Stenographisches Protokoll

680. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 11. Oktober 2001

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier

Stenographisches Protokoll

680. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 11. Oktober 2001

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 11. Oktober 2001: 9.03 – 15.55 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Außenpolitischer Bericht 2000 der Bundesregierung

2. Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2000 (Grüner Bericht 2000)

3. Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2002 gemäß § 9 Abs. 2 LWG

4. Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Bundes-Abfallwirtschaftsplan, Bundesabfallbericht 2001

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Ersten Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Umreihung von zwei Ersatzmitgliedern in den Bundesrat 28

Trauerkundgebung 9

Personalien

Entschuldigungen 9

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 28

Ausschüsse

Zuweisungen 28

Fragestunde

Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten 10

Ludwig Bieringer (1190/M-BR/01); Albrecht Konecny, Mag. John Gudenus


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 2

Reinhard Todt (1196/M-BR/01); Christoph Hagen, Dr. Vincenz Liechtenstein

Dipl.-Ing. Hannes Missethon (1191/M-BR/01); Ernst Winter, Ing. Gerd Klamt

Engelbert Weilharter (1194/M-BR/01); Mag. Michael Strugl, Hedda Kainz

Johann Kraml (1197/M-BR/01); Thomas Ram, Gottfried Kneifel

Margarete Aburumieh (1192/M-BR/01); Hedda Kainz, Dr. Renate Kanovsky-Wintermann

Ferdinand Gstöttner (1198/M-BR/01); Mag. John Gudenus, Günther Köberl

Hans Ager (1193/M-BR/01); Mag. Melitta Trunk, Dr. Renate Kanovsky-Wintermann

Mag. John Gudenus (1195/M-BR/01); Herwig Hösele, Albrecht Konecny

Verhandlungen

(1) Außenpolitischer Bericht 2000 der Bundesregierung (III-220-BR/01 sowie 6452/BR d. B.)

Berichterstatter: Hans Ager 29

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 3

Redner:

Mag. Michael Strugl 30

Albrecht Konecny 33

Mag. John Gudenus 37

Bundesministerin Dr. Benita Ferrero-Waldner 42 und 50

Dipl.-Ing. Hannes Missethon 45

Harald Reisenberger 47

Dr. Peter Böhm 50

Gottfried Kneifel 53

Klaus Gasteiger 55

Wilhelm Grissemann 56

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen (mit Stimmeneinhelligkeit) 59

Entschließungsantrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm und KollegInnen betreffend Solidarität gegen den Terror 34

Annahme (E.170) 59

Gemeinsame Beratung über

(2) Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Land-wirtschaft 2000 (Grüner Bericht 2000) (III-224-BR/01 sowie 6453/BR d. B.)

(3) Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2002 gemäß § 9 Abs. 2 LWG (III-225-BR/01 sowie 6454/BR d. B.)

Berichterstatter: Günther Köberl 59

[Antrag, zu (2) und (3) die Berichte zur Kenntnis zu nehmen]

Redner:

Herbert Würschl 60

Leopold Steinbichler 62

Mag. John Gudenus 65

Stefan Schennach 68

Friedrich Hensler 70

Johann Kraml 72

Dr. Renate Kanovsky-Wintermann 74

Germana Fösleitner 76

Paul Fasching 79

Anna Höllerer 82

Engelbert Weilharter 85

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 87

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) den Bericht zur Kenntnis zu nehmen (mit Stimmeneinhelligkeit) 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (3) den Bericht zur Kenntnis zu nehmen (mit Stimmenmehrheit) 91

(4) Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Bundes-Abfallwirtschaftsplan, Bundesabfallbe-richt 2001 (III-222-BR/01 sowie 6455/BR d. B.)

Berichterstatter: Friedrich Hensler 91

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Stefan Schennach 92

Dr. Vincenz Liechtenstein 93

Ferdinand Gstöttner 94

Ulrike Haunschmid 95

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 97

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen (mit Stimmenmehrheit) 100

Eingebracht wurden

Anfragen

der Bundesräte Albrecht Konecny, Dr. Vincenz Liechtenstein und GenossInnen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend arisierten Liegenschaftsbesitz der Österreichischen Bundesforste (1850/J-BR/01)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 4

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend eigenartige Aufgeregtheiten (1851/J-BR/01)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 5

der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach und GenossInnen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend unverständliche Inaktivitäten der Außenministerin (1852/J-BR/01)

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend Weitergabe von sensiblen Daten – "Dubiose Informationen" (1853/J-BR/01)

der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen an den Bundeskanzler betreffend Reorganisation im Bundeskanzleramt (1854/J-BR/01)

der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Reorganisation im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten (1855/J-BR/01)

der Bundesräte Mag. Melitta Trunk, Peter Marizzi, Herbert Würschl und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend Datenübermittlung im Zusammenhang mit der Inhaftierung von Mitgliedern der Theatergruppe "VolxTheater Karawane" (1856/J-BR/01)

der Bundesräte Harald Reisenberger und GenossInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Reorganisation im Bundesministerium für Finanzen (1857/J-BR/01)

der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen an den Bundesminister für Inneres betreffend Reorganisation im Bundesministerium für Inneres (1858/J-BR/01)

der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen an den Bundesminister für Justiz betreffend Reorganisation im Bundesministerium für Justiz (1859/J-BR/01)

der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Reorganisation im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (1860/J-BR/01)

der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen an die Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport betreffend Reorganisation im Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport (1861/J-BR/01)

der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Reorganisation im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen (1862/J-BR/01)

der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Reorganisation im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (1863/J-BR/01)

der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Reorganisation im Bundesministerium für Landesverteidigung (1864/J-BR/01)

der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Reorganisation im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (1865/J-BR/01)

der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Reorganisation im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (1866/J-BR/01)

der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen betreffend Leitung der Abteilung 6, Sektion VI (1867/J-BR/01)

der Bundesräte Harald Reisenberger und GenossInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend personelle Veränderungen im Ministerbüro (1868/J-BR/01)

der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Vergleich der Transportmittel Wasser, Schiene, Straße (1869/J-BR/01)

der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen an die Bundesministerin für Verkehr, Infrastruktur und Technologie betreffend Vorwurf der Desinformation durch die Bundesministerin und katastrophales Personalmanagement im gegenständlichen Ressort (1870/J-BR/01)

der Bundesräte Christoph Hagen, Wilhelm Grissemann und Kollegen an den Bundesminister für Inneres, Dr. Ernst Strasser, betreffend Mehrfachansuchen von Asylwerbern in EU-Staaten (1871/J-BR/01)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Entschließung des Vorarlberger Landtags zur Erteilung von Saisonnierbewilligungen (1872/J-BR/01)

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Entschließung des Vorarlberger Landtags zur aktiven Lebenshilfe (1873/J-BR/01)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Hedda Kainz und Genossen (1664/AB-BR/01 zu 1806/J-BR/01)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger und Kollegen (1665/AB-BR/01 zu 1816/J-BR/01)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1666/AB-BR/01 zu 1817/J-BR/01)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Manfred Gruber und GenossInnen (1667/AB-BR/01 zu 1807/J-BR/01)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Klaus Gasteiger und GenossInnen (1668/AB-BR/01 zu 1808/J-BR/01)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Klaus Gasteiger und GenossInnen (1669/AB-BR/01 zu 1809/J-BR/01)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Mag. Melitta Trunk und GenossInnen (1670/AB-BR/01 zu 1811/J-BR/01)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Karl Boden und GenossInnen (1671/AB-BR/01 zu 1812/J-BR/01)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Theodor Binna und GenossInnen (1672/AB-BR/01 zu 1813/J-BR/01)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Johanna Auer und GenossInnen (1673/AB-BR/01 zu 1814/J-BR/01)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1674/AB-BR/01 zu 1822/J-BR/01)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 6

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1675/AB-BR/01 zu 1818/J-BR/01)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Christoph Hagen und Ilse Giesinger (1676/AB-BR/01 zu 1819/J-BR/01)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und Kollegen (1677/AB-BR/01 zu 1820/J-BR/01)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der Bundesräte Günther Köberl, Dipl.-Ing. Hannes Missethon, Ing. Peter Polleruhs, Herwig Hösele, Dr. Vincenz Liechtenstein, Uta Barbara Pühringer, Ludwig Bieringer und Kollegen (1678/AB-BR/01 zu 1826/J-BR/01)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Gottfried Kneifel und Kollegen (1679/AB-BR/01 zu 1825/J-BR/01)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1680/AB-BR/01 zu 1823/J-BR/01)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Dipl.-Ing. Hannes Missethon und KollegInnen (1681/AB-BR/01 zu 1828/J-BR/01)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Georg Keuschnigg und Kollegen (1682/AB-BR/01 zu 1824/J-BR/01)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Frage der Bundesräte Stefan Schennach und Kollegen (1683/AB-BR/01 zu 1827/J-BR/01)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1684/AB-BR/01 zu 1850/J-BR/01)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Peter Böhm und Kollegen (1685/AB-BR/01 zu 1849/J-BR/01)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen (1686/AB-BR/01 zu 1829/J-BR/01)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen (1687/AB-BR/01 zu 1839/J-BR/01)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 7

der Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1688/AB-BR/01 zu 1844/J-BR/01)

der Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1689/AB-BR/01 zu 1840/J-BR/01)

der Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1690/AB-BR/01 zu 1848/J-BR/01)

der Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1691/AB-BR/01 zu 1847/J-BR/01)

der Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1692/AB-BR/01 zu 1851/J-BR/01)

der Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1693/AB-BR/01 zu 1841/J-BR/01)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen (1694/AB-BR/01 zu 1838/J-BR/01)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 8

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1695/AB-BR/01 zu 1830/J-BR/01)

der Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1696/AB-BR/01 zu 1846/J-BR/01)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen (1697/AB-BR/01 zu 1837/J-BR/01)

der Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1698/AB-BR/01 zu 1842/J-BR/01)

der Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1699/AB-BR/01 zu 1843/J-BR/01)

der Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1700/AB-BR/01 zu 1845/J-BR/01)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Gottfried Kneifel und KollegInnen (1701/AB-BR/01 zu 1836/J-BR/01)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny und GenossInnen (1702/AB-BR/01 zu 1831/J-BR/01)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Harald Reisenberger und GenossInnen (1703/AB-BR/01 zu 1868/J-BR/01)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen (1704/AB-BR/01 zu 1867/J-BR/01)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Frage der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen (1705/AB-BR/01 zu 1864/J-BR/01)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Frage der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen (1706/AB-BR/01 zu 1860/J-BR/01)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen (1707/AB-BR/01 zu 1855/J-BR/01)

der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Albrecht Konecny, Stefan Schennach und GenossInnen (1708/AB-BR/01 zu 1852/J-BR/01)

des Bundesministers für Justiz auf die Frage der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen (1709/AB-BR/01 zu 1859/J-BR/01)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Mag. Dietmar Hoscher und GenossInnen (1710/AB-BR/01 zu 1853/J-BR/01)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Mag. Melitta Trunk, Peter Marizzi, Herbert Würschl und GenossInnen (1711/AB-BR/01 zu 1856/J-BR/01)

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen (1712/AB-BR/01 zu 1858/J-BR/01)

des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen auf die Frage der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen (1713/AB-BR/01 zu 1862/J-BR/01)

des Bundeskanzlers auf die Frage der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen (1714/AB-BR/01 zu 1854/J-BR/01)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Harald Reisenberger und GenossInnen (1715/AB-BR/01 zu 1857/J-BR/01)

der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur auf die Frage der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen (1716/AB-BR/01 zu 1866/J-BR/01)

der Vizekanzlerin und Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport auf die Frage der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen (1717/AB-BR/01 zu 1861/J-BR/01)

der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Frage der Bundesräte Roswitha Bachner und GenossInnen (1718/AB-BR/01 zu 1863/J-BR/01)

des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit auf die Frage der Bundesräte Roswitha Bachner und Genossen (1719/AB-BR/01 zu 1865/J-BR/01)

 

 

 

 

 

 

 


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 9

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

Präsident Alfred Schöls: Ich eröffne die 680. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 679. Sitzung des Bundesrates vom 19. und 20. Juli 2001 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet für die heutige Sitzung hat sich niemand.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Mag. Harald Himmer und Dr. Ferdinand Maier.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Trauerkundgebung

Präsident Alfred Schöls: Hoher Bundesrat! Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte die Arbeit in unserer ersten Sitzung des Bundesrates nach der Sommerpause nicht aufnehmen, ohne den Opfern des verbrecherischen Terroranschlages vom 11. September in New York zu gedenken und in dieser gemeinsamen und offiziellen Form dem Senat der Vereinigten Staaten, dem amerikanischen Volk und den Angehörigen und Freunden der Opfer unsere Betroffenheit, unsere Solidarität und unser Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen.

Die Terroranschläge auf Einrichtungen in den USA, denen Tausende unschuldige Menschen zum Opfer gefallen sind, haben die Verletzbarkeit unserer Zivilisation in besonders grausamer Weise sichtbar werden lassen.

Es ist mir jedoch in diesem Zusammenhang ein besonderes Anliegen festzuhalten, dass unser gemeinsamer Feind der Terrorismus ist und nicht eine Religion oder ein Volk. Das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Nationalität oder Religion soll und darf dadurch nicht beeinträchtigt werden.

Aber auch die schreckliche und unverständliche Tat im Parlament des Schweizer Kantons Zug hat uns die zunehmende Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft vor Augen geführt, die jedoch in keinem Fall dazu führen darf, dass Politiker von den Anliegen der Bevölkerung aus Gründen der Sicherheit abgeschottet werden, denn es ist der Dialog von Mensch zu Mensch, der das Wesen einer Demokratie ausmacht.

Auch ein weiterer, in nahezu unmittelbarer Umgebung erlebbarer Schicksalsschlag hat uns sehr betroffen gemacht. Der Präsident des Salzburger Landtages Univ.-Prof. Dr. Helmuth Schreiner ist am 26. September 2001 während einer Sitzung des Landtages völlig unerwartet von uns gegangen. Wir konnten ihn anlässlich der Enquete des Bundesrates über die "föderalistischen Mitwirkungsrechte in der österreichischen EU-Politik" als überzeugten und engagierten Föderalisten erleben, dem Bundesstaats- und Verwaltungsreform ein großes Anliegen waren. Als überzeugter Demokrat, Parlamentarier und Wissenschaftler ist es ihm gelungen, über alle Fraktionsgrenzen hinweg eine besondere Achtung und Wertschätzung zu erfahren.

Unser Gedenken gilt in dieser Stunde vor allem seiner Ehefrau und seiner Familie, die einen schweren Verlust erlitten haben.

Ich darf Sie nun bitten, zum Zeichen der Trauer in einer Schweigeminute zu verharren. (Die Anwesenden verharren einige Zeit in stummer Trauer.) Ich danke Ihnen für dieses stille Gedenken.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 10

Fragestunde

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde.

Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten

Präsident Alfred Schöls: Ich beginne jetzt – um 9.08 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Wir kommen zur ersten Anfrage, 1190/M, an die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ludwig Bieringer, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Hochgeschätzte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1190/M-BR/01

Wie beurteilen Sie die weltweite Kooperation zur Bekämpfung des Terrorismus in der Folge der Anschläge vom 11. September 2001?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Hoher Bundesrat! Herr Präsident! Ich darf sagen, dass sich die österreichische Bundesregierung bewusst ist, dass dieser globale Kampf gegen den Terrorismus eine sehr schwierige und sehr langwierige Aufgabe sein wird. Daher zollen wir auch der amerikanischen Regierung Anerkennung dafür, dass sie sich so ernsthaft darum bemüht hat, eine möglichst breite Koalition gegen den Terrorismus zu schmieden. Eine Kampagne, die auf militärischem ebenso wie auf politischem, wirtschaftlichem und diplomatischem Niveau geführt werden soll, braucht die Zusammenarbeit aller Staaten.

Es zeichnet sich nun eine Zusammenarbeit mit der Europäischen Union, mit allen EU-Beitrittskandidatenländern, mit Staaten wie Russland und China, aber auch mit sehr vielen kooperationswilligen Staaten der arabischen Welt ab.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat bereits am 12. September 2001 den internationalen Terrorismus als Bedrohung des Weltfriedens verurteilt und alle Staaten aufgefordert, bei der Verfolgung der Täter, der Organisatoren und der Sponsoren mitzuarbeiten. Wir haben, wie Sie wissen, auf der Ebene der Europäischen Union unmittelbar nach den Terroranschlägen intensive Konsultationen gepflegt, um gemeinsam Maßnahmen gegen den Terrorismus zu finden.

Militärisch war die Unterstützung der USA durch die NATO-Alliierten von großer symbolischer Bedeutung. Die USA haben ihre Verbündeten in der NATO gebeten, sich auf Basis einer Wunschliste an den Aktionen zu beteiligen. Wie wir nun gesehen haben, ist diese Unterstützung sehr vielfältig. Nur wenige Staaten beabsichtigen, aktiv an Militäroperationen teilzunehmen.

Lassen Sie mich in Bezug auf Österreich kurz sagen, dass wir vor allem die Verstärkung der multilateralen Zusammenarbeit als einen unserer Schwerpunkte sehen. Wir stehen vorbildlich da, was den Ratifikationsstand Österreichs bei den Antiterror-Konventionen betrifft. Von den zwölf UNO-Konventionen hat Österreich bereits elf ratifiziert. Aber auch die zwölfte Konvention, bezüglich welcher wir im Ministerrat beschlossen haben, sie ebenfalls zu unterzeichnen, ist zwischenzeitlich, nämlich am 24. September 2001, unterzeichnet worden.

Lassen Sie mich zusammenfassend noch einmal sagen: Die von den USA initiierte Koalition gegen den Terrorismus, die auch dem Schutz Österreichs dient, ist erstens weltweit, weil sie eine große Mehrheit der Staaten und der globalen und der regionalen Organisationen ein


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 11

schließt, sie ist zweitens umfassend, weil sie neben militärischen Aktionen auch mit Maßnahmen im Bereich der Justiz und im Rahmen internationaler Konventionen und humanitärer Hilfe operiert, und sie ist drittens maßvoll, weil alle Maßnahmen auch mit dem Gedanken konzipiert sind, zu verhindern, dass diese Auseinandersetzung, die gerade angedeutet wurde, eine kulturelle Dimension hat.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 12

Präsident Alfred Schöls:
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Bieringer.

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Frau Bundesministerin! Welche Rolle spielt dabei die UNO?


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 13

Präsident Alfred Schöls:
Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich darf sagen, dass die UNO dabei eine sehr wesentliche Rolle spielt. Sie hat gleich am nächsten Tag, nämlich am 12. September 2001, mit der Sicherheitsrats-Resolution 1368 die Terroranschläge als Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit qualifiziert und sich bereit erklärt, alle notwendigen Maßnahmen zu setzen, um auf die Terroranschläge zu antworten.

Später hat sie dann mit der Sicherheitsrats-Resolution 1373 konkrete operationelle und strukturelle Maßnahmen vorgesehen und hat sich ausdrücklich auf das Kapitel VII der UNO-Charta berufen.

Von besonderer Bedeutung ist auch die Errichtung eines eigenen Komitees des UNO-Sicherheitsrates, das die Umsetzung dieser Resolution überprüfen soll. In einer Presseerklärung des Präsidenten des Sicherheitsrates vom 8. Oktober 2001 halten die Delegierten im UNO-Sicherheitsrat einvernehmlich fest, dass die am 7. Oktober 2001 eingeleiteten Militäroperationen als Maßnahmen der Selbstverteidigung erfolgten und gegen Terroristen und auch gegen jene gerichtet sind, die ihnen Unterschlupf gewähren.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Professor Albrecht Konecny zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Sie haben von einer Koalition gegen den Terror gesprochen. Mir ist eine Zeitungsmeldung in Erinnerung, derzufolge Sie gesagt haben, dass Ihnen keine Information über den Beginn der Angriffe auf Afghanistan zugekommen ist. Meinen Sie nicht, dass der Begriff der Koalition ein anderes Verhältnis zwischen den Akteuren erfordern würde, als wir es heute leider zu beobachten haben?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Dazu möchte Ihnen Folgendes sagen: Es wurden davon der derzeitige Präsident der Europäischen Union Louis Michel und der Beauftragte für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU Javier Solana informiert, und ich weiß, dass auch der Bundeskanzler davon informiert wurde. Ich nehme an, dass auf Grund der vielen Telefonate, die in diesem Fall notwendig waren, ich davon zuerst – und ich habe das ganz offen gesagt – aus der Presse erfahren habe. Aber wir haben dann sofort miteinander telefoniert, und ich habe diese Mitteilung weitergegeben.

Ich möchte aber schon auch sagen, dass selbstverständlich die NATO-Staaten informiert wurden. Gerade in solch einem Fall, in welchem es auch um militärische Maßnahmen geht, zeigt sich halt ein anderer Grad der Zusammenarbeit.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Welche Unterscheidung treffen Sie zwischen Terroristen und Freiheitskämpfern?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich kann Ihnen nur sagen, dass diese Definition noch nicht einmal in der UNO in den letzten zehn Jahren ausverhandelt worden ist. Daher kann ich Ihnen derzeit keine derartige Definition geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 1196/M, an die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Reinhart Todt, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1196/M-BR/01

Sind die Aussagen von Landeshauptmann Haider und Klubobmann Westenthaler, dass die Flüchtlings- und Asylregelung in europäischen Staaten auf Europäer beschränkt bleiben sollte, in Übereinstimmung mit der Präambel zum Regierungsübereinkommen?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Darf ich zuerst einmal darauf hinweisen, dass diese Frage nicht in meinen Vollzugsbereich fällt, sondern in jenen von Dr. Wolfgang Schüssel, ich werde aber trotzdem kurz darauf eingehen, so weit ich das kann.

In der von Dr. Wolfgang Schüssel und Dr. Haider am 3. Februar 2000 unterzeichneten Erklärung wird auf Flüchtlings- und Asylfragen in keiner Weise Bezug genommen. Aber im Regierungsprogramm selbst wird ein klares Bekenntnis zur Genfer Flüchtlingskonvention in der geltenden Form abgegeben und betont, dass Österreich selbstverständlich seinen humanitären Verpflichtungen gegenüber all jenen Personen, die entsprechend der Genfer Flüchtlingskonvention ein Recht auf Asyl haben, in vollem Umfang nachkommen wird.

Österreich hat bereits anlässlich der Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 die Erklärung abgegeben, die Konvention ohne regionalen Vorbehalt anzuwenden, durch den der Anwendungsbereich der Konvention auf die in Europa erfolgten Verfolgungshandlungen eingeschränkt worden wäre. Es hat sich daher von allem Anfang an Österreich dazu verpflichtet, den Schutz der Konvention gegebenenfalls Menschen ohne Unterschied ihrer regionalen Herkunft zu gewähren. Auch für die übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt die Genfer Flüchtlingskonvention ohne regionale Einschränkung.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Wie beurteilen Sie diese Aussagen in Bezug auf das internationale Image Österreichs?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich möchte diesbezüglich auf ein Interview mit dem Verfassungsexperten Professor Winkler hinweisen, das dieser am 2. Oktober 2001 gegenüber dem "Standard" gegeben hat. Er hat im Hinblick auf die Aussagen von Landeshauptmann Dr. Haider, seines ehemaligen Assistenten, klargestellt, dass man zwischen juristischen und politischen Aussagen eine klare Trennung vornehmen müsse. Winkler sieht im Zentrum des politischen Handelns die Diskussion von Zielsetzungen und nennt Zielsetzungen – ich zitiere wörtlich – "das Legitimste, das ein Politiker haben kann".

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Christoph Hagen zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Welche Initiativen setzt die österreichische Bundesregierung hinsichtlich der Flüchtlingssituation in Afghanistan und in den angrenzenden Ländern?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Dazu darf ich sagen, dass die Bundesregierung in ihrer Sitzung vom 2. Oktober 2001 ein humanitäres Hilfsprogramm für die Not leidende Bevölkerung in Afghanistan beschlossen hat und für die afghanischen Flüchtlinge in Pakistan und in Tadschikistan zusätzlich eine Million US-Dollar zur Verfügung gestellt hat. Dabei sind die Aufgabenschwerpunkte eindeutig und klar Flüchtlingshilfe, Gesundheitsvorsorge in den Flüchtlingslagern und Soforthilfe in Form von Nahrungsmittellieferungen.

Diese Hilfe wird zusätzlich zu dem geleistet, was wir im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ohnehin schon machen. Wir haben seit vielen Jahren ein besonderes Programm der Entwicklungszusammenarbeit in Pakistan laufen, wo vor allem auf die afghanischen Flüchtlinge eingegangen wird; diese habe ich selbst einmal, damals als Staatssekretärin, in diesem Zusammenhang besucht.

Es muss aber auch erwähnt werden, dass Österreich als Nettozahler einen wesentlichen Anteil von den 316 Millionen Euro zahlt, die aus dem EU-Budget sofort gegeben werden, und zwar macht das immerhin 100 Millionen Schilling aus.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Frau Bundesministerin! Welche Maßnahmen in der Flüchtlings- und Asylfrage sind im Rahmen der EU geplant?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Es sind bereits im Vorjahr einige wichtige Beschlüsse diesbezüglich gefallen, und zwar zum Beispiel der Beschluss über die Errichtung eines Europäischen Flüchtlingsfonds. Damit soll ein finanzieller Ausgleich zwischen den EU-Mitgliedstaaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen und bei vertriebenen Personen im Sinne der Solidarität erzielt werden. Das ist der erste wichtige Punkt.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass die EURODAC-Verordnung bereits im Vorjahr angenommen wurde. Aber es liegt jetzt noch eine ganze Reihe von neuen Maßnahmen zur Beschlussfassung vor. Das eine sind Vorschläge der EU-Kommission, und zwar für eine Richtlinie über Mindestnormen für Verfahren in den EU-Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, weiters für eine Richtlinie zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylwerbern in den EU-Mitgliedstaaten. Das andere ist ein Vorschlag für eine Verordnung des EU-Rates zur Festlegung von Kriterien und Normen für Verfahren zur Bestimmung des EU-Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem EU-Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist. Diese Vorschläge werden derzeit beraten und möglicherweise sehr bald angenommen werden.

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage, 1191/M, an die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon, um die Verlesung seiner Anfrage.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 14

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon
(ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1191/M-BR/01

Wie könnte im Rahmen der Europäischen Union die Zusammenarbeit zur Bekämpfung des Terrorismus verstärkt werden?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Es ist diesbezüglich eine Reihe von Maßnahmen im Rahmen der Europäischen Union beschlossen worden. Diese müssen jetzt natürlich umgesetzt werden.

So gewährleisten wir zum Beispiel die Sicherheit der europäischen Bevölkerung durch eine Neubewertung dort, wo dies notwendig ist. Das heißt: Anpassung der Arbeit der Polizei, der Justiz, der Finanz und auch anderer Behörden. Dabei versteht es sich von selbst, dass konkrete neue Maßnahmen in der polizeilichen beziehungsweise in der justiziellen Zusammenarbeit nur dann sinnvoll sind, wenn sie auch zu einem Mehr an Sicherheit für die Bevölkerung führen.

Daher wird in nächster Zeit ganz genau untersucht werden müssen, welche möglichen terroristischen Gefahren für die Mitgliedstaaten der EU bestehen können und ob ihnen mit den bestehenden Instrumentarien der Justiz- und der Sicherheitsbehörden auch in geeigneter Weise begegnet werden kann. Diesen Gedanken Rechnung tragend, prüfen wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern jetzt dieses Instrumentarium, und dort, wo es notwendig ist, wird es ergänzt werden.

Gemäß dem Beschluss des Rates der Justizminister und der Innenminister sollen zum Beispiel bis Anfang Dezember Rahmenbeschlüsse über die Terrorbekämpfung und ein "Europäischer Haftbefehl" ausgearbeitet werden. Durch dieses neue Rechtsinstrument werden Gerichte in den EU-Mitgliedstaaten auch unmittelbar zusammenarbeiten können, und damit wird das Auslieferungsverfahren in den EU-Ländern entfallen.

Eine gemeinsame Liste von Terrororganisationen soll ebenfalls erarbeitet werden. Darüber hinaus soll vor allem der Informationsfluss zwischen den Diensten der EU-Mitgliedstaaten und Europol intensiviert werden.

Der Rat für Auswärtige Angelegenheiten hat am 8. Oktober 2001 auch seine Entschlossenheit bekräftigt, vor allem die Finanzierungsquellen des Terrorismus in enger Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika zu bekämpfen.

Die EU-Kommission wird auch die Taliban-Sanktionsverordnung durch Aufnahme weiterer 22 Personen und Stellen, deren Guthaben einzufrieren sind, anpassen.

Das sind die wesentlichsten Maßnahmen, die derzeit angepeilt werden.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Nein.

Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ernst Winter zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Halten Sie eine europäische finanzielle Rasterfahndung für eine gute Idee?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich darf zuerst sagen: Das ist wiederum eine Frage, die nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fällt. Ich kann nur allgemein darauf antworten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 15

All diese Fragen müssen jetzt im Rahmen der Europäischen Union auch im Rat der Innen- und Justizminister behandelt werden, und dann werden die zuständigen Gremien die entsprechenden Entscheidungen treffen. Wenn die gesamte Europäische Union in diese Richtung geht, dann kann ich mir das auch für Österreich vorstellen.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Ing. Gerd Klamt zu Wort gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Außenministerin! Welche Funktion können die NATO, aber auch die UNO oder die OSZE bei der Terrorismusbekämpfung einnehmen?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich würde da vor allem die NATO ansprechen und sagen: Die NATO hat sich nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 als Garant für gelebte Solidarität zwischen Europa und den USA hervorragend bewährt. Sie hat sich auch als effektives Instrument kollektiver Verteidigung in Erinnerung gerufen. Schon einen Tag nach den Terroranschlägen, nämlich am 12. September 2001, beschloss der Nordatlantikrat, die Bündnisverpflichtung nach Artikel 5 des NATO-Vertrages zu aktivieren. Im Artikel 5 des NATO-Vertrages ist, wie Sie wissen, festgehalten, dass ein bewaffneter Angriff auf einen NATO-Mitgliedstaat von außen wie ein Angriff auf alle NATO-Mitgliedstaaten gewertet wird. Damit wurde eine uneingeschränkte Solidarität mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika sozusagen erklärt.

Am 2. Oktober 2001 präsentierten dann die USA ihren Verbündeten neue Erkenntnisse, wonach die Urheberschaft für die Anschläge eindeutig Osama bin Laden und seinem terroristischen Netzwerk al-Qaida zuzuschreiben sind. Dadurch hat sich dann die Anwendbarkeit des Artikels 5 des NATO-Vertrages bestätigt.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika baten daraufhin ihre Verbündeten um eine Reihe von Unterstützungsmaßnahmen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Dazu haben sich die Verbündeten bereit erklärt, aber diese Unterstützung richtet sich nach dem jeweiligen Staat und ist klarerweise unterschiedlich.

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 1194/M, an die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Engelbert Weilharter, um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1194/M-BR/01

Wie ist der Stand der Ratifikation des Vertrages von Nizza in den 15 EU-Staaten?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich darf dazu sagen, dass Dänemark als erstes Land seine Ratifikationsurkunde bereits hinterlegt hat, und zwar am 13. 6. 2001.

Auch in Frankreich und Luxemburg ist der innerstaatliche Ratifikationsprozess schon abgeschlossen, aber die Ratifikationsurkunden müssen noch hinterlegt werden.

Spanien plant, den Ratifikationsprozess bis Ende dieses Jahres abzuschließen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 16

In Deutschland, in den Niederlanden, in Portugal, in Finnland und in Großbritannien werden die Vorlagen für Ratifizierungsgesetze derzeit gerade von den Parlamenten behandelt. Der Abschluss der Verfahren sollte jedenfalls spätestens in der ersten Hälfte des Jahres 2002 möglich sein.

Was Griechenland, Italien und Schweden betrifft, so beginnen diese erst jetzt, ihre Parlamente damit zu befassen. Aber es ist mit keinen größeren inhaltlichen Problemen zu rechnen, sodass auch bei diesen Staaten von einer Ratifikation bis Mitte des Jahres 2002 ausgegangen werden kann.

In Belgien, wo mit der parlamentarischen Behandlung des Vertrages von Nizza noch nicht begonnen wurde und insgesamt sieben Parlamente – auf nationaler und regionaler Ebene – damit zu befassen sind, wird sich der Prozess voraussichtlich über das ganze Jahr 2002 hinziehen.

In Österreich wird, wie Ihnen bekannt sein wird, der Verfassungsausschuss des Nationalrates am 17. Oktober 2001 über die weitere Vorgangweise beraten.

Es bleibt eigentlich nur noch Irland übrig. Der irische Premier hat jedenfalls ein weiteres Referendum noch in der jetzigen Legislaturperiode, das heißt bis März 2002, ausgeschlossen. Der früheste theoretische Termin für ein zweites Referendum liegt eigentlich dann in der zweiten Jahreshälfte 2002. Wir hoffen, dass es möglich sein wird, dass bis Ende des Jahres 2002 dann auch Irland aufholt.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Der Vertrag von Nizza enthält auch die Erklärung zur Zukunft Europas. Das heißt neue Kompetenzordnung, mehr Bürgernähe, mehr Transparenz. Wie entwickelt sich diese Diskussion?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Die Diskussion über die Zukunft Europas befindet sich erst in ihren Anfängen. Wir beraten derzeit gerade über die Modalitäten, die wahrscheinlich beim Europäischen Rat in Laaken abgeschlossen werden. Zur Kompetenzdiskussion zu sprechen ist daher eigentlich zu früh. Es ist nur einer der vier Punkte, der beim Nizza-Vertrag klar abgesegnet wurde. Das heißt, die Kompetenzdiskussion wird selbstverständlich einfließen, aber inhaltlich ist überhaupt noch nichts dazu zu sagen, dazu ist es zu früh. Sie wissen, dass wir erst im Jahre 2004 eine nächste Regierungskonferenz haben werden.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. Michael Strugl gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Wie wirkt sich das irische Veto auf den Ratifikationsprozess aus?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Direkte Auswirkungen des irischen Referendums auf die substanziellen Aspekte der Ratifikationsverfahren in anderen Mitgliedstaaten sind nicht erkennbar. Es ist eigentlich eine große Entschlossenheit unter den 14 Mitgliedstaaten vorhanden, den Vertrag von Nizza zu ratifizieren. Das ist auch so gesagt worden, und daher ist eine Ratifikation, wie ich gerade geschildert habe, bis Ende 2002 durchaus wahrscheinlich.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 17

Bundesrätin Hedda Kainz gemeldet. – Bitte sehr.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Der Vertrag von Nizza enthält auch die Fragen der Beschäftigungspolitik. Ist Ihnen Kritik der EU-Kommission an den Ländern im Zusammenhang mit der Ratifizierung im Hinblick darauf, dass dieser Geist von Nizza nicht umgesetzt wird, bekannt?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich kann nur sagen, dass allgemein bei den verschiedenen Europäischen Räten, auch beim letzten Europäischen Rat in Göteborg, gerade auch unter dem Eindruck des irischen Referendums, ganz klar von allen Staats- und Regierungschefs der Auftrag erteilt wurde, den Vertrag von Nizza so, wie er ist, telquel, zu ratifizieren. Man ist dabei überhaupt nicht in eine interne Diskussion eingegangen. Sie wissen, dass diese Fragen laufend behandelt werden. Es gibt auch den so genannten Lissabon-Prozess, der jetzt in Barcelona unter der spanischen Präsidentschaft fortgesetzt wird. Dabei spielen diese Fragen, aber auch die Nachhaltigkeitsfragen eine gewisse Rolle. Aber man will den Nizza-Prozess so, wie er ist, telquel, abschließen.

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 5. Anfrage, 1197/M, an die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Johann Kraml, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1197/M-BR/01

Wieso setzen Sie beziehungsweise die österreichische Bundesregierung angesichts der Ereignisse vom 11. September keine Initiative für einen europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Lassen Sie mich grundsätzlich einmal dazu sagen, dass sich die österreichische Bundesregierung zwar sehr für den Ausstieg aus der Kernenergie einsetzt, dies aber natürlich nicht von heute auf morgen erreichen kann. Österreich hat seinerzeit, vor seinem Beitritt, eine Erklärung zur Anwendung des Euratom-Vertrages abgegeben, worin festgehalten ist, dass die Mitgliedstaaten die Entscheidung über die Erzeugung von Kernenergie entsprechend ihren eigenen politischen Ausrichtungen treffen. Es steht also grundsätzlich – und das wissen Sie – den Mitgliedsstaaten frei, sich autonom für die Nutzung der Kernenergie zu entscheiden.

Dieser Grundsatz ist auch Teil des Rechtsbesitzstandes der Europäischen Union. Wir können daher – das wissen Sie auch – keinem Land den Ausstieg vorschreiben. Wir können aber wohl die Anwendung höchstmöglicher Sicherheitsstandards weiterführen, und darum ist die Bundesregierung sehr stark bemüht.

Unter der österreichischen Präsidentschaft konnte der Beschluss erreicht werden, jene Kernkraftwerke zu schließen, die nicht nachgerüstet werden können. Sie wissen, das sind die drei Kernkraftwerke Bohunice, Ignalina und Kosloduj.

Sie wissen, dass in dieser Frage neun Mitgliedstaaten in der Europäischen Union sechs Mitgliedstaaten gegenüberstehen, sechs wenden keine Kernenergie an, und neun wenden Kernenergie an, und daher ist es nicht einfach. Ich habe aber trotzdem nach dem 11. September reagiert und bei der 46. Generalkonferenz der Internationalen Atomenergie-Organisation, die gerade in Wien stattgefunden hat, angeregt, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die sich mit der Sicherheit der Kernkraftwerke insbesondere in Bezug auf terroristische Anschläge befassen soll. Diese Anregung wurde aufgenommen und eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Als weitere Maßnahme habe ich im Rahmen der Europäischen Union auch angeregt, dass das Thema


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 18

Sicherheit der Kernkraftwerke, auch unter Bezugnahme auf diese Terroranschläge, auf die Tagesordnung der Ratsarbeitsgruppe Atomfragen gesetzt wird, damit sowohl in den EU-Mitgliedsländern als auch in den Kandidatenländern diesbezüglich Erhebungen stattfinden und in der Folge auch Maßnahmen getroffen werden.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Da ich hier die freiheitlichen Kolleginnen und Kollegen sehe, die sich mit einer Anti-Atom-Plakette geschmückt haben, frage ich Sie: Was halten Sie von der Aktion der Freiheitlichen Partei in den Bundesländern Oberösterreich, Niederösterreich und Wien?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Wenn Sie die Frage des Volksbegehrens hinsichtlich eines Vetos andeuten, dann kann ich Ihnen sagen, dass ich absolut gegen dieses Veto bin. Was das Kernkraftwerk Temelin betrifft, wissen Sie, dass ich zwar die vom Europäischen Parlament auch getragene Anfrage hinsichtlich einer Ausstiegskonferenz sehr wohl unterstütze, allerdings Tschechien dieser derzeit nicht zustimmt und auch die Mitgliedstaaten nicht zustimmen. Das heißt, derzeit ist diese Ausstiegskonferenz als nicht realistisch zu beurteilen.

Wir müssen einfach diesen Melker Prozess, der noch nicht zu Ende geführt ist, da wesentliche Fragen von der tschechischen Seite noch nicht beantwortet sind, einem Ende zuführen und vor allem verbindliche Sicherheitsverpflichtungen festschreiben. Das ist meine Meinung dazu.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Thomas Ram gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Thomas Ram (Freiheitliche, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Können Sie dem Bundesrat garantieren, dass das Energiekapitel im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen mit Tschechien von Österreich so lange nicht abgeschlossen wird, solange den Sorgen und Ängsten der österreichischen Bevölkerung von Seiten Tschechiens nicht Rechnung getragen und Temelin stillgelegt worden ist?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich kann nur noch einmal das wiederholen, was ich gerade angedeutet und gesagt habe: Wir müssen den Melker Prozess fortsetzen, und wir müssen rechtsverbindliche Verpflichtungen erhalten, dass die Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen sind, und dazu kann ich mich selbstverständlich verpflichten.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Gottfried Kneifel gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wie bewerten Sie die Aktivitäten und Initiativen anderer europäischer Staaten, insbesondere der sozialdemokratischen und grünen Parteien in diesen Staaten, im Hinblick auf eine Anti-Atompolitik?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Dazu kann ich sagen, es mangelt nicht nur an konkreten Aktivitäten, sondern auch am echten Willen zum Ausstieg, und das ist vielleicht auch das Hauptproblem. Sie wissen, es hat sich zwar der grüne Umweltminister Deutschlands, Trittin, für eine Stilllegung ausgesprochen, er wurde aber dann sofort vom Bundeskanzler Schröder eingebremst, der in Prag bereits ganz klar gesagt hat, dass


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 19

das selbstverständlich kein Hindernis für einen Beitritt Tschechiens zur EU sein kann. Diese Lippenbekenntnisse Trittins sind also nicht genug.

Auch Schweden hat wie Deutschland grundsätzlich den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen, aber überhaupt noch keine konkreten Schließungspläne angesprochen.

Ich glaube, der politische Anspruch dieser Parteien ist nicht immer ganz klar vereinbar mit den wirtschaftlichen Interessen, die natürlich von bestimmten Lobbys getragen werden.

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage, 1192/M, an die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Margarete Aburumieh, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1192/M-BR/01

Wie ist der aktuelle Stand der EU-Beitrittsverhandlungen?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich darf sagen, dass die Beitrittsverhandlungen in einem sehr dynamischen Rhythmus vorangehen und wir mit manchen Kandidatenländern bereits die Hälfte, mit anderen zirka zwei Drittel der Verhandlungskapitel abgeschlossen haben. Die Umsetzung der Wegskizze ist bisher durchaus zufrieden stellend, sodass man doch davon ausgehen kann, dass die besten Kandidaten vor Ende 2002 die Beitrittsverhandlungen abgeschlossen haben werden und manche sogar als Mitglieder der Europäischen Union an den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2004 teilnehmen werden können.

Ich glaube, es ist wichtig zu sagen, dass wir nach dieser Wegskizze auch weiter vorgehen. Die nächsten großen Kapitel, die vorbereitet werden und jetzt unter der belgischen Präsidentschaft abzuarbeiten sind, betreffen die Fragen Energie und Verkehr. Zu Energie habe ich gerade geantwortet, und zu Verkehr darf ich sagen, dass wir kürzlich den Besuch von Kommissarin Palacio hatten, und ich daher zuversichtlich bin, dass wir eine Übergangsregelung mit der Kommission aushandeln können, die dann auch im Rat weiterverfolgt werden kann.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Margarete Aburumieh (ÖVP, Niederösterreich): Welchen Fortschritt hat das Gespräch mit Kommissarin Palacio in der Transitfrage gebracht?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich darf sagen, dass erste Gespräche mit Kommissarin Palacio bereits im Juli dieses Jahres stattgefunden haben. Und zwar sind Frau Vizekanzlerin, Frau Ministerin Forstinger, Landeshauptmann Weingartner und ich zusammen zur Kommissarin gefahren, um dort noch einmal ganz klar die österreichischen Vorstellungen zu vertreten. Daraufhin hat sie jetzt einen Gegenbesuch in Wien gemacht.

Es konnte Übereinstimmung darüber festgestellt werden, dass eine neue Wegekostenrichtlinie die Möglichkeit besonderer Maßnahmen in sensiblen Gebieten vorsehen soll, um die erreichten Erfolge in der Transitpolitik durch das Transitprotokoll nachhaltig abzusichern.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 20

Es konnte auch Übereinstimmung darüber getroffen werden, dass eine Übergangsregelung erforderlich ist, zumal nicht damit gerechnet wird, dass diese Wegekostenrichtlinie schon zum 1. 1. 2004 vorhanden sein kann.

Nun ist es wesentlich, dass wir Kommissarin Palacio davon überzeugen, dass diese Verordnung für den Vorschlag einer Übergangslösung im Hinblick auf die Verhandlungen zum Kapitel Verkehr im Rahmen der Erweiterungsverhandlungen möglichst noch vor Jahresende eingebracht werden kann. Ich hoffe und glaube sagen zu können, dass uns dies gelungen ist.

Grundsätzlich muss ich sagen – und darüber bin ich sehr froh –, dass Kommissarin Palacio sehr viel Verständnis für die österreichischen Verkehrsprobleme mitgebracht hat, was sowohl in das Weißbuch als auch in die Schlussfolgerungen von Göteborg eingeflossen ist, die uns natürlich helfen.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Hedda Kainz gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Auch in diesem Zusammenhang bitte ich um Ihre Einschätzung, in welcher Form das Beschäftigungskapitel in den Beitrittskandidatenländern ein Problem darstellen kann, beziehungsweise möchte ich wissen, wie der Stand zu dieser Frage die Verhandlungen bestimmt.

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 21

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner:
Dazu darf ich sagen, dass wir uns bereits im letzten halben Jahr ganz intensiv dieser Frage gewidmet und ein Übergangsmodell für die Arbeitnehmerfreizügigkeit und für die Freizügigkeit der Dienstleistungen bereits ausgearbeitet haben. Hier haben Österreich und Deutschland die Hauptlast der Verhandlungen getragen. Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, dieses siebenjährige Übergangsmodell auszuverhandeln, das ein flexibles, transparentes und einfach umsetzbares Modell ist.

Auch im Bereich der grenzüberschreitenden Dienstleistungen konnten wir zusätzlich noch zu den Beschränkungen in der Arbeitnehmerfreizügigkeit für bestimmte Sektoren der österreichischen Wirtschaft diese Übergangsregelungen erwirken. In der Zwischenzeit haben bereits Ungarn, die Slowakei und Lettland das Übergangsmodell akzeptiert, und ich gehe davon aus, dass auch bald Tschechien und Polen dieses Modell akzeptieren werden.

Das heißt, hier haben wir, so glaube ich, einen ganz wesentlichen Punkt, der für die österreichische Bevölkerung Sensibilität dargestellt hat, abgearbeitet.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Der slowenische Außenminister Rupel hat anlässlich der Einsetzung der slowenisch-österreichischen Historiker- und Juristenkommission seine Unterschrift verweigert, obwohl eine geschichtliche Aufarbeitung eigentlich schon längst vereinbart worden war, inklusive auch der bekannt menschenrechtswidrigen AVNOJ-Beschlüsse.

Sehr geehrte Frau Ministerin! Werden Sie nun den Beitritt Sloweniens zur EU von der Einsetzung der österreichisch-slowenischen Historikerkommission durch die slowenische Regierung und in der Folge von der Beseitigung der AVNOJ-Beschlüsse abhängig machen beziehungsweise dies als Conditio sine qua non von Slowenien einfordern und diesen Standpunkt auch offiziell vor der EU vertreten?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Zum Ersten lassen Sie mich sagen, dass wir gemeinsam im Zuge meines Zusammentreffens mit Außenminister Rupel am 3. Oktober in Laibach den Startschuss für den Beginn der Arbeit dieser Historiker- und Expertenkommission zur Behandlung von Fragen auch sensibler Natur, darunter AVNOJ, gegeben haben.

