenn diese Bundesregierung das gemacht hätte, was Herr Präsident Sallmutter (Bundesrat Marizzi: Aha, jetzt kommt’s!) ab März 2000 angesichts eines damals behaupteten Defizits in der Höhe von 5 Milliarden Schilling in der Öffentlichkeit zur Diskussion stellte, nämlich eine Erhöhung der Beiträge zur Krankenversicherung im Ausmaß von 0,3 Prozent für alle. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass alle, die den untersten Einkommensschichten angehören, die Notstandshilfebezieher sind, von den Rezeptgebühren und auch von den Ambulanzgebühren befreit sind, wogegen sie von der von Kollegen Sallmutter vorgeschlagenen Beitragserhöhung um 0,3 Prozent nicht befreit gewesen wären.

Ich frage Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie: Warum haben Ihre Vertreter im Hauptverband und in der Arbeiterkammer zu einem Zeitpunkt, als sie behaupteten, das Defizit betrage 5 Milliarden Schilling, eine Erhöhung um 0,3 Prozent verlangt, und warum verlangen Ihre Vertreter zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem evident ist, dass das Defizit auf 3,2 Prozent gesenkt worden ist, auf einmal in manchen Wortmeldungen 0,5 Prozent Erhöhung?

Das ist, so glaube ich, keinem Österreicher erklärbar. Ich glaube daher, dass die Österreicher schlussendlich wissen, wer auf ihrer Seite steht (lebhafte ironische Heiterkeit bei der SPÖ und ironischer Beifall bei Bundesräten der SPÖ): die österreichische Bundesregierung mit ihren Maßnahmen! (Ruf bei der SPÖ: Bravo! Zugabe! – Bundesrat Gasteiger: Das zeigen die Umfragewerte, ja! – Bundesrat Boden: Die Demonstranten beweisen das, ja!) Auch wenn Sie jetzt lachen, sehr geehrte Damen und Herren: Diese Maßnahmen führen nämlich erstens zu deutlichen Einsparungen in jenen Bereichen, in denen solche auch nach Ansicht der österreichischen Arbeiterkammer und nach Ansicht des Österreichischen Gewerkschaftsbundes notwendig sind – Sie brauchen sich nur deren Aussendungen durchzulesen –, nämlich beim unnötigen Medikamentenverbrauch (Bundesrat Winter  – eine Tafel mit einem Zitat von Fritz Neugebauer in die Höhe haltend –: Neugebauer, Herr Minister!), und zweitens wird es durch die Ambulanzgebühren zu einem deutlichen Einsparungseffekt für die Sozialversicherungsträger kommen (Bundesrat Manfred Gruber: Das ist ein Irrtum! – Ruf bei der SPÖ: Wird nicht stattfinden!)  – und nicht zu einer Kostenerhöhung, wie Sie dies behaupten.

Denn die letzten vorliegenden Zahlen, sehr geehrte Damen und Herren (Bundesrat Konecny: ... sind so gut wie bei den Ambulanzgebühren!) – Herr Professor! Werden Sie nicht nervös! (Bundesrat Konecny: Ich werde nicht nervös! Das liegt an Ihnen!) –, aus dem Jahre 1995, der Zeit vor der Einführung des LKF-Systems, sind eindeutig: Die gleichen medizinischen Leistun


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gen sind gegenüber dem Ambulanzbereich im niedergelassenen Bereich bei gleicher Qualität um ein Drittel des Preises zu erhalten (Ruf bei der SPÖ: Wo?)  – errechnet am Beispiel der Landes- und Bundeshauptstadt Wien.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darauf Sie schon darauf hinweisen, dass der Anteil der Krankenversicherungen an den Krankenhäusern, der je nach Bundesland durchaus unterschiedlich ist, im Endeffekt etwa 40 Prozent der Gesamtkosten bei gedeckelten Summen ausmacht. Wenn Sie das nachrechnen, werden Sie feststellen, dass auch unter diesen Rahmenbedingungen der gedeckelten Kostenbeteiligung im Krankenanstalten- und Ambulanzbereich (Bundesrat Marizzi: ... Pharma-Minister ...!) bei Wirksamwerden der Maßnahmen und einer daraus folgenden Verlagerung ein Einsparungseffekt – und keine Verteuerung – für die Sozialversicherungsträger eintreten wird. (Bundesrat Marizzi: Da wird der Minister böse sein auf Sie, wenn die Medikamente billiger werden!)

Damit wird das Ziel erreicht, das die Bundesregierung erreichen will: Es wird mehr Geld frei, um die bestehenden hohen medizinischen Leistungen auch in der Zukunft für alle Bevölkerungsschichten gleichermaßen zugänglich und finanzierbar zu machen. Und das, so glaube ich, ist ein gutes Ziel! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.04

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile ihm das Wort.

14.04

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Kollege Freiberger hat in seinen Ausführungen gesagt, Ziel der Bundesregierung, Ziel der Koalitionsparteien sei es, eine niedrige Grundabsicherung zu Lasten der Versicherten zu schaffen. Er hat aber kein einziges Beispiel dazu angeführt (Bundesrat Konecny: O ja! Jede Menge!), es gibt auch keine derartige Aussage dazu, und, Herr Professor, es ist dies auch nicht Inhalt des vorliegenden Gesetzestextes. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Fakt ist, Herr Professor Konecny: Der Weg der SPÖ war und ist es (Bundesrat Konecny: ... jenes Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten, mit dem die Österreicher zufrieden sind!), alles zu tun, was der SPÖ dient, koste es, was es wolle – auch wenn es zu Lasten der derzeitigen und der folgenden Generationen geht (Bundesrat Freiberger: Solidargemeinschaft! – Bundesrat Winter: Bei uns kann sich jeder Österreicher die Gesundheit leisten, bei euch nur die Reichen!), wenn es auch in ein Finanzdesaster führt und jedes System zum Scheitern bringt. (Ruf bei der SPÖ: Schade, dass es keine F-Gewerkschaft gibt! – Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. ) Herr Kollege Gasteiger! 2 000 Milliarden Staatsschulden sind nicht nur ein Beispiel dafür, sie sind auch ein Beleg dafür! (Bundesrat Marizzi: ... die Platte!)

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die 58. ASVG-Novelle und die damit verbundenen Sozialrechtsänderungen sind einerseits notwendig, um den Versicherten Sicherheit zu geben, und andererseits sind sie erforderlich, um das Sozialsystem in Österreich aufrechtzuerhalten. Die gesamte Bundesregierung mit Bundesminister Haupt als Ressortverantwortlichem, die Regierungsparteien sind bemüht, trotz der Milliardenschulden, welche eine SPÖ-Regierung hinterlassen hat (Bundesrat Manfred Gruber: Zum dritten Mal! Wenn es das nicht gäbe, könntest du gar nicht reden! – Bundesrätin Haunschmid: Man kann es euch nicht oft genug sagen!), eine sozial ausgewogene, gerechte, finanzierbare Sozialrechtsreform in Form der ASVG-Novelle durchzuführen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Marizzi: Halleluja!)

Die SPÖ und Grünen stimmten im Nationalrat dagegen, und sie stimmen auch heute nicht zu, weil sie sich von der sozialen Verantwortung verabschiedet haben. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Meine Damen und Herren! Das sage ich deshalb, weil die Menschen in unserem Land auch ein Recht auf Information haben (Bundesrat Winter: "Soziale Verantwortung" heißt jetzt "blau", gell?), und zum Recht auf Information gehört auch das Recht, die Standpunkte der verschiedenen politischen Vertreter dargelegt zu bekommen. Die Menschen sollen es wissen! (Bundesrat Marizzi: ... vor Ergriffenheit weinen!)


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Meine Damen und Herren von der SPÖ und den Grünen! Ihr Reformwille, Ihre Bereitschaft, mitzugestalten (Bundesrat Manfred Gruber: Die wird gewünscht!), beschränkt sich ausschließlich auf eine Verteidigerrolle von Hans Sallmutter. (Bundesrat Manfred Gruber: Die wird gewünscht, Herr Kollege!) Das ist das einzige Ziel, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie: die Verteidigung von Hans Sallmutter! Das ist Ihr einziges soziales Ziel und Engagement. (Bundesrat Manfred Gruber: Ihr Ziel war, Herrn Sallmutter abzuschaffen!) Sie haben keine Alternativen vorgeschlagen, Sie sind gegen jede zeitgemäße Anpassung und gegen Reformen zum Wohle der Versicherten, und Sie betreiben Fundamentalopposition (Bundesrat Winter: Oh!) mit dem Ziel, dass Postenschacher und Versorgung von Altparteifreunden und Altparteifunktionären im Hauptverband aufrecht bleiben! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.)

Sallmutter und Geppert legen Zeugnis dafür, Herr Kollege! (Bundesrat Gstöttner: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!) Meine Damen und Herren von der SPÖ und von der Gewerkschaft! (Bundesrat Freiberger: Was ist mit dem Bezirkshauptmann in Radkersburg?) Sie rufen zum Widerstand auf der Straße auf! Herr Kollege Freiberger! Sie rufen zum Widerstand auf der Straße auf! Sie missbrauchen damit Ihr Mandat in der Gewerkschaft. (Bundesrat Manfred Gruber: In welchen Aufsichtsräten?) Ich sage das deshalb, weil es gerade in der Steiermark (Ruf bei der SPÖ: ... einstimmiger Beschluss!) ÖGB-Sekretäre gibt, die mit Wissen des Dienstgebers monatlich ein Körberlgeld in der Höhe von 6 000 S – ohne Spesen – vom bfi kassieren. (Ruf bei der SPÖ: Einstimmig! – Ruf bei den Freiheitlichen: Selbstbedienung! – Bundesrätin Schicker: Sie machen aber etwas dafür, Kollege Weilharter!)

Meine Damen und Herren! So schreibt zu Recht eine große steirische Zeitung (der Redner hält die Kopie eines Zeitungsartikels mit dem Titel "Körberlgeld für ÖGB-Sekretäre" in die Höhe – Ruf bei der SPÖ: Ist das nicht die "Kleine Zeitung")  – Sie kennen sie, die "Kleine Zeitung" (Ruf bei der SPÖ: Kleinformat!) –: "Körberlgeld für ÖGB-Sekretäre – Wie sich manche Gewerkschafter ein regelmäßiges Zusatzeinkommen sichern." – ÖGB-Sekretäre kassieren vom bfi eine Entschädigung. Kontakteknüpfen bringt monatlich 6 000 S – ohne Spesen, meine Damen und Herren! (Rufe bei den Freiheitlichen: Wahnsinn!)

Meine Damen und Herren! Neben dieser Ungeheuerlichkeit (Bundesrätin Schicker: "Ungeheuerlich"! "Ungeheuerlich"!) ist auch Folgendes eine Pikanterie – und ich zitiere mit Erlaubnis, Herr Präsident, aus einem Artikel der "Kleinen Zeitung" vom 13. Juli dieses Jahres –:

"Die Gewerkschafter lassen sich auch für Kurse ,entschädigen‘, die aus Arbeitsmarktgeldern und anderen öffentlichen Mitteln (Lehrlingsprogramm Jugend-NAP) finanziert werden und an deren Zustandekommen die Nebenjob-Geschäftsstellenleiter in keinster Weise beteiligt sind." – Zitatende. (Bundesrat Manfred Gruber: Im Finanzministerium lassen wir Externe um 120 Millionen arbeiten!)

Meine Damen und Herren! Als diese Sache transparent wurde, hat sich Ihr Vorsitzender in der steiermärkischen Gewerkschaft (Bundesrat Marizzi: ... das Leben genommen! – Heiterkeit bei Bundesräten der SPÖ) folgendermaßen dazu geäußert – Sie können es auch hier nachlesen (der Redner hält einen weiteren Zeitungsartikel mit dem Titel "Das Problem löst sich von selbst" in die Höhe)  –: "Das Problem löst sich von selbst." – Das war Ihre lapidare Erklärung dazu! Der Untertitel zu diesem Artikel lautete: ",Entschädigungen‘ vom Bfi an Sekretäre der Gewerkschaft werden auslaufen."

Meine Damen und Herren! Das ist ein Skandal! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Heiterkeit bei der SPÖ. – Bundesrätin Schicker: "Ungeheuerlich"!)

Es ist ein Skandal, wenn sich Funktionäre aus der Gewerkschaft und aus dem SPÖ-Bereich (Bundesrat Winter: Ein Skandal ist, wenn man 200 000 S verdient in einem Ministerium, obwohl man keinen Titel hat! ) ungeniert an Geldern, die für unsere Lehrlinge und für unsere Jugend bestimmt sind, vergreifen. Meine Damen und Herren! (Bundesrat Freiberger: Was hat er gesagt? – "Vergreifen" hast du gesagt?!) So sind sie, die SPÖ-Gewerkschafter! (Bundesrat Freiberger: Das ist ein Skandal, was du da aufführst! Das ist eine Frechheit!) Das sind Sie von


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der SPÖ! Das ist Ihre Sozialpolitik, Kollege Freiberger! Sie sollten sich für Ihre Gewerkschaftsfunktionäre und für deren Vorgangsweise schämen!

Meine Damen und Herren! Es grenzt an Selbstherrlichkeit, sich im Wissen der genannten Vorkommnisse dann als Volksvertreter hier herzustellen und die notwendigen Sozialrechtsreformen abzulehnen und zu verhindern zu versuchen. Ihre Vorgangsweise, sich zeitgemäßen Reformen zu verschließen, ist sozialpolitisch unverantwortlich. Keine Zustimmung zu geben bedeutet auch, dass Sie die soziale Sicherheit aufgeben wollen.

Meine Fraktion, meine Damen und Herren, wird daher im Sinne einer sozialen Gerechtigkeit (Bundesrat Thumpser: Halleluja!), einer Ausgewogenheit, damit unsere Generationen und auch die nachfolgenden Generationen soziale Sicherheit haben, der vorliegenden 58. ASVG-Novelle gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.12

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Freiberger gemeldet. Ich mache auf die Ihnen bekannten Bestimmungen der Geschäftsordnung aufmerksam. – Bitte.

14.13

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Weilharter hat sich hier herausgestellt und Zeitungsartikel zitiert, die relativ schlecht recherchiert sind – das ist das eine, was dazu zu sagen ist. Zweitens müsste auffällig sein, dass außer der "Kleinen Zeitung" in der Steiermark die Geschichte überhaupt niemand gebracht hat, weil es für ... (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter und weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Es gibt also für seriöse Journalisten dabei überhaupt nichts zu berichten, und es ist dies auch nicht geschehen. Aber Klubobmann Khol hat zusammen mit einem anderen Abgeordneten im Nationalrat eine schriftliche Anfrage an Minister Bartenstein eingebracht ...

Vizepräsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Herr Kollege! Mir ist jetzt aus Ihrer Wortmeldung nicht ganz klar geworden, welches der falsche Sachverhalt sein sollte und wie Sie ihn berichtigen wollen.

Bundesrat Horst Freiberger (fortsetzend): Was ich sage, dient der Einleitung der Berichtigung – und ich habe nach der Geschäftsordnung 5 Minuten Zeit!

Vizepräsident Jürgen Weiss: Aber Sie müssen auch die Bestimmung beachten, dass sich die tatsächliche Berichtigung auf die Wiedergabe der zu berichtigenden Behauptung und die Darstellung des richtigen Sachverhaltes beschränken muss. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Bundesrat Kraml: Das kommt schon, Herr Präsident!)

Bundesrat Horst Freiberger (fortsetzend): Selbstverständlich werde ich das einhalten. Ich muss das aber ein bisschen länger einleiten (Heiterkeit des Bundesrates Dr. Nittmann ), sonst wird das unverständlich. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter.  – Ruf: Das ist ja das Problem, das der Bundesrat hat!)  – Das ist dein Problem. Du bleib beim Genmais, das ist gescheiter für dich!

Meine Damen und Herren! Kollege Weilharter hat sich hier herausgestellt und behauptet, dass sich ÖGB-Sekretäre an öffentlichen Geldern "vergriffen" haben. Das möchte ich tatsächlich berichtigen. Das ist in der Steiermark sicher nicht der Fall gewesen. (Bundesrat Winter: Na! Ordnungsruf! Sofort einen Ordnungsruf!)

Erstens bekommt das bfi vom Arbeitsmarktservice als Auftragnehmer nicht mehr als private Schulungsunternehmen. Es gibt einheitliche Tagsätze und Kurskostenabrechnungen. Das bfi, die Firma Sticher, das Wifi, die Firma Mentor – wie diese Schulungsanbieter auch alle heißen – bekommen selbstverständlich vom Arbeitsmarktservice für den gleichen Auftrag das gleiche Geld. (Bundesrat Weilharter hält, auf seinem Sitzplatz sitzend, einen seiner beiden zitierten


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Zeitungsartikel in die Höhe. – Bundesrat Winter  – die bereits zuvor von SPÖ-Bundesräten gezeigte Tafel mit einem Zitat von Fritz Neugebauer in die Höhe haltend –: Weilharter! Tu das herunter! Nimm dir das !)

Wenn also ÖGB-Sekretäre für eine Firma wie das Berufsförderungsinstitut Dienste in Form von ganz legalen freien Dienstverträgen verrichten, dann ist es nur recht und billig, dass eine Arbeitsleistung, die für ein Institut oder für eine Firma erbracht wird, auch entlohnt wird.

Für das bfi ist diese Konstruktion sicher die billigere Lösung, nur: Das bfi hat mittlerweile eine ganz andere Größenordnung angenommen, und deshalb hat auch Vorsitzender Pöschl gesagt, das System wird in dieser Form auslaufen, weil diese Nebenbeschäftigung jener ÖGB-Sekretäre, die dies noch machen, auch nicht mehr möglich sein wird, weil wir als bfi der größte Schulungsanbieter in der Steiermark sind und das jetzt auf andere organisatorische Bahnen lenken werden.

Aber zu behaupten, dass sich ÖGB-Sekretäre an öffentlichen Geldern "vergreifen", ist eine Unterstellung, die ich auf das Schärfste zurückweise! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Winter: Ordnungsruf!)

14.16

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Günther Kaltenbacher. Ich erteile ihm das Wort.

14.16

Bundesrat Günther Kaltenbacher (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Weilharter! Auch ich habe etwas in der Hand, werde mich aber nicht auf diese Ebene begeben. Auch bei euch gibt es einen Nationalratsabgeordneten, Norbert Staffaneller, seines Zeichens pensionierter Leiter der AMS-Geschäftsstelle Deutschlandsberg, der über ein Jahr zu Hause Zeitungen bezog, diese nicht an der Dienststelle auflegen ließ, und das AMS musste diese Zeitungen zahlen! (Bundesrat Kraml: "Vergessen, abzumelden"! – Bundesrat Freiberger: Das ist ja ein Wahnsinn! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich sage dir nur, Bertl, auch so etwas gibt es – wobei die Dinge, die jetzt gebracht worden sind, rechtens sind, das hingegen nicht rechtens ist! (Bundesrat Weilharter: 6 000 S monatlich, ohne Spesen! – Bundesrat Weilharter hält wieder den Artikel mit dem Titel "Das Problem löst sich von selbst" in die Höhe.) – Ich sage es dir nur, Bertl! Erkundige dich ein bisschen und schau ein bisschen! – Okay.

Über das österreichische Gesundheitssystem und dessen Wertschätzung bei den Versicherten und bei der Bevölkerung wurde bereits von meinen Vorrednern einiges gesagt. Die Diskussion über die Selbstverwaltung und deren Zusammensetzung wird in der Öffentlichkeit und vor allem vom Bürger nicht mehr verstanden, sie wird aber gleichzeitig mit der derzeitigen Gesundheitspolitik in Verbindung gebracht.

Der SPÖ geht es primär um die Interessen der Patienten und Beitragszahler. Es geht uns um die Erhaltung und Weiterentwicklung unseres hochwertigen Gesundheitssystems. Natürlich wissen wir auch, dass einiges verbessert und korrigiert werden muss. Die aktuellen Probleme in der Krankenversicherung sind – und das wurde schon mehrmals erwähnt – auf ein niedriges Beitragsaufkommen und Aufgabenzuwächse, insbesondere bei den Medikamenten, zurückzuführen. Dies hat zur Folge, dass die Gebietskrankenkassen immer mehr in Schwierigkeiten kommen.

Ich möchte aber trotzdem einige Beispiele aus der Steiermark bringen, nämlich aus der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse: Die Gesamteinnahmen der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse beim Rechnungsabschluss 2000 betrugen 12,9 Milliarden Schilling, die Gesamtaufwendungen 13,4 Milliarden Schilling. Das bedeutet ein Minus von 500 Millionen.

Herr Bundesminister! Sie sagen immer, es muss unter anderem im Verwaltungsbereich gespart werden. Der Verwaltungsaufwand in der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse hat sich von


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3,71 Prozent im Jahre 1992 auf 2,2 Prozent im Jahre 2001 reduziert. Die Dienstposten in der Verwaltung und Verrechnung wurden von 847 auf 815 Planstellen reduziert.

Eine weitere recht starke Einnahmenquelle für die Steiermärkische und andere Gebietskrankenkassen sind die Ambulatorien, die immer wieder von der Ärztekammer massiv kritisiert werden. Im Durchschnitt waren in den steirischen Ambulatorien 335 Mitarbeiter beschäftigt, davon 311 im medizinischen Bereich und 24 im administrativen Bereich.

Aufgeteilt auf 248 Arbeitstage ergibt das eine tägliche Frequenz von rund 2 300 Patienten. Dabei wurden Leistungen im Gesamtwert von 310 Millionen Schilling für die Gebietskrankenkasse eingebracht.

Um auf den Abgang zurückzukommen: Herr Bundesminister! Bereits 1998 wurde unter Bundesministerin Hostasch und Bundesminister Farnleitner ein Konzept erarbeitet, wie Krankenscheine mittels Chipkarte abgerechnet werden könnten. Arbeitgeberseite und Ärztekammer waren dagegen – und bis dato gingen in diesem Bereich Milliarden Schilling verloren.

Obwohl die Einführung für das Jahr 2003 vorgesehen ist, sträubt sich vor allem die steirische Ärztekammer unter ihrem Präsidenten Routil massiv dagegen. Wichtig ist für sie, vor allem für die Ärzte, entsprechende Einnahmen zu haben. An einer Modernisierung des Ablaufes und den damit für sie verbundenen Investitionen haben sie anscheinend kein Interesse.

Herr Bundesminister! Den massiven Abgang bei den Gebietskrankenkassen hätten Sie mit einer vorzeitigen Einführung der Chipkarte bereits abwenden können.

Die Probleme der Sozialversicherungen sind nicht primär in der Struktur und schon gar nicht in Personen, die sie repräsentieren, zu suchen, sondern die Probleme sind politisch verursacht, durch eine Regierung, die nach dem Koalitionsabkommen den Sozialstaat reduzieren möchte! (Beifall bei der SPÖ.)

14.22

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile Herrn Bundesminister Mag. Herbert Haupt das Wort. – Bitte.

14.22

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte nur die Ausführungen des Vorredners im Zusammenhang mit der Einführung der Chipkarte etwas korrigieren.

Herr Kollege! Ich darf Sie dringend ersuchen, nicht Realitätsverweigerung zu betreiben, denn die Einführung der Chipkarte ist auf gesetzlicher Ebene sogar von der vorigen Bundesregierung – versehen mit einem deutlichen Zeitplan – festgelegt worden.

Die Einführung der Chipkarte lag ausschließlich im Bereich des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger. Es gibt keinen einzigen Abstimmungsberechtigten in diesen Bereichen, der nicht aus der Selbstverwaltung kommt. Ich darf Sie daher bitten, für Versäumnisse in diesem Zusammenhang nicht diese Bundesregierung und auch nicht die vorangegangene Bundesregierung verantwortlich zu machen.

Genau das, Herr Kollege, was Sie richtig erkannt haben, nämlich dass man mit der rechtzeitigen Einführung der EDV-Vernetzung, mit der rechtzeitigen Einführung der Chipkarte für die Versichertengemeinschaft sehr viel an Geld für Gesundheitsleistungen hätte aufbringen können, ist das Versäumnis, das ich sehr vielen Herren im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vorwerfe. (Bundesrat Kraml: Aber allein können sie das nicht entscheiden!)

Ich sage es auch hier deutlich und klar: Herr Direktor Mandl ist für mich jemand, der sich redlich bemüht hat, die Umsetzung voranzutreiben und die Umsetzung auf einer fairen Basis zu gestalten – um auch hier keinen Zweifel aufkommen zu lassen. Aber es hat innerhalb des


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Hauptverbandes sehr viele gegeben, die diametral gearbeitet und Herrn Direktor Mandl seine Aufgabe, die Umsetzung der Chipkarte, erschwert haben.

Ich sage auch dazu: Ich hätte mir gewünscht, dass die Vergabe der Chipkarte an ein österreichisches Konsortium gefallen wäre und nicht an ein ausländisches, wodurch es möglich gewesen wäre, in Österreich viel mehr Arbeitsplätze abzusichern als mit der jetzigen Lösung, die im Hauptverband auf Grund des dortigen Ausschreibungsverfahrens erreicht werden konnte.

Aber ich sage auch klar dazu: Da es mir um die Versichertengemeinschaft gegangen ist, habe ich meine Herren im Hauptverband angewiesen, keinen Einspruch zu machen, damit endlich das Einsparungspotenzial, das durch die Umsetzung der Chipkarte für alle Versicherten in Österreich erreicht werden kann, endlich lukriert wird.

Da Sie die Qualität in der Steiermark und Präsidenten Routil angesprochen haben, darf ich auf Folgendes hinweisen: Herr Präsident Routil ist jemand, der sich in den Bereichen der Qualitätssicherung weit über die Ärztekammer hinaus einen guten Ruf erworben hat. Ich glaube nicht, dass Herr Präsident Routil es verdient (Bundesrat Kaltenbacher: Er ist ja dagegen!), hier im Bundesrat dafür geziehen zu werden, dass er sich um die Qualität der ärztlichen Leistungen in Österreich nicht annimmt. (Bundesrat Kraml: Ist er dagegen oder nicht?)

Sie als steirischer Bundesrat wissen genauso wie ich, dass gerade bei der Qualitätssicherung im ärztlichen Bereich Herr Präsident Routil einer der Vorreiter innerhalb der österreichischen Ärzteschaft ist. Ich würde Sie daher wirklich bitten, dem Gebot der Fairness Rechnung zu tragen und nicht jemanden, der sich hier nicht selbst verteidigen kann, Vorwürfe in die Schuhe zu schieben, die aus meiner Sicht die falsche Person treffen. (Beifall der Bundesrätin Haunschmied. )

Herr Bundesrat! Ich glaube, dass bei der von Ihnen angesprochenen Gestion auch einiges innerhalb der Ambulatorien zu überlegen ist. Sie, Herr Bundesrat, wissen so wie ich, wenn Sie sich mit den Verantwortlichen der steirischen Gebietskrankenkasse unterhalten haben, dass es sehr wohl Ambulatorien gibt, die eine gute Gestion für die Gebietskrankenkasse haben, dass es aber sehr wohl auch Ambulatorien in der steirischen Gebietskrankenkasse gibt, die teurer arbeiten als die niedergelassenen Ärzte.

Ich glaube daher, dass es sehr gut ist, dass sehr viele Krankenversicherungsträger durchaus zugesichert haben, in ihrem Bereich die Ambulatorien zu durchforsten und jene, die gleiche Leistungen zu erheblich höheren Kosten für die Versichertengemeinschaft erbringen, zu schließen, und nur jene auf dem Markt zu halten, weiterzuführen und zu vervollständigen, die tatsächlich für die gesamte Versichertengemeinschaft und für das Angebot, das sie den Versicherten machen wollen, von Vorteil sind, die jenen Grundsätzen entsprechen, die Sie, Herr Bundesrat, sich offensichtlich genauso vorstellen wie ich, nämlich: ein kostengünstiges qualitätsvolles Angebot für die Versicherten.

Wir werden beim nächsten Tagesordnungspunkt auf das neue Ärztegesetz zu sprechen kommen. Ich meine, Sie machen dieser Bundesregierung einen falschen Vorwurf. Diese Bundesregierung war die erste, der es gelungen ist, in den Verhandlungen mit den Ärzten das Online der EDV-Abrechnung, das Abschaffen der leidigen Zettelwirtschaft in diesen Bereichen nicht nur anzugehen, sondern nunmehr auch mit einem klaren Zeithorizont zu versehen.

Weiters ist diese Bundesregierung die erste, die in der Lage ist, im neuen Ärztegesetz das Instrument der Gruppenpraxen vorzusehen. Gruppenpraxen sind ein wichtiges Element zur Versorgung im ländlichen Raum, um auch in Kleinstädten in Österreich, in denen es keine Krankenanstalten, keine Ambulatorien und keine Institute gibt, den Patienten rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr und behindertengerecht Zugang zu hohen medizinischen Leistungen zu gewährleisten. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Hier ist eindeutig und klar zu sehen, Herr Kollege, dass nicht diese Bundesregierung ein höchstgerichtliches Erkenntnis missachtet hat, sondern dass die Umsetzung eines Erkennt


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nisses des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahre 1997, wonach auch Ärzte ein Recht auf Gruppenpraxen haben – so wie alle anderen Berufsgruppen auch, wie etwa Apotheker, Tierärzte oder andere Freiberufler, im Bereich der Wirtschaftstreuhändler und andere, um nicht alle vollständig zu nennen –, von Seiten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger massiv behindert wurde.

Heute, fast viereinhalb Jahre nach diesem Erkenntnis, gibt es immer noch – man sieht das anhand von Presseaussendungen – Leute im Hauptverband, die meinen, dass sie im nächsten halben Jahr nicht in der Lage sein werden, von Seiten des Hauptverbandes und der Krankenversicherungsträger für dieses neue Instrument der Praxen und der ortsnahen Versorgung auf hohem Niveau für die Patientengemeinschaft entsprechende Krankenversicherungsverträge zu geben.

Ich bitte Sie, Ihren Einfluss in der Steiermark geltend zu machen, dass das nicht wahr wird, sondern dass gerade dort, wo dieses neue Instrument der Betreuung den Versicherten vor Ort eine Versorgung auf einem höheren Niveau bei behindertengerechtem Zugang und rund um die Uhr, 365-Tage-Offenhaltens-Verpflichtung, bringen würde, hinsichtlich der Gruppenpraxen das in entsprechender Form umgesetzt wird, was sich der Gesetzgeber vorstellt und der Versichertengemeinschaft dient. Ich bin mir sicher, dass dann das Angebot des österreichischen Gesundheitssystems für alle leichter zugänglich wird, nicht nur für die Menschen in der Stadt, sondern auch für jene Wählergruppen, die heute in diesem System benachteiligt sind, also für jene auf dem Land.

Ich frage Sie jetzt allen Ernstes: Welche ärztliche Wahlfreiheit hat man denn wirklich in einer Kleingemeinde mit einem Vertragsarzt, wenn der nächste Vertragsarzt 10 Kilometer entfernt ist, man selbst 87 Jahre alt ist, keinen Führerschein hat und auch keinen Verwandten, der einen tagsüber zum Arzt bringen kann? (Bundesrat Konecny: Und keinen Postautobus, denn den haben Sie zugesperrt! – Bundesrätin Schicker: Und keine Nebenbahn!) Dort haben Sie weder Wahlfreiheit noch die verfassungsmäßige Freiheit für die freie Arztwahl, dort haben Sie ein Pflichtangebot, das Sie annehmen müssen, oder Sie müssen in sündteure Krankenanstalten gehen, um etwas zu bekommen, was eigentlich jeder Österreicherin und jedem Österreicher vor Ort zusteht.

Ich bitte Sie, auch in der Steiermark mitzuwirken, dass dieses System der Gruppenpraxen möglichst schnell umgesetzt wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.29

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Herwig Hösele. Ich erteile ihm das Wort.

14.30

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich trage schon sehr lange Mascherl und werde sie noch lange tragen.

Ich beginne mit einem Satz, bei dem ich davon ausgehe, dass ihm alle Mitglieder des Bundesrates vollinhaltlich zustimmen können. Der Satz lautet: Demokratie bedeutet politische Willensbildung durch Mehrheitsbeschluss und gleichzeitig Achtung vor den Rechten der Minderheit. – Dieser Satz stammt aus dem berühmten Wiener Programm der Sozialdemokratie 1958.

Um diese demokratischen Gepflogenheiten geht es insbesondere auch bei diesem Gesetz. (Bundesrat Konecny: Lesen Sie den Satz der Bundesregierung ein paar Mal vor, denn beim ersten Mal verstehen sie ihn nicht!)

Ich lese Ihnen jetzt den Kernsatz des Wiener Programms 1958 vor, Herr Professor, den Sie besser kennen als ich (Bundesrat Konecny: Ja, in der Tat!): Sozialismus ist vollendete Demokratie. – Drückt sich darin vielleicht jene vermeintliche Realverfassung aus, auf die sich die Sozialdemokratie in den letzten 30 Jahren gewohnheitsrechtlich zu berufen glauben durfte?


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Artikel 1: Österreich ist eine demokratische Republik.

Artikel 2: Der Bundeskanzler ist ein Sozialdemokrat.