Auch wenn das Mandat offiziell nicht unterschrieben wurde, ist der Auftrag gegeben, und die Historiker werden sich am 12. Oktober, also morgen, in Marburg treffen, um die Themen und den Arbeitsplan im Rahmen der von den Regierungen gemachten Vorgaben festzulegen. Die Vorgaben sind dieselben, das Mandat ist dasselbe.

Zu Beginn nächsten Jahres soll im Rahmen einer Konferenz, die hier in Wien stattfinden wird, das Zwischenergebnis bekannt gegeben werden, und das Endergebnis soll dann im Jahre 2003 präsentiert werden.

Ich möchte weiter dazu sagen, dass parallel zu diesen Arbeiten der Kommission Beamtengespräche geführt werden mit dem Ziel, in einem geeigneten Forum und in einer geeigneten Form festzustellen, dass die einschlägigen AVNOJ-Dekrete – denn es geht nur um einige einschlägige AVNOJ-Dekrete – nicht mehr Bestandteil der Rechtsordnung Sloweniens sind und als, so würde ich sagen, totes Unrecht anzusehen sind, die keinen Platz mehr in einer europäischen Rechtsordnung haben.

Ich möchte aber auch sagen, dass ich eine Junktimierung mit dem Beitritt immer abgelehnt habe. Ich gehe davon aus, dass diese Frage vor dem Beitritt erledigt wird.

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 7. Anfrage, 1198/M, an die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ferdinand Gstöttner, um die Verlesung der Anfrage und rufe die Geschäftsordnung für die Zusatzfragensteller in Erinnerung. – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1198/M-BR/2001

Wird Österreich seinen Beitrag zur bilateralen Entwicklungszusammenarbeit in Folge der Ereignisse vom 11. September 2001 und zur Bekämpfung der Armut auf der Welt substanziell erhöhen?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Wenn man nach den Ursachen dieser Anschläge fragt, dann muss man das unter drei Gesichtspunkten tun.

Erstens: Wir müssen zuerst einmal die Existenz dieses weltweit bestehenden, funktionierenden und jederzeit leider wieder aktivierbaren Netzwerkes des Terrorismus zur Kenntnis nehmen, welches eine Bedrohung nicht nur für unsere Sicherheit, sondern auch für die demokratischen Errungenschaften darstellt. Wir müssen da natürlich Maßnahmen setzen, die kurzfristiger Natur sind.

Zweitens: Wir müssen den Konflikt im Nahen Osten in einem globalen Umfeld sehen. Es ist daher auch unser essenzielles Sicherheitsinteresse, diesen Konflikt einer dauerhaften und gerechten Lösung zuzuführen, wie das die Europäische Union seit vielen Jahren, aber verstärkt vor allem seit vielen Monaten tut. Wir müssen aber auch andere Konflikte sehen, wie zum Beispiel den Kaschmir-Konflikt, der da auch hereinspielt.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 22

Wir müssen schließlich die Armut in dieser Welt, verbunden mit neuen Möglichkeiten, die die Globalisierung auch auf den Ebenen des Transports oder der Kommunikation mit sich bringt, als einen der Hintergründe sehen, die aufkeimendem Radikalismus natürlich Möglichkeiten biete.

Wir können aber, so glaube ich, auch nicht die Entwicklungszusammenarbeit als das Allheilmittel im Kampf gegen Krieg und Terrorismus ansehen, sondern das ist immer eine langfristige Strategie. Diese Erkenntnis ist aber natürlich nicht erst am 11. September entstanden. Seit meiner Zeit als Staatssekretärin, seit der ich dieses Thema behandle, habe ich größten Wert darauf gelegt, dass wir die Fragen von Frieden und Entwicklung im Zusammenhang sehen und auch Augenmerk auf die Konfliktprävention legen.

Wir setzen die verschiedensten Initiativen im Bereich der Konfliktprävention. Ich denke zum Beispiel an unseren Friedensprozess in Afrika, in Burundi, an dem wir uns beteiligen. Ich denke an den Konflikt in der Dritten Welt, der immer auch eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen militärisch organisierten Kontrahenten ist, wo wir einzugreifen versuchen.

Ich denke an geschlechterspezifische Unterdrückung, an Misshandlung und Verstümmelung von Frauen, an die Beraubung der Frauen um ihre Rechte. Daher ist für mich gerade auch das Thema Frauen ein Schwerpunkt; ich konnte in den letzten Jahren den Anteil an Frauenkomponenten von 21 auf 35 Prozent steigern.

Ich denke an den heiklen und sensiblen Punkt der religiösen Konflikte. Ich denke an den Dialog zwischen den Zivilisationen, den wir mit Kofi Annan begonnen haben, aber selbstverständlich auch an den christlich-islamischen Dialog, den schon mein Vorvorgänger Mock und dann mein Vorgänger Schüssel geführt haben und nun ich selbst weiter führe.

Ich denke zum Beispiel an den stillen Krieg, der hinter den Kulissen mit den Ureinwohnern geführt wird. In diesem Zusammenhang habe ich damals während der Präsidentschaft als EZA-Staatssekretärin eine Richtlinie eingebracht und eine Möglichkeit geschaffen, in dieser Frage weiterzukommen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 23

Präsident Alfred Schöls:
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Frau Bundesministerin! Wäre es nicht angemessen, den Beitrag Österreichs für die UNWRA, die Flüchtlingshilfe der UNO für die palästinensische Bevölkerung, aufzustocken, um dadurch menschliches Leid für die Familien und für die Kinder zu mildern?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 24

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner:
Was die UNWRA betrifft, darf ich sagen, dass Österreich immer eine besondere Rolle gespielt und die UNWRA immer gestärkt hat. Es wird nächste Woche Nabil Shaath nach Wien kommen, und wir werden unsere Projekte selbstverständlich überdenken beziehungsweise präzisieren.

Aber insgesamt muss man noch einmal sagen, dass ein plötzliches Ansteigen der Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit dann sinnlos ist, wenn die Mittel, nachdem dramatische Ereignisse etwas in Vergessenheit geraten sind, wieder reduziert werden. Daher gehe ich eher von einer Kontinuität aus, die mir wichtig erscheint, aber selbstverständlich gehört das Thema Palästina zu denen, die ich immer mit Vorrang behandle.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Mag. John Gudenus gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Welche Initiativen setzt Österreich im Rahmen seiner Entwicklungszusammenarbeit zur Konfliktprävention unter Berücksichtigung der Militärbudgets in der jeweiligen Region?

Präsident Alfred Schöls: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich darf sagen, dass wir eine ganze Reihe von Projekten durchführen, die auf die allgemeine politische Situation und vor allem auch auf die Vermeidung von gewalttätigen Ausbrüchen gesellschaftlicher Konflikte im Partnerland abzielen.

Die Palette reicht von Demokratisierungen, zum Beispiel Unterstützung eines EU-Radio-Projektes zur Wahlvorbereitung in Moçambique und Uganda, über die Unterstützung der Wahrheits- und Versöhnungskommission in Guatemala, über den Aufbau gesellschaftlicher Institutionen, zum Beispiel Hilfe für die Reform des öffentlichen Dienstes in Uganda, bis zur zivilen Einbettung von Militär und Polizei; das ist zum Beispiel ein wichtiger Punkt.

Wir versuchen, Soldaten in Ruanda in zivile Berufe rückzuführen, aber ich denke in diesem Zusammenhang auch an die europäische Friedensuniversität in Stadtschlaining. Aber auch die Arusha- und die Togo-Vermittlungsbemühungen, Studien über die Spannungen mit den Nepal-stämmigen Bevölkerungen in Bhutan, ein Journalistentraining in Moçambique oder ein Stadtplanungsprojekt in Jerusalem, um nur einige aufzuzählen, sind echte Beiträge zur Konfliktvermeidung.

Ein Schwerpunkt der Konfliktvermeidung besteht für uns sicher im Bereich der Konfliktlösung in Afrika. Diese versuchen wir auch im Rahmen von Friedensverhandlungen, im Rahmen von Zusammenarbeit mit afrikanischen Institutionen, NGOs, Universitäten, Kirchenorganisationen, aber auch bei Ausbildungsveranstaltungen.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Günther Köberl gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Günther Köberl (ÖVP, Steiermark): Frau Bundesministerin! Welche Rolle spielte Österreich beim Friedensprozess in Burundi?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich darf dazu sagen, dass wir in Burundi eigentlich eine besondere Rolle spielen, weil wir dort unseren Sektionschef der Sektion VII, Botschafter Lennkh als einen der Verhandler im so genannten Arusha-Prozess seit vielen Jahren tätig haben. Er hat hier sogar eine wesentliche Frage mit ausgearbeitet, die in den ganzen Verhandlungsprozess mit eingeflossen ist und die dann auch von Nelson Mandela, der dort jetzt als der Initiator der Vermittlungsbemühungen dasteht, aufgegriffen wurde.

Ich darf sagen, dass wir dort eine ganz konkrete und wichtige Rolle spielen und versuchen wollen, sie auch zu Ende zu führen.

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage, 1193/M, an die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Hans Ager, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Hans Ager (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Meine Frage lautet:

1193/M-BR/01

Welche nächsten Initiativen sind im Rahmen der regionalen Partnerschaft geplant?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Sie wisen, dass meine Initiative der regionalen Partnerschaft, die ich am 6. Juni bei einer besonderen Konferenz über regionale Partnerschaft aus der Taufe gehoben habe, mit den unmittelbaren Nachbarstaaten und mit den kulturellen Nachbarn auf sehr fruchtbaren Boden gefallen ist.

Anders als das, was manche, vor allem Medien, hier gezeichnet haben, ist das ein ganz wichtiges Gebiet, und ich freue mich, sagen zu können, dass nach dieser Konferenz von vielen Regierungsmitgliedern diese Frage sofort aufgegriffen wurde: zum Teil durch den Innenminister im Rahmen einer Sicherheitspartnerschaft, zum Teil durch den Wirtschaftsminister, der seine Kollegen eingeladen hat, um ganz konkret auf Wirtschaftsfragen einzugehen, zum Teil durch die Infrastrukturministerin, die die schwierigen Fragen der Infrastruktur, vor allem auch die Fragen der Verkehrswege, mit ihren Kollegen angesprochen hat, und ich freue mich, dass auch die Ministerin für Erziehung und Bildung mit den Kollegen in diesbezügliche Gespräche eintritt.

Wir stellen uns vor, in Zukunft auch die Frage gemeinsamer Geschichtsbücher anzugehen, die immer eine sehr schwierige ist. Ich freue mich auch, dass es sowohl in meinem Hause als auch mit Staatssekretär Morak die so genannte Culture for Enlargement gibt. Das heißt, wir werden gemeinsam ein Kulturprojekt machen, denn es ist so, dass uns allen in diesem Raum eine gemeinsame Kultur zugrunde liegt.

Ich freue mich, dass nun die Slowaken – eigentlich schon am 6. Juni ausgesprochen – zu einer zweiten solchen Regionalkonferenz am 7. Dezember in Bratislava einladen. Hier werden wir natürlich weitergehen in diesem Bewusstsein und auch in konkreten Projekten, bis diese Staaten Mitgliedsländer sind, und wir hoffen, dass wir dann eine Art gemeinsame Interessenpartnerschaft haben, die wir auch innerhalb der Europäischen Union aktivieren können.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? (Bundesrat Ager: Nein, ich bin sehr zufrieden!)

Zu einer Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Mag. Melitta Trunk gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrätin Mag. Melitta Trunk (SPÖ, Kärnten): Frau Bundesministerin! Die Beantwortung der Anfrage 5 genau im Ohr habend, frage ich Sie im Zusammenhang mit regionalen Abkommen: Welche Maßnahmen werden Sie treffen, um Ihr prioritäres Ziel zu dokumentieren, jenseits von Lippenbekenntnissen, wie Sie sie dem deutschen Minister Trittin zugeordnet haben, konkrete Verhandlungen zu führen und Abkommen zu schließen, die dazu führen, dass unsere Nachbarländer zum Ausstieg aus der Atomenergieproduktion motiviert werden? Und sind Sie bereit, sich für Initiativen zu engagieren, wie sie bereits vom sozialdemokratischen Bundeskanzler Franz Vranitzky etwa in der Frage Krsko eingeleitet wurden?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Erstens habe ich diese Frage schon beantwortet. Ich habe sie ganz genau beantwortet. Das heißt, ich muss nicht noch einmal dieselbe Frage beantworten. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte dazu sagen, dass in der letzten Legislaturperiode von der seinerzeitigen Bundesministerin Prammer ein Aktionsplan betrieben wurde: österreichische Antiatompolitik im europäischen Zusammenhang. Dies wurde auch als Grundlage für die Antiatompolitik in unser Regierungsprogramm aufgenommen, aber der Aktionsplan ist nur in sehr kleinen Teilen verwirklichbar. Das habe ich auch schon gesagt. Was verwirklichbar daran war, ist ein Ausstieg aus den drei Risikoreaktoren Ignalina, Kosloduj und Bohunice.

Zu anderen Frage, wie gesagt, habe ich bereits geantwortet.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 25

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann
(Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrte Frau Ministerin! Welche konkreten Maßnahmen wurden Ihrerseits in den zuständigen Gremien der EU initiiert, um die zu erwartenden finanziellen und wirtschaftlichen Nachteile für das Kärntner Grenzland bei einem Beitritt Sloweniens auszugleichen?

Präsident Alfred Schöls: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Dazu ist zu sagen, dass sich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sehr positiv entwickelt. Zahlreiche wirtschaftliche Initiativen ebenso wie Kultur- und Bildungsprojekte sind in der Folge der geänderten politischen Situation bei unseren Nachbarn entstanden und haben dazu beigetragen, dass der früher doch sehr benachteiligte Raum an den Grenzen in vieler Hinsicht nun neue Impulse erfahren hat.

Allgemeinfragen der Regionalförderung und damit auch der Grenzlandförderung fallen, wie Sie wissen, unter die Kompetenz des Bundeskanzlers. Trotzdem möchte ich festhalten, dass wir angesichts der bevorstehenden Erweiterung der Union natürlich darauf achten müssen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Grenzregionen erhalten bleibt. Dieser Forderung haben sich unter anderem auch unsere Partner in der Union angeschlossen, und es gibt daher einen klaren Arbeitsauftrag für die Kommission. Dabei soll es sowohl um zusätzliche neue finanzielle Mittel gehen als auch vor allem um einen verbesserten Einsatz der vorhandenen Mittel für die Regionalförderung.

All das, was ich hier gesagt habe, gilt selbstverständlich auch für Kärnten.

Präsident Alfred Schöls: Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage, 1195/M, an die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Mag. John Gudenus, um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Meine Frage an Sie lautet:

1195/M-BR/01

Welche Ergebnisse brachte Ihre jüngste Reise in den Nahen Osten?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Zuerst lassen Sie mich einmal sagen, dass Österreich große Achtung in dieser Region genießt, was sich auch dadurch geäußert hat, dass ich sehr schnell entsprechende höchstrangige Termine hatte und meine Reise damit eigentlich gut durchführen konnte.

Alle besuchten Staaten wiesen klar eine Identifikation des Terrorismus mit der islamischen oder arabischen Welt zurück. Sie erklärten, dass sie sich der international veränderten Situation nach den Terrorattacken in New York und in Washington klar bewusst sind, und sie erklärten auch –das war ein wesentlicher Punkt dieser Initiative –, dass sie im Großen und Ganzen, mit gewissen Nuancen und Reserven, aber doch, bereit sind, den Kampf gegen den internationalen Terrorismus unter bestimmten Bedingungen zu unterstützen.

Nach Ansicht aller meiner Gesprächspartner ist der ungelöste Nahost-Konflikt eine der wesentlichen Ursachen für diesen internationalen Terrorismus. Manche haben es auch so ausgedrückt, dass dieser sowohl Vorwand als auch Nährboden für Extremismus sei.

Betont wurde von den Gesprächspartnern vor allem die zwingende Notwendigkeit, die UN-Sicherheitsratsresolutionen 242 und 338 endlich umzusetzen, andernfalls würde sich der Terrorismus weiter verstärken.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 26

Es wurde auch hervorgehoben, dass Israel vom intensivierten Kampf gegen den Terrorismus keine Vorteile für seine unflexible Politik gegenüber den arabischen Staaten im Allgemeinen und gegenüber den Palästinensern im Besonderen ziehen dürfe.

Es kam ein tiefer Pessimismus der arabischen Welt hinsichtlich der künftigen Entwicklung im Nahen Osten zum Ausdruck.

Es wurde auch Kritik gegenüber der Asylpraxis einzelner westlicher Staaten geübt. Vor allem wurde Kritik an der freien Bewegungsmöglichkeit von Dissidenten dort laut, welche Letzteren die Möglichkeit gäbe, Terroristen anzuwerben beziehungsweise auch Geldmittel für Terrorakte zu beschaffen.

Die Gesprächspartner haben allgemein auch auf die stark aufgeheizte öffentliche Meinung hingewiesen, die natürlich für sie eine besonders schwierige Gratwanderung bedeutet. Sie haben die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, dass bei einem US-Angriff auf ein arabisches Land mit gewaltsamen Reaktionen zu rechnen sei.

Präsident Alfred Schöls: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Bundesministerin! Sie erwähnten die UN-Resolutionen 242 und 338. Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass diese beiden Resolutionen endlich umgesetzt werden?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 27

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner:
Als Antwort kann ich Ihnen klar sagen: Ich sehe das, was die Europäische Union seit Jahren, aber vor allem in den letzten Monaten verstärkt macht. Wir bemühen uns, gemeinsam mit den Vereinigten Staaten, gemeinsam mit Russland und mit dem UNO-Generalsekretär, aber auch mit den zwei Ländern im Nahen Osten, die sich ganz besonders in den Friedensprozess eingeklinkt haben, nämlich Jordanien und Ägypten, den Mitchell-Plan, den Tenet-Action-Plan umzusetzen, der dazu führen soll, dass die beiden Konfliktparteien den Dialog, der völlig abgebrochen war, endlich wieder aufnehmen.

Es gab auch das Treffen von Arafat und Peres, zu dem ich auch einen kleinen Beitrag hinsichtlich der Zeitfrage, nämlich noch ein Treffen vor Jom Kippur, beitragen konnte. Es gab dieses Treffen, es war ein erstes Treffen, aber ich muss dazusagen, dass das Treffen leider relativ wenig bewirkt hat. Das heißt, es muss von uns allen – wir haben das beim letzten Rat Allgemeine Angelegenheiten selbstverständlich wieder besprochen – verstärkt wieder auf beide Konfliktparteien eingewirkt werden, wobei wir, die Europäische Union, mehr Leverage, mehr Möglichkeiten haben, auf die Araber einzuwirken, und die USA mehr Möglichkeiten haben, auf die Israelis einzuwirken.

Wir sind hier vor allem auch mit den Vereinigten Staaten gemeinsam bemüht. Ich darf sagen, dass nach dem terroristischen Anschlag vom 11. September auch in den Vereinigten Staaten das Bewusstsein gestiegen ist – bei Colin Powell war es immer vorhanden, bei manchen der Berater von Bush war das vielleicht nicht so der Fall –, dass dieses Thema zu einem vorrangigen Thema gemacht werden muss. Diesbezüglich müssen wir gemeinsam vorgehen. Nur wenn wir gemeinsam vorgehen und uns nicht auseinander dividieren lassen, haben wir eine Chance, die Konfliktpartner langsam wieder dorthin zu bringen, wo sie vor zehn Jahren waren.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Herwig Hösele gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Frau Bundesministerin! Sie haben die Besorgnisse und den Pessimismus der arabischen Staaten und die Schlüsselstellung Israels angesprochen. Wie sehen Sie die Situation Israels im Friedensprozess?

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich darf noch einmal betonen, dass dieser Nahost-Friedensprozess leider in einer großen Krise steckt, und zwar insbesondere seit dem Beginn der Al-Aksa-Intifada vor ungefähr einem Jahr. Dies ist Ausdruck der palästinensischen Frustration über das Ausbleiben zählbarer Ergebnisse im Verhandlungsprozess.

Israel scheint der Meinung zu sein, dass es den Palästinenseraufstand mit Gewalt brechen kann – eine Hoffnung, die sich bis jetzt nicht erfüllt hat und die nach meinem Dafürhalten auch nicht realistisch ist. Die Gewalt hat sogar noch zugenommen, und es scheint wirklich sehr fraglich zu sein, ob selbst bei einer Einigung der israelischen und der palästinensischen Führung auf ein Gewaltende die Extremisten in beiden Lagern unter Kontrolle gehalten werden können.

Andererseits müsste aber auch Präsident Arafat noch größere und noch glaubhaftere Versuche unternehmen, die Gewaltbereitschaft unter den Palästinensern einzudämmen.

Außerdem gibt es Meinungsverschiedenheiten im israelischen Kabinett. Im Februar dieses Jahres – das wissen Sie – ist Sharon zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Er hat aber auch viele andere Hardliner im Kabinett, die eine sehr unnachgiebige Linie gegenüber den Palästinensern vorgeben. Außenminister Peres dagegen befürwortet eine wesentlich flexiblere Linie, doch es ist für ihn natürlich sehr schwer, hier voranzukommen. Wir wissen, dass seine Treffen mit den Palästinensern, aber auch das letzte Treffen mit Arafat immer wieder von Sharon verhindert wurden, bis eben die Amerikaner Druck auf die Israelis ausgeübt haben und schließlich dieses Treffen zu Stande kam. Hier haben sowohl die Europäische Union als auch die Amerikaner genau das gemacht, was vorhin angesprochen wurde.

Ich glaube aber, wie ich vorhin sagte, seit diesem Terroranschlag ist die Bush-Administration auch nach außen hin klar aktiv geworden, während sie vorher der Meinung war, die Konfliktpartner sollten selbst zueinander finden, was aber nicht möglich erscheint.

Präsident Alfred Schöls: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Professor Albrecht Konecny gemeldet. Ich bitte um die Zusatzfrage.

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Bundesministerin! Ich nehme diese Frage zum Anlass, die Antwort auf die Zusatzfrage des Kollegen Gstöttner zu urgieren. Es ist schön, wenn Sie sich mit Nabil Shaath treffen, um über bilaterale Projekte zu verhandeln. Die UNWRA, die wieder einmal vor dem finanziellen Zusammenbruch steht und auch mit dem Hut in Wien war, hat meinem Wissensstand zufolge von österreichischer Seite lediglich jene Mittel bekommen, die in der bilateralen Zusammenarbeit nicht verausgabt werden konnten.

Ich sage ehrlich dazu: Die österreichischen Beiträge zu UNWRA sind kein Ruhmesblatt, auch für frühere Regierungen nicht. Sie haben die Zusatzfrage des Kollegen Gstöttner zwar in breiterem Zusammenhang, aber leider nicht konkret dahin gehend, was die UNWRA von uns bekommt, beantwortet.

Präsident Alfred Schöls: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich möchte noch einmal dazusagen, dass ich mit Nabil Shaath die gesamte Frage ansprechen werde. Dann werden wir sehen, ob es den Palästinensern wichtiger ist, dass wir der UNWRA Geld geben oder dass die bilateralen Projekte weitergeführt werden. – Das ist meine Antwort darauf. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Alfred Schöls: Danke, Frau Bundesministerin.

Die Fragestunde ist beendet.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 28

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Alfred Schöls: Eingelangt ist ein Schreiben der Ersten Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Umreihung von zwei Ersatzmitgliedern in den Bundesrat.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Hedda Kainz: "Sehr geehrter Herr Präsident! Ich teile mit, dass der Oberösterreichische Landtag am 4. Oktober 2001 eine Umreihung bei den in Oberösterreich an erster und zehnter Stelle gewählten Ersatzmitgliedern des Bundesrates vorgenommen hat.

Das bisher an erster Stelle entsandte Ersatzmitglied des Bundesrates Mag. Gerhard Tusek wurde an zehnter Stelle und das bisher an zehnter Stelle entsandte Ersatzmitglied des Bundesrates Ing. Mag. Otto Gumpinger wurde an erster Stelle gereiht."

Präsident Alfred Schöls: Danke. – Das dient zur Kenntnis.

Eingelangt ist auch ein Beschluss des Nationalrates vom 26. September 2001 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert wird, 7. BFG-Novelle 2001.

Gemäß Artikel 42 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz unterliegt dieser Beschluss nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates. Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegenden Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt ist weiters ein Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend eine Ministervertretung.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Hedda Kainz: "Der Herr Bundespräsident hat am 9. Oktober 2001, Zl. 300.100/65-BEV/2001, folgende Entschließung gefasst:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung der Bundesministerin für öffentliche Leistung und Sport Vizekanzler Dr. Susanne Riess-Passer am 10. und 11. Oktober 2001 den Bundesminister für Finanzen Mag. Karl-Heinz Grasser mit der Vertretung."

Präsident Alfred Schöls: Danke. – Auch dieses Schreiben dient zur Kenntnis.

Eingelangt sind ferner 56 Anfragebeantwortungen, 1664/AB bis 1719/AB, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und sind bereits allen Mitgliedern des Bundesrates zugegangen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste der eingelangten Anfragebeantwortungen.

Die eingelangten Berichte des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Bundes-Abfallwirtschaftsplan, Bundesabfallbericht 2001, der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2000, auch Grüner Bericht 2000 genannt, der Bundesregierung über die innere Sicherheit in Österreich, Sicherheitsbericht 2000, und des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2000 habe ich den hiefür zuständigen Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen.

Der Außenpolitische Bericht 2000 der Bundesregierung, der Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2000, Grüner Bericht 2000, der Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahr 2002 gemäß § 9 Abs. 2 LWG und der Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Bundes-Abfallwirtschaftsplan, Bundesabfallbericht 2001, sind Gegenstand der heutigen Tagesordnung.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 29

Die zuständigen Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe diese Vorlagen auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Alfred Schöls: Ich beabsichtige, die Debatte über die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Dies ist nicht der Fall.

Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

1. Punkt

Außenpolitischer Bericht 2000 der Bundesregierung (III-220-BR/01 sowie 6452/BR der Beilagen)

Präsident Alfred Schöls: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt: Außenpolitischer Bericht 2000 der Bundesregierung.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Hans Ager übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Hans Ager: Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Außenpolitischen Bericht 2000 der Bundesregierung.

Der gegenständliche Bericht wurde dem Bundesrat am 9. Mai 2001 zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung unterbreitet.

Der Bericht gliedert sich in folgende Kapitel: Österreich in der Europäischen Union, Österreich in anderen europäischen Foren, Aufarbeitung von Fragen der Vergangenheit, die österreichische Entwicklungszusammenarbeit und Ost-Förderprogramm, die universelle Zusammenarbeit – die Vereinten Nationen, Internationale Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nonproliferation, der Internationale Schutz der Menschenrechte, die humanitäre Dimension in den internationalen Beziehungen, multilaterale Weltwirtschaftspolitik, globaler Umweltschutz, Auslandskulturpolitik, Medien und Information, die rechtliche und konsularische Dimension der österreichischen Außenpolitik und das Kapitel der österreichische auswärtige Dienst.

Die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten hebt in ihrem Vorwort besonders die zum Teil äußerst schwierigen und nicht alltäglichen Bedingungen für die österreichische Außenpolitik, die sich aus der Verhängung von bilateralen Sanktionen durch die 14 EU-Partner ergaben, das dominierende Thema des europäischen Integrationsprozesses im Jahr 2000 – die Regierungskonferenz über die institutionelle Reform der EU –, dessen wichtigstes Ergebnis der angenommene Vertrag von Nizza, der die Voraussetzungen für die Erweiterung geschaffen hat, darstellt sowie den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, den Österreich im Jahr 2000 innehatte, hervor. Ferner werden noch jene von Bundesregierung und Parlament einstimmig getroffenen Maßnahmen zur Aufarbeitung von Fragen der Vergangenheit, nämlich der Schaffung des Versöhnungsfonds und der Regelung noch offener Fragen arisierten Vermögens, erwähnt.

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Oktober 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Präsident Alfred Schöls: Ich danke für die Berichterstattung.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 30

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Strugl. Ich erteile es ihm.

10.18

Bundesrat Mag. Michael Strugl (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Jahr 2000 kann man, so glaube ich, als ein aus außenpolitischer Sicht sehr aufregendes und spannendes Jahr bezeichnen. Das ist auch im Bericht entsprechend dokumentiert und hat aus meiner Sicht auch drei wirkliche Highlights für die österreichische Außenpolitik zu bieten: Das ist zum einen der OSZE-Vorsitz, den unser Land innehatte, das ist zum zweiten die Frage der institutionellen Reformen innerhalb der EU mit dem Vertrag von Nizza, und das sind – leider unerfreulich – auch die bilateralen Sanktionen der EU-14 gegen Österreich.

Ich möchte auf die einzelnen Punkte kurz eingehen.

Zum OSZE-Vorsitz: Hier lagen, Frau Bundesministerin, Ihre Schwerpunkte in dem Bemühen um die Stabilisierung und die Entschärfung von Konflikten vor allem auf dem Balkan, aber auch in der Kaukasus-Region. Sie selbst haben diese Regionen besucht. Ich halte diese aktive Politik für eine sehr notwendige und wichtige Initiative – wir dürfen nicht vergessen, all das ist vor unserer Haustür –, um Krisenherde, aber vor allem auch um menschliche Tragödien zu vermeiden, denn der humanitäre Schwerpunkt war ein zweites Ziel bei diesem Vorsitz. Das ist, so glaube ich, etwas, was uns auch unmittelbar betrifft, und zwar nicht nur aus der Nachbarschaft heraus, sondern durchaus auch in anderem Kontext, seien es die Verkehrswege – ich denke an die Donau –, seien es auch die Flüchtlingsfragen.

Ich glaube, Österreich als ein Land mit einer großen diplomatischen Tradition, als ein Land mit einer Geschichte auch in diesen Regionen hat da eine Aufgabe, und dieser Vorsitz wurde von Ihrer Seite wirklich mit großem Engagement und meines Erachtens mit Bravour geführt, wofür wir Ihnen sehr herzlich danken. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Das Zweite ist die Reform der EU, der Vertrag von Nizza. Diese Reform haben wir immer schon als eine Art, ich will nicht sagen, Hausaufgabe, aber doch als eine Vorbereitung und eine Voraussetzung gesehen, um letztlich eine EU zu haben, die von den Mitgliedstaaten her in etwa doppelt so groß ist wie jetzt. Da müssen natürlich auch einige institutionelle Fragen geklärt werden.

Am 11. Dezember 2000 ist also dieser Vertrag von Nizza zu Stande gekommen, und ich glaube, man kann sagen, dass die Interessen Österreichs in diesem Zusammenhang nicht nur gewahrt worden sind, sondern dass das, was hier letztlich erreicht wurde, ein – ich würde das so bewerten – großer verhandlungspolitischer Erfolg war. Das gilt zum Beispiel für die Zusammensetzung und die Größe der Kommission. Sie haben immer gesagt, es sei ein unverzichtbares Recht jedes Mitgliedstaates, ein Mitglied in der Kommission zu haben. Ich glaube, das ist auch wichtig im Hinblick auf das Vertrauen der Bürger in die europäischen Institutionen. Da haben sich die kleinen und mittleren Länder – ich glaube, so kann man es sehen – durchsetzen können, und zwar nicht zuletzt deswegen, weil Österreich eine sehr klare und sehr eindeutige Position bezogen hat. Vielleicht hat da auch ein bisschen mitgespielt, dass man gesehen hat, wie es einem ergehen kann, wenn man unter Druck gesetzt wird. Ich glaube, das ist ein wichtiger Erfolg, nicht nur für Österreich, gewesen.

Das Zweite ist die Stimmengewichtung im Rat. Ich glaube, auch hier konnten wir mit jetzt zehn Stimmen unsere Position durchaus verbessern. Vor allem haben, wenn man es wieder in einem Kontext sieht, auch die kleinen und mittleren Staaten insgesamt eine strategische Mehrheit erringen können. Österreich als ein Land mit nicht ganz 1,7 Prozent der Bevölkerung – jetzt prozentuell im Hinblick auf die große erweiterte Union betrachtet – und mit einem Stimmengewicht von 2,9 Prozent ist nicht schlecht ausgestiegen. Vor allem konnte eine Umgewichtung zugunsten der größeren Staaten, die auch im Raum gestanden ist, verhindert werden. Ich glaube, auch dazu können wir Ihnen und allen Vertretern, die für Österreich verhandelt haben, gratulieren.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 31

Das zeigt schon auch eines: In weiterer Zukunft wird es – das haben Sie auch völlig richtig als Ziel Ihrer Politik definiert – notwendig sein, strategische Allianzen zu bilden, möchte man auch in einer erweiterten EU zu Mehrheiten kommen. Das ist ein völlig richtiger Weg.

Das Mehrheitsvotum wurde, wie wir wissen, auf einige Bereiche ausgedehnt. Dazu haben wir uns auch immer bekannt. Wir haben immer gesagt, dass das notwendig ist, wenn man haben will, dass auch eine größere EU funktionieren kann, dass sie handlungsfähig bleibt. Es gibt einige Dinge, bei denen völlig außer Streit gestanden ist, dass sie innerhalb des Einstimmigkeitsprinzips bleiben sollten. Diese sind auch geblieben, andere sind dazugekommen. Dazu gehören die Steuerpolitik und soziale Sicherheitssysteme, aber vor allem auch einige aus österreichischer Sicht sehr sensible Bereiche. Ich nenne die Frage der Wasserressourcen, der Bodennutzung und der Raumordnung, aber auch grundlegende verkehrspolitische Entscheidungen. Da haben wir natürlich Interessen, die auch gewahrt und verteidigt wurden, und ich glaube, es war sehr wichtig, dass das erreicht werden konnte.

Ein Punkt noch, der auch in unmittelbarem Zusammenhang mit der österreichischen Außenpolitik steht: Es gibt einen neuen Artikel 7, der jetzt eine Frühwarnphase bei drohender Gefahr von Verletzung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze oder von Menschenrechten vorsieht, und es gibt jetzt ein definiertes, qualifiziertes Verfahren, um eben genau das zu vermeiden, was Österreich passiert ist. Künftig sollen solche Maßnahmen nicht gesetzt werden, ohne dass das betroffene Mitglied, der Mitgliedstaat angehört wird, es muss hiefür eine qualifizierte Mehrheit und auch eine Kontrolle durch den EuGH geben.

Auch das, Frau Bundesministerin, ist ein österreichischer Erfolg und sehr erfreulich. Auch dafür herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Damit komme ich schon zum wahrscheinlich aufregendsten Kapitel in diesem Jahr, das war eben die Phase der Sanktionen. Es war ein, wie wir immer gesagt haben, ungerechtes Vorgehen gegen Österreich, welches nicht gedeckt war durch irgendwelche Beschlüsse oder irgendwelche Verfahren und trotzdem gegen Österreich verhängt wurde. Es gab keine offiziellen bilateralen Kontakte, keine Unterstützung für österreichische Kandidaten in den internationalen Organisationen – trotzdem haben wir erreichen können, dass auch österreichische Kandidaten erfolgreich waren –, Kontakte mit österreichischen Botschaftern fanden nur auf technischer Ebene statt.

Ich glaube, man muss hinzufügen, dass es natürlich auch Staaten gegeben hat, die sich nicht angeschlossen haben, etwa die Schweiz, die Slowakei, Slowenien, Ungarn. Das war eine gute nachbarschaftliche Geste, so würde ich sagen. Andere haben sich, sage ich einmal, unnotwendigerweise angeschlossen. Ich selbst war in dieser Zeit bei einer Tagung in Brüssel und habe diese Reserviertheit Österreich gegenüber auch sehr gespürt. Das war keine einfache Zeit. Ich brauche gar nicht die Zitate zu bemühen: Schifahren in Österreich – unmoralisch, und so weiter. Das ist Gott sei Dank vorbei, aber es soll nicht wieder vorkommen. Jetzt kommen die Menschen doch wieder zum Schifahren, was sehr gut ist. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, das, was man in diesem Zusammenhang sagen muss, ist Folgendes: Die wirklich engagierte österreichische Außenpolitik in dieser Phase – Sie haben eine Informationsoffensive gemacht, Sie haben eine diplomatische Offensive gestartet, man hat geschrieben, es sei eine Charme-Offensive –, diese aufrechte Haltung, mit der Sie, auch Demütigungen ertragend, trotzdem die österreichische Position nachhaltig vertreten haben, wurde auch von der Bevölkerung anerkannt, das anerkennen auch wir, das war eine Leistung, Frau Bundesministerin, auf die wir stolz sind. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Man sieht auch, dass Mut belohnt wird in solch einer Zeit und dass es trotzdem am Ende Gerechtigkeit geben kann.

Gerechtigkeit gibt es auch in Form einer Geste für Opfer des Nationalsozialismus. Es wurde – das wird im Bericht erwähnt – ein Versöhnungsfonds eingerichtet und auch hier im Bundesrat


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 32

beschlossen. Auch das kann man gar nicht hoch genug schätzen, dass diese Bundesregierung das in die Hand genommen und zu Stande gebracht hat, auch was die Restitution von arisiertem Vermögen betrifft. Es ist nicht nur so, dass wir damit auch Rechtsfrieden für unsere Unternehmungen im Ausland erreicht haben, sondern es ist eine Geste gegenüber diesen Opfern, und ich glaube, das muss man auch anerkennen. Das hat diese Bundesregierung mit ihrer Außenpolitik geleistet.

Frau Bundesministerin! Wir sind mitten in diesem Erweiterungsprozess. Als ein Mitglied des Bundesrates, das vom Oberösterreichischen Landtag entsendet wird, muss ich hier auch das Thema Temelin ansprechen. Sie wissen, dass es diesbezüglich aus oberösterreichischer Sicht große Sorge gibt; aber nicht nur aus oberösterreichischer Sicht, ich glaube, das betrifft uns alle. Der Oberösterreichische Landtag hat in seiner letzten Sitzung eine Resolution beschlossen, worin wir noch einmal an die Bundesregierung appellieren, bei der Zustimmung zum Energiekapitel in den Beitrittsverhandlungen diesen Sorgen Rechnung zu tragen.

Wir wollen, dass die Mängel, die im Expertenbericht, der jetzt vorliegt und den – das muss man auch sagen – Herr Umweltminister Molterer im Melker Prozess ermöglicht hat, beseitigt werden – wir haben die Fakten jetzt schwarz auf weiß, es sind zum Teil erhebliche Mängel, und es fehlen auch Tests und Analysen –, wir möchten, dass diese Fragen ausgeräumt und geklärt werden, und zwar – Sie haben es selbst gesagt – rechtsverbindlich, also wirklich verbindlich zugesagt werden, bevor man dem Energiekapitel zustimmt. Ich glaube schon, dass gewisse Bemühungen, dem Rechnung zu tragen, auch eine gewisse Zeit brauchen, aber wir müssen von der tschechischen Seite verlangen, dass das ernst genommen wird, dass auch entsprechende Taten folgen und es nicht nur eine Zusage gibt.

Wir haben in dieser Resolution auch vorgeschlagen, dass die Mängelbehebung unter Beiziehung von Experten aus der EU, aber auch aus Österreich erfolgt. Die Entschließung des Europäischen Parlaments und der Vorschlag der Ausstiegskonferenz werden ausdrücklich begrüßt. Sie selbst haben gesagt, Frau Bundesministerin, auch Sie unterstützen das, aber es sei unter den gegebenen Rahmenbedingungen eben schwierig.

Wir wollen auch, dass die Nullvariante Teil der Verhandlungen ist und dass das auch geprüft wird. Dies sollte auch Bestandteil einer Umweltverträglichkeitsprüfung, wie sie im Melker Prozess zugesagt wurde, sein. Wir bekennen uns auch – das betone ich – zu diesem Prozess. Wir hoffen sehr, dass dieser Prozess auch zu den gewünschten Ergebnissen führt.

Ich erkläre auch deutlich, wir sind gegen die Veto-Politik. Ich sage das namens meiner Fraktion, auch in Oberösterreich. Wir glauben, dass das nicht der richtige Weg ist, dass er vor allem das Problem nicht löst und dass er Temelin nicht sicherer macht, sondern im Gegenteil: Wir meinen, dass das Veto die österreichische Position schwächt und uns stärker in eine Isolierung führt, dass es womöglich eine Trotzreaktion Tschechiens provoziert und dass dieses Thema zu einer nationalen Frage erhoben wird.

Wir haben das gleiche Ziel, davon gehe ich aus: Wir wollen langfristig einen Ausstieg. Auch wir wollen eine Stilllegung, aber wir sind uns halt über den Weg dorthin nicht ganz einig. Frau Bundesministerin! Das möchte ich hier ausdrücklich noch einmal deponieren, und zwar unter Verweis auf die Resolution des Oberösterreichischen Landtages.

Zurück zum Außenpolitischen Bericht: Das Jahr 2000 war ein spannendes Jahr, eines der spannendsten, so denke ich, überhaupt. Sie, Frau Bundesministerin, haben die österreichische Position in einer schwierigen Zeit hervorragend vertreten. Wir haben großen Respekt vor dieser Leistung.

Lassen Sie mich noch etwas Persönliches sagen! Ich werde heute zum letzen Mal hier im Bundesrat sein, ich scheide aus. Ich bin seit nicht ganz vier Jahren in diesem Haus, ich bin am 20. November 1997 in den Bundesrat gekommen.

Ich möchte mich in erster Linie bei Ihnen bedanken, und zwar für die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten konnten, stellvertretend auch bei den Fraktionsobleuten, bei Herrn Profes


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 33

sor Böhm von der Freiheitlichen Partei und bei Herrn Professor Kone
cny, der auch mein Stellvertreter im Ausschuss war. Auch für diese Unterstützung bin ich Ihnen sehr dankbar. Vor allem bedanke ich mich bei meinem Fraktionsobmann Ludwig Bieringer, der mich sehr unterstützt hat und mir in dieser Zeit eine wertvolle Begleitung gewesen ist. Ich bin für diese vier Jahre sehr dankbar. Ich danke auch den Mitarbeitern der Parlamentsdirektion, insbesondere Herrn Bundesratsdirektor Labuda. Es war eine tolle Zeit.

Ich habe natürlich gemerkt, dass sich gerade in letzter Zeit der Ton ein bisschen verschärft hat, und gebe auch zu, ich selbst habe durchaus manchmal dazu beigetragen. Ich bitte Sie, mir das nachzusehen.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und möchte mich noch einmal herzlich bedanken! (Allgemeiner Beifall.)

10.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Mag. Strugl! Auch ich darf Ihnen von dieser Stelle aus alles Gute für Ihre zukünftige Tätigkeit wünschen! Ich darf mich auch für Ihre Art der Vorsitzführung im Ausschuss und für Ihre Mitarbeit hier im Hause bedanken. Dass wir bei allen unterschiedlichen Meinungen, die wir natürlich haben, letztendlich immer gut miteinander umgegangen sind, auch das gehört zu Ihren Verdiensten. Vielen herzlichen Dank für Ihre Arbeit hier im Bundesrat und vor allen Dingen: Alles Gute für Ihre weitere Tätigkeit! (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Professor Konecny. – Bitte.

10.34

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Hoher Bundesrat! Die alljährliche Debatte über den Außenpolitischen Bericht hat natürlich auch den Sinn, über die Ereignisse des Zeitraumes, über den berichtet wird, zu debattieren. Aber sie ist in erster Linie Anlass für eine außenpolitische Grundsatzdebatte und im heutigen Fall sicherlich auch eine Debatte, die sehr stark von aktuellen Anlassfällen geprägt wird. Das sollte uns aber nicht daran hindern, auch klar auszusprechen, welch wertvoller Behelf der Außenpolitische Bericht für die politische Arbeit ist.

Natürlich kann man über die Dinge, die darin behandelt werden, unterschiedlicher Meinung sein. Aber gerade beim Außenpolitischen Bericht 2000 – das möchte ich hier ausdrücklich anerkennen – sind jene außenpolitischen Themen, die zwischen Regierung und Opposition kontrovers behandelt wurden und naheliegenderweise kontrovers zu behandeln sind, in einer Art dargestellt, dass auch wir Sozialdemokraten, wie ich ausdrücklich betonen möchte, kein Problem haben, diesem Bericht, der über Fakten berichtet und keine Wertungen vornimmt, zuzustimmen.

Ich möchte das auch zum Anlass dafür nehmen, mich bei jenen Mitarbeitern des Außenministeriums, die sich der, wie ich weiß, ziemlich anstrengenden Aufgabe unterziehen, den Bericht zusammenzustellen, besonders herzlich für diese Arbeit zu bedanken. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Präsident Schöls hat gewissermaßen ein Leitmotiv für diese Sitzung gesetzt, als er uns bereits am Beginn zu einer Minute des Gedenkens für die Opfer dieses unvorstellbaren, wirklich in historischer Dimension zu sehenden Terroranschlages eingeladen hat. Ich möchte dieses Thema hier behandeln, nicht weil es im Bericht nicht angeschnitten werden konnte, sondern weil es wirklich eine Dimension hat, von der nicht nur sensationslüsterne Beobachter meinen, dass die Welt vor und nach dem 11. September 2001 nicht dieselbe ist.

Das Thema hat viele Dimensionen, und ich werde versuchen, ein paar von ihnen anzudeuten und auf sie einzugehen. Zunächst hat es eine Dimension, die ihre Heimat zutiefst im Gefühl der Menschen hat. Da ist vor allem das Gefühl des Entsetzens von all jenen, die im Zeitalter der modernen Medienkommunikation in einer ungewöhnlich unmittelbaren Weise Augenzeugen wurden, elektronische Augenzeugen des Geschehens waren, und die Angst, die die Menschen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 34

befallen hat. Denn wenn das möglich ist, so lautet nicht nur die schlichte, sondern absolut veritable Folgerung, dann ist alles möglich. Und es folgt die Suche nach Antworten, nach politischen Antworten, Ursachenforschung und technischen Antworten, um Wiederholungen zwar nicht verhindern zu können, aber so schwer wie möglich zu machen.

Ich möchte daher ganz am Beginn meiner Ausführungen, weil das auch ein Ausdruck unserer gemeinsamen Betroffenheit ist, einen Entschließungsantrag einbringen, den ich nicht nur aus geschäftsordnungsmäßigen Gründen verlesen muss, sondern den ich auch aus politischen Gründen gerne verlese, weil er einen Inhalt hat, zu dem wir alle stehen können, und weil er viel von dem, was ich sagen möchte, auch schon zum Ausdruck bringt.

Dieser Antrag lautet:

Entschließungsantrag

der Bundesräte Ludwig Bieringer, Albrecht Konecny, Dr. Peter Böhm und Kolleginnen und Kollegen betreffend Solidarität gegen den Terror

Im Lichte der tragischen Ereignisse vom 11. September 2001 stellen die unterzeichneten Bundesräte folgenden

Entschließungsantrag:

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird ersucht, der Regierung und dem Senat der Vereinigten Staaten von Amerika in geeigneter Weise mitzuteilen, dass der Bundesrat der Republik Österreich

seine tiefe Trauer über das unermessliche menschliche Leid, das der Terrorakt vom 11. September 2001 verursacht hat, bekundet und den hinterbliebenen Familien, Freunden und Kollegen der Opfer seine tief empfundene Anteilnahme ausdrückt;

diesen barbarischen Gewaltakt vom 11. September 2001, der einen Anschlag auf die gemeinsamen Werte der Freiheit sowie auf die Menschlichkeit darstellt, auf das Schärfste verurteilt und auf der Grundlage der Charta der Vereinten Nationen und der Resolution 1368 des UN-Sicherheitsrates die Maßnahmen unterstützt, die die Urheber, Drahtzieher und Komplizen zur vollen Rechenschaft ziehen;

die Solidarität unseres Landes mit dem amerikanischen Volk und der amerikanischen Regierung ausdrückt.

Der Bundesrat begrüßt die Bemühungen um ein weltweites Vorgehen im Kampf gegen den Terrorismus und spricht sich für ein international abgestimmtes und zielgerichtetes Vorgehen mit angemessenen Mitteln und Besonnenheit aus.

Der Bundesrat begrüßt die von der österreichischen Bundesregierung in der Folge der Ereignisse vom 11. September 2001 gesetzten Schritte und ersucht die Bundesregierung, weiterhin auf nationaler und internationaler Ebene alle geeigneten Maßnahmen zum entschiedenen Vorgehen gegen den internationalen Terrorismus zu setzen.

In diesem Sinne stellt der Bundesrat fest, dass die Resolution 1368 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 12. September 2001 auf Grundlage der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen eine Mitwirkung Österreichs an internationalen Aktionen zur Bekämpfung des Terrorismus ermöglicht, wobei insbesondere an Maßnahmen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe, an Maßnahmen der Such- und Rettungsdienste und die Erteilung von Überflugsgenehmigungen gedacht ist.

Der Bundesrat stellt weiters fest, dass Österreich die Erklärung des Rates der Europäischen Union vom 12. September 2001, die gemeinsame Erklärung der Staats- und Regierungschefs


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 35

der Europäischen Union vom 14. September 2001 und die Schlussfolgerungen der außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates vom 21. September 2001 voll mitträgt und sich entsprechend solidarisch verhalten wird.

Der Bundesrat ersucht die Bundesregierung, die Ergebnisse der Sondersitzung der Justiz- und Innenminister der EU-Staaten vom 20. September 2001 zügig umzusetzen. Insbesondere begrüßt der Bundesrat, zur Sicherung der Freiheit und des Rechtsstaates, den Plan einer rascheren und engeren Zusammenarbeit aller EU-Staaten im Kampf gegen den Terrorismus, die Prüfung der Schaffung eines EU-weit geltenden Haftbefehls, die Prüfung einer Vereinheitlichung der Definition des Straftatbestandes Terrorismus, die Intensivierung der Strafverfolgung, die Ausstattung von Europol mit Antiterrorspezialisten, die Erhöhung der Flugsicherheit und die Erarbeitung neuer Strategien, um die Finanzierung von Terrornetzen zu verhindern.

Der Bundesrat unterstützt die von der Bundesregierung und insbesondere vom österreichischen Bundesheer und der Exekutive ergriffenen Maßnahmen zum Schutz der Republik und ihrer Bürger. Die Bundesregierung wird ersucht, die Kapazitäten zum Schutz der Bevölkerung und der lebenswichtigen Infrastruktur sowie die Einsatzbereitschaft der Kräfte für den Katastrophenschutz ständig zu evaluieren und zu optimieren. Dabei sind auch eine enge Kooperation, eine professionelle Ausbildung und eine zeitgemäße Ausstattung der zuständigen Institutionen – vor allem Exekutive und Bundesheer – notwendig.

Darüber hinaus wird die Bundesregierung ersucht, auf bilateraler und multilateraler Ebene weiterhin zum Interessenausgleich, zur Krisenprävention, zur Bekämpfung der Armut, zur ausgeglichenen wirtschaftlichen Entwicklung und zur Lösung regionaler Konflikte beizutragen, um auch damit dem internationalen Terrorismus den Nährboden zu entziehen.

Die Bundesregierung wird ebenso ersucht, zu prüfen, inwieweit auf Grund von internationalen Vereinbarungen der künftige Internationale Strafgerichtshof in Den Haag für die Verfolgung und Verurteilung von Terroristen zuständig gemacht werden kann.

*****

Ich darf Sie bitten, dann, wenn am Ende dieser Debatte die Abstimmung erfolgt, diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben, der zweifelsfrei unsere gemeinsamen Gefühle, quer durch alle Fraktionen, deutlich zum Ausdruck bringt.

Lassen Sie mich aber darüber hinaus – dieser verhältnismäßig lange Antrag möge nicht auf meine Redezeit angerechnet werden – doch auch noch einige persönliche Bemerkungen daran anschließen.

Es ist tatsächlich so, dass die Welt vor und nach dem 11. September nicht dieselbe ist. Sie ist es nicht nur deshalb nicht, weil es gewaltiges Leid und ungeheure Zerstörung gegeben hat, sondern auch deshalb nicht, weil in einer bemerkenswerten Art und Weise Dinge zum Allgemeingut der Diskussion geworden sind, die vorher eigentlich eher in der "lunatic fringe" der politischen Szene vertreten wurden.

Als jemand, der sich schon viele Jahrzehnte lang den Mund darüber fusselig redet – und dabei so kleine Erfolge erzielt! –, dass eine Welt nicht Bestand haben kann, in der Sattheit und Reichtum auf der einen und Hunger auf der anderen Seite nebeneinander existieren, bin ich verblüfft – und zwar wirklich verblüfft! –, dass heute – ohne dass deshalb etwas passiert; das muss man auch dazusagen – etwa die Frage, wie denn der Anschlag vom 11. September passieren konnte, zum Allgemeingut der politischen Debatte wird. – Dazu kann ich nur sagen: Vom Reden allein werden die Menschen nicht satt werden! (Beifall bei der SPÖ.) Aber ich hoffe doch sehr, dass dem Reden auch politische Konsequenzen folgen werden – und "politische Konsequenzen" heißt in diesem Fall: materielle Konsequenzen.

Es ist nicht die Ursache, aber eine der Ursachen, dass Menschen, die in ihrem Leben keine Perspektive sehen, auch bereit sind, dieses Leben wegzuwerfen – es ist auch ihr Leben ge


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 36

wesen –, wenn sie glauben, damit einem Ziel dienen zu können, das letztlich auch darauf angelegt ist, diese verzweifelte Situation ganzer Weltregionen zu überwinden.

Da gilt es, Alternativen aufzuzeigen, und diese Alternativen sind nicht billig! Ich sage das wirklich leidenschaftslos und buchhalterisch. Es geht nicht darum, ein paar nette Gesten zu setzen. Es geht nicht darum, einem Land zum Beispiel ein Telefonnetz zu schenken, sondern es geht um jene nachhaltige Entwicklung, von der alle reden, die die Völker dieser Regionen, die Not leiden, in die Lage versetzt, eine Entwicklung in Gang zu bringen, durch die dann vieles nahezu von selbst passiert.

Wir sollten eines nicht vergessen: Fanatismus, Terror, wenn auch in anderen Äußerungsformen, all das ist nichts, was es in unseren Breiten und in unserer Kultur nicht gegeben hätte. Die Tatsache, dass wir uns selbst eine andere Form des Lebens ermöglicht haben – aber es hat Phasen gegeben, in denen uns kräftigst dabei geholfen wurde, dass wir das entwickeln konnten; etwa nach 1945 –, hat dazu beigetragen, dass wir Fanatismus, Sektierertum, Hass auf andere Bevölkerungsgruppen wenn auch nicht ausgerottet, so doch zurückgedrängt und politisch und gesellschaftlich stigmatisiert haben. Ich kenne zwar manche Mitbürger, die das in ihrem Denken noch nicht losgeworden sind, aber ich betrachte es auch als Fortschritt, dass sie sich beim Aussprechen ihrer Meinungen ein wenig zurückhalten, weil sie wissen, dass sie einen Minderheitenstandpunkt vertreten. Political Correctness ist nicht die schlechteste Methode, um Intoleranz in den Griff zu bekommen.

Wenn es aber Gesellschaften gibt, in denen Menschen massenhaft und millionenhaft verzweifelt sind, dann sind noch überall und immer Gruppen – religiös oder politisch verbrämt – aufgetreten, die eine scheinbar einfache Lösung anzubieten hatten. Unsere Breiten haben diesem Mechanismus den Nationalsozialismus zu verdanken. Diese Breiten dort haben diesem Mechanismus einen politischen und politisierenden Fundamentalismus zu verdanken. Der Unterschied ist weder in den Auswirkungen noch in der verengten Denkweise riesengroß. Wir müssen einfach jenes Reservoir austrocknen, indem wir dazu beitragen, dass Menschen eine andere Perspektive für ihr Leben finden, als die, denen nachzulaufen, die die einfachen Parolen verkünden.

Wir müssen ein Zweites tun, und die Diskussion läuft in diese Richtung: Wir müssen eine andere Form des internationalen Zusammenlebens finden, und zwar in mehr als einer Hinsicht. Ich habe in einer Fragestellung vorhin, Frau Außenministerin, darauf hingewiesen: Ich bin sehr für weltweite Partnerschaften, aber diese weltweiten Partnerschaften sollten und müssten von der vollen Zustimmung aller Partner getragen werden.

Ich halte es für ganz besonders wichtig, daran zu erinnern, dass jener Internationale Strafgerichtshof in Den Haag, für den wir uns in dieser Entschließung stark machen und der eben mit einem anderen moralischen Gewicht als die Gerichtsbarkeit eines einzelnen, wenn auch noch so großen und demokratischen Landes auftreten könnte, unter anderem deshalb eine so schwierige Geburt erfährt, weil die Vereinigten Staaten – das muss man offen aussprechen – überhaupt keine Lust haben, diesen Gerichtshof ins Leben zu rufen und sich vielleicht auch einmal selbst dieser Gerichtsbarkeit zu unterstellen. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist richtig!)

Damit bin ich bei der dritten Dimension, die mir so wichtig ist. Ich glaube, wir sollten etwas überwinden, was ich den Kult der Höflichkeit nennen möchte. Wir sollten uns wieder angewöhnen, einen blutigen Diktator einen blutigen Diktator zu nennen. Wir sollten ein reaktionäres Land – auch wenn es Mitglied einer Koalition ist –, das seine Frauen mehr unterdrückt, als das die Taliban je zusammengebracht haben, und das in seiner religiösen Intoleranz Afghanistan bei weitem übertrifft, nicht dadurch adeln, sondern schlichtweg aussprechen, dass Saudi Arabien ein Land ist, das Menschenrechte verletzt (demonstrativer Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus ) und nicht dadurch salviert ist, dass es den Amerikanern Stützpunkte einräumt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin nicht dafür, Beschimpfungen zu einem Mittel der internationalen Politik oder der Diplomatie zu machen, damit ich da nicht missverstanden werde! Aber Wahrheiten auszusprechen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 37

ist etwas, was wir uns wieder angewöhnen müssen. Wahr ist eben auch, dass man entweder Teil einer Weltgesellschaft sein kann oder nicht und dass das Zusammenwirken von Staaten in Bündnissen und internationalen Organisationen nicht nach Belieben organisiert werden kann. Internationale Organisationen, die dortigen Mehrheitsverhältnisse, die Entscheidungen, die dort getroffen werden, kann man nicht nur dann anerkennen, wenn sie einem passen. Wir haben in der Demokratie auch nationalstaatlich zu lernen, dass es Entscheidungen gibt, die man kritisieren und auch bekämpfen kann, aber sie sind Tatsachen. In der Welt der Diplomatie und der internationalen Zusammenarbeit ist das noch zu erlernen, wobei wir nicht diejenigen sind, die den dringendsten Nachhilfeunterricht benötigen.

Lassen Sie mich ein Letztes sagen, denn ich glaube, auch das ist notwendig. Niemand – und ich hoffe, dass ich mich dieses Vergehens nicht schuldig gemacht habe – sollte Ereignisse dieser Größe dazu verwenden, um politisches Kleingeld einzuwechseln. Die Noten, die da ins Spiel gekommen sind, sind zum Wechseln viel zu groß! Ich möchte daher mit großem Nachdruck und ohne ins Detail zu gehen, weil ich mich sonst vielleicht dessen schuldig machen würde, klar zum Ausdruck bringen: Eine Verknüpfung mit der Frage "Einwanderung nach Österreich", eine Verknüpfung mit der Frage "Zusammenleben mit Menschen anderer Herkunft in diesem Land" ist unmoralisch und sachlich falsch! Wer es unternimmt, diesen Zusammenhang herzustellen, wer aus diesem Anlass, bei dem eben Fremde – und sie waren Fremde in den USA – Verbrechen begangen haben, eine Gelegenheit sieht, eine solche einfache Gefühls- und Gedankenbrücke herzustellen, wer das versucht, tut etwas, was auf die moralische Verurteilung aller anderen stoßen muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich will hier nicht ins Detail gehen. Ich möchte mich bei diesem Thema auch selbst ein wenig zügeln und daher am Schluss nur noch eines sagen: Die Dimension der Überwindung der Not, aus der das geboren ist, die Dimension der anderen internationalen Zusammenarbeit, die Dimension – ich habe sie bewusst nicht angesprochen, um nicht zu lang zu werden – einer Lösung im Nahen Osten, die nicht die Ursache, aber ein sehr einfach in die Argumentationsweise eingliederbarer Vorwand für die Hetzer und die Paten des Terrors ist, ist die eine Seite; uns zu schützen und den Schutz zu organisieren ist die andere Seite. Ich bin bereit, über jedes Detail sachlich zu diskutieren, aber es muss darüber die Maxime schweben – und das ist inzwischen ein Zitat und keine eigene Formulierung –: Wir dürfen jene demokratische und freie Gesellschaft, die wir gegen den Terror verteidigen wollen, nicht im Kampf gegen den Terror selbst vernichten. "Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben!", sagt der Volksmund. Diesen politischen Fehler, die Freiheit zu untergraben, um die Freiheit zu verteidigen, dürfen wir nicht machen. Auch hier erspare ich mir Beispiele und Konkretes. Das muss die Maxime sein, und jede technische Maßnahme – es geht immer um Technik –, die wir treffen, muss dieser Maxime entsprechen können.

Dazu bieten wir unsere Zusammenarbeit – sicherlich unsere kritische Zusammenarbeit – an, aber es ist eine Aufgabe, die uns gemeinsam gestellt ist und bei deren Lösung wir nur miteinander – und in diesem Fall wirklich nicht gegeneinander! – zu Erfolgen kommen können. Ich bitte auch, das, was es von unserer Seite an Anregungen gibt, zu hören und es als bewussten und positiven Beitrag zu verstehen – den man deshalb noch nicht für richtig zu halten braucht. Es geht dabei nicht um ein Überbieten oder Unterbieten, sondern um einen Versuch, in einer Meinungsfindung einen Beitrag zu leisten.

Wir alle sind gefordert, und wir müssen die richtigen, die demokratischen und die zukunftsweisenden Antworten finden. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.57

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte.

10.57

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute den Außenpolitischen Bericht, und die schrecklichen Ereignisse, die uns, wie wir heute schon gehört haben, alle betroffen machen,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 38

nehmen auch einen wesentlichen Teil unserer Ausführungen zu diesem Außenpolitischen Bericht ein. Ich möchte aber trotzdem auch andere Teile – manche davon wurden auch schon erwähnt, aber sicherlich etwas anders, als ich dazu Stellung nehmen möchte – dazu beitragen.

Der Vertrag von Nizza wird als ein besonderer Fortschritt im Erweiterungsprozess der EU bezeichnet. Dazu möchte ich schon die Frage stellen: Wann wird der Vertrag zum so genannten Fortschritt des Erweiterungsprozesses? Er ist noch nicht einmal von allen Staaten ratifiziert, und ein Staat hat – durch das Votum seiner souveränen Bevölkerung im Rahmen einer Volksabstimmung – sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er diesen Vertrag nicht wünscht. Es ist meines Erachtens doch eine Arrogierung verschiedener politischer Personen in der EU und auch der Verwaltung der EU in Brüssel, an diesen Staat Irland das Ansinnen zu stellen, noch einmal abzustimmen. Das ist eigentlich so ähnlich wie damals, als man uns, Frau Bundesministerin, zugemutet hat, die Regierungsbildung, die wir vor eineinhalb Jahren vorgenommen haben, durch eine Neuwahl hinfällig zu machen, um vielleicht ein anderes Regierungsbild zu bekommen. (Bundesrat Würschl: Eine gute Idee! – Bundesrat Gasteiger: Was heißt "zugemutet"?!) Es ist ein starker Eingriff in die Souveränität eines anderen – in diesem Fall eines kleinen – Staates, darauf zu dringen, eine zweite Abstimmung durchzuführen. Das schlechte Beispiel Dänemark steht dem voran.

Wir bekennen uns zur Regierung, aber die Freiheitliche Partei ist die einzige Partei in Österreich, die eine europakritische, sprich eine EU-Europa-kritische Haltung einnimmt und alle Entwicklungen unter dem Gesichtspunkt beurteilt: Was bringt es unserem Land?, denn dafür sind wir gewählt, und dazu sind wir da.

Früher war eine EU-euphorische Vorzugsschülermentalität charakteristisch für die österreichische Europapolitik. Mit dem Eintritt der Freiheitlichen Partei in die Bundesregierung scheint mir mehr Sachlichkeit, Nüchternheit und Realismus eingetreten zu sein. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) Mit der FPÖ konnten in zähen Verhandlungen die siebenjährigen Übergangsfristen für den Arbeitsmarkt im Hinblick auf die EU-Erweiterung durchgesetzt werden. Es ist die Freiheitliche Partei, die der EU-Erweiterung ein Mitbestimmungsrecht der österreichischen Bevölkerung zwingend voranstellt. Es ist die österreichische Bevölkerung, um die es sich handelt, und es sind nicht die anderen Staaten. Es ist Aufgabe österreichischer Politiker, die österreichischen Interessen wahrzunehmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Einstimmigkeitsklausel ist für die Freiheitliche Partei und im Besonderen für die Frau Vizekanzlerin ein absolut unverzichtbares Instrument, und das wurde auch im Regierungs-programm unmissverständlich klargelegt. Wenn aber die Einstimmigkeitsklausel ein absolut unverzichtbares Instrument ist, dann können der Erweiterungsprozess und die Umsetzung des Vertrags von Nizza nur einstimmig erfolgen. Irland spricht sich jedoch dagegen aus. Wenn das so ist – und es ist derzeit so –, müssen wir das berücksichtigen und andere Wege gehen, um einen europäischen Einigungsfortschritt zu erreichen. Es geht nicht an, mit dem Kopf durch die Wand oder dem Pressluftbohrer in der Hand seinen Willen in einem anderen Land durchzusetzen.

Der Einigungsprozess scheint mir auch durch einige Probleme in zukünftig gewünschten Mitgliedstaaten gekennzeichnet zu sein. Mir liegt ein Schreiben einer polnischen Organisation vor. Diese stellt fest, dass bei den polnischen Parlamentswahlen Anti-EU-Parteien auf Anhieb zirka 30 Prozent erreicht haben. (Bundesrat Konecny: Die waren aber nicht nur Anti-EU!)  – Nein, natürlich nicht! Sie haben völlig Recht, Herr Kollege, ich stimme Ihnen zu, das ist nämlich kein Wunder. (Bundesrat Konecny: Die waren auch antisemitisch!) Es ist bekannt, dass die polnische Bevölkerung bereits mehrheitlich einen EU-Anschluss ihres Landes ablehnt.

Der Niedergang Polens begann mit der Ostöffnung vor zwölf Jahren. Die Chancen auf eine eigenständige Entwicklung wurden dadurch zunichte gemacht, dass sofort die Machtergreifung der westlichen Großkonzerne begann, unterstützt von korrupten polnischen Politikern, die für den Verkauf von Staatseigentum satte Provisionen kassierten. Maßlos beschleunigt wird diese Kolonialisierung des Landes durch die Übernahme von EU-Gesetzen, die jede Eigenständigkeit zunichte machen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 39

Diese die polnische – wenn auch sicherlich nicht die gesamte polnische – Politik darlegenden Bemerkungen zeigen jedoch, wie kritisch die EU in Nachbarstaaten, die aufgenommen werden sollen, betrachtet wird. Bilden wir uns nur nicht ein, nur weil eine gewisse Oberschicht in Polen grenzenlos – fast freiwirtschaftlich – reich wird, kann das die EU in Polen repräsentieren! Die Mehrzahl der Bevölkerung in Polen und in vielen dieser Beitrittsländern leidet mehr als vor zehn Jahren. Das ist eine nüchterne und schrecklich traurige Tatsache, und das müssen wir berücksichtigen, Frau Bundesministerin! Ich glaube, wir berücksichtigen dies auch.

Frau Bundesministerin! Sie haben im letzten Jahr besonders mit mutigem Lächeln und sehr viel Charme – meiner Meinung nach vielleicht sogar zu viel Charme – die Grobheiten der EU-europäischen Kollegen ertragen. Sie haben es bestanden, natürlich, aber mir wäre – das darf ich am Rande dazu sagen – ein bisschen Thatcher-haftes, hartes Auftreten lieber gewesen. Doch der Erfolg hat Ihnen Recht gegeben, Frau Bundesministerin – das gebe ich auch zu –, und somit hat vielleicht Charme gegen Thatcher obsiegt. Wir wissen es nicht. (Demonstrativer Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, dass in diesem Zusammenhang Artikel 7 sehr richtig formuliert worden ist, der davon spricht, dass ein Anhörungsrecht geschaffen wird sowie eine Begründungspflicht, die Zustimmung des Europäischen Parlaments, eine regelmäßige Überprüfungspflicht für den Rat sowie eine gerichtliche Nachprüfung durch den Europäischen Gerichtshof vorhanden sein müssen. Ich glaube, das sind wichtige Momente, die auf Grund dieser für uns sehr unangenehmen – ich muss sagen, uns fast zum Verzweifeln bringenden – Ereignisse eingerichtet worden sind.

Es gibt jedoch einen Staat, der sich nicht damit abfinden will, dass ein demokratisches Wahlergebnis mit einer demokratisch erfolgten Regierungsbildung vorliegt, und noch immer an uns herummäkelt. Ich finde es nicht gut – das habe ich im Ausschuss schon gesagt –, dass sich Israel in Österreich nur durch einen Geschäftsträger vertreten lässt. Dieser hat zwar einen hohen politischen und verwaltungsmäßigen Rang in seinem Lande, tritt hier aber als Geschäftsträger auf; hingegen hat Österreich einen Botschafter in Israel.

Mir wurde gesagt, wir sollen die Tür nicht zuwerfen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wer hat denn die Tür zum Zuwerfen gebracht? – Wir müssen doch demokratische Wahlergebnisse anerkennen! Wir tun es gegenüber Israel auch. Ich muss sagen, der Regierungschef dort – das kann man durchaus sagen – hat Blut an den Fingern, und trotzdem haben wir dort einen Botschafter. Wir handeln nicht so, wie Israel mit uns umgeht. Der ehemalige Außenminister Levy hat sogar gefordert, dass nach Abschaffung der Sanktionen die Weltöffentlichkeit Österreich weiter boykottieren sollte.

Ich finde, da müssen wir aus Selbstachtung – und umso mehr, als dieser Staat, die Republik Österreich, sehr viel zum Aufbau des Staates Israel und der in der Diaspora lebenden Juden beigetragen hat – doch sagen: Bitte, ihr müsst damit aufhören, das kann nicht so weitergehen. Wir akzeptieren eure demokratischen Wahlergebnisse – bitte akzeptiert die unseren auch!

Frau Bundesministerin! Sie bemühen sich sehr, wie wir hören – und das haben Sie auch einleitend gesagt –, um die Auseinandersetzung oder die Gespräche über die AVNOJ-Beschlüsse und die Beneš-Dekrete. Frau Bundesministerin! In diesem Punkt stimme ich Ihnen nicht zu; es muss eine Junktimierung mit der Aufhebung der AVNOJ-Bestimmungen geben! Es muss ein Junktim zwischen der Aufnahme in die EU und der Aufhebung der Beneš-Dekrete geben! Es kann nichts anderes geben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir können nicht jemanden mit diesen Bestimmungen der EU beitreten lassen. Das ist doch eine Pervertierung der EU! Ich bin von ihr sowieso nicht sehr begeistert, aber wenn das der Fall ist, dann ist es fast ein Grund, zu sagen: Dort haben wir nichts verloren! (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Ihre Minister sind die EU, Herr Kollege!) Bitte? (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Ihre Minister sind auch die EU! – Demonstrativer Beifall bei der SPÖ.) – Ja, das mag schon so sein.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 40

Menschenrecht und Völkerrecht sind wesentliche Bestandteile für die Qualität und das Ethos der EU. Wenn wir das von Mitgliedstaaten und von präsumtiven Mitgliedstaaten nicht einfordern, dann können wir nicht sagen, sie seien EU-reif – auch wenn sie noch so sehr wirtschaftliche Kompetenz und Wachstumsraten aufweisen. Aber mit einem solchen Geist gegenüber der Vergangenheit kann man nicht EU-reif sein. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In diesem Zusammenhang fällt mir auf, dass der Bilderbuchfall "Völkermord" von Ermacora in Bezug auf die Beneš-Dekrete und die Vertreibung der Sudetendeutschen anscheinend – so wird mir gesagt – nicht mehr die Wertigkeit im Außenamt hat. Derzeit soll angeblich ein deutscher Professor namens Tomuschat, der in der Vertreibung der Sudetendeutschen keinen Völkermord zu erkennen vermag, die Meinung des Außenamtes wiedergeben. Es würde mich sehr erstaunen, dass wir in der Meinungsbildung des Außenamtes einen bekannten österreichischen Professor durch einen mir bis jetzt unbekannt gewesenen deutschen Professor ausgetauscht haben.

Abgesehen von den Toten, wurden im Bereich der damaligen Tschechoslowakei immerhin 1-Billion-Schilling-Werte konfisziert und der damaligen tschechoslowakischen Republik einverleibt. Übrigens wird am 9. November auf Schloss Stirin ein Gespräch über die Tschechische Republik und Österreich im zusammenwachsenden Europa stattfinden.

Es ist dies ein sehr bedeutendes Programm, aber die Beneš-Dekrete werden darin nicht angesprochen. Es gibt die österreichisch-tschechischen Gespräche. Ein Gespräch fand im März statt und verlief nicht nach den Vorstellungen der Tschechischen Republik. Professor Karner hatte eine Studie erstellt, die nicht den Vorstellungen der Tschechen entsprach. Ist es zutreffend, dass Professor Karner auf Grund dieser Studie durch den ehemaligen Vizekanzler Busek ersetzt wurde? Zu welchem Vorteil wurde Karner durch Busek ersetzt?

Ein weiterer Punkt: Wir haben hier im Außenpolitischen Bericht angesprochen, dass der Staat Irak durch mit Luftangriffen verbundene Kontrollflüge amerikanischer und britischer Kampfflugzeuge in den vom Irak nicht anerkannten Flugverbotszonen bestraft wurde. Wir haben im Ausschuss festgestellt: Es gibt keine UNO-Resolution, die Flugverbotszonen festlegt, folglich sind diese Angriffe, geflogen von Großbritannien und den Vereinigten Staaten, völkerrechtswidrig und fallen eigentlich unter die Kategorie Kriegsverbrechen, da hiemit ständig ein unerklärter Angriffskrieg stattfindet.

In der jetzigen Situation wäre es sehr richtig – das würde ich auch sehr begrüßen –, dass Österreich durch eine komplette Botschaft in Bagdad vertreten wäre. Die Beobachtung eines Landes mit legalen Mitteln – und manchmal auch mit Mitteln, die man durch persönliche Bekanntschaft hat – ist nur durch eine vollständige Präsenz am Ort des Geschehens möglich. Es wird dem Staat direkt vorgeworfen, fürchterliche, verbotene Waffen zu produzieren. Das mag sein, aber wenn wir am Ort sind, können wir durch Gespräche danach Ausschau halten, was man verhindern kann und was an diesen Gerüchten wahr ist. Es wäre mir sehr recht, wenn wir diese Sache demnächst feststellen können und hiezu die Botschaft eröffnet wird. (Zwischenrufe des Bundesrates Dipl.-Ing. Missethon sowie bei der SPÖ.)

Es wundert mich ein bisschen – ich werde selbst dabei sein –, dass demnächst eine Frau Nasreen Mustafa Sideek, "Ministerin für Wiederaufbau und Entwicklung" im "Kurdistan Regional Government", nach Österreich kommt. Wollen wir durch einen solchen Besuch die Teilung des Iraks mit vorbereiten? – Ich werde mit die Gespräche führen und bin in dieser Hinsicht jetzt erstaunt. Wir haben oft Dissidentengruppen im Parlament, und es ist immer wieder sehr interessant, diese zu Gesprächen zu empfangen. Ich kann mich erinnern, vor vielen Jahren waren es kurdische Vertreter aus der Türkei. Aber dass wir gleich so genannte "Minister" empfangen, wundert mich ein bisschen. Andererseits nimmt sie, wenn sie herkommt, vielleicht Rücksicht auf ihr Land und wird sich – ich weiß schon, dass auch das dahintersteckt – um Minensuchgeräte kümmern. Minensuchgeräte kann man an jeden verkaufen. Da sollte sich Österreich nicht scheuen, und das wird es auch nicht tun.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 41

Frau Bundesministerin! Wir wissen, dass die Ereignisse der letzten Wochen geprägt sind durch den 11. September 2001. Zum 20. September 1792 notierte der Minister des Herzogs von Weimar Johann Wolfgang von Goethe: "Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen." Er meinte die Kanonade von Valmy. – Wir waren jetzt bei diesem schrecklichen Ereignis fast zeitgleich Zeugen.

Frau Bundesministerin! Dem Terror stimmt niemand zu, und trotzdem wird man nachdenklich. Auch Sie, Frau Bundesministerin, haben das in Ihren Äußerungen gesagt, und viele hier ebenfalls: Man wird nachdenklich.

Hier habe ich nun die Zeitschrift "International" vor mir. Das ist eine Zeitschrift, die eher den Sozialdemokraten bekannt zu sein scheint. Da kann ich nur sagen: Warum lesen wir alle nicht diese Zeitschrift, Herr Professor Konecny? (Bundesrat Konecny: Sie dürfen das ein Mitglied des Herausgebervereins nicht fragen!) Ich weiß, ich möchte Ihnen nur meine Anerkennung für die Herausgabe dieser Zeitung aussprechen. Uri Avnery und Fritz Edlinger, der Bruder des ehemaligen Finanzministers ... (Bundesrat Ing. Polleruhs: Die Zeit ist auch schon fortgeschritten!) Bitte? (Bundesrat Ing. Polleruhs: Das rote Licht brennt schon lange!) Das ist gut; lasse es brennen. (Heiterkeit.)

Uri Avnery und Fritz Edlinger zeigen deutlich auf, woran es fehlt: "Obwohl internationales Recht ausdrücklich die Besiedlung von besetzten Gebieten durch Besatzungsmächte verbietet, sind Dutzende von Gesetzen und Militärverordnungen geschaffen worden, um dieses Unternehmen voranzutreiben". – Das schreibt Uri Avnery. Er stellt auch fest: "Die Siedler begannen kurz nach dem Krieg von 1967 die besetzten Gebiete zu besiedeln." Und: "Derzeit leben etwa 200 000 Siedler in der Westbank und in Gaza. Weitere rund 200 000 Israelis leben in Siedlungen in der Region um Jerusalem."

Fritz Edlinger schreibt: In Israel werden die "Andersdenkenden ... isoliert und als verräterische Netzbeschmutzer diffamiert, die äußeren Gegner (die Palästinenser) werden – so wie in den vergangenen 53 Jahren – mit mehr oder minder brutaler Gewalt ihrer Rechte beraubt". Weiter heißt es: "Die Ursachen dieser gewaltsamen Reaktionen (eine seit 53 Jahren andauernde Besetzung, Landraub, Vertreibung aus der eigenen Heimat, Errichtung eines rassistischen und auf nationaler und religiöser Ungleichheit aufbauenden ‚Unrechtsstaates’ et cetera) sollen – nach dem Willen der israelischen Führung – aber möglichst stark in den Hintergrund gedrängt werden." Es wird auf Überlegungen hingewiesen, eine Propaganda-Offensive in dieser Richtung zu starten.

Frau Bundesministerin! Es bleibt nichts anderes übrig – wir haben das in der Fragestunde schon erörtert –: Ein Schritt in die richtige Richtung besteht in der Anerkennung und Umsetzung der UNO-Resolutionen 242 und 338, die den Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung ebnen könnten.

Wir wissen, viel Sympathie in der gesamten islamischen Welt und darüber hinaus für die Taliban und für Osama bin Laden entsteht durch diese Ungerechtigkeit – oft vorgetäuscht, aber oft auch als Anlass genommen. Es ist Zorn und Enttäuschung über die Politik, die der Westen gegenüber Israel und den Palästinensern, gegenüber dem Irak, Kaschmir, Bosnien und anderen betreibt.

Die Inderin Arnudhati Roy erinnert in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" an Madeleine Albrights Aussage, die sie machte, als sie 1996 zu den damals rund 500 000 toten irakischen Kindern, welche auf Grund des Wirtschaftsembargos gestorben sind, befragt wurde: Sie sagte, dass die Entscheidung wohl schwer, aber der Preis nicht allzu hoch war. – Das sind Äußerungen, die in den Bevölkerungen dieser Gegend weiterleben, die den Hass gegen den Westen – und damit sind auch wir gemeint – schüren und durch solche Ereignisse eigentlich aufleben lassen. Man erinnert sich!

In diesem Artikel wird weiters erinnert an die nicht erfolgte Auslieferung von Warren Anderson, des Chefs von Union Carbide, der für die Katastrophe von Bhopal in Indien mit 16 000 Toten


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 42

verantwortlich war. Das sind Erinnerungen, die bei solchen Ereignissen aufleben, denen auch wir die Erinnerung gönnen müssen und zu denen wir sagen müssen: Dort sind Menschenrechte wirklich mit Füßen getreten worden!

In den österreichischen, aber auch anderen Zeitungen liest man immer wieder Ähnliches: Was kann getan werden, um diesen Terror zu beheben? – Erstens soll der Kampf gegen Terrorismus nur unter der Aufsicht der UNO stattfinden. Zweitens soll genau zwischen Terrorismus und dem Widerstand gegen eine Besatzung unterschieden werden – das ist es, was heute meine Fragestellung an Sie beinhaltete, Frau Bundesministerin. Drittens soll jede Logik abgelehnt werden, die irgendeine Verbindung zwischen Terrorismus und Islam herstellt. Viertens sollen endlich alle UNO-Resolutionen – insbesondere eben 242 und 338 – erfüllt werden.

In der moslemischen Welt ist die hinhaltende Missachtung palästinensischer Rechte durch Israel und dessen Verbündeten, die USA, ein "Stachel im Fleisch", steht in der "Presse". Dort schreibt Anneliese Rohrer Folgendes: "Die Chance zu einem anderen, besseren Verständnis des Islams im Westen; zur Wiedergutmachung aller Versäumnisse im Nahen Osten und damit zu einer Lösung des Palästinenser-Konflikts" könnte jetzt gegeben sein. Und sie erwähnt: "Die Frage ist nur, ob der Krieg mit Afghanistan der Welt auch die Chance lassen wird, die Chancen zu nützen."

Dazu fällt mir ein Artikel in die Hände, den Friedrich Engels im Jahr 1857 in der "New American Cyclopedia" schrieb. In dem Artikel "Afghanistan" nennt er "ein tapferes, zähes und freiheitsliebendes Volk, welches schon den Briten standgehalten hat" – ganzseitig in der "FAZ" vor drei Wochen erschienen.

Frau Bundesministerin! Ich meine – und möchte damit Lord Russell-Johnston zitieren –: "Den Krieg zu gewinnen mag sich als einfach erweisen. Wenn aber diese Welt wirklich sicher werden soll, müssen wir den Frieden gewinnen. Auf dem Weg dahin müssen wir vorsichtig sein mit dem, was wir tun, aber auch mit dem, was wir sagen." Friede ist nicht ohne Gerechtigkeit möglich! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

11.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich muss ein kleines Versäumnis nachholen und stelle daher fest: Der von den Bundesräten Bieringer, Konecny und Dr. Böhm eingebrachte Entschließungsantrag ist genügend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Ich hätte das bereits vor der Rede des Herrn Bundesrates Mag. Gudenus sagen sollen; bitte verzeihen Sie mir das. Wie gesagt, der Antrag steht mit in Verhandlung.

Frau Bundesministerin, Sie haben das Wort. – Bitte.

11.20

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Lassen Sie mich, obwohl ich in der Fragestunde schon vieles besprochen habe, kurz noch einmal auf die wesentlichen Punkte der heutigen Diskussion eingehen.

Zum Ersten darf ich mich auch im Namen meines Hauses dafür bedanken, dass der Außenpolitische Bericht hier als ein ... (Bundesrat Gasteiger: Noch sind sie nicht vorbei!) Bitte? (Bundesrat Gasteiger: Die wesentlichen Punkte sind noch nicht vorbei!) Gut; ich gehe auf die derzeitige Diskussion ein. – Darf ich noch einmal sagen, dass ich mich freue, dass der Außenpolitische Bericht hier im Hause grundsätzlich gut akzeptiert worden ist. Ich darf auch für die positiven Bewertungen der Mitarbeit meiner Kolleginnen und Kollegen im Außenministerium danken.

Zum Zweiten möchte ich kurz noch einmal das Thema Sanktionen ansprechen. Diese Frage konnte nicht nur auf Grund von Lächeln, Herr Bundesrat Gudenus, sondern auf Grund von sehr viel Professionalität zu einem positiven Ende geführt werden. Man darf sehr oft Angriffe von außen nicht sofort parieren, sondern muss sie professionell aufarbeiten. Ich glaube, das haben


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 43

wir gemacht. (Bundesrat Mag. Gudenus: Die Professionalität spreche ich Ihnen nicht ab!)  – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

Was die Frage des Terrorismus betrifft, so möchte ich dem zustimmen, was von Professor Konecny schon angedeutet wurde. Es ist dies meiner Ansicht nach ein großer Wendepunkt in der gesamten Außenpolitik, und zwar nicht nur in unserer Außenpolitik, sondern meiner Ansicht nach in der gesamten, globalen Außenpolitik, das heißt, vor allem auch für die Vereinigten Staaten. Ich gehe davon aus, dass die Vereinigten Staaten, die einen gewissen Unilateralismus gezeigt haben, in Zukunft zu einem klaren Multilateralismus zurückkehren werden.

Natürlich müssen wir dieses wahnsinnige Ereignis, das enorme Folgen hat, in verschiedenster Form bekämpfen, mit militärischen Maßnahmen – das geschieht derzeit, abgesichert durch die beiden UNO-Resolutionen 1368 und 1373, die ich vorhin schon zitiert habe –, aber selbstverständlich auch mit anderen, diplomatischen Maßnahmen, die vor allem für uns wichtig sind. Deshalb habe ich auch meine Reise in den Nahen Osten durchgeführt, deshalb werden mich weitere Reisetätigkeiten in die Staaten führen, mit denen zu kooperieren eine besondere Notwendigkeit besteht.

Es ist richtig – das wurde immer wieder gesagt –, dass der Nahost-Konflikt zum Teil Prätext, aber zum Großteil auch mit "root cause", sozusagen Wurzel dieses Konfliktes ist. Wir müssen daher versuchen, diese sehr schwierige Frage zumindest einer Lösung näher zu bringen. Ich freue mich – das darf ich hier sagen –, dass die Vereinigten Staaten, wie ich vorhin angedeutet habe, derzeit eine wesentlich aktivere Rolle einnehmen. Denn ohne die Vereinigten Staaten und auch die anderen Partner, die ich vorhin erwähnt habe, werden wir zu keiner Lösung kommen.

Es ist sicherlich auch wesentlich, die Fragen der Armutsbekämpfung anzugehen. Diese sind in den verschiedensten Organisationen, bei den verschiedensten Konferenzen selbstverständlich immer wieder angesprochen worden. Aber ich glaube, hiezu ist auch zu sagen, dass wir nicht nur die Armutsbekämpfung und damit die Mittelgabe in den Vordergrund stellen sollen, sondern auch "good governance", das heißt gute Regierungsführung. Sehr oft gehen nämlich auch unsere Gelder dadurch verloren (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen sowie des Bundesrates Konecny ), dass sie von den eigenen Regierungen schlecht umgesetzt wurden. Ich halte auch das für einen wesentlichen Punkt.

Ein weiterer Punkt, der stärker in den Mittelpunkt rücken wird, ist die gesamte Frage, wie man mit dem Fundamentalismus generell umgehen kann. Dabei geht es vor allem um die Frage von Christentum und Islam beziehungsweise um den Dialog der Zivilisationen. Ich freue mich sehr, dass wir schon im Vorfeld nicht darauf gewartet haben, dass ein solch dramatisches Ereignis eintritt, sondern diese Frage immer wieder besprochen haben. Als Konsequenz dessen sehe ich es aber, dass zum Beispiel sowohl der christlich-islamische Dialog als auch der Dialog zwischen den Zivilisationen – worüber wir bedeutende Seminare und Symposien abgehalten haben – von der Ebene der eminenten Persönlichkeiten und der Eliten herunterkommen muss, und zwar so weit hinunter, dass auch die Bevölkerung, vor allem in den Ländern des Nahen Ostens, darüber überhaupt Bescheid weiß.

Ich habe auf meiner Nahostreise ganz bewusst zusätzlich spirituelle Führer getroffen. Dort habe ich den Großscheich der Al-Asar-Universität getroffen, aber auch den Großmufti von Syrien und den dortigen Religionsminister. Auch jetzt habe ich soeben einen wichtigen Berater gesehen, der mich sofort im Nachhang zu meiner Reise besucht hat. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir uns diesem Dialog stellen, der vielleicht in der gesamten Welt und auch im Rahmen der Vereinten Nationen stärker in den Vordergrund rücken wird.

Es ist auch enorm wichtig, die Einheiten, die wir zur Terrorismusbekämpfung verfügbar haben, zu verstärken. Ich denke hier an die Einheit bei den Vereinten Nationen in Wien, das so genannte ODCCP, wie es im technischen Jargon heißt. Es wird derzeit in den Vereinten Nationen über diese komplexe Frage des Terrorismus gesprochen. Es wird eine eigene kleine Terrorismuseinheit in New York in der UNO geben, aber auch unsere Einheit soll aufgestockt werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 44

Ich darf Ihnen sagen, dass ich derzeit mit unseren Vertretungsbehörden gerade darum bemüht bin, diese Aufstockung zu erreichen.

Da auch die OSZE genannt wurde, möchte ich daran erinnern, dass wir im Vorjahr, als ich OSZE-Vorsitzende war, gerade den zentralasiatischen Ländern besondere Aufmerksamkeit zugewendet haben. Damals haben viele im Parlament – daran kann ich mich erinnern – immer wieder gelächelt, wenn ich das angesprochen habe. Ich kann sagen, es war vorausblickend absolut richtig. Ich freue mich auch, dass es uns gelungen ist, diese Taschkent-Konferenz zu veranstalten. Das war eine Konferenz zwischen der OSZE und dem erwähnten Drogenpräventions- und Kriminalitätsverhütungszentrum der Vereinten Nationen in Wien, die jetzt übrigens unter der rumänischen Präsidentschaft in einer Follow-up-Konferenz in Biskek weitergeführt wird. Denn jetzt hat man erkannt, dass wir genau dort bereits diese Themen vorgegeben und angesprochen haben.

Ich denke vor allem auch daran, dass es mir gelungen ist, die Afghanen zum ersten Mal – allerdings natürlich nicht die Taliban-Vertretung, sondern die offizielle Vertretung – dort einzuladen und auch den UNO-"Special Representative" Vedrell, der selbstverständlich eine besondere Sicht der Dinge weitergeben konnte. Auch in dieser Hinsicht wurde also von Österreich vorausblickend in der Politik gearbeitet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich schließlich auf die Erweiterung eingehen, denn das ist jetzt der nächste Schritt nach Nizza. Ich freue mich, dass wir in Nizza sehr gut verhandeln konnten, und ich danke für die Worte, die dazu gefallen sind. Ich möchte aber vor allem sagen: Was jetzt Not tut, ist, diesen Erweiterungsprozess voranzuführen. Dabei liegen, wie wir wissen, noch schwierige Fragen vor uns, aber ich bin trotzdem zuversichtlich. Wie schon in der Frage der Freizügigkeit der Personen und der Dienstleistungen wird es uns sicherlich möglich sein, auch die schwierigen Fragen Verkehr, Energie sowie Landwirtschaft, die im nächsten Jahr vor uns liegen, und überhaupt die Frage des Gesamtbudgets einer guten Lösung zuzuführen.

Bilateral dazu laufen die Gespräche sowohl mit Tschechien als auch mit Slowenien, Herr Bundesrat Gudenus! Auch da bin ich vorsichtig optimistisch, dass wir diese Gespräche vor dem Beitritt dieser Länder so weit werden abschließen können, dass sie genau in die richtige Richtung gehen, die wir gemeinsam wollen, dass also sowohl bei den Beneš-Dekreten als auch bei den AVNOJ-Bestimmungen beziehungsweise der Denationalisierung eine entsprechende Reaktion erfolgen wird. Ich habe das vorhin angesprochen, es ist x-mal angesprochen worden, daher möchte ich jetzt nicht im Detail darauf eingehen. Aber Junktimierungen lehne ich klar ab! Das habe ich hier bereits erwähnt, und ich möchte es noch einmal sagen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Damit die Erweiterung auch von der Bevölkerung mitgetragen wird, halte ich es für wichtig, dass wir die Österreich-Plattform vorantreiben. Sie wissen, wir haben bereits einige Veranstaltungen gehabt, die sehr gut gelaufen sind. Denn es ist eben sehr wesentlich, dass die Menschen jetzt mit dabei sind und dass wir ihnen jetzt zuhören und nicht am Ende, wenn das Paket ausverhandelt ist, dann ist nämlich nichts mehr zu ändern. Jetzt können wir die Dinge noch beeinflussen! – Daher ist es nicht umsonst, dass ich diese Plattform ins Leben gerufen habe, und ich glaube, das wird auch von den Österreicherinnen und Österreichern anerkannt und mitgenommen.

Eine letzte Bemerkung: Ich darf an dieser Stelle sagen, dass das Außenministerium bei der Vertretung der Interessen Österreichs und der Österreicher wirklich vielfältigste Aufgaben wahrnimmt. Viele werden natürlich routinemäßig vorgenommen, wie etwa die Pflege der Beziehungen zu unseren Partnern in der Welt, die kulturelle Zusammenarbeit, der konsularische Schutz der Österreicher. Aber es sind ständig neue wichtige Aufgabenfelder, die auf uns zukommen und durch die Beiträge zu einer friedlichen Entwicklung und jetzt vor allem auch Beiträge zur Bekämpfung dieses Terrorismus geleistet werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 45

Oft ist das ein Einsatz unter schwierigen Bedingungen. Bei dieser Gelegenheit darf ich gerade die letzten Geschehnisse in der österreichischen Botschaft in Islamabad erwähnen, wie schwierig es für die Botschaft war, sich gegenüber diesem Ansturm von Asylwerbern zu behaupten. Und sie hat sich gut behauptet, wir freuen uns, dass das gelungen ist. Aber ich denke auch an den Einsatz, den die Mitarbeiter des Generalkonsulates in New York rund um die Uhr geleistet haben, als unter allerschwierigsten Bedingungen Österreichern Gewissheit verschafft werden musste, dass keine Angehörigen unter den Todesopfern sind.