Artikel 3: Österreichische Machtzentren wie die Banken, namentlich die Bank Austria, der ORF (Bundesrat Thumpser: Raiffeisen!), die ÖIAG, die Sozialversicherung werden sozialdemokratisch dominiert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Präsident Schöls übernimmt den Vorsitz.)

Artikel 4: Zum Zwecke der Erfüllung von Artikel 2 und 3 werden einige Positionen der Bundesregierung (Bundesrat Manfred Gruber: Raiffeisen, Volksbank ... ORF!) und der anderen Institutionen Vertretern anderer Parteien gnadenhalber zugestanden (Bundesrätin Schicker: So, wie es jetzt in der Steiermark ...!), solange sie der sozialdemokratischen Hegemonie in diesem Lande zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrätin Schicker: Genau so geht es jetzt im Land Steiermark zu! – Weitere Zwischenrufe.)

Liebe Frau Schicker! Ich habe es mir gestern Abend, besser gesagt: um 1 Uhr in der Nacht, erspart, eine tatsächliche Berichtigung zu machen, aber Sie haben eine ganze Reihe von unwahren Darstellungen der Regierungssitzungsbeschlüsse des Landes Steiermark vorgebracht. (Bundesrätin Schicker: Warum schreien Sie so, Herr Kollege? Ich höre nicht schlecht! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ. – Präsident Schöls gibt das Glockenzeichen.)

Ich darf Ihnen sagen, was Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Professor Schachner-Blazizek von der SPÖ, Landesvorsitzender dieser Partei – noch, auf Abruf, er tritt nämlich einmal zurück (Bundesrat Würschl: 1934, Dollfuß!)  –, knapp vor der Wahl am 15. Oktober inseriert hat: Wir haben 70 Prozent der Ressorts in der Steiermark. – Und das hatte er bei 36 Prozent! Jetzt passt es auf einmal nicht mehr, weil er abgewählt wurde. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Herrschaften! Demokratie bedeutet, Mehrheitsverhältnisse zu respektieren und Minderheitsrechte zu achten! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Ruf bei der SPÖ: Herr Kollege! Wie erklären Sie sich die Aussage von Neugebauer?)

Ich habe hier zu diesem Thema ... (Anhaltende Zwischenrufe.)

Präsident Alfred Schöls (das Glockenzeichen gebend): Ich darf bitten, dass sich die Gemüter beruhigen. (Weitere anhaltende Zwischenrufe.) Ich bitte, dass sich die Gemüter beruhigen. (Bundesrat Gasteiger: 27 Prozent! – Weitere Zwischenrufe. – Präsident Schöls gibt das Glockenzeichen. – Bundesrat Würschl geht mit einem Blatt Papier, auf dem "1934" steht, durch die Bankreihen. – Ruf: Haben Sie das gesehen? – Bundesrat Bieringer: Das ist unerhört!)


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Bundesrat Herwig Hösele
(fortsetzend): Jawohl, das Jahr 1934, das ist wohl ...

Präsident Alfred Schöls: Herr Kollege Würschl! Ich darf bitten, dass Sie mit dem Blatt Papier, mit dem Sie durch die Reihen gegangen sind, in Zukunft nicht mehr durch die Reihen gehen! (Bundesrat Bieringer – in Richtung des Bundesrates Würschl  –: Das ist wirklich unerhört!)

Bundesrat Herwig Hösele (fortsetzend): Darf ich bitte darauf hinweisen ... (Bundesrat Konecny: Das ist ’34! Genau das!) Ich bitte Sie ... (Anhaltende Zwischenrufe.)

Präsident Alfred Schöls: Es entgeht Ihnen, auf die Argumente des Kollegen Hösele zu replizieren, wenn Sie ihm nicht zuhören.

Kollegen Würschl möchte ich wirklich bitten, dass er es unterlässt, mit dem Blatt Papier durch den Plenarsaal zu gehen! (Bundesrat Würschl: Der Herr soll Geschichte lernen! – Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Bundesrat Herwig Hösele (fortsetzend): Lernen Sie Geschichte, Herr Würschl! (Zwischenrufe.)

Herr Kollege Würschl! Dieses Inserat des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (der Redner zeigt ein Blatt einer Zeitung mit einem Inserat mit dem Titel: "Demo für Demokratie") ist vor vierzehn Tagen in Zeitungen erschienen. In diesem Inserat heißt es: Demokratische Wahlergebnisse werden nicht akzeptiert. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Hoscher.  – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich frage Sie: Akzeptieren Sie die demokratischen Wahlergebnisse der Arbeiterkammern? Akzeptieren Sie die demokratischen Wahlergebnisse vom 3. Oktober 1999? (Ruf bei der SPÖ: 27 Prozent!) Akzeptieren Sie die Zusammensetzung des Bundesrates? (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich frage Sie nur.

Ich frage Sie weiters (Bundesrat Manfred Gruber: Ihre Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel!), weil hier in einer für mich etwas bedauerlichen Weise immer dargestellt wurde, als würden 80 Prozent ... (Bundesrat Manfred Gruber: Wer hat die Bronzemedaille bei der letzten Nationalratswahl bekommen?)

Ich frage mich, wie das System der Selbstverwaltung wirklich zu sehen ist. (Ruf bei der SPÖ: Ich habe es dir eh erklärt!) Ist es nicht so, dass bei den Unselbständigen die Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch geleistet werden? Ist es nicht so, dass die AUVA-Beiträge allein von den Arbeitgebern geleistet werden? Ist es nicht so, dass öffentlich Bedienstete Beiträge leisten? Ist es nicht so, dass Landwirte, Bauern Beiträge leisten? Ist es nicht so, dass Selbständige Beiträge leisten? – Zu sagen: Demokratisch ist, wenn 80 Prozent Sozialdemokratie sind und 20 Prozent Berufsgruppen, die anders vertreten sind!, das ist doch nicht akzeptabel!

Wenn die Arbeiterkammer ... (Anhaltende heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Wieso, frage ich Sie ...

Präsident Alfred Schöls: Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich bitte wirklich um mehr Disziplin. Sollte diese im Rahmen der Plenardiskussion nicht möglich sein, so beabsichtige ich – das kündige ich an –, die Sitzung zu unterbrechen und eine Präsidiale einzuberufen, sollten sich die Gemüter nicht beruhigen.

Ich bitte wirklich, auch den Redner seine Argumente vortragen zu lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Bundesrat Herwig Hösele (fortsetzend): Darf ich eine kleine Bemerkung zum Jahr 1934 machen? – Ich bin im 68er-Jahr ff politisch aufgewachsen. Ich war aber eher ein so genannter – wie es damals in der Diktion der Leute, die sich auf Marcuse und Habermas berufen haben – Scheiß-Liberaler, kein Rechter, sondern ein so genannter Scheiß-Liberaler, der immer gesagt hat: Die Demokratie ist gut, und die kritischen Intellektuellen, vor allem auch der Frankfurter Schule, sind ganz wichtig, aber ich kann deren Totalitätsanspruch nicht nachvollziehen! Dann ist immer mit der Faschismuskeule auf uns eingeschlagen worden.

Zum Jahr 1934: Ich habe immer gedacht, man hat daraus seine Lehren gezogen (Bundesrat Manfred Gruber: Scheinbar nicht!), selbstverständlich auch auf der Seite der Österreichischen Volkspartei, das ist gar keine Frage. Ich rede auch heute nicht davon, sage ich Ihnen ganz offen, weil mich das wirklich betroffen gemacht hat.

Wir haben heute den 20. Juli 2001. "Widerstand" ist eine der großen Parolen, die gegen diese Regierung ausgegeben worden ist. Ich möchte am 20. Juli 2001 über die Angemessenheit dieser Parole nichts sagen, das möchte ich ganz ehrlich sagen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Winter. ) Ich sage nur: Ein demokratisch legitimiertes Parlament setzt daher mit der heute zu beschließenden Novelle legitime und notwendige Schritte der Demokratisierung der Selbstverwaltung. (Ironische Heiterkeit des Bundesrates Gasteiger. )


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Da die Unvereinbarkeitsbestimmungen so kritisiert werden – und da stehe ich leider in einem gewissen Gegensatz zu dem von mir sehr geschätzten Präsidenten Schöls –, sage ich ganz offen: Ich bin ein Anhänger derselben und wäre persönlich auch für deren Ausweitung auf alle öffentlichen gesetzgebenden Körperschaften.

Ich nehme an, dass sich Frau Kollegin Bachner gestern deswegen entschuldigt hat, weil sie Gewerkschaftsbund-Sitzung gehabt hat. (Bundesrätin Bachner: Ja!) Und daran sieht man, welche auch terminlichen Konflikte und Problematiken es gibt und dass der Gewerkschaftsbund mit seiner gestrigen Sache wichtiger war als der Bundesrat. (Bundesrätin Schicker: Der Herr Präsident wäre auch hingegangen, wenn er Zeit gehabt hätte!)

So, was ich ... (Bundesrat Konecny: Das ist ungeheuerlich! – Anhaltende Rufe und Gegenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

Präsident Alfred Schöls: Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Bundesrat Konecny: Das ist ungeheuerlich! Ein Skandal ist das! Das ist ein Skandal! Das ist eine Frechheit! Sie können nicht ... diskriminieren! – Anhaltende heftige Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich unterbreche  – ich habe es angedeutet – die Plenarsitzung auf unbestimmte Zeit und berufe die Präsidialkonferenz zu einer Sitzung ein.

(Die Sitzung wird um 14.41 Uhr unterbrochen und um 15.33 Uhr wieder aufgenommen. )

Präsident Alfred Schöls: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und darf zwei Dinge berichten beziehungsweise festhalten.

Zum einen: Wir haben in einer nicht komplett besetzten Präsidialkonferenz versucht, uns darauf zu verständigen, dass wir jedem Mitglied des Hauses in Erinnerung rufen und darum ersuchen, Emotionen, so weit es nur irgendwie geht, zurückzunehmen. Ich glaube, wir dienen der Demokratie nicht, wenn wir uns hier gegenseitig aufschaukeln. Ich sage das jetzt wirklich so, wie ich es persönlich empfinde, auch wenn es nicht der Diplomatensprache entspricht. Jeder hat eine gefestigte politische Meinung, jeder in diesem Haus hat auch persönliche Gefühle, und es muss uns bewusst sein, was passiert, wenn der eine die Gefühle des anderen verletzt; das gilt für beide Seiten.

Zum Zweiten: Ich halte es für der Sache nicht dienlich, wenn wir mit Jahreszahlen durch den Plenarsaal gehen, wobei jeder seine persönliche Betroffenheit – ob aus eigener Wahrnehmung oder aus der Wahrnehmung seiner Freunde und Verwandten – hat.

Ich bitte auch darum, dass wir uns die Wortwahl – egal, wo wir uns befinden: ob am Rednerpult oder allgemein im Plenum – überlegen und uns dessen bewusst sind, dass ein unüberlegt gesprochenes Wort den anderen verletzen kann.

Ich bitte nun Kollegen Hösele, mit seiner Rede fortzusetzen. – Bitte.

15.35

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere Frau Bundesrätin Bachner und alle Bundesräte der SPÖ! Ich möchte zuerst feststellen, dass ich mich selbst auch schon einmal bei einer Bundesratssitzung aus privaten Gründen entschuldigt habe. Ich wollte Ihnen in gar keiner Weise etwas unterstellen. Ich habe, so glaube ich, gesagt, Sie waren entschuldigt. Ich wollte dieses Faktum nur darstellen. Ich habe mich mit diesem Thema natürlich immer wieder auseinander gesetzt. Ich wollte Ihnen gar nicht zu nahe treten; ich wollte nur insgesamt auf meine Überzeugung hinweisen – und das war, so glaube ich, mein letzter Satz –, dass ich an sich strenge Unvereinbarkeitsregelungen für richtig halte und dass in einigen Gruppen, wie zum Beispiel in der Steirischen Volkspartei, Spitzenrepräsentanten der Sozialpartnerschaft gesetzgebenden Körperschaften nicht angehören.

Wenn diese Aussage provokant gewesen sein sollte, stehe ich wirklich nicht an, mich hier entschuldigen zu wollen, denn mir ist auch klar, dass der Krieg der Worte etwas ist, was wir in


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einer Demokratie in keiner Weise schüren sollten, sondern dass eine Auseinandersetzung an sich ein Diskurs der Argumente sein soll. Mir ist auch klar, dass es Sensibilitäten gibt, auf die ebenfalls Rücksicht zu nehmen ist.

Ich bleibe wie zu Beginn meiner Rede bei der Zitierung des Wiener Programms der SPÖ: Demokratie bedeutet politische Willensbildung durch Mehrheitsbeschluss und gleichzeitig auch Achtung vor den Rechten der Minderheit. – Diesbezüglich ist auch mir klar, dass die Mehrheit eine größere Verantwortung hat. Ich gehe aber auch davon aus, dass diese Mehrheit in einer sehr verantwortungsvollen Weise – denn sie wäre in der Gestaltung der 58. ASVG-Novelle frei gewesen – die demokratischen Anliegen wahrgenommen hat.

In diesem Sinne wollte ich abschließend noch sagen, dass mit diesem Gesetz, mit der 58. ASVG-Novelle, noch nicht ganz die große notwendige Strukturreform zur langfristigen Absicherung des Sozialversicherungssystems gelungen ist, dass aber ein entscheidender Beitrag in dem Sinn geleistet wurde, dass ein System, das höchst innovationsresistent war, demokratischer geworden ist und dass hiemit Voraussetzungen für die notwendige Strukturreform geschaffen wurden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.38

Präsident Alfred Schöls: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kainz. – Bitte.

15.38

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Hösele jetzt gesagt hat, Demokratie bedeute politische Willensbildung durch die Mehrheit – ich glaube, so ähnlich hat er es formuliert –, dann ist das zwar richtig, dennoch entstehen solche Situationen, wie wir sie heute erlebt haben – und das ist nicht die erste Thematik, bei der wir in der politischen Willensbildung keinen Part in der Diskussion mehr empfinden.

Ich bekenne mich zu demokratischen Beschlussfassungen durch Mehrheiten, auch wenn die Inhalte nicht dem entsprechen, was ich mir vorstellen, was sich meine Fraktion vorstellen würde. Nur war es auch in Zeiten, in denen politische Mehrheiten in anderer Zusammensetzung gesucht werden mussten, möglich, in der Diskussion Argumente einzubringen. Sachliche Einwände wurden – wenn auch nicht alle, aber doch zum Teil – berücksichtigt. Das war vor allem auch das Wesen der Sozialpartnerschaft, über Weltanschauungen und über Interessenpolitik hinweg zu Kompromissen zu kommen.

Aber das, was wir derzeit erleben, widerspricht nach unserer Einschätzung ganz entschieden diesen seit vielen Jahrzehnten geübten Gepflogenheiten.

Es wird Gelegenheit zur Diskussion gegeben. Diese Diskussion ist jedoch nicht führbar, und wenn, dann unter dem Titel: Man verwirre mich nicht durch Tatsachen! – Vor diesem Hintergrund möchte ich mich wirklich nur auf einige ganz grundsätzliche Bemerkungen beschränken, die sich bei der Diskussion über die 58. Novelle des ASVG aufdrängen.

Auch wenn der Herr Minister heute gesagt hat, dass die Frage der Veränderung des Systems von der Pflichtversicherung zur Versicherungspflicht kein Thema sei, so hat er das aber auch nicht klar bestritten, sondern nur ausgeführt, dass die Möglichkeiten geprüft werden.

Meine Damen und Herren! So wie wir die Prüfung dieser Möglichkeiten jetzt erleben, ist meiner Ansicht nach der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, dass diese Prüfung eben in diese Richtung ausfallen wird, vor allem auch deshalb, weil im Koalitionsübereinkommen diese Änderung dezidiert angesprochen ist. Ohne das als Provokation zu empfinden, müssen Sie mir doch gestatten, zu fragen, wer den Nutzen aus diesen Dingen zieht: die Versicherten sicher nicht!

Ich werde Ihnen jetzt nicht im Einzelnen alle Nachteile einer Privatversicherung anführen, denn ich glaube, jene, die bereits jetzt durch Zusatzversicherungen oder auch in anderen Bereichen, etwa in der KFZ-Versicherung, mit derartigen Dingen zu tun haben, wissen, wie das Kleinge


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druckte bei Versicherungsverträgen ausschaut, dass damit nicht jedes Risiko abgedeckt ist und es durchaus passieren kann (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler )  – das weiß ich aus eigener Erfahrung –, dass hinterher der kausale Zusammenhang einer Erkrankung mit der Versicherungsleistung bestritten wird, also diese Leistung nicht angeboten wird. Was es heißen würde, wenn man die soziale Krankenversicherung mit solchen Unwegbarkeiten belastet, das, so glaube ich, brauche ich Ihnen nicht zu sagen.

Noch eine Bemerkung zu den Verwaltungskosten, die immer wieder angeführt werden: Wenn uns jetzt, im Rahmen der sozialen Krankenversicherung, die Verwaltungskosten zu hoch sind, dann frage ich mich, wie man mit der Tatsache umgehen wird, dass private Versicherungen Gewinne machen müssen und merkbar höhere Verwaltungskosten haben.

Dass im Koalitionsübereinkommen zwischen ÖVP und FPÖ der 20-prozentige Selbstbehalt bei allen Leistungen enthalten ist, wird, so nehme ich an, auch nicht bestritten. – Meine Damen und Herren! Ich überlasse es Ihrer eigenen Einschätzung, wie das dann für die Normalfamilie ausschauen wird, wenn in einem Jahr für die Mandeloperation der Tochter gespart werden muss, im nächsten Jahr ist es vielleicht der Blinddarm des Sohnes, und eine große Katastrophe bedeutet dann eine vielleicht schwere Erkrankung eines Elternteils.

Zu den Selbstbehalten nur eine Anmerkung, die uns nicht glücklich macht – und Sie sollen jetzt nicht sagen: Na ja, wir leisten schon Selbstbehalte, und deshalb ist das nicht so tragisch! –: Derzeit fließen unter dem Titel Selbstbehalte bereits 1,6 Milliarden Schilling jährlich an die oberösterreichische Krankenversicherung. Wenn heute mit vielen Argumenten so dargestellt werden sollte, dass die Belastungen zumutbar seien, weil es Lenkungseffekte gibt, weil sie à la longue dem Sozial- und Gesundheitswesen in Österreich die Zukunft sichern, dann behaupte ich, dass das so schlichtweg nicht stimmt, vor allem wenn es um die Finanzierung geht, weil zum ursprünglichen Willen des Gesetzgebers, der Vertragspartner die paritätische Finanzierung und nicht nur die paritätische Zusammensetzung der Gremien gehörte. Dazu könnte und müsste man vieles sagen, denn es ist natürlich leicht für den Minister, der über alle Details informiert ist, Dinge zu argumentieren, die dann in der Debatte nicht mehr widerlegbar sind.

Eines ist klar: Natürlich ist der Präsident des Hauptverbandes für uns eine Person, die wir dorthin entsendet haben und deshalb auch von uns gestützt wird, und es ist selbstverständlich, dass der Mensch Sallmutter auch Bedeutung hat. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

Aber eines sage ich Ihnen ganz offen, Herr Minister: Es geht nicht um Herrn Sallmutter als Mensch – er hat Fähigkeiten genug, dass er mit dieser Situation zurechtkommen wird –, sondern es geht ganz einfach darum, für welche Politik unser Kollege Sallmutter gestanden ist, und das war eine Politik für die Versicherten und kein Wechsel im System zum Nachteil der Versicherten, keine zusätzlichen Belastungen einseitig für die Versicherten.

Meine Damen und Herren des Wirtschaftsflügels! Sie werden sich an dieser zusätzlichen Finanzierung beteiligen müssen! Jetzt haben wir natürlich diese 58. Novelle zur Kenntnis zu nehmen, die die Voraussetzungen schafft, dort jeden Politikwechsel einzuleiten.

Was den Unmut einzelner Kollegen, die ihn bisweilen auch lautstark und emotionell ausdrücken, vielleicht etwas verständlicher macht, ist, dass nicht nur hinsichtlich dieser 58. Novelle so vorgegangen wird, sondern dieselbe Vorgangsweise im Bereich der ÖIAG und beim Rundfunkgesetz zu sehen war. Und wir haben diese auch jetzt in diesem für alle Österreicher so existenziellen Bereich des ASVG erleben müssen.

Sie haben bestimmte Vorstellungen, Sie sind nicht bereit, im Wege eines Kompromisses von der einen oder anderen Frage abzurücken – und sagen Sie mir nicht, es hat Kompromisse gegeben, etwa Verbesserungen bei der Zusammensetzung der Gremien im Hauptverband; das meine ich nicht, das ist auch schlichtweg zu wenig!

Dieses Vorgehen macht uns Sorge! Das macht nicht nur uns als sozialdemokratische Gewerkschafter Sorge, es macht auch Ihren Kollegen vom ÖAAB, von der FCG Sorge. Obwohl ich


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mich nicht zum Verteidiger des Herrn Dirnberger aufschwingen möchte – das kann und soll er selbst tun –, aber die Einstellung, die hinter einer Aussage wie jener vom "sechsten oder siebenten Zwerg von links" steht (Rufe bei den Freiheitlichen und der ÖVP: Der siebente! – Bundesrat Würschl: Von links!)  – "der siebente Zwerg von links" –, bedrückt mich zutiefst. Dies drückt meiner Ansicht nach eine Haltung aus, die mit Demokratieverständnis nicht mehr erklärbar ist. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach. )

15.48

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

15.48

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte Frau Kollegin Kainz einiges mit auf den Weg geben. Sie haben zu Recht angeführt, dass es nicht um Menschen, sondern um das gesamte System, um die Versichertengemeinschaft geht. Sie haben aus Ihrer Sicht, als oberösterreichische Bundesrätin, die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse und die dortigen Verhältnisse angeführt. Sie haben gemeint, Sie stehen hinter dem, was Präsident Sallmutter im Hauptverband als System dokumentiert hat.

Ich darf Ihnen das Rad der Zeit zweieinhalb Jahre zurückdrehend klar und deutlich sagen: Im Jahre 1999 hat gerade die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse unter Vizepräsident Oberchristl versucht, ein meiner Ansicht nach gutes Modell zur Neuorientierung des Hauptverbandes auf Basis von dezentralen Einrichtungen, auf Basis von Stärkung der regionalen Gebietskrankenkassen, auf Basis eines solidarischen Ausgleichs unter diesen Kassen, mit einer Studie und einer Expertise der Universität von Passau untermauert, innerhalb des Hauptverbandes durchzubringen, weil es nicht nur Vizepräsidenten Oberchristl, sondern sehr vielen innerhalb der Sozialpartnerschaft, und zwar über alle Fraktionen, die damals vertreten waren, hinweg, wichtig erschienen ist, die Sozialpartnerschaft bei den Krankenversicherungsträgern und innerhalb des Hauptverbandes auf eine neue Basis zu stellen.

Im Gegensatz zur Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse und jenen, die diesem dezentralen, föderalistischen System mit einem Subsidiaritätsprinzip und Eigenverantwortung vor Ort im Interesse der Versichertengemeinschaft das Wort gesprochen haben, waren Präsident Sallmutter und die anderen im Hauptverband eher geneigt, einen Moloch in der Bundeshauptstadt Wien aufzurichten, ein Modell, das ausschließlich auf zentralistischen Gesichtspunkten und der Zusammensetzung und Zusammenführung von zentralistischen Gesichtspunkten basiert und nicht auf dem föderalistischen Prinzip, dem Grundprinzip dieser Zweiten Republik, nicht nach dem Subsidiaritätsprinzip, dem Prinzip des österreichischen Bundesrates, und auch nicht nach dem Prinzip der Versichertennähe und der Versicherungsgemeinschaft.

Ich darf Sie, Frau Bundesrätin Kainz, darauf aufmerksam machen, dass das sehr wichtige Punkte in den Verhandlungen waren. Jene, die schlussendlich bei den Verhandlungen nicht mitgemacht und die angebotenen Kompromisse nicht unterstützt haben, waren nach wie vor die Anhänger des zentralistischen Systems und nicht des föderalistischen Systems.

Ich mache Sie deswegen dezidiert auf diese Entwicklung innerhalb des Hauptverbandes aufmerksam, weil Sie als engagierte Vertreterin des Bundesrates auch für den Föderalismus, für das Subsidiaritätsprinzip und für die Verwaltung vor Ort im Interesse und in Verbindung mit den Versicherten stehen, und nicht, so glaube ich, für ein zentralistisches System mit einer zentralistischen Ausrichtung und einer Zusammenführung im Zentrum.

Wenn man also eine faire Diskussion über all diese Vorgänge führt, so sind auch die Ereignisse des Jahres 1999 sowie die Unfähigkeit des Systems bezüglich Weiterentwicklung zu diskutieren. Diesen meiner Ansicht nach richtigen Weg, den die Oberösterreicher damals mit sehr vielen Freunden aus der Steiermark, aus Salzburg, aus Tirol und anderen Bundesländern skizziert haben, wurde aber einerseits vom Kontrollausschuss, vor allem jedoch von den drei hauptverantwortlichen Herren des Hauptverbandes – wenn man sich die Protokolle ansieht – blockiert.


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Wenn Sie sagen, dass es in einer Demokratie selbstverständlich ist, dass nicht jeder, der an den Verhandlungstisch geht, seine Meinung zu 100 Prozent durchbringt, sondern dass Kompromisse zu schließen sind, dann danke ich Ihnen, dass Sie wenigstens fairerweise angeführt haben, dass es in der Zusammensetzung der Gremien zu einer deutlichen Verbesserung gekommen ist, auch wenn Sie diese Abänderung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf als nicht ausreichend betrachtet haben. (Widerspruch der Bundesrätin Kainz.  – Bundesrat Würschl: ... nicht gesagt! – Bundesrat Kraml: Das hat sie nicht gesagt!)

Aus meiner Sicht, aus Sicht des Ministeriums, darf ich Ihnen auch einmal drei Dinge mit auf den Weg geben, auf die ich verzichtet habe.

Ich bin der erste Sozialminister, der darauf verzichtet hat, dass der Präsident des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungen nicht bestellt, sondern gewählt wird – ganz egal, wie er heißt! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Sie wissen auch, Frau Kollegin Kainz, dass es in den letzten Wochen und Monaten bei sehr vielen innerhalb der Sozialpartnerschaft zu Irritationen geführt hat, dass nunmehr die Controllinggruppe als ein wichtiges Instrument – die Herren des Hauptverbandes, die primär dagegen waren, haben sie in der letzten Sitzung in der vorigen Woche durchaus als Bereicherungselement empfunden –, unter der Leitung von Frau Mag. Bogensberger und Herrn Mag. Völkl, hier nicht nur gute Arbeit leistet, sondern auch von mir in den Verhandlungen freiwillig wieder der Selbstverwaltung unterstellt worden ist und nicht mehr dem Ministerium.

Ich glaube, dass von mir, vom Ministerium sehr viel für eine Kompromisslösung in die Verhandlungen eingebracht worden ist. Das, was ich eingebracht habe, ist heute im Text zur 58. ASVG-Novelle als Verzicht des Sozialministers, als Weitergabe der Macht des Sozialministers an die Selbstverwaltung zu betrachten.

Sehr geehrte Frau Kollegin! Wenn alle am Verhandlungstisch eine gleich faire Haltung des Machtverzichtes an den Tag gelegt hätten, hätten wir vielleicht die kurze Distanz, die wir in sehr vielen vereinbarten Dingen der Neustrukturierung des Hauptverbandes gehabt haben und den kurzen Schritt, dies auch gemeinsam zu tragen und im Interesse des sozialen Friedens in Österreich zu verabschieden, überwinden können. Aber das wurde aus meiner Sicht in den letzten Tagen offensichtlich nicht mehr so gewollt. (Bundesrat Konecny: Von Ihnen!) Das bedauere ich. – Herr Professor Konecny! Es war nicht von mir nicht gewollt, auch nicht von der Bundesregierung nicht gewollt, sondern von manchen, die heute die Beschlussfassung nicht mittragen.

Ich habe immer den Weg über den Verhandlungstisch gesucht. Ich habe auch mit den Herren des Hauptverbandes, mit allen Trägern in dieser Woche Verhandlungen geführt, um endlich in ausgewählten Bezirken Österreichs das, was schon die KPMG- und die Häusermann-Studie vorgeschlagen haben, nämlich bürgernahe Verwaltung im Interesse der Versichertengemeinschaft, vor Ort durchzuführen.

Es hat mir etwa die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse fünf Verwaltungsbezirke für dieses Projekt angeboten. Wir sind mit allen Trägern übereingekommen, eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit dem Zeithorizont Herbst dieses Jahres einzusetzen, um dann in der 59. ASVG-Novelle notwendige Reparaturen und Korrekturen zur Umsetzung dieses Probebetriebes in ausgezeichneten Verwaltungsbezirken Österreichs einzubringen. Wir haben vereinbart, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, mit allen Trägern – von der AUVA bis zur BVA, von der PV der Angestellten bis zur PV der Arbeiter, von allen am Standort Linz und Graz anwesenden Krankenversicherungsträgern –, um endlich eine gemeinsame Begutachtung einzurichten, um allen Menschen, die sich um Rehabilitationsleistungen, um die Einstufung ihres Behindertengrades oder des Pflegegeldes bemühen, einen fairen Zugang dazu zu sichern, und zwar gleichermaßen unter Einbindung der Bäuerlichen Sozialversicherungsanstalt wie der Gewerblichen Sozialversicherungsanstalt, des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Hauptverbandes, der Wiener, der Oberösterreichischen und der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse wie auch der Sozialversicherungsanstalt der Eisenbahner.


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Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe den Verhandlungstisch nicht verlassen. Und ich werde weiterhin im Interesse der Versichertengemeinschaft Verhandlungen suchen. Um eines bitte ich Sie: Wenn Sie meinen ersten Ausführungen zu diesem Tagesordnungspunkt gefolgt sind, so müssten Sie erkennen, dass jene Dinge, die Sie in den Raum gestellt haben, nicht möglich sind. Ich habe Ihnen klar und deutlich gesagt, dass die Studiengruppe für das Abwägen von Versicherungspflicht versus Pflichtversicherung eine klare Vorgabe hat:

Es darf keine Ablehnung von chronisch Kranken geben, es darf keine Ablehnung von Behinderten geben, es darf keine Ablehnung von sozial Schwachen geben, und es muss die gleichen Leistungen für alle Menschen in diesem Versicherungssystem geben!

Ich darf Ihnen auch klar sagen: Die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung unter Eleonora Hostasch hat manchen Berufen das Opting out ermöglicht. Auf Grund der geringe Zahl von 5 800 Versicherten, die dieses Opting out gewählt haben, sind einige Versicherungen zu mir gekommen, um ihr Ergebnis zu verändern, mit dem sie das Angebot gemacht haben. Sie haben von mir und meinem Haus eine klare Absage erteilt bekommen. Diesen Wünschen ist nicht näher getreten worden.

Ich glaube daher, dass Sie sich mit unserer Bundesregierung und mit mir das falsche Opfer dieser Überlegungen, die Sie hier anstellen, erkoren haben, und würde Sie wirklich bitten, im Interesse des sozialen Friedens in Österreich bei zukünftigen Wortmeldungen außerhalb dieses Hauses zumindest das mit zu berücksichtigen, was ich Ihnen heute in meinen Wortmeldungen mit auf den Weg gegeben habe. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.57

Präsident Alfred Schöls: Bevor ich Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann das Wort erteile, teile ich Ihnen mit, dass mir ein Ersuchen des Herrn Bundesrates Professor Böhm gemäß § 71 der Geschäftsordnung vorliegt, Herrn Bundesrat Professor Konecny für eine gestern in der Diskussion über das ORF-Gesetz getätigte Aussage einen Ordnungsruf zu erteilen.

Ich behalte mir vor, nach Einsicht in das Protokoll gemäß § 70 Abs. 3 der Geschäftsordnung am Beginn der nächsten Sitzung darüber zu entscheiden.

Ich bitte nun Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann an das Rednerpult. – Bitte.

15.58

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich will nicht die gesamte Genesis, den Ablauf, wie es zu diesem Gesetz gekommen ist, noch einmal unterbreiten, weil ich meine, dass man sich jetzt wirklich auf das absolut Notwendigste in den Wortmeldungen beschränken sollte.

Dennoch ist das Thema so wichtig, dass man es nicht ganz kurz abhandeln kann. Ich glaube daher, dass man doch einige Korrekturen anbringen muss, vor allem in Hinsicht auf die Aussagen meiner Vorrednerin, Frau Kainz. Da sind doch ein paar Sachen gesagt worden, die man nicht ganz so stehen lassen kann. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich gehe mit Ihnen konform, Frau Kollegin, wenn Sie sagen, dass Ihnen der Mensch Sallmutter wert ist – das spricht auch für Sie persönlich. Wenn Sie aber sagen, Herr Kollege Sallmutter wäre ein so edler Mensch, dass er nie daran gedacht hat, zum Beispiel irgendeine Beitragserhöhung ins Auge zu fassen, sondern all das werde nur unter dieser Regierung gemacht, dann muss ich das doch korrigieren, denn diesbezüglich gibt es genügend gegenteilige Aussagen. Ich könnte mehrere bringen, angefangen bei jenen, dass Herr Sallmutter erstens für einen Risikoausgleich sei und sich zweitens auch für moderate Beitragerhöhungen ausgesprochen hat. (Bundesrätin Kainz: Ja, zu denen stehe ich persönlich seit vielen Jahren!)