Um meine Ausführungen zum Abschluss zu bringen, Frau Präsidentin: Ich glaube, die Aufgaben und Anforderungen an das Außenministerium sind in den letzten Jahren unverhältnismäßig stark gestiegen – und wir haben ein relativ kleines Corps. Auch auf vielen Auslandsposten sind die Arbeitsbedingungen schwieriger und gefährlicher geworden. Daher darf auch ich an dieser Stelle allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die wirklich hervorragende Arbeit danken und danke auch für die positiven Worte, die gefallen sind. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen und der SPÖ.)

11.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon. – Bitte.

11.33

Bundesrat Dipl.-Ing. Hannes Missethon (ÖVP, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Frau Bundesministerin! Ich möchte ebenfalls an die Ereignisse des 11. September anknüpfen, weil auch ich, wahrscheinlich wie viele von Ihnen, fassungslos und entsetzt vor dem Fernsehgerät gesessen bin und im Grunde genommen zunächst geglaubt habe, dass ich einen schlechten Spielfilm sehe. Es war im ersten Moment überhaupt nicht fassbar, was da passiert ist, und ich halte diesen heutigen Entschließungsantrag für ein wesentliches Signal, das vom Bundesrat ausgeht. Es ist ein Signal der Gemeinsamkeit, und es stärkt der Bundesregierung in dieser Frage den Rücken.

Dieser Anschlag hat natürlich sehr viele Ängste ausgelöst. Man merkt es, wenn man mit älteren Mitmenschen hier in Österreich diskutiert. Da werden Erinnerungen wach, da merkt man – wenn man mit Kindern diskutiert, wird man sehr nachdenklich –, dass es auch die Kinder sehr schockiert hat, weil das Wirklichkeit geworden ist, was möglicherweise früher in Form von Computerspielen gespielt wurde.

Wir von der Österreichischen Volkspartei unterstützen selbstverständlich diesen Entschließungsantrag. Über die Ursachen dieser Ereignisse des 11. September gibt es viele Thesen, viele Spekulationen. Einer dieser Punkte ist schon angesprochen worden beziehungsweise wird immer wieder angesprochen, nämlich einer der wesentlichen Konfliktherde, der Nahe Osten, der Konflikt Palästina-Israel, wobei ich betonen möchte, dass ich glaube, dass es zwar nur einer der Konfliktherde ist, aber wahrscheinlich jener mit dem größten Symbolwert.

Die Chance auf eine friedliche Lösung gerade dieses Konfliktes hätte möglicherweise auch einen großen Symbolwert. Das, was auf Seite 62 dieses Außenpolitischen Berichtes 2000, auf der dieses Kapitel behandelt wird, steht, ist eigentlich wie eine böse Vorahnung: bis Mitte des Jahres ein guter Weg in Richtung Friedensprozess, dann die Aktion des Ariel Sharon, nach der es eigentlich wieder losgegangen ist. Ich komme damit auf einen sehr wesentlichen Punkt zu sprechen, weil ich sehr dafür bin, dass wir die Verantwortlichkeiten in dieser Angelegenheit klar festmachen. Ich halte nichts von Diskussionen über Arm und Reich und über Religionen. Wir müssen die Verantwortlichkeiten klar machen, und bei diesem Konflikt kann ich Ariel Sharon aus dieser Verantwortung nicht entlassen. (Bundesrat Dr. Böhm: Ja! – Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!)

Wer nämlich nur Waffen sprechen lässt und den Dialog in einer derartigen Qualität ausgrenzt, ist hauptverantwortlich nicht nur für den Konflikt in Israel, sondern für die gesamte Entwicklung, die in den letzten Wochen und Monaten passiert ist. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP, der Freiheitlichen und der SPÖ.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 46

Ich sage, dass die Israelis ihren Botschafter in Österreich abgezogen haben, ist zwar nicht einmal sekundär, aber auch ein Zeichen dafür, Dialoge abzubrechen. (Rufe bei den Freiheitlichen: So ist es!)

Wir sollten aber nicht den Fehler machen, jetzt mit den gleichen Argumenten quasi zurückzuschlagen. Eine offene, demokratische Gesellschaft hat sich meines Erachtens in erster Linie einmal die Dialogfähigkeit zu bewahren, und wir sollten sehr genau darauf schauen, dass wir diese Dialogfähigkeit in den Ländern weiter pflegen und weiter entwickeln.

Beim aktuellen Konflikt geht es aus meiner Sicht also nicht um einen Kampf zwischen Völkern, schon gar nicht um den Kampf zwischen Arm und Reich – da bin ich nicht ganz der Meinung von Herrn Professor Konecny –, denn diejenigen, die in diesen Ländern für die Armut verantwortlich sind, nämlich Regierungen wie die Taliban, sind in Wirklichkeit sehr reich, unvorstellbar reich, sie sind exzellent ausgebildet, und sie benutzen das Volk und die Religion.

Es geht aus meiner Sicht – und das ist mir sehr wichtig – um eine Auseinandersetzung zwischen Gesellschaftsformen, um eine Auseinandersetzung zwischen offenen, demokratischen, freien Gesellschaften einerseits und geschlossenen und von Abhängigkeiten geprägten Gesellschaften andererseits. Der Grund dafür, warum ich diese Regierungen nicht aus der Verantwortung entlasse, ist, dass diese natürlich speziell und hauptverantwortlich das Gesellschaftssystem im jeweiligen Land prägen und entwickeln. Das muss man sehr klar sagen! Die Taliban-Regierung – und nicht der Westen, nicht die Amerikaner! – hat ein Regime des Schreckens in Afghanistan aufgezogen. Man muss das sehr klar sagen! Diese Vermischung passiert meiner Ansicht nach sehr leicht.

Wir müssen diese Regierenden in die Verantwortung nehmen und auch bei Menschenrechtsverletzungen – ich sage das sehr bewusst – zur Verantwortung ziehen. Wir dürfen sie aus dieser Verantwortung nicht entlassen.

Wie das geht, haben wir im Grunde genommen in Europa bei Milošević gesehen. Ich habe schon damals, vor zwei Jahren, gesagt: Für mich ist das da unten erst beendet, wenn Milošević vor Gericht steht.

Wir müssen diese Gerichtsverfahren nachvollziehbar machen. Nur über Gerichtsverfahren können wir so etwas wie ein Rechts- und ein Unrechtsbewusstsein entwickeln. Das ist für mich ein ganz entscheidender Punkt. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass bei uns in Europa hinsichtlich Slobodan Milošević kein fauler Kompromiss gemacht worden ist, sondern dass es einen Prozess gibt – und das scheint mir ein sehr wichtiger Punkt zu sein, weil die Übeltäter in den Regierungen sitzen; ich sage das mit aller Klarheit dazu.

Welche Auswirkungen hat dieser Aspekt der offenen, freien und demokratischen Gesellschaften auf den EU-Erweiterungsprozess? – Selbstverständlich muss es unser Ansinnen sein, diese Länder in die Europäische Union zu bringen, damit diese Länder selbständig entscheiden, diesen Rechtsbestand zu übernehmen, damit sich durch den Erweiterungsprozess genau diese offenen, freien und demokratischen Gesellschaften auch in den Kandidatenländern, und zwar von selbst, entwickeln.

Wir sollten daher auch – das ist mir im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Gudenus, schon wichtig; ich habe sehr enge Beziehungen zu Slowenien, und wir beide haben während der Präsidentschaft Ihrer Partei quasi die Möglichkeit gehabt, da Gespräche zu führen – jenen Ländern, die jetzt quasi "vor der Tür stehen" – unter Anführungszeichen –, auch einmal unsere Anerkennung und unsere Wertschätzung für ihre Bemühungen auf eben diesem Weg zu offenen und freien demokratischen Gesellschaften ausdrücken, denn vor zehn, 15 Jahren war genau das Gegenteil der Fall. Es ist aus meiner Sicht nicht sinnvoll, wenn man jene Länder auf diese Art und Weise behandelt und sie mit Veto-Drohungen und so weiter draußen haben will. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Gudenus. )

Herr Kollege Gudenus! Sie sagen immer: die EU. Ich möchte daher schon betonen: Die EU ist auch zu einem Teil die Freiheitliche Partei. Ich sage das sehr bewusst dazu. Sie sind auch EU.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 47

(Bundesrat Dr. Nittmann: Inwiefern?) Die EU ist nicht irgendetwas Anonymes, sie ist nicht irgendetwas, was in Brüssel sitzt und keinen Rahmen hat, sondern die EU ist beispielsweise Herr Minister Scheibner, die EU ist beispielsweise (Bundesrätin Schicker: Minister Grasser!)  – ja, klar! – Herr Minister Grasser! All das bedeutet EU!

Ich denke schon, dass wir ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Sind Sie die EU?)  – Ja, ich sage Ihnen ganz bewusst Folgendes, Herr Kollege Gudenus: Speziell nach dem 11. September war ich sehr stolz darauf, Europäer zu sein. (Bundesrat Dr. Nittmann: Europäer und die EU sind zwei verschiedene Paar Schuhe!)  – Lassen Sie mich ausreden! (Bundesrat Dr. Nittmann: Nicht Äpfel mit Birnen vergleichen!) Ich bin sehr stolz gewesen, weil ich gemerkt habe, welchen Vorteil es hat, dass wir nun in einem größeren Verband organisiert sind.

Dazu zwei Punkte: Es ist im Bereich der Finanzmärkte blitzschnell, in einem unglaublichen Tempo und in einer Präzision reagiert worden, und ich glaube, dieser größere Rahmen hat auf die Bevölkerung Sicherheit ausgestrahlt. Darum glaube ich, dass diese EU-Osterweiterung sehr wichtig sein wird, weil dadurch diese Grenzen durchlässig gemacht werden. (Bundesrat Dr. Nittmann: Aber nicht um jeden Preis!) Meines Erachtens werden wir alle im Grunde genommen etwas davon haben. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der SPÖ. – Bundesrat Mag. Gudenus: Die Oberen Zehntausend haben ... etwas davon! Die Armen darben noch immer!)  – Herr Kollege Gudenus! Wie ich Ihren Ausführungen entnehmen konnte, schaut Ihre Außenpolitikvorstellung folgendermaßen aus (Ruf bei der SPÖ: Er versteht es nicht!): Sie wollen unseren Botschafter aus Israel zurückholen, dafür wollen Sie Saddam Hussein einen Botschafter schicken, und mit der EU wollen Sie nichts zu tun haben! So schaut Ihre Form von Außenpolitik aus. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten der ÖVP und der SPÖ.)

Abschließend noch Folgendes: In dieser für alle sehr unsicheren und turbulenten Zeit sind meiner Ansicht nach Besonnenheit und nicht Selbstaufgabe, vorbereitender Schutz und nicht Rache – diese Unterschiede sind mir wichtig! – zu fordern. Priorität des Handelns soll die Gabe sein, auch Unterschiede und Differenzierungen und die sorgfältige Abwägung von entsprechenden Strategien und Wegen zu entwickeln – da bin ich Ihrer Meinung –, aber ebenso entschlossenes Handeln. (Zwischenrufe der Bundesräte Dr. Nittmann und Grissemann. ) Die Bundesregierung hat dabei unsere volle Unterstützung, sie hat in den letzten Wochen auch eine wirklich sehr gute Performance gezeigt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.44

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Reisenberger. – Bitte.

11.44

Bundesrat Harald Reisenberger (SPÖ, Wien): Frau Vizepräsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich beim Außenpolitischen Bericht ein bisschen mit EU-Fragen beschäftigen und kann, obwohl ich mich im Prinzip den Ausführungen meinen Vorrednern – meiner Fraktion zumindest, aber auch meinem direkten Vorredner – anschließen kann, die Euphorie des Berichtes nicht ganz teilen, denn ich muss feststellen: Der Außenpolitische Bericht 2000 liest sich wie eine Chronik des Weltgeschehens. Das ist zwar richtig, das ist notwendig. Herr Mag. Strugl hat schon gesagt: Es hat sich viel getan! Allerdings: Österreichs Außenpolitik und die Position der österreichischen Bundesregierung zu den verschiedensten Fragen der internationalen Politik werden nur vereinzelt dargestellt.

Frau Ministerin! Sie verweisen in Ihrem Vorwort auf die "schwierigen und nicht alltäglichen Bedingungen ..., die sich aus der Verhängung von bilateralen Sanktionen durch die 14 EU-Partner" für die österreichische Außenpolitik "ergaben."  – Ich werde darauf noch zu sprechen kommen.

Als Schwerpunkte der österreichischen Außenpolitik nennen Sie die Regierungskonferenz über die institutionelle Reform der EU, den Erweiterungsprozess der EU, die Strategische Partnerschaft, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Österreichs Vorsitz in der OSZE, die Tätigkeit in internationalen Organisationen und die Auslandskultur. Ich habe jedoch – und das


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 48

ist meine Kritik daran, verzeihen Sie mir – fast keine politische Bewertung dieser Dinge festgestellt.

Nach den heutigen Wortmeldungen der Freiheitlichen, etwa jener des Kollegen Gudenus, kann ich mir allerdings schon vorstellen, dass wahrscheinlich auch dieser Bericht ein bisschen davon geprägt ist, dass der Regierungspartner eine ganz andere Einstellung zu dieser Politik, zu dieser EU, zu diesem Europa hat. Zur Aussage von Mag. Gudenus, die FPÖ sei die einzige Partei, die europakritisch ist (Ruf bei den Freiheitlichen: EU-kritisch!), würde ich eher sagen: Sie ist die einzige Partei, die alle 5 Minuten eine andere Meinung zu Europa hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn davon gesprochen wird, dass die FPÖ Sachlichkeit in die Regierung gebracht hat, dann darf ich doch die Wortmeldungen des – schon richtig – einfachen Parteimitgliedes Haider gegenüber Brüssel und allen anderen in Erinnerung rufen, die, so glaube ich, schon ein Zeichen von "Sachlichkeit" sind. Somit stelle ich fest, und ich glaube, viele mit mir, dass wir unter Sachlichkeit etwas ganz anderes verstehen als Ihre Fraktion, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Freiheitlichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eben dieses einfache Parteimitglied aus Kärnten hat auch eine Präambel unterschrieben, und eben dieses einfache Mitglied hat vor kurzem erst wieder bewiesen, was für ihn Unterschriften wert sind. Bei Flüchtlingen unterscheidet er auch sehr genau, und alle, die nicht aus Europa oder aus der näheren Umgebung sind, sind für ihn keine Flüchtlinge. (Widerspruch der Bundesrätin Dr. Kanovsky-Wintermann. )

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn das die Sachlichkeit ist, wenn das die Realität ist, von der die Freiheitlichen sprechen, dann bin ich von diesen Eigenschaften weit entfernt. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Ministerin, nur noch zu ein paar Punkten, die den EU-Teil betreffen: Die Strategische Partnerschaft, die wir mittlerweile "regionale Partnerschaft" nennen, die ein Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik gewesen sein soll oder ist – ich sehe das schon auch so –, wird im Bericht mit einem knappen Absatz gewürdigt. Ich glaube – auch wenn ich Ihnen zugehört habe –, es gäbe darüber wesentlich mehr zu berichten, wir verkaufen uns damit gerade in diesen Fragen, die mir doch sehr wichtig erscheinen, ein bisschen unter unserem Wert.

Eine Darstellung der bilateralen Beziehungen zu jenen Ländern, die Teil der Strategischen Partnerschaft sein sollen, fehlt im Bericht komplett. Ich habe sie nicht gefunden.

Eine Einschätzung der Rolle Österreichs innerhalb der EU fehlt ebenso wie eine Einschätzung der bilateralen Beziehungen Österreichs zu seinen EU-Partner nach der formellen Aufhebung der Sanktionen. Die Darstellung der Entwicklung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik konzentriert sich auf den militärischen Bereich. Während in vielen Bereichen die österreichische Position völlig unerwähnt bleibt, wird im Bericht ausdrücklich festgehalten, dass Österreich ein einheitlichen EU-NATO-Planungsverfahren befürwortet. Das Kapitel zum Thema "Konfliktverhütung und ziviles Krisenmanagement" ist im Gegensatz dazu sehr kurz gehalten.

Welchen Stellenwert die österreichische Außenpolitik den nicht-militärischen Formen der Konfliktlösung beimisst, wird anhand folgender Formulierung deutlich – ich zitiere Seite 38 des Berichtes –: "Die Krisen auf dem Balkan haben deutlich gezeigt, dass nach der Phase der militärischen Friedensdurchsetzung stabile und geordnete Verhältnisse nur durch einen gleichzeitigen Einsatz militärischer und ziviler Mittel zu erreichen sind." – Ich unterschreibe das völlig. Mir ist das ebenfalls wichtig, nur: Es ist mir gerade deswegen wichtig, dass wir uns auch über jene Mittel, die mit nicht-militärischen Möglichkeiten gegeben sind, in einem verstärkten Ausmaß auseinander setzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die NATO kann und darf für uns nicht jenes Wundermittel sein, für das sie manche halten, die denken: Wir treten bei, und alles ist erledigt! – Es ist schlimm und tragisch, dass Sie, Frau Ministerin, heute mitgeteilt haben: Es sei schon richtig, Sie hätten es zuerst durch die Medien erfahren, seien dann zwar schon angerufen wor


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 49

den, aber damit zeige sich auch die Wertigkeit, ob man NATO-Mitglied sei oder nicht. (Zwischenbemerkung der Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. )  – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das kann es doch nicht sein: dass wir uns deswegen zur NATO bekennen sollen oder wollen oder wie auch immer, damit jemand vielleicht ein bisschen früher anruft oder nicht. Das ist eine Verpflichtung und kein Wunschdenken, das wir Österreicher zu haben haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen. – Zwischenbemerkung der Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner. )  – Ja, es ist Realität, Frau Ministerin, Sie sagen es! Nur – nicht böse sein! –: Ihr zweifelsohne großer Charme bringt uns über viele Sachen hinweg, nur er hilft uns dabei nicht, er ist vergeudet in solchen Situationen (neuerliche Zwischenbemerkung der Bundesministerin Dr. Ferrero-Waldner ), und es ist schade darum.

Es ist wirklich schade darum, denn ich frage mich, wie man mit solchen Menschen, mit derartigen Systemen umgehen soll. Ich stehe zu einer Friedenspolitik, zu einer Krisenbekämpfung mit friedlichen Mitteln. Damit meine ich aber eine Friedenspolitik, die, um nicht falsch verstanden zu werden, nicht gleichzusetzen ist mit dem, was Kollege Gudenus von der angeblichen Ungesetzlichkeit der britischen und amerikanischen Angriffe sagte. Es ist meiner Meinung nach schon ein Zeichen dafür, welche Einstellung zur Sachlichkeit auf dieser Seite vorherrscht, wenn man in Frage stellt, dass es vor allem humanitäre Überflüge Österreichs in diesem Fall gibt, wenn man in Frage stellt, dass es in diesem Fall um eine echte Krisenbekämpfung geht, die dazu gehört. Das sind zwei verschiedene Dinge.

Es geht aber weiter darum – mein Vorredner hat es sehr schön gesagt, auch in Bezug auf das, was sich bezüglich Milošević abgespielt hat, als ein Teil der ganzen Angelegenheit auf dieser militärischen Ebene bewältigt werden musste, nur: ein ganz wichtiger und großer Teil ist derjenige ... (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Das hat aber die NATO gemacht!)  – Das hat bitte nicht nur die NATO gemacht! Die NATO war auch und sicherlich bestimmend dabei, allerdings wissen wir alle auch, dass es die NATO allein nicht gemacht hat. (Bundesrat Dipl.-Ing. Missethon: Aber wesentliches ...!) Das wissen wir alle! Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, ist eine andere Geschichte.

Ein weiterer Punkt, der mir auch noch wichtig erscheint, ist, dass die Auslandskulturpolitik als Schwerpunkt dargestellt wird. – Das unterschreibe ich ebenso! Die Schließung des Kulturinstituts in Paris – erster Bericht: 5. 12. 2000 – wird nicht angesprochen. Die Notwendigkeit für die nach der Schließung des Pariser Kulturinstituts präsentierte Reform der Auslandskulturpolitik – Einbeziehung der Kulturinstitute in die Botschaften, Etikettierung als Kulturforen, auch wenn es sich nur um einen Kulturattaché handelt – ist aus dem Bericht nicht ersichtlich, Frau Ministerin!

Manche Aussagen, etwa jene zum Thema Krisenzone Balkan, sind so lapidar, dass sie wie eine Provokation des Lesers klingen – ich zitiere –: "Überhaupt ist die Förderung von Stabilität in der Region die primäre Motivation für das internationale Engagement am Balkan: Entwicklungen, die potenziell ein Mehr an Stabilität bringen, werden unterstützt, wohingegen destabilisierende Tendenzen die gegenteilige Behandlung erfahren." – Nachzulesen auf Seite 45 des Berichtes.

Andere Passagen ergeben schlicht keinen Sinn – ich zitiere neuerlich –: "Während das Jahr 2000 am Balkan nun einerseits durch das Fehlen einer massiven und akuten Krise mit einem entsprechend hohen Blutzoll geprägt war, wurde jedoch andererseits in vielen Ländern beziehungsweise Gebieten ein Wettbewerb zwischen Extremisten und Moderaten geführt." – Siehe dazu die Ausführungen auf Seite 43 des Berichtes.

Ich glaube, dass Österreich in diesem Bereich als neutrales Land, als nicht NATO-Mitglied, einen doch sehr wesentlichen und wichtigen Beitrag leisten kann – und Sie haben das heute auch in einigen Äußerungen schon beschrieben. Lassen wir uns und lassen Sie sich, Frau Ministerin, nicht durch den einen Teil dieser Regierung – wenn ich es als die Politik insgesamt der Freiheitlichen bewerten darf oder muss, die wir heute gehört haben – dazu bringen, Maßnahmen zu setzen, die in eine Richtung gehen, die nicht zum Wohle Österreichs, die nicht zum Wohle der EU, sondern die dem Wohle einzelner persönlicher Überlegungen ist! (Ruf bei den Freiheitlichen: ... dieser Tanz ums Goldene Kalb!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 50

Meine Damen und Herren! Es gibt einen alten Spruch, der sinngemäß lautet: Freunde, so stark wie unsere Feinde, und Feinde, so hilflos wie manche unserer Mitstreiter – das wäre ein ganz toller Sieg für uns! – In diesem Sinne wünsche ich uns viel Erfolg für die Zukunft.

Es ist schon gesagt worden: Meine Fraktion wird diesem Bericht selbstverständlich zustimmen. Er ist im Großen und Ganzen ein guter Bericht, nur hätte ich es eben gerne gesehen, wenn einige für mich doch wichtige Punkte etwas deutlicher beschrieben wären. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesminis-terin. – Bitte.

11.55

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Benita Ferrero-Waldner: Ich möchte doch einige ganz kurze Anmerkungen dazu machen.

Erstens: Es war immer vereinbart und ausgemacht und von allen Fraktionen befürwortet, dass der Außenpolitische Bericht ein kurzer Bericht sein sollte, ein Faktenbericht – das heißt, darin kann man nicht sämtliche Werturteile finden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)  – Er ist selbstverständlich von meinem Hause gemacht, das heißt, wir stehen voll dahinter.

Zweitens: Die "regionale Partnerschaft" kann überhaupt noch nicht darin stehen, denn sie ist eine Initiative des Jahres 2001, von mir als solche gesetzt; die werden Sie im nächsten Außenpolitischen Bericht finden.

Und drittens, zur Frage der Schließung des Kulturinstituts in Paris, möchte ich sagen: Es ist nicht das Kulturinstitut geschlossen worden, sondern es wird das Gebäude verkauft, aber das Kulturinstitut als Kulturforum wird mit einem sehr tüchtigen, neuen, jungen Mann, der außerdem ausgezeichnet französisch spricht und sich sehr gut dort eingeführt hat, weil er schon einmal als Nummer 2 am früheren Kulturinstitut gearbeitet hat, selbstverständlich fortgeführt werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.56

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Böhm. – Bitte.

11.57

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Wieder einmal liegt uns ein Außenpolitischer Bericht vor, der von höchster professioneller Qualität zeugt und für dessen Ausarbeitung daher den leitenden Beamten des Außenamtes Dank und voller Respekt gebührt.

Niemand von uns konnte auch nur erahnen, welch beklemmende aktuelle Bedeutung die in diesem Bericht bereits klar aufgezeigten Tendenzen jüngst erlangen würden. Daher erscheint es angebracht, auf überdauernd zutreffende Analysen in diesem Bericht kurz hinzuweisen, die dem Ernst der Stunde in der gegenwärtigen weltpolitischen Situation entsprechen.

Bezeichnend dafür sind nicht zuletzt die knappen Ausführungen, mit denen der Bericht unter dem Titel "Die universelle Zusammenarbeit – Die Vereinten Nationen" und dem Untertitel "Tätigkeit des Sicherheitsrates" auf Afghanistan Bezug nimmt. Dabei gestehe ich meine persönliche unverzeihliche außenpolitische Bildungslücke ein, dass es mir zunächst völlig entgangen war, dass im Berichtsjahr 2000 die an sich schon 1999 beschlossenen Sanktionen gegen das Taliban-Regime bis auf weiteres verlängert worden sind. Zu deren Begründung wird lapidar angeführt – ich zitiere –:

"Dies erschien notwendig, da die Taliban der vom Sicherheitsrat gestellten Forderung nach Auslieferung von Osama bin Laden (mutmaßlich für Bombenanschläge gegen die US-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 51

Botschaften in Nairobi und Dar-es-Salaam sowie für Mordkomplotte gegen US-Staatsbürger außerhalb der USA verantwortlich) nicht nachgekommen sind. Im Dezember wurden die Sanktionen schließlich auf Drängen der USA und Russlands weiter verschärft." – Zitatende.

Der nachträgliche und exzessive Terroranschlag vom 11. September 2001 sollte trotz der Neuartigkeit seiner Dimension den Blick auf die damit angedeutete Kontinuität nicht verstellen. Das Bedrohungspotenzial des internationalen Terrorismus, das von bestimmten fundamentalistischen Bewegungen oder Organisationen ausgeht, ist auch zuvor schon, auch bereits in Analysen zur österreichischen Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin, durchaus erkannt worden.

Gewiss gilt das allein für die politische Diagnose, aber haben wir seit dem höchst fatalen 11. September bereits auch die politische Therapie dagegen gefunden? – Denn mit einem militärischen Gegenschlag allein – und mag er noch so sehr dem völkerrechtlich begründeten Recht auf Selbstverteidigung entsprechen – ist es ja nicht getan:

Damit ist nach allgemeiner fachkompetenter Einschätzung ein internationales Netzwerk sicherlich nicht zu zerschlagen.

Mir geht es dabei auch keineswegs um den in diesem Zusammenhang allzu unerheblichen semantischen Streit, ob die USA und ihre Verbündeten, wenn auch gedeckt durch Beschlüsse des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, eine bloße internationale Polizeiaktion vollziehen oder einen echten Krieg führen, und wenn es denn ein Kriegsfall wäre, ob die so genannte Neutralität Österreichs dann eingreift oder nicht, wenn die Maßnahmen durch Beschlüsse der Vereinten Nationen gerechtfertigt sind, oder ob gar die Neutralität Österreichs nicht ohnehin längst obsolet geworden ist. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Gerade heute und an diesem Ort – und hier teile ich die Einschätzung des Kollegen Konecny – und aus diesem tragischen Anlass sollten wir uns alle darin einig sein, juristischen Kleingeist beiseite zu lassen und auf innenpolitisches Kleingeld zu verzichten. Leider haben das nicht alle Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion beherzigt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Worum wir bemüht sein sollten, ist, die Einsicht zu gewinnen und zu fördern, dass militärische Aktionen im Kampf gegen grenzüberschreitenden, insbesondere fundamentalistisch-religiös oder auch sozio-ökonomisch begründeten Terrorismus immer nur ein Element bilden, aber nicht die definitive Lösung bedeuten können. Mein hoffentlich nicht allzu optimistischer Eindruck ist indes, dass diese Einsicht bei den tragenden weltpolitischen Akteuren ohnehin zunehmend wächst. – Auch darauf haben einige meiner Vorredner schon zu Recht hingewiesen.

Darauf deutet auch die bereits im heute erörterten Bericht erwähnte Achse zwischen den USA und Russland bei den Sanktionen gegen das Taliban-Regime hin. Diese auf den ersten Blick nahezu unfassbare neue Achse mag, und zwar wohl auf beiden Seiten, nicht uneigennützig sein; aber da halte ich es – entgegen dem moralischen Puristen Immanuel Kant – gerne mit dem Altmeister der politischen Philosophie Hegel, der meinte, dass "das Gute nicht stets aus guten Gründen geschieht, ist eben eine List der Vernunft und auch der Geschichte".

Vor allem aber muss es uns um die Befriedung höchst sensibler Krisengebiete gehen – darauf ist heute auch schon zu Recht mehrfach hingewiesen worden –, insbesondere im Zusammenhang mit dem so genannten Nahost-Konflikt zwischen Israel und Palästina und dem Kaschmir-Konflikt zwischen Indien und Pakistan. Am erst genannten Schlüsselproblem ist Österreich in alter Tradition zwar nicht erst, aber gewiss in besonderem Maße durch und seit Bruno Kreisky beteiligt.

Bewusst knüpfe ich daran auch den erfolgreichen Vorstoß des Iran, eine Resolution zum Thema "Menschenrechte und kulturelle Vielfalt" im Konsens der Vereinten Nationen durchzubringen. Ebenfalls der Iran brachte auf Initiative des Präsidenten Khatami, unterstützt von allen EU-Staaten, eine Resolution zum Dialog der Zivilisationen ein. Das scheint mir deshalb so wichtig zu sein, weil wir nur auf solcher Ebene eine interkulturelle weltpolitische Lage meistern können, in der die einen konstatieren, dass wir uns bereits inmitten des von Samuel Huntington be


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 52

schriebenen Zusammenpralls der Kulturen befinden, und andere gerade vor diesem Konflikt im Zeichen des Toleranzgebotes eher pastoral warnen.

Erlauben Sie mir die politische Unkorrektheit, dass ich an dieser Stelle auch jene Mahner in Schutz nehme, die bei aller gebotenen Differenzierung der Glaubensrichtungen auf latente Gefahren fundamentalistischer Ansätze – und dies leider eben auch im Islam – hinweisen und die diesen Gefahren auch im Bereiche der inneren Sicherheit und des freiheitlichen Rechtsstaates begegnet wissen wollen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dazu biete ich Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, ein Sie wohl alle, und zwar über die Parteigrenzen hinweg, überzeugendes Beispiel: Im vorliegenden Außenpolitischen Bericht wird in Bezug auf Frauenfragen Folgendes korrekt dargestellt – ich zitiere –:

"Eine Initiative zur Unterbindung von Verbrechen an Frauen und Mädchen im Namen der Ehre stand im Mittelpunkt der Aktivitäten der Generalversammlung zur Förderung der Rechte der Frau". Wahrheitsgetreu müsste eingeräumt werden: "Diese Initiative bildete den Anlass für außergewöhnlich kontroversielle Diskussionen zwischen Vertretern islamischer Staaten und der westlichen Staatengemeinschaft. Die Resolution fand keinen Konsens und musste mit einer Abstimmung angenommen werden." – Zitatende. Ich denke doch, dass wir alle diese Botschaft verstehen.

Generell ist gerade in diesem Zusammenhang positiv hervorzuheben, dass Österreich im Rahmen der Europäischen Union gemeinsam mit der Gruppe lateinamerikanischer Länder viel für die Entwicklungen im Bereich der Rechte der Frau sowie der Kinderrechte erreicht hat.

In dieser Perspektive der kulturellen Vielfalt und des Schutzes vor Diskriminierungen erwähne ich nicht zuletzt den Einsatz Österreichs gemeinsam mit Dänemark für den Schutz der indigenen Völker.

Nach all diesen weitgehend weltpolitischen Themen darf ich zuletzt auch noch auf besondere, heute auch schon angesprochene außenpolitische Anliegen von uns allen, insbesondere aber meiner Fraktion, zu sprechen kommen.

Einen Meilenstein dabei bildete meines Erachtens, dass Italien am 5. Dezember des Jahres 2000 das Zusatzprotokoll zum Madrider Übereinkommen über grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften unterzeichnet hat. Denn das stellt erstmals die formelle Zusammenarbeit zwischen Tirol, Südtirol und dem Trentino im Rahmen der Europa-Region auf eine neue Ebene. Die Gebietskörperschaften erhalten dadurch das Recht, entsprechende Vereinbarungen zu schließen sowie zur Umsetzung gemeinsamer Projekte Einrichtungen mit oder ohne Rechtspersönlichkeit zu schaffen.

Bedauerlich finde ich lediglich, dass all das in der Länderinformation unter dem Titel Italien nicht vorkommt. Im Länderteil akzeptiere ich hingegen bei Behandlung der Republik Slowenien uneingeschränkt folgende Feststellung – ich zitiere wieder –:

"Österreich hat die Vertreibung und entschädigungslose Enteignung von 15 000 bis 35 000 deutschsprachigen Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die auf Grund der Kollektivschuldvermutung der AVNOJ-Bestimmungen erfolgte, immer als nach heutigen Maßstäben menschen- und völkerrechtswidrig abgelehnt." – Zitatende.

Es ist also keine bilaterale Frage, sondern eine Frage der Menschenrechte und des Völkerrechts. Meine Fraktion begrüßt und unterstützt daher jede Bemühung, das Problem der Bestimmungen im slowenischen Denationalisierungsgesetz auf politischer wie auch auf Beamtenebene zur Sprache zu bringen.

Gleiches gilt für die Klarstellung im Verhältnis zur Tschechischen Republik – ich zitiere erneut –: "Österreich hat die Vertreibung und entschädigungslose Enteignung von Millionen deutschsprachiger Menschen aus der damaligen Tschechoslowakei, die auf Grund der Kollektivschuld


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 53

vermutung der von Präsident Benesch 1945 erlassenen Dekrete erfolgten, immer als nach heutigen Maßstäben menschen- und völkerrechtswidrig abgelehnt." – Zitatende.

Auch hiebei wird im Bericht betont, dass die Frage der Weitergeltung dieser Dekrete auch im Jahre 2000 – und daher auch 2001 – wiederholt sowohl auf politischer als auch auf Beamtenebene gegenüber der Tschechischen Republik zur Sprache gebracht worden ist. Allerdings mag selbst das Zur-Sprache-Bringen im nachbarschaftlichen Kontext zu wenig sein.

Diese Besorgnis leitet nahtlos zum Thema des Atomkraftwerkes Temelin über. Im Länderbericht über die Tschechische Republik vermisse ich nämlich jeglichen Hinweis auf diese Problematik. Freilich wird sie an anderer Stelle unter dem Kapitel "Nachbarschaftspolitik" und im Unterkapitel "Umweltschutz" beziehungsweise "Nuklearschutz" behandelt.

Die Ergebnisse des in Verbindung damit beschlossenen Melker Prozesses vom 12. Dezember 2000 erscheinen mir jedoch allzu dünn. Die Fragen der Sicherheit und der Umweltverträglichkeit nach europäischen Standards sind damit zweifellos nicht ausreichend beantwortet. Ich räume freilich ein, dass sich  die EU– zumindest formell ausgelegt – zu keinen einheitlichen Standards bis dato bereit gefunden hat.

Somit gelange ich zu meinem abschließenden Resümee: Gewiss stimmt meine Fraktion bei den Bestrebungen "Schwerpunktsetzungen und Ergebnissen der österreichischen Außen- und Europapolitik" vielleicht nicht in jeder einzelnen Nuance überein, dessen ungeachtet aber steht sie hinter der Gesamtlinie, der Gesamttendenz unserer Außen- und Europapolitik und bejaht vor allem den vorliegenden Außenpolitischen Bericht 2000. Wir Freiheitlichen nehmen ihn daher mit voller Zustimmung zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.10

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte.

12.10

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses! Das dominierende Thema im Außenpolitischen Bericht 2000, wenn man der Einleitung zu diesem Bericht folgen kann, ist der europäische Integrationsprozess im Jahr 2000, insbesondere die Regierungskonferenz über die institutionelle Reform der Europäischen Union und der Vertrag von Nizza, der im Dezember 2000 die Voraussetzung für diese weiteren Integrationsschritte bilden soll.

Es heißt dort wörtlich: "Diese Erweiterung ist ein Quantensprung in der Entwicklung Europas." Auf dieser Seite des Berichtes ist die Rede davon, dass "die europäische Zone des Friedens, der Sicherheit und des Wohlstandes auf den östlichen Teil Europas ausgedehnt werden soll, der zu lange durch den Eisernen Vorhang von den demokratischen und marktwirtschaftlichen Entwicklungen des Kontinents getrennt war".

Es bestehen die Chance und die Hoffnung, "dass sich der Balkan von einer Krisenzone zu einer Stabilitätszone entwickelt", heißt es in einem weiteren Teil des Außenpolitischen Berichtes.

Auf Seite 130 dieses Berichtes ist die Rede von den freien Wegen in diesem neuen Europa und in diesem Integrationsprozess. Im Kapitel "Donauschifffahrt" steht, dass Österreich derzeit den Präsidenten der Donau-Kommission stellt und einen wesentlichen Anteil an der Ausarbeitung des Projektes zur Räumung der Fahrtrinne der Donau bei Novi Sad leistet. Der von österreichischen und ungarischen Experten gemeinsam ausgearbeitete Antrag auf Finanzierung der Räumungsarbeiten wurde vom Europäischen Rat gebilligt. 26 Millionen wurden bereitgestellt, um diesen Engpass zu räumen.

Es wird in diesem Bericht auch die Hoffnung ausgedrückt, nein, sogar die Bestimmtheit vermittelt: Mit der Durchführung und dem Abschluss der Räumungsarbeiten und damit der Wiederherstellung der freien Schifffahrt auf dem jugoslawischen Sektor der Donau ist im Sommer 2001 zu rechnen. Der Sommer ist zu Ende, und die Räumung ist nicht erfolgt. Ich glaube, man soll das


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 54

auch kritisch anmerken: Fortschritte in diesem Bereich sind nicht erzielt worden! Das muss man einfach anmerken. Ich glaube, dass aus diesem Bericht die drängende Ungeduld des Ministeriums erkennbar ist.

Wir wissen, dass es für den freien und marktwirtschaftlichen Prozess eines integrierten Europas ein großes Hindernis ist, dass dort immer noch die Schifffahrt behindert ist und dass unsere, vor allem grundstofforientierte Industrie in Oberösterreich, VOEST-Alpine und andere Betriebe, von diesen Transporten abhängig sind, die aber vierzehn Tage lang stehen müssen, weil die Räumung nicht erfolgt ist.

Die Donau-Kommission kann auch ein zweites Problem nicht lösen, nämlich die Entfernung der Pontonbrücke. Das erinnert an Raubritter-Mentalität. Diese Pontonbrücke bei Novi Sad wird nur alle vierzehn Tage geöffnet, und die Schiffe müssen vierzehn Tage lang warten. Pro Tonne wird mindestens 1 Dollar Maut verlangt, damit die Schiffe überhaupt durchfahren können. Das ist für den freien Güterverkehr in einem freien Europa einfach nicht tragbar.

Bei der Freimachung wird dilettiert. Obwohl von der Europäischen Union schon voriges Jahr ein großer Betrag bereitgestellt wurde – es war die Rede von 28 Millionen Euro –, ist nichts weitergegangen. Wir leiden darunter. Die Bundesländer Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, die wesentliche Hafenstandorte besitzen, leiden darunter. Die österreichische Wirtschaft leidet darunter, insbesondere die Industrie und der Handel leiden darunter. Die Freimachung sollte beschleunigt werden.

Es wurde ein Projektteam in guter Verwaltungsmanier eingesetzt, mit dem ehemaligen Direktor des Hafens von Paris besetzt. Dieses macht eine Ausschreibung, um darüber zu befinden, wer dann die Ausschreibung für die Arbeiten machen soll. Zuerst wird das Ingenieurbüro ausgeschrieben, dann muss das Ingenieurbüro die Arbeiten für die Räumung ausschreiben und so weiter. Ein dänisch-ungarisches Konsortium soll dann dort werken. Die Ausschreibung ist noch immer nicht erfolgt, wir werden auch noch im nächsten Jahr diese Hindernisse für den freien Warenverkehr, für die freie Marktwirtschaft vorfinden. Ich glaube, dass auch das Außenministerium sein Augenmerk verstärkt auf die Arbeit dieser Kommission legen soll, dass dort etwas weitergeht und vor allem das zweite Problem, nämlich die Pontonbrücke von Novi Sad, beseitigt wird.

Ich habe Verständnis für den serbischen Standpunkt: Ein Mal Aufmachen kostet 1,3 Millionen Schilling; das ist eine gute Einnahme in Devisen für die Stadt Novi Sad. (Bundesrat Mag. Gudenus: Die haben sie ja auch nicht kaputtgemacht!) Deshalb habe ich Verständnis dafür. Sie sagen: Richtet alles her, wir helfen mit, aber bezahlt dafür!

Ich glaube daher, dass es sinnvoll wäre, dass das Außenministerium dem Prozess der Räumung der Donauschifffahrtsrinne und in weiterer Folge auch der Beseitigung der Pontonbrücke in Novi Sad mehr Augenmerk schenkt.

Warum ist das für uns ein wichtiges Thema? – Es ist deshalb wichtig, weil, wie gesagt, die Wirtschaft darunter leidet, weil durch eine Studie erst kürzlich bekannt geworden ist, dass durch die EU-Erweiterung mit enormen Zunahmen des Güterverkehrs aus den Reformstaaten nach Österreich und in die anderen Länder zu rechnen ist, weil einerseits die Schiene, die Autobahn, die Bundesstraßen an ihrer oberen Kapazitätsgrenze angelangt sind und weil andererseits die Schleusen der Donau erst zu 20 Prozent ausgelastet sind. Da gibt es noch Kapazitäten. Was auf der Wasserstraße befördert werden kann, soll auch dort transportiert werden, damit die Straße von diesen Transporten entlastet werden kann.

Ich ersuche deshalb nochmals die Verantwortlichen im Außenministerium, insbesondere die Frau Außenministerin selbst, mehr Augenmerk auf die Arbeit dieser Donau-Kommission und auf diese Themen zu legen, damit wir wirklich gerüstet sind für ein integratives Europa, das zusammenrücken soll.

Bruno Kreisky und Franz-Josef Strauß – das muss man neidlos anerkennen – haben das Projekt Rhein-Main-Donau-Kanal geschaffen. Ich halte das für ein sinnvolles Projekt. Eine Durch


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 55

fahrt, eine Verkehrslinie von Rotterdam bis zum Schwarzen Meer – das ist doch ein Angebot, eine europäische Perspektive im Sinne des Einigungsprozesses und des freien Güterverkehrs in einem neuen Europa, in einem friedlichen Europa.

Ich glaube, da sollten wir anschieben, da sollten wir Druck machen, damit dieses europäische verkehrspolitische Projekt Rhein-Main-Donau-Kanal seinen vollen Beitrag zu einem friedlichen und marktwirtschaftlich freien Europa auch in Zukunft leisten kann. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.19

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Klaus Gasteiger. Ich erteile ihm das Wort.

12.20

Bundesrat Klaus Gasteiger (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es ist schade, dass die Frau Außenministerin den Saal schon verlassen musste, mir ist aber gesagt worden, sie müsse zum Treffen mit einem UNO-Botschafter, und deshalb ist sie entschuldigt, das ist überhaupt keine Frage. In solch sensiblen außenpolitischen Zeiten wie momentan, ist so etwas selbstverständlich wichtig, das ist überhaupt kein Thema.

Trotz allem – und ich ersuche Sie, der Frau Ministerin vielleicht das eine oder andere Gesprochene zu übermitteln – attestiere ich ihr neidlos in politisch so sensiblen Zeiten wie diesen eine gute Arbeit, trotz des einen oder anderen Fettnapfes – nicht Fettnäpfchen –: in Genua zum Beispiel oder der New Yorker Bauskandal mit 450 Millionen Schilling. – Aber da gibt es noch ihren Koalitionspartner (Bundesrat Dr. Nittmann: Das musste ja kommen!), der es immer wieder in periodischen Abständen oder zu ganz bestimmten Anlässen versteht, die österreichische Bevölkerung, viele Diplomaten und ausländische Regierungen mit bestimmten Äußerungen zu verunsichern. Ich verweise dabei auf die antisemitischen Bärentaler Rülpser während der Wiener Wahl, besser bekannt als Causa Muzicant. Ich verweise auf die Hetzkampagne der Freiheitlichen zum Thema EU-Osterweiterung; dazu ist heute aber schon vieles gesagt worden.

Was aber all das übertrifft sind die jüngsten Äußerungen freiheitlicher Spitzenrepräsentanten – wenn sie auch nur einfache Parteimitglieder sind – zu den traurigen Geschehnissen am 11. September. Dass Haider zuletzt den Terror in den USA dazu verwenden wollte, politisches Kleingeld zu wechseln, in dem er vorerst linke Globalisierungsgegner der Anschläge verdächtigte und dann faktisch die Flüchtlingskonvention in Frage stellt, war einfach widerwärtig oder im O-Ton des Landeshauptmannes Weingartner "schäbig". (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Haider im ORF sagt, alle nach Österreich einreisenden Flüchtlinge seien Terroristen, Kriminelle und Mörder, und das mehrfach während des Interviews erwähnt, dann kennt man die Züge dieses Menschen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Das ist nicht wahr! Das stimmt nicht! So hat er es nicht gesagt!) Ich habe das sehr gut im Ohr, genau so hat er es gesagt: Terroristen, Mörder, Kriminelle! Das können Sie nicht abstreiten. (Bundesrat Dr. Böhm: Viel differenzierter! Alle?)

Aber wen wundert es, wenn man mit einer Show-Truppe – anders ist diese Organisation wohl nicht zu bezeichnen – in eine Regierungskoalition eintritt. Sonst könnte es nicht sein, dass man versucht, mit nicht überlegten Worten in dieser sensiblen Zeit in den Medien unterzukommen.

Was mich aber schon wundert, war die Legitimation der Frau Bundesministerin heute vor zirka zwei Stunden über die Haiderschen Äußerungen, dass dies "als politische Zielsetzung zu interpretieren" sei. Das von Seiten der Frau Ministerin zu hören hat mich sehr verwundert.

Wissen Sie, was man normalerweise mit solch einem Koalitionspartner – da meine ich in Person Herrn Haider – macht? (Bundesrat Dr. Böhm: Er ist nicht Koalitionspartner!)  – Wer hat denn die Präambel unterschrieben? Der Koalitionspartner, oder nicht? Was macht man mit solchen Menschen? – Normalerweise verlangt man seinen Rücktritt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Nittmann: Das hättet ihr gern!) Aber das dürfte natürlich etwas schwierig sein,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 56

weil die Alternativen dazu fehlen. Deshalb muss man sich auf der Nase herumtanzen lassen. (Bundesrat Dr. Nittmann: Lieber Kollege! Weihnachten ist in drei Monaten!)

Wenn dann diese Show-Truppe noch versucht, Außenpolitik zu machen, was eigentlich gar nicht ihr Geschäft, sondern das Geschäft der Frau Bundesministerin ist (Bundesrat Dr. Böhm: Und der Regierung!)  – der Frau Bundesministerin, sie ist dafür zuständig, sie ist die Außenministerin, oder? (Bundesrat Dr. Böhm: Auch die Regierung muss hinter der Außenpolitik stehen!)  –, dann wundert es mich noch mehr, dass sie diese Politik in Staaten zu machen versucht, die der internationalen Staatengemeinschaft eher fragwürdig erscheinen, um das einmal salopp zu formulieren: in Staaten mit Diktatoren, in Staaten, die die Menschenrechtskonvention verletzen – einfach Staaten, die bedenklich sind.

Wenn man eine irakisch-österreichische Gesellschaft gründet, um die Beziehungen zwischen der FPÖ und dem Irak zu verbessern, als deren Vizepräsident der Irak-Fan Ewald Stadler fungiert, der nach dem New Yorker Terror Saddam Husseins Ansicht, dies sei eine Folge der zionistischen Politik der USA, bezeichnet, dann ist das mehr als sehr bedenklich. (Bundesrat Dr. Böhm: Und was ist Ihr Fritz Edlinger?)

Wenn sich in diese Reihe dann noch Bundesrat Gudenus gesellt – bekommt er für diese Äußerungen über den Irak und über Israel einen Orden oder wird er Großmufti, ich weiß es auch nicht – und diese Anschläge für nur beklagenswert und nicht mehr hält, dann aber die einseitige Parteinahme der USA verantwortlich macht, dann weiß man, was man von solch einem Koalitionspartner zu halten hat.

Zurück zu den Niederungen der aktuellen Debatte, zur Diskussion über den Außenpolitischen Bericht: Ich bedanke mich bei den Mitarbeitern der Frau Außenministerin für dieses sehr interessante Konvolut, es ist ein Stück Zeitgeschichte. Interessant für einen Tiroler ist natürlich: Was macht man mit Südtirol? – Unter Punkt 5, Seite 126, Autonomieentwicklung, steht geschrieben, dass der Übergang des Lehrpersonals auf das Land, die Errichtung der Universität Bozen, die Übergabe der Staatsstraßen, die Übergabe von Staatsimmobilien und so weiter in der Verfassung neu geordnet wurden. – Für einen Tiroler, der, wenn er politisch interessiert ist, Zeitungen liest, ist dies nichts Neues, für einen Tiroler Sozialdemokraten sowieso nichts Neues, weil er wie auch viele andere Tiroler oft nach Südtirol fährt, um politische Kontakte und Gespräche zu haben. Insgesamt, wie gesagt, ist die Entwicklung in Südtirol sehr erfreulich.

Erfreulich im Sinne der Südtiroler Autonomieentwicklung ist allerdings auch die Volksabstimmung, die vergangenen Sonntag in Südtirol durchgeführt worden ist, die ein eindeutiges Votum für den Föderalismus ergeben hat. Trotzdem heißt es für die Schutzmacht Österreich, aufzupassen, vorsichtig zu sein, da man nicht weiß, was alles von der Berlusconi-Regierung kommt. Diesbezüglich teile ich die Bedenken des Herrn Landeshauptmannes Durnwalder nach der Regierungsumbildung in Rom zur Gänze.

Abschließend wünsche ich der Frau Außenministerin, den Mitarbeitern im Ministerium, dem gesamten Diplomatischen Corps in den nächsten Wochen und Monaten viel Fingerspitzengefühl, viel Charme, um die österreichische Außenpolitik für die Republik Österreich und der hier lebenden Bevölkerung sicher gestalten zu können. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster und vorerst letzter Redner ist Herr Bundesrat Willi Grissemann. Ich erteile ihm das Wort.

12.28

Bundesrat Wilhelm Grissemann (Freiheitliche, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der 11. September hat uns alle verändert. Vieles ist neu zu bewerten, vieles ist neu zu hinterfragen. Vieles, was uns wichtig war, ist es nicht mehr, und der Schock sitzt tief, sehr tief.

Herr Kollege Gasteiger! Der Schock sitzt bei mir aber auch tief über Ihre Äußerungen, war doch bisher der Verlauf dieser Debatte von hohem Niveau geprägt. Ich habe praktisch jedem Debat


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 57

tenredner zustimmen können, und es war sichtlich jeder Redner bemüht, gerade in Zeiten wie diesen, alles zu unterlassen, was verbal falsch gedeutet werden und natürlich nicht im Interesse der Politik liegen kann, die wir in den nächsten Wochen auch gemeinsam zu tragen hätten, eben im Hinblick auf die Ereignisse des 11. September. Ich sage Ihnen, Herr Kollege Gasteiger, Ihre Wortmeldung war äußerst unklug. Ich kann nur den zweiten Teil zustimmend zur Kenntnis nehmen, in dem Sie sich mit Südtirol auseinander gesetzt haben.

Ich kann auch nicht erkennen, warum Sie so vehement – ich betone es nochmals – gerade in Zeiten wie diesen versuchen, in unserem Haus Zwietracht – Hass ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber Zwietracht – zu säen. Ich kann darin beim besten Willen (Zwischenruf der Bundesrätin Mag. Trunk ), gerade auch im Hinblick auf die Behandlung des Außenpolitischen Berichtes, keinen Sinn erkennen. Da wäre eine gewisse Einheit und ein gewisser Gleichklang der Dinge angezeigt. (Zwischenruf des Bundesrates Gasteiger. )

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Außenpolitische Bericht ist ein Spiegelbild der österreichischen Diplomatie. Er hat eine positive Seite, zum Beispiel den Vorsitz Österreichs bei der OSZE, aber er hat natürlich auch eine negative Seite. Ich komme damit auf die Sanktionen der anderen 14 EU-Mitgliedstaaten zu sprechen. Diese Sanktionen füllen seitenweise den Bericht. Man kann und darf einfach nicht darüber hinweggehen, und man soll sich die Ereignisse von damals nochmals in Erinnerung rufen. Bereits vor Angelobung der Bundesregierung am 4. Februar 2000 hat sich Belgien besonders hervorgetan.

Ich darf das chronologisch auflisten: Ende Jänner 2000 verlangte Belgien in einem Schreiben an den portugiesischen EU-Ratsvorsitz ein gemeinsames Vorgehen der 14 EU-Mitgliedstaaten gegen die sich abzeichnende Regierung. Ich darf noch einmal darauf hinweisen: gegen die sich abzeichnende Regierung, die auf Grund demokratischer Wahlen legitim zu Stande gekommen ist.

Am 31. Jänner 2000 veröffentlicht daraufhin die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft eine Erklärung im Namen von 14 EU-Mitgliedstaaten über folgende Maßnahmen:

Erstens: Die Regierungen der 14 EU-Mitgliedstaaten werden keinerlei offizielle bilaterale Kontakte auf politischer Ebene mit einer österreichischen Regierung unter Einbindung der FPÖ betreiben oder akzeptieren.

Zweitens: Es wird keine Unterstützung für österreichische Kandidaten geben, die Positionen in internationalen Organisationen anstreben.

Drittens: Österreichische Botschafter werden in den EU-Hauptstädten nur noch auf technischer Ebene empfangen. – So weit, so gut.

Diese angedrohten Maßnahmen sind auch tatsächlich am 4. Februar 2000 mit der Angelobung der österreichischen Bundesregierung in Kraft getreten. Noch einmal zur Erinnerung: Das war am 4. Februar 2000!

Ein paar interessante Aspekte nebenbei: Interessant ist, dass sich neben Norwegen insbesondere die Tschechische Republik diesen Sanktionen vehement angeschlossen hat. Es drängt sich bei mir die Vermutung auf, dass damit die Themen Temelin und Beneš-Dekrete elegant zugedeckt werden sollten.

Bemerkenswert ist allerdings auch, dass sich die Slowakei gemeinsam mit Ungarn, Slowenien, der Schweiz und Liechtenstein den Sanktionen ausdrücklich nicht angeschlossen haben. Wahre Freunde zeigen sich in außergewöhnlichen Situationen! Ich empfehle der Frau Bundesministerin – ich hätte es ihr gerne direkt empfohlen (in Richtung Bundesminister Mag. Molterer ); ich bitte den Herrn Bundesminister, ihr das auszurichten –, sich diese Tatsache oft in Erinnerung zu rufen und sollte sich die Gelegenheit ergeben, sich diesbezüglich auch bei diesen Ländern erkenntlich zu zeigen. Warum nicht? – Wahre Freunde erkennt man in der Not. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 58

In weiterer Folge kam es besonders in der ersten Phase der Sanktionen zu zum Teil unglaublichen Äußerungen. Ich möchte mich ganz kurz fassen und an einige dieser Boykottmaßnahmen erinnern. Wir sollten das nicht vergessen. Da gab es den Brüsseler Bürgermeister, der Österreich ausdrücklich von der Tourismusmesse ausgeschlossen hat. Bitte, das nicht zu vergessen! Da gab es den belgischen Außenminister, der ausdrücklich gesagt hat: Schifahren in Österreich ist unmoralisch. (Bundesrat Dr. Böhm: Mittlerweile will er wieder kommen!)  – Mittlerweile will er wieder kommen, so höre ich. Er ist jedenfalls in unserem schönen Land willkommen, wenngleich wir auch manches nicht vergessen werden.

Da gab es natürlich auch den französischen Teil Belgiens, der Unfrieden in das eigene Land hineingetragen hat. Viele flämische Belgier, die unser schönes Land besuchen – sie sind Gäste in unserem schönen Imst, und ich kenne viele über all die Jahre hinweg –, haben mir gesagt, der belgische Außenminister hat damit ausdrücklich Unfrieden auch in ihr eigenes Land gebracht und versucht, einen Keil zwischen Österreich und Belgien zu treiben. – Dies nur zur Erinnerung.

Ein weiterer Aspekt: Es ist interessant, dass sich der deutsche Bundeskanzler und sein Außenminister, die sich beide in dieser Angelegenheit besonders hervorgetan haben, total im Gegensatz zur öffentlichen Meinung und zur Stimmung in Deutschland befunden haben. Das ist auch ein einmaliger Vorgang, dass sich völlig abgekapselt ein deutscher Bundeskanzler und ein deutscher Außenminister überhaupt nicht um die Meinung im eigenen Land geschert haben. Hauptsache, man hat Österreich geschulmeistert, belehrt und bedrängt. Auch das sollte man sich merken, falls sich diese Herrschaften in irgendeiner Form vielleicht einmal an Österreich wenden sollten – sei es in Form einer Unterstützung oder einer Zusammenarbeit. Man wird schon wieder ins Gespräch kommen. Ich habe auch das Gefühl, die Peinlichkeit steht ihnen direkt ins Gesicht geschrieben. Sie wollen das gar nicht mehr hören, davon bin ich überzeugt. Das ist ein peinlicher Teil der Geschichte der EU, ein wirklich peinlicher Teil!

Hohes Haus! Dieser Bericht bringt Fakten, und ich darf eine Bewertung vornehmen. Die Frau Bundesministerin hat ihre nicht leichte Aufgabe in diesen Wochen bravourös geleistet – keine Frage. Sie hat mit der gesamten Bundesregierung, zusammen mit dem Bundeskanzler und mit unserer Vizekanzlerin, wesentlichen Anteil daran, dass die Aufhebung dieser ungerechten Sanktionen möglich wurde. Dafür an alle Dank!

Noch ein kleiner Aspekt: In einer ähnlichen Konstellation, nämlich bei der Regierungsbildung in Italien, gab es keine Reaktion, keine moralische Entrüstung, nichts dergleichen. Ich will das nicht näher kommentieren, man versteht mich auch so.

Stichwort Italien: Der Südtirolteil im Bericht ist bemerkenswert kurz. Ich betrachte das als ein sehr gutes Zeichen. Befürchtungen, dass die neue italienische Regierung einen Rückschritt für Südtirols Autonomie bedeutet, sind bis dato unbegründet. Südtirol ist geradezu ein Musterbeispiel für das friedliche Zusammenleben verschiedener Völker. Gerade in diesen Zeiten sollten möglichst viele politische Entscheidungsträger aus der ganzen Welt dieses schöne, friedliche Land besuchen. Ich glaube, es wäre gut, sich ein Bild davon zu machen, dass ein friedliches Zusammenleben verschiedener Völker absolut möglich ist.

Hoher Bundesrat! Wir Freiheitlichen nehmen den vorliegenden Außenpolitischen Bericht zustimmend zur Kenntnis. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.38

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 59

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist angenommen.

Es liegt weiters ein Antrag der Bundesräte Ludwig Bieringer, Professor Albrecht Konecny und Dr. Peter Böhm sowie Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend Solidarität gegen den Terror vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist somit angenommen. (E. 170)

2. Punkt

Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2000 (Grüner Bericht 2000) (III-224-BR/01 sowie 6453/BR der Beilagen)

3. Punkt

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2002 gemäß § 9 Abs. 2 LWG (III-225-BR/01 sowie 6454/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies: Grüner Bericht 2000 und Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2002 gemäß § 9 Abs. 2 LWG

Die Berichterstattung über diese Punkte hat Herr Bundesrat Günther Köberl übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Günther Köberl: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2000, Grüner Bericht 2000.

Der Bericht gliedert sich in: Gesamtwirtschaft und Agrarsektor in Österreich, Österreich im Europäischen Binnenmarkt, Landwirtschaft und Umwelt, Agrarstruktur sowie vor- und nachgelagerte Wirtschaftsbereiche der Landwirtschaft, Agrarproduktion und Märkte 2000, Auswertungsergebnisse von Buchführungsunterlagen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, Empfehlungen der § 7-Kommission an den Bundesminister, Förderungen für die Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, Frauen in der Landwirtschaft, soziale Sicherheit in der Landwirtschaft, Tabellenverzeichnis mit Tabellenteil.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Oktober 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bringe weiters den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2002 gemäß § 9 Abs. 2 LWG.

Der Bericht gliedert sich in: Präambel, Einkommenssituation 2000, Empfehlungen der § 7-Kommission, Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft 2002, Zusammenfassung.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 60

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Oktober 2001 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Würschl. Ich erteile ihm das Wort.

12.41

Bundesrat Herbert Würschl (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Grüne Bericht umfasst über 360 Seiten. Ich möchte den Verfassern dazu gratulieren, dass sie so ein professionelles Werk zusammengestellt haben. Ich möchte das insofern betonen, weil dieser Bericht inhaltlich recht gut ist. Ich bin selbst kein Bauer, aber für mich ist das durchaus interessant formuliert. Der Bericht ist – in meinen Augen – methodisch ausgezeichnet aufbereitet. Deshalb darf ich am Beginn meiner Ausführungen den Verfassern dieses Berichtes dazu gratulieren, dass sie solch ein umfassendes und informatives Werk der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt haben. (Allgemeiner Beifall.)

Natürlich ist an diesem Grünen Bericht auch eine kleine Kritik anzubringen, aber da stellt sich die Frage, wer an den Defiziten, die hier zu finden sind, schuld ist. Ist es der Minister, der natürlich Weisungsrecht gegenüber den Beamten hat, oder ist es die Angst der Beamten, gewisse Dinge nicht zu formulieren? – Ich weiß es nicht. Vielleicht kann ich hiezu dann einige Informationen auch vom Herrn Minister hören.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich meine mit dieser Kritik den Bereich, dass zwar ausgesprochen informative Fakten gegeben sind, aber dort, wo es interessant wird, nur noch ein paar Zeilen aufscheinen, die sehr versteckt sind. Ich habe zum Beispiel Seite 120 in diesem Werk recht interessant gefunden, auf der etwa Folgendes formuliert ist:

In Wirklichkeit ist das österreichische Problem in der Landwirtschaft, dass die Differenzen zwischen geringen und hohen Einkommen im Vergleich zum Vorjahr abermals größer wurden. – Nur gezählte drei Zeilen braucht man dafür, und das in einer schmalen Spalte.

Das ist die einzige Bemerkung, die sozialkritisch angebracht wird. Man bräuchte, wenn man das ernst nimmt, tatsächlich mehrere Seiten, um diese Thematik abzuhandeln. Ich weiß nicht, warum die Beamten das nicht getan haben.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es fehlt hier ganz eindeutig die kritische Auseinandersetzung mit der Landwirtschaftspolitik in Österreich. Es ist politisch ganz eindeutig, wer dafür verantwortlich ist. Darüber brauchen wir keinen Vaterschaftsstreit zu führen. Die Verantwortlichen sitzen mit den höchsten Bauernbundfunktionären und ÖVP-Funktionären hier.

Sehr geehrte Damen und Herren! Aus der Statistik, die auch nur in einer kleinen Zeile vorkommt, geht hervor, dass ein Zehntel der österreichischen Bauern als so genannte Großgrundbesitzer bezeichnet werden können. Diese Großgrundbesitzer in Österreich mit 200 Hektar Grund und mehr kassieren 30 Prozent des Bauerneinkommens ab. Das passt mir nicht! Es gibt Kleinbauern, es gibt Biobauern, es gibt Bergbauern, die wegen dieser ÖVP-Politik durch die Finger schauen. Und das ist für mich nicht akzeptabel.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Sie derzeit durch Kärnten fahren, sehen Sie haufenweise Plakate, so, als stünden Wahlen in allen Bereichen auf der Tagesordnung, im Landtag, zum Nationalrat, zum Europaparlament et cetera. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. ) In Wirklichkeit finden in Kärnten am 18. November Landwirtschaftskammerwahlen statt. Einige oder die meisten von euch werden wissen, was 16-Bogen-Plakatständer sind. Diese überziehen derzeit ganz Kärnten. Das sind Riesenplakatflächen! Darauf sieht man das "einfache" Parteimitglied der Freiheitlichen Partei, das heute schon zitiert worden ist. Die zweite Person kenne ich


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 61

nicht. Das dürfte der Spitzenkandidat der Bauern sein. Haider lacht also herunter. Er ist zwar Großgrundbesitzer – arisiertes Vermögen als Bauer –, aber ich muss Dr. Haider Recht geben. Es wird höchstwahrscheinlich relativ unbekannt sein, was auf den Plakaten zu lesen ist. Ich zitiere: "Bauernbefreiung beginnt in Kärnten." (Demonstrativer Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Wir haben interessante Diskussionen darüber geführt – nicht nur mit den Bauern, sondern auch in Wirtshäusern oder wo auch immer –, von wem Herr Haider eigentlich die Bauern befreien will. Ich muss sagen, ich finde mich auf einmal in der Nähe des Herrn Dr. Haider wieder, ich habe Sympathien für ihn, denn er kann nur drei Aspekte meinen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die freiheitliche Riege wird es mir verzeihen, wenn ich versuche, Herrn Dr. Haider zu zitieren.

Herr Minister! Es kann wohl nur sein, dass die Bauern von Ihrer Politik befreit werden wollen! Erstens wollen sie von der ÖVP-Regierungsverantwortung befreit werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens – würde ich meinen – haben die Bauern in Österreich ein Anrecht darauf, von den ÖVP-Bauernbundfunktionären – ist gleich: Großgrundbesitzer – befreit zu werden. (Ironische Heiterkeit bei Bundesräten der ÖVP.)

Drittens: Es tut mir Leid, es tut mir eigentlich sehr Leid ... (Bundesminister Mag. Molterer: Wissen Sie, wie viele Hektar der Präsident des Bauernbundes hat?)  – Ich komme noch darauf zurück. Ich bedauere heute außerordentlich den dritten Punkt, der nicht unwesentlich ist. Laut Statistik hat nämlich ein hoher Prozentsatz der Bauern Kredite. Ich würde Herrn Dr. Haider auch in diesem Punkt zustimmen: Die Bauern sind von den Raiffeisenbonzen zu befreien. (Beifall bei der SPÖ.) Einer sitzt heute leider nicht hier; ob er entschuldigt ist oder nicht, weiß ich nicht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Steuerzahler, ich genauso wie der Arbeiter, der Steuern zahlt, sorgen dafür, dass die österreichischen Bauern über 17 Milliarden Schilling (Bundesrat Steinbichler: Das muss eine alte Rede sein!), ein relativ hoher Betrag, mit Direktzuschüssen abkassieren. Und das ärgert mich auch wieder! Mit diesen 17 Milliarden Schilling – genau sind es 17,8 Milliarden Schilling, wie es im Bericht formuliert ist – werden in erster Linie wieder die Großgrundbesitzer bedient. Ich bitte Sie: Vergessen Sie die Kleinbauern nicht, vergessen Sie die Biobauern nicht, vergessen Sie die Bergbauern nicht, die unter harten Bedingungen ihre Arbeit leisten! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich komme noch auf eine kleine Anmerkung zu sprechen, die an und für sich eine Provokation in einem dicken Bericht von 368 Seiten ist, den ich vorhin sehr gelobt habe. Da steht in nicht einmal einem Satz, sondern in einem Klammerausdruck zu lesen (Unruhe bei er ÖVP), dass Bauern in der Zone 4 – dafür muss man schon wieder ein wenig Information haben oder ein Experte sein oder was auch immer –, die unter den härtesten Bedingungen arbeiten, in einem Jahr einen Einkommensrückgang von 11 Prozent hatten. Schämen Sie sich nicht?

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten bitten darum, dass in der Landwirtschaftspolitik in Zukunft verstärkt die Arbeitskraft, der kleine Bauer zu fördern, zu unterstützen ist. Wir sind dafür, dass die Umweltleistungen verstärkt berücksichtigt werden. Ich darf dringend darum bitten – und da fordere ich wieder die Funktionäre des Bauernbundes auf –, auch den Aspekt zu berücksichtigen, dass heute sehr viele Bauern – unter Anführungszeichen – "verschuldet" sind und dass wir bemüht sein sollten, zu erreichen, dass von der Landwirtschaftskammer oder von wem auch immer – die Arbeiterkammer macht das für die Arbeiter und Angestellten – Vergleiche angestellt werden, zu welchen Bedingungen Bauern Kredite von der Raiffeisenbank – unter Anführungszeichen – "nehmen müssen".

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, dass die ÖVP-Großgrundbesitzer in Zukunft weniger in diesem Politikbereich zu reden haben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 62

12.50

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Leopold Steinbichler das Wort. – Bitte.

12.50

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vorweg gilt auch mein Dank den Beamten und Mitarbeitern im Ministerium für dieses umfassende Werk. Kollege Würschl hat es anfangs richtigerweise gewürdigt. Ich sehe das auch so. Ich glaube, es bietet einen guten Einblick für all jene, die sich für die Problematik Landwirtschaft interessieren.

Gratulation auch an den Herrn Minister: In diesen Zeitraum sind auch gewaltige und internationale Krisen gefallen, und es wird auch, wie der Berichterstatter erwähnt hat, die Lage der österreichischen Landwirtschaft im Binnenmarkt dargestellt. Ich glaube, in solch schwierigen Zeiten wie der BSE-Krise, die den Bauernstand bis in die Fundamente erschütterte und auch jetzt noch erschüttert, der Maul- und Klauenseuche und einem medial inszenierten Medikamentenskandal bedarf es einiger Ruhe und Besonnenheit, um das Schiff zu steuern.

Ich wollte mich bei Kollegen Schennach entschuldigen, weil ich gesagt habe, ich möchte versuchen, etwas Realität in dieses Zahlenwerk zu bringen, weil ich Angst vor manchen dunkelgrünen Visionen habe. Ich bitte, das nicht parteipolitisch zu sehen. Ich zitiere Frau Ministerin Künast, die in der letzten Ausgabe der "top agrar" zitiert wurde, die meinte, sie sei aus einem Traum erwacht und habe sich die Situation der Landwirtschaft und des Landes im Jahre 2010 vorgestellt. Ich habe große Sorge, dass man solche Minister schnell aufwecken muss, damit sie nicht an der Realität vorbeileben, denn zum Träumen ist keine Zeit. Ich glaube, das ist ganz wesentlich. Wenn man sieht, welch gewaltigem Strukturwandel wir unterliegen und was hier vor sich geht, dann ist zum Träumen fürwahr keine Zeit.

Kollege Würschl! Du hättest nicht erwähnen müssen, dass du kein aktiver Bauer bist, das ist ganz klar. Es würde mir auch schwer fallen, eine Statistik von einem Bereich zu kommentieren, für den ich nicht richtig kompetent bin.

Ich darf aber doch etwas anmerken und – bevor ich dann doch einige Sätze zur SPÖ und zur neuen Strategie für den ländlichen Raum sage – einige Punkte aus der Realität ins Spiel bringen. Ich habe Sorge – so wie von dir, lieber Kollege, der Bereich der Großbauern und der Milliardeneinkommen kommentiert wurde –, dass das völlig falsch gesehen wird. Ich möchte hier einen Bereich erwähnen, zugestehend, dass es Sparten gibt, die einen Einkommenszuwachs erzielen konnten, in dem die Entwicklung Gott sei Dank positiv war, wie in diesem Grünen Bericht richtig ausgewiesen wurde.

Ich darf dazu einiges anmerken: Positiv verlief diese Entwicklung deshalb, weil durch Investitionsmaßnahmen technische Verbesserungen und Produktivitätssteigerungen erreicht werden konnten. Wir brauchen uns nicht darüber zu unterhalten, welche Kosten diese technischen Investitionen heute verursachen; ich glaube, das wird völlig unterschätzt.

Wenn die deutsche Landmaschinenindustrie mit einem Minus von 17 Prozent völlig darnieder liegt, dann fürchte ich, dass diese Entwicklung auf Österreich überschwappt und wir dann in der Folge sehr große Probleme auf den Arbeitsmärkten bekommen, vor allem wenn man bedenkt, dass in Österreich derzeit 140 000 Menschen hauptberuflich in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt sind. Zusammen mit den im vor- und nachgelagerten Bereich Beschäftigten sind es 660 000 Leute. Das wird immer noch völlig unterschätzt, auch von Spitzenmedien, die sich einfach zu schreiben trauen, die Landwirtschaft sei ein unproduktiver Sektor, und man müsste sich eigentlich das Hobby Landwirtschaft gar nicht mehr leisten, weil über multifunktionale Märkte Lebensmittel, egal welcher Qualität, viel günstiger zu bekommen wären.

Ich denke, da müssen auch die Medien einlenken und endlich darstellen, welch wesentliche Rolle eine funktionierende Landwirtschaft auf dem Arbeitsmarkt spielt, aber auch welchen Wert eine gepflegte Kulturlandschaft hat. Was ist die Alternative dazu? Wildnis und Investitionen auf dem Arbeitslosenmarkt? – Ich glaube, das muss man schon in einem Gesamtzusammenhang sehen, und ich bitte auch hier die Medien, in Zukunft besser zu recherchieren und in Anbetracht ihrer wichtigen und verantwortungsvollen Aufgabe die Sachverhalte besser darzustellen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 63

Ergänzend zu den Statistiken darf ich einige Preisbeispiele bringen, anhand derer wir sehen, dass es ausgehend von der BSE-Krise natürlich fatale Verluste im gesamten Rinder- und Grünlandbereich gab. Es gab bisher noch keine Entschädigung für die krisengeschüttelten Rinderbauern.

Wenn man sich um die Bauern im ländlichen Raum sorgt, Herr Kollege Würschl, dann sollte man bedenken, dass – ich bringe ein Preisbeispiel – im Jahre 1989 das Kilogramm Stier netto 54 S gekostet hat, 1994 47 S, 1999 37 S und jetzt vor einem Monat, also 2001, von meinem Sohn vermarktet, 33 S.

Ich darf auch noch das Beispiel der Milchproduktion bringen, weil Sie sich so um die kleinen Betriebe sorgen. Verglichen mit dem europäischen Durchschnitt sind die Strukturverhältnisse in der österreichischen Landwirtschaft sehr klein. Wir liefern – durch einen gewaltigen Strukturwandel verursacht – im Jahr durchschnittlich 40 000 kg Milch pro milcherzeugendem Betrieb ab. Das sind 100 Liter pro Tag, was ein "riesiges" Tageseinkommen in der Höhe von 535 S brutto ausmacht. Abzüglich der Produktionskosten, AVA und zusätzlicher Kosten ergibt sich ein Nettoverdienst in Höhe von 220 bis 240 S, je nach Betriebsform.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache mir große Sorgen, wenn man im Vergleich dazu bedenkt, dass der Spengler 900 S pro Stunde kostet, wenn das Auto in einer KFZ-Werkstätte repariert werden muss, dass beim Landmaschinenschmied 650 S pro Stunde zu bezahlen sind und dass vom Tierarzt unter 1 000 S überhaupt keine Behandlung mehr erfolgt.

Ich möchte mir auch eine Seitenbemerkung erlauben, weil immer wieder Ratschläge von Tierschützern kommen und in offenbarer Unwissenheit Verschärfungen der Gesetze gefordert werden. Präsident Schwarzböck hat es auf den Punkt gebracht, was mit dieser ständigen Verschärfung der Gesetze, der Vorschriften und der Normen erreicht wird, nämlich die Gefährdung eben jener kleinen Betriebe. Außerdem schwanken die wissenschaftlichen Meinungen hier gewaltig. Ich habe das Beispiel von Herrn Professor Haiger hier an dieser Stelle schon gebracht, der vor 15 bis 20 Jahren noch auf der Seite der Intensivstbetriebe gestanden ist und heute auf der Seite der so genannten Tierschützer steht. Man muss im Umgang mit dieser Materie sehr vorsichtig sein.

Wie sieht es denn mit der landwirtschaftlichen Praxis aus? Hat sie der Bauer, der im Betrieb arbeitet oder hat sie derjenige, der es in den Büchern gelesen hat? – Herr Kollege Würschl! Sie haben ein Beispiel dazu gebracht, wie gefährlich es ist, wenn man Bücher liest und kommentiert.

Ich möchte noch eines erwähnen. Herr Kollege Würschl! Bleiben wir beim ländlichen Raum! Ich habe Sorge, wenn sich die SPÖ in Form einer neuen Linie besonders stark um den ländlichen Raum bemüht. Ich weiß nicht, wo diese Entwicklung herkommt, vielleicht aus einem Glaubwürdigkeitsverlust bei der eigenen Klientel. Wenn Gewerkschaftsproteste und Urabstimmungen mit gewissen Schwierigkeiten erfolgen, dann sucht man sich neue Betätigungsfelder.

Aber ich frage, Herr Kollege: Wo war Ihre Stellungnahme zum Finanzausgleich, zum abgestuften Bevölkerungsschlüssel, womit ganz bewusst – und ich habe es Kollegen Konecny damals gesagt – der ländliche Raum schlechter gestellt wird? Wer erklärt mir den Unterschied in der Wertigkeit und warum ein Wiener finanziell in etwa doppelt so hoch abgegolten wird wie ein Einwohner einer Landgemeinde? – Erst dann können wir glaubwürdig über die Erhaltung der Struktur im ländlichen Raum, über Investitionsmaßnahmen und über die Attraktivität des ländlichen Raums diskutieren.

Ich bringe noch ein Beispiel aus dem ländlichen Raum. Studiengebühren sind für uns am Land kein Thema, weil sich die Universitäten im Zentralraum befinden. Aber wie gehen wir denn mit der Ausbildung der Facharbeiter um? Wie gehen wir mit der Unterstützung von "Karriere mit Lehre" um? – Wir diskutieren scheinheilig. 5 000 S Studiengebühren?! Wissen Sie, was meine Tochter bezahlt hat, damit sie in Wien im Anschluss an eine Kochlehre die Patisserieschule besuchen kann? 29 000 S vorweg, damit man überhaupt einen Platz bekommt! Darüber müssen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 64

wir diskutieren! Wie schaut die Chancengleichheit im ländlichen Raum aus? Wie gehen wir mit der Thematik Facharbeiter um? Wir wissen, dass es gerade im ländlichen Raum, in den bäuerlichen Familien viele Kinder und Gott sei Dank eine hohe Geburtenrate gibt. Da wird nicht jeder Bauer, aber welche Ausbildungschancen hat er? Welche Möglichkeiten hat er? Und das müssen wir fairerweise ... (Bundesrat Mag. Hoscher: Wer sitzt denn in der Regierung?)  – Kein Problem, Herr Kollege! Auf diese Frage habe ich gewartet.

Ich bin Bauer und denke sehr langfristig, und ich werde nicht meinem Sohn morgen Vorwürfe machen, dass er den Betrieb übernommen hat. Bei der Regierung denke ich genauso. Sehen wir das als Ganzes! Ich habe keine Vorwürfe gemacht, ich möchte nur einbringen, dass man das durchleuchten sollte, wenn man sich zur Thematik ländlicher Raum äußert und diese Perspektive etwas breiter anlegt. Darum und um Unterstützung von Ihrer Seite, von Seiten der Opposition, würde ich bitten. Damit ist das Thema Finanzausgleich erledigt.

Der Hüttenwirt war offenbar sehr fair, als er Ihrem Parteivorsitzenden Gusenbauer, als dieser jetzt auf einer Bergwanderung in der Steiermark war – zum Thema ländlicher Raum; man hat es im ORF gesehen –, empfohlen hat: Seien Sie vorsichtig, der Weg ist glitschig! – Ich glaube, das war eine Empfehlung von einem Praktiker.

Ich bitte Sie, die Ansätze, die ich einzubringen versucht habe, zu berücksichtigen.

Ich möchte abschließend noch auf die Bedeutung einer gepflegten Kulturlandschaft für den Tourismus- und Freizeitbereich hinweisen. Das ist meiner Meinung nach eine wesentliche Grundlage dafür, um auch den Gästen, die Österreich sehr schätzen, nicht nur von der Sicherheit, sondern auch von der Qualität der Produkte, von der Qualität der Kulturlandschaft, der gesamten Einrichtungen her, in Zukunft dieses Ambiente zu günstigsten Preisen bieten zu können. Oder können Sie mir eine Alternative nennen?

Der Bereich Forst- und Energiewirtschaft, der auch von den Kolleginnen und Kollegen nachher noch erwähnt wird, ist so wie andere Bereiche sehr wesentlich für die Erhaltung und Entwicklung des ländlichen Raumes.

Ein Hinweis zur § 7-Kommission: Herr Kollege Würschl! Da finden wir uns wieder. Ich verweise auf diesen Antrag aus dem Grünen Bericht 1999, in dem die § 7-Kommission im Antrag 1 darauf verweist, man sollte betreffend Erfassung und Darstellung des Arbeitseinsatzes in der Land- und Forstwirtschaft in Zukunft Datenmaterial sammeln und darstellen. Ich finde das vernünftig.

Ein letzter Punkt: Krisensicherheit. – Wir haben uns heute im Rahmen des Außenpolitischen Berichtes doch auf sehr hohem Niveau über die Krisensituation seit dem 11. September unterhalten. Ich glaube, man sollte auch in Zukunft bei künftigen Diskussionen mehr und mehr berücksichtigen, wie wichtig Krisenvorsorge ist. Ich darf an dieser Stelle den Bezirkshauptmann von Gmunden, Herrn Bezirkshauptmann Hörzing, Ihrer Couleur zugehörig, erwähnen, der bei der letzten Generalversammlung der Molkerei Gmunden gesagt hat: Die wichtigste Krisenvorsorge ist eine funktionierende, regionale bodenständige Land- und Forstwirtschaft. Wenn man sieht, wie die Kriege der Zukunft geführt werden – mit Bakterien, mit Chemiewaffen –, wird deutlich, dass letztlich eine bodenständige regionale Versorgung in Zukunft von größter Bedeutung sein könnte. Ich bitte, auch diesen Aspekt in die Diskussion mit einzuschließen.

Wir als ÖVP werden diesem Bericht die Zustimmung erteilen. Ich bin überzeugt – ich habe gesehen, wie harmonisch das Verhältnis diesbezüglich im Ausschuss war –, dass diese Arbeit der Regierungsparteien auch von der Opposition honoriert werden wird. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 65

13.03

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

13.03

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Würschl! Du hast den Finger auf die wunde Stelle gelegt, die auch mir aufgefallen ist: dass die Differenz zwischen geringen und hohen Einkommen im Vergleich zum Vorjahr abermals größer wurde. Ich bin auch der Ansicht und der Überzeugung, dass es uns gelingen muss, dass es dieser Bundesregierung gelingen muss und auch gelingen wird, Herr Bundesminister, diese Differenz von Arm und Reich auch in der Land- und Forstwirtschaft zu verringern.

Vielleicht habe ich da nicht den Ansatz wie der eine oder andere, vielleicht habe ich auch Kollegen Würschl nicht ganz richtig verstanden: Das ist von meiner Seite kein Hieb auf die Großgrundbesitzer oder auf die Großbauern, so nach dem Motto: Ich nehme dem einen etwas weg und gebe es dem anderen. Leider funktioniert das in Wirklichkeit nicht so. Es muss uns gelingen, den Kleinbauern die Existenzgrundlage so zu sichern, dass er nicht dahinvegetiert.

Es befindet sich auch in dieser Studie ein Auszug aus "Die Armut im ländlichen Raum". Es wird erkannt, Herr Kollege Würschl, dass es eine Armut im ländlichen Raum gibt. Leider Gottes gibt es diese Studie vom Österreichischen Statistischen Institut nur aus dem Jahr 1984, und seither hat sich da natürlich viel geändert, so viel, dass es schon fast unseriös ist, die Zahl, die hier steht, zu nennen: dass 30,6 Prozent aller bäuerlichen Haushalte armutsgefährdet sind. – Ich weiß nicht, wie viele österreichische Haushalte überhaupt armutsgefährdet sind; ich nehme an, auch diese Zahl ist erschreckend. – Ich kann nur hoffen, dass sich diese Zahl verringert hat.

Was sind die Hauptprobleme, unabhängig von der Richtigkeit der heute nicht mehr oder eventuell doch noch zutreffenden Zahl? – Als Hauptproblembereich wird bei der bäuerlichen Armut Folgendes festgestellt: erstens Überschuldung, zweitens Defizite in der Altersversorgung, insbesondere bei Bäuerinnen, und drittens eine ungleiche Einkommensverteilung auf Grund des gegebenen land- und forstwirtschaftlichen Förderungssystems.

Es wird hier, Herr Kollege Würschl, schon aufgezeigt, wodurch diese Ungleichheit entsteht, wie es unter Umständen zur Armut kommt.

Ich kann jetzt nicht beurteilen, wie sich die ungleiche Einkommensverteilung auf Grund der Förderungssysteme heute noch verstärkend auswirkt. Ich kann nur hoffen, dass das nicht der Fall ist. Wir wissen, dass die Förderungen, die wir als Landwirte bekommen, nicht nur von der Größenordnung abhängig sind, sondern dass jene, die schlechter dran sind, mehr Förderung erhalten. Das ist in der letzten Zeit geschehen, und ich gehe davon aus, dass diese Regierung diese Problematik, die Sie hier heute besonders deutlich ausgedrückt haben, auch weiterhin verbessern kann.

Es gab einmal vor vielen Jahren – und wir waren damals noch nicht Mitglied der EU – einen so genannten "Mansholt-Plan". Dieser unsägliche Plan – Mansholt ist durchaus ein braver Mann gewesen – hat damals besagt, die Landwirtschaft kann nur überleben, wenn sie zumindest 40 Hektar aufweist. – Na, da hätten wir noch viel zu tun in Österreich! Ich bin froh, dass das nicht der Fall ist. Warum bin ich froh? – Natürlich gönne ich jedem, der mehr hat, dass er es hat, aber was die Bewirtschaftung des Landes angeht, ist doch die klein gegliederte Landwirtschaft eine Freude für das Auge. Das ist auch ein Grund, warum die Menschen von nah und fern zu uns kommen, aber diese Freude fürs Auge soll auch ihren Preis haben. Der Bauer muss etwas dafür bekommen, dass diese kleinstrukturierte Landwirtschaft weiterhin erhalten bleibt. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Diese klein strukturierte Landwirtschaft hat natürlich noch einen weiteren – bitte mich nicht falsch zu verstehen –, einen positiven Effekt. Wir erleben jetzt wieder eine Zeit, in der es vermehrt Arbeitslose gibt. Die klein strukturierte Landwirtschaft wird wahrscheinlich großteils von Nebenerwerbslandwirten betrieben. Diese haben sozusagen eine Rückzugsmöglichkeit, wenn sie arbeitslos werden, sich vermehrt, um ihren Besitz, um ihre kleine Landwirtschaft zu kümmern, um dann, wenn es wieder notwendig ist, vermehrt inländische Arbeitskräfte zu beschäftigen, von dort wieder ... (Bundesrat Marizzi: Aber ihr seid ja in der Regierung! Ihr könnt das ja


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 66

ändern!) – Wir machen das ja. Wir sind sehr bemüht – Kollege Marizzi, du weißt das ohnehin –, diese Arbeitskräfte wieder in den anderen Erwerbszweigen unterzubringen.

Daher betrübt es mich, wenn ich hier lesen muss, dass die Abwanderung wieder zugenommen hat. Ja wohin geht denn die Abwanderung? Geht die Abwanderung dann nur noch dort hin, dass man Arbeitsloser ist, wenn man keine Arbeit hat? Denn ein Zurück auf das Land gibt es eigentlich nicht. – Das hat einmal jemand in einer Zeitung geschrieben: Man muss eigentlich wieder Bauer werden, und so weiter. Einer der wenigen Berufe, die nicht in späteren Jahren erlernt werden können, so meine ich – es scheint so, als seien auch andere dieser Ansicht –, ist der des Bauern beziehungsweise des Landwirtes. Ein Retour zu dieser Tätigkeit gibt es nicht, außer bei einer Großlandwirtschaft, bei einem Großbauern, wo man industriell agiert, mit großen Maschinen, mit riesiger Käfigtierhaltung, was natürlich zu verurteilen ist, mit maschinellem Einsatz, wo man die Natur nur noch als Produktionsmittel und nicht als Geschöpf Gottes betrachtet. Aber der Kleinbauer wird kaum den Weg zurück finden, weil er es nicht von Kind auf gelernt hat.

Es ist daher – und ich gebe Herrn Kollegen Konecny und seinem Klub Recht, als er bei einem Seminar in Preßburg einen Beschluss gegen die Aushöhlung des ländlichen Raumes getroffen hat – durchaus wichtig, gegen die Aushöhlung des ländlichen Raumes anzukämpfen. Wir wissen aber, da gibt es die Schere: Was soll man alles machen? – Der Staat muss sparen, andererseits gibt es Strukturen, die man heutzutage in der Dichte nicht mehr braucht. Die Problematik ist erkannt, die Lösung noch nicht gefunden, und wir werden gemeinsam, Herr Kollege Würschl, am besten diese Lösungen konziliant erarbeiten.

Dass Gendarmerieposten geschlossen werden sollen, dass Postämter geschlossen werden sollen, dass Gerichte geschlossen werden sollen, alles Einrichtungen, an denen auch Kleinbauern, kleinstrukturierte Landwirte – von der Besitzstruktur her – tätig sind, ist beklagenswert, und es trifft mich persönlich hart, wenn ich hören muss, dass es so sein wird. Aber können wir uns dem wirklich entziehen?

Andererseits muss man schauen, wodurch die Armut auf dem Lande entsteht. Ich habe schon gesagt, die Armut ist überwiegend auf Überschuldung zurückzuführen. Es gelingt immer wieder Personen, die im wahrsten Sinne des Wortes wirklich gediegene Vertreter von landwirtschaftlichen Maschinen sind, den Bauern, den Kleinbauern nicht nur einen Traktor einzureden, sondern den zweiten und den dritten, weil dieser dann am Sonntag oder wann auch zeigen kann: Man ist wer, man hat etwas. (Bundesrat Gasteiger: Der redet einen Blödsinn! Lebt in der Stadt und redet für die Bauern, redet für die Landwirtschaft! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege! Ich nehme Ihren Vorwurf zur Kenntnis. Lassen Sie es mich aber doch sagen, denn es ist meinem Empfinden nach so, aber Sie können ja hier auch das Gegenteil behaupten! Das ist kein Angriff auf Sie, kein Angriff auf den Koalitionspartner, sondern ich versuche zu erkennen, wie ländliche Armut unter anderem entstehen kann. Und dieses Bemühen, das zu erkennen, werden Sie mir hoffentlich nicht absprechen können und auch nicht absprechen wollen.

Wir wissen, dass die Nahrungsmittelsicherheit – da mache ich jetzt einen kleinen Sprung – und die Bereitstellung qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel, die Erhaltung der Artenvielfalt und der Kulturlandschaft sowie die Grundwasserqualität hohe Priorität bei den Konsumenten haben. Ich frage nur: Haben diese Dinge bei den Konsumenten wirklich eine so hohe Priorität, wie wir immer feststellen, Herr Bundesminister? Ist das nicht eher eine Aussage für den Sonntag, während man in Wirklichkeit billig einkaufen möchte?

Der Konsument möchte billig einkaufen, und das ist ein Problem für die Landwirtschaft. Da klafft es auseinander, denn wir sind Opfer des Bereiches, in dem man sehr wohl mit billigen Preisen beim Einkauf und mit hohen Preisen beim Verkauf leben muss: Das ist ein Produktionsbereich. Dieser Produktionsbereich macht der Landwirtschaft stark zu schaffen. Wie viele große Einkäufer gibt es noch in Österreich, Herr Kollege Steinbichler? – Ich glaube, es sind nur noch zwei oder drei Handelsketten, die in Österreich großartig einkaufen und gegenseitig die Preise nie


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 67

derkonkurrieren. (Bundesrat Steinbichler: Oder kaufen sie im Ausland ein!) – Auch im Ausland, ja.

Unlängst war in einer deutschen Zeitung, in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", ein Artikel: Jobmaschine Landwirtschaft. – In Bayern sichert die Land- und Forstwirtschaft jeden achten Arbeitsplatz. Nicht nur aus kulinarischen Gründen wird deshalb eine positive Entwicklung des Wirtschaftssektors angestrebt.

Was heißt das? – Das sind keine Bauern, die jeden achten Arbeitsplatz sichern, das sind Industriearbeiter, die ... (Bundesminister Mag. Molterer: In Österreich jeden sechsten Arbeitsplatz!) In Österreich jeden sechsten? – Danke vielmals für diesen Hinweis. Das ist nicht die Landwirtschaft, das sind die Bereiche, in denen der Bauer einen geringeren Preis bekommt und der Konsument einen hohen Preis zahlt. Das ist kein Verdienst der Landwirtschaft – "Jobmaschine Landwirtschaft" trifft Österreich nicht in diesem Sinne –, sondern ich finde es betrüblich, dass die Landwirtschaft eigentlich der Ezzesgeber für Arbeitgeber ist, aber nicht für sich selbst produzieren kann.