Das will ich nur sagen, um vielleicht doch den Anschein ein bisschen auszuräumen, dass hier nie von Beitragserhöhungen und auch nicht von einem Risikoausgleich gesprochen wurde. (Bundesrätin Kainz: Frau Kollegin! Ich stehe zu Beitragserhöhungen, weil sie die gerechtere Lösung sind!) Der Risikoausgleich ist etwas, was mich schon ein bisschen nachdenklich stimmt,


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denn geht es darum, dass chronisch kranke Menschen – Sie wissen, was chronisch krank ist, ich brauche es Ihnen nicht zu erklären – mehr zahlen sollen als gesunde. Darüber müsste man schon extra diskutieren, ob das tatsächlich ein sozial richtiger Weg ist. Ich glaube das nicht, aber das war offenbar die Meinung des Herrn Sallmutter und auch Ihre.

Einige weitere Korrekturen: Es ist mir gesagt worden, mit der EDV sei alles in Ordnung gewesen – ich kenne mich da offenbar nicht aus –, auch Kollegin Bachner hat das ausgeführt. Dazu muss ich aber schon einiges ergänzend sagen. Es ist meines Erachtens eine blamable Situation gewesen, dass jahrelang einerseits über die Firmen diskutiert wurde, wem überhaupt der Zuschlag gegeben wird – aus welchen Gründen auch immer, ich möchte diese jetzt nicht mehr besprechen –, und dass zum Zweiten gewisse EDV-Systeme nicht oder nur teilweise zur Anwendung gekommen sind. Ich glaube, in einer Zeit, die von Informationstechnologie überflutet wird und in der sich innerhalb eines halben Jahres wieder alles ändert, muss man von solch einem Verband, der, bezogen auf das gesamte Gesundheitswesen immerhin über ein Budget von insgesamt 500 Milliarden Schilling pro Jahr verfügt – und das ist enorm viel Geld –, doch verlangen können, dass die Technologie rasch und effizient im Sinne der Versicherten angewendet wird. (Bundesrat Manfred Gruber: 500 Milliarden! Frau Kollegin! Denken Sie nach!)

Als zweiten Punkt möchte ich auch noch klarlegen: Es wird von Seiten der Sozialdemokratie immer viel von Sozialpartnerschaft gesprochen. Dazu sage ich Ihnen jetzt meine persönliche Meinung. Ich bin sehr für die Sozialpartnerschaft, ich glaube das ist etwas Besonderes in Österreich gewesen. Aber ich verstehe nicht, dass man zuerst am runden Tisch sitzt, sich mit dem Minister unterhält, Vorschläge gutheißt, vielleicht selbst welche einbringt und dann auf die Straße geht, Leute aufhetzt und Demonstrationen initiiert. (Bundesrat Konecny: Was soll "aufhetzen" heißen?) Ich glaube, dass das mit dem Prinzip der Sozialpartnerschaft nicht in Einklang zu bringen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Vizepräsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen.)

Ich verstehe das nicht, und ich glaube, das ist nicht mit der Idee der Sozialpartnerschaft in Übereinstimmung zu bringen. (Bundesrat Thumpser: Sie haben das, was Hösele gesagt hat, nicht verstanden!)

Nächster Punkt: Es wird immer viel von demokratischen Entscheidungsträgern gesprochen. (Bundesrat Winter: Das merkt man, dass Sie das nicht verstanden haben!) Ich bin selbst eine wirklich zutiefst überzeugte Demokratin (Bundesrat Winter: Das klingt aber nicht so!), aber ich glaube doch, dass man als Demokrat auch manchmal die Meinung anderer akzeptieren muss, auch wenn sie einem persönlich nicht so gefällt (Bundesrat Winter: Aber wenn Sie sagen, 50 000 Menschen sind aufgehetzt, das stimmt ja etwas nicht!), vor allem, wenn sie von Menschen exekutiert wird, die vom Volk gewählt werden. Das ist das Entscheidende: Es herrscht keine Diktatur und kein Absolutismus, sondern die Entscheidungsträger wurden von einem Großteil der Bevölkerung gewählt und haben das Vertrauen der Bevölkerung. Dazu sind Wahlen da. Man kann in einigen Jahren vielleicht wieder andere Entscheidungen herbeiführen. (Bundesrat Kraml: Das kommt noch! – Bundesrat Konecny: Machen Sie sich keine Sorgen!) Man muss die Kraft haben, dazu zu stehen, auch wenn es einen persönlich ein wenig stört, aber es geht nicht darum, ob es einen stört oder nicht.

Zur Demokratie im Hauptverband selbst: Es wird immer wieder gesagt, es sei alles so toll, die Regierung würde mit dieser neuen Novelle alles ganz schlecht machen. Jetzt muss ich Sie einmal etwas fragen: Ich habe gelernt, einfache Entscheidungen trifft man mit einer normalen Mehrheit, 50 Prozent plus eine Stimme. Ich habe mich genau informiert und festgestellt, in der Verbandskonferenz des Hauptverbandes ist es derzeit so, dass von 27 Stimmberechtigten bei ganz einfachen Regelungen – da geht es nicht um qualifizierte Verfassungsstatuten-Änderungen – 19 dafür sein müssen. Das sind für mich aber nicht 50 Prozent plus 1, sondern das sind eigentlich zwei Drittel. (Bundesrat Konecny: Das ist der Respekt vor dem Föderalismus der einzelnen Versicherungsträger!)

Angesichts dessen frage ich mich schon, ob das so demokratisch ist, wenn man mit einer massiven Mehrheit, mit mehr als einer qualifizierten Mehrheit versucht, allen Veränderungs- und


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Reformwünschen vorzubeugen und sich, und zwar legitim, diesen Kriterien zu widersetzen. Es ist für mich schon zweifelhaft, ob das wirklich so demokratisch ist.

Wir haben heute auch schon gehört, dass erstmalig ein Vorstand des Hauptverbandes nicht von einem Sozialminister oder einer Sozialministerin bestellt wird, und das halte ich für einen Demokratiesprung, einen Vorwärtssprung. (Bundesrat Manfred Gruber: Nachdem man vorher Mehrheiten geschaffen hat!) Es ist einfach wichtig, dass man das immer wieder sagt. Der Herr Minister hat das auch ausgeführt. Das heißt für mich, dass unsere Regierung bereit ist, selbst ein Stück der Macht abzugeben, um sie wieder dorthin zu verlagern, wo sie eigentlich hingehört. Das ist etwas Positives und demokratiepolitisch höchst Anständiges! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich muss auf noch etwas eingehen, von dem ich glaube, dass das heute zu wenig betont wurde. Frau Kollegin Bachner hat gesagt, wir hätten eine Kostenexplosion – oder so ähnlich hat sie es formuliert – im Verband der Sozialversicherungen. Ich gebe Ihnen Recht darin, dass sehr viele Dinge natürlich nicht von Ihnen zu verantworten sind, dass zum Beispiel Medikamenten-Kostenerhöhungen und so weiter auch dazu geführt haben, dass jetzt diese fatale Lage gegeben ist. Aber ich glaube doch, dass man das Erkenntnis des Rechnungshofes nicht außer Acht lassen kann, der letztlich nach verschiedensten Überprüfungen – ich will jetzt die Häusermann-Studie und alle anderen gar nicht mehr erwähnen, Sie kennen sie alle –, nach jahrelangen Überprüfungen im November 2000 ausführt, dass in der Verwaltung des Hauptverbandes nur wenig Einsparungswille erkennbar ist, dass keine intensive Nutzung der EDV vorhanden ist und dass der Nettoheilmittelaufwand zwischen 1997 und 1999 um 31 Prozent gestiegen ist.

Gegensteuernde Maßnahmen – und das ist der Punkt – wurden verschlafen. Ich denke, dass man da frühzeitig Reformen hätte durchführen und Reformwillen hätte zeigen können.

Mit der jetzigen Novelle ergeben sich Kostensenkungen aus verschiedenen Gründen. Einige sind schon genannt worden, beispielsweise werden zwei Verwaltungsebenen eingespart. Ich glaube, dass dadurch auch eine stärkere Vernetzung stattfinden kann und auch eine bessere Anwendung der EDV. Ich glaube, dass sich dadurch auch einige Kompetenzentwirrungen ergeben; darüber haben selbst die eigenen Sozialversicherungsträger geklagt. Sie haben gesagt, sie möchten etwas tun, aber eigentlich seien sie gar nicht entscheidungsbefugt. Auch das ist mit ein Grund dafür gewesen, dass manchmal gewisse Verwaltungsabläufe sehr langsam vonstatten gingen.

Gut ist es – und das habe ich schon erwähnt –, dass der Präsident gewählt wird. Ich halte das demokratiepolitisch für den richtigen Schritt. Ich bin auch der Meinung, dass es richtig und gut ist, dass die Selbständigkeit, die Autonomie des Verbandes erhalten bleibt und sogar ausgebaut wird. Wie ich gehört habe, wird sogar die Controlling-Gruppe direkt der Selbstverwaltung des Hauptverbandes unterstellt. Ich halte das für einen sehr mutigen Schritt, Herr Minister, und finde das auch ganz toll. Das heißt, dass der Herr Minister und die Bundesregierung hohes Vertrauen in den Hauptverband der Sozialversicherungsträger haben. Das ist auch etwas absolut Positives.

Dass die Parität im Hauptverband wieder hergestellt wird, darüber ist schon von meinen Vorrednern, vor allem von Vertretern der ÖVP, lang und breit gesprochen worden. Ich werde jetzt keine versicherungsmathematischen Rechnungen mehr anstellen, das ist schon geschehen.

Wichtig ist, dass die Solidarität grundsätzlich zwischen den Kassen untereinander wieder stärker zum Tragen kommt. "Solidarität" ist ein Wort, das immer wieder gerade von Ihnen sehr gerne in den Mund genommen wird und das eigentlich auch ein sehr schönes Wort ist. Aber wenn ich dann höre, dass die "ärmeren" Kassen von den "reicheren" nie Geld gesehen haben, dass sich eine Kasse oft an einer anderen abgeputzt hat, dann frage ich mich, wo da die "Solidarität" – unter Anführungszeichen – bleibt, wenn es nicht einmal innerhalb der Kassen möglich ist, einen Ausgleich zwischen den ärmeren und den reicheren zu schaffen.


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Ich möchte aber noch etwas sagen: Ich glaube, dass wir mit dieser Novelle einen Schritt in Richtung eines modernen zukunftsorientierten Sozial- und Gesundheitswesens gesetzt haben, aber es wird noch viel für uns zu tun sein. Es wird sich der Minister dessen sicher noch viel besser bewusst sein als wir, aber auch wir, die wir alle mitarbeiten und unseren Beitrag leisten wollen, sehen das genauso. Ich denke nur daran, dass sich die demographischen Verhältnisse in den nächsten Jahren massiv ändern werden, dass aber auch ein Fortschritt in Diagnose und Therapie erzielt wird und dass letztlich auch die Ansprüche der Menschen an eine entsprechende medizinische Behandlung steigen – das heißt also, dass gewisse medizinische Fortschritte, die in anderen Ländern, beispielsweise den USA und so weiter, schon gemacht wurden, natürlich auch in kürzester Zeit in Österreich nachgefragt und von den Versicherten verlangt werden –, dass wir auch mit einer immer stärker werdenden, bei uns derzeit noch gar nicht so als Problem auftretenden Ärzteprozesslawine werden rechnen müssen und dass die Nachfrage nach Pflegeleistungen immer größer wird – aus verschiedenen Gründen, die demographischen habe ich schon erwähnt.

Zusätzlich tritt noch ein Problem auf: Es ist nicht nur Tatsache, dass die Leute älter werden, sondern es ist auch Tatsache, dass die Leute nicht gesünder älter werden. Das heißt, die Zahl der gebrechlich älter Werdenden wird in der Relation noch viel mehr ansteigen als die Zahl der älteren Menschen selbst. Oder die Zahl der chronisch Kranken, die Zahl der Menschen, die schon in jungen Jahren verunfallen – all diese Bereiche werden uns vor neue Herausforderungen stellen. Wir sind jetzt schon gezwungen, neue Wege zu gehen. Es wird eine enge Zusammenarbeit notwendig sein, um ein Gesundheits- und Sozialsystem, das – wie auch der Minister gesagt hat – letztlich für alle sozialen Schichten zugänglich sein muss, auch in Zukunft möglich zu machen.

Es wird daher auch in Zukunft – und das haben auch Ihre sozialdemokratischen Sozialminister schon festgestellt; das haben auch die Vertreter im Sozialversicherungsverband festgestellt – die Auslagerung von medizinischen Leistungen aus dem Krankenanstaltenbereich in den extramuralen Bereich verstärkt stattfinden müssen. Ich weiß, damit sage ich nichts Neues, aber wir müssen es trotzdem sagen, weil wir die Lösung noch nicht zur Gänze haben. Damit verbunden ist natürlich auch der Ausbau dieses extramuralen Bereiches. Ich freue mich, dass wir bald einen Beschluss verabschieden können, bei dem es um die Gruppenpraxen geht – auch etwas, was dabei helfen wird, die medizinischen Leistungen aus dem Krankenanstaltenbereich auf kleinere Ebenen zu verlagern.

Ich glaube aber, dass wir uns trotzdem überlegen müssen, ob wir nicht das System der niedergelassenen Ärzte ein bisschen verändern sollten, denn ich verstehe nicht, dass in manchen Regionen der Weg zu einem Facharzt so weit sein muss. Ich verstehe auch nicht, dass man in einem Bundesland andere Versicherungsleistungen von einer Versicherungsanstalt erhält als in einem anderen. Wir werden uns mehr auf Vorsorge- und Präventivmedizin stützen müssen. Warum geht es eigentlich der Vorarlberger Krankenkasse sehr gut? – Weil sie schon seit Jahren auf dieses Prinzip setzt, in anderen Bundesländern ist das aber nicht so.

Das heißt, diese Dinge, die nicht nur von mir kommen, die auch Leute wie Professor Badelt und andere in Untersuchungen wissenschaftlich festgelegt haben, kommen auf uns zu, weshalb ich glaube, dass wir in diesem wirklich sehr sensiblen Bereich eigentlich zusammenarbeiten müssten, dass wir das Gemeinsame in den Vordergrund stellen sollten und dass wir, so wie es heute schon manchmal gesagt wurde, letztlich unser sehr gutes Gesundheitssystem auch für die Zukunft erhalten und verbessern müssen, damit es auch neuen Anforderungen gerecht werden kann.

Wir sind für die Versicherten, wir sind für die Weiterentwicklung eines modernen, sozialen Staates. Wir sind auch für ein Gesundheitssystem, das unter Bedachtnahme auf die medizinischen und demographischen Probleme, die ich schon angeführt habe, den neuen Herausforderungen in diesem neuen Jahrtausend gewachsen sein soll. – Ich danke für Ihr Zuhören. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.15


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 319

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

16.16

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Geschätzte Vorrednerin! Sie haben zu uns gesprochen und gesagt: Sie hetzen die Leute auf. – Ist das vielleicht ein bisschen Selbstkritik? – Sie machen nämlich damit den drei großen Fraktionen hier im Haus einen massiven Vorwurf, denn Vertreter von der FPÖ, christdemokratische Gewerkschafter und sozialdemokratische Gewerkschafter haben gestern einstimmig diesen Beschluss gefasst! Das habe ich zumindest so vernommen. (Beifall bei der SPÖ.) Betreiben Sie also bitte keine Kindesweglegung! Oder bedeutet das für den Vertreter der Freiheitlichen im ÖGB, dass er auch um seinen Sessel bangen muss, wie so viele andere? (Beifall bei der SPÖ.)

"Format" schreibt am 2. 7. dieses Jahres: "Jeder, der in diesem Land ein wichtiges Unternehmen führt, muss mittlerweile Angst bekommen."

Herr Minister Haupt hat von seiner Parteichefin eine Art Seidenschnurauftrag bekommen: Herbert, bring mir den Kopf von Sallmutter! – Herr Minister! Ich frage Sie: War es das alles wert? War es wert, die Sozialpartner zu zerschlagen? Was es wert, den ÖGB auf die Straße zu treiben? War es die Entmachtung der Selbstverwaltung wert? War es die Krise innerhalb der ÖVP wert, nämlich innerhalb des ÖAAB und der Christdemokraten? (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer. )  – Lesen Sie keine Zeitungen über den ÖAAB? – Ich mache mir große Sorgen um den ÖAAB, glauben Sie mir das, denn der ÖAAB wird große Legitimationsprobleme bekommen. Da mache ich mir echte Sorgen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch wichtig, dass es christdemokratische Gewerkschafter gibt und dass christdemokratische Gewerkschafter auch ihre Position innerhalb der ÖVP vertreten können.

Aber, Herr Minister Haupt, war dieses Gesetz auch die Kosten von über 1 Million Schilling wert, die Sie außerhalb für die legistischen Arbeiten ausgegeben haben, weil Sie offensichtlich auch im Haus niemanden gefunden haben, der das zu Papier bringt?

Herr Horwitz von den "Vorarlberger Nachrichten" meint: Die Sozialpartnerschaft alten Stils ist tot. Jetzt gibt es ein Gerangel um die Reform des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger und einen daraus resultierenden Postenschacher. Es ist beschlossene Sache: Sallmutter wird mit Herbst – nachdem das heute hier beschlossen wird – sein Büro räumen müssen.

Damit ist allerdings nur eines gelungen: Sallmutter rauszuschmeißen, eine Umstrukturierung im Hauptverband einzuleiten, die eigentlich nur bedeutet, Wahlergebnisse per Gesetz zu verfälschen. Aber alle Probleme bleiben. Das Defizit der Kassen wird um keinen Schilling geringer, die Probleme im Gesundheitsbereich bleiben. Man mag zu Sallmutter stehen, wie man will, aber er ist mit Sicherheit nicht dafür verantwortlich, dass die Krankenkassen immer weniger Beiträge eingenommen haben und die Versicherungsleistungen immer teurer wurden. Das können Sie ihm nicht vorwerfen.

Herr Minister Haupt! Sie müssen nun einmal damit leben, dass die ÖVP hier sitzt, in Deckung geht und sagt: Ich war in den letzten fünfzehn Jahren nie irgendwo dabei; all das war Herr Sallmutter, aber wir haben an keinem dieser Beschlüsse mitgewirkt.

Tatsache ist, Sie strukturieren nun den Hauptverband um. Herr Weilharter hat hier – jetzt ist er nicht da – von einer rot-grünen Fundamentalopposition gesprochen. Ich sage Ihnen ehrlich: Gegen diesen Machtrausch, gegen diese Menschenjagd, die Sie in vielen Bereichen – in der ÖIAG und anderen Bereichen – derzeit anstellen und die Ihnen auf Hunderte Millionen Schilling kommt, leiste ich gerne eine fundamentale Opposition! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann mich erinnern – ich bin auch schon sehr lange im Haus –, wie oft Abgeordneter Haupt an das Rednerpult gegangen ist, in den Saal gedonnert und von rot-schwarzer Anlassgesetz


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679. Sitzung / Seite 320

gebung gesprochen hat. (Bundesrat Marizzi: "Postenschacher" hat er gesagt!) Aber heute stehen Sie da und machen nichts anderes als Anlassgesetzgebung! Die Anlassgesetzgebung heißt: Sallmutter raus, freiheitliche Vertreter in die Kurien hinein, obwohl sie durch die Wahlen nicht legitimiert sind! (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Unvereinbarkeitsregeln sind nichts anderes als eine Lex Sallmutter, sie sind nichts anderes als Anlassgesetzgebung. Herr Professor Funk hat in einem Gutachten für die Wirtschaftskammer – Ihnen wird es bekannt sein – geschrieben, dass diese Umstrukturierung ein unverhältnismäßiger und sachlich nicht gerechtfertigter Eingriff in die Autonomie der Selbstverwaltung der Sozialversicherung ist. Sie haben damit die Sozialpartnerschaft beschädigt, die Selbstverwaltung beschädigt, und ich nehme an, dass dies nach der Beschlussfassung wahrscheinlich auch noch Gerichte befassen wird.

Was wir erleben, ist wahrscheinlich auch ein Deal. Dieser Deal heißt: Schwarz bekommt den ORF, Blau bekommt die ÖIAG, und dafür kommt im Huckepack auch noch Blau in die Sozialversicherung. (Zwischenruf des Bundesrates Keuschnigg. ) Schauen Sie doch einmal an, was los ist! (Bundesrat Konecny  – in Richtung ÖVP –: Sie haben gestern dafür einen Ordnungsruf verlangt!) Für diese Geschichte, für diese Politik ist Ihnen auch kein Betrag zu teuer (Bundesrat Konecny: Diese Doppelzüngigkeit ist beachtlich! Unverschämt!): 250 Millionen Schilling hat bisher die blau-rote – aus Rot mach Blau – Umfärbung in der ÖIAG gekostet. Wenn das nicht Geldverschwendung ist, dann frage ich mich, was Geldverschwendung ist. (Bundesrat Marizzi: ... der größte politische Skandal überhaupt! 250 Millionen Schilling an Steuergeldern vernichtet! Leute in Pension geschickt, die noch hätten arbeiten können!)

Ihre ASVG-Novelle, die heute hier vorliegt, ändert nichts an den zersplitterten Leistungserbringern, an der Zersplitterung der Finanzierungsformen. Dazu gibt es auch hier in Wirklichkeit keinen Vorschlag. Sie haben sich hinter einer Sallmutter-Debatte versteckt, und Ihre Vorschläge im Gesundheitsbereich lassen auf sich warten, zum Beispiel bei der psychotherapeutischen Versorgung – Sie werden wohl zugeben, dass dort die Probleme nach wie vor riesig sind – oder auch bei anderen Leistungen wie Physiotherapie, Zahnersatz und so weiter.

Meine Damen und Herren! Heute ist bereits erwähnt worden – auch von meiner Vorrednerin –, dass Sallmutter Beitragserhöhungen wollte. Wissen Sie, wer Beitragserhöhungen wollte? – Herr Minister Bartenstein, Herr Mitterlehner von der Wirtschaftskammer und nicht zuletzt der Bundeskanzler selbst! (Bundesrat Marizzi: So ist es! Das ist die Wahrheit!) Sie haben gesagt: Sanierung nur über höhere Selbstbehalte oder über Einschränkungen der Leistungen! So sieht es aus, und dafür ist bei Gott nicht nur Herr Sallmutter verantwortlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Einem solchen Gesetz, das nicht nur Anlassgesetzgebung darstellt, sondern einzig und allein dazu dient, diesen Machtanspruch in allen Bereichen durchzusetzen und Wahlergebnisse per Gesetz zu verändern, kann ich nicht zustimmen und werde ich auch nicht zustimmen.

Aber lassen Sie mich am Schluss zur gestrigen Debatte etwas sagen, was mir besonders wichtig ist. Staatssekretär Finz hat hier im Rahmen der Dringlichen behauptet, er habe Verhandlungspartner, was die Verwaltungsreform betrifft. Er hat hier zwei genannt, nämlich den Städtebund und den Gemeindebund. Ich habe mich heute erkundigt, und ich muss sagen, ich bin sehr empört. Ich bin darüber empört, dass hier ein Staatssekretär wohl zur abendlichen Stunde Märchen erzählt. Es hat bis heute keine einzige Verhandlungsrunde mit dem Gemeindebund gegeben! ("Hö!"-Rufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir können uns diesen Stil nicht gefallen lassen, dass Regierungsmitglieder bei einer dringlichen Anfrage glauben, sie sind in einer Märchenstunde. (Beifall bei der SPÖ.)


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 321

16.26

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Höllerer. – Bitte.

16.26

Bundesrätin Anna Höllerer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Meinem Vorredner kann ich nur sagen: Die Sozialpartnerschaft in dem Sinn war und ist auch für die ÖVP ein wirklich wichtiges Instrument zur Willensfindung. (Widerspruch bei der SPÖ.)

Ich kann Ihnen dazu nur eines sagen: Es ist über die Jahre hinweg ganz einfach so passiert, dass man sich ein bisschen auf den Lorbeeren ausgeruht hat. Hier ist wieder ein gewisser Lernprozess notwendig, und zwar von allen Beteiligten, um aufeinander zuzugehen. Das wird sehr wichtig sein. (Bundesrat Marizzi: Sie brauchen uns jetzt nicht da mit Valium ...!)

Die Sozialpartnerschaft hat vielleicht zu wenig Initiative gezeigt und sich einfach darauf verlassen, dass alles, was ihre Organisation betroffen hat, umgesetzt wurde. Ich denke, es wird in Zukunft möglich sein, dass sowohl die Regierung als auch die Sozialpartner wieder in einem Dialog zusammenfinden, um maßgeblich zur Gesetzesfindung beitragen zu können.

Wenn Sie hier davon sprechen, dass eine Anlassgesetzgebung vorliegt, dann muss ich fragen: Was ist denn der Anlass? – Das ist diese prekäre finanzielle Situation, diese Nicht-Bereitschaft, einen Reformwillen zu zeigen, auch dann nicht, wenn Sie tatsächlich schon der Rechnungshof mit der Nase darauf stößt. (Bundesrat Manfred Gruber: Köpfe müssen rollen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) So kann es letztendlich wirklich nicht sein.

Wir sprechen hier vom Hauptverband, in dem immerhin 27 Versicherungsträger zusammengefasst sind, die fast 8 Millionen Versicherte zu repräsentieren haben. Diese haben das Recht auf eine effiziente, moderne Verwaltung, die bereit ist, Sparwillen zu zeigen in einer Zeit, in der das wirklich notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Es ist in dieser Novelle in keinem Fall irgendetwas enthalten von all diesen Prognosen, die Sie in den Raum gestellt haben. Es ist nicht festgeschrieben, dass wir von der Pflichtversicherung ablassen. (Bundesrätin Kainz: Kommt schon noch!) Das ist auch für uns von der ÖVP ein ganz wichtiger Teil des Sozialversicherungssystems in Österreich, dass wir auf der Pflichtversicherung beharren. Es ist darin kein einziger Satz enthalten, mit dem festgeschrieben wäre, irgendetwas an den Selbstbehalten zu verändern. (Bundesrätin Kainz: Die stehen im Koalitionsübereinkommen, Frau Kollegin!)

Wir reden hier von dieser ASVG-Novelle und dem, was darin enthalten ist. (Bundesrat Konecny: Nein! Wir reden über die Sozialversicherungen!) Sie legen das so aus, und Sie haben auch probiert, es Ihrer Klientel einzureden. (Bundesrätin Kainz: Hoffentlich erinnern Sie sich nicht an das, was Sie gesagt haben!) Bei jeder Gelegenheit haben Sie in den Debatten alles hochgeschaukelt und hochstilisiert, mit Angstparolen und mit Emotionen, die – das kann ich Ihnen jetzt schon sagen – einer seriösen Politik nicht entsprechen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Kraml: Ach so! Aha!)

Ich frage mich auch, wo Sie die Gefährdung der Demokratie tatsächlich sehen. Diese paritätische Zusammensetzung, wie sie jetzt wieder eingeführt wird, hat Tradition im Hauptverband, das wissen Sie alle ganz genau. War es für Sie so "demokratisch", wenn Sie daran denken, dass auf der Arbeitnehmerseite bis jetzt die Ausrichtung zehn zu null war? Wo, bitte, ist da die Demokratie? (Bundesrat Reisenberger  – eine Tafel mit der Aufschrift "‚Ich appelliere an den Bundesrat, diesem Gesetz nicht zuzustimmen.‘ ÖGB-Vizepräsident Fritz Neugebauer" in die Höhe haltend –: Das sagt Vizepräsident Neugebauer! Brauchen Sie nur die eigene Partei ...!)

Wenn Sie bereit sind, Unwahrheiten hinauszuposaunen, indem Sie sagen, das Defizit entsteht dadurch, dass die Bauern-Sozialversicherung jetzt auf den Ausgleichsfonds zugreifen kann, obwohl Sie ganz genau wissen, dass das erst ab 2002 möglich sein wird, dann möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass es hier wirklich eine Art von Solidarität mit den kleineren Versicherungsanstalten mit schlechter Struktur geben muss.

Ich befürworte es, ich begrüße es und bin auch froh darüber, dass es gelungen ist, den Verwaltungsrat als wichtigstes Gremium so auszurichten, dass es jetzt immerhin je sieben Mit


Bundesrat
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glieder auf der Arbeitnehmerseite und auf der Arbeitgeberseite geben wird, sodass damit auch den öffentlich Bediensteten und den Bauern ein Mitspracherecht in diesem Gremium gegeben wird. Das ist für meine Berufsgruppe sehr wichtig!

Ich kann Ihnen voll beipflichten, wenn Sie sagen, dass das österreichische Gesundheitssystem eine sehr hohe Qualität hat. Ich kann Ihnen voll darin beipflichten, dass es ein kostengünstiges System ist. Ich muss Sie aber daran erinnern, dass es auch für die Zukunft so aufrechterhalten werden soll, um weiterhin die bestmögliche Gesundheitsversorgung für unsere Versicherten garantieren zu können. Um das möglich zu machen, braucht es einen reformfreudigen Hauptverband, der bereit ist, in seiner Verwaltung wirklich etwas zu ändern, so wie es in diesem Gesetz festgeschrieben wird.

Ich kann Ihnen nur empfehlen: Unterstützen Sie diese ASVG-Novelle, die durchaus sehr positive Aspekte enthält, die insbesondere auch für Sie von der SPÖ sehr interessant sein müssten, nachdem Sie sich gestern für den ländlichen Raum so stark gemacht haben! Darin ist zum Beispiel auch festgeschrieben, dass es in Zukunft wesentliche Verbesserungen durch Gruppenpraxen geben soll, damit auch im ländlichen Raum eine optimale Gesundheitsversorgung vorhanden ist.

Ich bedauere es, dass Sie als Sozialdemokraten nicht bereit sind, die Gesetzesverbesserungen mitzutragen, die in der ASVG-Novelle enthalten sind. (Bundesrat Manfred Gruber: Um das geht es ja nicht!) Sie können besten Gewissens über Ihren Schatten springen (Bundesrat Manfred Gruber: Es geht um Köpfe und nicht um Reformen!) und hier kundtun, dass Sie dazu Ihren Beitrag leisten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte.

16.32

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schennach! Sie haben hier ... (Mehrere Bundesräte der SPÖ halten Tafeln mit der Aufschrift "‚Ich appelliere an den Bundesrat, diesem Gesetz nicht zuzustimmen.‘ ÖGB-Vizepräsident Fritz Neugebauer" in die Höhe.)

Auf Ihr Schilderl werde ich auch noch zurückkommen, meine Herren Taferlklassler! Taferln haben wir in der ersten Klasse Volksschule hergezeigt – wahrscheinlich seid ihr noch auf dem Niveau! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Bundesrat Konecny: Sie reden noch einmal vom Niveau der Argumentation, Herr Kollege! Das haben Sie für die nächsten 18 Monate verwirkt! – Bundesrat Marizzi: Wenn der Wurmitzer kommt, könnt ihr alle zurücktreten! Wenn der Wurmitzer kommt, könnt ihr alle gehen! – Weitere Zwischenrufe.)

Herr Kollege Schennach! Sie haben gesagt, der Herr Staatssekretär hätte gestern hier etwas gesagt, was nicht den Tatsachen entsprochen hätte. Ich bin, nachdem Sie das gesagt haben, hinausgegangen und habe meinen Freund Bürgermeister Mödlhammer angerufen, um zu erfahren, was an dem, was Herr Schennach hier von sich gegeben hat, daran sei.

Mödlhammer hat mir gesagt – und er hätte das heute auch Ihnen gesagt –, es hat einmal ein Gespräch mit der Frau Vizekanzlerin und Herrn Staatssekretär Finz gegeben. Der Städte- und Gemeindebund waren zum Reformdialog eingeladen und haben dort selbstverständlich mitdiskutiert. Zu den Verhandlungen mit den Landeshauptleuten, die vorige Woche stattgefunden haben, waren der Städte- und Gemeindebund allerdings nicht eingeladen. Aber wenn Sie behaupten – Finz hat gestern nichts anderes gesagt, als dass er mit den Gemeinden und Städten gesprochen hat (Bundesrat Marizzi: Staatssekretär Finz!)  –, dass er hier das Hohe Haus unrichtig informiert hat, dann müssen Sie mir das noch erklären. Da haben Sie Erklärungsbedarf. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich habe selten so viel über eine Presseaussendung geschmunzelt wie über jene, die gestern mit der Nummer 437 über die APA gegangen ist und folgende Head


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line getragen hat: "Verzetnitsch und Neugebauer gegen Haider-Vorwurf; Neugebauer gegen Ausschaltung der Sozialpartner; FCG-Vorsitzender gelassen gegenüber Schüssel-Kritik."

Ich zitiere – mit Genehmigung der Frau Präsidentin – aus dieser Presseaussendung: "Damit werde die Sozialpartnerschaft in einem wesentlichen Bereich ausgeschaltet. Neugebauer appelliert an den Bundesrat, diesem Gesetz nicht zuzustimmen."

Auf derselben Seite steht ganz unten: "Neugebauer betonte, dass die Entscheidungen in den Gremien fallen. Er höre zwar die Zurufe, aber ‚wir lassen uns nicht dreinreden‘." (Bundesrat Marizzi: Jetzt wird es Zeit, dass sich wer meldet! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir lassen uns nicht dreinreden, auch wenn Sie Ihre Taferln herzeigen und hier mit Ihren Taferln etwas bewegen wollen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich selbst gehöre dem Österreichischen Gewerkschaftsbund seit 1965 an. (Bundesrat Marizzi: Ruft Neugebauer an, was er meint! – Weitere Zwischenrufe. – Vizepräsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen.)

Herr Kollege Marizzi! Ich brauche Kollegen Neugebauer nicht anzurufen, das habe ich hier schwarz auf weiß. Ich habe nur Mödlhammer auf die Behauptung des Kollegen Schennach hin angerufen. – Das hat Neugebauer gesagt. (Bundesrat Freiberger: Aber das hast ein bisschen missverstanden!)

Meine Damen und Herren! Ich habe gesagt, dass ich seit 1965 dem ÖGB angehöre und seit 1974 in Leitungsgremien des ÖAAB sitze. In all diesen Gremien war – nicht immer, er ist erst später hereingekommen – auch Fritz Neugebauer dabei. Immer wieder wurde bei der Zusammensetzung des Hauptverbandes Klage darüber geführt, dass so "demokratisch" vorgegangen wird, dass für 57 Prozent der Stimmen 100 Prozent der Mandate vergeben werden!

Jetzt wird mit dieser 58. ASVG-Novelle dieses Unrecht beseitigt – und jetzt ist es Kollegen Neugebauer nicht recht! (Bundesrat Gasteiger: Warum sagt das Neugebauer?) Das soll jemand anderer erklären, ich kann es nicht erklären. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wenn Sie schon so demokratisch sind (Bundesrat Marizzi: Rufen wir ihn an, was er meint! Wenn man Mödlhammer anruft, kann man auch Neugebauer anrufen!), dann frage ich Sie: Warum sind Sie dann dagegen, dass der Herr Sozialminister auf das verzichtet hat, was alle Sozialminister vor ihm getan haben – dass er den Präsidenten des Hauptverband bestellen will –, und dass er sagt, der Präsident soll im zuständigen Gremium gewählt werden? Was haben Sie denn dagegen? Was ist daran wieder undemokratisch? – Sie müssen mir das erklären. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich bin froh darüber: Der ÖGB hat gestern – angeblich mit allen Stimmen oder mit allen Fraktionen – eine Urabstimmung beschlossen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich habe "angeblich" gesagt; ich weiß es nicht. (Bundesrätin Schlaffer: ... ist aus Feigheit daheim geblieben!) – Angeblich mit allen Stimmen oder einstimmig, Frau Leitende Sekretärin! Einstimmig wurde beschlossen, eine Urabstimmung durchzuführen.

Sehr gut – wir fordern schon seit Jahren Urwahlen beim Österreichischen Gewerkschaftsbund! Wann beschließt denn dieses erlauchte Gremium die Urwahlen, damit dieser Verein demokratisch zusammengesetzt wird? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So einfach kann man es sich nicht machen. Wenn Sie – und das sage ich Ihnen auch aus tiefer Überzeugung, und ich glaube, dass ich ein Demokrat bin (Bundesrat Würschl: War! – Bundesrat Konecny: Man kann sich täuschen!)  – laufend nichts anderes in diesem Land sagen als "Widerstand" und dergleichen mehr, glauben Sie dann, dass Sie auf dem richtigen Weg sind, glauben Sie, dass Sie mit Anspielung auf Jahreszahlen wie 1934 dazu beitragen, in diesem Lande vernünftig weiterleben zu können?


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Wollen Sie denn irgendetwas heraufbeschwören? Wollen Sie irgendetwas machen, was nicht in Ordnung ist? – Wir werden das nicht zulassen! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen, wir werden es nicht zulassen, dass Sie glauben, dass es unanständig ist, wenn sich zwei Parteien zusammenschließen und eine Regierung bilden. Sie werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass mit 104 von 183 Mandaten diese Regierung eine gut fundierte Mehrheit besitzt. (Bundesrat Kraml: Noch!) Und mit dieser Mehrheit werden wir für dieses rot-weiß-rote Österreich auch in Zukunft arbeiten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

16.41

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Von Zeit zu Zeit können wir in den Zeitungen jene menschlich-tragischen, auch ein wenig erheiternden Meldungen lesen von jenen Feuerwehrmännern, denen es gar nicht oft genug brennen kann. Und wenn es nicht oft genug brennt, helfen sie ein wenig nach.

Kollege Bieringer hat jetzt eine große staatspolitische Erklärung abgegeben. Rot-weiß-rot wird von ihm verteidigt. Er, blau-schwarz – aber soll sein, es gibt auch Nationen, die das als Nationalfarben haben –, ist in einer Art und Weise, zu der ich nichts zu sagen habe, über Kollegen Neugebauer, dessen denkwürdige Worte wir doch nicht in Vergessenheit geraten lassen wollen, hergezogen.

Nochmals: Ich habe keinen Grund, Kollegen Neugebauer zu verteidigen. Er war in Zeiten, als sich sozialdemokratische Staatssekretäre im Bundeskanzleramt um bestimmte Strukturreformen im öffentlichen Dienst bemühten, kein angenehmer Verhandlungspartner, aber er war ein Verhandlungspartner, weil diese mit ihm verhandelt haben. Das, was bei Verhandlungen herauskommt, pflegt man als Kompromiss zu bezeichnen, weil eben zwischen Gleichen ein Ergebnis nur dann zu Stande kommen kann, wenn der eine in diesem und der andere in jenem Punkt nachgibt.

Aber ich habe deshalb Kollegen Bieringer zitiert, weil ich auch eine Bemerkung öffentlich machen möchte, die er hier vor fünf Minuten gemacht hat. Er hat nämlich Kollegen Neugebauer als den "schwarzen Gewerkschafter mit den roten Lackschuhen" bezeichnet. (Oho-Rufe bei der SPÖ.) Herr Kollege! Diese Art der Argumentation verträgt sich wenig mit Ihrer staatspolitischen Erklärung. Das passt in die Reihe der Zwerge von links des Klubobmannes Khol. Offenbar gibt es ein Diffamierungssyndrom bei ÖVP-Fraktionsvorsitzenden, notabene in der eigenen Partei. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das kann Kollege Bieringer beim Kollegen Neugebauer auch tun. Vielleicht ist er auch nicht nachtragend. (Bundesrat Dr. Böhm: Ist das eine Beleidigung?) Ach so! Gut! Kollege Böhm! Ich nehme zur Kenntnis, "schwarzer Gewerkschafter mit roten Lackschuhen" – Roswitha, du wirst das ausrichten – ist keine Beleidigung. In Ordnung! (Bundesrat Dr. Böhm: Ist die rote Farbe eine Beleidigung?) Über das Niveau von Beleidigungen haben wir offenbar nicht ganz dieselbe Meinung. (Bundesrat Dr. Böhm: Ich nehme zur Kenntnis: Die rote Farbe ist ein Beleidigung!)

Nun sind in diesem Kreis auf der rechten Seite des Hauses christliche Gewerkschafter offensichtlich nur in mikroskopischen Dosen vorhanden. Dieser Aufruf hat für Sie offenbar keine Bedeutung, wenn namhafte ÖAAB-Funktionäre über den, der diesen Ausruf ausgesprochen hat, so herziehen. Mag ja alles sein. Es ist Ihr politisches Risiko, sich so zu verhalten. Da gibt es also den siebenten Zwerg von links. Aber Sie werden lange zählen müssen, denn 50 000 Zwerge von links waren vorige Woche auf der Straße. Diese Zwergerln vermehren sich in diesem Land ins Unermessliche (Beifall bei der SPÖ), und irgendwann einmal wird der Punkt erreicht sein, wo rote und ein paar andere Zwergerln zusammen, jedenfalls Zwergerln von links, diese Regierung ablösen werden, weil aus vielen Zwergen auch Riesen werden.

Herr Kollege! Sie haben sich als Prognostiker hier nicht besonders ausgezeichnet, aber Sie haben vor allem zu dem Gesetz, das wir heute hier debattieren, nichts gesagt (Bundesrat


Bundesrat
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Mag. Himmer: Was haben Sie schon dazu gesagt?), und das scheint mir am Ende dieser Debatte doch noch einmal notwendig zu sein. Es mag sein, dass der Herr Bundesminister nachher wieder das Bedürfnis hat, mir wie anderen Kolleginnen und Kollegen etwas mit auf den Weg zu geben. Bschortpackerl sind an sich ein ordentlicher Bestandteil des österreichischen Brauchtums, aber in diesem Fall nicht wirklich nützlich. Denn was hier heute von der Regierungsbank, aber auch von den Vertretern der Mehrheit geboten wurde, ist in Wirklichkeit der Versuch, möglichst viel von dem Rauch zu erzeugen, der die Argumentation vor dem Verfassungsgerichtshof ein bisschen vereinfachen soll. Die Solidarität für die Bauernkrankenkassa, strukturelle Veränderungen da und dort, die Reduzierung der Ebenen – all das, meine Damen und Herren und vor allem Herr Bundesminister, ist doch die Zuwaag‘. Das Entscheidende, worum es ging, ist der verzweifelte Versuch, doch noch etwas hereinzuholen, was Ihnen die Arbeiterkammerwähler versagt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ihre Regierung war im ganzen Machtrausch der Frühjahrsmonate des Jahres 2002 der festen Überzeugung, dieser Hauptverband werde ihr wie eine reife Frucht in den Schoß fallen, und hat vertrauensvoll und etwas blind auf die Arbeiterkammerwahlen gewartet. Diese Arbeiterkammerwahlen haben nicht das Ergebnis gebracht, das Sie, vor allem die Freiheitlichen, sich erwartet haben. (Bundesrat Freiberger: Aber sie sind drinnen! – Bundesrat Dr. Nittmann: Im Jahr 2002 sind Arbeiterkammerwahlen?) 2000 habe ich gesagt, Herr Kollege! (Bundesrat Mag. Gudenus: 2002!) Also gut. Und wenn ich mich versprochen habe, entschuldige ich mich bei Ihnen, dass ich Ihren intellektuellen Apparat so überfordert habe. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Diese Arbeiterkammerwahl hat mit der Deroutierung der freiheitlichen Arbeitnehmer und – korrekterweise gesagt: Tirol ausgenommen – mit maßgeblichen Verlusten des ÖAAB geendet. Davon, dass auf demokratischem Weg die Mehrheit im Hauptverband errungen werden könnte, war plötzlich nicht mehr die Rede, daher musste man sich etwas einfallen lassen. Das, was man sich zunächst einfallen ließ, war offenbar nicht so besonders wirkungsvoll, denn danach bekam Kollege Sallmutter höchstgerichtlich bescheinigt, dass er ordnungsgemäß bestellt sei und eine ordentliche Weile noch im Amt sein werde. Dann hat es – offenbar als Wahlkampfgag für die Wiener Landtagswahl gedacht – die Befehlsausgabe der Frau Riess-Passer in Oberlaa gegeben: Sallmutter muss weg!

Was wir nun also ein halbes Jahr lang erleben, ist immer dieselbe Melodie: manchmal – heute vom Herrn Bundesminister – auf zärtlichen Geigen vorgetragen, manchmal auch eher mit Trompeten und Tschinellen, wenn das einfache Parteimitglied die Melodie bestimmt (Heiterkeit bei der SPÖ), aber immer in derselben Richtung. Doch, meine Damen und Herren, Sie werden weder die Höchstrichter noch die österreichische Öffentlichkeit darüber hinwegtäuschen können, worum es wirklich geht.

Ich möchte am Ende meines Debattenbeitrags zunächst einmal das Verlangen auf namentliche Abstimmung gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates einbringen, Frau Präsidentin, und zum Zweiten einen Entschließungsantrag, der ausdrücklich auf etwas Bezug nimmt, was heute debattiert wurde, was aber auch gestern der Herr Präsident angesprochen hat. Ich bringe ihn zunächst einmal zur Übergabe (der Redner reicht den Entschließungsantrag an Frau Präsidentin Haselbach) und zweitens zur Verlesung.

Entschließungsantrag

der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und GenossInnen betreffend Abwehr von Berufsverboten für standespolitische Interessenvertreter, eingebracht im Zuge der Debatte über den Gesetzesbeschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (58. Novelle zum ASVG) (624 und 726/NR sowie 6400 und 6437/BR der Beilagen)

Der gegenständliche Gesetzesbeschluss beinhaltet massiv kritisierte Unvereinbarkeitsbestimmungen für:


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 326

Obmänner und Obmännerstellvertreter der dem Hauptverband angehörenden Versicherungsträger sowie die "leitenden Funktionäre kollektivvertragsfähiger Körperschaften und Vereine, auch wenn sie die Kollektivvertragsfähigkeit in fremdem Namen ausüben", sind von der Bestellung zum Mitglied des Verwaltungsrates oder zum Mitglied der Geschäftsführung oder zum Mitglied der Controllinggruppe ausgeschlossen.

Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates, des Landtages, der Bundesregierung oder einer Landesregierung oder Arbeitnehmer einer politischen Partei dürfen nicht Mitglieder des Verwaltungsrates der Geschäftsführung oder der Controllinggruppe sein.

In diesem Zusammenhang wird nunmehr auch von Vertretern einer Fraktion die Diskussion geführt, führende Persönlichkeiten der Sozialpartnerschaft aus Nationalrat und Bundesrat zu verdrängen.

In diesem Zusammenhang weisen die Antragsteller auf die beeindruckenden Worte des nunmehrigen Präsidenten des Bundesrates, Alfred Schöls, in seiner Antrittsrede hin: "Ebenso muss es nach meinem Verständnis allen politisch interessierten Menschen möglich sein, sich auch für Mandate und parlamentarische Funktionen zu bewerben, und es darf kein Berufsverbot für standespolitische Interessenvertreter geben."

Aus all den erwähnte Gründen stellen die unterzeichnenden Bundesräte folgenden

Entschließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Entschließung

Der Bundesrat hat beschlossen:

Die Bundesregierung wird ersucht, den Worten des Bundesratspräsidenten Alfred Schöls folgend, den Absichten entgegenzutreten, Vertretern der Sozialpartnerschaft ihre politischen Rechte zu beschneiden, insbesondere das Recht, Mitglied des Nationalrates oder Bundesrates zu sein, zu nehmen.

*****

Ich danke. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

16.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Der von den Bundesräten Konecny und Genossen eingebrachte Entschließungsantrag ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Bundesrat Bieringer zu Wort gemeldet. – Bitte.

16.53

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Professor Konecny! Wenn du mich schon zitierst, dann zitiere mich bitte gefälligst richtig. Ich habe zu Professor Böhm gesagt, es gibt auch Christgewerkschafter, die einen dunklen Anzug und rote Lackschuhe tragen. (Bundesrat Konecny: Den dunklen Anzug habe ich nicht zitiert, das stimmt!) Es ist nicht ein einziges Mal der Name eines Funktionärs, welcher auch immer, gefallen, sondern das würde nur allgemein festgehalten. Mir zu unterstellen (Bundesrat Konecny: Dann gilt das für jeden? Dann sind das alle! – Bundesrat Freiberger: Da ist noch eine Steigerung möglich! – Vizepräsidentin Haselbach gibt das Glockenzeichen.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 327

Herr K
ollege Konecny! Ich habe zu Professor Böhm gesagt, es gibt auch FCG-Funktionäre, die einen schwarzen Anzug und rote Lackschuhe tragen. Woher Sie da ableiten, dass ich “alle” gesagt habe, weiß ich nicht, das überlasse ich Ihrer Phantasie, aber wahrscheinlich trifft auch hier das Sprichwort zu: Wie der Schelm denkt, so ist er. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.54

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

16.54

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte, nachdem ich der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt gefolgt bin, nur noch der Vollständigkeit halber Ihnen doch auch in Erinnerung rufen, dass es in der 58. ASVG-Novelle nicht nur, Herr Professor Konecny, um den Hauptverband und um eine angebliche Lex Sallmutter geht, sondern im Einzelnen geht es darum, Ausnahmen für die Kunstschaffenden von der Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 zu erreichen, die legistischen Änderungen der Erntehelfer-Regelungen endlich nachzuvollziehen, es geht um eine Ausnahme der Ziviltechniker und der angestellten Rechtsanwälte von der Vollversicherung, um eine Angehörigeneigenschaft mit Ausnahme der Unfallversicherung für Teilnehmer am Europäischen Freiwilligendienst, um die Publikationsvereinfachungen im Rahmen der EDV und um Klarstellungen im Zusammenhang mit der Rechtsstellung der Controllinggruppe und des Managements im ASVG.

Herr Professor Konecny! Darf ich Sie schon darauf hinweisen und Ihnen nochmals in Erinnerung rufen, dass in dem ÖGB-Wirtschaftskammer-Sozialpartnerpapier, das hier mehrfach zitiert worden ist, mit Stand vom 12. 4. auf der Seite 6 folgende Maßnahmen für die Selbstverwaltung der Sozialversicherung neu festgehalten wird:

Demokratisches Prinzip umsetzen. Versichertenvertreter: Entsendung statt Ernennung. – Der Verzicht auf Ernennung ist erfolgt. Statt der Entsendung gibt es jetzt das aus meiner Sicht sogar demokratischere Mittel die Wahl.

Straffe Führung, rasche Entscheidungswege, Auflösung von Verbandskonferenz und Verbandsvorstand, Konzentration auf drei Sparten: Kranken-, Unfall-, Pensionsversicherung, produktbezogene Bündelung. – Beide Punkte wurden umgesetzt.

Verbindliche Richtlinienkompetenz des Hauptverbandes für Budgeterstellung, Benchmarking und Controlling. – Benchmarking und Controlling sind in Zukunft wieder dem Hauptverband und damit den Sozialversicherungsträgern insgesamt und nicht mehr dem Ministerium mehrheitlich unterstellt.

Der Aufbau eines Zukunftsforums Gesundheit ist erfolgt.

Die Trägerzahl soll auf Wirtschaftlichkeit und Versichertennähe überprüft werden. – Das ist eingeleitet worden

Mehr Versichertennähe, erweiterte Allsparten-Service-Kompetenz.

Sehr geehrter Herr Professor Konecny! Ich mache Sie darauf aufmerksam: Es sind ehrliche Verhandlungen geführt worden. Alle vom ÖGB und der Wirtschaftskammer in dem gemeinsamen Papier der Sozialpartner aus diesem Jahr apostrophierten Punkte sind in der jetzigen 58. ASVG-Novelle festgehalten.

Ich darf Sie weiters auch noch darauf hinweisen, dass mit diesem Programm auch sehr viele Verwaltungsvereinfachungen durchgeführt worden sind, dass eine Klarstellung des Gesamtvertragsabschlusskonzeptes für die Privatspitäler erfolgte, was im Übrigen auch 100 Millionen zusätzlich für die Wiener Gebietskrankenkasse und das Hanuschkrankenhaus gebracht hat, um auch das noch in die Diskussion mit einzubringen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 328

Ich glaube, sehr geehrten Damen und Herren, dass das gesamte Paket der 58. ASVG-Novelle, so wie es vorliegt, sehr viele Verbesserungen für die Bevölkerung und sehr viele Einsparungen bringt. Auf Grund der vorliegenden Gutachten, die mir zugekommen sind, auf Grund der Änderungen, die im Nationalrat auf Basis dieser Gutachten noch erfolgt sind, bin ich überzeugt davon, dass dieses Gesetz auch vor den Höchstgerichten halten wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.58


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 329

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

16.58

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Kollege Bieringer! Wir können uns einmal gemeinsam in Salzburg mit Herrn Mödlhammer treffen, aber glauben Sie ernsthaft, dass ein seriöser Mann wie Herr Gemeindebund-Chef Mödlhammer vor zwei Tagen eine Notwehraktion macht und mit einem Veto der Gemeinden droht, wenn alles so paletti ist, wie Sie sagen? (Bundesrat Bieringer: Wer hat gesagt, dass alles paletti ist?)

Ich wundere mich, dass Sie als Bürgermeister mit der Form der Einbindung der Gemeinden und Städte in die Verwaltungsreform zufrieden sind. Ich habe Folgendes gesagt: Ich habe gesagt, der Herr Staatssekretär hat hier gestern behauptet, die Gemeinden sind Verhandlungspartner und sind voll eingebunden. Sie haben jetzt gesagt, das Treffen hat stattgefunden. Das ist richtig, aber das war ein Informationspläuschchen bei der Frau Vizekanzlerin. Die harten Verhandlungen, in denen über Filetstücke und Kutteln verhandelt wurde, haben mit den Ländern stattgefunden. Wenn Sie als Gemeindevertreter zufrieden sind, Kutteln zu bekommen, wenn es um die Kuchenverteilung geht, dann wünsche ich Ihnen viel Glück. (Beifall bei der SPÖ.)

17.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Zunächst liegt ein Antrag der Bundesräte Roswitha Bachner und Genossen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben.

Es ist hiezu eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 2 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Wir gehen daher in diesem Sinne vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit Ja oder Nein.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Kainz und Giesinger geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mit "Ja" oder "Nein" bekannt.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich mache von meinem Stimmrecht Gebrauch und stimme mit Ja.

Die Stimmabgabe ist beendet. Sobald die Stimmenauszählung erfolgt ist, werde ich das Abstimmungsergebnis bekanntgeben.

(Die zuständigen Beamten nehmen die Stimmenzählung vor.)

Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Demnach entfallen auf den Antrag der Bundesräte Roswitha Bachner und Genossen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates Einspruch zu erheben, 22 Ja-Stimmen und 35 Nein-Stimmen. – Der Antrag auf Erhebung eines Einspruchs ist somit abgelehnt.

*****

Mit "Ja" stimmten die Bundesräte:

Auer;

Bachner, Boden;

Freiberger;

Gasteiger, Gruber Manfred, Gstöttner;

Haselbach, Mag. Hoscher;

Kainz, Kaltenbacher, Konecny, Kraml;

Marizzi;

Reisenberger;

Schennach, Schicker, Schlaffer;

Thumpser, Todt;

Winter, Würschl.

Mit "Nein" stimmten die Bundesräte:

Aburumieh, Ager, Dr. Aspöck;

Bieringer, Dr. Böhm;

Fasching, Fösleitner;

Giesinger, Grander, Ing. Grasberger, Ing. Franz Gruber, Mag. Gudenus;

Haunschmid, Hensler, Mag. Himmer, Höllerer, Hösele;

Dr. Kanovsky-Wintermann, Keuschnigg, Ing. Klamt, Kneifel, Köberl;

Ledolter, Dr. Liechtenstein, Dipl.-Ing. Lindinger;

Dr. Maier;


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 330

Dr. Nittmann;

Ing. Polleruhs, Pühringer;

Ram;

Saller, Steinbichler, Mag. Strugl;

Weilharter, Wolfinger.

*****

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Professor Albrecht Konecny und Genossen auf Fassung einer Entschließung betreffend Abwehr von Berufsverboten für standespolitische Interessenvertreter vor.

Ich lasse nun über diesen Entschließungsantrag abstimmen und bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Minderheit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Landarbeitsgesetz 1984 geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 331

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

37. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (2. Ärztegesetz-Novelle) (629 und 689/NR sowie 6404 und 6442/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 37. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Haunschmid übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatterin Ulrike Haunschmid: Der Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ärztegesetz 1998 geändert wird (2. Ärztegesetz-Novelle), liegt Ihnen vor.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Manfred Gruber. – Bitte.

17.11

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es sind mehrere Gründe, warum es uns nicht möglich ist, dieser Novelle zum Ärztegesetz 1998 unsere Zustimmung zu erteilen.

Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, machen eine Politik, die in sehr vielen Bereichen nach rückwärts gerichtet ist, und versuchen, diese Politik der österreichischen Bevölkerung als Reform zu verkaufen. Mit einem Strich wurde jenes Bemühen, das sich im Ärztegesetz 1998 widerspiegelt – nämlich die durch die Genfer Flüchtlingskommission auferlegte Verpflichtung, mit großzügigen Rechtsvorschriften die gesellschaftliche Integration von Asylberechtigten in nationales Recht umzusetzen –, zunichte gemacht.

Allein die Eliminierung dieser Passage aus dem bestehenden Gesetz ist ein Verstoß gegen die Präambel, die Sie bei Regierungsantritt unterschrieben haben. Ich denke, ich brauche Ihnen die Präambel nicht vorzulesen – Sie kennen sie, und Sie werden mit mir einer Meinung sein, dass das nicht vereinbar ist.

Ein weiterer Grund, warum wir dieses Gesetz nicht mittragen können, ist die Diktion "Deutsch-Kurse", die auf Umwegen in dieses Gesetz hineinreklamiert wurde. Es ist, so glaube ich, unerheblich, ob jemand perfekt Deutsch kann, wenn er Patienten in seiner Muttersprache behandelt. Ich gebe damit auch zu bedenken, dass es sehr viele gute Mediziner gibt, die nicht der deutschen Sprache mächtig sind – ich gehe aber davon aus, dass Sie sich trotzdem behandeln lassen würden, wenn es um Ihr Leben und um Ihre Gesundheit ginge.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 332

Ähnlich verhält es sich, meine Damen und Herren, mit der Anzeigepflicht – auch hier wurde eine bewährte Passage aus dem Gesetz genommen. Die Regelung aus 1998 – und zurzeit noch in Kraft – gab den Ärzten einen Handlungsspielraum. Insbesondere beim Verdacht auf sexuellen Missbrauch eines Kindes mussten die Ärzte zwar die Jugendwohlfahrt verständigen, waren aber nicht zu einer Anzeige an die Sicherheitsbehörde verpflichtet, aber in jenen Fällen, in welchen Gefahr im Verzug war, hatten die Ärzte sehr wohl diese Verpflichtung. Dieser Spielraum ermöglichte einen behutsamen und verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema Gewalt gegen Kinder und Frauen.

Daher ist es umso bedauerlicher, Herr Minister, dass dieser Regierung alle Expertenmeinungen, die Meinung von Jugendanwälten sowie die Meinung der Verwaltungsorgane in Bezug auf diese Gruppen völlig egal sind.

Ich gehe, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, grundsätzlich davon aus, dass wir alle für unsere Kinder das Beste wollen. Ich halte es daher für einen schlechten politischen Stil, wenn im Zuge der Diskussion Aussagen gemacht werden, die lauten: Wir sind eindeutig auf der Seite der Opfer, und wir wollen nicht die Täter schützen! – Ja, bitte, wer ist nicht auf der Seite der Opfer, und wer ist nicht gegen die Täter? – Solche Aussagen sind Unterstellungen und dienen weder der Sache noch der Lösung des Problems.

Diese drei wesentlichen, von mir jetzt aufgezeigten Gründe, erlauben uns nicht, dieser Novelle die Zustimmung zu geben, sie zeigen uns aber sehr deutlich, dass sich die ÖVP von der FPÖ über den Tisch hat ziehen lassen – zum Nachteil von Kindern und Frauen, zum Nachteil von Flüchtlingen und Asylanten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.14

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grander. – Bitte.

17.14

Bundesrätin Maria Grander (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich möchte gleich zu Beginn meiner Rede auf die Ausführungen meines Vorredners betreffend die Meldepflicht der Ärzte eingehen. Ich lege die Schwerpunkte in meinem Redebeitrag zunächst auf die Frage "ärztliche Anzeigepflicht" und dann auf das Thema Gruppenpraxen.

Zum ersten Punkt: Die Anzeigepflicht des Arztes wird wieder eingeführt, sie soll jedoch in jenen Fällen unterbleiben, in welchen sich der Verdacht gegen nahe Angehörige richtet, die etwa im Haushalt des missbrauchten Kindes leben, in der Regel also gegen die Eltern.

Ich spreche da aus eigener Erfahrung, und ich denke, diese Anzeigepflicht ist etwas ganz Wichtiges. Es mag in der Durchführung vielleicht das eine oder andere Mal schwierig sein, dieser Pflicht nachzukommen, aber ich glaube, dass es wirklich eine Pflicht den Kindern gegenüber ist, dass diese Dinge aufgezeigt werden.

Es ist genau definiert, dass als Erstes die Jugendwohlfahrt und die Kinderschutzgruppen eingeschaltet werden müssen. Diese sind leider Gottes nicht österreichweit vorhanden. Man muss das Kind, wenn Anzeige erstattet wird, dann wieder in die Familie zurückschicken, und das Kind hat leider Gottes wieder das gleiche Umfeld wie vorher. Aber ich glaube, dass man ein Kind nicht für die Zeit seiner Kindheit diesen Dingen aussetzen darf. Diese Kinder leiden – das weiß man aus Erfahrung – immer wieder unter psychosomatischen Erkrankungen. Das heißt, irgendwann einmal muss man etwas dagegen tun. Es darf nicht so sein, dass wir die Augen davor verschließen. Ich glaube, dass es falsch ist, da wegzuschauen.

Ich bin froh, dass zuerst diese Dinge abgetastet werden und erst dann, wenn es wirklich notwendig ist, der Schritt der Anzeigenerstattung gegangen wird.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 333

Es werden die Kinderschutzgruppen in den Spitälern, die sich um missbrauchte Kinder kümmern, aufgewertet. Da gibt es sicher unterschiedliche Meinungen von Jugendanwälten, diese sind mir aber nicht so bekannt.

Die Anzeige unterbleibt so lange, solange dies das Wohl des Minderjährigen erfordert – das ist genau das, was ich zuvor ausgeführt habe –, und in allen anderen Fällen, in welchen der Verdacht besteht, dass ein Minderjähriger misshandelt – da geht es nicht nur um sexuellen Missbrauch –, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist, hat der Arzt Anzeige zu erstatten.

Jeder, der in Kinderabteilungen oder in Erwachsenenabteilungen in einem Spital arbeitet, erlebt tagtäglich Fälle von Misshandlung. Man begegnet auch auf einer Unfallstation Frauen, die geschlagen worden sind. Diese erklären einem Hunderte Male, sie seien über die Stiegen gefallen, in Wirklichkeit sind sie aber von ihrem Mann hinuntergestoßen worden. Sie haben oft blaue Flecken von Kopf bis Fuß. Man bekommt auch Kinder zu sehen, die geprügelt worden sind, die Striemen haben. Kinder würden nie sagen: Mein Vater hat mich mit dem Hosengurt oder sonst irgendetwas geschlagen! Da muss der Leidensdruck bei allen, die von diesen Dingen betroffen sind, so hoch sein, dass sie sich dann doch äußern, weil sie nicht mehr in dieses Feld zurückgehen wollen. – Daher bin ich persönlich – und da spreche ich auch für meine Fraktion – sehr froh darüber, dass diese ärztliche Anzeigepflicht im Gesetz enthalten ist.

Nun zum Ärztegesetz: Ab Mitte des Sommers wird es den Ärzten möglich sein, sich über die bisher schon möglichen Ordinationsgemeinschaften hinaus zu Gruppenpraxen zusammenzuschließen. Wir haben gestern eine große Diskussion über den ländlichen Raum gehabt. Die Gruppenpraxen sind sicher auch etwas, was besonders die Versorgungslücken im ländlichen Raum schließt. Als Rechtsform dieser außerwirksamen Gruppenpraxen steht die Offene Erwerbsgesellschaft zur Verfügung. Die Grundlage dazu sind das neue Ärztegesetz und die 58. ASVG-Novelle, über die wir vorhin lange diskutiert haben.

Schon bisher konnten Ärzte in Form von Gemeinschaftspraxen oder Ordinationsgemeinschaften lose zusammenarbeiten. Der wichtigste Unterschied dazu ist, dass Gruppenpraxen nur mehr einen einzigen Kassenvertrag abschließen müssen. Ich denke, das ist eine große Leistung, die den Menschen, die eine ärztliche Behandlung brauchen, angeboten wird, weil diese nur noch einen Krankenschein für alle Ärzte dieser Einrichtung brauchen. Mit der Gruppenpraxis kommen auch patientenfreundliche Ordinationsöffnungszeiten. Das heißt, der Arzt ist nicht nur mehr 20 Stunden in der Ordination, sondern 35 Stunden, und es wird auch Bereitschaftsdienste am Wochenende und an Feiertagen geben, und vor allem gibt es – und das ist auch sehr wichtig – behindertengerechte Eingänge.

Zu Gruppenpraxen zusammenschließen können sich Ärzte derselben oder verschiedener Fachrichtungen. Die Gruppenpraxen werden einer Qualitätsprüfung unterliegen; alle fünf Jahre werden sie nach Kriterien der Ärztekammer evaluiert.

Die Vorteile der neuen Regelungen liegen auf der Hand – es hat darüber einige Diskussionen auch hier schon gegeben –: die Entlastung der Spitäler, genauer gesagt, der Spitalsambulanzen, eine patientennähere Versorgung und die Schließung der Versorgungslücken im ländlichen Raum.