Es ist richtig, wenn hier geschrieben steht, dass grundsätzlich ein richtiger Weg der österreichischen Agrarpolitik beschritten wird. Das ist unbestritten, Herr Kollege Würschl, auch wenn Schwachstellen vorhanden sind. Das erkennen alle im Parlament beheimateten Parteien, die Regierungsparteien ebenso wie die Oppositionsparteien. Ich bin überzeugt davon, dass wir, wenn wir wollen, grundsätzlich, wenn auch mit einzelnen Widersprüchen, die gleichen Ziele haben. Die Erhaltung der bäuerlichen Land- und Forstwirtschaft und in ihrer Mehrfachfunktion für Ernährung, nachwachsendem Rohstoff, Kulturlandschaft und Dienstleistungen – das ist das zentrale Thema auch dieser Bundesregierung.

Wir sind bemüht, diesem Thema gerecht zu werden, aber kritisch stehe ich und stehen wahrscheinlich auch einige meiner Freunde der Überlegung gegenüber, die EU auf Länder auszuweiten, die bislang noch nicht bei der EU waren, und zwar aus zwei Gründen: Einerseits meine ich, dass die österreichische Landwirtschaft eine Konkurrenz bekommt, die ihr nicht gut tut, andererseits glaube ich auch, dass diese Länder nicht immer glücklich damit sind. Es hängt immer davon ab, in welchem Bereich man tätig ist.

In einer Presseaussendung vom 9. Oktober steht, der stellvertretende Landwirtschaftsminister der Tschechei betont, dass Tschechien in der EU nicht seine Überproduktion verkaufen, sondern den gemeinsamen Markt mit Produkten wie Olmützer Quargel oder Prager Schinken bereichern will.

Das heißt eigentlich, dass diese Produkte schon am Markt befindliche, in Österreich zugelassene Produkte verdrängen sollen. Ich sehe darin wirklich keinen Vorteil für Österreich, wenn hier Produkte verdrängt werden, Herr Bundesminister! (Bundesminister Mag. Molterer: Exportieren wollen wir schon ...!) Das ist schon richtig, aber wir müssen wissen, dass bei diesem Handelsaustausch Gruppen von Produzenten auf der Strecke bleiben, weil sie eben nicht zu den Gewinnern dieser Unternehmung gehören. Ich glaube auch nicht, dass das gut ist.

Frau Stenzel meint, dass die Bevölkerung eine Mehrbelastung von 43 € – das sind rund 592 S; das ist etwas mehr als die Hälfte der Gitti-Ederer-Tausender – gerne tragen würde, weil sie meint, das ist für unser Friedensprojekt wertvoll und dass wir von der Ostöffnung profitieren, speziell der Agraraußenhandel.

Was ist der Agraraußenhandel, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen? – Das sind wieder die Gruppierungen, die dazwischen verdienen, nicht der Bauer und nicht der Konsument. Der Konsument hat vielleicht eine riesige Auswahl – aber mehr als essen können wir nicht, Herr Bundesminister, das muss ich schon sagen.

Wir müssen versuchen, gerade im landwirtschaftlichen Bereich die österreichischen Erzeuger gut zu schützen. Es geht nicht an, die österreichischen Landwirte am Altar einer europäischen Einigung zu opfern. Wir sind ein Randland zu zukünftigen EU-Staaten, und diese Randzone muss geschützt werden – mit allem, was möglich ist. Ich bin überzeugt, Herr Bundesminister,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 68

die Sorgen, die ich hier angeschnitten habe, habe nicht nur ich, und ich glaube, wenn wir das ernst nehmen, wird es gelingen, diese Sorgen zu zerstreuen.

Das sollte man aber nicht in der Weise tun, dass man sagt: Dann können wir Handelsaustausch betreiben! So ist es nicht, Herr Bundesminister! Es gibt Bereiche, in denen ein Austausch von Gütern für den hier, in Österreich, situierten Produzenten nicht möglich ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.19

Vizepräsident Jürgen Weiss: Indem ich zwischendurch an die vereinbarte freiwillige Redezeitbeschränkung erinnere, erteile ich als nächstem Redner, ohne dass das einen direkten Bezug hat, Herrn Bundesrat Stefan Schennach das Wort. – Bitte.

13.19

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Keine Angst, ich werde die Redezeit nicht über Gebühr strapazieren.

Lassen Sie mich, bevor ich auf den Grünen Bericht eingehe, noch zwei Bemerkungen zu meinen Vorrednern machen. Herr Kollege Steinbichler! Ich würde mich als Landwirt eigentlich nicht dagegen wehren, wenn von allen Seiten der Politik Sorge um die Entwicklung des ländlichen Raumes geäußert wird! Ich habe ein bißchen das Gefühl, dass Sie meinen: Das ist unser Revier, bitte, liebe Opposition, lasst vom ländlichen Raum die Finger!

Ich denke, wenn alle Parteien gemeinsam Sorge um die dramatische Entwicklung des ländlichen Raumes haben, so sollte man das auch als einen gemeinsamen Brückenschlag für Bemühungen dorthin bewerten und akzeptieren.

Zum Zweiten, Herr Kollege Gudenus: Da ich Ihrer Rede zugehört habe, frage ich mich: Was machen Sie da? Wollen Sie jetzt die Bauern aus Ost und West wieder gegeneinander ausspielen? – Die österreichischen Bauern dürfen exportieren, tschechische Bauern dürfen das nicht? Soll jetzt jedes einzelne politische Feld dafür benützt werden, damit es zu keiner EU-Erweiterung kommt, egal, ob das die Beneš-Dekrete sind oder ob es Temelin ist, und jetzt kommt die Landwirtschaft dran? Wir wollen exportieren. Wir wollen die wirtschaftlichen Chancen, die wir auch in den neuen Erweiterungsländern haben, aber Sie folgen wiederum der Politik: Die Grenzen zu in Richtung Osten!, und das finde ich, gelinde gesagt, nicht richtig. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ. – Bundesrat Mag. Gudenus: Sie wollen Olmützer Käse essen?)

Sehr geehrter Herr Minister! Nun zum Grünen Bericht 2000, der letztlich ein Bericht bis zum Jahr 1999 ist; die Daten des Berichtes werden immer auf Grund der Betriebsdaten der ungeraden Jahre ausgewertet. (Widerspruch bei Bundesräten der ÖVP.)  – Der Herr Minister kann es ja berichtigen, wenn dem nicht so ist. Es fehlen jedenfalls die Daten der großen Krisen, der Krisen der letzten eineinhalb Jahre, die logischerweise nicht in diesem Bericht verarbeitet sein können.

Trotzdem ist dieser Grüne Bericht als Rechenschaftsbericht des Landwirtschaftsministers an das Parlament, an den Bundesrat, an die Österreichische Gesellschaft ein durchaus akzeptabler und sehr guter Bericht, dem man nur zustimmen kann. Es ist dies ein Bericht, der vielleicht manchmal zwischen den Zeilen mehr sagt als in den Zeilen. Trotzdem kann man diesem Bericht nur seine Zustimmung geben.

Nun zum Bericht im Detail, und da gibt es doch einige Bereiche, die Anlass zur Sorge geben.

Der Anteil der Land- und Forstwirtschaft am BIP beträgt 1,2 Prozent, obwohl – das hängt jetzt auch mit der Debatte über Arm und Reich auf dem Land zusammen – die Agrareinkommen seit 1995 erstmals wieder gestiegen sind und obwohl die Erzeugerpreise um 2,2 Prozent und die Einkommen um 1,6 Prozent gestiegen sind.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 69

Gleichzeitig, trotz dieser Entwicklung, kam es zu einem Rückgang der Beschäftigten, nämlich um immerhin 3,6 Prozent. Das sind – und so viele sind nicht mehr beschäftigt – 5 250 Arbeitskräfte weniger, womit in Österreich nur mehr 4 Prozent aller Beschäftigten in der Land- und Forstwirtschaft tätig sind.

Das sind ernste Zahlen, aber sie zeigen auch, dass das Förderungssystem genau jenen Bereich nicht erfasst, nämlich die soziale Förderung der Landwirtschaft, die Beschäftigungsstruktur in der Landwirtschaft, es wird noch immer die Förderung nach Bestandsgrößen gewährt, noch immer wird Masse statt Klasse gefördert und weniger die Anzahl der Beschäftigten in diesem Bereich.

Was für mich besonders bedauerlich ist: Die Zahl der Bio-Betriebe ist zurückgegangen, und zwar von 20 000 auf 19 000. Es gibt also über 1 000 Biobetriebe weniger, und das vor einem Hintergrund in Europa, wo wir zwar noch immer vorneweg sind, aber Italien eine Zunahme um 43 Prozent, Spanien um 131 Prozent (Bundesrat Keuschnigg: Minimal!)  – warten Sie einmal –, Frankreich um 162 Prozent, Großbritannien um 137 Prozent und Dänemark – durchaus mit Österreich vergleichbar – um 149 Prozent hat. (Bundesminister Mag. Molterer: Das sind die Zuwachsraten von uns vor zehn Jahren!)  – Ja, nur bei dem derzeitigen Wachstum des Biolandbaus in diesen Ländern und unserem Stagnieren beziehungsweise unseren Rückgängen haben uns diese Länder in zwei bis drei Jahren, vielleicht sind es auch vier Jahre, überholt. Und das ist nicht das, was wir immer gesagt haben: dass wir der Feinkost- und der Bioladen in Europa sein wollen. Hier bedarf es mehr als Ihres Maßnahmenkatalogs, in dem Sie festhalten, dass das Bioaktionsprogramm fortgesetzt wird.

Diese Zahlen werden noch erhärtet, wenn wir noch andere Zahlen zum Vergleich heranziehen, nämlich dass die Zahl der Teilnehmer am ÖPUL ebenfalls von 164 000 auf 151 000 zurückgegangen ist. Aber das Förderungsvolumen ist gleich geblieben. Auch da wieder die Frage ... (Rufe bei der ÖVP: Fläche!) Die Fläche ist gleich geblieben, aber die Zahl der Teilnehmer ist zurückgegangen.

Was sagt uns denn das, dass die Fläche gleich geblieben ist? – Das ist wieder diese Debatte: Werden hier die kleinen, die klein strukturierten Betriebe tatsächlich erfasst, oder verschiebt sich das alles in größere Einheiten?

Wir können noch eine Zahl heranziehen, das ist die der Milchproduktion. Auch die Anzahl der Milchkühe sank laut diesem Bericht von 710 000 auf 670 000, also um 5,5 Prozent, aber gleichzeitig ist die Milchleistung pro Kuh gestiegen. Auch hier geht es um Rationalisierung, Druck und Intensivierung, und dabei, Kollege Steinbichler, wird eine gewisse Instabilität der ländlichen Räume und auch der Arbeitsplätze in diesem Bereich in Kauf genommen.

In Ihrem Bericht zu den Maßnahmen schreiben Sie – deshalb muss man das auch hier im Stimmverhalten unterscheiden: ja zu diesem Grünen Bericht, aber keine Übereinstimmung mit Ihren Maßnahmen – von einer aktiven Politik für die Stärkung des ländlichen Raumes. Was passiert? – Wir schließen die Postämter, wir schließen die Gendarmeriestellen, wir zentralisieren die Molkereien, wir zentralisieren die Schlachthöfe, wir siedeln die Lagerhäuser ab, und der Finanzausgleich – da gebe ich Kollegen Steinbichler Recht – ist kein Ruhmesblatt für eine aktive Politik in Richtung ländlicher Raum.

Was sind aus unserer Sicht die derzeitigen aktuellen Themen, denen wir uns auch stellen müssen? – Das ist sicherlich die Positionierung der Bundesregierung im eigenen Land als auch im Rahmen des EU-Ministerrates zu dem Midterm-Review der Agenda 2000 im Jahr 2002, schon auf Grund der von Herrn Gudenus angeschnittenen Ostöffnung, damit eben Bauern aus Ost und West nicht in einem vernichtenden Wettbewerb gegeneinander ausgespielt werden.

Dazu bedarf es aber auch eines neuen Leitbildes der EU-Agrarpolitik, die in eine ökologische und sozial ausgewogene Landwirtschaft mündet. Diese gemeinsame und langfristige Ausrichtung einer gemeinsamen Agrarpolitik muss genau in diesem Bereich jene Akzente setzen, die natürlich mit den Förderungen zusammenhängen, wo wir eine Umkehr brauchen, nämlich ein


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 70

ökologisches, sozial verträgliches und qualitätsorientiertes Modell. (Präsident Schöls übernimmt den Vorsitz.)

Da müssen wir von dieser Weltmarktorientierung weggehen, denn letztlich sind die EU-Förderungen eine Verzerrung des Weltmarktes, und deshalb wird die EU mit ihrem Förderungssystem – immerhin gingen im letzten Jahr, so glaube ich, 45 Prozent des Gesamt-EU-Budgets in die Agrarförderung ... (Bundesrat Mag. Gudenus: 2,2 Prozent des gesamten EU-Budgets! Das muss man schon sagen!)  – Was sind 2,2 Prozent des Gesamtförderungsbudgets? (Bundesrat Mag. Gudenus: Die Ausgaben für die Budgets der Land- und Forstwirtschaft ...!) – 45 Prozent oder 41,5 Milliarden. (Bundesrat Mag. Gudenus: Das ist das einzige ...! Daher kriegt man von der EU viel, aber von den Ländern nicht mehr! Das ist ein Minimalbereich! 2,2 Prozent!)

Tatsache ist, dass das EU-Förderungssystem zu einer Weltmarktverzerrung führt und daher im Rahmen der nächsten WTO-Verhandlungen, die schon im November in Katar stattfinden werden, Gegenstand der Verhandlungen sein muss.

Die EU wäre gut beraten, sich hier ein anderes, im Gegensatz zum US-Agrarmodell stehendes Modell aufzuerlegen, nämlich: weg von der Weltmarktorientierung, weg von der Forcierung der industriellen Landwirtschaft, weg von der Exportsubvention, weg vom Überschussmanagement, das wir letztlich haben, weg vom Preisdumping hin zu einer konsequenten Förderung sozial aktiver ländlicher Regionen.

Herr Minister! Die Stimmung in der Gesellschaft ist für eine vernünftige Agrarpolitik noch nie so gut gewesen wie heute. Alle wollen gesunde Lebensmittel, die umweltschonend und in tiergerechter Haltung erzeugt wurden. Das klare Bekenntnis zur Erhaltung der Kulturlandschaft, für einen fairen Handel – auch mit den Ländern des Südens –, all das hat heute einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft und würde eine Trendumkehr in der Landwirtschaftspolitik – nicht nur in Österreich, sondern vor allem in der EU – ermöglichen. Diese Chancen werden allerdings im vorliegenden Maßnahmenbericht leider nicht genügend berücksichtigt.

Meine Damen und Herren! Ich denke, der ländliche Raum – das hat auch Kollege Steinbichler gemeint – hat keine Zeit mehr für Träume. Wir alle erkennen angesichts dieses Berichtes die Ernsthaftigkeit der Situation. Und deshalb erscheint es mir notwendig, dass wir hier zu einem gemeinsamen Aktionsplan kommen, dass wir eine Umstellung der Förderung auf umweltfreundliche und schadstoffarme Produkte erreichen, zu ressourcensparenden Erzeugungsweisen und zu einer Absatzförderung für ökologische und die Gesundheit fördernde Produkte kommen. Wir müssen dieses Überschussmanagement in eine ländliche Strukturpolitik überführen. – All dies, Herr Minister, kommt im Maßnahmenkatalog zu kurz.

Dem Grünen Bericht aber ist die Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.32

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Friedrich Hensler. – Bitte.

13.33

Bundesrat Friedrich Hensler (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Wir haben heute den Grünen Bericht auf der Tagesordnung. Ich glaube, ganz wertfrei sagen zu können: Es ist dies ein sehr informativer Bericht, ganz einfach ein agrarpolitisches Dokument. Der Bericht zeigt klar und deutlich auf, in welche Richtung die Agrarpolitik in Österreich geht.

Ich möchte es daher so gliedern: erstens: geglückte Integration. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hiezu eine klare Feststellung: Ich denke, die österreichischen Bauern haben die Herausforderung EU hervorragend bewältigt. Wir haben einen sehr hohen Stellenwert und uns ganz einfach am großen europäischen Markt, dem Binnenmarkt, behauptet.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 71

Zweitens: vielfältige Leistungen für die Landwirtschaft. – Auch hiezu eine klare und deutliche Feststellung: Ich meine, die Landwirtschaft beinhaltet nicht nur die Bauern. Die Landwirtschaft dient jedem Einzelnen. Ich möchte hier hervorheben – das ist aus allen bisherigen Redebeiträgen hervorgegangen –, dass der Konsument – sprich: jeder Einzelne – sehr wichtig ist.

Gerade die Bauern erbringen sehr viele Leistungen für die Wirtschaft, für die Gesellschaft, für den Fremdenverkehr – Grund, Boden, Wasser, sind sehr wichtige Grundvoraussetzungen zur Existenzsicherung jedes Einzelnen. Und das kann es nicht – das ist zweifelsohne unbestritten – zum Nulltarif geben. Das muss ganz einfach der Allgemeinheit – sprich: den Bürgern – etwas wert sein. Wir haben in diesem Bereich – das möchte ich auch sagen – Leistungsabgeltungen, berechtigte Leistungsabgeltungen, bekommen, über 20 Milliarden Schilling – und hier ist das ÖPUL involviert.

Zu Kollegen Schennach: Herr Kollege Schennach! Sie haben erwähnt, dass die Zahl der Biobetriebe immer geringer wird, aber Sie haben nicht gesagt – vielleicht wissen Sie es auch nicht –, dass Österreich gerade auf diesem Gebiet beispielhaft ist. Über 90 Prozent der Betriebe wirtschaften in diesem Bereich der Ökologie. Das ÖPUL-Programm ist beispielgebend für ganz Europa. Damit ist dieser Bundesregierung eine großartige Leistung geglückt. – Herr Bundesminister, ein Danke in diese Richtung!

Wir, die Bauern Österreichs, sind sehr positiv eingestellt (Zwischenruf des Bundesrates Schennach )  – das möchte ich klar und deutlich sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Bundesschnitt des Einkommens je Familienarbeitskraft ist gegenüber 1999 – damals waren es 155 000 S – auf 171 000 S gestiegen. Das ist eine positive Entwicklung. Aber ich möchte nicht verhehlen – das wurde heute schon angeschnitten –, dass wir zwischen 1996 und 1999 einen Einbruch in der Landwirtschaft hatten, und dieser ist bei weitem noch nicht ausgeglichen, sehr geehrter Herr Bundesminister! Dazu bedarf es sicher sehr vieler Anstrengungen aller, die politische Verantwortung in der Agrarpolitik tragen – das ist unheimlich wichtig.

Um konkurrenzfähig mit anderen Ländern zu sein, zum Beispiel betreffend Bedarfsartikel wie Diesel, Spritzmittel et cetera, muss sich zweifelsohne für die Zukunft etwas ändern.

In Österreich gibt es derzeit 217 500 landwirtschaftliche Betriebe. Zum Strukturwandel beziehungsweise zu dem Argument, das Herr Kollege Würschl – er ist nicht mehr im Saal – gebracht hat: Großgrundbesitzer und kleine Landwirte. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Faktum ist: 90 000 Betriebe in Österreich bewirtschaften weniger als 10 Hektar. Das heißt, trotz EU-Integration haben wir Gott sei Dank Klein- und Mittelbetriebe. 41 Prozent haben in diese Richtung wirklich Hervorragendes geleistet. Aus diesem Grund möchte ich ein Argument besonders unterstreichen: Wir haben eine flächendeckende Landwirtschaft. – Und darauf sind wir alle unheimlich stolz.

Zur Bewirtschaftung unserer Betriebe: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sicher unbestritten – ich möchte das wieder einmal klar und deutlich sagen –: Politik kann keine Arbeitsplätze sichern, und genauso kann die Politik keinen Familienbetrieb, keinen Bauernbetrieb aufrechterhalten. Die Politik soll und muss die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Und gerade in diese Richtung wurde, sehr geehrter Herr Bundesminister, von dieser Bundesregierung sehr viel getan. Die Bauern haben die erforderlichen Rahmenbedingungen erhalten.

Ich möchte aber auch nicht verhehlen: Jeder einzelne Bauer muss sich Gedanken darüber machen, seinen Betrieb zu organisieren und zu gestalten. Und in diesem Bereich haben wir ein Instrument – ich habe im Grünen Bericht darüber gelesen und bin sehr stolz –: die Maschinenringe. In Österreich sind derzeit 74 000 Bauern bei den Maschinenringen! Der Maschinenring ist meiner Meinung nach ein hervorragendes Instrument, und zwar für die Landwirtschaft und für die Konsumenten. Wir sind auch gerne bereit, Aufgabenbereiche, die vielleicht auch den ländlichen Raum betreffen, zu übernehmen.

Das Vertrauen der Konsumenten – das möchte ich auch noch anreißen – ist ungeheuer wichtig. Es ist unbestritten: Durch die jüngste Krise hat es eine gewisse Verunsicherung bei den Konsu


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 72

menten gegeben, zum Beispiel auch durch die BSE-Krise in Deutschland. Es gab Diskussionen über die ökologische Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik.

Die jüngsten agrarpolitischen Krisen haben den Landwirten geschadet und die Verbraucher verunsichert. Es ist wichtig für den Konsumenten, hohe Qualitätsstandards in der WTO abzusichern.

Im Jahr 2001 beginnt eine intensive Phase der Verhandlungen der WTO. Es steht das europäische Agrarsystem auf dem Prüfstand. Es müsste dabei ein realistisches Ziel sein, Vorbildwirkung zu erreichen, Nachhaltigkeit und bäuerliche Strukturen zu erreichen.

Hoher Bundesrat! Zusammenfassend: eine positive Zukunft für unsere Bauern voll Optimismus – jeder Einzelne soll dieser Entwicklung der Landwirtschaft positiv gegenüberstehen –, gleichzeitig aber auch eine Herausforderung für jeden Einzelnen, der in der Landwirtschaft tätig ist. Die Herausforderung wird in der Zukunft sicher noch größer werden, ich denke etwa nur an die EU-Erweiterung.

Abschließend danke ich allen, die diesen Bericht erarbeitet haben. Es ist dies ein hervorragender Bericht, eine hervorragende Bilanz, man hat wirklich einen Überblick bekommen.

Ein Danke auch dir, sehr geehrter Herr Bundesminister, für deinen Weitblick. Gleichzeitig sage ich auch ein Danke an die Bundesregierung. Die Bauern in Österreich wissen, was sie an dieser Entwicklung der Landwirtschaft haben.

Ein Danke auch an die Bauern, die sehr viel Flexibilität aufbringen müssen, gleichzeitig aber auch sehr aktiv in unserer Gesellschaft mitarbeiten.

Mein Dank gilt auch den Konsumenten, die sehr viel Vertrauen in unsere Arbeit, in unsere Produkte haben – das ist enorm wichtig.

Die ÖVP wird gerne dem Grünen Bericht die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.42

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johann Kraml. – Bitte.

13.42

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Grüne Bericht schildert die Situation der österreichischen Landwirtschaft, und er ist – so wie immer – ein kompaktes Zahlenwerk. Er soll als Grundlage für die weiteren Entscheidungen in der Landwirtschaftspolitik dienen.

Es gibt positive Ansätze, die es weiter zu verfolgen gilt, aber auch Ansätze, die leicht ins Negative gehen. Ich wundere mich immer, dass sich Kollege Steinbichler so aufregt, wenn Sozialdemokraten über die Landwirtschaftspolitik sprechen. Es kann nicht so sein, dass nur die Funktionäre des Bauernbundes die Landwirtschaftspolitik verstehen, denn das kann auch eine einseitige Landwirtschaftspolitik sein. Jeder zieht seine eigenen Schlüsse aus dem Grünen Bericht. Es kann aber doch nicht so sein, dass ein 300 Seiten umfassender Bericht ausschließlich positive Zahlen enthält. Das kann es einfach nicht geben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Schennach.  – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich meine, dass es richtig ist, sich auch mit Themen zu befassen, die nicht so sind, wie man sie gerne hätte.

Herr Kollege Steinbichler! Wenn du sagst, dass die SPÖ für den ländlichen Raum zu wenig tut, muss ich sagen: Ich erinnere mich an ganz andere Sachen in den letzten Jahren. In Oberösterreich haben wir seit 50 Jahren eine ÖVP-Regierung, einen ÖVP-Landeshauptmann, der auch für die Landwirtschaft zuständig ist. Was tun wir in Oberösterreich? – Wir sperren in Oberöster


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 73

reich genauso zu wie in allen anderen Bundesländern. Ich glaube, das ist nicht unbedingt das, was wir brauchen. (Zwischenruf des Bundesrates Steinbichler. )

Meine Damen und Herren! Insgesamt gesehen hat die österreichische Landwirtschaft eine sehr schwierige Zeit hinter sich. Es hat Absatz- und Preiseinbrüche gegeben, das haben wir heute auch schon gehört, weiters BSE-Vorfälle und anderes in den Ländern um uns.

Es hat sich aber doch gezeigt, dass unsere Bauern entsprechend wirtschaften, dass es eine gute Tierfütterung gibt. Bis auf wenige schwarze Schafe ist in der Landwirtschaft, so gesehen, alles in Ordnung.

Meine Damen und Herren! Ein Problem findet sich natürlich in der biologischen Landwirtschaft. Die Zahl der Betriebe ist von 20 000 auf 19 000 oder von 19 000 auf 18 000 zurückgegangen. Ich meine daher, wir müssen in diesem Bereich etwas tun. Es kann doch nicht so sein, dass wir in die Berichte schreiben, dass die Programme fortgesetzt werden, obwohl wir sehen, dass sie nicht die entsprechenden Ergebnisse bringen.

Strukturveränderungen in der Landwirtschaft hat es gegeben und wird es auch weiterhin geben, das liegt nun einmal in der Natur der Sache. Ich weiß schon, dass es für einen Landwirt nicht einfach ist, wenn er feststellen muss, dass er in seinem Betrieb vielleicht nicht mehr jenes Einkommen hat, das er sich vorstellt und das er zum Leben braucht.

Der Grüne Bericht 2000 zeigt auch, dass es die Landwirte in den Klein- und Mittelbetrieben sind, die unsere Landschaft so erhalten, wie wir sie gerne sehen und wie sie auch der Tourist gerne sieht, der zu uns kommt und eine schöne Landschaft vorfindet.

Meine Damen und Herren! Es ist heute schon angeführt worden, dass das Einkommen in der Landwirtschaft erstmals wieder leicht gestiegen ist. Das ist sicher erfreulich, aber es gibt auch negative Zahlen. Dieser Einkommenszuwachs hat auf keinen Fall das Minus der letzten Jahre aufgehoben.

Meine Damen und Herren! Wenn man über die Landwirtschaft diskutiert, dann kommt man auch – wie auch meine Vorredner – zur Förderungspolitik. Dass es hier wirklich mehr zu tun gibt, als bisher getan wurde, ist, so glaube ich, ganz klar. Es gilt das alte Sprichwort – ich habe das schon bei der Diskussion des letzten Landwirtschaftsberichtes gesagt –: Dort, wo Tauben sind, fliegen Tauben wieder zu. Das heißt, dass all jene Landwirte, die mehr haben, auch wesentlich mehr Geld bekommen. Das, was mir da vor allem abgeht, ist, dass die Arbeit und der Arbeitseinsatz ... (Bundesrat Hensler: In welcher Klassengesellschaft leben wir?)

Herr Kollege! Es muss doch möglich sein – ich sage das hier seit drei Jahren –, darüber nachzudenken, ob es richtig ist, dass jemand, der viel Grund und Boden hat, der viele Tiere hat, auch sehr viel an Förderung bekommt. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Wenn heute jemand wenig Tiere hat, ein kleines Grundstück hat und beschwerlich arbeiten muss, dann bekommt er um vieles weniger. (Ruf bei der ÖVP: Sie, die SPÖ, haben das mitgetragen! Sie selbst haben das mitgetragen! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Meine Damen und Herren von der ÖVP! Darüber müssen wir doch diskutieren können. Wenn wir darüber nicht diskutieren, dann kommen wir nicht weiter und diskutieren in einigen Jahren immer noch dieses Problem. Solch eine Diskussion soll auch dazu führen, dass wir in der ganzen Sache weiterkommen. (Beifall bei der SPÖ.) Ich meine halt, dass gerade der Förderungsbereich der Ansatzpunkt ist. (Zwischenruf des Bundesrates Weilharter. ) – Das glaube ich schon, das ist allerdings ein schlechter Vergleich.

Meine Damen und Herren! Wir werden dem Grünen Bericht unsere Zustimmung geben, weil er, wie ich eingangs schon gesagt habe, ein ausgezeichnetes Zahlenwerk ist, aus dem man sehr viel herauslesen kann. Wir werden allerdings den Maßnahmen für 2002 nicht die Zustimmung geben, weil sie für uns viel zu wenig weit reichend sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.49


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 74

Präsident Alfred Schöls:
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann. Ich erteile es ihr.

13.49

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister! Herr Präsident! Zum Grünen Bericht wurde schon viel gesagt, und ich möchte es nicht wiederholen, nur Folgendes: Auch mir ist aufgefallen, dass er ein sehr umfassender, sehr detaillierter und gut ausgearbeiteter Bericht ist. Und ich möchte mich dem Dank anschließen, vor allem dem Dank an die Mitarbeiter, die diesen Bericht ausgearbeitet haben, denn ich kenne mittlerweile auch andere Berichte, die mich eher ratlos gemacht haben; ich denke nur an den jüngsten Kultur-Außenbericht.

Ich kann also sagen, der Grüne Bericht ist ein Bericht, den man wirklich vorzeigen und aus dem man vor allem, wenn man sich ernsthaft damit beschäftigt, sehr viel herauslesen kann. (Beifall des Bundesrates Weilharter. )

Genauso wie meine Vorredner muss ich sagen: Es gibt viel Gutes in diesem Bericht, aber auch Einiges, das wirklich zum Nachdenken anregt. Ich habe mir einige Punkte herausgeschrieben, die mich als Nicht-Bäuerin betroffen gemacht haben.

Zum einen sind die Realeinkommensverluste, wenn man die Jahre 1995 bis 2000 zum Vergleich heranzieht, noch immer gegeben. Das muss man jetzt einmal ehrlich sagen.

Ich habe mir auch die Mühe gemacht, nachzuschauen, in welchen Bereichen es überhaupt einen Einkommenszuwachs gegeben hat und in welchen nicht. Interessant ist, dass es zum Beispiel bei den Veredelungsbetrieben einen Zuwachs gegeben hat, es aber bei der Mehrheit der Betriebe, in welchen zwei Drittel unserer Bauern und Forstwirte tätig sind, einen realen Einkommensverlust seit dem Zäsurjahr 1995 gibt. Das heißt also, da sind die Einkommensverluste noch nicht wettgemacht, obwohl es Subventionszuwächse gegeben hat; diese sind auch in diesem Grünen Bericht entsprechend gewürdigt worden.

Ich meine, dass die Problematik der Einkommensverluste noch nicht in Angriff genommen wurde, hier ist einfach noch mehr zu tun.

Das Problem der Überschuldung und der Armutsgefährdung ist heute schon angeschnitten worden. Ich möchte es nur noch einmal betonen und herausstreichen. Es ist für mich erschreckend, dass ein Drittel aller bäuerlichen Haushalte armutsgefährdet ist. Ich komme später noch aus einem anderen Grund auf dieses Thema zurück.

Ein zweiter Punkt ist für mich ebenfalls erschreckend: die Abwanderung aus dem Arbeitsbereich Landwirtschaft. Wenn wir nicht alle gemeinsam versuchen, über Parteigrenzen und in allen Gremien hinweg konkrete Lösungen anzubieten, werden wir in einigen Jahren wirklich vor verödeten Flächen stehen. Das ist für mich ein Horrorszenario, das ich nicht erleben möchte. Immerhin hat sich dieser Abwanderungstrend auch im Jahr 2000 fortgesetzt.

Es sind heute schon wieder einige Vorschläge gemacht worden – auch in den Landtagen und Gemeinden machen wir immer wieder welche und überlegen: Wo können wir die Attraktivität des Regionalbereiches wieder steigern? Wo können wir die dörfliche Einheit wieder herstellen und so weiter.

Es ist aber letztlich noch immer der Trend gegeben, dass die Menschen aus der Landwirtschaft abwandern. Und wenn sie einmal gegangen sind, ist es – wie wir heute schon einmal gehört haben – nur sehr schwer möglich, sie wieder zur Rückkehr zu bewegen.

Ich bin der Meinung, dass landwirtschaftliche Subventionen, nämlich Flächensubventionen und auch Flächenstilllegungs- und Flächenbewirtschaftungsprämien – wie auch immer sie heißen und was auch immer es hier gibt –, nicht der Weisheit letzter Schluss sind, da sie dieses Problem nicht lösen. Daher brauchen wir eine andere Form der Förderung – ich werde darauf


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 75

noch zurückkommen –, es muss eine personenbezogene Förderung geben, es muss eine Förderung für einen Arbeitsplatz und nicht für die Flächen geben. Es kann durchaus sein, dass diese Meinung nicht von allen meinen Kollegen geteilt wird, aber wir in Kärnten bekennen uns dazu. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Freiberger: Das ist unser Programm!)

Über die Qualität der Nahrungsmittel ist auch schon gesprochen worden, ich möchte daher nicht näher darauf eingehen. Ich glaube, wir können sehr stolz darauf sein, dass wir so gute Nahrungsmittel und Trinkwasserqualität haben, die sich viele Länder dieser Welt wünschen würden. Wir können darauf stolz sein und auch einen entsprechenden Preis dafür verlangen.

Erschreckend ist für mich auch – das ist auch schon gesagt worden –, dass die Zahl der Biobetriebe zurückgeht. Ich denke, wir sollten in Österreich Bioregionen schaffen, in denen wir gezielt versuchen, auch Biosprit und verschiedene andere Energiearten zu fördern. Das ist etwas, bei dem wir in Europa, in der Welt eine Vorreiterrolle einnehmen könnten. Hier wird noch viel zu wenig getan, Herr Minister, es tut mir Leid, aber das muss ich sagen, denn Bioanbau, Alternativenergie ist, so glaube ich, die Zukunft.

Einen Punkt muss ich erwähnen, über den heute noch gar nicht gesprochen wurde, nämlich die Frauen in der Land- und Forstwirtschaft. Als Frau darf ich sagen: Es macht mich schon sehr nachdenklich, dass die regelmäßig in der Landwirtschaft Beschäftigten – Frauen – besonders belastet sind. Wenn man weiter schaut, findet man im Grünen Bericht heraus, dass diese in den Klein- und Mittelbetrieben arbeiten. Sie alle wissen, dass das jene Frauen sind, die am meisten arbeiten müssen. Denn wenn ich heute ein paar Hundert Hektar habe, dann brauche ich dort als Bäuerin wahrscheinlich nicht mehr so viel tun wie in einem kleinen Betrieb. Auch die gesundheitliche Gefährdung dieser Frauen ist sehr groß – auch das lässt sich aus den Zahlen des Grünen Berichtes herauslesen. Ich muss schon sagen, Herr Minister, ich erwarte und fordere eine stärkere Hilfe für diese Frauen.

Ich freue mich in diesem Zusammenhang darüber, dass wir das Kindergeld eingeführt haben. Es ist eine große Hilfe für die Bäuerinnen, die vorher keine Abgeltung bekommen haben, wenn sie ein Kind geboren haben. Es hat zwar früher einen kleinen Ersatz gegeben, aber der war nur für acht Wochen und somit nur ein Teil des tatsächlichen Karenzgeldes – wenn ich mich richtig erinnere, Herr Minister!

Das heißt, die Einführung des Kindergeldes ist ein wirklich positiver Schritt zur Unterstützung dieser Bäuerinnen, die sehr viel von ihrer Gesundheit und Kraft in die Landwirtschaft, in den Betrieb stecken, was uns letztlich allen nützt und damit dem ganzen Staat. Auf die Überforderungen und Belastungen dieser Frauen möchte ich gar nicht mehr eingehen, dies habe ich bereits getan.

Noch einmal: Das Kindergeld, meine ich, ist eine positive Maßnahme. Maßnahmen dieser Art können, Herr Minister, ruhig mehrere folgen.

Zur Bürokratie: Dazu hätte ich viel zu sagen, aber das würde die Grenze der zehn Minuten an Redezeit, die ich mir ja auch selbst auferlegt habe, bei weitem sprengen. Eines aber muss man ja leider einmal am Rande erwähnen: Die Förderungen sind nun einmal nicht treffsicher genug. Ich habe ohnedies bereits gesagt: Zum einen werden Flächenprämien und -förderungen gegeben, die meines Erachtens nicht mehr zielgerecht sind, zum anderen leiden viele Bauern unter bürokratischen Schikanen der AMA – auch darauf möchte ich nicht näher eingehen, mein Kollege wird sich dazu noch äußern. Das sind natürlich Dinge, die belastend sind.

Jetzt komme ich zum nächsten Punkt, der auch noch nicht so deutlich angesprochen wurde: Wie wird es denn in der EU aussehen, wenn die Osterweiterung stattfindet? – Hier geht es nicht um das Ausspielen: Bauern gegen einen anderen Bauern – einen Bauern im Westen gegen einen Bauern im Osten. Es geht um berechtigte Sorge um die zukünftige Entwicklung.

Es gibt immerhin Studien und Untersuchungen, die besagen: Wenn mit den geplanten 120 Milliarden Schilling für die Ost-Landwirtschaft dort die Agrarfabriken subventioniert werden, dann führt das zu einer Kürzung der heimischen Fördermittel in der Höhe von zirka 20 Prozent. (Zwi


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 76

schenbemerkung des Bundesministers Mag. Molterer. ) Diese Untersuchungen gibt es, sie stehen zwar nicht im Grünen Bericht, aber es gibt sie. (Bundesrat Freiberger: Das waren noch eure Oppositionspapiere!) Der Herr Minister wird mir dann sagen, dass all das nicht stimmt, dass ich all das erlogen habe und dass all das nicht richtig ist. (Weitere Zwischenbemerkung des Bundesministers Mag. Molterer. ) Gut, warten wir einmal ab, ob diese Prognose stimmt oder nicht!

Stimmt es vielleicht auch nicht, dass laut Rechnungshofbericht der EU im Jahr 1998 bereits 57 Milliarden an Förderungen in dunklen Kanälen versickert sind. 1999 waren es bereits 69 Milliarden, und im Jahr 2000 – dafür gibt es noch keinen Bericht – werden es mehr als 70 Milliarden sein? – Das stimmt, gut, hier gibt mir der Minister recht.

Wir haben natürlich Sorge, dass sich diese dubiosen Kanäle, in die irgendwelche Fördermilliarden fließen, vielleicht noch ausweiten werden. Man wird diese Sorge ernst nehmen. Daher haben wir in Kärnten auch gesagt – heute ist bereits auf den Wahlkampf Bezug genommen worden –: Wir fordern eine Volksbefragung zum Thema EU, wir fragen, ob die Bauern das haben wollen. Ich meine, dass jene Vertreter, die sich immer so als Vertreter der Bauern gerieren, doch nicht dagegen sein können, wenn ihre eigenen Klienten einmal gefragt werden sollen: Wollt ihr das überhaupt in dieser Form, oder was sollen wir vorher noch machen?

Wir freiheitliche Land- und Forstwirtschaftsvertreter in Kärnten fordern eine Volksbefragung zu diesem Thema.

Die Erhaltung des ländlichen Pflegeraumes sowie die Förderung von Bioprodukten habe ich bereits angeschnitten.

Ich glaube, dass wir verstärkt auf die Vermarktung von bäuerlichen Qualitätsprodukten eingehen sollten, denn auch das ist unsere Zukunft.

Über das Thema Wasser haben wir bereits diskutiert.

Zuletzt komme ich noch einmal darauf zurück, dass das Förderungswesen eine Veränderung zu erfahren hat. Es kann nicht so sein, dass immer nur die Flächen selbst gefördert werden. Ich wiederhole das, weil ich das als einen der wichtigsten Punkte meiner Rede halte. Es sollen die Menschen gefördert werden und nicht nur die Flächen. Es sollen Arbeitsplätze am Bauernhof geschaffen und gefördert werden, und das geht nur mittels Direktzuschüssen. (Bundesrat Freiberger: Genauso ist es! Ändert es! Ihr seid in der Regierung!)

Abschließend bedanke ich mich noch einmal für diesen umfassenden Bericht, der auch mir als Nichtlandwirtin die Möglichkeit gegeben hat, einen Einblick darin zu bekommen, wie sich die landwirtschaftliche Struktur in Österreich darstellt. Kollege Würschl hat heute gesagt: Die Bauernbefreiung beginnt in Kärnten, und vielleicht geht sie von Kärnten auf Österreich über. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.02

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Germana Fösleitner. Ich erteile es ihr. (Bundesrat Marizzi: Alles ist möglich, nichts ist fix!)

14.02

Bundesrätin Germana Fösleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorlage dieses Grünen Berichtes 2000, der wirklich ausgezeichnet gelungen ist, mit seinen umfangreichen Fakten und Daten ist für mich ein willkommener Anlass, den bäuerlichen Familien unseres Landes für ihre Leistungen ganz herzlich zu danken.

Längst ist in Europa und in den Wohlstandsregionen der Welt der Hunger kein Thema mehr. Im Gegenteil: Überschüsse haben in den vergangenen Jahrzehnten der Agrarpolitik große Probleme bereitet, obwohl weltweit Unterernährung und Armut zunehmen. Die Weltbevölkerung wächst, und das Hungerproblem ist ein permanenter politischer Sprengsatz.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 77

Weltweit schrumpft die Ackerfläche pro Kopf. Waren es 1950 noch 5 200 Quadratmeter, so waren es im Jahr 1995 nur mehr 2 600 Quadratmeter, also die Hälfte, und nach Schätzungen und Berechnungen werden es im Jahr 2025 nur mehr 1 700 Quadratmeter sein.

Die Weltbevölkerung betrug im Jahr 1960 noch 3 Milliarden Menschen. Im Jahr 1998 zählte man 5,9 Milliarden, und nach aktuellen Schätzungen der Vereinten Nationen wird die Weltbevölkerung im Jahr 2025 auf 8 Milliarden angewachsen sein. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind innerhalb eines Vierteljahrhunderts um 2 Milliarden Menschen mehr. Jährlich nimmt die Weltbevölkerung um etwa 80 Millionen zu. Das sind Menschen, die Brot, die Nahrungsmittel brauchen und die sich auch Lebensqualität erwarten.

Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Wir in Österreich können uns glücklich schätzen, eine leistungsfähige, von Nachhaltigkeit und ökologischem Verantwortungsbewusstsein geprägte Landbewirtschaftung und bäuerliche Familienbetriebe zu haben, die den Tisch der Österreicherinnen und Österreicher mit einer Vielfalt an gesunden, qualitativ hochwertigen Lebensmitteln reichlich decken.

Es wurde von meinen Vorrednern heute schon erwähnt, dass die aus der Agrarwirtschaft erwirtschafteten Einkommen im Jahr 2000 erstmals seit 1995 ein Plus haben, also gestiegen sind. Man muss aber auch erwähnen, dass es innerhalb der Betriebsgruppen deutliche Unterschiede gibt.

Österreich ist ein Land mit einem hohen Anteil an Berggebieten und benachteiligten Regionen. Diese Gebiete sind schwer zu bewirtschaften. Sie bringen wirtschaftlich gesehen auch ein geringes Einkommen, und die Einbrüche am Rindersektor, verursacht durch die BSE-Katastrophe, verstärken dieses Problem noch. Diese Gebiete sind aber für die Erhaltung unserer Kulturlandschaft, des ländlichen Raumes als Wirtschaftsraum, ja als attraktives touristisches Angebot und als Erholungsraum für die Menschen in unserem Land von ganz großer Bedeutung.

Die Gefahr, dass solche Regionen nicht mehr gepflegt werden, dass sie zunehmend verwalden – wir haben Gemeinden, in denen der Waldanteil schon 80 Prozent beträgt –, ist groß.

Wenn das futterverzehrende Rind wirtschaftlich nicht mehr tragbar ist, wirtschaftlich nichts mehr bringt, dann verödet die Landschaft. Das ist nicht nur ein landwirtschaftliches, sondern auch ein gesamtwirtschaftliches, ja sogar ein gesellschaftspolitisches Problem.

Daher ist jeder Schilling, der in die Landwirtschaft fließt, eine gute Investition für die gesamte Gesellschaft. Direktzahlungen, Prämien, Ausgleichszahlungen oder Förderungen – ich möchte als Bäuerin nicht von Subventionen oder, wie oft gesagt wird, von Almosen sprechen – sind Abgeltungen von Leistungen, die die österreichische Bauernschaft für die Gesellschaft erbringt und damit auch, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, für die Zukunft eine leistungsfähige Landwirtschaft sichern, die bäuerlich wirtschaftlich tragfähig, flächendeckend, ökologisch orientiert und konsumentengerecht sein muss.

Die Bauern horten das Erwirtschaftete nicht, sie investieren. Mit etwa 89 Milliarden Schilling an Investitionen sichert die Landwirtschaft Tausende Arbeitsplätze in Industrie und Gewerbe sowie auch im Dienstleistungssektor, und sie sichert damit auch die regionale Wertschöpfung.

Ich danke unserem Bundesminister für seine großen Bemühungen um die Erhaltung und die Belebung des ländlichen Raumes als wertvollen Wirtschafts- und Erholungsraum, aber auch als Wert- und Kraftquelle unserer Gesellschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Bundesminister Mag. Molterer war es, der sich von Beginn an für diese Sache voll und ganz eingesetzt hat. Das ökosoziale Agrarkonzept unseres Landwirtschaftsministers hat sich bestens bewährt. Kein BSE- und kein MKS-Fall dokumentieren eindrucksvoll, dass Österreichs Agrarpolitik auf dem richtigen Weg, ja vorbildlich ist.

Die Maßnahmen für die österreichische Land- und Forstwirtschaft, die vom Landwirtschaftsminister für das Jahr 2002 dem Parlament vorgelegt wurden, tragen einer konsumentenorien


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 78

tierten und Existenzsicherung bäuerlicher Betriebe dienenden Agrarpolitik Rechnung. Es geht um eine konsequente Umsetzung der Agenda 2000 mit den Programmen für die ländliche Entwicklung und das ÖPÜL, um die Ausrichtung der Ausgleichszulage für Berggebiete und benachteiligte Regionen sowie um die Einführung des Sockelbetrages. Meine liebe Kolleginnen und Kollegen, die vor mir gesprochen haben! All das kommt im Besonderen den kleinen und mittleren Betrieben zugute und hilft ihnen.

Es geht weiter um eine Qualitäts- und Marketingoffensive, um die Intensivierung der Bildungs- und Beratungsarbeit und um die Umsetzung des Bioaktionsprogramms, um den hohen Standard dieser Produktionsform zu halten.