Meine Fraktion wird aus den erwähnten Gründen diesem Gesetzesbeschluss des Nationalrates ihre Zustimmung geben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

17.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

17.20

Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen Mag. Herbert Haupt: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte für Herrn Kollegen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
679. Sitzung / Seite 334

Gruber nur einige Dinge nachvollziehbar machen, die er vielleicht im Rahmen dieser Diskussion übersehen hat.

Im Gegensatz zur ursprünglichen Meldung des UNHCR-Beauftragten hat der vorliegende Gesetzestext, so wie er vom Nationalrat verabschiedet worden ist, in wichtigen Punkten nichts mehr gemein mit dem seinerzeitigen Text, denn er hat im Nationalrat einige wichtige Abänderungen erfahren, die aus meiner Sicht aus zwei Gründen interessant sind.

Einerseits geht es darum, den Interessen der Versicherten und der Schutz suchenden Bevölkerung in Österreich, aber auch den Interessen der Flüchtlinge in Österreich vollinhaltlich Rechnung zu tragen. Menschen, die krank sind und Ärzte aufsuchen, sollen auch auf hohem österreichischen Niveau behandelt werden. Sie wissen selbst, Herr Bürgermeister Gruber, aus Ihrer Tätigkeit in der Gemeinde, in einer Kurgemeinde, dass das österreichische Gesundheitssystem oftmals auch für Menschen, die hier aufgewachsen sind und daher die deutsche Staatssprache als Muttersprache haben, sehr kompliziert ist.

Für einen Arzt, der nicht einmal ansatzweise Deutsch kann, sind die Hinweise für seine Patienten aus seinem eigenen Kulturkreis und in seiner Muttersprache oftmals unzureichend, sie entsprechen nicht ganz den österreichischen Verhältnissen. Ich glaube daher, dass auch im Sinne der Integration, die sich diese Bundesregierung zum Ziel gesetzt hat, die sich aber auch viele Landesregierungen zum Ziel gesetzt haben, das Erlernen und Beherrschen der deutschen Sprache nicht nur für die Integration des Arztes in Österreich, sondern darüber hinaus auch für seine Patienten aus seinem Kulturkreis wichtig ist, um ihnen im österreichischen Gesundheitssystem auch wichtige Anregungen und Hilfestellungen zu geben und eine Behandlung auf hohem Niveau im österreichischen System zu ermöglichen.

Das sollte, so glaube ich, gerade für Sie, der Sie aus einem Kurbereich kommen, der in Österreich einige Bedeutung hat und in dem bedeutende wissenschaftliche Vorträge und Symposien abgehalten und gestaltet werden, nachvollziehbar sein.

Zum Zweiten glaube ich, dass die Anzeigepflicht für Ärzte – auch da möchte ich Ihre Position korrigieren, Herr Kollege Gruber – nicht gegen die Kinderschutzgruppen, sondern im Einvernehmen mit den Kinderschutzgruppen diskutiert worden ist. Der ursprüngliche Entwurf wurde gerade im Interesse der Kinder abgeändert und liegt heute in der geänderten Form zur Abstimmung vor.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass es auch innerhalb der Kinderschutzgruppen, innerhalb der Gruppe der Psychologen, der Psychiater, der Sozialarbeiter, die in diesen Bereichen tätig sind, unbestritten ist, dass das Spannungsfeld der Gewalt gegen Kinder, aber besonders auch der sexuellen Gewalt gegen Kinder in der Familie gewaltig ist, dass es oft eine Mauer des Schweigens gibt, und zwar bei allen Beteiligten. In diesem Bereich ist die Angst um die Existenz der gesamten Familie im fiskalischen Bereich, im Erwerbsbereich so groß, dass es sehr vieler hilfreicher Schritte und Mediationen bedarf, um diese Mauer des Schweigens zu brechen. Erst dann ist es möglich, wie dankenswerterweise Frau Maria Grander hier als Vorrednerin gesagt hat, dieses Umfeld für das Kind zu verändern und es in bessere Verhältnisse zu führen.

Gerade in diesem Bereich haben uns die Vertreter der Kinderschutzgruppen übereinstimmend gesagt, dass nach der Drohung mit der Anzeige und dem Bewusstmachen, dass neben der Fürsorge auch der Staatsapparat insgesamt eingeschaltet wird, Mediation und Vorbereitung des Umfeldes ganz wichtig sind, um diese Mauer des Schweigens zum Einsturz zu bringen – im Interesse der geschundenen Kinder, der sexuell missbrauchten Kinder, aber auch der sexuell missbrauchten und geschlagenen Frauen, die hauptsächlich die Opfer in diesem Täterfeld sind. Erst wenn diese Mauer gefallen ist, gelingt es, das Geschehene aufzuarbeiten und das Lebensumfeld der Betroffenen zu verbessern.

Ich ersuche Sie und Ihre Fraktion, diesen Gesetzentwurf in seiner Umsetzung dann genau zu beobachten. Ich hoffe, dass das, was wir mit den Experten da vereinbart haben, was wir


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 335

gesetzlich festgeschrieben und im Nationalrat verabschiedet haben, gerade auch in diesem Bereich, den Sie kritisieren, keine Verschlechterung, sondern eine Verbesserung bringen wird.

Nun noch zur erfolgreichen Integration, vom Jahr 1997 angefangen bis heute. – Die ursprüngliche Regelung von 1997 bis einschließlich 2001 hat einen einzigen Arzt in Österreich betroffen, der nunmehr in Vorarlberg tätig ist. Er war als ehemaliger Angehöriger der Volksrepublik China tatsächlich nicht in der Lage, seine gesamte Ausbildung nachzuweisen, und auch der österreichischen Botschaft und den österreichischen Universitäten ist es nicht gelungen, das zu dokumentieren, sodass Teile seiner Ausbildung offen geblieben sind.

Für solche Fälle wird nunmehr die Facharztprüfung sogar die Nostrifikation, die sicherlich die schwierigere Hürde ist, vorwegnehmen. Es ist sogar für jemanden, der nach Österreich kommt und Teile seiner Ausbildung nicht nachweisen kann, mit einer erfolgreich bestandenen Facharztprüfung – im Einklang mit dem Bundesministerium für Wissenschaft – das Nostrifikationserfordernis nicht gegeben.

Ich betrachte auch diese Regelung als deutliche Verbesserung für die Integration, wenn Menschen aus Staaten kommen, in denen sie auf Grund ihrer politischen Tätigkeit, ihrer politischen Existenz vernichtet worden wären. Ich glaube, dass diese Frage auch insofern wichtig ist, weil es viele Menschen gibt, die in den 68-er Jahren bis zur Ostöffnung aus unseren östlichen Nachbarstaaten nach Österreich geflüchtet sind, und es gibt in Österreich auch heute noch sehr viele Menschen, die politisch verfolgt worden sind, interniert worden sind und deren Existenz in ihren Herkunfts- und Heimatländern bis heute noch nicht nachvollziehbar ist, obwohl es Sozialabkommen gibt, obwohl es Bestrebungen der dortigen Regierungen gibt – wie etwa Tschechien oder die Slowakei, Slowenien, Ungarn, Polen und andere Länder –, als Partner in der Europäischen Union anerkannt zu werden – mit dem hohen Menschenrechtsstandard der Europäischen Union.

Ich glaube daher, dass das Ärztegesetz gerade in denen von Ihnen kritisierten Punkten eine deutliche Verbesserung darstellt. Aus meiner Sicht ist auch im Spannungsfeld zwischen Integration und blindem Glauben an eine Ausbildung eine Facharztprüfung, eine fachliche Überprüfung im Inland für jene Ärzte, die ihre Ausbildung nicht lückenlos nachweisen können, von größter Wichtigkeit. Diese Menschen können durch die jeweilige Facharztprüfung in Österreich nachweisen, dass sie das österreichische Niveau beherrschen, um auch den Patienten Rechtssicherheit zu geben. Man darf nicht in gutem Glauben österreichische Patienten der Behandlungsmethode von jemandem ausliefern, der nicht Arzt ist und hier unter Umständen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen eine ärztliche Tätigkeit ausüben will.

Im Spannungsfeld zwischen Sicherheit für die Patienten und Integration haben wir, so glaube ich, eine vernünftige und gute Regelung gefunden.

Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass im Gesetzentwurf zum Ärztegesetz nicht nur endlich auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes aus 1997 für die Einrichtung der Gruppenpraxen, sondern auch ein weiteres, besonders wichtiges Element inkludiert ist, nämlich der barrierefreie Zugang zu diesen Gruppenpraxen, etwas, was von manchen Abgeordneten der Grünen Fraktion im Nationalrat bis zum Schluss vehement bestritten worden ist.

Es sind hier Qualitätskriterien festgeschrieben, und es ist möglich, dass der Vertragspartner, also der Hauptverband oder die jeweiligen Krankenversicherungsträger, dort, wo keine nachvollziehbare Qualität vorhanden ist – die alle fünf Jahre zu überprüfen ist – oder nicht innerhalb eines Jahres Qualitätsmängel abgestellt werden, den heute lebenslang gültigen Kassenvertrag entzieht.

Ich glaube, wir haben damit für die österreichischen Patienten auch eine neue Dimension geschaffen – als Erste in der Europäischen Union –, indem wir in einem kleinen Teilbereich der ärztlichen Kunst auch eine tatsächliche Qualitätskontrolle auf hohem Niveau haben werden. Ich darf Sie daher ersuchen, Herr Kollege Gruber, Ihre hier dargelegte Haltung nochmals zu


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überdenken, und darf Sie zur Zustimmung zum vorliegenden Ärztegesetz einladen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.30

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. – Bitte.

17.30

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Werte Damen und Herren! Bei der vorliegenden 2. Ärztegesetz-Novelle handelt es sich um mehrere entscheidende Weichenstellungen. Das hat der Herr Bundesminister schon ausgeführt. Erlauben Sie mir aber, drei Punkte herauszugreifen, die mir und meiner Fraktion sehr wesentlich erscheinen.

Erstens geht es um den Schutz der Kinder, zweitens um Gruppenpraxen – sie bringen eine bessere medizinische Versorgung –, und drittens gibt es auch eine klare Rechtslage für die Ärzte.

Meine Damen und Herren! Dass Ärzte in Hinkunft Kindesmisshandlungen zur Anzeige bringen müssen, ist nicht nur für die Ärzte von Vorteil, sondern es ist dies ein klarer gesetzlicher Auftrag, der auch abschreckende Wirkung haben sollte, wodurch sich die Zahl der Kindesmisshandlungen reduzieren sollte.

Meine Damen und Herren! Leider kann man mit einer gesetzlichen Regelung Misshandlungen, vor allem Kindesmisshandlungen, nicht ausschließen. Aber alleine die Tatsache, dass vor drei Jahren gegen die Stimmen meiner Partei die Anzeigepflicht aufgehoben wurde, lässt schon den Schluss zu, dass es Ihnen – Sie sind auch heute dagegen – nicht um den Opfer schutz, sondern eigentlich um den Täter schutz geht.

Wenn wir heute eine Umkehr beschließen, dann tun wir es, um der Kindesmisshandlung Herr zu werden. Das Thema selbst, meine Damen und Herren, ist viel zu ernst, um daraus politisches Kleingeld zu schlagen.

Gleichzeitig wird mit der vorliegenden Gesetzesmaterie die Möglichkeit zur Errichtung von Gruppenpraxen eröffnet. Ich darf dazu sagen, dass es sich um eine gute Gesetzesmaterie handelt, weil damit die medizinische Versorgung verbessert wird, speziell im ländlichen Raum, und den Patienten dadurch die oft weiten Wege zwischen Ordinationen, die sich an unterschiedlichen Standorten befinden, erspart werden können. Damit wird besonders den Bedürfnissen von behinderten und nichtmobilen Menschen Rechnung getragen.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird daher der vorliegenden Gesetzesmaterie gerne ihre Zustimmung erteilen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

17.33

Vizepräsident Jürgen Weiss (den Vorsitz übernehmend): Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte sehr, Frau Kollegin Schlaffer.

17.33

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! So viel Unverfrorenheit und so viel Unverständnis – ich kann es gar nicht in Worten ausdrücken, was ich mir jetzt habe anhören müssen. "Unkenntnis" ist wahrscheinlich das freundlichste Wort, das man dazu sagen kann. (Bundesrat Dr. Maier: Setzen Sie sich wieder nieder!)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bin etliche Male als Zeugin vor Gericht gestanden. Ich habe etliche Male erlebt, was es heißt, wenn missbrauchte Kinder vor Gericht standen und der Täter freigesprochen wurde. Es ist nämlich eines passiert: Es ist Anzeige erstattet worden, ohne dass die notwendige Vorarbeit dazu geleistet wurde, und es gibt nach wie vor keinen ent


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sprechenden Schutz des Opfers bei Gericht. Diese Erfahrung basiert bei mir auf jahrzehntelanger Tätigkeit! Vielleicht sollten Sie sich einmal damit beschäftigen, wie solch ein Verfahren tatsächlich abläuft, und dass letztendlich, wenn das Opfer nicht aussagt, keine Beweise dazu führen können, dass der Täter verurteilt wird.

Wenn Sie hier sagen, Kollege Weilharter, dass wir seitens der SPÖ nicht für den Opfer schutz, sondern für den Täter schutz sind, dann liegen Sie mehr als falsch. Es ist eine Unverfrorenheit, was Sie heute in diesem Raum geäußert haben! (Beifall bei der SPÖ.)

Um so eine Aussage zu treffen, sollten Sie sich wirklich einmal intensiver mit der Materie beschäftigen. Vielleicht lassen Sie sich von Fachleuten einladen – nicht von Experten, von Fachleuten, und damit meine ich die Praktiker, die draußen vor Ort mit der Problematik beschäftigt sind.

Wenn der Herr Minister sagt, dieses Gesetz, dieser § 54 basiere auf Zusammenarbeit mit Kinderschutzzentren, dann darf ich in diesem Zusammenhang Folgendes zitieren: Die Kinderschutzgruppen an den Spitälern berichten, dass die höhere Verantwortung zu mehr Aufmerksamkeit bei der Spurensuche geführt hat. Aber was für ein schwieriges Feld! 81 Prozent aller Anzeigen führen zu keinem Gerichtsverfahren.

Kinderprimarius Michael Höllwarth sagte wörtlich – er ist der Leiter der Kinderschutzgruppe Graz, auf den sich gerade diese Bundesregierung sehr gerne beruft –: Frage nicht, wie es dem kleinen Mäderl geht, wenn der Vater mit einem Freispruch im Zweifel heimkommt und als Erstes seine Frau tögelt – für Sprachunkundige: "schlägt" –, weil diese dem Kind das nicht ausgeredet hat.

Kinderschutzgruppe Preyersches Krankenhaus Wien: Es genügt jedoch nicht, nur das Kind zu behandeln und Anzeige zu erstatten. Dadurch könnte das Opfer auch weiterhin in der Opferrolle verbleiben, da es für die Konsequenzen verantwortlich gemacht wird.

Kollegin Grander! Sie kommen aus dem Pflegedienst. Aussage des Pflegedienstes Kinderschutzgruppe Graz: Bei der Aufnahme von Patienten mit Verdacht auf Kindesmisshandlung wurde sofort Anzeige erstattet. Das Kind mit seinen Problemen wurde nicht wahrgenommen. – Und genau das ist der springende Punkt!

Ich muss der ÖVP vorwerfen, dass sie hier in meinen Augen Kindesweglegung betreibt. Das ist nur ein Teil von Studien (eine Reihe von Unterlagen vorweisend), die der damals zuständige Bundesminister Bartenstein herstellen hat lassen. Ich bin ihm aus meiner Sicht auch heute noch zu Dank verpflichtet, dass er sich die Mühe gemacht hat, sich mit dieser Materie auseinander zu setzen. Er selbst empfiehlt: Ziehen Sie keinesfalls voreilige Schlüsse aus Ihren Beobachtungen, und konfrontieren Sie die Betreuungsperson des Kindes nicht vorschnell mit Ihren Vermutungen, aber zögern Sie nicht, die Unterstützung spezialisierter öffentlicher oder privater Einrichtungen in Anspruch zu nehmen!

Dann, meine Damen und Herren, ist etwas passiert: Das Ärztegesetz wurde 1998 auf Erkenntnisse dieser Studien novelliert. Ich habe noch einen halben Kofferraum voll mit Papier. Ich wollte es eigentlich aus aktionistischen Gründen hereinbringen lassen, habe mir aber dann gedacht: Nein, das mache ich doch nicht, weil ich, ehrlich gesagt, überzeugt bin, dass es ohnehin nichts genützt hätte.

Aber vielleicht sollte sich gerade die ÖVP-Fraktion einmal überlegen, welchen Schritt sie weiter gehen will. Wir haben heute einen Tag mit der Sozialgesetzgebung verbracht. Ehrlich gesagt mache ich mir schon große Sorgen. Wenn Sie es schaffen, in so kurzer Zeit alle Ihre Grundsätze und Prinzipien über Bord zu werden, dann werden Sie sich wahrscheinlich eines Tages der Frage stellen müssen: War es das wert? War es das wert, Wünsche, die in der Vergangenheit seitens der FPÖ nicht erfüllt werden konnten, zu erfüllen? – Ich glaube, die FPÖ hat die missglückte Unterschriftenaktion bis heute nicht verdaut.


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Solche
Gesetze und eine solche Verletzung des Opferschutzes sind beschämend! Wenn Sie heute für dieses Gesetz stimmen, dann betreiben Sie selbst Missbrauch, Missbrauch mit den vielen Opfern von Gewalt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist offensichtlich auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag ist angenommen.

38. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (537  und 691/NR sowie 6443/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 38. Punkt der Tagesordnung: Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Roswitha Bachner übernommen. Ich bitte sie darum.

Berichterstatterin Roswitha Bachner: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte.

Der Inhalt des Berichtes liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke vielmals.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Ing. Walter Grasberger das Wort. – Bitte.

17.40

Bundesrat Ing. Walter Grasberger (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist noch gar nicht so lange her, da waren Ärzte sowohl in den Medien als auch im landläufigen Sprachgebrauch die "weißen Götter". Heute hört man von diesem Begriff, von diesem Vergleich meiner Meinung nach zu Recht nichts mehr, denn "weißer Gott" war sowohl für den Arzt als auch für den Patienten ein missglückter Begriff. Es ist heute der Arzt ein Mensch, der seinen Beruf ausübt, so wie der Patient ein Mensch ist, der den Beruf des Arztes nutzt.

Ich glaube, dass alle in diesem Raum in den letzten Jahren schon verspürt haben – es ist wahrscheinlich schon länger als 10 Jahre her –, dass Patienten heute mehr hinterfragen wollen, wenn sie behandelt werden. Sie wollen zu Recht hinterfragen, welche Auswirkungen eine Behandlung für sie hat. Gesellschaftspolitisch war es über kurz oder lang erforderlich, diesen berechtigten Wünschen von Bürgerinnen und Bürgern auch Rechnung zu tragen. Das ist


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geschehen, und eine dieser Auswirkungen ist, dass wir gemeinsam zu einer so genannten Patientencharta gekommen sind, die in Wirklichkeit nichts völlig Neues und Weltbewegendes ist, sondern eine logische Entwicklung aus den gesellschaftlichen Gegebenheiten darstellt. Es ist eine Zusammenfassung von bereits in der Vergangenheit bestandenen Rechten der Patienten, eine Zusammenfassung, die von den Ländern in Form einer Artikel-15a-Vereinbarung mit dem Bund abgeschlossen werden konnte und abgeschlossen werden kann. Zuletzt hat es das Bundesland Oberösterreich durchgeführt, und Niederösterreich hat ebenfalls im Juni des heurigen Jahres den entsprechenden Beschluss gefasst.

Ich kann es kurz machen. Diese Patientenrechte wurden in meinem Heimatbundesland Niederösterreich in Form einer Broschüre mit dem Titel "Die Patientenrechte in Niederösterreich" aufgearbeitet (der Redner zeigt die Broschüre), meines Erachtens sehr professionell aufgearbeitet, und ich darf einige kurze Beispiele daraus bringen.

Ein Recht des Patienten ist das Recht auf Selbstbestimmung. Eine Frage zum Beispiel, die häufig beim Patientenanwalt gestellt wird, ist: Kann ich gezwungen werden, im Krankenhaus zu bleiben, auch wenn ich es dort vielleicht nicht mehr aushalte? Oder: das Recht des Patienten auf Information. Auch dazu habe ich eine Frage herausgegriffen: Mein Arzt erklärt mir alles so kompliziert, dass ich Medizin studieren müsste, um ihn zu verstehen. Muss er mir denn nicht einfacher sagen, worum es bei mir geht, damit ich auch mitreden kann? Oder: das Recht des Patienten auf Würde und Integrität – das klingt sehr trocken. Fragen, die in diesem Zusammenhang gestellt werden, können so lauten: Ich wurde als Patient wie eine Nummer behandelt – darf ich erwarten, mit meinem Namen angesprochen zu werden? Oder – das klingt vielleicht auch sehr bekannt in Ihren Ohren –: Ich bin tagelang in einem Bett auf dem Gang gelegen und konnte ständig von allen beobachtet werden, die auf der Station ein- und ausgingen. Darf denn das überhaupt sein?

So könnte ich Ihnen noch eine Fülle von Fragen aus der Praxis vorlesen. Im Sinne der Zeitökonomie möchte ich aber zum Schluss kommen und erwähnen, dass ich das, was ich am Beginn meiner Ausführungen gesagt habe, nämlich dass die Sensibilität der Menschen dieses Thema betreffend in den letzten Jahren immer stärker angestiegen ist, jetzt auch mit Zahlenmaterial unterlegen kann. Im Land Niederösterreich waren es 1995 264 Anfragen an den Patientenanwalt, im heurigen Jahr werden es nach einer Hochrechnung etwa 600 sein. Das heißt im Schnitt zwei Anfragen von Patientinnen und Patienten an den Patientenanwalt pro Tag, die sich Sorgen um ihre Rechte machen beziehungsweise sich Informationen holen, wie sie zu ihrem Recht kommen.

Schluss-Satz: Hätten wir die Patientencharta nicht, müssten wir sie schnellstens erfinden! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.46

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Manfred Gruber das Wort. – Bitte.

17.46

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich in einigen Bereichen meinem Vorredner anschließen: Wenn wir diese Patientenrechte nicht hätten, müssten wir sie beschließen!

Es sollte in einem Land wie Österreich kein Thema sein, dass Patientenrechte eine Selbstverständlichkeit sind. Es sollten das Recht auf Behandlung und Pflege, auf Achtung der Würde und Integrität, das Recht auf Selbstbestimmung, Information und Dokumentation, Sonderbestimmungen für Kinder und auch der Anspruch auf Schadenersatz keine Frage sein. Da gehe ich völlig konform mit Ihnen.

Was für mich ein Problem ist: dass man diese Rechte teilen muss. Es gibt das Recht, dass der Patient den Anspruch hat, vom Arzt und vom Pflegepersonal mit dem Namen angesprochen zu werden. Es gibt aber auch ein Recht auf ein Sterben in Würde, wo nahe stehende Personen dabei sein dürfen. Oder es gibt das Recht des Kindes, dass Begleitpersonen mit in das


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Krankenhaus aufgenommen werden. Man muss also die Rechte teilen. Manche Rechte kann man relativ gut, schnell und auch billig, so sage ich jetzt einmal, gewähren, aber es gibt Rechte, deren Erfüllung Kosten verursacht, eine entsprechende Infrastruktur und eine Ausstattung der Krankenhäuser oder der Pflegestationen erfordern, und gerade hier gibt es große Probleme.

Ich glaube, die Bürgermeister-Kollegen, die hier im Raum sind, werden mir zustimmen, wenn ich hier feststelle, dass wir in den Landgemeinden größte Probleme haben, unsere Pflegestationen mit qualifiziertem Personal zu besetzen. (Beifall des Bundesrates Gasteiger. ) Das geht oft so weit, dass wir erpressbar sind, und das geht oft so weit, dass wir kurz davor stehen, unsere Pflegestationen zusperren zu müssen und die Leute, die wir auf den Pflegestationen haben, in das nächste Krankenhaus zu bringen. Hier würde ich appellieren, nicht nur ein Papier mit Selbstverständlichkeiten, zu denen wir uns alle bekennen, mit Patientenrechten voll zu schreiben, sondern wir sollten dieses Papier auch mit Leben erfüllen. Und mit Leben erfüllen können wir dieses Papier nur dann, wenn wir den Ärzten und dem Pflegepersonal, die sich sehr bemühen, all diesen Sachen nachzukommen, auch die Möglichkeit geben, diese Patientenrechte im Krankenhaus, in der Pflegestation gewähren zu können.

Da, muss ich allerdings sagen, bin ich etwas skeptisch, denn da bedarf es Mitteln, wenn es darum geht, das Sterben in Würde im Krankenhaus mit nahe stehenden Personen zu vollziehen, da bedarf es Mitteln, wenn es darum geht, Kinder mit Begleitpersonen in das Krankenhaus aufzunehmen, da müssen bauliche Veränderungen passieren. Also da wäre einiges zu tun. Wir wissen, dass wir 70 000 alte Menschen in unseren Senioren- und Pflegestationen haben, davon sind 40 000 pflegebedürftig. Ich glaube, wir sollten die Patientenrechte nicht nur niederschreiben, sondern wir sollten sie auch mit Leben erfüllen, nur dann sind sie das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.50

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Nittmann. Ich erteile ihm das Wort.

17.50

Bundesrat Dr. Klaus Peter Nittmann (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde mich kurz fassen, schon deshalb, weil wir uns in der Beurteilung der Patientencharta einig sind. Es bedarf also keiner wechselseitigen Überzeugungsarbeit. Gestatten Sie mir aber, meiner Freude über das gegenständliche Vertragswerk Ausdruck zu verleihen und einige markante Bestimmungen vorzustellen beziehungsweise weiter auszuführen!

Ich freue mich als Oberösterreicher über die vorliegende Artikel-15a-Vereinbarung, weil sie allen, die wegen einer Krankheit hilfsbedürftig geworden sind, wichtige Rechte garantiert. Ich freue mich aber auch als Freiheitlicher, nicht nur, weil Jörg Haider der Erste war, der vor zehn Jahren eine solche Vereinbarung mit dem Bund getroffen hat, sondern auch deshalb, weil wir Freiheitliche die Patientencharta auch in Oberösterreich auf den Weg gebracht haben. Ich freue mich aber auch als einer, der die Politik als Chance begreift, die Gesellschaft humaner zu gestalten.

Tatsächlich bringt die Statuierung von Patientenrechten vielen Menschen eine wesentliche Erleichterung ihres schweren Loses. Oftmals scheint es sich um Kleinigkeiten zu handeln, wer aber selbst einmal in stationärer Behandlung war, und das über längere Zeit, der weiß, welche Größenordnung diese Kleinigkeiten im Fall des Falles bekommen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Viele von Ihnen mögen nur eine vage Vorstellung von der Größe des Wurfes haben, den wir heute beschließen. Das ist kein Tadel, nicht jede Vorlage kann auf Punkt und Beistrich studiert werden. Erlauben Sie mir daher, einige zentrale Vertragsartikel herauszugreifen! Ich begnüge mich mit dem Recht auf Achtung der Würde und Integrität und dem Recht auf Selbstbestimmung und Information.


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Besonders beeindruckend sind die Artikel 9, 10, 14 und 15. In Artikel 9 heißt es: "Die Privatsphäre der Patienten und Patientinnen ist zu wahren. Bei der Aufnahme oder Behandlung mehrerer Patienten oder Patientinnen in einem Raum ist durch angemessene bauliche oder organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Intim- und die Privatsphäre gewahrt werden. Insbesondere bei stationärer Aufnahme von Langzeitpatienten und -patientinnen ist dafür zu sorgen, dass eine vertraute Umgebung geschaffen werden kann."

Artikel 10: "Die Organisations-, Behandlungs- und Pflegeabläufe in Kranken- und Kuranstalten sind soweit wie möglich dem allgemein üblichen Lebensrhythmus anzupassen."

Oder Artikel 14: "Es ist sicherzustellen, dass im Rahmen stationärer Versorgung Besuche empfangen werden können und sonstige Kontakte gepflogen werden können. Weiters ist der Wunsch eines Patienten oder einer Patientin zu respektieren, keinen Besuch oder bestimmte Personen nicht empfangen zu wollen." – Gerade diese Bestimmung zeigt, wie praxisorientiert man das Problem angegriffen hat. – "Es ist dafür zu sorgen, dass die Patienten und Patientinnen Vertrauenspersonen nennen können, die insbesondere im Fall einer nachhaltigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu verständigen sind und denen in solchen Fällen auch außerhalb der Besuchszeit ein Kontakt mit den Patienten und Patientinnen zu ermöglichen ist."

Das kommt dem Bedürfnis entgegen, dass nicht automatisch die Angehörigen beigezogen werden, sondern dass man eben selbstbestimmt Vertrauenspersonen, Freunde und andere beiziehen kann.

Zuletzt Artikel 15: "In stationären Einrichtungen ist ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Auch dabei ist dem Gebot der bestmöglichen Schmerztherapie Rechnung zu tragen. Vertrauenspersonen der Patienten und Patientinnen ist Gelegenheit zum Kontakt mit Sterbenden zu geben. Andererseits sind Personen vom Kontakt auszuschließen, wenn der Sterbende dies wünscht."

Ich persönlich finde all das äußerst beeindruckend, stimme aber mit Kollegen Gruber überein, der völlig Recht hat: Das ist ein Idealzustand, und man muss auch dafür sorgen, dass der Realzustand diesem angenähert wird.

Meine Damen und Herren! In vielen Punkten der heutigen Tagesordnung waren wir geteilter Meinung. Ich freue mich, dass dies bei der Patientencharta anders ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

17.54

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag ist angenommen.


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39. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Österreichische Apothekerkammer (Apothekerkammergesetz 2001) (628 und 692/NR sowie 6444/BR der Beilagen)


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679. Sitzung / Seite 343

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Wir gelangen zum 39. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz über die Österreichische Apothekerkammer (Apothekerkammergesetz 2001).

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Ulrike Haunschmid übernommen. Ich bitte sie darum.

Berichterstatterin Ulrike Haunschmid: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt der Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit und Generationen über den Beschluss des Nationalrates vom 6. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz über die Österreichische Apothekerkammer (Apothekerkammergesetz 2001) vor. Ich beschränke mich deshalb auf den Antrag:

Der Ausschuss für soziale Sicherheit und Generationen stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Manfred Gruber das Wort. – Bitte.

17.55

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Meine geschätzten Damen und Herren! Jetzt kommen wir wieder zu einem Thema, bei dem wir leider nicht einer Meinung sind, aber das ist halt in einer Demokratie so, und ich werde versuchen, die Gründe dafür auch zu erläutern.

Meine Damen und Herren! Mit dieser Vorlage für ein Apothekerkammergesetz sollten ursprünglich demokratiepolitische Verbesserungen sowie die Herstellung der Gegnerfreiheit gemäß Arbeitsverfassungsgesetz unter Beachtung des Vorranges der freiwilligen Berufsvereinigung der Apotheker erreicht werden. In beiden Bereichen – und das bedauern wir besonders – gibt es Gründe für uns, festzustellen, dass dieses Ziel nicht erreicht wurde. Aber auch die paritätische Zusammensetzung der Gesamtorgane der Kammer – also Delegiertenversammlung und Kammervorstand – ist für uns demokratiepolitisch bedenklich und stellt sich als Verletzung des demokratischen Grundsatzes des gleichen Wahlrechtes dar.

Wenn hier behauptet wird, man hätte sich nachweislich bemüht, die Opposition einzubinden, muss ich den Ball leider zurückspielen: Die Regierungskoalition war nicht im Geringsten bereit, über Vorschläge, über Abänderungen zu diskutieren und mit der Opposition zu verhandeln.

Unsere Meinung ist, dass der Unabhängigkeit in der Willensbildung und Beschlussfassung besondere Bedeutung zukommt. Auch wäre nach unseren Vorstellungen dafür vorzusorgen, dass diese Kompetenz auch faktisch – das heißt finanziell und personell – ausgeübt werden kann. Es sollte daher in der Geschäftsordnung der Apothekerkammer im Rahmen der Finanzgebarung zur Herstellung der Unabhängigkeit vorgesorgt werden, dass den Abteilungen die diesbezüglichen Mittel aus dem gesamten Aufkommen der Kammer jährlich zugeteilt werden.

Diese Forderungen wurden nicht nur von uns Sozialdemokraten, sondern auch vom Verband der angestellten Apothekerinnen und Apotheker gefordert. Auch die Arbeiterkammer und der ÖGB stehen hinter diesen Forderungen.

Diese unsere Lösungsvorschläge wurden von den Regierungsparteien abgelehnt, und daher können wir dem Apothekerkammergesetz 2001 in der Form nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.58

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Günther Köberl das Wort. – Bitte.

17.58

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Mitglieder des Bundesrates! Das im Nationalrat in dritter Lesung angenommene Bundesgesetz über die Österreichische Apothekerkammer – kurz Apothekerkammergesetz 2001 – steht auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung des Bundesrates. Wir haben gehört, dass es heute einen sehr großen Block an Gesetzen in diese Richtung gegeben hat. Es handelt sich dabei um ein Gesetz, das den geänderten Anforderungen der heutigen Zeit entspricht und das aus dem Jahr 1947 stammende Gesetz über die gesetzliche Berufsvertretung des Apothekerstandes ersetzt.