Ich freue mich aber besonders, dass sich der Grüne Bericht 2000 in einem Sonderbeitrag mit der Situation der Bäuerinnen in Österreich beschäftigt und feststellt, dass Bäuerinnen in den landwirtschaftlichen Betrieben immer mehr Verantwortung übernehmen und ganz wesentlich zur Aufrechterhaltung der landwirtschaftlichen Betriebe und vor allem zur flächendeckenden Bewirtschaftung beitragen.

Ein Drittel der oberösterreichischen Bauernhöfe – von diesem Bundesland weiß ich es ganz genau – wird von Bäuerinnen als alleinige Betriebsführer bewirtschaftet. Zählt man die Ehegemeinschaften dazu, so sind es über 60 Prozent, etwa 62 Prozent der Höfe, auf denen Bäuerinnen als Betriebsführerinnen arbeiten. Sie engagieren sich neben ihrer Tätigkeit in der Urproduktion noch in einer Vielfalt von Tätigkeiten. Die Bäuerinnen sind es, die zunehmend jene wirtschaftlichen Freiräume, die die ökosoziale Agrarpolitik geschaffen hat, nutzen. Sie sind es meistens, die die bäuerliche Direktvermarktung betreiben, Alternativproduktionen aufbauen und die Urlauber am Bauernhof betreuen, um nur einige dieser Bereiche zu nennen.

Ohne die tragende Arbeit der Bäuerinnen bei der Einkommensbeschaffung, bei der Neuorientierung im beruflichen Bereich und der mitmenschlichen Konfliktlösung in der Mehrgenerationenfamilie wäre der Strukturwandel in der Landwirtschaft nicht zu bewältigen.

Die vielfältigen Aufgaben verlangen natürlich auch eine multifunktionale Aus- und Weiterbildung, die an unseren hervorragend geführten land- und hauswirtschaftlichen Fachschulen und an den ländlichen Fortbildungsinstituten angeboten und von den Bäuerinnen in hohem Maße angenommen werden.

In den bäuerlichen Familien werden neben der Kinderbetreuung – hier ist die Bereitschaft zu mehr Kindern vielfach noch gegeben – auch die alten Menschen im Familienkreis gepflegt. Die Kinder werden in das Leben und die alten Menschen aus dem Leben begleitet. Und da leisten die Bäuerinnen Großartiges und Unbezahlbares.

Die Mehrfachbelastung – meine Kollegin hat das vorhin schon angesprochen –, auch der Existenzdruck, die Sorge um die wirtschaftliche Zukunft des Betriebes führen vielfach auch zu gesundheitlichen Problemen. Eine funktionierende partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Familie, aber auch zwischenbetriebliche Zusammenarbeit, wie sie mein Kollege Hensler schon vorher erwähnt hat, mit den Maschinen- und Betriebshilferingen, mit den Erzeugergemeinschaften und dergleichen mehr schaffen Abhilfe, Freiräume und Entlastung für die Bäuerinnen und alle Familienmitglieder. Es gibt viele Möglichkeiten, die auch von der Sozialversicherung der Bauern angeboten werden, um Erholung und Entlastung zu bieten.

Trotz der großen Belastung haben die Bäuerinnen – darüber können wir uns, so glaube ich, alle freuen – eine sehr positive Lebenseinstellung und sind neben ihrer Tätigkeit am Hof und in der Familie auch bereit, in der Öffentlichkeit Aufgaben zu übernehmen. Sie haben Freude an der Arbeit und sind gerne Bäuerinnen, wie dies auch eine Studie sehr eindrucksvoll aufzeigt.

Ich möchte von dieser Stelle aus allen Bäuerinnen unseres Landes für ihre wertvolle Arbeit danken, und ich lade Sie ein, das mit einem kräftigen Applaus zu bekunden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 79

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Mit der Vorlage des Grünen Berichtes 2000, es ist der 42. Bericht seit Bestehen des Landwirtschaftsgesetzes, hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Mag. Molterer, eine ausgezeichnete Bilanz seiner Tätigkeit gelegt. Es ist ihm, seinem Ressort, der Agrarkommission, in der die politischen Parteien und Wirtschaftspartner mit Experten zusammenarbeiten, und insbesondere den 2 400 freiwilligen Buchführern herzlich zu danken.

Mit ihren Empfehlungen hat die § 7-Kommission ihre Verantwortung gegenüber den Bauern und den Konsumenten eindrucksvoll bestätigt. Es wurde heute vielfach schon gesagt, dass die ÖVP-Fraktion dem Agrarbericht gerne und aus Überzeugung zustimmen wird. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.16

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Paul Fasching. Ich erteile es ihm.

14.16

Bundesrat Paul Fasching (ÖVP, Burgenland): Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erfreulich ist natürlich, dass sich jetzt alle im Nationalrat und im Bundesrat vertretenen Parteien um die Problematik des ländlichen Raumes annehmen. Gott sei Dank! Ich schließe mich auch der Auffassung des Kollegen Schennach an. Aber man muss der Art und Weise, wie man es tut, schon ein bisserl näher treten. Man braucht sich zum Beispiel nur die Presseaussendung der SPÖ, des Herrn Konecny anzusehen. Ich würde Ihnen raten, lesen Sie einmal ganz genau diese Presseaussendung durch, damit Sie sehen, was damit eigentlich gemeint ist. (Bundesrat Dr. Nittmann: Reine Zeitverschwendung!)

Ich darf hinzufügen, dass die Aushöhlung des ländlichen Raumes seitens der SPÖ möglich gemacht wurde. Sie hätte 30 Jahre Zeit gehabt, diese Aushöhlung zu verhindern. Ohne weiteres wäre das möglich gewesen. (Bundesrat Kraml: Sie höhlen jetzt aus! – Bundesrat Konecny: 28 Jahre ist das ganz gut gegangen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man spricht von Folgendem – ich zitiere genau aus der Presseaussendung –: Die Bevölkerung in den ländlichen Regionen werde eine massive Verschlechterung ihrer Lebensqualität erfahren und ihres gesicherten Zuganges zu juristischen und administrativen Einrichtungen beraubt. (Bundesrat Kraml: Das stimmt zu 100 Prozent!) Das heißt, wenn Sie das genau lesen, dass die Bevölkerung eigentlich den massiven Verschlechterungen ihrer Lebensqualität beraubt wird. Das heißt, das, was für Kollegen Kraml für Oberösterreich gilt, muss natürlich auch für uns, für das Burgenland gelten. Sagen Sie das bitte dem sozialistischen Landeshauptmann Niessl, Herr Konecny, teilen Sie ihm das mit, denn er sagt täglich am Abend im Fernsehen, dass die Lebensqualität im Burgenland ganz hervorragend und der ländliche Raum ganz toll entwickelt seien. Daher ist das ein Widerspruch. (Bundesrat Konecny: Er hat auch keine Postämter zugesperrt!)

Sie wissen genau, dass es ohne Zustimmung der Länder, also auch des Herrn Landeshauptmannes Niessl, ob das nun die Gerichte oder die Gendarmerieposten betrifft, Herr Konecny, keine Entscheidung gibt. Das sollten Sie hier klar und deutlich feststellen. Wenn Sie das nicht machen, dann machen wir es, dann werden wir das der Bevölkerung klar und deutlich sagen. Das ist für mich Theater ohne Vorhang, liebe Freunde der SPÖ! (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Bereich, auf den ich kurz eingehen darf, ist der Entschließungsantrag der Abgeordneten Eder, Einem und Genossen, bei dem es um die zusätzlichen Maßnahmen beim Kampf gegen Alkohol geht. Einverstanden, nichts dagegen! Aber ich darf Ihnen auch zitieren, was die Sozialistische Jugend im "Kurier" verlangt: Jungsozialisten fordern Freigabe von leichten Drogen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Winzer produzieren Alkohol, wir sind auch der ländliche Raum, und wir haben auch Anspruch, gerade in dieser Gesellschaft. Teilen Sie das Ihren Jungsozialisten mit! Das wollte ich hier auch gesagt haben. (Bundesrat Konecny: Die Argumentation ist ein bisschen wirr!)


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 80

Herr Konecny! Das wollte ich hier nur gesagt haben. Teilen Sie das Ihren Jungsozialisten mit! Das ist nicht in Ordnung, dort die Freigabe und da die massive Kontrolle zu fordern und auf der anderen Seite die R
egierung für den ländlichen Raum verantwortlich zu machen. Das geht so nicht! (Bundesrat Konecny: Herr Kollege! Haben Sie noch ein paar Themen, die nicht dazupassen? Dann sagen Sie es gleich!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist heute schon oft erwähnt worden, dass dieser Grüne Bericht etwas Positives ist. Gott sei Dank! Das zeigt auch die Qualität dieses Bundesministers. Und wir sind wirklich dankbar dafür, dass wir solch einen Bundesminister haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Würschl! Sie haben von den Großbauern gesprochen. Ich bin ein Winzer mit 5 Hektar Weingartenfläche. Ich glaube, mich werden Sie nicht zu den Großbauern zählen. Und ich sage Ihnen, man kann von diesen Einkommen, wenn man sich bemüht, sehr wohl leben.

Eines darf ich auch noch an die Adresse der Sozialisten sagen: Herr Kollege Würschl! Sie haben von Raiffeisenbonzen, von Umklammerung und so weiter gesprochen. Soll ich meinen Bauern sagen, sie sollen zur Bank Burgenland gehen (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP), bei der 5 Milliarden den Bach hinuntergegangen sind? Haben Sie das vergessen? – Fragen Sie Ihre sozialistischen KollegInnen! Der Finanzlandesrat des Burgenlandes hat wegen der Erstellung des Budgets 2002 die größten Probleme. Fragen Sie sie! Sie werden Ihnen das mitteilen. Er hat die größten Probleme, weil es nicht mehr finanzierbar ist, so wie wir das vor einem Jahr der Bevölkerung gesagt haben. So trifft das ein. Lauter Unwahrheiten! So geht das nicht, liebe Damen und Herren der SPÖ! (Bundesrat Würschl: Sie nehmen die Bauern aus! Bauernaushöhler!)

Nun zu den Biobetrieben des Herrn Kollegen Schennach. Ich darf Ihnen Folgendes sagen: Wir haben ein ÖPUL-Programm für die Jahre 1995 bis 2000 und dabei die Schwierigkeit der Ausstiegsmöglichkeit. Ab dem Jahr 2001 haben wir ein neues ÖPUL-Programm, und Sie werden sehen, dass sich die Zahl der Biobetriebe ab dem Jahr 2001 wesentlich erhöhen wird, denn viele große Getreideproduktionsbetriebe steigen bei uns im Burgenland – ich kann Ihnen diese Zahlen zeigen – auf Bioproduktion um. Es ist interessant, Willi Molterer mit seinem Team hat da interessante Möglichkeiten geboten. Gott sei Dank steigen unsere Bauern um, ich hoffe aber auch, dass auch die Konsumenten umsteigen werden. Das wird der entscheidende Punkt sein, und da werden wir alle letztendlich gemeinsam dazu beitragen müssen.

Meine Damen und Herren! Zur Förderung der Fläche: Ich habe das sowohl im Landtag als auch in der Landwirtschaftskammer im Burgenland gesagt: Vergessen Sie bitte nicht, welche Strukturen wir in Österreich haben. Wir haben sehr kleine Strukturen. Viele Grundbesitzer, die ein Hektar, zwei Hektar Grund besitzen, werden nicht mehr auf eine Produktion umsteigen, daher ist es fatal, dass man sagt: nicht auf die Fläche fördern. Denn gerade diese kleinen Betriebe haben nach dem Beitritt zur Europäischen Union bei der Basisflächenerhebung die Möglichkeit, einen sehr angemessenen Pachtpreis für ihre Grundstücke zu bekommen. Überlegen Sie das, ob das nicht auch ein Grund dafür ist, warum man letztendlich die Flächenprämie eingeführt hat!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir, Österreich, sind das ökologischste Weinland Europas. Das ist heute schon über die gesamte Landwirtschaft gesagt worden. Es laufen über die kontrollierte, integrierte Produktion fast 300 Millionen Schilling in unsere Winzerbetriebe, weil sie bereit sind, nach ökologischen Voraussetzungen zu produzieren, die es in keiner vergleichbaren Weise in Europa gibt. Dafür, meine Damen und Herren, danke ich Minister Molterer, weil er sich rechtzeitig bemüht hat, dass wir solch ein Programm in Österreich auf die Beine bringen. – Danke, Herr Minister! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wenn man sich unmittelbar mit dem Produkt beschäftigt, dann kann man auch etwas darüber sagen. Die Weinernte 2000 betrug in Österreich knapp 2,4 Millionen Hektoliter. Diese Ernte war um 17 Prozent geringer als 1999 und im Durchschnittsvergleich um 3 Prozent geringer. Die Weinernte 2000 liegt geringfügig unter


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 81

dem österreichischen Jahresverbrauch an Wein. Der Weinbestand beträgt zum Stichtag 31. August 2000 2,8 Millionen Hektoliter. Der Verbrauch liegt bei zirka 2,4.

Obwohl die Weinbilanz von der Menge her sehr ausgeglichen erscheint, sind die Weinpreise sehr differenziert zu betrachten. Auf Grund des doch deutlichen merkbaren Konsumrückganges herrscht bei Weißwein eine geringere Nachfrage, was sich natürlich auch auf die Fassweinpreise ausgewirkt hat. (Bundesrat Mag. Gudenus: Warum steht dann davon hier nichts drinnen?) – Ich komme darauf zurück, Herr Kollege Gudenus! Anders ist die Situation bei Rotwein, bei dem das Angebot die Nachfrage nicht abdecken kann. Dies wirkt sich selbstverständlich positiv auf die Fassweinpreise bei Rotwein aus.

Der Ab-Hofverkauf bleibt auf stabilem Niveau. Nach wie vor wird jede zweite Flasche Wein, die zu Hause konsumiert wird, ab Hof gekauft, und laut Statistik kommt der Wein, der zu Hause konsumiert wird, zu mehr als 80 Prozent aus Österreich. Ich danke an dieser Stelle den österreichischen Konsumenten, dass sie unserem Produkt so treu geblieben sind. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Hier sitzen Ihre Konsumenten!)

Der bisherige Trend bei der Entwicklung der österreichischen Außenhandelsbilanz von Wein setzt sich weiter fort. Nach den kleinen Weinernten in den Jahren 1995 bis 1997 geht die Einfuhrmenge weiterhin leicht zurück. Gleichzeitig steigt die Ausfuhrmenge weiter an. Die Ausfuhrzahlen für das Jahr 2000 weisen zum Vergleichszeitraum 1999 eine Steigerung um 15,7 Prozent auf. Auf Grund des gleichzeitig gestiegenen Anteils an exportierenden offenen Wein kann die wertmäßige Steigerung des Exportes mit dem mengenmäßigen Export nicht Schritt halten.

Die Einfuhr von Wein ist im Jahr 2000 im Vergleich zum gleichen Zeitraum 1999 um 7,2 Prozent zurückgegangen. Denken wir daran, Herr Minister, wie oft wir uns den Vorwurf gefallen lassen mussten, es wird zu viel Wein eingeführt! Jetzt haben wir dank einer guten Arbeit der Weinmarketingservicegesellschaft diese Entwicklung. Das muss man auch hier lobenswerterweise erwähnen. Da gibt es bereits positive Zahlen.

Meine Damen und Herren! Am 17. Mai 1999 wurde die neue gemeinsame Marktordnung für Wein beschlossen. Sie ist mit 1. August 2000 in Kraft getreten und ersetzt alle bisherigen Ratsverordnungen zum Wein. Bis dato wurden von der EU-Kommission viele Durchführungsverordnungen verlautbart.

Ein wesentlicher Faktor für unsere Winzerinnen und Winzer in Österreich ist die Umstellung und Umstrukturierung von Weinbauflächen und – das möchte ich hinzufügen – die Genehmigung zusätzlicher Mittel für Österreich in den Wirtschaftsjahren 2000 und 2001.

Im Rahmen der von der Europäischen Union finanzierten Aktion "Umstellung und Umstrukturierung von Rebflächen" wird derzeit in Österreich eine Reihe von Maßnahmen – Sortenumstellung, Herr Kollege Gudenus, Kommassierung, Verlegung in Hang- und Steillagenbewässerung et cetera – durchgeführt. Ziel ist die verbesserte Anpassung des Angebotes an die Nachfrage. Die Europäische Union stellt dafür in den Jahren 2001 bis 2005 jährlich einen bestimmten Betrag zur Verfügung, der gemäß der einzelnen nationalen Umstellungspläne verwendet wird.

Österreich hat für die Wirtschaftsjahre 2000/01 einen Betrag in der Höhe von 75 Millionen zugewiesen bekommen. Dieser Betrag wurde bereits im Mai des heurigen Jahres an insgesamt 991 Winzerbetriebe ausbezahlt und ermöglicht Umstellungsmaßnahmen auf einer Fläche von 887 Hektar Weingärten. Auf Grund dieses enormen Interesses der Betriebe an der Umstellungsaktion liegen im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft jedoch bereits weitere Anträge im Gesamtausmaß von 124 Millionen auszahlungsbereit auf. Dies wurde der Europäischen Kommission mitgeteilt.

Mit ihrer Entscheidung vom 6. August 2001 hat daher die Kommission Österreich für das laufende Wirtschaftsjahr zusätzlich einen Betrag in der Höhe von 90 Millionen zugewiesen. Damit wird es möglich sein, meine Damen und Herren, mehr als 1 100 zusätzlichen Betrieben


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 82

noch im September, Oktober die Beihilfe auszubezahlen. Das entspricht einer Umstellungsfläche von voraussichtlich mehr als 1 000 Hektar Weingärten. Alle Betriebe, die bis einschließlich März des heurigen Jahres mit den Arbeiten und den Umstellungsmaßnahmen begonnen haben, werden in den Genuss der Vorschusszahlung kommen.

Darüber hinaus hat die Kommission bereits auch informell eine Mittelaufstockung für Österreich im nächsten Wirtschaftsjahr bekannt gegeben. Durch diese zusätzlichen Mittel kann die österreichische Weinwirtschaft, sofern das Interesse der Winzerbetriebe an der Aktion anhält, im Zeitraum 2001 bis 2005 voraussichtlich mehr als 500 Millionen aus Brüssel beanspruchen. Hier möchte ich dir, lieber Herr Minister, und deinem Team, recht herzlich danken, dass euch das für die österreichische Weinwirtschaft gelungen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Zwei Sätze zur Weingesetz-Novelle: Im Rahmen des Agrarrechtsänderungsgesetzes wurde auch eine Weingesetz-Novelle beschlossen, deren Inhalte in erster Linie die Aufnahme einer Verordnungsermächtigung zur Errichtung von Branchenverbänden, die Streichung der Einvernehmenskompetenz mit anderen Bundesministerien bei der Erlassung von Verordnungen – ein ganz entscheidender und wichtiger Punkt für unsere Weinwirtschaft – und die Streichung der Bestandsmeldung vom 30. November waren – Bürokratie ade. Ich glaube, das zeigt, dass Minister Molterer sehr wohl weiß, wo die Sorgen und Probleme unserer Bauernschaft liegen.

Eine Verordnung des Ministeriums betreffend Errichtung von interprofessionellen Komitees – das heißt Branchenverbänden – ist bereits in Kraft. Mit der Errichtung derartiger Branchenverbände sollen wichtige weinbaupolitische Ziele erreicht werden. Ich darf für mein Bundesland mitteilen, dass es bei uns gelingen wird, ein einziges interprofessionelles Komitee für das Land Burgenland zu errichten. Im Vergleich zu anderen Bundesländern, in denen mehrere entstehen, haben wir uns dazu entschieden.

Herr Bundesminister! Ich darf mich gleichzeitig recht herzlich bedanken: Es ist das Urteil vom 9. März 2000 des Europäischen Gerichtshofes betreffend österreichische Getränkesteuer für alkoholische Getränke als EU-widrig aufgehoben worden. Das heißt, mit dem daraufhin beschlossenen Getränkesteuer-Ersatzpaket der österreichischen Bundesregierung wurde die Umsatzsteuer für selbsterzeugten Wein von 12 auf 14 Prozent angehoben. Die Vorsteuerpauschale für pauschalierte Weinbaubetriebe wurde ebenfalls auf 14 Prozent angehoben. Diese Anhebung der Umsatzsteuer auf 14 Prozent wurde Ende 2000 wiederum rückgängig gemacht. Dadurch konnte erreicht werden, dass nach Abschaffung der Getränkesteuer keine neue Steuer für Wein eingeführt wurde. Das hat Minister Molterer auch versprochen und letztendlich gehalten. Herzlichen Dank im Namen von Tausenden Winzern! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Im Interesse der österreichischen Weinbautreibenden brauchen wir neue Ziele: erstens den Ausbau nationaler Förderungsmaßnahmen für die Erschließung von Exportmärkten, die Umsetzung der in der Weingesetznovelle 2000 vorgesehenen Errichtung von Branchenverbänden und die Einrichtung eines Fachhochschullehrganges für Wein mit internationaler Zusammenarbeit.

Ich glaube, dass das der Weinwirtschaft sicherlich helfen wird. So, wie ich Minister Molterer und sein Team kenne, wird das auch verwirklicht werden.

Herzlichen Dank, Herr Bundesminister, für deinen Einsatz, im Interesse Österreichs Weinbauern. Wir Bauern wissen das zu schätzen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

14.34

Präsident Alfred Schöls: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Höllerer. – Bevor ich ihr das Wort erteile, möchte ich daran erinnern, dass wir eine freiwillige Redezeitvereinbarung haben. Niemand von den letzten Rednern war in der Lage, diese Vereinbarung einzuhalten. Ich rufe das in Erinnerung. – Bitte, Frau Bundesrätin.

14.34

Bundesrätin Anna Höllerer (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bedanke mich für die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 83

Erinnerung, ich habe auch vier Seiten vorbereitet. Auf jeden Fall bedanke ich mich auch dafür – ich möchte das hier betonen –, dass Sie sich alle eindringlichst mit dem Grünen Bericht beschäftigt haben, dass Sie sich auch mit der ländlichen Entwicklung in Ihrem eigenen Bereich auseinander setzen und erkennen, dass im ländlichen Raum Reformen notwendig wurden. Es hat über die Jahre hin einen dementsprechenden Reformstau gegeben. Es ist jetzt Einiges aufzuarbeiten, um nicht wieder gewaltige Dinge auf uns zukommen zu lassen, wie das bei der Causa "Konsum" der Fall war.

Selbstverständlich ist es ein zentrales Anliegen der Regierung und auch im Regierungsübereinkommen festgeschrieben, dass die bäuerlich strukturierte flächendeckende Landwirtschaft in der Agrarpolitik berücksichtigt werden muss und dass es zur Stärkung des ländlichen Raums kommen muss.

Sie alle  wissen – Sie haben es heute schon wiederholt gehört –, dass die Einkünfte in der Land- und Forstwirtschaft rückgängig sind. Ich kann auch diesen kleinen Einkommenszuwachs, wie er im Grünen Bericht 2000 dargestellt ist, nicht wirklich als Erfolg werten. Er gleicht bei weitem nicht den Einkommensrückgang, der von 1995 bis 1999 stattgefunden hat, aus.

Es ist auch anzumerken, dass das Volumen der Agrarproduktion in dieser Zeit auf Grund der schweren Dürreschäden, die selbstverständlich zu bedauern sind, stark zurückgegangen ist. Es sind tatsächlich die Agrarpreise etwas angestiegen, aber durch die Teuerung der Betriebsmittel wurde das bei weitem wieder wettgemacht, das heißt, das erwirtschaftete Markteinkommen bei den Agrarprodukten ist letztendlich nicht wirklich für den Einkommenszuwachs ausschlaggebend.

Die Gründe für das Plus, so wie es sich darstellt, sind in den höheren Direktzahlungen zu finden und auch auf die Anhebung des Vorsteuerpauschales zurückzuführen. Es sind die besseren Erträge in der Schweinehaltung, die aber wieder zu Lasten des Rindfleischsektors gegangen sind, bei dem auf Grund der BSE-Krise gewaltige Einbrüche im Fleischabsatz – auch in unserem Land, obwohl es hier keinen Fall von BSE gegeben hat – stattgefunden haben.

Ich bedauere sehr – das möchte ich hier auch anmerken – die neuerliche Welle der Abwanderung aus der Landwirtschaft. Es sind tatsächlich wieder 3,6 Prozent weniger Landwirte tätig, als dies im Jahr 1999 der Fall war, die Agrarquote liegt momentan bei 4 Prozent.

Eines muss ich natürlich schon sagen: Wenn es nur mehr 4 Prozent sind, die tatsächlich in der Landwirtschaft arbeiten, manuell in der Landwirtschaft beschäftigt sind und arbeiten, so sind es immerhin 96 Prozent der österreichischen Bevölkerung, die von dieser Multifunktionalität der Landwirtschaft profitieren. Es gibt sehr viele, die sehr gut gemeinte Ratschläge geben, ohne aber das fundierte Wissen und ohne den optimalen Zugang zur Landwirtschaft zu haben. Ich möchte Sie bitten, nicht nur die Zahlen zu lesen, sondern auch tatsächlich bei den Bauern nachzufragen, wie Landwirtschaft praktiziert wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist auch ein Auftrag an die Bäuerinnen und Bauern, nicht nur zu arbeiten und Landwirtschaft zu praktizieren, sondern sie auch zu kommunizieren, das heißt, alle, die Interesse an der Landwirtschaft haben, auch dementsprechend über die Praxis aufzuklären. Es sind tatsächlich gewaltige Widersprüche bezüglich der Ansprüche, die an die Landwirtschaft gestellt werden, erkennbar.

Auch von Ihnen konnte ich heute einiges aufnehmen, aus dem durchaus Widersprüchlichkeiten herauszulesen sind. Es ist nach wie vor so, dass Lebensmittel höchster Qualität verlangt werden, womöglich biologisch produziert, womöglich in der Region direkt gewachsen, aber zum niedrigsten Preis.

Es ist so, dass wir Einkommensverluste im bäuerlichen Bereich hinnehmen mussten, aber Intensivierungsmaßnahmen zu setzen, war unerwünscht. Ganz im Gegenteil, es ist auch von der Bauernseite her die Ökologisierung vorangetrieben worden, was natürlich mit einer Extensivierung einhergeht, was letztendlich auch ein Verringern der Erträge bedeutet und eben wieder einen Einkommensverlust forciert, anstatt ihn hintanzuhalten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 84

Sie alle haben sich zu biologischer Landwirtschaft bekannt. Ich finde, dass es ein wirklich richtiger Weg ist. Sie kreiden an, dass der bürokratische Aufwand dementsprechend hoch ist. Alles, was an biologischer Arbeit oder überhaupt an Arbeit im Betrieb geleistet wird, muss letztendlich – wenn es gefördert werden soll – einer gewissen Kontrolle unterziehbar sein, und Kontrolle ohne Aufschreibungen ist ganz einfach nicht möglich.

Sie kritisieren hier intensivst, dass es so etwas wie eine Flächenprämie in Österreich gibt, bedenken aber zu wenig, dass biologische Arbeit oder ökologische Arbeit auf der Fläche passiert und eine Leistungsabgeltung in diesem Bereich stattfinden muss. Sie bedauern, dass zig Milliarden Schilling in der Europäischen Union in dubiosen Quellen verschwinden, bedenken aber nicht, dass wir in Österreich auf Grund unseres Kontrollsystems, auf Grund unseres Aufschreibesystems tatsächlich maßgeblich an vorderer Front tätig sind, damit so etwas in Österreich nicht passieren kann.

Sie oder viele von Ihnen – vielleicht nicht Sie hier im Saal, die Sie sich intensivst mit dem Grünen Bericht auseinander gesetzt haben und tatsächlich ein bisserl Einblick in die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern nehmen konnten – oder ein Teil der Gesellschaft stehen letztendlich immer noch auf dem Standpunkt, dass möglichst traditionell gewirtschaftet werden muss, was immer noch ein bisserl mit den Spinnweben der Nostalgie verhaftet ist. Man sieht nicht so gerne, dass die moderne Technik, die durchaus auf Grund von Erkenntnissen der Wissenschaft und Forschung in der Landwirtschaft anzuwenden ist, auch in die Landwirtschaft Eingang findet. Man hätte viel lieber, dass Pferdewagen unterwegs sind und man sich mit Schubkarren beschäftigt, anstatt dass große Traktoren auf den Feldern fahren.

Trotz allem muss man sagen, dass es die österreichischen Bauern verstanden haben, sich in überbetrieblichen Maschinenringen zu organisieren und daher der Betriebsmitteleinsatz entsprechend gerechtfertigt ist.

Traditionelle Bewirtschaftung der herkömmlichen Art kann ganz einfach nicht konform gehen mit der Selbstverständlichkeit, mit der sich unsere Bauern im Weltmarktwettbewerb beweisen müssen.

Wir haben ein großes Problem, das mit der Abwanderung einhergeht. Wir haben schon vor langer Zeit erkannt, dass diese Welle der Abwanderung noch nicht vorbei ist. Jeder, der in einem Dorf wohnt, kann das nachvollziehen, wenn er sieht, dass uns die Altersstruktur – nicht nur in der Gesamtbevölkerung, sondern ganz spezifisch in der bäuerlichen Bevölkerung – gewaltig zu schaffen macht. Das verhindert letztendlich diesen familieninternen Transfer von Leistungen, der immer stattgefunden hat. Das verhindert die überbetriebliche und die betriebliche Zusammenarbeit. Das verhindert den Einsatz der Generationen, die in der Tradition füreinander da waren.

Es ist wichtig, dass sämtliche Maßnahmen, die zur Einkommenssicherung in der Land- und Forstwirtschaft möglich sind, eingesetzt werden müssen, um eine Angleichung des Einkommensniveaus mit anderen Berufsgruppen stattfinden zu lassen, um tatsächlich die Abwanderung aus der Landwirtschaft stoppen zu können. Es sind dies letztendlich positive Investitionen zur Sicherung der Lebensgrundlagen für die Menschen in unserem Land.

Die Landwirtschaft hat vielfältigste Aufgaben für die Gesellschaft zu erfüllen. Sichere, gesunde, schmackhafte Lebensmittel aus der Region sind zur Verfügung zu stellen. Hier ist besonders positiv anzumerken, dass durch die Schaffung einer Agentur für Ernährungssicherheit ein durchlässiges System vom Produzenten bis zum Konsumenten geschaffen werden soll, um tatsächlich die Lebensmittelproduktion nachvollziehen zu können, womit das Vertrauen der Gesellschaft in die österreichischen Lebensmittel wieder zurückgewonnen werden soll.

Es ist die Erhaltung der Artenvielfalt und der Wasserqualität notwendig, selbstverständlich auch die Ausweitung der ökologischen Standards. Österreich ist ein Land, das in Berggebieten und benachteiligten Regionen besonders ökologische Erfordernisse und Ansprüche an die bäuerliche Bewirtschaftung stellt. Genau das muss auch im Sinne der Tourismuswirtschaft in Zukunft


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 85

erhalten bleiben können. Landschaftspflege ist also nicht wirklich von Landwirtschaft abkoppelbar.

Dem Bereich der nachwachsenden Rohstoffe ist natürlich in Zukunft Vorrang zu geben. Auch da müssen die erneuerbaren Energieträger dementsprechend forciert werden, ebenso die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen im vor- und nachgelagerten Bereich, denn es wird in Österreich jeder sechste Arbeitsplatz von der Landwirtschaft gesichert.

Um alle diese Anforderungen erfüllen zu können, bedarf es der Professionalität im bäuerlichen Bereich. Es braucht aber vor allem eine positive Gestaltung des bäuerlichen Umfeldes. Das heißt, eine hohe Lebensqualität muss auch auf dem Bauernhof möglich sein, um die Bedürfnisse der modernen Menschen, die auf dem Bauernhof leben, genauso wie in allen anderen Berufsgruppen zufrieden stellen zu können.

Die politischen Steuerungselemente, die einsetzbar sind und die selbstverständlich im Rahmen der Agrarpolitik auf das bäuerliche Einkommen einwirken, sind die EU-kofinanzierten Fördermaßnahmen, die insbesondere für die positive Entwicklung des ländlichen Raumes wichtig sind: für die Berufsbildung, für die Professionalität, für die Förderung der Berggebiete, der benachteiligten Gebiete, für die Ausgleichszulage im neu eingeführten Sockelbetrag. Es gibt also auch mehr als nur eine Flächenförderung.

Das sind sämtliche Bereiche der Umweltförderung bis hin zum biologischen Landbau. Das sind natürlich auch die nationalen Förderungen, die sich mit Beratung, Weiterbildung, Qualitätssicherung und Verkehrserschließung beschäftigen sowie die Marktordnungsmaßnahmen, wie sie von Kollegen Fasching vorgestellt wurden.

Es sind Ansprüche da, es sind Bedingungen da, mit denen die Bäuerinnen und Bauern zu arbeiten haben. Es sind selbstverständlich politische Wege zu gehen, die ganz besonders auch in Richtung der Wettbewerbsfähigkeit im neuen erweiterten Europa für die Bauern wichtig sind. Das heißt, eine optimale Marktpositionierung für die Produkte aus der Land- und Forstwirtschaft muss angestrebt werden, ebenso eine Stärkung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbetriebe. – Das Licht leuchtet schon, also komme ich zum Schluss.

Eine Harmonisierung der Betriebsmittel und Betriebsmittelpreise ist ganz wichtig für unsere Landwirtschaft, um im erweiterten Europa in Zukunft konkurrenzfähig sein zu können. Für mich bedeutet es – ich denke, dass das in den Grundsätzen der Ökologisierung der EU-Agrarpolitik auch festgeschrieben ist –, dass vor allem die sozialen Aspekte der Agrarförderungen und die Maßnahmen, so wie sie in der "Agenda 2000" festgehalten wurden, zur Multifunktionalität der österreichischen Landwirtschaft beitragen.

Wichtig aber ist es, die Unterstützung, die Anerkennung und die Wertschätzung für die Bauernarbeit von der österreichischen Gesellschaft zu erhalten, so ähnlich wie es von Ihnen heute angeklungen ist. Darum möchte ich Sie bitten, allen Maßnahmen, die gesetzt werden, um die bäuerliche Struktur in unserem Land zu erhalten, Ihre Zustimmung zu geben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.47

Präsident Alfred Schöls: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. Ich erteile es ihm.

14.47

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Grüne Bericht oder Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2000 in der vorliegenden Form ist nicht nur – das wurde schon gesagt – sehr umfassend und übersichtlich gestaltet, sondern, wie ich meine, ein durchaus aussagestarker Bericht.

Es gilt natürlich den Verfassern dieses Berichtes der Dank. Der Bericht, meine Damen und Herren, zeigt aber auch die Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft auf: die Einkommens


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 86

situation, die Marktentwicklung und die damit einhergehenden Reaktionen und die dadurch verbundenen Veränderungen der Rahmenbedingungen – Rahmenbedingungen, welche sich durch nicht beeinflussbare Ereignisse wie Dürre oder andere Ernteausfälle, Krankheiten und Tierseuchen permanent verändern.

Als gravierende Veränderung, meine Damen und Herren, in diesem Bericht wird die Zeit vor dem EU-Beitritt und jene danach bezeichnet. Dies geht aus dem Bericht und den beinhaltenden Statistiken sehr deutlich hervor; dies ist auch Tenor des Vorwortes des Herrn Bundesministers.

Die Zahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe hat sich von 318 085 im Jahre 1980 auf 239 099 im Jahre 1995 reduziert. Im Zeitraum ab 1995, als Österreich Mitglied der Europäischen Union wurde, ging dieser negative Trend leider weiter, und die Zahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe verringerte sich bis 1999 – das umfasst die Statistik im Bericht – um weitere 21 591 Betriebe auf 217 508.

Meine Damen und Herren! Was bedeutet das? – Dieser negative Trend zeigt auf und beweist, dass die Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft sehr eng an die nationalstaatliche Agrarpolitik gekoppelt ist.

Es ist ebenso im Bericht aufgelistet, dass sich die Zahl der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe bis zu einer Betriebsgröße von 30 Hektar im dargelegten Zeitraum von 278 187 Betrieben auf 170 268 reduziert hat. Bei Betrieben mit einer Betriebsgröße über 30 Hektar haben wir im selben Zeitraum einen Zuwachs von 7 342 landwirtschaftlichen Betrieben auf 47 240.

Werte Damen und Herren! Was bedeutet dies wiederum? – Für diese Veränderung ist nicht der Markt und auch nicht das Angebot verantwortlich. Es ist auch nicht die Aussichtslosigkeit bei vielen Betrieben in der Land- und Forstwirtschaft, dass immer mehr Kleinbetriebe aufgeben, während bei den so genannten größeren Betrieben ein Zuwachs gegeben ist.

Sie alle, meine Damen und Herren in der Landwirtschaft, produzieren hervorragende Produkte und Lebensmittel und, wie ich meine, die Kleinbetriebe vielleicht oft etwas sorgfältiger als die so genannten Großbetriebe.

Meine Damen und Herren! Wir erinnern uns auch, dass Sie vom Bauernbund und der ÖVP angekündigt haben, Österreich werde der Feinkostladen. Aber, Herr Minister, dieser Feinkostladen – wenn man sich diese Statistik zu Gemüte führt – ist im Schwinden. Das Produkt und die Produktion haben sich zwar nicht verschlechtert, aber unsere Bauern haben keinen ausreichenden Absatz gehabt. Dass dieser Markt für den Feinkostladen Österreich nicht gegeben ist, macht mir und meiner Fraktion Sorgen.

Ein entscheidender Punkt aber, meine Damen und Herren, ist, dass die österreichische Agrarpolitik zum Teil gegen eine Agrarbürokratie ausgetauscht wurde. Ich nenne nur ein Beispiel: Die AMA ist ein Paradeunternehmen für Agrarbürokratie. Es war natürlich notwendig, für die Ausgleichszahlungen in der Landwirtschaft entsprechende Erhebungen durchzuführen.

Aber niemand versteht, dass bei diesen Ausgleichszahlungen und den Flächenprämien die Erhebungen immer wieder, also permanent wiederkehrend, gemacht werden, auch wenn keine Veränderungen vorliegen. Hier wird seitenweise Papier vergeudet, hier wird Agrarbürokratie produziert, wie ich meine, und hier wird, meine Damen und Herren, der Bauer und Landwirt entmündigt, weil seine Erklärungen, die er abgibt, nicht akzeptiert werden, weil er jährlich mit den selben Fragen und dem selben Erhebungsbogen konfrontiert wird.

Meine Damen und Herren! Als "Zugabe" in diesem Bereich in der Landwirtschaft ist natürlich auch die Kontrolle zu bezeichnen. Im landwirtschaftlichen Bereich werden unter dem Titel "Kottan ermittelt" sehr oft AMA-Kontrollore in die landwirtschaftlichen Betriebe entsandt, weil sich vielleicht eine Grundstücksbezeichnung oder eine Wiesenbezeichnung vom Namen her oder vielleicht sogar nur in der Schreibweise mit einem Buchstaben geändert hat. Weder die Fläche noch die Hangneigung, noch die Bewirtschaftungsform ist geändert, aber es kommt


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 87

dadurch zu Rückstellungen der Förderungen und zu Rückstellungen der Auszahlungen, weil es in der AMA eine Quartalsbewirtschaftung gibt.

Meine Damen und Herren! Das ist auch ein wesentlicher Punkt, warum in der Landwirtschaft zum Teil Hoffnungslosigkeit und Aussichtslosigkeit herrschen.

Herr Minister! Hier besteht Handlungsbedarf. Hier sollten Sie, weil die Landwirtschaft sehr eng nationalstaatlich verbunden ist, für ein transparentes, durchschaubares Agrarförderungssystem sorgen, damit das Bauernsterben, das Abwandern aus der Landwirtschaft und aus dem ländlichen Raum beendet werden und damit vor allem wieder Zuversicht und Optimismus in unserer Landwirtschaft vorherrschen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

14.54

Präsident Alfred Schöls: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. Ich erteile es ihm.

14.54

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Grüne Bericht – ich danke auch für die positive Einstellung und werde das auch meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Verantwortung dafür tragen, ausrichten – zeichnet ein objektives Bild der Landwirtschaft, beschönigt nichts, verbirgt nichts, besagt, dass wir ein Einkommensplus haben, und besagt genauso, wo wir Probleme haben.

Ich finde, das ist eine gute Grundlage letztendlich auch einer Diskussion, die ich für notwendig halte. Erlauben Sie mir aber, angesichts dieser Diskussion, die heute stattgefunden hat, und auch anderer Diskussionen doch einen etwas kritischeren Zugang.

In dieser Diskussion habe ich den Eindruck, dass Sie in diesem Hohen Haus, dass viele Bürgerinnen und Bürger, die sich in der öffentlichen Diskussion über Landwirtschaft unterhalten, schlicht und einfach die Quadratur des Kreises wollen. Sie müssen sich entscheiden, meine Damen und Herren: Sie können nicht kritisieren, dass in der Europäischen Union 45 Prozent des Budgetgeldes für die Landwirtschaft ausgegeben werden, gleichzeitig aber den Unterton mitschwingen lassen, das sei zuviel, und dann sagen, es geschehe zuwenig. – Sie können, meine Damen und Herren, sich in dieser Frage nicht sozusagen zwischen diese Positionen setzen, sondern Sie müssen eine Position beziehen, sich entscheiden.

Sie sagen beispielsweise, es sei für die Bauern auf den Märkten schwierig. Ja, auch dann müssen Sie sich entscheiden. Halten Sie es für richtig, dass die österreichischen Haushalte nur mehr 17 Prozent für die Agrarprodukte, für die Lebensmittel ausgeben oder nicht?

Sie müssen sich entscheiden, ob Sie in der Umfrage für Bioprodukte stimmen – jetzt nicht Sie persönlich, sondern ich meine die Öffentlichkeit – und im realen Kaufverhalten zum anderen Produkt greifen. Sie müssen sich entscheiden, meine Damen und Herren, ob Sie in der Umfrage sagen, dass Sie bereit sind, für Qualität zu bezahlen, ja sagen, oder im täglichen Verkaufverhalten zum Disconter gehen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundsräten der Freiheitlichen.)

Sie müssen sich entscheiden, meine Damen und Herren, ob Sie in Österreich für die positive Entwicklung etwa in der Landschaft sind, aber selbstverständlich beispielsweise zum Importprodukt greifen, bei dem Sie nicht wissen, wie es erzeugt wird. Sie müssen sich dafür entscheiden, ob die Standards in Österreich ständig höher geschraubt werden, sich aber tatsächlich auf dem Markt Produkte finden, die diesen Standards nicht einmal annähernd entsprechen.

Warum sage ich das? – Ich halte es, ganz offen gesagt, nicht mehr für richtig, wie manche Diskussionen geführt werden und diese Quadratur des Kreises verlangt wird. Sie kritisieren den Missbrauch von Geldern in der Europäischen Union, prangern das tagtäglich an und sagen zur gleichen Zeit, es sei doch wirklich bedauernswert, welches Ausmaß an Bürokratie wir haben.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 88

Auch hier ist die Fragestellung letztendlich: Was wollen Sie? Wollen Sie eine Landwirtschaft, die klein, fein, handgestreichelt produziert? – Dann müssen Sie aber auch B sagen und nicht zu Entwicklungen applaudieren, die tagtäglich stattfinden. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Ich bin vielmehr für den Blick des Realismus, meine Damen und Herren! Auch in der Landwirtschaft gibt es so etwas wie Markt, den wir nicht außer Kraft setzen können. Auch in der Landwirtschaft gibt es so etwas wie Wettbewerb, und letztendlich entscheidet der Konsument mit seinem tagtäglichen Kaufverhalten, wie die Landwirtschaft aussieht. Nicht die Agrarpolitik alleine ist das, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich möchte, dass bei derartigen agrarpolitischen Diskussionen, für die ich sehr bin, auch diese Offenheit angesprochen wird und letztendlich auch dieser reale Blick gegeben ist – auch im europäischen Vergleich.

Heute wurde die Frage angesprochen, wir hätten in Österreich sozusagen die Großlandwirtschaft. Damit wir nur wissen, wovon wir reden: In Österreich sind 1,3 Prozent aller Betriebe größer als 100 Hektar; in Deutschland sind es 4,2, in Großbritannien 16,5 Prozent der Betriebe.

Ich meine, wir haben in Österreich eine bäuerliche Struktur in der Landwirtschaft. Ich habe bei dieser Diskussion der Größenverteilung immer einen Verdacht: Was wollen Sie eigentlich? Wollen Sie den Einheitsbetrieb? Wollen Sie, dass jeder österreichische Betrieb gleich viel Hektar, gleich viel Kühe, gleich viel Schweine hat? Wollen Sie diesen Einheitsbetrieb?

Wenn Sie das nicht wollen, dann sagen Sie es! Aber sagen Sie es auch, wenn Sie es wollen!

Wenn wir einen Vergleich etwa innerhalb der Europäischen Union anstellen, dann stellen wir fest, dass wir in Österreich beispielsweise 20 Stück Rinder pro Betrieb haben, während es in Großbritannien 90 Stück sind. – Sagen Sie doch, was Sie wollen! Wollen Sie die billigste Produktion? – Dann verabschieden Sie sich vom österreichischen Modell der Landwirtschaft! – Wenn Sie aber die österreichische Form der Landwirtschaft wollen, dann verabschieden Sie sich von dem Wunsch, so billig wie möglich einzukaufen!

Diese Quadratur des Kreises geht nicht, meine Damen und Herren! Es ist Entscheidung gefragt in dieser Situation! – Das meine ich, wenn wir über agrarpolitische Konzepte diskutieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich darf daher dann auf einige dieser Fragestellungen eingehen. Gestatten Sie mir aber zuvor noch eine Bemerkung, die ich bereits letztes Mal gemacht habe – sie hat damals zu großer Aufregung in diesem Saal geführt – und die ich heute wiederholen möchte: Ich bin stolz darauf, dass wir in Österreich nach 170 000 Tests nach wie vor keinen Fall von BSE und keinen Fall von Maul- und Klauenseuche haben! Ich meine nicht, dass das Zufall ist, sondern das ist letztendlich das Verdienst der Qualitätsarbeit der österreichischen Bauern und der effizienten Kontrolle, die auf dem Veterinärsektor stattfindet. – Aber sagen wir das doch dazu, dass das nicht selbstverständlich ist!

Ich habe oft bei Diskussionen – so auch heute – den Eindruck, wir diskutieren eigentlich über ein anderes Land und nicht über unser Österreich und nicht über unsere österreichischen Bauern. Daher im Folgenden meine Anmerkungen zu einigen kritischen Fragestellungen, die ich gerne diskutiere, Herr Kollege Kraml, aber: Diskussion sollte auch Fortschritt bringen und sich nicht nur auf das jährliche Wiederholen derselben Argumente beschränken.

Zum Thema Verteilung: Herr Kollege Würschl! Lesen Sie von Seite 301 bis Seite 316 die Förderungsverteilung nach! Sie ist detailliertest und penibel aufgelistet – nicht in drei Zeilen festgehalten, sondern offen, objektiv und detailliert aufgelistet.