Auf Grund eines allgemein unbestrittenen Reform- und Adaptierungsbedarfs und von Vertretern beider Abteilungen der Apothekerkammer ausgearbeiteten und mit einbezogenen Änderungswünschen ergab sich eine Reihe von Änderungen. Alle eingearbeiteten Ergänzungen, Präzisierungen und neuen Punkte erweisen sich als sinnvoll und für die Praxis auch zielführend. Dies wird deutlich und eindrucksvoll auch dadurch bestätigt, dass fast 90 Prozent der Apothekerinnen und Apotheker für die neue gesetzliche Regelung votieren beziehungsweise sich dafür aussprechen. Das ist nicht wegzudiskutieren, und da gibt es auch nichts umzuinterpretieren. Umso verwunderlicher ist es, dass es die Gegnerschaft, einer Linie der Opposition entsprechend – das sei hier wieder deutlich unterstrichen, auch wenn das nach außen hin bestritten wird –, zu einem Oppositionsthema macht.

Zurück zum Apothekerkammergesetz 2001: Im Wesentlichen umfasst es folgende Änderungen und Neuerungen, und ich darf ein paar Punkte davon herausgreifen. § 2 formuliert den Wirkungskreis moderner, indem er anstelle des Begriffes "Standesinteressen" die so genannten beruflichen und die sozialen Belange einfügt. Und das Gesetz definiert genau die Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches: von der Ziffer 1, der Stellungnahme zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen, bis zur Ziffer 21, Information und Beratung der Mitglieder.

Das ermöglicht den Abteilungen der Apothekerkammer durch die Schaffung eigener Kompetenzen wieder die Kollektivvertragsfähigkeit. Hiezu gibt es eine unterschiedliche Meinung, und daher hat Kollege Gruber auch gesagt, es gibt seitens seiner Fraktion keine Zustimmung; es gibt dazu andere Vorstellungen in dieser Richtung.

§ 8 Abs. 4 verpflichtet – das ist etwas Wesentliches – die Apotheker und Aspiranten zur gewissenhaften Ausübung ihres Berufes und zur Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht. Das war auch bisher schon so, aber was neu dazu kommt, ist die Verpflichtung zur Fortbildung. Fortbildung wird dabei als Auffrischung und Aktualisierung des im Rahmen der Ausbildung erlangten Wissens in der Anpassung an die Entwicklung verstanden. Dadurch wird die Verpflichtung der Apotheker und Aspiranten zur Fortbildung auch expressis verbis niedergeschrieben und zur Berufspflicht erhoben.

§ 10 umfasst eine klare Regelung für die Delegiertenversammlung mit einer taxativen Auflistung der Zuständigkeiten.

Auch § 12 ist ein Punkt, der neu hinzugekommen ist. Er betrifft die Agenden des Kammervorstandes, und zwar werden jeweils 17 Mitglieder aus den Abteilungen selbständige Apotheker und angestellte Apotheker dieses Gremium bilden. Es gibt also eine paritätische Besetzung.

Den Unterlagen sowie der Diskussion im Nationalrat habe ich entnommen, dass die Zahl von etwa 1 000 Selbständigen gegenüber der Zahl von 3 000 Unselbständigen als Missverhältnis interpretiert wird. Dazu möchte ich anfügen, dass von diesen 1 000 Selbständigen rund 70 bis 80 Prozent der Beiträge erbracht werden und diese eigentlich auch in Diskussion waren. (Bundesrat Manfred Gruber: Damit sind wir wieder beim Hauptverband!)  – Den lassen wir jetzt, Herr Kollege!


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679. Sitzung / Seite 344

§ 18: Bisher erfolgte die interne Kontrolle der Gebarung durch zwei Rechnungsprüfer. Diese interne Kontrolle wird nun durch die Schaffung eines eigenen Kontrollausschusses ausgeweitet.

§ 26 ermächtigt die Apothekerkammer, im Lichte der Unabdingbarkeit von Qualitätssicherung, Qualitätskontrolle und Qualitätsmanagement so genannte Qualitätsmanagementprogramme nicht nur zu entwickeln, sondern auch in der Praxis umzusetzen.

§ 34: Auch dabei geht es um etwas Neues, und das sollte man auch deutlich hervorstreichen. Dieser Paragraph regelt die Einberufung des Kammervorstandes, der Delegiertenversammlung sowie auch die Wahl des Präsidenten. Und zwar heißt es erstmals im Abs. 3, dass das passive und aktive Wahlrecht zum Präsidenten für selbständige und angestellte Apotheker in gleicher Weise zum Tragen kommt. Diese Neuregelung ermöglicht es nun, dass auch ein Angestellter zum Präsidenten gewählt werden kann.

§ 81 betrifft Übergangsbestimmungen. Das zielt darauf ab, dass die neuen Regelungen bereits ab 1. April 2002, in der kommenden Funktionsperiode zum Tragen kommen.

Leider kam es nicht dazu, dass die Weisungsfreiheit des Disziplinarrates eingebaut werden konnte. Dafür wäre eine Verfassungsmehrheit, das heißt Zweidrittelmehrheit notwendig gewesen, die am Widerstand der SPÖ scheiterte.

Für mich persönlich ergeben sich vier Ergebnisse, und ich darf diese noch einmal kurz zusammenfassen: erstens die positive Auswirkung auf die Bevölkerung durch die Qualitätssicherung, zweitens die hohe Akzeptanz des Gesetzes bei den Betroffenen, nämlich bei fast 90 Prozent, drittens: Zugang aller Apothekerinnen und Apotheker zum Präsidentenamt und viertens: eine allgemeine und klare Präzisierung der Aufgaben der Apothekerkammer und deren Gremien. Daher werden wir von der Österreichischen Volkspartei diesem Gesetz heute die entsprechende Zustimmung erteilen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm .)

18.04

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Engelbert Weilharter das Wort. – Bitte.

18.04

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Apothekerkammergesetz 2001 wird nicht nur den Forderungen der Apotheker Rechnung getragen – es wurde schon gesagt, es gibt 90 Prozent Zustimmung –, sondern es ist auch ein modernes, zeitgemäßes Apothekerkammergesetz.

Das bisherige Apothekerkammergesetz stammt aus dem Jahre 1947. Es wurde zwar einige Male novelliert, aber es ist doch in Summe etwas antiquiert. Die Regelung des Wahlrechts in die Kammer gewährt eine zeitgemäßere Wahl zur Standesvertretung, ferner wird selbstverständlich die Kollektivvertragsfähigkeit in den Abteilungen der Apothekerkammer hergestellt, und auch das Disziplinarrechtsverfahren wird modernisiert. In Summe und in Kürze gesagt: Es ist dies ein modernes, zeitgemäßes Gesetz, dem sich meine Fraktion nicht verschließen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.05

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Von der Berichterstattung wird kein Schlusswort gewünscht.

Wir kommen daher zur Abstimmung.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit .

Der Antrag ist angenommen.

40. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Pensionsgesetz 1965, das Richterdienstgesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, das Karenzurlaubsgeldgesetz, das Nebengebührenzulagengesetz, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1985, das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz, das Rechtspraktikantengesetz, das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Bundesfinanzgesetz 2001 und das Bundesministeriengesetz 1986 geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2001 – Universitäten) (636 und 697/NR sowie 6396 und 6445/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zum 40. Punkt der Tagesordnung: Dienstrechts-Novelle 2001 – Universitäten.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Günther Köberl übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Günther Köberl: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend die so genannte Dienstrechts-Novelle 2001 – Universitäten.

Der Bericht liegt den Mitgliedern des Bundesrates in schriftlicher Form vor. Ich darf daher gleich zum Antrag kommen.

Der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als erster Rednerin erteile ich Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach das Wort. – Bitte.

18.07

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, dass ich etwas von der Übung abweiche und vor allen Dingen die Damen und Herren der Ministerien hier begrüße, die zeitgerecht hier waren, um bei diesem Tagesordnungspunkt mit dabei zu sein und unter Umständen auch Informationen, so Sie sie brauchen und nicht vom zuständigen Minister bekommen können, geben und Ihnen dann helfen zu können. Herzlichen Dank dafür, dass Sie gekommen sind! (Bundesrat Gasteiger: Welche Ministerien?)  – Im Prinzip mehrere.

Was macht man mit einem Gesetzesbeschluss des Nationalrates, der da in seiner Kurzbezeichnung heißt: "Dienstrechts-Novelle 2001 – Universitäten"? – Vor allem durch den Ausdruck "Universitäten" geht man doch mit einer bestimmten Erwartungshaltung an das Ganze heran, noch dazu, wenn die Debatte darüber unter den Auspizien der Frau Bundesministerin – ich freue mich, dass sie jetzt da ist; sie ist für die Universitäten die zuständige Ministerin – statt


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findet und die Vorbereitung im für Wissenschaftsangelegenheiten zuständigen Ausschuss stattgefunden hat.

Aber bei näherem Hinsehen wird da gleich in einem Arbeitsgang das Richterdienstgesetz geändert, ebenso das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, und ich könnte noch einige andere Gesetze aufzählen. Man findet unter anderem Sonderregelungen für Bedienstete und ehemalige Bedienstete des Wirtschaftskörpers Österreichische Bundesforste, und all das in einem Gesetz, in dem steht: Bindestrich – Universitäten.

Man hat nicht wirklich etwas dagegen, wenn prinzipiell alle diese Materien einer Regelung unterzogen werden. Das ist natürlich, denn die Gesellschaft ändert sich, und die Rahmenbedingungen ändern sich. Auch Gesetze müssen geändert werden. Aber all das, was uns heute vorliegt, wird in dem für Wissenschafts angelegenheiten zuständigen Ausschuss zur Beschlussfassung vorbereitet. Ob da nicht doch wieder einige das am Straßenrand aufgestellte Warnschild "Speed kills" übersehen haben? – Beim Bundes-Gleichbehandlungsgesetz zum Beispiel glaube ich ziemlich sicher, dass es übersehen wurde.

Es heißt im bis jetzt gültigen Text unter der Überschrift "Bevorzugte Aufnahme in den Bundesdienst" in § 42: Bewerberinnen, die für die angestrebte Planstelle nicht geringer geeignet sind als der bestgeeignete Mitbewerber, sind entsprechend den Vorgaben des Frauenförderungsplans so lange bevorzugt aufzunehmen, bis der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der dauernd Beschäftigten im Wirkungsbereich der jeweiligen Dienstbehörde mindestens 40 Prozent beträgt. – So weit so gut.

Der neue Text formuliert es anders – man ist ja, wie gesagt, wie der "Speedy Gonzales" unterwegs; das ist jetzt so Mode –, er spricht von "vorrangiger Aufnahme". – Ich dachte zuerst, Vorrang ist eigentlich immer etwas Gutes, also wird wohl auch für die Schnelligkeit der Vorrang etwas Gutes sein. Aber ich fürchte, irgendwelche Planer des eigenen Vorteils haben auf der Frauenvorrangstraße Schlaglöcher und nicht näher ausformulierte Barrieren eingebaut. Denn da heißt es jetzt auf einmal:

"Bewerberinnen, die für die angestrebte Planstelle gleich geeignet sind wie der bestgeeignete Mitbewerber, sind, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen ...", und dann geht es weiter, "entsprechend den Vorgaben des Frauenförderungsplanes so lange vorrangig aufzunehmen, bis der Anteil und so weiter mindestens 40 Prozent beträgt."

Das, meine Damen und Herren, ist "neu Regieren": Vorrang und gleich danach die Fallgrube.

Wer definiert denn die "in der Person des Mitbewerbers liegenden Gründe"? – Eine derart verwaschene Formulierung, die jeder gut vorbereiteten Intervention Tür und Tor öffnet, soll, so versucht man uns zu erklären, den Bedingungen für die EU-Konformität entsprechen beziehungsweise einem OGH-Urteil Rechnung tragen.

Ich glaube es nicht, dass das die Gründe waren! Es handelt sich hier meines Erachtens um eine wirklich brutale Aushöhlung der bisherigen Intention im Gleichbehandlungsgesetz. Diese Intention war die Verbesserung der Chancen für Frauen beim Berufseinstieg und beim beruflichen Aufstieg.

Meine Damen und Herren! Die Tendenz ist für mich klar. Sie heißt: "Frauen! Besinnt euch doch auf eure schönste Rolle!" – früher symbolisiert durch die drei "K". Ich darf Ihnen diese drei "K" in Erinnerung rufen: Kirche, Kinder, Küche. Heute gibt es die drei "K" noch immer. Sie heißen ein bisschen anders. Sie heißen: keine Karriere, Kindergeld, keine ausreichenden Kinder- und Pflegebedürftigen-Betreuungseinrichtungen. Schade! Denn die Rechnungen für die verfehlte Politik der Tempo-Fanatiker werden noch lange, wenn längst andere die Geschicke des Landes lenken werden, den Österreichern ins Haus flattern.


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Unter dem Deckmäntelchen – und ich bezeichne es wirklich als Deckmäntelchen – der Finanzierung der Pensionen wird gesagt: Österreicher! Erhöht das faktische Pensionsantrittsalter! – Unter sozial verträglichen Rahmenbedingungen wäre das okay. Da sagen auch wir nicht nein! Aber wurden die sozial verträglichen Rahmenbedingungen auch wirklich geschaffen? Oder kommen sie irgendwann, wenn es Proteste gibt oder auch nicht?

Wenn man sich den Bericht des Nationalratsausschusses anschaut, dann sieht man, dass gleich der erste Punkt in diesem Gesetzes-Potpourri folgendermaßen lautet: Der Beamte kann von Amts wegen in den Ruhestand versetzt werden, wenn er zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand seinen 738. Lebensmonat vollendet hat. – Ich habe es nachgerechnet: Das sind 61,5 Jahre.

Meine Damen und Herren! Hier steht: "von Amts wegen in den Ruhestand versetzt"!  – Ich habe immer geglaubt, man soll das faktische Pensionsalter anheben. – "Fein"!

Das sind gesetzliche Regelungen, um Unliebsame aus Selbstverwaltungskörpern zu entfernen, gesetzliche Regelungen, um sich Einfluss über neue, scheinbar unabhängige Personen auf Rundfunk und Fernsehen und weiters auf die im Eigentum der Republik befindlichen Wirtschaftsbetriebe zu sichern, gesetzliche Regelungen, die die Frauen aus dem Arbeitsleben drängen, und hinzu kommt noch die Ermächtigung, Menschen von Amts wegen vor der Zeit in den Ruhestand zu schicken.

Es soll aber nicht nur kritisiert werden, denn einige wenige Punkte bringen Verbesserungen. Ich denke etwa an die Regelungen für die Wachekörper. Aber wenn einiges Weniges besser wird, heißt das noch immer nicht, dass die ganze Sache gut ist!

Zum Beispiel wurde eine Verbesserung erzielt gegenüber dem erst mit 1. September 2001 in Kraft tretenden Gesetz, das Gehaltsgesetz für Lehrer betreffend. Ein besonderes Schmankerl dazu: "Speedy", wie es jetzt so "trendy" ist, wurde ein Gesetz gemacht, das mit 1. September in Kraft tritt. Es hat die berechtigte Kritik der Lehrer hervorgerufen. Ich erinnere mich noch ganz gut daran, wie sehr man die Lehrer dafür kritisiert hat, dass sie es überhaupt gewagt haben, Kritik zu üben. Doch da schau her: In dem Gesetz mit dem Anhängsel "Bindestrich – Universitäten" hat man jetzt doch ein bisschen etwas für die Lehrer repariert. Wäre es nicht besser gewesen, gleich Nägel mit Köpfen zu machen?

Meine Damen und Herren! Was das Dienstrecht für die Angehörigen der Universitäten betrifft, haben wir Sozialdemokraten – und viele mit uns – große Bedenken, wie sich die neue Regelung für den wissenschaftlichen Nachwuchs auswirken wird, weil es für uns eben nicht verständlich ist, dass man nur an Flexibilität und Mobilität denkt. Das ist etwas, was im technisch-industriellen Bereich sicher möglich ist, aber zum Beispiel im geisteswissenschaftlichen Bereich frage ich mich, ob es da auch so leicht geht, mobil zu sein. Oder weicht man dann auf die, wie es im "Neu-Speech" so "wunderschön" heißt, Staff-Scientists aus?

Meine Damen und Herren! Ich werde den Eindruck nicht los: Weil Beamtenhauen halt etwas Lustiges ist und da viele ganz gern mitgehen und man nach Dingen sucht, die rasch von allen verstanden werden, geht man auch vom bisherigen Besoldungsmodell ab und zu All-Inclusive-Regelungen über – ein Ausdruck, den Herr und Frau Reisegern schon vom letzten Urlaub her kennen. Ich hoffe nur, dass diese All-Inclusive-Regelungen, die man dem wissenschaftlichen Personal jetzt andient, nicht ein ähnlich böses Erwachen der Betroffenen hervorrufen wie so mancher All-Inclusive-Urlaub!

Man geht weg von der Arbeitsplatzsicherheit im öffentlichen Dienst. Auch das ist etwas, von dem ich glaube, dass man es nicht so locker machen sollte – und schon gar nicht in der Art und Weise, dass man Neid weckt, dass man Dinge über Beamte sagt, die einfach nicht zutreffen, und dabei Beamte so hinstellt, als wären sie nur Beamte geworden, um sich im Faulbett ausruhen zu können. All das sind sehr ungute Dinge, die aber leider Tatsache sind. Ich würde mir wünschen, dass man die Arbeit der Beamten etwas freundlicher beurteilt. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wenn ich nun auf meine Eingangsfrage: Was macht man mit solch einem Gesetzesbeschluss des Nationalrates?, zurückkomme, so lautet meine Antwort: Man stimmt mit den Sozialdemokraten gegen den Antrag, diesen Gesetzesbeschluss ohne Einspruch anzunehmen. Wir stimmen diesem Antrag nicht zu. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.21

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Michael Strugl. Ich erteile ihm das Wort.

18.21

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird Sie nicht überraschen, dass ich im Gegensatz zu meiner Vorrednerin erkläre, dass meine Fraktion natürlich für diese Vorlage stimmen wird (Bundesrat Mag. Hoscher: Das überrascht uns aber jetzt!), und zwar deswegen, weil wir im Gegensatz zu den Sozialdemokraten glauben, dass es nicht nur einige wenige Dinge in diesem Gesetz sind, die zu wesentlichen Verbesserungen führen, sondern dass es, im Gegenteil, ganz entscheidende Punkte sind, die durch diese Novelle bewirkt werden.

Ich möchte mich in meinen Ausführungen vor allem auf das Hochschullehrer-Dienstrecht konzentrieren. Wir werden mit dieser Novelle ab 1. Oktober ein Vertragsbedienstetenrecht bekommen – für die Neueintretenden, muss man dazu sagen –, das an die Stelle der bisherigen Pragmatisierung treten wird. Das bedeutet, dass wir dann im Wesentlichen fünf Kategorien von Mitarbeitern an den Universitäten haben werden:

Das sind zunächst einmal die wissenschaftlichen Mitarbeiter, die sich sozusagen in der Phase des Einstiegs in diese Karriere befinden, die sich über einen Zeitraum von vier Jahren erstreckt. Im Wesentlichen sind das jene Leute, die an ihren Dissertationen arbeiten.

Die zweite Kategorie sind die Universitätsassistenten, deren Dienstverhältnis auf maximal sechs Jahre befristet ist, wobei sich das durch einen Auslandsaufenthalt erhöhen kann.

Weitere Kategorien sind die befristeten Vertragsprofessoren, deren Stellen durch eine Ausschreibung besetzt werden, und die unbefristeten Universitätsprofessoren, die nach einer so genannten "Peer Review" dann unbefristet bestellt werden.

Natürlich gibt es auch die von meiner Vorrednerin angesprochenen "Staff Scientists". Wie Sie diese jetzt nennen, ist, so glaube ich, im Grunde egal; wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es an den Universitäten eben auch dieses für den Lehr- und für den Forschungsbetrieb wichtige Personal gibt, das in die bisher genannten Kategorien nicht eingeordnet werden konnte, das aber für die Aufrechterhaltung des Betriebes notwenig ist. Man hat sich nun eben auf die Bezeichnung "Staff Scientists" geeinigt. Wichtig ist jedenfalls, dass es diese Mitarbeiter in dieser Form gibt.

Es wird damit – entgegen anders lautenden Behauptungen – auch weiterhin durchgängige Universitätskarrieren geben. Was es allerdings dabei auch geben wird – und ich halte das für wichtig –, das sind Ausschreibungen, Bewerbungen und vor allem Evaluierungen und Qualitätsprüfungen. Wichtig ist vor allem aber eines: dass die jüngeren Nachwuchskräfte, die in den nächsten Jahren eine wissenschaftliche Karriere beginnen wollen, dank dieser neuen Modelle jetzt die Chance haben, in eine wissenschaftliche Karriere einzutreten; denn hätten wir die Pragmatisierung gelassen, dann – und das ist Realität, meine Damen und Herren! – wären de facto die Universitäten in den nächsten, sagen wir, zehn Jahren für diesen Nachwuchs an wissenschaftlichem Personal praktisch nicht zugänglich gewesen. Ich halte das für einen ganz wesentlichen Aspekt in dieser Vorlage.

Es gibt im Übrigen auch Übergangsregelungen für jene, die derzeit in einem provisorischen Verhältnis stehen beziehungsweise die noch nicht definitiv gestellt sind, um eben Härten zu vermeiden.


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Über einen wesentlichen Fortschritt kann, so glaube ich, wohl auch die sozialdemokratische Fraktion nicht hinwegsehen, wenn wir hier ehrlich diskutieren: Tatsache ist, dass die Stellen in Zukunft nicht mehr an den Personen festgemacht sein werden, sondern dass die Universitäten einen Bedarf feststellen und dann in Eigenverantwortlichkeit das, was wir Personalentwicklung nennen, durchführen können. Das, meine Damen und Herren, ist schon ein wichtiger Schritt in Richtung Eigenverantwortung und, so möchte ich auch sagen, ein Schritt in Richtung Vollrechtsfähigkeit der Universitäten.

Das sollte man auch dazusagen, wenn man jetzt dieses Dienstrecht macht, denn es ist ein modernes, ein leistungsorientiertes Dienstrecht, und das ist eine große Verbesserung! Dies stellt ganz allgemein einen Schritt hin zu einer modernen Universitätsstruktur dar, die unsere Universitäten international wettbewerbsfähig macht und auch in Zukunft gewährleistet, dass für den akademischen Nachwuchs an den österreichischen Universitäten eine absolute Top-Ausbildung garantiert wird. Wir sind uns doch einig darin, dass uns das gerade als Österreicher auch im Wettbewerb der Standorte – darüber ist gestern so viel gesprochen worden – konkurrenzfähig macht, weil das eben etwas ist, was wir können. Das hat eine lange Tradition in Österreich!

Ich persönlich würde mir wünschen, dass wir vielleicht auch wieder einmal einen Nobelpreisträger haben. Vielleicht bekommen wir sogar demnächst einen: Professor Anton Zeilinger, ein Physiker, der in Wien tätig ist – das ist in einem der letzten Politikmagazine nachzulesen gewesen. Er ist übrigens ein Oberösterreicher, deshalb würde mich das besonders freuen. Wenn wir Glück haben – namhafte Experten geben ihm gute Chancen –, dann könnten wir also wieder einmal einen haben. So etwas ist ein Asset im internationalen Wettbewerb, und deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Universitäten auf diesen Wettbewerb vorbereiten.

Wenn wir uns heute die Rahmenbedingungen anschauen, unter denen unsere Universitäten den Wettbewerb bestreiten müssen, dann muss man sagen: Im Grunde haben wir gute Universitäten – 18 insgesamt, mit ungefähr 20 000 Bediensteten und 230 000 Studenten. Es gibt allerdings ein paar Dinge, die zu denken geben sollten:

Wir haben eine überdurchschnittlich lange Studiendauer. Sie beträgt im Durchschnitt 7,4 Jahre, während der OECD-Durchschnitt 4,7 Jahre ist. Wir haben eine höhere Drop-out-Rate. Wir haben bis jetzt – das wird jetzt korrigiert – ein Dienstrecht gehabt, das die Chancen für den Nachwuchs zumindest einschränkt. Wir haben generell eine Personalstruktur mit einem relativ großen Mittelbau, die problematisch ist. Wir haben einen starken internationalen Wettbewerb, nicht nur durch andere Universitäten, sondern auch durch alternative Angebote wie Fachhochschulen, aber auch Privatuniversitäten, Online-Bildungsangebote und so weiter.

Wir haben auch gute Chancen: Wir haben ein erhöhtes Bildungsbudget, und wir haben ein erhöhtes Forschungs- und Entwicklungsbudget. Wir liegen in diesem Bereich übrigens international gut: Wir befinden uns damit unter den OECD-Ländern an vierter Stelle! Das ist eine Leistung, die man auch anerkennen sollte – selbst dann, wenn man nicht den Regierungsparteien angehört. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Es gibt natürlich Unterschiede zwischen der Art und Weise, wie bei uns in Österreich studiert werden kann und wie an ausländischen Universitäten studiert werden kann. Ich selbst habe beides erlebt. Ich bin von meiner Grundausbildung her ein Jurist von einer österreichischen Universität und habe dann ein Wirtschaftsstudium in Toronto gemacht. Es gibt gravierende Unterschiede! Nicht alles, was im Ausland gemacht wird, ist unbedingt besser als das, was wir haben, aber es gibt Dinge, die könnten wir auch verbessern, indem wir uns an internationalen Vorbildern ein Beispiel nehmen. Das ist, so glaube ich, wesentlich.

Das ist auch das, was die Frau Bundesministerin sehr konsequent angegangen ist. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Leistungsfähigkeit in der Forschung und in der Lehre erhöhen, indem wir den Mitteleinsatz effizienter gestalten, dass wir ein schnelleres Studieren ermöglichen, dass wir Forschungsschwerpunkte bilden, dass wir die Vielfalt der Studien zwar beibehalten, aber trotzdem versuchen, Parallelstrukturen oder Doppelgleisigkeiten zu verhindern.


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Die internationale Wettbewerbsfähigkeit ist etwas Wichtiges. Wir müssen hier zumindest europäisch denken, wenn nicht sogar global. Die entsprechende Flexibilisierung, wie sie jetzt mit dem Dienstrecht erfolgt, ist dazu eine Voraussetzung. Es ist nicht alles schlecht, was flexibel gemacht wird, sage ich jetzt einmal im Umkehrschluss. Wir müssen der Universität auch eine gewisse Eigenverantwortlichkeit geben. Das ist, so glaube ich, etwas Wesentliches, da sollten wir eigentlich auch in den Zielen nicht weit auseinander sein.

Faktum ist aber schon eines: Frau Präsidentin Haselbach! Sie haben gesagt: "Speed kills" ist das Schild am Straßenrand, und es ist eben ein Gefahrenzeichen. – Ich sage: In diesem Bereich ist es höchste Zeit, ist Handlungsbedarf gegeben und ist ein rasches Handeln erforderlich, wenn wir nicht wollen, dass wir international den Anschluss verlieren.

Ich glaube, das ist ein Verdienst von Frau Bundesministerin Gehrer, dass sie das angepackt hat – denn es ist dies natürlich auch nicht immer ein sehr angenehmes Thema, es ist dies ein heißes Eisen. Sie haben es angesprochen: Es gibt zum Teil Widerstände von Leuten, die betroffen sind, die gerne in der Pragmatisierung bleiben würden. – Ich verstehe das aus ihrer Betroffenheit heraus, aber im Sinne der gesamten Sache ist diese Haltung nicht gut, und daher ist es notwendig, dass diese Veränderung erfolgt. Es gehören eben auch ein politisches Rückgrat und eine gewisse Robustheit dazu, das auszuhalten, und dafür möchte ich mich bei der Frau Bundesministerin ausdrücklich bedanken, denn ich weiß auch, dass das nicht immer leicht gewesen ist.

Schauen wir uns zum Abschluss an: Wie denkt denn die Bevölkerung Österreichs über das Thema Universitätsreform? – Ich zitiere im Folgenden einige Zahlen aus einer hiezu vom "market"-Institut durchgeführten Studie. Sie stammt von März, ist also noch nicht so alt, und die Befunde sind eigentlich sehr eindeutig: 81 Prozent der Bevölkerung sagen, die Modernisierung der Universitäten sei notwendig, müsse durchgeführt werden. 73 Prozent sind der Meinung, dass diesbezüglich Handlungsbedarf bestehe. 70 Prozent sind für die Abschaffung der Pragmatisierung, und 21 Prozent sehen das negativ. Und selbst die Universitätsangehörigen, die Betroffenen – allerdings jetzt zusammengezählt: Professoren, Assistenten und Studenten – sind zu gleichen Teilen dafür und dagegen. Wenn man das also in einer Gesamtbilanz betrachtet, dann muss man sagen, dass die Ministerin da völlig richtig liegt.

Es ist ein richtiger Weg, der hier gegangen wird. Es ist kein einfacher Weg – das gestehe ich zu –, aber er ist umso wichtiger für Österreich. Darum, glaube ich, sollten wir auch die Frau Bundesministerin ermutigen: Gehen Sie diesen Weg konsequent weiter! – Wir stimmen dieser Vorlage zu. (Beifall bei der ÖVP.)

18.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Universitätsprofessor Dr. Peter Böhm das Wort. – Bitte.

18.33

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Den zentralen Teil der vorliegenden Dienstrechts-Novelle 2001 bildet ohne jeden Zweifel die grundlegende Neugestaltung des Hochschullehrer-Dienstrechts. Zu ihr beziehe ich daher ausschließlich Stellung.

Ich nehme das Ergebnis aus meiner Sicht vorweg – es ist dasselbe wie das meines Vorredners –: Sie ist meines Erachtens ein mutiger Schritt zu erhöhter Qualitätssicherung bei der Auswahl des wissenschaftlichen Personals an unseren hohen Schulen, ist doch nicht zu verkennen, dass es auf der Grundlage der die Hochschullehrer betreffenden Änderungen des Beamten-Dienstrechts der letzten 20 Jahre zu äußerst problematischen Entwicklungen gekommen ist; das nicht zuletzt in dem – aus gewerkschaftlicher Sicht durchaus verständlichen – Wunsch, die öffentlich Bediensteten möglichst gut abzusichern und ihnen eine von vornherein durchgängige Berufslaufbahn zu gewährleisten.

In Verbindung mit einem Modell der Mitbestimmung, das nicht ausreichend im Zeichen einer nach Funktion orientierten, nach wissenschaftlicher Qualifikation abgestuften Mitwirkung stand,


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hatte sich zunehmend eine Art von personeller Selbstergänzung auf der Basis kollegialer Gegenseitigkeit herausgebildet. Das führte nicht nur zu einer – zweifellos auch den für die Ausbildung der Assistenten verantwortlichen Professoren mit anzulastenden – Reduktion der unverzichtbaren Qualitätsanforderungen, sondern vor allem auch dazu, dass dem potenziellen wissenschaftlichen Nachwuchs immer mehr die Chance verbaut wurde, in entsprechende Planstellen nachrücken zu können. Schon deshalb ist die Neuregelung als Abkehr von diesen Fehlentwicklungen voll zu begrüßen.

Im Rahmen des künftig vorgesehenen vierstufigen Modells bildet ein vierjähriges Ausbildungsverhältnis als wissenschaftlicher Mitarbeiter die erste Phase. Daran kann sich ein vier- bis sechsjähriges vertragliches Dienstverhältnis als Universitätsassistent anschließen. Es dient der Erlangung solcher wissenschaftlicher Qualifikation, die sachgemäße Voraussetzung für eine Bewerbung um eine Professur ist.

Auf der Ebene der Planstellen für Professoren wird künftig zwischen Vertragsprofessoren in befristetem und Universitätsprofessoren in unbefristetem Dienstverhältnis unterschieden werden. Da der Bestellung zu jeder dieser Funktionen nach Ausschreibung eine Bewerbung vorangehen muss, ist die an Universitäten zweifellos gebotene Prüfung der entsprechenden fachlichen Qualifikation auf hohem Niveau voll gewährleistet.

Vertragsprofessoren steht bei Bedarf und positiver Beurteilung ihrer wissenschaftlichen Leistungen die Überleitung in ein unbefristetes Dienstverhältnis nach wie vor offen.

Ein entscheidender Fortschritt besteht darin, dass die Beurteilung der wissenschaftlichen Arbeiten nicht länger auch solchen Kommissionsmitgliedern obliegt, die die zu prüfende wissenschaftliche Qualifikation selbst gar nicht oder noch nicht erlangt haben.

Entgegen der im Zuge der Gesetzwerdung geäußerten Befürchtung, es könnte zu unzumutbaren Eingriffen in den Vertrauensschutz für bereits bestehende Dienstverhältnisse kommen, hat man erfreulicherweise doch noch konsensual zu sachgerechten Übergangsvorschriften gefunden.