Was folgt denn daraus? – Nehmen Sie beispielsweise das Umweltprogramm: Sie sagen, wir sollen mit der Hektarförderung aufhören. – Ja wollen Sie denn, dass das tausendste Hektar im Umweltprogramm nicht ökologisch bewirtschaftet wird? – Ich meine, dass uns gerade die


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 89

ökologische Verantwortung zwingt, jedes Hektar so zu bewirtschaften, wie wir es für ökologisch richtig halten. Aber wir haben reagiert – sagen Sie das auch dazu! –: Mit dem ÖPUL 2000 gibt es eine Degression in Abhängigkeit von der Betriebsgröße. – Übrigens: Das erste Land europaweit, das eine derartige Degression festgelegt hat, heißt Österreich.

Zur Bergbauernförderung: Was heißt es, wenn Sie hier von Arbeitsplätzen sprechen? Ist es nicht so, dass ein Betrieb im Berggebiet in der Zone 4, der 40 Hektar bewirtschaftet, einen höheren Arbeitsaufwand hat als einer, der 4 Hektar bewirtschaftet? (Bundesrat Dr. Böhm: Ja! Selbstverständlich!) – Was wollen Sie? Wollen Sie, dass diese 40 Hektar nicht bewirtschaftet werden? – Ich meine, dass gerade hier die Arbeitsleistung zum Ausdruck kommt.

Aber wir haben etwas für die kleinen Betriebe getan: Heuer – übrigens heute – wird das erste Mal die neue Bergbauernförderung mit dem Sockelbetrag für kleinere Betriebe ausbezahlt. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm. )  – Das ist richtig, meine Damen und Herren, dass in beide Richtungen reagiert wird! Ich lehne es ab, dass mit dem Argument groß/klein Politik einer bestimmten Art betrieben wird, von der ich nichts halte.

Es wird Ihnen auch niemand in bestimmte aufgestellte Fallen hineingehen. Sie werden es nicht schaffen, dass die Bauern zwischen Groß und Klein, zwischen Berg und Tal und zwischen "Hörndl" und "Körndl" auseinander dividiert werden! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm. )

Es ist dies übrigens ein Versuch, der seit vielen Jahrzehnten im Gang ist. Es wird Ihnen aber nicht gelingen, das zu tun, weil es außerdem in der Sache nicht richtig ist: weil ich eben nicht den Einheitsbetrieb, nicht den Einheitsbauern will, sondern die Vielfalt letztendlich auch in den Strukturen respektiere, aber – und das wissen Sie –dafür eintrete, dass die Betriebsgröße degressiv – das heißt abnehmend – in viel stärkerem Maße bei der Weiterentwicklung der Förderungen berücksichtigt wird, weil ich es etwa im Marktförderungsbereich nicht für richtig halte, dass das tausendste Hektar dasselbe bekommt wie das zehnte Hektar. – Diese Unterscheidung bitte ich Sie zu sehen: Welchen Effekt hat welche Förderung? – Eine Marktordnungsprämie ist etwas anderes als etwa ein Umweltprogramm.

Zur Frage der Förderung: Warum sagen Sie nicht dazu, dass sich Österreich von der Union unterscheidet? – Wenn Sie es nicht tun, dann mache ich es: Die Union bezahlt im Schnitt 90 Prozent der Förderungen für die klassischen Marktordnungsmaßnahmen und 10 Prozent für die ländliche Entwicklung – etwa im Rahmen der Bergbauernförderung oder des Umweltprogramms.

Wissen Sie, was wir in Österreich gemacht haben? – In Österreich zahlen wir 60 Prozent aller agrarischen Förderungen für die ländliche Entwicklung – beispielsweise im Rahmen des Umweltprogramms und der Bergbauernförderung – und nur mehr 40 Prozent für die klassischen Marktordnungsmaßnahmen, weil wir zeitgerecht und richtig reagiert haben. Österreich ist in diesem Sinne auch Vorbild in der Europäischen Union, auch, Herr Kollege Schennach, was die ökologische Orientierung der Agrarförderung betrifft.

Im Bereich der ländlichen Entwicklung, etwa im ÖPUL-Programm, ist Ökologie das Kernziel der Förderung, und die gute fachliche Praxis gilt übrigens für alle Förderungen, die in der Landwirtschaft ausbezahlt werden – für die Investitionsförderungen genauso wie etwa für die Frage der Bergbauernförderung. Das heißt, wir haben das bereits in einem hohen Ausmaß, aber ich bin davon überzeugt, dass auch noch etwas Zusätzliches getan werden kann.

Die Frage der Abwanderung sei hier auch deutlich angesprochen: Wissen Sie, was die Ursache für unterschiedliche Abwanderungsentwicklungen ist? – Das wissen wir sehr genau: Es ist im Wesentlichen die Situation der Wirtschaft bestimmend. Wenn wir einen Arbeitsmarkt haben, der aufnahmefähig ist, dann werden Betriebe, die aus der Landwirtschaft nicht mehr das volle Einkommen erzielen, am Arbeitsmarkt zusätzliches Einkommen erarbeiten wollen. Wenn Betriebe in einer schwierigeren Situation, die sich jetzt abzeichnet, das nicht mehr können, dann


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 90

wird die Abwanderung sinken. Auch hier stehen wir vor einer offenen Frage, die auch bei manchen Agrarfunktionären nicht gerade große Begeisterung auslöst.

Manchmal möchte ich wissen: Was genau ist denn ein "Nebenerwerbsbetrieb"? Ist ein Betrieb, wenn der Mann zu Hause und die Frau berufstätig ist, ein Vollerwerbsbetrieb, und wenn die Frau zu Hause und der Mann berufstätig ist, ein Nebenerwerbsbetrieb? Kann mir jemand den tatsächlichen Unterschied erklären? – Diese Diskussionen müssen aus meiner Sicht auch vor dem Hintergrund der Strukturdebatte geführt werden.

Zur Frage der Erweiterung ein sehr offenes Wort: Ich teile die Einschätzung mancher Redner, etwa des Kollegen Gudenus, nicht. – Die Erweiterung ist das wichtigste Ziel, das sich Europa gesetzt hat! Dies wird gerade in dieser Zeit, in der wir uns jetzt befinden, deutlich. Bitte sehen Sie doch: Dramatischer als jetzt kann doch die Notwendigkeit der Ausweitung der Friedens- und Sicherheitsregion Europa gar nicht gezeichnet werden! (Beifall bei der ÖVP.)

Unsere Aufgabe, die Aufgabe der Politik, ist es – und das hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt –, die berechtigten Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, zu beantworten, wie beispielsweise jene der Arbeitnehmer etwa mit der siebenjährigen Übergangsfrist für die Freizügigkeit der Personen oder der Dienstleistungen. Genauso werden wir die berechtigten Fragen der Bauern beantworten, die ein Recht auf diese Antworten haben! Aber mit der Volkabstimmung zu spielen, halte ich für falsch – das sei hier auch ganz klar gesagt. Ich stimme nicht über Dritte ab, sondern ich stimme über meine Zukunft ab! (Bundesrat Mag. Gudenus: Stimmt vollkommen! Stimmt vollkommen! – Bundesrat Dr. Nittmann: Darum geht es ja!) Denken Sie daran – weil Sie beim vorigen Tagesordnungspunkt auch die Sanktionen angesprochen haben –, wie eine Abstimmung über Österreich ausgegangen wäre, hätte diese zu einem Zeitpunkt des Jahres 2000 stattgefunden, als wir manche europäische Unsinnigkeit erleben mussten! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Bundesräte Dr. Böhm und Mag. Gudenus. )

Meine Damen und Herren! Ich bin daher dafür, dass wir dort unsere Entscheidungen treffen, wo es um unsere Zukunft geht, wie wir es etwa bei der Mitgliedschaft getan haben. Was aber eine Abstimmung über Dritte betrifft (Bundesrat Mag. Gudenus: Über uns!), so sollten Sie, würde ich meinen, vorsichtig sein in Bezug darauf, welche Auswirkungen das tatsächlich hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Drei Sätze noch: Frau Bundesrätin! Sie haben über die Biozukunft geredet: Ja, ich bin dafür, dass wir mehr Biobauern bekommen, aber trennen Sie bitte nicht die Entwicklung der Biobauern von den Chancen der Märkte!

Was haben wir denn davon – ganz offen gesagt –, dass wir in einer Produktionssparte 40 Prozent Bioanteil haben – theoretisch gesprochen; wir haben es noch nicht – und 5 Prozent Marktanteil? Was wäre dann der Fall? – Dann hätten wir eine Überschussproduktion im Biobereich und einen Preisdruck, den wir nicht wollen.

Ich will, dass mehr Konsumenten Bio kaufen, damit wir mehr Biobauern haben können, aber nicht umgekehrt – das wäre aus meiner Sicht der falsche Zugang. Es muss darum gehen, Märkte zu entwickeln, damit Biobauern mehr Chancen haben als in der Vergangenheit.

Herr Kollege Weilharter! Auch zu Ihrer Fragestellung betreffend AMA darf ich in aller Deutlichkeit Stellung nehmen: Die AMA macht genau das, was INVECOS, das europäische Kontrollsystem, vorschreibt und nicht mehr. – Mehr gemacht haben wir insofern – das stimmt –, als wir unsere Förderungen weiterentwickelt, sehr kompliziert gemacht haben – im Rahmen des ÖPUL beispielsweise. Aber warum? – Wir wollten jeden einzelnen Sonderfall auch noch berücksichtigen. Und damit Sie es wissen: Wir haben im ÖPUL, so glaube ich, ungefähr 160 einzelne Förderungsmöglichkeiten, wobei für etwa zehn Förderungsmöglichkeiten 80 Prozent des Geldes aufgewendet werden und 20 Prozent des Geldes für 90 Prozent der Förderungsmöglichkeiten. Warum? – Wir haben durch eine sehr feingliedrige Gestaltung des Systems auf jede regionale Situation geachtet. Das heißt, wenn wir es einfacher machen wollen – und das


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 91

will ich –, dann müssen wir auch das Fördersystem einfacher machen, aber dann kann nicht mehr jeder einzelne Fall oder jeder regionale Wunsch Berücksichtigung finden, was ja das Ziel bei ÖPUL war.

Letzte Bemerkung: Ich bin kein Verteidiger irgendeines Bankensystems, wie immer das heißt. Ich nehme an, dass Sie vielleicht zufriedener gewesen wären, Herr Kollege Würschl, wenn alle Kredite bei BAWAG genommen worden wären – allerdings zu einem Zeitpunkt, zu dem die BAWAG noch nicht den Bayern gehört hat. Vielleicht hätte es dann ein zusätzliches Penthouse getragen. (Beifall bei der ÖVP und Heiterkeit der Bundesräte Bieringer und Mag. Gudenus. )

15.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die beiden Punkte getrennt erfolgt.

Zuerst stimmen wir über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2000, den Grünen Bericht 2000, ab.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2002.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

4. Punkt

Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Bundes-Abfallwirtschaftsplan, Bundesabfallbericht 2001 (III-222-BR/01 sowie 6455/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Bundes-Abfallwirtschaftsplan, Bundesabfallbericht 2001.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Hensler übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Friedrich Hensler: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich darf Ihnen im Folgenden den Bericht zur Kenntnis bringen:

Der Bericht gliedert sich in Einleitung; Bestandsaufnahme der Situation der Abfallwirtschaft; Österreichs Abfallwirtschaft im europäischen Vergleich; Vorgaben zur Vermeidung, Verwertung und Behandlung; Maßnahmen; Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen.

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 9. Oktober 2001 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 92

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

15.15

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Diesen Bericht zur Kenntnis zu nehmen bedeutet, das ständige Wachstum und Explodieren des Abfalls und auch die Tatsache, dass das kein Abfallvermeidungsbericht ist, zur Kenntnis zu nehmen.

Herr Bundesminister! Ich glaube, Ihr Herz brennt mehr beim ersten Teil der heutigen Debatte – bei der Landwirtschaft. (Bundesminister Mag. Molterer: Das werden Sie erst sehen!) – Das sage ich jetzt einmal. Aber Ihr Herz brennt meiner Meinung nach nicht beim zweiten Teil Ihrer Ressortverantwortung, der Umweltpolitik.

Was sagt uns dieser Bericht, und was sind die politischen Maßnahmen, die Sie, Herr Minister, dem entgegenstellen? – Dieser Bericht sagt, dass wir ein steigendes Hausmüllaufkommen und einen massiven Trend zum Ausbau der Müllverbrennung haben. Was die Steigerung beim Hausmüll betrifft, so ist dieser von 2,5 Millionen Tonnen im Jahr 1993 auf über 3 Millionen Tonnen im Jahr 1999 angewachsen. Das ist ein verheerendes Bild für eine Abfallpolitik, von der man behauptet, damit Abfall vermeiden zu wollen.

In Ihre Ressortführung, Herr Minister, fällt etwas, was sich heute als ein zahnloses Instrument darstellt, nämlich die freiwillige Selbstverpflichtung bei der Wiederbefüllung beziehungsweise bei der umweltgerechten Verwertung von Getränkeverpackungen. Die Zahlen beweisen: Diese freiwillige Selbstverpflichtung – eine Erfindung von Ihnen, Herr Minister – greift nicht. Der Trend in Richtung Einwegverpackungen explodiert, vor allem im Getränkebereich. Seit der Zielverordnungs-Novelle, die Sie erlassen haben, ist der Anteil von Einwegflaschen bei den Mineralwässern innerhalb eines Jahres von 49 auf 56 Prozent gestiegen!

Würden wir diesen Bericht heute zur Kenntnis nehmen, dann nähmen wir diese Entwicklung widerstandslos hin. Diese freiwillige Selbstverpflichtung bedeutet nämlich letztendlich ein Ende der Abfallvermeidungspolitik, zu der wir uns in der Vergangenheit immer bekannt haben. Diese hat durch diese freiwillige Selbstverpflichtung insofern eine schwere Schlagseite bekommen, als die Umweltstandards dadurch ständig nach unten nivelliert werden.

Sie, Herr Minister, haben statt der gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen zur Korrektur eine Verordnung erlassen, die sich im Grunde diesem Trend zur Einwegverpackung angepasst hat. Noch dazu – und das findet sich auch in diesem Bericht wieder – ist dieser Regelung eine falsche Angabe im Zusammenhang mit der Quotenberechnung zugrunde gelegen. Trotz zahlreicher Einwendungen, die bereits zuvor von verschiedensten Seiten erfolgt waren, wurde diese Quotenberechnung nicht verbessert.

Glas wird gegenüber Kunststoff klar benachteiligt. Jetzt frage ich Sie, Herr Minister: Sind Sie überhaupt an legistischen Maßnahmen zur Abfallvermeidung interessiert? – Ich habe angesichts der Verordnungen, die Sie erlassen haben, den Eindruck, dass Sie offensichtlich nicht daran interessiert sind, denn der Trend geht in Richtung Aus für Mehrwegsysteme.

Wenn wir zum Beispiel den Bereich der Mineralwässer hernehmen, so haben wir im Juli 1998 noch 64 Prozent Glasflaschen gegenüber 35 Prozent PET-Flaschen gehabt. Im Juli 2001 hatten wir bereits 67,6 Prozent PET-Flaschen und nur mehr 32,4 Prozent Glasflaschen. – Das ist ein K. o. für ein ökologisches Mehrwegsystem!

Irgendwann werden wir auch bei den Mineralwässern nur mehr Plastikflaschen haben – und das, obwohl die Mehrwegsysteme nicht nur ökologisch, sondern auch betriebswirtschaftlich günstiger sind, wie eine Studie der Öko-Consult erst unlängst bewiesen hat.

Zweiter Punkt: der starke Trend hin zur Müllverbrennung. – Derzeit werden 535 000 Tonnen verbrannt; Sie gehen von einer jährlichen Steigerung um 65 000 Tonnen aus. – Selbst derzeit


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 93

wird die so berechnete Kapazität nicht ausgeschöpft – das heißt, wir haben derzeit eine Unterschreitung der Kapazität –, dennoch sind gleichzeitig weitere Müllverbrennungsanlagen in Planung. Da stellt sich im Hinblick auf künftige Unterkapazitäten für diese Müllverbrennung die Frage: Werden die Müllimporte dann auch aus dem Ausland kommen?

Wenn die Deponieverordnung 2004 in Kraft tritt, sollen 1,3 Millionen Tonnen Abfälle verbrannt werden. Das ist nahezu eine Verdreifachung der derzeit durch die drei Müllverbrennungsanlagen geleisteten Menge. Das Ziel einer Abfallpolitik kann nicht lauten: hinein in die Müllverbrennung!, es kann nicht darin bestehen, die Abfälle widerstandslos diesem Bereich freizugeben, sondern das Ziel heißt unter anderem auch kalte, ökologisch-mechanische Müllverarbeitung, und es heißt letztendlich Müllvermeidung. Ansonsten öffnen wir Tür und Tor für ein Wirtschaftssystem, das der Umwelt schadet. Genau das aber wird durch die derzeitigen Regelungen unterstützt, wie auch aus diesem Bericht hervorgeht.

Es tut mir Leid, Herr Minister: Auch wenn Ihre Mitarbeiter hier sicherlich ein tolles und interessantes Werk erstellt haben, die Gesamtausrichtung der Politik Ihres Ministeriums in den letzten Jahren weist einen anderen Weg. Deshalb kann ich diesem Bericht nicht zustimmen. (Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

15.22

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

15.22

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf Basis des Abfallwirtschaftsgesetzes hat das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft alle drei Jahre einen Bundes-Abfallwirtschaftsplan zu erlassen und dem Nationalrat sowie dem Bundesrat darüber zu berichten.

Nach den Jahren 1992, 1995 und 1998 wurde nun zum vierten Mal der Bundes-Abfallwirtschaftsplan termingerecht erlassen. Er ist das Weißbuch der österreichischen Abfallwirtschaft und bietet eine umfassende Bestandsaufnahme der Situation der österreichischen Abfallwirtschaft.

Über den Inhalt: Für das Bezugsjahr 1999 gibt der Bundes-Abfallwirtschaftsplan ein Gesamtabfallsaufkommen von rund 48,6 Millionen Tonnen an. Das sind um rund 4,5 Prozent mehr als im letzten Bericht, also drei Jahre, zuvor. Das beruht allerdings nicht unbedingt auf einer tatsächlichen Zunahme der Müllmengen, sondern auf einer verbesserten statistischen Erfassung mengenmäßig bedeutsamer Abfallfraktionen.

Mit 41 Prozent stellt Bodenaushub, der überwiegend unbedenklich ist und verwertet wird, den größten Anteil aller Abfallarten dar.

Beim Haus- und Systemmüll – das ist alles, was durch die kommunale Müllabfuhr erfasst wird – gab es eine Steigerung von rund 12 Prozent in drei Jahren, was vorwiegend durch den Anstieg der Wohnbevölkerung und den Zuwachs vor allem von Single-Haushalten bedingt ist. Dieser Zuwachs konnte jedoch durch eine noch viel stärkere Steigerung, nämlich im Ausmaß von 24 Prozent, bei der getrennten Sammlung von Altstoffen – das sind Verpackungen beziehungsweise Biomüll – abgefangen werden.

Die Mengen an Rest- und Sperrmüll, die direkt und unbehandelt auf die Deponie gelangten, sind von 887 000 Tonnen im Jahre 1996 auf 884 000 Tonnen im Jahre 1999 gesunken. Der Anteil der Abfälle, der jährlich direkt deponiert wird, ist zudem von 63,1 Prozent im Jahr 1989 auf 28,5 Prozent im Jahre 1999 gesunken.

Die Europäische Umweltagentur EEA veröffentlicht jährlich Berichte zur Umweltsituation in Mitgliedsländern der EEA. Unter dem Titel "Environment Signals 2000" wird, basierend auf den Abfallindikatoren, ein Vergleich der österreichischen Abfallwirtschaft mit anderen europäischen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 94

Staaten hergestellt. Er zeigt, dass sich Österreich bei fast allen Indikatoren im europäischen Spitzenfeld bewegt. Zum Beispiel beim Aufkommen von Abfällen aus Haushalten pro Einwohner hat neben einem weiteren Staat nur Österreich den Zielwert des 5. Umweltrahmenprogramms der EU erreicht.

Ein wesentlicher Bestandteil des Bundes-Abfallwirtschaftsplans ist außerdem auch die Zusammenstellung aller relevanten sowie geplanten legistischen Maßnahmen in der Abfallwirtschaft. Detaillierte Informationen werden zum Beispiel zur Umsetzung der Verpackungsverordnung, der Batterienverordnung sowie weiterer auf dem AWG basierender Rechtsakte gegeben.

Daher das Fazit: Über den gesetzlichen Auftrag hinaus ist es dem Umweltministerium gelungen, eine informative und interessante Zusammenstellung aller abfallwirtschaftlichen Belange des Bundes zu verfassen. Dafür möchte ich besonders Dank an unseren Umweltminister Mag. Wilhelm Molterer aussprechen. Meine Fraktion wird dem Bericht selbstverständlich zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Dr. Böhm. )

15.26

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gstöttner. – Bitte.

15.27

Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der Bundes-Abfallwirtschaftsplan und der Bundesabfallbericht 2001 sind grundsätzlich positiv zu bewerten. Ich darf dazu aus der Sicht der sozialdemokratischen Bundesräte einige Anmerkungen machen.

Zunächst zu den Minuspunkten: Der Bericht enthält keine Übersicht über die tatsächlich von der Verwaltung durchgeführten Kontrollen in der Abfallwirtschaft und ihren Erfolg, obwohl der funktionierende Wettbewerb in der Abfallwirtschaft immer wieder durch kriminelle Handlungen gestört wird.

Der Bericht gibt eigentlich keine Auskunft darüber, wie das Ziel der Deponierung nur mehr inerter Abfälle bis zum Jahr 2004 tatsächlich erreicht werden soll. Dazu werden maßgebliche zusätzliche Verbrennungsanlagen benötigt.

Derzeit ist ein Entwurf zum Abfallwirtschaftsgesetz 2000 zur Begutachtung versandt worden. Dieser Entwurf wurde gemeinsam mit den Ländern erstellt. Jetzt geht es darum, substanzielle Verbesserungen in den Bereichen Abfallkontrolle, Abfalldatenverbund und tatsächliche Kontrollorgane herbeizuführen sowie die Vermeidungs- und Verwertungsquote in Österreich weiter zu verbessern.

Nicht zu dulden ist in Zukunft, dass Verordnungen wie zum Beispiel für die Getränkeverpackungen dann im letzten Moment durch eine neue Verordnung verunmöglicht werden. Die SPÖ hat deshalb im Nationalrat einen Antrag auf Einführung einer Einwegeabgabe zur Kompensierung des ökonomischen Vorteils der Einwegverpackungen eingebracht.

Die Pluspunkte: eine vernünftige Datengrundlage. Allerdings ist zu bemängeln, dass nicht gefährliche Abfälle nur geschätzt werden können. Die SPÖ hat diesbezüglich einen Antrag auf Kontrolle aller Abfälle im Nationalrat eingebracht.

Der Bericht enthält auch einen umfangreichen Maßnahmenteil. Allerdings fehlt jetzt der Zeitplan für die Umsetzung.

Der Bericht listet die Stärken und die Schwächen der österreichischen Abfallwirtschaft recht gut auf, versäumt aber dabei, Prioritäten bei der Beseitigung tatsächlich festzulegen.

Der Bericht ist letztlich ein exakter Spiegel der Rechtsordnung, ohne allerdings entsprechende Vorgaben für das neue Abfallwirtschaftsgesetz 2000 zu liefern. Wie überall gibt es eben positive und negative Seiten – das ist ganz klar und logisch, fordert aber natürlich gleichzeitig dazu auf,


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 95

diese Positionen entsprechend zu durchleuchten und zu überarbeiten, mit dem Ziel, das Bestmögliche zu erreichen.

Jedenfalls möchten wir allen danken, besonders dem Bundesministerium und allen Beamten, die an der Erstellung dieses umfangreichen und aussagekräftigen Berichtes beteiligt waren.

Zu danken ist auch den Ländern, den Bezirken, den Bezirksabfallverbänden und den örtlichen Abfallverbänden sowie den Gemeinden, die letzten Endes für die Umsetzung die Hauptverantwortung tragen.

Dank gebührt auch der Bevölkerung, die zu einem großen Teil viel Verständnis auf diesem Gebiet aufbringt und kräftig mitmacht, den Schulen und vor allem den Jugendlichen, die oftmals beispielgebend mitarbeiten und zusätzliche Ideen einbringen.

Einen Wunsch möchte ich noch deponieren: dass auch jene, die bisher wenig bis gar nichts dazu beigetragen haben – höchstens durch zusätzliche Verschmutzung der Sammelstellen et cetera –, endlich begreifen, dass wir nur gemeinsam die wichtigen Fragen der Abfallwirtschaft lösen und damit für unsere Zukunft vorsorgen können.

Nochmals herzlichen Dank an alle, die im positiven Sinne mitgearbeitet und an der Gestaltung teilgenommen haben. Die SPÖ-Bundesratsfraktion wird dem vorliegenden Bericht zustimmend zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.31

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist als nächste Rednerin Frau Bundesrätin Haunschmid. – Bitte.

15.31

Bundesrätin Ulrike Haunschmid (Freiheitliche, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht betreffend den Bundes-Abfallwirtschaftsplan ist ein sehr aufschlussreiches Dokument, das uns in die Materie der Abfallwirtschaft sehr gut einführt. Es ist auch von unserer Seite, von Seiten der freiheitlichen Fraktion, ein Danke an alle Mitarbeiter, die dieses Werk verfasst haben und uns diesen Bericht haben zukommen lassen, angebracht.

Uns allen ist unsere Umwelt sehr wichtig. Sehr wohl wissen wir alle ganz genau, dass Abfall unsere Umwelt belastet, dass wir es aber unserem wunderschönen Land und seinen Bewohnern wie auch unseren Gästen schuldig sind, diese Umwelt nicht mit noch mehr Abfall zu belasten, sondern sie davon zu befreien.

Wahr ist, dass die Müllabfallmengen steigen – teilweise trägt der noch immer vorhandene Unverstand vieler Menschen dazu bei –, ob im privaten Bereich oder in Bereichen der Erzeugung. Unser aller Ziel muss es sein, bis zum Jahre 2004 die Verbrennung realisierbar zu machen.

Vieles wurde in Österreich auf diesem Gebiet schon getan. Stolz bin ich als Oberösterreicherin natürlich auf die Vorreiterrolle, die Oberösterreich gerade im Bereich der Abfallvermeidung und -verwertung einnimmt. Dies ist nicht zuletzt unserer freiheitlichen Landesrätin Ursula Haubner zu verdanken, die mit ihrer Mannschaft nichts unversucht lässt, jede Verwertungsmöglichkeit im Sinne der Umwelt aufzugreifen und nachhaltig zu verwirklichen, und die unentwegt mit ihren Mitarbeitern in dem Sinne, Abfall zu vermeiden, tätig ist.

Wenn auch seit 1989 das Altlastensanierungsgesetz besteht, das die gesetzliche Grundlage für die Erhebung sowie für die Finanzierung und für die Durchführung der Sicherung und der Sanierung von Altlasten in Österreich bildet, wie es im Abfallbericht steht, so liegt die Kompetenz für die Gesetzgebung doch ausschließlich beim Bund. So sind die Länder im Wesentlichen auf Maßnahmen der Bewusstseinsbildung beschränkt. Oberösterreich nimmt wiederum


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 96

eine Vorreiterrolle ein und bereitet eine Kampagne zur Bewusstseinsbildung vor, denn die Abfallvermeidung kommt immer wieder zu kurz.

Die freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft, 50 Prozent der Getränkeverpackungen nun stofflich zu verwerten, ist zu begrüßen. Ob mit dieser Regelung aber die stetige Verdrängung zum Beispiel der Pfandflasche durch Einwegsysteme gestoppt wird, muss bezweifelt werden. Daher, Herr Minister, fragen wir uns, was Sie daran hindert, im Zusammenhang mit der geplanten Novelle zur Verpackungszielverordnung Pfandsysteme verbindlich vorzuschreiben.

Die großen Lebensmittelketten forcierten in der Vergangenheit aus Gründen der Logistik und aus damit zusammenhängenden Kostengründen in zunehmendem Maße Einwegverpackungen. Das führte dazu, dass Pfandflaschen immer mehr aus den Regalen verschwanden und durch PET-Flaschen, Getränkeverbundkartons, aber auch Aluminiumdosen verdrängt wurden. Diese Entwicklung stellt unzweifelhaft einen ökologischen Rückschritt dar, dessen Folgen sich nicht auf den Anstieg der Abfallmengen beschränken. Kleine Anbieter, die finanziell nicht in der Lage sind, auf neue Abfüllanlagen umzurüsten, geraten noch mehr als bisher unter die Räder der Globalisierungswalze. Arbeitsplätze in den Regionen gehen verloren, zusätzlicher Verkehr wird induziert.

Es gilt, den Werbekampagnen der Verpackungs- und Getränkeindustrie adäquat entgegenzutreten und den Bürgern die Vorteile von Mehrwegverpackungen zu vermitteln. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wenn dieses Wissensdefizit behoben ist, dann wird sich auch eine Änderung des Konsumverhaltens einstellen. Das ist unsere Meinung, Herr Minister!

Ich weiß, dass uns der internationale Wettbewerb seit dem EU-Beitritt gerade in diesem Bereich zusetzt, wird doch ausländisches Mineralwasser ausschließlich in Einwegflaschen geliefert.

Ich frage mich, ob es der Weisheit letzter Schluss ist, dass Österreich sein herrliches Wasser ins Ausland verkauft und wir Wasser aus dem Ausland in Einwegflaschen zurückkaufen.

Mehrweg – das Leergut mit dem Sehr gut, Herr Minister! Besonders dramatisch war gerade der Anstieg von Einweggebinden bei Mineralwasser. Das hat auch Kollege Schennach bereits gesagt.

Wenn alle derzeit in Mehrweggebinden angebotenen Getränke wie Wasser, Bier und alkoholfreie Erfrischungsgetränke in Einweg-PET-Gebinden abgefüllt würden, dann würde das 57 000 Tonnen Kunststoff pro Jahr bedeuten! Das entspricht 2 280 LKW-Zügen mit einer Ladung von je 25 Tonnen. Aneinandergereiht ergäben diese eine Kolonne von mehr als 40 Kilometern. Das ist ein gewaltiges Volumen für die Müllentsorgung! Ich glaube, dass das ein ganz großes Problem darstellt. Das weiß ich von uns Zuhause und von all meinen Kollegen, die in der Gastronomie tätig sind. Der langsame Abschied von der Pfandflasche steht uns bevor.

Grundsätzlich ist es begrüßenswert, dass auch in Gastronomiebetrieben Milchprodukte in Mehrweggebinden angeboten werden. Jedoch wird dabei weder auf die Klein- und Mittelbetriebe noch auf die Nebensaisonen Rücksicht genommen. Derzeit werden zum Beispiel Milchprodukte wie Topfen und Schlagobers, Joghurt und Sauerrahm lediglich in 5 bis 10 Liter Mehrwegkübeln angeboten. Benötigt aber ein Betrieb in der Nebensaison oder deshalb, weil er kleiner ist, eine kleinere Menge, so muss er wieder auf in Plastiksäcken und Literbechern verpackte Produkte zurückgreifen.

So gut gemeint das Angebot der Molkereibetriebe auch ist, Tatsache ist, dass zum Beispiel in Oberösterreich oder im ganzen Bundesgebiet 98 Prozent der Gastronomiebetriebe Kleinst- und Kleinbetriebe sind, die auf das Mehrwegsystem nicht zurückgreifen können.

Ich zeige mich in diesem Zusammenhang gerade über das von der Umweltlandesrätin Ursula Haubner gestartete Altspeisefettölsammelsystem "Der ÖLI" wirklich erfreut. Die "Gastro-ÖLIs" unterstützen uns wesentlich auch in der Entsorgung und helfen uns damit auf dem Weg zum Gastro-Umweltzeichen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 97

Was spricht für Mehrweg, meine Damen und Herren? – Weniger Energie und weniger Abfall, positive Ökobilanz, Ressourcenschonung, Wiederverwertung, niedrigere Müllgebühren und vor allem längere Haltbarkeit von Lebensmitteln.

Global denken – regional trinken, und das aus Mehrweggebinden. Das wäre eigentlich unser Ziel!

Nun steht uns, Herr Minister, noch etwas bevor: Was macht das Wirtshaus, was macht der Bauer in Zukunft, ab nächstem Jahr mit den Speiseresten? Wir Österreicher – mit all unserer Genauigkeit, mit unserer großen Sensibilität, in einem Land beheimatet, der ein herzeigungswürdiger Feinkostladen geworden ist – sehen uns dem Problem gegenüber, demnächst eine EU-Verordnung durchführen zu müssen, die etwa zum Inhalt hat, dass das Trank nicht mehr verfüttert werden darf. Das Trank – gerade noch gut genug für den Gast in der Gastronomie und zwei Minuten später zu schlecht für das Schwein (Heiterkeit bei den Freiheitlichen); das haben wir in der letzten Zeit mitgemacht; ja, es ist so! – darf laut einer EU-Verordnung, die uns demnächst ins Haus stehen wird, in Zukunft nicht mehr verfüttert werden.

Gerade für die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen war in den letzten Jahren die Speiseresteverwertung eine sehr hohe Kostenbelastung. 1,80 S  bis 2 S mussten pro Liter bezahlt werden, damit die Speisereste abgeholt wurden. Wie erfolgte dies? – 10 bis14 Tage dauerte es bis zur Abholung! Was war die Folge davon? – Wir mussten Kühlanlagen bauen, oder wir bekamen ein Pulver, das wir darüber streuen mussten, damit die Speisereste nicht zu gären anfingen.

Wir haben in Österreich Gott sei Dank keine Maul- und Klauenseuche zu verzeichnen, aber wir sind wieder einmal das Opfer eines EU-Gesetzes, das wir zur Kenntnis nehmen und vollziehen müssen. Was gedenken Sie da zu tun, Herr Minister? – Das ist meine Frage! Organisation, Überlegung, Mitteilung und Warnung müssen vor In-Kraft-Treten dieser Verordnung stattfinden. Wir können nicht immer wieder kurzfristig vor Tatsachen gestellt werden. Es kostet uns auch sehr viel Geld, und wir können keine zusätzlichen Belastungen mehr verkraften.

Vielleicht gibt es neben dem orangefarbenen "ÖLI" für Speiseölreste dann auch den blauen "Tränki". Das wäre ratsam, denn die KV-Tonnen sind blau.

Wenn sich Österreich von dieser Verordnung nicht ausschließen kann, dann darf man den Wirtschaftszweig "Tourismusbetriebe" nicht noch mit zusätzlichen Kosten belasten. Ich bitte Sie daher, Herr Minister, alles daranzusetzen, dass die Möglichkeit der Verbrennung von Abfall so rasch wie möglich verwirklicht wird. Orangene "ÖLI" und blaue "Tränki" – und das kostenlos!

Herr Minister! Ziel müsste es sein, dass es in Österreich nicht nur einzelne Betriebe mit dem Gastwirte-Umweltzeichen geben soll. Im Sinne eines nachhaltigen und vorsorgenden Umweltschutzes ist es notwendig, in der Gastronomie Mehrzwecksysteme in allen Bereichen, zum Beispiel sowohl bei Milchprodukten als auch bei Getränken, anzubieten. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.41

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

15.41

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zielsetzung der österreichischen Abfallpolitik ist ganz klar: Sie heißt natürlich Vermeidung von Abfällen als erste Priorität, zweitens optimale Verwertung von Abfällen und drittens optimale Entsorgung von Abfällen. An dieser Zielsetzung wird sich nichts ändern, ganz im Gegenteil.

Herr Kollege Schennach! Ich komme auf einen von Ihnen vorgebrachten Punkt zu sprechen: Sie sollten auch die Frage der Weiterentwicklung der Abfallpolitik und ihrer Strategie gerade vor dem Hintergrund der Kyoto-Relevanz der Abfallwirtschaft prüfen und überdenken.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 98

Ich meine, dass das, was wir heute hier vorliegen haben, nicht nur sozusagen als Instrumentenkoffer der österreichischen Abfallwirtschaftspolitik zu sehen ist, sondern letztendlich auch als Nachweis der erreichten Ziele – durchaus auch als Maßstab der Zielerreichung.

Bleiben wir bei einigen der Zahlen, die in diesem Bericht enthalten sind! Es ist richtig, dass das Gesamtvolumen, das Gesamtaufkommen des Abfalls in den letzten drei Jahren gestiegen ist – das stimmt! –, und zwar im Ausmaß von zirka 48,6 Millionen Tonnen. Allerdings müssen wir dabei sehen, dass von diesem Gesamtvolumen etwa 41 Prozent allein auf den Bodenaushub entfallen. Daher reicht die rein quantitative Betrachtung bei weitem nicht aus, zumal wir wissen, dass der Bodenaushub nicht qualitativ, sondern quantitativ das große Problem ist.

Die zweite Sache, die Sie angesprochen haben, betraf die Entwicklung der Abfallmenge aus den Haushalten. Jawohl, da haben wir einen großen Anstieg zu verzeichnen, und zwar von etwa 12 Prozent. Aber sehen wir uns auch an, warum das so ist!

Der Großteil der zusätzlichen Abfallvolumina aus den Haushalten ist letztendlich auf geänderte Konsumgewohnheiten zurückzuführen. Ein Teilaspekt steht durchaus im Zusammenhang mit der gerade vorhin diskutierten Frage der Entwicklung in der Landwirtschaft.

Welche Entwicklung ist denn feststellbar? – Wir haben eine völlig andere Struktur der Haushalte und auch eine andere Struktur des Konsumverhaltens zu registrieren. Im Großteil der Haushalte ist es nicht mehr üblich, zu kochen, sondern es ist üblich geworden, Fertigprodukte oder Halbfertigprodukte zu kaufen. Das hängt auch damit zusammen, dass es für die Frauen in ihrer Doppelbelastung Beruf und Haushalt oft schwierig ist, Zeit zum Kochen zu finden, und daher wird immer mehr in diese Richtung gegangen. Die logische Konsequenz daraus ist, dass ein höherer Anteil an Verpackungsmaterial anfällt.

Aber auch da ist die rein quantitative Betrachtung wohl nicht ausreichend. Bei uns gehen 50 Prozent des Aufkommens in die getrennte Sammlung, in die Behandlung und in die Verwertung. Das heißt, dass wir an diesem Anteil ein weit überproportionales Plus haben, im Vergleich zum Plus am Gesamtaufkommen. Das Gesamtaufkommen ist um etwa 12 Prozent gestiegen, der Anteil der behandelten oder der verwerteten Produkte aus den Haushalten hat im Vergleich dazu ein Plus von 24 Prozent.

Jetzt komme ich zu der von Ihnen, Frau Bundesrätin Haunschmid, angesprochenen Frage der Verbrennung. Es ist aus meiner Sicht Ihre Argumentation nicht logisch. Sie können nicht auf der einen Seite beklagen, dass wir steigende Volumina beim Abfall haben, und auf der anderen Seite beklagen, dass wir jetzt schon Vorsorge treffen, dass wir für das Jahr 2004 auch die Verbrennungskapazitäten haben.

Warum wollen wir das? – Wir halten unmissverständlich daran fest, dass ab 2004 nur mehr vorbehandelte Abfälle auf Deponien deponiert werden dürfen. Wir haben da zwei Möglichkeiten: einerseits die traditionelle Vorbehandlung, andererseits die Verbrennung.

Es gibt Studien, die sehr klar die Aussage treffen, dass im Gesamtoptimum, auch unter ökologischen Aspekten, die Verbrennung auf jeden Fall das richtigere Konzept ist. Wir können – und das sage ich jetzt wieder vor dem Hintergrund der Kyoto-Relevanz – dadurch einerseits CO2- oder Methanäquivalente reduzieren und andererseits durch die Energiegewinnung aus der Verbrennung fossile Energieträger ersetzen. Das ist also ein doppelter positiver Effekt in Richtung Kyoto-Ziel. Ich halte daher an dieser Zielsetzung des Jahres 2004 fest und ersuche die Länder und die Gemeinden, auch offensiv an dieser Fragestellung mitzuarbeiten.

Ich meine, dass Österreich auch im Bereich der Abfallwirtschaft international Vorbildcharakter hat. Denken Sie nur etwa daran, dass noch im Jahre 1989 63 Prozent der Haushaltsabfälle auf Deponien gelandet sind! In der Zwischenzeit liegen wir bei 28 Prozent, mit der nächsten Qualitätsstufe des Jahres 2004 wird das noch weniger sein.

Nun möchte ich zu einigen aufgeworfenen Fragen Stellung nehmen. Erstens zur Frage: Ist es von den rechtlichen Rahmenbedingungen der richtige Weg? – Ich meine ja, aber wir müssen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 99

uns weiterentwickeln. Mit der nun vorliegenden Novelle des AWG berücksichtigen wir das: einerseits vermeiden und verwerten, andererseits optimal entsorgen!, aber wir wollen es auch einfacher machen. Ich meine, dass die Verwaltungsvereinfachung in diesem Zusammenhang auch richtig ist.

Aber wir berücksichtigen bereits neue Entwicklungen in der Europäischen Union, etwa die integrierte Produktpolitik als hochinteressante neue Strategie auch für den Dienstleistungssektor. Wir berücksichtigen etwa die Altauto-Richtlinie oder beispielsweise die Elektronikschrott-Richtlinie mit diesem AWG. Das ist also ein richtiger Schritt, der aus meiner Sicht auch abfallwirtschaftlich richtige Perspektiven bringt.

Zur zweiten angesprochenen Frage, wie denn das mit der Einweg- und Mehrwegverpackung ist, möchte ich Folgendes sagen: Wir haben diesbezüglich in der Zielsetzung keinen Unterschied. Auch ich habe ein Interesse daran, dass wir einen möglichst hohen Anteil an Mehrwegverpackungen haben, und zwar Mehrwegverpackungen nicht in der prioritären Unterscheidung Glas oder PET, sondern Mehrweg versus Einweg. Das ist die wirklich wichtige Frage!

Wir unterscheiden uns in Bezug auf den Weg dorthin. Ich kann Ihnen genau sagen, warum ich den Weg der freiwilligen Vereinbarung gegangen bin.

Erstens zur Frage der Quotenberechnung, die von Ihnen angesprochen worden ist: Wir haben eine Vereinfachung der Berechnung vorgenommen, aber keine Bevorzugung irgendeines Verpackungsstoffes. Das ist falsch, das ist auch schon von Ihren Experten des öfteren klargestellt worden: Es gibt keine Bevorzugung, sondern eine Vereinfachung der Berechnung.

Warum wählten wir den Weg der freiwilligen Vereinbarung? – Weil bisher zwischen Lebensmittelhandel und Herstellern in Wahrheit der Ball hin und her geschoben wurde. Der Lebensmittelhandel hat die Tendenz, Kosten auszulagern, etwa in Richtung Konsument oder in Richtung Bereich der Abfallwirtschaft oder in Richtung des Herstellers. Daher wollen wir eine gemeinsame Verpflichtung aller Sektoren der Wirtschaft.

Nun zur Frage Pfand: Wir haben uns die Pfandsysteme genau angeschaut, und die europäische Erfahrung zeigt, dass bisherige Pfandsysteme keine lenkenden Effekte haben, und das ist die wirkliche Schwäche dieser Systeme, und zwar haben sie keine lenkenden Effekte auch dort, wo es Pfänder gibt. So ist beispielsweise in Skandinavien der Anteil von Einweg im Steigen begriffen, weil die Lenkung zwischen Mehrweg und Einweg durch Pfand nicht erreicht wird, auch nicht etwa durch das von den Grünen dargestellte Modell der Steuer, die netto eigentlich 1,5 Milliarden Mehrbelastung für die Konsumenten bringen würde.

Was ich für einen massiv richtigen Ansatz halte, ist die Bewusstseinsbildung der Konsumenten. Das tun wir auch ganz massiv, um letztendlich dieses Bewusstsein des eigenen ökologischen Verhaltens voranzutreiben und positiv zu beeinflussen. Da sind wir auch mit den Bundesländern ganz intensiv in Kontakt.

Aber auch ein sehr offenes Wort, und hier bitte ich um Mitarbeit aller Beteiligten: Ich kann mich an eine Diskussion um die Frage Milch in der Glasflasche erinnern. Ich glaube, es ist in diesem Bereich noch nie so viel geschehen, wie damals – es ist jetzt einige Jahre her – Werbeaufwand für die Milch in der Glasflasche investiert worden ist. Die Realität ist, dass die Glasflasche bei Milch leider verschwunden ist. Wir haben auch zu berücksichtigen, was für den Konsumenten Entscheidungskriterium ist, und daher setze ich beim Konsumenten an, damit er nicht den leichtesten Weg, nämlich im wahrsten Sinne des Wortes, geht, der aber in der Folge langfristig der schwerste Weg für alle Beteiligten ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur letzten Frage: Frau Bundesrätin! Sie haben die Sautrankproblematik angesprochen. Das hat zu manchem Lächeln in diesem Saal geführt – offensichtlich weiß nicht jeder, wie kritisch diese Frage wirklich ist. Wir wollen erreichen, dass das unter bestimmten Auflagen auch in Zukunft möglich ist, aber ich mache Sie darauf aufmerksam, Frau Bundesrätin, dass es in diesem Fall nicht die EU ist, sondern es um eine Mehrheitsentscheidung geht, da 13 Mitgliedsstaaten – damals nicht durch Agrarminister alleine vertreten, sondern auch durch Konsumen


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
680. Sitzung / Seite 100

tenschutz- und Gesundheitsverantwortliche – für dieses Verbot eingetreten sind und sich nur zwei Mitgliedsstaaten, nämlich Österreich und Deutschland, dagegen ausgesprochen haben.

Wir wollen versuchen, noch "herauszuholen" – unter Anführungszeichen –, dass das unter bestimmten, behördlich sehr klaren Auflagen auch in Zukunft möglich sein soll. Es ist aber bisher eine klare Mehrheit der Mitgliedsstaaten in der Europäischen Union gegen eine derartige Option, weil die dortigen Gesundheitsverantwortlichen sagen: Im Sinne der Risikominimierung sollten wir jedes mögliche Risiko für die Konsumenten, für die Sicherheit der Bevölkerung ausschalten.

Mein Argument war: So, wie wir es in Österreich machen, ist es sicher, denn sonst hätten wir die Probleme, die in anderen Regionen durchaus gegeben sind.

Abschließend: Ich bitte die Länder und vor allem die Gemeinden, weiter offensiv auf diesem Weg der positiven Entwicklung in der Abfallwirtschaft an einem Strang zu ziehen und die nun vorliegende Novelle des AWG, die demnächst auch in diesem Haus diskutiert wird, dazu zu nützen, weitere Verbesserungen zu erzielen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise der heutigen Sitzung insgesamt 23 Anfragen, nämlich 1850/J bis 1873/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 8. November 2001, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht des Bundesrates beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, den 6. November 2001, ab 14 Uhr vorgesehen.

Ich wünsche Ihnen ein gutes Heimkommen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 15.55 Uhr