Derzeit als Universitätsassistenten im provisorischen Dienstverhältnis im Dienststand befindlichen wissenschaftlichen Mitarbeitern wird ihre Laufbahnperspektive voll gewahrt: Sie können – sofern sie das gegenwärtig geforderte Qualifikationsziel, das heißt, die Habilitation oder eine gleichzuhaltende wissenschaftliche Eignung, erreichen – nach wie vor in ein definitives Beamten-Dienstverhältnis übergeleitet werden. Sogar Universitätsassistenten im zeitlich begrenzten Dienstverhältnis werden ex lege – das heißt, ohne weitere Beurteilung ihrer wissenschaftlichen Leistungen – als Universitätsassistenten im provisorischen Dienstverhältnis eingestuft, wenn sie bereits vorweg das Erfordernis des Doktoratsdiploms erbracht haben. Dasselbe gilt für vergleichbare Vertragsassistenten, die unter denselben Voraussetzungen in unbefristete vertragliche Dienstverhältnisse übergeleitet werden können.

Unzutreffend war und ist meines Erachtens auch der heute erhobene Vorwurf, dass das Frauenförderungsgebot nach dem Bundes-Gleichbehandlungsgesetz fortan unterlaufen werde. Richtig ist bloß, dass der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften Rechnung zu tragen war – ein solches Erkenntnis ist für die österreichische Rechtslage verbindlich. Nach dieser ist – ungeachtet der prinzipiellen Anerkennung von Frauenförderungsprogrammen – bei der konkreten Besetzung eine auf alle Bewerber bezogene fachliche Prüfung der Eignung für die ausgeschriebene Planstelle geboten.

Wesentlich scheint mir auch zu sein, dass für universitäre Aufgaben, die einer kontinuierlichen Betreuung durch entsprechend qualifizierte Personen bedürfen, eine neue Planstellenkategorie geschaffen wird: der heute bereits mehrfach erwähnte "Staff Scientist". Lediglich die Funktionsbezeichnung stört mich ein wenig: Fand sich denn dafür wirklich keine passende deutsche Umschreibung?

Die mit der Neuordnung veränderten gehalts- und pensionsrechtlichen Regelungen erklären sich folgerichtig aus der Systemumstellung vom öffentlichen Dienstverhältnis zum Vertrags


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verhältnis. Biennalvorrückungen, Kollegiengelder und obligatorische Prüfungsentgelte entfallen hinkünftig und werden durch flachere Gehaltskurven bei erhöhten Einstiegsgehältern in einem gewissen autonomen Verhandlungsspielraum der Universitäten ersetzt.

Alters- und Invaliditätspensionen werden sich künftig am Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz orientieren, sollen zum Ausgleich aber durch Leistungen aus einer einzurichtenden Pensionskasse ergänzt werden.

Dieser alles in allem zukunftsweisenden – weil leistungsorientierten – Neugestaltung des Hochschullehrer-Dienst-, -Besoldungs- und -Pensionsrechts wird daher meine Fraktion aus guten Gründen zustimmen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.40

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Josef Saller. Ich erteile ihm das Wort.

18.40

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorliegenden Universitätsgesetze sind weitere wichtige Reformschritte in der jetzigen Fülle an neuen Weichenstellungen in der Bildungspolitik. Ich darf heute dazu sagen, dass man auch diese Gesetze von zwei Seiten her betrachten muss. Auf der einen Seite steht, dass es jahrzehntelangen Forderungen der Hochschülervertreter entspricht, da Änderungen herbeizuführen; auf der anderen Seite steht, dass dies der momentanen Führung nicht ganz passt. Ich würde mich daher für Seite eins entscheiden.

Aber erlauben Sie mir noch einige grundsätzliche Anmerkungen – auch im Anschluss an das, was Frau Vizepräsidentin Haselbach gesagt hat – dazu, dass jetzt gerade im Interesse der österreichischen Jugend eine große Zahl von Reformen durchgeführt wird, und zwar bereits in der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode. Ich möchte sagen, dass es dabei sehr stark um ein Aufbrechen alter, verkrusteter Strukturen geht und dass die Bildungspolitik damit sicherlich einen Schritt vorwärts macht. (Präsident Schöls übernimmt den Vorsitz.)

Ich darf hinzufügen, dass allen Neuerungen zahlreiche Versuche vorangegangen sind, gemeinsame Kompromisse mit der Opposition zu finden. Es waren vergebliche Versuche, wie wir wissen, obwohl wir zu verschiedenen Punkten durchaus auch vom Wohlwollen sowohl von Nationalräten als auch von Bundesräten wussten. Es ist daher die jetzige SPÖ-Stimmungsmache gegen verschiedene bildungspolitische Neuerungen eigentlich unverständlich. Diese Oppositionspolitik gerade im Bildungsbereich ist zumindest für mich nicht nachvollziehbar.

Ich darf einige besonders wichtige Punkte anführen, die in der kurzen Zeit, nämlich der Hälfte dieser Legislaturperiode bereits vollzogen worden sind. Wir haben das höchste Bildungsbudget; wir haben die Technologiemilliarde; Wissenschaft und Forschung erbringen Spitzenleistungen; wir haben die Universitätsgesetze und die Initiativen für Qualität in Schulen; es gibt ein neues Landeslehrer-Dienstrecht, Schulprofile, Schulprogramme, Schwerpunktschulen, das Fach politische Bildung und Integration, Verhaltensvereinbarungen und so weiter. Diese Liste ließe sich noch sehr lange fortsetzen.

Es hat in diesen zwei Jahren bereits viele neue Standortbestimmungen im gesamten Bildungsbereich gegeben, im Rahmen einer wirklich zukunftsweisenden Bildungspolitik. Ich ersuche daher die Oppositionsparteien, in der Bildung zu einer vernünftige Kooperation zurückzukehren, gerade für unsere bildungswillige Jugend! – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

18.43

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Bundesministerin. Ich erteile es ihr.

18.43

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich bedanke mich für die Darlegungen, die zum Universitätslehrer-


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Dienstrecht erfolgt sind. Tatsache ist es, dass seit Jahren darüber diskutiert wird: Man sollte ein neues Dienstrecht haben. Tatsache ist es, dass seit Jahren Klage geführt wird: Alle diese Stellen sind zu pragmatisiert.

Wir haben keine Möglichkeit mehr, jungen Wissenschaftlern Chancen zu geben. Deshalb haben wir in einer breiten Diskussion ein neues Dienstrecht erarbeitet. Da möchte ich schon auch der geschichtlichen Wahrheit den Vorrang einräumen. Es wurde als Erstes von einem SPÖ-Gewerkschafter vorgeschlagen, anstelle der Pragmatisierung das Vertragsbedienstetenschema zu setzen. Ich danke dem damaligen Vorsitzenden Dr. Zelewitz, der mit großem Mut gesehen hat, dass es notwendig ist, für mehr Flexibilität in diesem Bereich zu sorgen.

Wir haben dann die Verhandlungen mit der Gewerkschaft weitergeführt und wichtige Eckpunkte herausgearbeitet. Ein wichtiger Eckpunkt besteht darin, dass der Dienstposten nicht mehr an die Person gebunden ist. Das heißt, es setzt sich nicht jemand mit 25 oder 28 Jahren auf einen Stuhl, auf dem er dann immer weiterrückt und von dem er vielleicht mit 65 Jahren in Pension geht, sondern die Universität stellt fest: Nach welcher Profilbildung brauchen wir welche Positionen? – Diese Positionen werden ausgeschrieben, und die Kriterien, um auf eine solche Position zu kommen, sind Leistung und Qualität. Das ist meiner Ansicht nach auch das Wichtige für unsere hohen Schulen.

Das zweite Merkmal dieses Gesetzes ist, dass wir denjenigen, die da sind, Optionen geben, und denjenigen, die draußen sind, Chancen bieten. Denjenigen, die da sind, geben wir Optionen, dass ihre Lebensplanung nicht aus den Fugen gerät, und denjenigen, die draußen sind, bieten wir Chancen, dass sie in eine Laufbahn an der Universität kommen.

Wir haben diese Eckpunkte ausformuliert und in der Gewerkschaft wieder einen sehr guten Partner gefunden – ich möchte das ganz klar hervorheben – mit dem stellvertretenden Vorsitzenden Universitätsprofessor Dr. Steiner, der ebenfalls der SPÖ-Fraktion angehört und mit dem wir dieses neue Dienstrecht schlussendlich paktiert haben.

Meine Damen und Herren! Wenn eine Gewerkschaft zustimmt, dann frage ich: Welche Gründe gibt es dann eigentlich noch, in einem Parlament eine derartige Gesetzgebung abzulehnen? (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

In manchen Kritikpunkten ist gefragt worden: Wie steht es mit den Geisteswissenschaften? Welche Optionen, welche Chancen werden denn die Geisteswissenschaften in dieser Systematik haben?

Sie verkennen völlig, dass in einer Gesellschaft, in der Vielfältigkeit wichtig ist, die Geisteswissenschaften eine ganz wesentliche Rolle spielen. Wenn Sie einmal mit modernen Consulting-Unternehmen sprechen – ich habe das vor kurzem getan –, dann erfahren Sie, dass diese Unternehmen nicht nur Wirtschaftswissenschaftler und Juristen, sondern auch Philosophen und Psychologen anstellen. Sie stellen Geisteswissenschaftler an, sie stellen gebildete Menschen an, die sie für ihr Consulting-Unternehmen brauchen. Sie schulen sie und helfen ihnen, in das Consulting-Thema hineinzukommen. Zum Beispiel ist der Generaldirektor eines sehr großen IT-Unternehmens ein Psychologe. Das heißt, die Chancen gerade für diese Bereiche sind intakt. Dafür werden wir sehr viele gut ausgebildete, junge Leute brauchen.

Sie haben gefragt, welche Auswirkungen dieses neue Universitätslehrer-Dienstrecht auf den wissenschaftlichen Nachwuchs hat. Ich kann es Ihnen sagen: Junge Menschen bekommen Chancen. Das ist es, was die Politik machen muss: guten jungen Wissenschaftlern Chancen geben! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die Frage der Frauengleichbehandlung ist mir persönlich ein sehr großes Anliegen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die positive Diskriminierung so lange erfolgen muss, bis die Frauen 52 Prozent aller wichtigen Positionen innehaben. Nur – und das hat das EuGH-Urteil ganz deutlich gesagt – müssen wir es besser und sachlicher begründen. Das ist in diesen Bereichen wichtig: die guten, sachlichen Begründungen für die Auswahlverfahrung und die Objektivierung


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in diesen Auswahlverfahren. Diese Regierung macht das! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Nun noch zur Frage der Geschwindigkeit. – Ich sage ganz klar: Geschwindigkeit ist nicht alles, aber Verhindern ist noch viel schlimmer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Jahrelang nichts zu machen, obwohl Handlungsbedarf gegeben ist, ist politisch nicht vertretbar! (Bundesrat Marizzi: Wer war denn in der letzten Regierung?) Wir wissen seit Jahren, dass dieses Dienstrecht geändert werden muss. Wir haben es zusammen mit der Gewerkschaft geschafft, dieses Dienstrecht-Neu zu erarbeiten.

Da möchte ich auch ein Wort zu meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport sagen: Diese Beamtinnen und Beamten haben exzellentest gearbeitet! Sie haben sich wirklich tagelang mit der Gewerkschaft zusammengesetzt und die Formulierungen erstellt. Dafür möchte ein ganz herzliches Danke an Frau Ministerialrätin Dr. Schäfer und an Herrn Ministerialrat Dr. Matzenauer richten. Sie waren es, die all das dann wirklich in die Gesetzesformulierung hineingebracht haben. Das ist eine enorme Leistung und ein enormer Fortschritt.

Ich würde mich wirklich freuen, wenn alle Fraktionen dieses Hauses diese wichtige Bildungsinitiative tragen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

18.50

Präsident Alfred Schöls: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

41. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird (630 und 696/NR sowie 6397 und 6446/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 41. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Leopold Steinbichler übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Leopold Steinbichler: Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich berichte über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Universitäts-Studiengesetz geändert wird.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor.


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Der Ausschuss stellt den Antrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Schöls: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Michael Strugl. Ich erteile es ihm.

18.52

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Vorausschicken möchte ich Folgendes: Ich bedauere es, dass die SPÖ bei der letzten Vorlage nicht mitgestimmt hat, obwohl diese Novelle in guter sozialpartnerschaftlicher Diskussion zu Stande gekommen ist. – Aber das sei nur nebenbei bemerkt.

Bei der Novelle zum Universitäts-Studiengesetz geht es um – wie ich es nennen möchte – ein paar technische Anpassungen, daher kann ich mich kurz fassen. Die wesentlichste Änderung besteht darin, dass wir dadurch international kompatible akademische Grade bekommen. Das ist etwas sehr Wichtiges. Entstanden ist es aus dem Bologna-Prozess, aus der Bologna-Deklaration heraus, und es bedeutet, dass wir ein dreistufiges Studiensystem mit international verwendbaren Graden für die Absolventen haben. Das ist eine sinnvolle Sache insbesondere in Zeiten großer Mobilität, weil diese Mobilität von den Arbeitnehmern und von den Fachleuten auch gefordert ist. Gerade bei den akademisch ausgebildeten Fachkräften ist daher diese internationale Kompatibilität wichtig.

Der Bologna-Prozess an sich sieht die Einführung eines eigenen Systems international vergleichbarer Abschlüsse vor, und zwar ein Kreditpunktesystem mit einer entsprechenden Messbarkeit. Dies dient der Förderung der größtmöglichen Mobilität, aber vor allem auch der Förderung größtmöglicher Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt. Daher ist diese auf europäischer Ebene angestrebte Zusammenarbeit etwas Notwendiges. Wir gehen davon aus, dass es nicht nur ein Europa der Wirtschaft sein wird, das wir vor uns haben, sondern es wird natürlich auch ein Europa der Ausbildung und ein Europa des Studiums sein. Das ist dafür eine wichtige Voraussetzung.

Es bedeutet in einem Detailbereich, dass zum Beispiel ein Grad, den wir bis jetzt haben, nämlich der "Master of Advanced Studies", mit 1. September 2003 auslaufen wird, weil er nicht mehr in dieses System passt. Das heißt, es ist notwendig, dass man jetzt darauf achtet, wie bei den davon betroffenen Lehrgängen ein international kompatibler Abschluss möglich ist, sei es durch einen "Master of Business Administration" oder auch andere Möglichkeiten. Es sind ungefähr 50 solcher Lehrgänge davon betroffen. In diesem Bereich müssen noch Lösungen angestrebt werden.

Es ist auch manches darüber geschrieben worden, dass die Donau-Universität Krems in besonderer Weise davon betroffen ist. Ich glaube, es herrscht Einigkeit darüber, dass dieses Bildungsangebot in entsprechend attraktiver Form auch für die Zukunft bestehen soll. Die Verantwortlichen dort sind selbst dabei, ihre Angebote demgemäß umzugestalten, sodass auch entsprechende Abschlüsse möglich sind.

Weitere Änderungen, die zwar kleine, aber nicht unwesentliche Verbesserungen für die Studierenden mit sich bringen, betreffen bessere Rahmenbedingungen durch die Einführung einer Beurlaubung. Es gibt Fälle, dass jemand den Präsenz- oder Zivildienst ableistet oder auch durch eine Schwangerschaft gezwungen ist, das Studium zumindest für eine kurze Zeit zu unterbrechen. Damit die Zulassung zum Studium nicht erlischt, gibt es die Möglichkeit einer Beurlaubung.

Ein weiterer Punkt ist eine leichtere befristete Zulassung bei Fernstudienangeboten oder bei den Mobilitätsprogrammen. Da muss jetzt nicht mehr die Universitätsreife in der Weise nachgewiesen werden, wie das bisher der Fall gewesen ist.


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Eine kürzere Entscheidungsfrist bei der Anerkennung von Prüfungen ist deshalb ein wichtiger Punkt, weil sich theoretisch die Studienkommission bis jetzt länger Zeit lassen konnte. Es ist für jemanden, der studiert, insbesondere auch unter dem Aspekt der Mobilität wichtig, dass dies zukünftig in zwei Monaten geschehen muss.

Schließlich gibt es Übergangsfristen bei der Einführung von neuen Studienplänen; es wird die Möglichkeit bestehen, durch ein Toleranzsemester eine Verlängerung zu erreichen. Auch das ist wichtig, vor allem deshalb, weil es, wenn jemand sozusagen in einen neuen Studienplan hineinfällt, in den meisten Fällen zu gravierenden Umstellungen im eigenen Studium kommt. In solchen Fällen wird es durch das Toleranzsemester die Möglichkeit geben, im alten System zu verbleiben.

Es kommt daher zu einigen Verbesserungen, die wichtig sind. Selbstverständlich werden wir deshalb dieser Vorlage zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

18.56

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Würschl. Ich erteile es ihm.

18.57

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wählen als Sozialdemokraten eine differenzierte Vorgangsweise bei der Diskussion dieser Gesetzesnovellen. Der vorhergehenden konnten wir nicht zustimmen, weil es da keine zukunftsorientierten Reformmaßnahmen gibt. Der vorliegenden Gesetzesnovelle werden wir aber zustimmen, weil es damit grundsätzlich zu einer Verbesserung im Studienrecht kommt und auch notwendige Anpassungen vollzogen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ziel jeder Universitätspolitik muss es natürlich sein – das ist heute schon angesprochen worden –, die Leistung zu heben und Qualitätssicherung zu vollziehen. Diesbezüglich haben wir doch große Defizite, oder es sind insgesamt immer wieder Defizite erkennbar. Wenn zum Beispiel Titel vergeben werden, ist noch lange nicht gesagt, dass hiefür auch die entsprechende Leistung erbracht wird.

Ich komme aus dem Berufsfeld der Pädagogik, bei dem das immer wieder sehr deutlich sichtbar wird. Wenn zum Beispiel in höheren Schulen Lehramtsabsolventen Kinder im Mittelstufenbereich oder im höheren Schulbereich unterrichten, kommt es immer wieder zu größeren Diskussionen mit Eltern oder mit Kindern, weil sehr oft nicht die entsprechende Qualität eingebracht wird. Da haben wir immer wieder größere Diskussionen vor Ort. Darum sollte es auch hier unser Bemühen sein, sicherzustellen, dass Qualität gegeben ist.

Ich schließe mich Kollegen Strugl an, wenn er von Europäisierung spricht. Wir Sozialdemokraten bekennen uns voll dazu, dass eine europaweite Vernetzung – sprich: eine Internationalisierung – stattzufinden hat.

Selbstverständlich bekennen wir uns auch zu Studienabschlüssen, die europaweit Anerkennung finden. Akademische Grade müssen international kompatibel sein, sie sind international kompatibel zu machen. Es muss die internationale Anerkennung und insgesamt die Wertschätzung gegeben sein. Auch hier orten wir sehr oft Defizite.

Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal den Pädagogikbereich zitieren. Dort ist es nicht einmal möglich, dass zum Beispiel Pflichtschullehrer im benachbarten Deutschland Arbeit finden können, weil die Wertschätzung bezüglich der Ausbildung von Pflichtschullehrern in Österreich bei unserem Nachbarn einfach nicht gegeben ist.

Frau Bundesministerin! Ich darf Sie höflich ersuchen, in dieser Hinsicht größere Reformschritte anzugehen und keine halbherzigen Geschichten zu machen. Wir müssen einfach europataugliche Ausbildungen sicherstellen. Derzeit ist das leider Gottes nicht der Fall.


Bundesrat
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Wenn ich mir die Diskussionen um Novellen im Bereich der Universität anhöre, dann stört mich immer wieder, dass so viel über Formalismen diskutiert wird. Ich denke, dass es angebracht wäre, mehr inhaltliche Diskussionen zu führen. Dazu darf ich ein paar Stichworte nennen.

So geht es etwa darum, das lebenslange, das lebensbegleitende, das berufsbegleitende Lernen zu verstärken und zu verankern. Das muss in Wirklichkeit im Kopf jedes einzelnen Österreichers verankert werden.

Oder – hier orte ich große Defizite auf Grund der heutigen Regierungspolitik – wir hätten sicherzustellen, dass für alle, aus allen sozialen Schichten, der Zugang zu höherer Bildung ohne größere Probleme möglich ist.

Frau Bundesministerin! Was Sie planen, was die Bundesregierung plant, nämlich Studiengebühren einzuführen und 10 000 S bei den Eltern und den Studenten abzukassieren, wird zu großen sozialen Problemen führen. Es wird dazu kommen, dass Kinder aus gewissen Schichten – Bauernkreisen, Arbeiterkreisen – davon abgehalten werden, Universitäten zu besuchen. Das kann in einer modernen Gesellschaft nicht üblich sein!

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wir haben einfach das Postulat aufzustellen, dass die Menschen ein Anrecht auf Bildung haben und dass versucht werden muss, sämtliche Barrieren abzubauen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Mag. Himmer: Ja, Sie schaffen diese Barrieren ...!)

Abschließend möchte ich einen Appell an Sie richten. Ich gehe zwar davon aus, dass es bei dieser Bundesregierung nicht möglich sein wird, aber ich darf hier trotzdem die Bitte aussprechen, dass man in der Politik versucht, Prioritäten zu setzen, Prioritäten richtiger zu setzen. (Bundesrat Mag. Himmer: Sie bereiten sie auf Versorgungsposten vor!) Abfangjäger zu kaufen, um Luftkriege zu führen, die es nie geben wird, und dafür 30 Milliarden Schilling auszugeben, ist in der heutigen Zeit einfach unverantwortlich, wenn wir gleichzeitig bei jungen Menschen, die etwas lernen wollen, abkassieren. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.02

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster ist Herr Bundesrat Ram zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

19.02

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu meinem Vorredner möchte ich mich wirklich auf die Gesetzesvorlage beziehen und nicht weit ausschweifen. Nur kurz folgende Worte, lieber Kollege: Ich weiß nicht, wann du das letzte Mal an einer Universität warst. Ich kann dir sagen, ich war bis vor kurzem an einer Universität, und die Zustände dort sind alles andere als positiv. Deswegen glaube ich, dass es wichtig ist, hier Reformen stattfinden zu lassen. Daher hat man auch diese Studiengebühren, diesen Beitrag eingeführt. Ich denke, das ist ein richtiger Weg; es tut vielleicht manchen weh, ist aber trotzdem ein richtiger Weg in die richtige Richtung. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Geschätzte Damen und Herren! Wie meine Vorredner schon gesagt haben, bringt die Änderung des Universitäts-Studiengesetzes einige Vorteile und Verbesserungen mit sich. (Bundesrat Marizzi: ... drei Semester studiert!) So wird zum Beispiel die Beurlaubung von Studien neu geregelt, was einem langjährigen Wunsch der Studentenvertretung entspricht. Mit dieser Änderung wird auch ein Wunsch der TU Wien aufgenommen, nämlich die Möglichkeit der Einrichtung des Studiums Versicherungsmathematik. Weiters wird die Möglichkeit ausgedehnt, Vorbereitungslehrgänge für künstlerische Studien anzubieten. Außerdem werden zahlreiche andere Änderungen durchgeführt, wie zum Beispiel die Einführung einer inhaltlichen Ex-ante-Evaluierung für Lehrgänge universitären Charakters.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird dieser Änderung zustimmen. Wir haben uns aber nach längerer Diskussion dazu entschlossen, dass es ein abweichendes Stimmverhalten der niederösterreichischen Bundesräte der FPÖ geben wird, und zwar deshalb, weil der Punkt


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"Auslaufen des MAS-Titels" für uns ganz einfach nicht akzeptabel ist. Wir glauben nach Gesprächen mit Vertretern der Donau-Universität Krems und einem Resolutionsantrag im Niederösterreichischen Landtag, der einstimmig angenommen wurde, dass man diesem Auslaufen ganz einfach nicht zustimmen kann.

Gerade in einer Gesellschaft, in der lebenslanges Lernen von enormer Bedeutung ist, hat sich die Donau-Universität Krems auf die lebenslange Weiterbildung spezialisiert. Der "Master of Advanced Studies" wurde erst vor fünf Jahren eingeführt. Er ist im Weiterbildungsbereich angesiedelt und daher von enormer Bedeutung, wenn man die vorgesehene Akademikerquote von 20 Prozent erreichen möchte.

Deshalb bitte ich um Verständnis dafür, dass wir zwei niederösterreichische freiheitliche Bundesräte getreu dem föderalistischen Prinzip an den Antrag unseres Landtagsklubs und an den einstimmigen Beschluss des Niederösterreichischen Landtages gebunden sind und diesem Antrag hier leider nicht unsere Zustimmung geben können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.05

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. Ich erteile es ihr.

19.05

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf nun einige Dinge richtig stellen.

Von dem Oppositionsmandatar wurde gesagt (Bundesrat Konecny: Wen meinen Sie jetzt? Den sozialdemokratischen oder den freiheitlichen?), dass von Lehrerinnen und Lehrern die entsprechende Qualität im Schulwesen oft nicht eingebracht wird. Ich stelle dazu fest, dass wir sehr viele Lehrerinnen und Lehrer haben – das sind die meisten von ihnen –, die gut qualifiziert sind und bestens in unseren Schulen arbeiten. Ich glaube, das sollten wir immer wieder in den Vordergrund stellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Wenn gesagt wird, dass alle aus allen sozialen Schichten Zugang zur Universität haben müssen, dann muss ich hinzufügen: "alle, die dafür geeignet sind, aus allen sozialen Schichten"! Aber dieses alte Wunschdenken, dass alle Menschen einen Abschluss an einer Universität machen, existiert in der Realität einfach nicht. Alle, die geeignet sind, aus allen sozialen Schichten sollen die Möglichkeit haben, an der Universität zu studieren. Es wird niemand aus finanziellen Gründen nicht studieren können, weil wir die Studienförderungen um 450 Millionen Schilling auf 2 Milliarden Schilling angehoben haben. Wer es braucht, erhält eine Förderung, und wer es nicht braucht, kann es sich leisten, einen geringen Beitrag für seine beste Ausbildung selbst zu leisten. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Die vorliegende Änderung des Universitäts-Studiengesetzes ist deswegen von besonderer Wichtigkeit, weil sie den richtigen Weg in die richtige Richtung der Mobilität geht. Es muss unser Anliegen sein, unseren jungen Menschen eine Ausbildung zu geben, die international anerkannt ist und internationale Graduierungen nach sich zieht. Wir werden sehr genau prüfen, ob dieser "Master of Advanced Studies" in den nächsten Monaten und Jahren auch europaweit angenommen wird – ich weiß, dass es darüber Überlegungen in Deutschland gibt –, dann werden wir uns neu darüber unterhalten.

Ich denke aber, unsere jungen Leute haben ein Anrecht darauf, Graduierungen zu erhalten, die internationale Anerkennung haben. Gerade darauf müssen wir in den nächsten Jahren besonderen Stellenwert legen, damit der europäische Hochschulraum 2010 Wirklichkeit wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

19.08

Präsident Alfred Schöls: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


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Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Mehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

42. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Änderung des Vertrages über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Notenwechsel vom 22. Dezember 1993 und vom 14. Jänner 1994 samt Anlage (449 und 672/NR sowie 6447/BR der Beilagen)

43. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau über den Amtssitz der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau (488 und 673/NR sowie 6448/BR der Beilagen)

44. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Internationalen Seegerichtshofs (538 und 674/NR sowie 6449/BR der Beilagen)

45. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft (563 und 675/NR sowie 6450/BR der Beilagen)

46. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich betreffend die einvernehmliche Beendigung von drei Staatsverträgen im Verhältnis zur Tschechischen Republik (588 und 676/NR sowie 6451/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nun zu den Punkten 42 bis 46 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Änderung des Vertrages über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Notenwechsel vom 22. Dezember 1993 und vom 14. Jänner 1994 samt Anlage,

ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau über den Amtssitz der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau,


Bundesrat
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ein Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Internationalen Seegerichtshofs,

ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft sowie

eine Erklärung der Republik Österreich betreffend die einvernehmliche Beendigung von drei Staatsverträgen im Verhältnis zur Tschechischen Republik.

Die Berichterstattung über die Punkte 42 bis 46 hat Herr Bundesrat Paul Fasching übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

Berichterstatter Paul Fasching: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bericht zum Tagesordnungspunkt 42 liegt Ihnen vor.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Der Bericht zu Tagesordnungspunkt 43 liegt ebenfalls vor.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Der Bericht zu Tagesordnungspunkt 44 liegt ebenfalls vor.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Der Bericht zu Tagesordnungspunkt 45 liegt vor.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Der Bericht zu Tagesordnungspunkt 46 liegt ebenfalls vor.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 17. Juli 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Alfred Schöls: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Gottfried Kneifel. Ich erteile es ihm.

19.13

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt im Bundesrat Höhen und Tiefen. Ich bin noch nicht lange in diesem Haus, aber zweifellos hat es zu den Höhepunkten gehört, als wir am 12. Oktober vergangenen Jahres eine Entschließung zum Thema Kernkraftwerk Temelin gefasst haben. Wir sind damals sogar dem Nationalrat vorausgegangen. Hier wurde die erste Entschließung in der Republik beschlossen, gegen diese Atompolitik klar Stellung zu nehmen, entsprechende Ausstiegsszenarien darzulegen und die Regierung anzuspornen, hier konsequent fortzusetzen.

Seit dieser Entschließung hat sich einiges ereignet. Eine Serie von Pannen hat es im Kernkraftwerk Temelin gegeben. Die Bevölkerung ist verunsichert. Es hat in dieser Zeit auch Initiati


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ven der Bundesregierung gegeben mit dem Ziel, dass unser Nachbar Tschechien aus der Atomkraft aussteigt oder zumindest die modernsten Sicherheitsstandards für dieses Kraftwerk durchsetzt.

Seit Jahren kann sich die österreichische Atompolitik auf einen breiten Konsens aller gesellschaftlichen und politischen Kräfte dieses Landes stützen. Dieser breite Konsens ist Grundlage für eine gemeinsame Linie in Einzelfragen zu diesem Thema. Beispielhaft sei auf den Aktionsplan für österreichische Atompolitik im europäischen Zusammenhang aus dem Jahr 1999 verwiesen. Diese gemeinsame Linie von Bundesregierung, Nationalrat und Bundesrat wurde auch von den Ländern sowohl auf Landesregierungs- als auch auf Landtagsebene mit Nachdruck unterstützt.

Gerade die aktuelle Situation sowohl auf europäischer – Stichwort: Stellungnahme der deutschen Bundesregierung gegen Temelin – als auch auf bilateraler und internationaler Ebene erfordert eine konsequente Fortsetzung dieser gemeinsamen österreichischen Anti-Atom-Politik.

Ich unterbreite Ihnen deshalb einen Entschließungsantrag, mit dem dieses Ziel erreicht werden soll:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Gottfried Kneifel, Ing. Gerd Klamt, Johann Kraml, Stefan Schennach und Kollegen betreffend die konsequente Fortsetzung der gemeinsamen Anti-Atom-Politik Österreichs eingebracht im Rahmen der Debatte zum Tagesordnungspunkt 46 über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich betreffend die einvernehmliche Beendigung von drei Staatsverträgen im Verhältnis zur Tschechischen Republik

Der Bundesrat wolle beschließen:

Der Bundesrat

bekräftigt den Aktionsplan "Österreichische Anti-Atom-Politik im europäischen Zusammenhang";

bekräftigt seine Position zum Kernkraftwerk Temelin, wie sie in der Entschließung (E-163-BR/2000) vom 12. Oktober 2000 zum Ausdruck kommt;

unterstützt die Initiativen der Bundesregierung zur Schaffung hoher europäischer Sicherheitsstandards, zur Reform und Integration des Euratom-Vertrages in den EG-Vertrag im Sinn einer völligen Neudefinition der Inhalte dieses Vertrages wie beispielsweise einer Forcierung erneuerbarer Energieträger und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz der Energienutzung, insbesondere im Hinblick auf "Ausstiegsszenarien", und ersucht die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass bis zu diesem Zeitpunkt keine Aufstockung des Euratom-Kreditrahmens erfolgt und dass keine Kredite europäischer Finanzinstitutionen für den Neubau, Fertigbau oder die Nachrüstung von Kernkraftwerken eingesetzt werden;

unterstützt die Bundesregierung in der Haltung, die energetische Nutzung der Kernenergie weder als kompatibel mit den Prinzipien nachhaltiger Entwicklung noch als geeignete Maßnahme zur Erreichung von Klimaschutzzielen anzusetzen;

und ersucht die Bundesregierung

mit Nachdruck alle zu Gebote stehenden Mittel einzusetzen, um auch im Dialog mit der Regierung der Tschechischen Republik die österreichischen Interessen bezüglich des Kernkraftwerkes Temelin im Sinne der bisherigen Beschlüsse in Richtung endgültiger Ausstieg aus der Atomkraft zu vertreten.

*****


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Dieser Entschließungsantrag ist allen vier im Bundesrat vertretenen Fraktionen zugegangen, und ich ersuche Sie, diesem Entschließungsantrag auch Ihre Zustimmung zu erteilen. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen, bei Bundesräten der SPÖ und des Bundesrates Schennach. )

19.18

Präsident Alfred Schöls: Der von den Bundesräten Kneifel, Ing. Klamt, Kraml, Schennach und Kollegen eingebrachte Entschießungsantrag betreffend die konsequente Fortsetzung der gemeinsamen Antiatompolitik ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Professor Albrecht Konecny. Ich erteile es ihm.

19.19

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ich möchte zunächst Kollegen Kneifel sehr herzlich für die Einbringung dieses gemeinsamen Antrages danken. Im Einzelnen wird dazu mein Kollege Kraml Stellung nehmen. Aber ich halte es für wichtig – da gebe ich ihm schon Recht –, dass wir in einer solchen zentralen Frage nicht miteinander über eine Formulierung des dritten Nebensatzes von links – schlechtes Beispiel, da belastet (Heiterkeit bei der SPÖ)  –, des dritten Nebensatzes, ohne irgendeine Beifügung, diskutieren, sondern grundsätzlich zum Ausdruck bringen, dass wir hier einmütig sind, auch wenn wir vielleicht im einen oder anderen Fall Differenzen über die Vorgangsweise haben.

Hier geht es darum, deutlich zu demonstrieren, dass es in wenigen Fragen – diese Frage gehört dazu – einen nationalen Konsens gibt, der von den oberösterreichischen Freunden als am stärksten Betroffenen immer wieder urgiert wird, der aber von allen geteilt wird: dass das absolute Mindestmaß, was wir von unseren tschechischen Nachbarn verlangen müssen, die Einhaltung jener Sicherheitsnormen ist, die in Westeuropa selbstverständlich sind. Das ist eine Politik, zu der wir uns vorbehaltlos bekennen und die, wie in dem Antrag auch korrekterweise zum Ausdruck gebracht wird, in einem Regierungsprogramm von 1999 ihren Ausgang nimmt.

Gestatten Sie mir nichtsdestoweniger darüber hinaus auch zu zwei weiteren Punkten ganz kurze Anmerkungen zu machen, weil ich es für wichtig halte, auch solche Tagesordnungspunkte nicht nur gewissermaßen im Register vorkommen zu lassen.

Das eine ist das Amtssitz-Abkommen, das jetzt sozusagen den Einstiegspunkt zur Beschäftigung mit dem Donauraum darstellt. Es ist richtig – das ist zu unterstreichen –, dass der Donauraum wirtschaftlich, ökologisch und verkehrstechnisch eine in ihrer Entwicklungsfähigkeit gewaltige Verbindungsader ist, die auch Österreich mit einschließt. Wir teilen diesen Raum mit einer Reihe von anderen Staaten, die eine sehr viel unglücksseligere neue Geschichte hatten, und wann immer wir in diesem Raum aktiv werden, so ist das ein Stück aktive Solidarität, weil wir, auch wenn wir natürlich wirtschaftliche, ökologische und andere Vorteile aus allem ziehen, was in diesem Raum geschieht, als eines der wohlhabenden Donauanrainerländer selbstverständlich auch Beiträge zu leisten haben werden.

Ich möchte nichtsdestoweniger darauf aufmerksam machen, dass wir uns hier auch über eine Konzentration unserer Bemühungen den Kopf zerbrechen müssen. Es gibt die traditionelle Donaukommission, die im Wesentlichen schifffahrtsrechtliche Aufgaben hat; es gibt jenes Abkommen über den Schutz der Donau – wenn Sie die Vorlage anschauen, stellen Sie fest, es geht nicht um einen rein ökologischen Schutz, es geht sehr wohl auch um die Entwicklung und die verträgliche wirtschaftliche Nutzung dieses Raums, wobei hinsichtlich dieses Abkommens nunmehr der Sitz in Österreich genommen wird –, und wir haben, beginnend mit dem 20. /21. 9., die österreichisch-rumänische Initiative für eine Donauraumkooperation. Ich sage gegen keine dieser Initiativen etwas – ganz im Gegenteil –, aber ich bitte darum, auch im Auge zu behalten, dass wir diese vielen Schienen zu einem Netz verbinden müssen, wenn wir eine maximale Wirkung erzielen wollen.

Letzte Bemerkung, weil das schon gar nicht untergehen soll: Es wird unter Punkt 45 auch über das Kulturabkommen mit Slowenien abzustimmen sein. Das ist ein Abkommen, an dem viele Jahre lang gearbeitet wurde und das neben den üblichen Bestimmungen, die in einem solchen


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Abkommen enthalten sind, auch zum ersten Mal auf internationaler Ebene die Tatsache von slowenischer Seite anerkennt, dass eine zugegebenermaßen sehr kleine deutschsprachige österreichische Minderheit in diesem Land existiert.

Ich halte das für wichtig, weil es ein Zeichen dafür ist, dass es auch in historisch so belasteten Fragen bei geduldiger Verhandlung, aber vor allem bei guter Zusammenarbeit möglich ist, zu Resultaten zu kommen, die diese Vergangenheit überwinden, und auch jenen Menschen, die gezwungen sind, in dieser Vergangenheit zu leben – denn 50 Jahre war es nicht wahnsinnig lustig, Angehöriger einer deutschsprachigen Minderheit in Jugoslawien, Slowenien zu sein –, ein Stück Hilfe, Unterstützung und Anerkennung geben zu können.

Ich freue mich, dass wir einem solchen auch Versöhnungsabkommen heute unsere Zustimmung geben können. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP und des Bundesrates Schennach. )

19.25

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Klamt. Ich erteile es ihm.

19.25

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich als Kärntner einige Gedanken zu den Tagesordnungspunkten 42 bis 46, speziell zum Tagesordnungspunkt 45, Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft mit Slowenien, einbringen.

Eine derartige Zusammenarbeit mit Nachbarstaaten ist sehr wichtig. Als Präsident des Bundesrates habe ich im April dieses Jahres gemeinsam mit unseren Bundesräten Dipl.-Ing. Missethon, Mag. Neuner und Vizepräsidenten Weiss den Staatsrat in Slowenien besucht. Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass die Medienberichterstattung in Slowenien nicht sehr österreichfreundlich ist. Schon aus diesem Grunde ist eine Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft notwendig, weil die Chance gegeben ist, über positive Zusammenarbeit und viele Kontakte vorgefasste Meinungen zu widerlegen.

Die Gespräche, die wir anlässlich unseres Besuches beim slowenischen Staatsrat mit führenden Vertretern der Legislative und der Exekutive führten, waren offen, aber auch bestimmt. Wichtig ist, dass bei derartigen Gesprächen die Probleme der Vergangenheit und der Gegenwart angesprochen und Möglichkeiten für eine gemeinsame Zukunft aufgezeigt werden. Die AVNOJ-Gesetze in Slowenien, die Beneš-Dekrete in Tschechien müssen zumindest entsprechend adaptiert werden.

Ich habe das dort auch klar in einem sehr – ich würde es so sagen – harten Gespräch mit Nationalratspräsidenten Pahor dargelegt. Menschenrechtswidrige Bestimmungen haben bei dem Versuch, in die EU zu kommen, nichts verloren, und menschenrechtswidrige Bestimmungen müssen vor einem derartigen EU-Beitritt fallen.

Professor Konecny hat erwähnt, dass die deutschsprachige Volksgruppe in Slowenien zum ersten Mal erwähnt wurde, und das ist, so finde ich, eine ganz einfach großartige Leistung, und da stimme ich ihm aus vollem Herzen zu.

Der Umgang mit Atomenergie und entsprechende Ausstiegsszenarien müssen abgeklärt werden. Ein entsprechender Entschließungsantrag wurde heute eingebracht.

Für Kärnten darf ich sagen: Wir haben in letzter Zeit eine sehr positive Zusammenarbeit mit unseren Kärntner Slowenen, die von gegenseitiger Achtung und Respekt getragen ist. Es gibt eine echte Dialogbereitschaft, die von den Vertretern der Slowenenverbände voll anerkannt wird. Wir haben im Schulbereich, wir haben im Kindergartenbereich und in der medialen Versorgung der Kärntner Slowenen gemeinsam wichtige Verbesserungen erreicht und damit den Grundstein für gute zukünftige nachbarschaftliche Beziehungen auch mit Slowenien gelegt.


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Die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung, der Wissenschaft mit Nachbarstaaten ist auch, so meine ich, eine Bestätigung des Kärntner Weges der Vergangenheit. In diesem Sinne werden die Tagesordnungspunkte 42 bis 45 von der freiheitlichen Fraktion in diesem Hause voll mitgetragen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.30

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile es ihm.

19.30

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir nach diesen zwei sehr anstrengenden Tagen, die auch von sehr viel Emotionen gekennzeichnet waren, doch zu einem ganz wichtigen Thema eine gemeinsame Entschließung zusammenbringen, zu einem wichtigen Thema, das vor allem durch die letzten Wochen eine besondere Aktualität gewonnen hat.

Einerseits hat die deutsche Bundesregierung Prag offiziell eine Stilllegungsaufforderung übermittelt. Zweitens haben sich die Stromkonzerne E.ON und REWE aus den Temelin-Importen zurückgezogen. Drittens gibt es nun auch eine Stilllegungsinitiative des Europäischen Parlaments – in der vergangenen Woche hat der Auswärtige Ausschuss des Europäischen Parlaments die EU-Kommission aufgefordert, eine internationale Temelin-Ausstiegskonferenz mit konkreten Ausstiegsangeboten einzurichten –, und vor allem gab es den Versuch, Wege zu finden – ich glaube, das ist einer der wichtigsten Hebel für die Möglichkeit, dass es in jener Richtung weitergeht, die sich auch die österreichische Bevölkerung erwartet –, Teile von Temelin als Stranded Investment abzuschreiben und somit eine seriöse Nulloption einzufordern.

Ich denke – ich sehe da vor allem Kollegen Kneifel an –, es geht heute in der Frage Temelin nicht mehr um die Forderung europäischer Mindeststandards. Ein Atomkraftwerk, das in der kurzen Testphase zwei Dutzend Pannen hat, das in einem Zustand ist, dass es niemals mehr an diese gemeinsamen Sicherheitsstandards herangeführt werden kann, kann nur einen Weg haben, nämlich stillgelegt zu werden. Das geht nicht nur mit politischem Druck, hier bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung, auch einer österreichischen finanziellen Anstrengung, einer deutschen finanziellen Anstrengung und einer europäischen finanziellen Anstrengung.

Denn wie hat Vizepremier Vladimir Spidla vor zwei Tagen gesagt? – Das ist meiner Meinung nach auch ein Rückzugsgefecht. Er beharrt darauf, das AKW Temelin als eine interne Angelegenheit zu behandeln, während sich allerdings sein Botschafter in Wien bereits über die Möglichkeiten von Stranded Investment erkundigt hat.

Also ich sehe hierin einige wirklich positive Elemente, nach einer relativ hoffnungslosen Situation, wie wir sie zu Beginn des Jahres angesichts der sehr unfreundlichen tschechischen Vorgangsweise hatten, jetzt doch in eine andere Situation gekommen zu sein. Vor allem die belgische EU-Präsidentschaft beabsichtigt, im Herbst das Energiekapitel mit Tschechien abzuschließen, und ich denke, dass wir diese Zeit nutzen müssen. Wir dürfen es nicht verknüpfen, die Mitgliedschaft Tschechiens darf nicht damit verknüpft werden, aber diese Verhandlungen über eine Ausstiegsoption müssen in die Verhandlungen mit eingebracht werden.

Im August soll ein neuerlicher Testbetrieb in Temelin beginnen, und zwar soll jetzt nach der monatelangen Stilllegung getestet werden, ob die Turbine funktioniert oder ob die Vibrationen weiter andauern. Erst dann wird entschieden, ob es im nächsten Jahr – das ist auch noch immer eine Option – zu einer kommerziellen Nutzung, zu einer kommerziellen Inbetriebnahme, Vollinbetriebnahme kommen kann. Dazu ist auch noch etwas vonnöten: Skoda und CEZ müssen einen 144 Stunden durchgehenden störungsfreien Betrieb nachweisen. Das ist seit den ersten Monaten des Testbetriebes, so glaube ich, nicht einmal drei Tage lang gelungen.

Ich denke, hier haben wir viele Chancen. Wir sehen zwar, dass wir einen gemeinsamen Schulterschluss haben, dennoch gibt es oft unterschiedliche Interpretationen, wie stark, wie ideenreich die Bundesregierung das auch tatsächlich umsetzt. Ich denke – das ist jetzt nicht nur


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eine oppositionelle Meinung –, auch der Oberösterreichische Landtag war mit der Tätigkeit der Bundesregierung nicht immer ganz zufrieden, wenn wir das einmal so nennen.

Nichtsdestotrotz: Deutschland hat nun einen interessanten Schritt gesetzt. Umweltminister Molterer hat gesagt, das ist ganz im Sinne der österreichischen Bundesregierung. Jetzt geht es darum, tatsächlich konkrete Ausstiegsangebote auch von österreichischer Seite zu setzen, denn ich denke, vielleicht haben wir darin eine gemeinsame Meinung.

Nichts gefährdet die Bevölkerung und die Umwelt unseres Landes mehr, nichts stellt eine größere Bedrohung dar als die brandgefährlichen Atomkraftwerke entlang unserer Grenzen. Unternehmen wir alles, damit diese Stilllegungsinitiative auf europäischer Ebene und auch im Schulterschluss der österreichischen Regierung mit der deutschen Regierung zum Erfolg gereicht!

Lassen Sie mich zum Abschluss noch Ihnen, Frau Bundesministerin, eine Bitte übermitteln. Wir haben hier im Bundesrat einige Stunden lang über die Neuordnung der Medienlandschaft diskutiert. Lassen Sie mich auch an Sie die Bitte richten: Nützen Sie alle Ihre Möglichkeiten der Einflussnahme – so wie es auch der Bundespräsident bereits getan hat –, damit eines der meiner Meinung nach wichtigsten Fenster Österreichs in die Welt auch nach Veränderung der finanziellen Basis erhalten bleibt, nämlich Radio Österreich International mit seinen Vollsprachenprogrammen in Englisch, Spanisch, Französisch, mit seinen Programmen auf Arabisch und auch – das ist von besonderer Bedeutung hinsichtlich China, weil Radio Österreich International eines der vier westlichen Programme ist, die von Radio Peking ausgestrahlt werden – in Esperanto, der Verkehrssprache der oberen chinesischen Administrationsebene!

Setzen Sie sich dafür ein, dass dieses Radio, das solch ein wichtiges Fenster darstellt, um Österreich kulturell und wirtschaftlich in der Welt zu präsentieren – dabei geht es um den Tourismus, aber auch darum, Auslandsösterreicher über die Vorgänge in der Heimat zu informieren, Menschen im Ausland zu informieren, was in Österreich los ist –, das vor allem ein Transportmittel unserer Kultur ist, erhalten bleibt! Darum würde ich Sie sehr ersuchen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

19.37

Präsident Alfred Schöls: Als Nächste hat sich die Frau Bundesministerin zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

19.38

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Bevor ich einige Worte zum vorliegenden Entschließungsantrag und auch zur hier anstehenden Diskussion zur Antiatompolitik sage, wollte ich natürlich auch das Kulturabkommen mit Slowenien mit ein paar Worten erwähnen, denn ich glaube, das ist sehr wichtig, und ich möchte auch ein Wort zur Donaukooperation sagen, wie sie Herr Bundesrat Konecny angesprochen hat.

Das Kulturabkommen mit Slowenien stellt ganz sicher einen großen Meilenstein in unseren internationalen Beziehungen dar, und es ist, wie auch schon gesagt wurde, ein Beweis dafür –ich stehe dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren –, dass eine konsequente, aber auch hartnäckige Außenpolitik viel bewirken kann. Dieses Abkommen ist, wie wir alle wissen, das Ergebnis eines sehr langen und zum Teil mühseligen Verhandlungsprozesses. Erst beim Besuch des slowenischen Außenministers Rupel im März ist es mir gelungen, den Durchbruch zu erzielen.

Mit dem In-Kraft-Treten dieses Abkommens wird Österreich nun über ein Instrument verfügen, das durch die Einrichtung von periodisch tagenden gemischten Kulturkommissionen und durch die Erstellung von gemeinsamen Programmen dieser Kommissionen große strukturelle Vorteile bringt.

Sie alle wissen, wirklich schwierig war eine Detailfrage, die höchste Sensibilität auf beiden Seiten hat, nämlich die Frage des Minderheitenschutzes. Wie Sie wissen, legen wir Öster


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reicher international besonders viel Wert auf einen wirksamen und guten Minderheitenschutz und auch darauf, dass er wirklich gut verankert ist. Denn wenn er gut verankert ist, dann sind die Konfliktherde wesentlich geringer.

Nun haben Österreich und Slowenien grundsätzlich ein gut funktionierendes nachbarschaftliches Verhältnis zueinander. Ich glaube, gerade die vorbildliche Behandlung von Minderheitenfragen auf beiden Seite ist und wird vor allem auf Grund dieses Abkommens ein wichtiges weiteres Unterpfand für die Qualität dieser Beziehungen darstellen.

Durch dieses österreichisch-slowenische Kulturabkommen hat Slowenien nun erstmals – ich glaube, das ist ein echter Durchbruch – eine ausdrückliche und völkerrechtlich verbindliche Zusage gemacht, den noch heute in Slowenien lebenden deutschsprachigen Nachkommen der Bewohner früherer deutschsprachiger Gebiete und Gemeinden des Landes als Volksgruppe regelmäßig Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsprojekte zugute kommen zu lassen. Wir wissen natürlich, dass es sich bei dieser deutschsprachigen Gruppe um eine verstreut lebende, kleine Gruppe handelt. Aber sie ist meiner Ansicht nach umso schutzbedürftiger.

Für mich hat dieses Abkommen große Symbolkraft. Denn in einem Europa, in dem leider immer noch nicht alle Unrechtsgesetze, die infolge des Zweiten Weltkriegs erlassen wurden, aus den nationalen Rechtsordnungen beseitigt sind, wird es meiner Auffassung nach nur im Rahmen konstruktiver Schritte in die richtige Richtung möglich sein, diese sensiblen Fragen zu lösen. Ich freue mich daher sehr über Ihre Zustimmung und möchte Ihnen dafür danken.

Zum Zweiten kurz ein paar Worte zur Donaukooperation, die ich an die Ausführungen zu diesem Abkommen anschließe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass es uns gelungen ist – Österreich und Rumänien zusammen mit dem Stabilitätspakt-Koordinator Hombach und auch mit der Europäischen Kommission –, eine zukünftige Konferenz in die Wege zu leiten, für die wir zwei Vorbereitungskonferenzen durchführen werden, sobald die Donauräumung in Angriff genommen wird. Denn wir halten dies für den richtigen Zeitpunkt für eine umfassende Zusammenarbeit, eine Zusammenarbeit im Wirtschaftsbereich, eine Zusammenarbeit vor allem im Bereich des Schutzes des Donauraumes, aber selbstverständlich auch eine Zusammenarbeit im Rechtsbereich.

Ich kann Ihnen versichern, dass wir gerade deshalb auch mit den Rumänen kooperieren, die darauf auch gewisse Anrechte haben. Da Rumänien noch nicht zur ersten Gruppe der Beitrittskandidaten gehört, halte ich es für besonders wichtig, diese Chance dafür zu nutzen, Rumänien langsam an die Europäische Union und damit an uns alle heranzuführen.

Als Drittes nun zum vorliegenden Entschließungsantrag zur Antiatompolitik der Bundesregierung: Die Antiatompolitik Österreichs stellt – ebenso, wie dies auf den vorhergehenden Fall der slowenischen Minderheitsfrage zutrifft – eine sehr sensible Frage dar. Es hat sich, so denke ich, die bedachte, aber konsequente Haltung der Bundesregierung zumindest bisher durchaus bezahlt gemacht. Dies müssen wir selbstverständlich fortsetzen.

Die Politik zeigt sich in drei Bereichen: in unserem bilateralen Verhältnis zu Tschechien, in den Erweiterungsverhandlungen innerhalb der Europäischen Union und auch auf internationaler Ebene. Lassen Sie mich zu allen drei Punkten etwas sagen.

Zum ersten Punkt: Auf Grund dieser konsequenten, aber ruhigen Haltung der Bundesregierung ist gegenüber der tschechischen Regierung der Durchbruch gelungen, als Außenminister Kavan am 29. Juni die Ausarbeitung einer tschechischen Stellungnahme zu den ökonomischen Fragen einer Inbetriebnahme sowie zum Bereich der schweren Unfälle zugesagt hat. Bisher war es die Haltung Tschechiens – wie Sie wissen –, diesen Themenkreisen eher auszuweichen.

Außenminister Kavan hat am 13. Juli den Abschlussbericht der tschechischen UVP-Kommission in tschechischer Sprache übermittelt. Sie wissen, dass dieses Dokument gegenwärtig übersetzt wird. Die in diesem Bericht enthaltenen Empfehlungen konzentrieren sich, von weni


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gen Ausnahmen abgesehen, auf radiologische Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen für den Regelbetrieb. Die von Österreich ins Treffen geführten ökonomischen Fragen sowie auch Fragen betreffend schwere Unfälle sind – in konsequenter Fortsetzung der bisherigen tschechischen Argumentation – noch ausgeklammert.

Deshalb wird es für eine Prüfung des Abschlussberichtes durch Österreich erforderlich sein, dass die von Außenminister Kavan zugesagten ergänzenden Dokumente ehestmöglich nachgereicht werden können. Ich nehme an, dass dies etwa bis Ende Juli der Fall sein könnte. Zu diesem Zeitpunkt war – wie auch hier in der Debatte gesagt wurde – die Wiederaufnahme des Testbetriebes geplant, doch scheint Tschechien nun bis Mitte August zuwarten zu wollen. Von den weiteren Ergebnissen wird es abhängen, wann frühestmöglich – ich nehme an, es wird wohl erst im September soweit sein – Gespräche auf politischer Ebene zum Abschluss des "Melker Prozesses" geführt werden können.

Zweitens ein Wort zu den Erweiterungsverhandlungen im Rahmen der Union. Wie bereits im gemeinsamen Standpunkt der Europäische Union vom 21. Februar festgehalten ist, muss die Tschechische Republik regelmäßig über das Genehmigungsverfahren des Kernkraftwerkes Temelin berichten. Der Abschluss der Gesamt-UVP – darauf kommt es an – stellt eine besonders wesentliche Voraussetzung dafür dar, das bisher noch offene Energiekapitel mit der tschechischen Regierung abschließen zu können.

Was die internationale Ebene betrifft, möchte ich sagen, dass die wohl beste Bestätigung der Richtigkeit unseres Weges durch die vor kurzem bekundete Haltung Deutschlands zum Ausdruck gekommen ist. Die entschlossene Haltung Österreichs hat nun auch Deutschland bewogen, im Rahmen dieser Gesamt-UVP am 17. Juli eine Stellungnahme abzugeben. Darin bringt Deutschland vor allem eine Fülle von sicherheitstechnischen Bedenken vor, indem es sagt – ich zitiere wörtlich –, es "appelliert eindringlich an die Regierung der Tschechischen Republik, die Entscheidung zur Inbetriebnahme des AKW Temelin aufzuheben und das Atomkraftwerk stillzulegen."

Das ist vor allem eine klare Bestätigung des österreichischen Weges und der österreichischen Haltung, dass auch schwere Unfälle Gegenstand einer UVP nach europäischem Standard sein müssen. Ich habe diese Stellungnahme mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Meinen Informationen nach hat Deutschland bei der Übergabe der Stellungnahme die Tschechische Republik um Konsultationen über die mit der Stellungnahme aufgeworfenen Fragen ersucht. Damit hat unsere Position eindeutig an Gewicht gewonnen. (Allgemeiner Beifall.) Es hat sich damit auch die Richtigkeit des "Melker Prozesses" bestätigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundesrat hat bereits in seiner Entschließung vom Oktober 2000, die auch hier zitiert worden ist, den Weg der Bundesregierung unterstützt. Es ist dies auch mein Weg: eine konsequente Haltung, aber ohne Drohung. Die Einigkeit aller vier Parlamentsparteien hier, Ihre Zustimmung zum "Melker Protokoll" zu geben, hat ein deutliches Signal auch an die Tschechische Republik gesetzt. Vor allem in der entscheidenden Phase dieses Prozesses sind meiner Ansicht nach Geschlossenheit und auch die Demonstration von Geschlossenheit angebracht.

Lassen Sie mich daher sagen, dass ich Ihren Entschließungsantrag, der unsere Position unterstützt, äußerst begrüße. Ich darf Ihnen versichern, dass der von Ihnen geforderte Dialog mit der tschechischen Regierung in Hinblick auf weitere Verbesserungen in diesem Bereich auch von uns mit großem Nachdruck eingehalten wird. – Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

19.48

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich erteile es ihm.

19.48

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Wir behandeln hier fünf Gesetze, von denen vier besonders die Nachbarschaft zu Staaten um uns herum hervorheben. Ich bin Herrn Bundesrat Klamt, der in seiner Funktion als Bundes


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ratspräsident vor ein paar Monaten in Slowenien war, sehr dankbar dafür, dass er so deutliche Worte betreffend die AVNOJ-Bestimmungen und deren Aufhebung gefunden hat.

Ich glaube, gute Nachbarschaft ist erst dann eine wirklich gute Nachbarschaft, wenn es den verschiedenen Seiten gelingt, ihre Interessen und nur ihre Interessen für ihre Bevölkerung wahrzunehmen. Wenn in solchen Verhandlungen beide Seiten das Beste für sich herausschlagen, dann sage ich: Es ist gute Nachbarschaft. Keiner darf den andern übertölpeln oder überstimmen. Das ist von unserer Größenordnung und jener unserer Nachbarn her auch gar nicht möglich. Wir sind zueinander faire Nachbarn auf Grund der Größenordnung.

Es ist uns gelungen, hier einen gemeinsamen Entschließungsantrag gegen die AKWs zu finden. Wir sind umgeben von AKW-Staaten, und gerade die Neuaufnahme-Prätendenten für die EU – Slowenien, Ungarn, Slowakei, Tschechien – haben AKWs. Wir müssen da viel deutlicher zeigen, dass wir dieses Problem als ein für uns wichtiges Problem betrachten.

Ich finde es auch sehr gut, dass Bundesrat Konecny die deutsche Volksgruppen in Slowenien erwähnt hat. Der Frau Außenministerin danke ich dafür, dass dieses Anliegen, welches wir alle hegen, einer gewissen Besserung zugeführt wird.

Ich glaube aber, es muss hier ein Staat, der im Rahmen der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau auftritt, besonders erwähnt werden. Es ist dies – mit Schrägstrich geschrieben – Jugoslawien/Serbien. Wie manchen bekannt ist, ist dies der einzige Staat, in dem Politiker schon jetzt sagen, dass sie dazu bereit sind, das Thema AVNOJ zu behandeln. Das verdient Anerkennung! Ich meine, wir müssen diese doch sehr stark gepeinigte Republik – vielfach geschah es durch eigenes Verschulden – in unsere positiven Betrachtungen einbeziehen. Wenn es auch nicht ... (Bundesrat Marizzi: Was hat das ...?)  – Was soll ich machen? Der gestrige Kampftag hat das mit sich gebracht, Herr Kollege!

Wenn nun diese Republik in den letzten zehn Jahren – sicherlich auch durch viel Selbstverschulden – in eine Situation gebracht worden ist, in der sie auch wirtschaftlich am Rande des Abgrunds steht, so müssen wir sagen: Wenn diese Republik und deren Politiker sagen, "AVNOJ ist für uns ein Thema, welches wir besprechen können" – (in Richtung Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner:) Sie wissen darüber sicherlich viel mehr als ich, ich habe das nur aus der Zeitung; und ich kenne drüben einige Herren in der Politik, aber es ist kein offizielles Gespräch, wenn ich mit ihnen rede –, dann muss das Anerkennung finden, indem unsere Republik Finanzhilfe gibt und nicht zögert, bis internationale Organisationen zustimmen. Die Oesterreichische Kontrollbank könnte auf Aufforderung der Bundesregierung – oder welcher Gremien auch immer – viel forscher auftreten, weil wir einen großen Stellenwert in Serbien/Jugoslawien haben.

Ich werde nicht müde werden, Frau Bundesministerin – ebenso, wie wir heute einen Entschließungsantrag gegen die AKWs getroffen haben –, dafür einzutreten, dass hier alle vier Fraktionen auch einen Entschließungsantrag beschließen werden, welcher die Aufhebung der Beneš-Dekrete und die Aufhebung der AVNOJ-Bestimmungen zum Inhalt hat. Denn man kann nicht davon ausgehen: Der Eintritt in die EU ist die eine Seite, und die Aufhebung von solch sittenwidrigen und unmenschlichen Bestimmungen ist eine andere Seite. Das kann nur mit einem Vorlauf geschehen, indem wir erreichen, dass diese Staaten eingestehen, dass in dieser Sache Fehler gemacht worden sind – und zwar grässliche Fehler! –, und dass auch materielle Wiedergutmachung an die Vertriebenen, soweit das möglich ist, geleistet werden kann.

Nur so können wir zustimmen, dass diese Länder als gleichberechtigte Partner im Sinne der europäischen Grundwerte in die EU aufgenommen werden. Wenn man das nicht berücksichtigt, bleibt das Ganze nur ein Gefasel von Grundwerten.

Damit beschließe ich den heutigen Tag von meiner Seite. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.) Ich hoffe, dass die Frau Bundesministerin dies aufnimmt. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.53


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Präsident Alfred Schöls:
Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Johann Kraml. Ich erteile es ihm.

19.53

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Gestatten Sie mir als Mitunterzeichner des Entschließungsantrages ebenfalls einige Worte zur Causa Temelin.

Wie gesagt, ich bin sehr froh, dass wir heute einen gemeinsamen Entschließungsantrag einbringen konnten. Wir haben in diesem Hause schon öfters zu Temelin diskutiert, und ich erinnere mich noch daran, dass wir auch eine dringliche Anfrage zu Temelin hatten.

Als Mühlviertler bin ich davon natürlich stark betroffen; ich wohne ungefähr 70 Kilometer Luftlinie von Temelin entfernt. Ich erinnere mich auch an die ersten Proteste, die es an der Grenze gegeben hat, und an die ersten Grenzblockaden. Zu Beginn sind wir ein bisschen belächelt worden, die Grenzblockaden waren eben nicht ganz opportun. Es hat sich aber dann gezeigt, dass immer mehr Leute zu diesen Grenzblockaden gekommen sind. Auch diese Grenzblockaden haben dazu beigetragen, dass man sich immer mehr mit diesem Problem befasst hat.

Ich danke Ihnen dafür, dass Sie uns heute hier die Aktivitäten der Bundesregierung so umfangreich kundgetan haben; bei der letzten Anfrage war das nicht ganz so klar. Aber ich meine, es ist besonders wichtig, dass wir uns gegen dieses Kernkraftwerk verwahren. Was mich persönlich betrifft, möchte ich dort weder ein unsicheres noch ein sicheres, sondern überhaupt kein Kernkraftwerk. Denn die 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Wir müssen immer mit Störfällen rechnen.

Ich habe auch in der Diskussion zu unserer dringlichen Anfrage angeregt, Ausstiegshilfen für Tschechien bereitzustellen. Ich glaube, dass wir auch das diskutieren müssen, weil es ohne das nicht gehen wird. Es wird eine ganze Reihe von Dingen zu tun sein, dass wir dieses Kernkraftwerk verhindern.

Frau Bundesministerin! Unterstützen Sie uns bitte in diesem Schulterschluss des Bundesrates! (Beifall bei der SPÖ.)

19.56

Präsident Alfred Schöls: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik zur Änderung des Vertrages über die gemeinsame Staatsgrenze vom 21. Dezember 1973 in der Fassung des Notenwechsel vom 22. Dezember 1993 und vom 14. Jänner 1994 samt Anlage.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau über den Amtssitz der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betref-fend ein Übereinkommen über die Vorrechte und Immunität des Internationalen Seegerichtshofs.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder regelt, bedarf er der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 4. Juli 2001 betreffend eine Erklärung der Republik Österreich betreffend die einvernehmliche Beendigung von drei Staatsverträgen im Verhältnis zur Tschechischen Republik.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .


Bundesrat
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679. Sitzung / Seite 371

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Es liegt ein Antrag der Bundesräte Kneifel, Ing. Klamt, Kraml, Schennach und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend die konsequente Fortsetzung der gemeinsamen Antiatompolitik vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher angenommen. (E. 169)

Die Tagesordnung ist erschöpft. (Bundesrat Marizzi: Wir auch!)

Ordnungsruf

Präsident Alfred Schöls: Nachdem ich das Stenographische Protokoll überprüft habe, erteile ich gemäß § 70 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates am Schluss der Sitzung Herrn Bundesrat Professor Konecny für die Ausdrücke “Kettenhund” und “Trio Infernal” im Rahmen seines Redebeitrags in der elften Debatte einen Ordnungsruf. (Bundesrat Konecny: Das ist aber wahrheitsbeweisfähig!)

Ich gebe bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 22 Anfragen – 1828/J bis 1849/J – eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 11. Oktober 2001, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 9. Oktober 2001, ab 14 Uhr vorgesehen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich euch einen erholsamen Sommer wünsche und die Sitzung schließe, darf ich noch unserem Direktor des Bundesrates, Herrn Dr. Labuda, der am Sonntag seinen Geburtstag feiert, alles Gute zu seinem Geburtstag wünschen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich wünsche uns allen einen erholsamen Sommer und schließe die Sitzung.

Schluss der Sitzung: 20.03 Uhr